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eingetragen von Sigmar Salzburg am 05.02.2014 um 09.39

Auch ohne Dollfuß-Bild resignieren Eierspeisler immer öfter

Es gibt immer noch Leser und Leserinnen, die sich aufraffen und uns schreiben, um das auch im STANDARD stattfindende Sterben der "hiesigen Hochsprache" zu beklagen. Allerdings werden es weniger - nicht etwa, weil diese an der Sprache Leidenden selbst bereits im Aussterben begriffen sind: Sie sind meist weder besonders alt noch haben sie, wie von einem anderen Teil der Leserschaft offenbar angenommen, zu Hause ein Dollfuß-Bild hängen. Nein, sie resignieren - wie wir ja auch...

Was uns lexikalisch Verstockte so wurmt, ist, dass die Veränderungen bei den österreichischen Sprechern oft unter dem Missverständnis "Verbesserungen" laufen: als sei Rührei Hochdeutsch und Eierspeis Dialekt. Wir wollen auch keine sozialisierten Rührei-Frühstücker bekehren: Wir wollen nur als Eierspeisler das Haupt hoch tragen.

derstandard.at 4.2.14


eingetragen von Sigmar Salzburg am 26.01.2012 um 11.48

… wird wieder durchs Dorf getrieben –
gegen die „Heilige Kuh“ Substantivgroßschreibung.


"FETZENLITERATUR"

SMS, Facebook und die Mär von der falschen Rechtschreibung

Neue Medien beeinflussen Rechtschreibung nicht - Jugendliche machen in der Schule nicht dieselben Fehler wie in SMS

…. Die "Fetzenliteratur" auf Twitter und in SMS bedroht nach Ansicht von Hans Zehetmair die Sprachkompetenz junger Leute …

So simpel ist es nicht. Grundsätzlich falsch sei die These deshalb, weil Twitter vor allem von Erwachsenen und nicht von Jugendlichen genutzt werde, sagt Christa Dürscheid von der Universität Zürich, die sich vor allem mit neuen Medien und deren Auswirkungen auf die deutsche Sprache beschäftigt. "…

Rechtschreibleistungen sinken

Das beweist allerdings noch nicht, dass die Rechtschreibkenntnisse generell nicht doch abnehmen. Laut Reinhard Kargl, Leiter des Lese- und Rechtschreibinstitutes in Graz, gibt es Studien, denen zufolge Testpersonen heute schlechter rechtschreiben als in den 1970er-Jahren. "Während die Intelligenz meist um ein paar Prozentpunkte steigt, sinken die Leistungen in der Rechtschreibung", so Kargl. Ein Grund dafür könne sein, dass in Schulen manchmal die Rechtschreibung nicht mehr so wichtig genommen werde...

Zu wenig Zeit in der Schule

Ein Faktor, der bei schlechten Rechtschreibkenntnissen mitspiele, sei auch, dass weniger Zeit darauf verwendet werde, die Grundfertigkeiten abzusichern. Zudem seien die Anforderungen an die Schüler beim Lesen und Schreiben stark gestiegen. "Im beruflichen Umfeld ist es heutzutage so, dass jeder mit Lesen und Schreiben konfrontiert wird", sagt Kargl …

"Heilige Kuh" Groß- und Kleinschreibung

Lösen könnte man das Problem vieler Rechtschreibfehler möglicherweise durch eine Vereinfachung der Regeln. Christa Dürscheid von der Universität Zürich dazu: "Ein Argument dafür wäre, dass die Kinder, die die Rechtschreibung lernen, es dann viel einfacher haben." Sie glaubt aber nicht daran, dass "in den nächsten 50 Jahren" an der Groß- und Kleinschreibung gerüttelt wird. "Das ist eine heilige Kuh", so Dürscheid.

"Es wäre eben viel einfacher, wenn man alle Substantive kleinschreiben würde. Aber wir Alt-Schreiber haben diese Regeln verinnerlicht, da sind wir alle sehr konservativ. Das Schreiben ist eine Art der Identität. Das hat man gelernt, da möchte man die Rechtschreibung in dieser Art und Weise bewahren", erklärt sie die tiefe Abwehr gegen Änderungen der Rechtschreibregeln.

Rechtschreibung als Statussymbol

Dass die Rechtschreibung und deren Reform auch an Stammtischen und in Internetforen heftig diskutiert werden, erklärt die Sprachwissenschaftlerin auch damit, dass Rechtschreibung für viele ein Ausdruck von Bildung ist. "Wer viele Schreibfehler macht, hat eine mangelnde Bildung" - das sei eine Korrelation, die oft gemacht werde. Kargl erklärt die ablehnende Haltung gegenüber Rechtschreibreformen ebenfalls damit, dass sie ein "Bildungsstatussymbol" sei: "Ob ich ein exzellenter Mathematiker bin oder ein sehr gutes Fachwissen habe, zeigt sich erst auf den zweiten Blick." (Lisa Aigner, derStandard.at, 26.1.2012)

Buch zur Studie:

Christa Dürscheid, Franc Wagner, Sarah Brommer (2010): Wie Jugendliche schreiben. Schreibkompetenz und neue Medien

derstandard.at 26.1.2012


Ablehnung von Rechtschreibreformen aus Bildungsdünkel – auch dieses abgedroschene Reformer-Totschlag-Argument ist nicht totzukriegen!


eingetragen von Sigmar Salzburg am 01.08.2008 um 05.02

Die Diktatur beim Diktat

Mit dem 1. August 2008 gilt in Österreich verbindlich die neue Rechtschreibung - Der langjährige Streit um die Reform und deren Korrektur


Rechtschreibnormen braucht man eigentlich nur für Lernende. Um jemandem eine Sprache zu vermitteln, abstrahiert man Regeln aus einem eigenständig funktionierenden System. Dass sich diese Regeln nach dem Gebrauch der Sprache richten müssen und nicht umgekehrt, ist dabei verständlich, und Änderungen daran sollten sich logisch nachvollziehbar aus der Praxis ergeben, möchte man meinen.

Der Rechtschreibreform, die mit heutigem Datum in Österreich endgültig verbindlich ist, ging allerdings ein mehr als zehn Jahre dauernder Streit um die umzusetzenden Änderungen voraus.

Besonders zu bedauern waren in dieser Zeit Schüler, die etwa ab 1998 um gute Deutschnoten zu kämpfen hatten. Denn sie mussten zweimal umlernen: von alt auf neu und später noch einmal von neu auf ganz neu - wobei dieses ganz neu wieder einiges von alt enthielt. Diese Regeln, mit denen die "endgültig geänderte" Reform von 2005 überarbeitet wurde, ist bereits seit zwei Jahren in Kraft.

Die heute ablaufende Frist betrifft in Wahrheit nur jene Schüler, die noch die alte Schreibweise verwendet hatten und deswegen in der Toleranzphase der letzten zwei Jahre (in Deutschland dauerte diese nur ein Jahr, in der Schweiz hingegen wird sie erst 2009 enden) keine schlechteren Noten bekommen durften: Ab heute aber werden Fehler ausschließlich nach der neuen Rechtschreibung angerechnet. Diesen Sommer dürfen Schüler also nur noch "Rad fahren", und nach einigen Jahren "Eis laufen" diesen Winter wieder richtigerweise "eislaufen" gehen.

Begonnen hat die Reform 1996: Da lagen die Ergebnisse einer bereits jahrelangen Beratung einer Expertenkommission vor, die sodann von Österreich, Deutschland, der Schweiz, Liechtenstein und den Ländern mit einer deutschsprachigen Minderheit unterzeichnet wurden. Noch im selben Jahr begann der Protest. Auf der Frankfurter Buchmesse sprachen sich 100 Schriftsteller und Wissenschafter für einen Stopp der Reform aus. Anträge zur "Prüfung der Rechtmäßigkeit der Reform" wies 1998 der österreichische Verfassungsgerichtshof zurück, ebenso reagierte der deutsche Bundesgerichtshof: Am 1. August 1998 trat wie geplant die Reform in Kraft, die alte Schreibweise war in einer Übergangszeit von genau sieben Jahren noch bis 2005 erlaubt.

Rückkehr zur alten Form

Ein Jahr darauf hatten die meisten deutschsprachigen Zeitungen ihr Regelwerk angepasst, tausende Schulbücher waren für viel Geld neugedruckt worden, doch schon nach einem Jahr kehrte die Frankfurter Allgemeine Zeitung zur alten Schreibweise zurück, später folgte der Axel-Springer-Verlag diesem Beispiel. Die Krise brach dann 2004 aus: Eine neue Institution wurde gegründet, um die anhaltenden Streitigkeiten zu schlichten. Dieser neue Rat für deutsche Rechtschreibung trat zusammen, um Sinn und Unsinn der Reform zu besprechen.

Der Rat sollte fortan die Entwicklung der Schrift beobachten, um künftig durch Anregungen für die flexible Anpassung des Regelwerks an die realen Gegebenheiten für eine kontinuierliche Veränderung des Schriftstandards zu sorgen und so große Reformen in Zukunft zu vermeiden.

Die Beratungen ergaben im Wesentlichen Punkte der Getrennt- und Zusammenschreibung, die semantische Mehrdeutigkeiten ergeben hatten, außerdem wollten sich die eingreifenden Länder von so mancher Großschreibung nicht trennen. Die Reform musste reformiert werden, die Schulbücher mussten erneut umgedruckt werden. Die Korrekturen sind jene, die ab heute definitiv gelten. Zum heutigen Termin erschien eine Studie der Gesellschaft für deutsche Sprache, die ergab, dass zwar nur noch 55 Prozent der Deutschsprechenden gegen die Reform sind (71 Prozent waren es noch vor zehn Jahren), diese dafür schon 31 Prozent (statt 20) vollkommen egal ist.

An "Kleingeisterei" gescheitert

Bleibt nun, nach der abgeschlossenen Reform, die Frage, weshalb die Schreibweisen Schifffahrt (heute ist außerdem Schiff-Fahrt erlaubt) und zugute tun (heute ist wieder nur mehr zugutetun zulässig) derartig viel Aufruhr verursachten. "Die Rechtschreibung hat bei uns einen Stellenwert erhalten, der ihr nicht angemessen ist", meinte über die Streitjahre hinweg der Vorsitzende der Reformkommission, Karl Blüml, dazu. "Der zweite Hauptgrund für die Überbewertung der Rechtschreibung im Deutschen ist aber auch dieser hochgeschätzte Ordentlichkeitsbegriff."

Die Debatten reichen allerdings viel weiter zurück: 1901 gab es erstmals, im Zuge der Reichsgründung durch Bismarck, eine staatlich vorgegebene überregionale Vereinheitlichung der Schriftsprache. Nach einer damals veranstalteten Rechtschreibkonferenz wurde die Entwicklung der Sprache von zwei Wörterbüchern registriert: einem schmalen "Volksduden" und einer umfangreichen Ausgabe für Korrektoren und Buchdrucker.

Der "Sündenfall", erzählt Blüml, geschah 1915, als beide Werke zusammengelegt wurden. "Alles, was vorher nur Spezialisten zugemutet wurde, galt nun auch für Kinder. Daraus ist das Kreuz mit der Rechtschreibung in der Schule in Wahrheit entstanden.

Das Kreuz mit der aktuellen Rechtschreibreform analysiert Standard-Korrektor Markus Tinhof: "Der große Wurf ist an Kleingeisterei gescheitert." Zu viele Vetos und Abänderungen hätten die Entwürfe zerstört. Die anfangs angedachte generelle Kleinschreibung konnte nicht umgesetzt werden, in mehreren kleinen Schritten wurde immer wieder zurückkorrigiert. "Grundsätzlich war die Reform dringend notwendig", sagt Tinhof, "um nicht in einen Notstand zu kommen, wie es im Englischen und Französischen der Fall ist", wo zwischen der gesprochenen und der Schriftsprache eine große Lücke klafft. Nach Tinhof hätte die Reform aber "wesentlich radikaler" durchgesetzt werden müssen.

Dafür ist es nun zu spät. Die allerletzte Ausnahme gilt noch für Maturanten, die nach ihrem Scheitern im Juli noch einmal antreten müssen: Ihnen wird im Herbst die alte Rechtschreibung noch einmal nachgesehen.

(Isabella Hager, DER STANDARD-Printausgabe, 1. August 2008)

Standard.at
31.7.2008
http://derstandard.at/?url=/?id=1216918289615

... und wieder wärmen Blüml und Tinhof alte Ammenmärchen der Reformer auf.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 31.07.2007 um 11.11

http://derstandard.at/?url=/?id=2976695

>>duckfehler können schmerzhafte folgen haben, wenn man sich dabei eine beule an der stirn oder am hinterkopf holt. wenn es sich aber um einen druckfehler* handelt, ist ein duckfehler nur ärgerlich. oft ergeben schon keine veränderungen einen ganz anderen sinn. und der druckfehlerteufel macht gewöhnlich kleine ferien. da muss man dann lange nachdenken, bis man den richtigen sinn errät. man kann aber daraus ein spiel machen, ein richtiges rätselraten. in besseren büchern kommen druckfehler selten vor oder nur an gnaz erlesenen stellen, da muss man oft lange strecken lesen, bis man einen antrifft, und daun kommt er meistens ganz unverhoft. was ist aber, wenn es sich einfach um einen schreibfelder handelt? schließlich gibt es heute keine sitzer mehr, die jeden fehler, oder fast jeden, gnadenlos ausmerzen. die autoren liefern die manuskripte digital, gebildet, wie sie sind. und welcher autor ist nach so vielen reformen noch sattelfest in der rechtschreibung? dann noch die tüchtigkeitsfehler, ich danke. ich mache schluss, man soll nicht noch öl in den ausguss gießen.
(Friedrich Achleitner/ DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.07.2007)<<
__________________
*gerneint: Tipp- oder Setzfehrel
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Norbert Lindenthal am 07.10.2006 um 05.17

Der Standard, 7.10.2006

7. Oktober

1996 - Um die deutsche Rechtschreibreform entbrennt eine scharfe Kontroverse, nachdem sich prominente Schriftsteller in der "Frankfurter Erklärung" dagegen ausgesprochen haben.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 19.07.2006 um 12.30

Der Standard 17. Juli 2006 13:05:00
Die Änderungen
Große Brocken bleiben wie gehabt

Hamburg - Die am 1. August in Kraft tretenden Änderungen bei der Rechtschreibreform betreffen nur einige Teilbereiche des Regelwerks. Die "großen Brocken" der Reform bleiben dagegen wie gehabt: Das scharfe ß kommt grundsätzlich nur mehr nach einem langen Vokal (Maß, Fuß). Nach einem kurzen Selbstlaut heißt es nun Kuss, muss oder Fass, "daß" wird generell nur mehr "dass" geschrieben. Das Stammprinzip wird außerdem verstärkt betont (Stängel statt Stengel, schnäuzen statt schneuzen usw.).
Änderungen gibt es dagegen bei der Getrennt- und Zusammenschreibung bzw. der Groß- und Kleinschreibung. Generell gilt: Es soll wieder mehr zusammengeschrieben werden - vor allem dann, wenn ein einheitlicher Wortakzent vorliegt wie "abwärtsfahren", "aufeinanderstapeln" oder "querlesen". Und: Bei feststehenden Begriffen wie "der Blaue Brief", "der Runde Tisch", "das Schwarze Brett" soll wieder "dem allgemeinen Schreibgebrauch" gefolgt und groß geschrieben werden. Die ursprüngliche Rechtschreibreform hatte dagegen nur noch wenige Ausnahmen vorgesehen ("Heiliger Vater").

Im Anschluss eine Gegenüberstellung der verschiedenen Schreibweisen mit besonderer Berücksichtigung der auf Grund der Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung heuer vorgenommenen Neuregelungen. Vielfach gibt es mit "auch:" gekennzeichnete Wahlmöglichkeiten. In manchen Fällen gibt es eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung, in anderen dagegen sogar eine von der Reform eigentlich unberührt gelassene Änderung der alten Schreibregeln.

ALTE RECHTSCHREIBUNG    RECHTSCHREIBREFORM    NEUREGELUNG
 
eislaufenEis laufeneislaufen
leid tunLeid tun/leidtunleidtun
recht habenRecht habenauch: recht haben
radfahrenRad fahrenRad fahren
näherkommennäher kommennäherkommen
richtigstellenrichtig stellenrichtigstellen
kennenlernenkennen lernenauch: kennenlernen
Essen warm machenEssen warm machenauch: Essen warmmachen
Wand rot streichenWand rot streichenauch: Wand rotstreichen
schwerkrankschwer krankauch: schwerkrank
das Schwarze Brettdas schwarze Brettdas Schwarze Brett
gelbe Kartegelbe KarteGelbe Karte
angst und bangeAngst und Bangeangst und bange
bis auf weiteresbis auf Weiteresauch: bis auf weiteres
für jung und altfür Jung und Altfür Jung und Alt
sich zu eigen machensich zu Eigen machensich zu eigen machen
Du (im Brief)duauch: Du
daßdassdass
SchiffahrtSchifffahrtSchifffahrt
 
(APA/dpa)


eingetragen von Norbert Lindenthal am 30.03.2006 um 21.08

30. März 2006, 19:35

Jungautorenclique beharrt auf alter Rechtschreibung

Geänderte Reform indes definitiv beschlossen, österreichische Übergangsfrist zwei Jahre

Berlin - …

"Der Staat" und "die Literatur"

Kurz vor der Entscheidung haben mehrere junge deutschsprachige Schriftsteller angekündigt, an der alten Schreibung festhalten zu wollen. Mehrere Autoren wie Daniel Kehlmann, Feridun Zaimoglu oder Judith Hermann bekräftigten laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Mittwoch, ihre Bücher weiter in der alten Schreibweise drucken zu lassen.
Der Staat habe selbst ohne Not eine Situation hergestellt, in der er sich von der überlegenen Orthographie der gewachsenen und vitalen Schriftkultur provoziert fühlen müsse. Die Literatur werde dem Staat aus dieser Lage nicht heraushelfen, erklärten die Schriftsteller. Sie werde sich um staatliche Vorgaben um so weniger scheren, als diese die Intelligenz des Lesers beleidigten und die Tradition obsolet machten. "Die Sprache kennt keine Kompromisse, jedenfalls nicht solche, wie sie in nichtöffentlichen Sitzungen seit über zwanzig Jahren zwischen ein paar Dutzend Didaktikern, Linguisten und Ministerialbeamten sowie Verbands- und Wirtschaftsvertretern ausgehandelt werden", heißt es in der Erklärung. (APA)


eingetragen von Norbert Lindenthal am 06.10.2004 um 17.37

Frankfurter Buchmesse
06. Oktober 2004, 18:18
 
Autoren gegen Rechtschreibreform
"Frankfurter Appell"

Frankfurt/Main - Rund 100 Autoren, Verleger und Wissenschafter haben auf der Frankfurter Buchmesse die Rücknahme der Rechtschreibreform gefordert. In ihrem "Frankfurter Appell" riefen unter anderem Günter Grass, Siegfried Lenz, Sten Nadolny und Ilse Aichinger die Politik auf, wegen "zunehmender Verwirrung das Experiment zu beenden".

Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) indes wird möglicherweise doch nicht wie der Springer-Verlag und der "Spiegel" zur alten Rechtschreibung zurückkehren. Nach einer internen Umfrage hatten sich nur vier Prozent der Mitarbeiter für eine Rückkehr ausgesprochen. Jeder dritte Mitarbeiter war für die Beibehaltung der neue Rechtschreibung; knapp zwei Drittel plädierten für eine modifizierte Form der neuen Rechtschreibung. (APA / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.10.2004)


eingetragen von Dominik Schumacher am 02.10.2004 um 20.16

02. Oktober 2004, 18:25
 
"Bild am Sonntag" kehrt zur alten Rechtschreibung zurück
Als erste deutsche Tageszeitung


Hamburg - Als erste deutsche Tageszeitung kehrt die "Bild am Sonntag" am "Tag der deutschen Einheit" zur alten Rechtschreibung zurück. Das Blatt macht damit an diesem Sonntag den Auftakt für die vom Axel Springer Verlag angekündigte Rückkehr zu den alten Regeln.

Am Montag sollen "Bild", "Welt" und die weiteren Springer- Tageszeitungen folgen. Die "Welt am Sonntag" stellt am 10. Oktober um. Andere Verlage haben sich noch nicht entschlossen, ob und wann sie zur alten Rechtschreibung zurückkehren wollen.

Noch kein Termin bei "Spiegel" und "Süddeutscher Zeitung"

So gibt es weder beim "Spiegel" noch bei der "Süddeutschen Zeitung" einen Termin für eine Umstellung. Nach einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur besteht unter den Chefredakteuren der deutschen Medienhäuser weiter kein einheitliches Meinungsbild. In der kommenden Woche wollen sich auch die Ministerpräsidenten der Länder mit der Rechtschreibreform befassen.

Nach Einschätzung des Erlanger Germanisten Theodor Ickler ist die Politik die falsche Instanz zur Lösung des Streits. "Der Impuls muss von außen kommen", sagte Ickler mit Blick auf die Konferenz der Ministerpräsidenten. Nach seiner Ansicht bedeute die Rückkehr einiger Zeitungen zur alten Schreibweise ohnehin das Ende der Rechtschreibreform. "Die Reform kippt in den nächsten Tagen. Da bin ich mir sicher", prophezeite der Germanistikprofessor und empfiehlt: "Die simple Rückkehr wäre die eleganteste Lösung."

Von sich aus könne die Politik im Reformstreit nicht mehr ohne Gesichtsverlust zurückrudern: "Die Kultusminister möchten im Grunde gezwungen werden, das Ganze aufzugeben", stellte der Sprachprofessor fest. Keine Lösungen bietet nach Meinung Icklers auch der "Rat für deutsche Rechtschreibung", der von der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossen wurde. Er bestehe im Wesentlichen aus den gleichen Vertretern wie die vorherigen Gremien zur Rechtschreibreform. Die Mehrheit der Reform-Befürworter sei somit von vorne herein gesichert. (APA/dpa)


eingetragen von Dominik Schumacher am 24.08.2004 um 22.34

24. August 2004 20:47
 
Das erste und letzte Medium des Menschen
Die Greuel des Thomas Mann, und was zur Debatte um die Rechtschreibreform noch und vor allem zu sagen ist - Ein Kommentar der anderen


Marie-Thérese Kerschbaumer ist Schriftstellerin und lebt in Wien
 
Kanzler sagt, es gibt Wichtigeres als die Argumente für und wider die Rechtschreibreform. Die Dichter sagen: Es gibt nichts Wichtigeres, als das dem Menschen ureigene Merkmal, die Fähigkeit, Sätze eines bestimmten Codes, einer gegebenen (Mutter-)Sprache zu erlernen, sich deren Regeln anzueignen, zu verinnerlichen und im Laufe der Menschheitsgeschichte zu verfeinern und zu vervielfachen.

Das Erfinden und Weitergeben der Schriftform einer gegebenen Sprache ist eine Kulturtechnik, die - nach heutigem Wissen - erst spät und von verschiedenen Kulturen ungleichzeitig erarbeitet worden ist. So wichtig in Jahrtausenden vorschriftlicher Zeit das Erinnern mündlicher Überlieferung mit Hilfe musikalisch-rhythmischer Formen war, so bedeutend wurde die schriftliche Form, also die genormte Grammatik und Orthographie einer jeweiligen Schriftsprache und - im Falle der deutschen Sprache nicht zuletzt dank Martin Luther - die Verbreitung der Kulturtechniken Lesen und Schreiben. Dieses Volk der Schreiber und Leser bezieht seit Kindertagen einen großen Teil seines Selbstwertgefühls aus dem Wert, den seiner Sprache im öffentlichen Bewusstsein zugemessen wird.

Aus diesem Grunde ist die Soziolinguistik der 1960er-Jahre bemüht gewesen, strukturbedingte Abweichungen ohne Abwertung einsichtig zu machen und, um nur ein Beispiel zu nennen, die rückbezüglichen Fürwörter des Wienerischen - Beispiel sehn wir sich statt sehn wir uns - als Rest einer älteren Sprachschicht im Code dieser Gegend verankert zu erkennen und den Schülern die hochsprachliche Form leichter erkennbar zu machen und zu vermitteln.

Masse ist nicht Qualität

Die zunehmende Verengung des Sprachschatzes, ja Verringerung der sprachlichen Kompetenz, Fremdeinflüsse, Bequemlichkeit bis Denkfaulheit der Warenwelt in der Bildung von Lehnübersetzungen, das Überhandnehmen der Bildersprache, all das fördert nicht die Lernfähigkeit für andere Sprachen. Die Spr

Die Thematisierung der Verschriftlichung einer Sprache durch die Dichter und Dichterinnen des Landes (deren Arbeitsmaterial oder Medium die Sprache selbst ist) einerseits als lächerlich zu deklarieren, andererseits die Dichter als jene zu brandmarken, die künftig auf eigene Gefahr nicht richtig schreiben, verunglimpft nicht nur die Dichter, sondern das Medium Sprache selbst. Was auf die gesamte Sprachgemeinschaft, ob bewusst oder nicht, demütigend wirkt.

Die Argumente der Reformer sind unwahr, unrichtig und, wo zur Norm erhoben, Anstiftung zu Unwahrheit, also Unrecht. Ererbte Wörter - besonders diese - werden mit missverstandenen oder absichtlich falschen Herkunfts-und Wortgeschichten diktatorisch neu geschrieben, und der durchschnittliche Sprachschatz nicht nur verkleinert, sondern die kommende Generation erneut und zusätzlich um das Erlebnis der Spurensuche eines Wortes durch Raum und Zeit, um die Freude des Wiedererkennens, um die Geschichte gebracht.

Verachtung der kindlichen Lernfähigkeit

Die Verbindung des deutschen Eigenschaftswortes rauh über altenglisch rúh und niederländisch ruig zum heutigen englischen rough wird verdeckt, wie einst Karthago zum Verschwinden gebracht. Dessen Anfänge reichen bis an die Grenzen der Erinnerung zurück, als die Menschen mit dem Groben, Haarigen und Ungezähmten vertraut waren, im Urältesten (indogermanisch) aufreißen und wühlen mussten. In der jüngeren Zeit, ab 1529, hatten sie mit edlem Pelzwerk der Kürschner oder dem Rauchwerk zu tun, aber sowas hamma ned, und den Unterschied der Nuancen oder gar einen elaborierten Code, sprich erweiterten Sprachschatz, kennt der Computer nicht.

Eine Sprache aber, die im eigenen Lande nichts wert ist, und deren hochsprachliche Regeln, von Kind an als Last suggeriert, dem Kind unter Stöhnen der Lehrer nicht zumutbar sind, die einzig der verächtlich gemachten und zunehmend deklassierten Intelligenz einer (von den Mächtigen nicht wahrgenommenen) Rede wert ist, bedeutet nichts. Und die Sprecher dieser Sprache, ein ganzes Volk, bedeutet auch nicht so viel.

Der Kinder wegen, so hieß es, müsse vereinfacht werden! Welche Verachtung der kindlichen Lernfähigkeit! Der Kinder wegen, heißt es nun, könne man nicht in den mutwillig und unter Kosten veränderten früheren Zustand zurück. Was für eine Verachtung unserer Intelligenz!

Verwerfliche Bildung

Das erste und letzte Medium des Menschen: eine Sache für eine geheime Kammer von Rechthaberei. Geldbeschaffung für Kostenverursacher, die zu uns über Kosten reden wollen. Die Sprache, ein Gegenstand für Volksschulnoten, danach kommen Sintflut und Arbeitslosigkeit. Intelligenz, Sprachkompetenz und Bildung: unwichtig, vielleicht sogar verwerflich. Das zu deklarieren mag den Rechthabern Freude und dem frustrierten Volk die fürs Rechthalten benötigte Resignation bringen: Achtung im Chor der Völker bringt es nicht.

Johann Wolfgang Goethe, so sich noch jemand seiner erinnert, umschreiben oder ihn als für Kinder nicht richtig und daher ungeeignet erklären, in jedem Fall nicht lesbar. Desgleichen Thomas Mann mit seinen unrichtigen biblischen Greueln in der Josephstetralogie, wer ist das schon. Von Ingeborg Bachmann, Hermann Broch, Joseph Roth, Robert Musil, Hans Lebert zu schweigen: Neu gedruckt wird, was dem herrschenden Geist entspricht und in wen investiert werden soll. Das schafft Platz, für die da kommen werden. (DER STANDARD; Printausgabe, 23.8.2004)


eingetragen von Fritz Koch am 23.08.2004 um 12.43

Es hat eigenen Wortschatz, eigene Grammatik, eigene Rechtschreibung und ist älter als Hochdeutsch. Vielleicht muß es wegen seines Alters dringend reformiert werden. Das wäre doch eine echte Aufgabe für eine Reformkommission.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 23.08.2004 um 12.25

23. August 2004 13:31

Blüml: "Das Ganze nicht so tiefernst nehmen"

"Es geht nur um die Schreibung, nicht um die Sprache" - Er findet wenig Gefallen an "Österreichisch" als eigene Sprache


Karl Blüml, Vorsitzender der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung

Verwundert über das Ausmaß der Diskussion um die Rechtschreibreform zeigte sich Karl Blüml im Anschluss an die Sitzung vor Journalisten. "Man soll das Ganze nicht so tiefernst nehmen. Es geht doch nur um die Schreibung, nicht um die Sprache." Er wundere sich, dass die Reform noch Jahre nach der Einführung so viele Wellen schlage. Eine Rücknahme wäre gegenüber den Schülern "absolut unverantwortlich".

Die Rechtschreibung entwickle sich ständig weiter, meinte Blüml zu den Aufgaben eines künftigen Rates - und das müsse beobachtet werden. Auch Änderungen zur ursprünglichen Reform habe es schon gegeben, verwies er auf den vierten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission, der in einigen Bereichen eine Liberalisierung der Regeln vorsieht. Seit der letzten großen Rechtschreibreform 1901 habe es immer wieder additive Änderungen und Einzelfallentscheidungen gegeben - mit der jüngsten Reform habe man wieder zusammengefasst und Regeln erarbeitet.

Zur angekündigten Rückkehr einiger deutscher Medienhäuser und Verlage zur alten Rechtschreibung meinte Blüml, dass es bei allen Rechtschreibreformen rund 20 bis 30 Jahre gedauert habe, bis tatsächlich alle umgestellt hätten. Außerdem stelle sich natürlich die Frage, zu welchen Schreibweisen man zurückkehren wolle: Vor der jüngsten Reform 1996 sei die Schreibung auch nicht einheitlich gewesen.

Wenig Gefallen an "Österreichisch"

Wenig Gefallen fand Blüml an der Initiative einiger österreichischer Autoren, "Österreichisch" als eigene Sprache zu etablieren: "Österreichisch ist doch eine deutsche Sprache, und das soll es auch bleiben." Mittlerweile habe man endlich eine Übereinstimmung zwischen den Wörterbüchern der einzelnen Staaten geschafft.

Die derzeitige Diskussion um mögliche Alleingänge bei der Rechtschreibung wollte Blüml nicht überbewerten. So komme etwa die Schweiz seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts ohne "ß" aus und habe sich trotzdem nicht aus dem deutschen Sprachraum verabschiedet.

Auch das gegenseitige Austauschen von unlogischen Schreibweisen zwischen Gegnern und Befürwortern der Reform sieht Blüml kritisch. Eine der Intentionen der Kommission sei es nicht zuletzt gewesen, der Rechtschreibung die derzeit überragende Wichtigkeit für den Schulunterricht zu nehmen. So habe sich die Schweiz im Basisunterricht etwa bereits von der Vermittlung der Feinheiten der Getrennt- und Zusammenschreibung verabschiedet. Und: "Wer hat sich eigentlich vor der Diskussion um die Rechtscheibreform schon mit Getrennt- und Zusammenschreibung befasst?" (APA)


eingetragen von Dominik Schumacher am 23.08.2004 um 10.06

23. August 2004 10:51
 
Spritpreis schlägt Hundekot

Umfrage über die "Ärgernisse des Alltags": Auch Unpünktlichkeit, "unfreundliche Bedienung" und "überfüllte Müllcontainer" sorgen für Aufregung


Zur Zeit macht das Tanken die Österreicher sauer.



Überraschend wenig Ärgernis bereitete den Befragten auch die "neu entflammte Diskussion um die Rechtschreibreform". Nur 47 Prozent grantelten darüber.(APA)


eingetragen von Fritz Koch am 19.08.2004 um 17.19

Nicht nur die Plurale auf -er, sondern auch die auf -en müssen nach männlich belebt oder weiblich belebt unterschieden werden. Oder es muß ein Einheitsplural für alle Lebewesen her.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 19.08.2004 um 16.43

19.8.2004 14.34 Uhr

ÖH für Reform der geschlechtsneutralen Formulierungen
"Statt sinnloser, zeitraubender Debatten über ss oder ß" - Auch SPÖ für Vereinheitlichung

 
Für die Vereinheitlichung geschlechtsneutraler Formulierungen sprechen sich die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) und der Kärntner SPÖ-Abgeordnete Herwig Seiser in der Debatte um die Rechtschreibreform aus. In einer Aussendung verlangte Seiser von den "Hütern und Hüterinnen der deutschen Sprache" die Vereinheitlichung geschlechtsneutraler Formulierungen. Derzeit würden verschiedenste geschlechtsneutrale Schreibweisen Verwirrung stiften. Diese würden "von AbsolventInnen über der/die Lehrer/in bis hin zu einE BegünstigteR reichen und oftmals als Ausrede dafür dienen, dass der Einfachheit und Verständlichkeit halber ausschließlich männliche Formulierungen gewählt werden".

"Krieg der Geschlechterformulierungen"

In diesem "Krieg der Geschlechterformulierungen" müsse Ordnung geschaffen werden, so Seiser. Bei einer "etwaigen Reform der Rechtschreibreform" solle es zu einer Standardisierung und klaren Regeln für geschlechtsneutrale Ausdrucksformen kommen. Dies wäre "ein kleiner Schritt für einen Mann, aber ein großer Schritt für die Sprache der weiblichen Menschheit".

Bei der ÖH läuft Seiser damit offene Türen ein. "Endlich gehen die Diskussionen um die Rechtschreibreform beziehungsweise die Rücknahme dieser in eine produktive und sinnvolle Richtung", so die stellvertretende ÖH-Chefin Patrice Fuchs. "Statt sinnloser, zeitraubender Debatten über ss oder ß werden endlich jene Dinge angesprochen, die wirklich ein Problem in der deutschen Sprache darstellen", so Fuchs. (APA)


eingetragen von Norbert Lindenthal am 16.08.2004 um 20.29

15. August 2004 20:36
 
Stefan Aust: Wir sind keine Gralshüter
Er ist einer der Initiatoren der erneuten Diskussion um die Rechtschreibreform: "Spiegel"- Chefredakteur im STANDARD-Gespräch


Mit Stefan Aust, dem Chefredakteur des Hamburger Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", sprach Stephan Hilpold.

STANDARD: "Spiegel", "FAZ", Springer Verlag und "Süddeutsche" kehren zur alten Rechtschreibung zurück. Wie erklären Sie das einem Schüler, der sich in den vergangenen Jahren an die neue Rechtschreibung gewöhnen musste?

Aust: Das mache ich jeden Tag, da ich zwei Töchter habe, die eine ist sechs, die andere 13. Der Grund dafür, dass wir das gemacht haben, besteht darin, dass die Kinder heute in der Schule etwas lernen, was sie in der Literatur nicht wiederfinden. In dem Moment, in dem meine Töchter ein Buch in die Hand nehmen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in der alten Rechtschreibung abgefasst ist, 90 Prozent.

STANDRAD: Die Schulbücher sind allerdings bereits umgestellt.

Aust: Das ist der Kern des Problems, wir haben eine zweigeteilte Situation. Da sie die alten Bücher aber nicht mehr verändern können und sich die neue Rechtschreibung offensichtlich aus genau diesen Gründen nicht durchgesetzt hat, ist es vernünftiger, zur alten zurückzukehren als den Unsinn weiter mitzumachen.

STANDARD: Viele nennen das in Hinblick auf die jüngere Generation unverantwortlich. Geht es um eine Machtdemonstration der Medien?

Aust: Nein, wir haben die Rechtschreibreform am Anfang ja mitgemacht, aber die Regelungen selbst waren zu einem großen Teil widersinnig. Wir haben sehr energisch dagegen argumentiert, dann aber trotzdem mitgemacht, da wir gedacht haben, na gut, vielleicht setzt sich das ja irgendwann durch. Meinungsumfragen sagen aber, dass 80 Prozent der Leute dagegen sind.

STANDARD: Sie beklagen die Unsinnigkeiten und Widersprüchlichkeiten der neuen Rechtschreibung. Die gab es in der alten Rechtschreibung in anderer Form aber genauso. Haben Sie das vergessen?

Aust: Man machte die Reform, um eine Logik in Bereiche einzuziehen, die sich der Logik zum Teil entzogen haben. Man hat dadurch neue unlogische Formen produziert. Wenn man es konsequent gemacht hätte, hätte man die halbe deutsche Sprache umschreiben müssen.

STANDARD: Sie sprachen in Ihrem letzten Leitartikel von einem "orthografischen Chaos". Ist ein solches nicht genau dann vorprogrammiert, wenn man die Reform zurücknimmt?

Aust: Das glaube ich nicht. Im Übrigen würde kein Land der Erde auf die Idee kommen, eine neue Rechtschreibung von staatlicher Seite zu entwickeln. Sie finden in der französischen Sprache, glaube ich, sechs verschiedene Schreibweisen für das o: Renault, Bordeaux ... Was glauben Sie, was passieren würde, wenn man in Frankreich plötzlich sagen würde, wir schrieben das alles mit o?

STANDARD: Sprache entwickelte sich immer weiter.

Aust: Das ist der Kern des Problems. Es hat immer Entwicklungen gegeben, die irgendwann in die Regularien übernommen worden sind. Das ist auch richtig so. Aber es ist ein gewaltiger Unterschied, ob sich Sprache evolutionär entwickelt, oder ob sich eine Gruppe von selbst ernannten Experten bzw. von den Kultusministern ernannten Experten, hinsetzt und ein neues Sprachsystem entwickelt, das mit dem, was gebräuchlich ist, nichts zu tun hat.

STANDARD: Seit 1902 war die Rechtschreibpflege dem Duden-Verlag anvertraut, einem Privatunternehmen. Jetzt tragen staatliche Stellen die Verantwortung. Ist das nicht ein Mehr an Demokratie?

Aust: Wo sehen Sie da ein Mehr an Demokratie? Bei der Einführung der Rechtschreibreform wurde im Bundesland Schleswig-Holstein eine Volksbefragung durchgeführt. Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hat für die Beibehaltung der alten Rechtschreibung gestimmt. Das hat die Politik überhaupt nicht interessiert.

STANDARD: Ihr Vorstoß wird von vielen als reaktionär angesehen. Sind Sie und Ihre Medienkollegen die neuen Gralshüter der Sprache?

Aust: Nein, wir sind keine Gralshüter, wir wehren uns gegen Veränderungen, die nicht notwendig und widersinnig sind.

STANDARD: Medien nehmen die Reformen der Politik zurück. Sind die deutschen Leitmedien die besseren Politiker?

Aust: Zumindest sind unsere Politiker nicht die besten Politiker, die man sich vorstellen kann. In diesem Land gibt es einen enormen Reformstau, aber der bezieht sich nicht auf die Sprache.

STANDARD: Schätzungen sagen, dass die Rücknahme der Reform 250 Millionen Euro kosten wird.

Aust: Diese Kosten würden entstehen, wenn sie von heute auf morgen alle Bücher verändern würden. Genauso gut wie wir jetzt eine sechsjährige Einführungsphase hatten, wird es auch in Zukunft einen Turnus geben, in dem Schulbücher den Lehrplänen angepasst werden. Man kann genauso einen evolutionären Prozess einleiten wie den, den man gemacht hat, um die Reform einzuführen, um aus diesem Unsinn wieder auszusteigen.

STANDARD: Haben Sie Zahlen, wie viel das kosten würde?

Aust: Es geht nicht um Zahlen, weil Sie die Zahlen willkürlich festsetzen können.

STANDARD: Nichts wird es nicht kosten.

Aust: Ich kann Ihnen sagen, es kostet nicht sehr viel. Nur wenn Sie jetzt anfangen, Bücher die bereits gedruckt sind, einzustampfen und neue Auflagen zu produzieren, kostet das sehr viel Geld. Aber es stellt sich die Frage, was sie tatsächlich verändern wollen. Der Grundgedanke derer, die die Rechtschreibreform eingeführt haben, war eine Liberalisierung der Sprache, in der die Bandbreite, was ein Fehler ist und was kein Fehler ist, vergrößert wurde. Man könnte so liberal sein und sagen, jetzt gehört auch die alte Rechtschreibung in dieses Spektrum.

STANDARD: Das hieße, die Schüler müssten sich erst recht an ein Chaos gewöhnen.

Aust: Sie müssen sich ohnehin an ein Chaos gewöhnen, selbst wenn wir bei der neuen Rechtschreibung blieben. Aber dann haben sie keine Perspektive, diesem Chaos zu entkommen. (DER STANDARD, Album, 14./15.8.2004)


eingetragen von Norbert Lindenthal am 16.08.2004 um 20.26

16. August 2004 19:04
 
Die Kunst des Reformierens
Im Zusammenhang mit der Rechtschreibung ist zur Zeit viel von Reformen die Rede

Von Günter Traxler

Im Zusammenhang mit der Rechtschreibung ist zur Zeit viel von Reformen die Rede. Zu viel, wie die einen, zu spät, wie andere, zu hysterisch, wie dritte meinen. Vor allem Leute, die darauf bestehen, die Sprache mit den Amtsregeln ihrer Schreibe zu verwechseln, und daraus ein professionelles Recht ableiten, sie für gefährdet zu erklären, tun sich viel um. Längst ist Andreas Unterberger erlahmt, da läuft der Sprachpurist Cato Amok und fordert eine Reform der Reform. Wie auch Robert Menasse, der vorige Woche in der "Süddeutschen Zeitung" wider eine gestrige und zwangsassimilierte Rechtschreibung auftrat, dieselbe als rassistisch, neoliberal und rückwärtsgewandt bezeichnete, wobei er von sich behauptete: Ich spreche und schreibe Deutsch. Das große, weite und tiefe Deutsch, das die Reformer nicht verstehen.

Damit kam er bei einigen heimischen Kollegen nicht gut an. Die unterzeichneten ein im STANDARD veröffentlichtes Manifest Christian Ide Hintzes, in dem gefordert wurde: Keine "deutsche" Rechtschreibreform mehr! Sie wollen nicht mehr das große, weite und tiefe Deutsch schreiben, das die Reformer nicht verstehen, sondern fordern eine Staatssprache Österreichisch in einem europäischen Kontext. Um sich nach Erfüllung dieser Forderung in derselben auszudrücken, also Marmelade ins Konfitüreglas zu füllen?

Zu diesem Behufe fordern sie ferner, der EU das 1950 von Felix Hurdes und Ernst Fischer initiierte "Österreichische Wörterbuch" auf eine Weise bekannt zu machen, dass in Zukunft Skurrilitäten wie der so genannte "Marmeladestreit" einfürallemal vermieden werden. Ein patriotisches Ziel, des Poetenschweißes wohl wert, eine schallende Ohrfeige für jene, die dem Alpenvolk, begnadet für das Schöne, gnadenlos die Gams selbst im Gemsbart verweigern würden, nur um den Gämsen zu entrinnen.

Sie greifen bei ihrer Reformverweigerung auf eine Zeit zurück, in der das erste Nazi-Opfer Österreich seinen retardiert unbeugsamen Widerstand gegen den vormals begeistert begrüßten Anschluss an Deutschland - für kritische Ostmärker übrigens damals das Land der "Marmeladinger" - dadurch zum Ausdruck brachte, dass Schulkinder nicht mehr in Deutsch, sondern in "Unterrichtssprache" konditioniert wurden. Das war Österreichisch in einem typisch österreichischen Kontext.

Dazu fällt einem Helmut Qualtingers Reformvorschlag ein, den Buchstaben U aus dem Alphabet auszumerzen: Gäbe es doch so viele unanständige, mit christlicher Pädagogik unvereinbare Worte, die diese Letter enthielten. Dazu kam es nicht - Unterrichtsminister Hurdes hätte zurücktreten müssen. Die große Schwäche der jetzigen Reform: So weit würde eine Liesl Gährer nie gehen.

Wie man eine Reform durchzieht, die trotz kritischer Einwände letztlich einigermaßen akzeptiert wird, hat vorige Woche in vorbildlicher Weise DER STANDARD demonstriert. Für Johann Skoceks Kolumne im Olympia-Teil hatte Meister Oliver Schopf nach einer älteren Vorlage einen Kopf des Autors zu zeichnen, der wie die Rechtschreibreform den Erfordernissen der Jetztzeit angepasst sein sollte. Links sein erster Vorschlag.

Zugegeben, der Zeichner hatte für sein Werk nicht so viel Zeit wie die Rechtschreibreformer für das ihre, die Redaktionskonferenz nahm darauf aber keine Rücksicht und äußerte sich befremdet. Nicht so sehr vielleicht wie Robert Menasse über die angeblich neue Doppel-s-Regelung, aber in ähnlichen Worten. Zwar wollte niemand von rassistisch sprechen - wir sind ja keine Dichter -, aber die Skoceks haar- und bartumflortem Antlitz entströmende Dämonie habe fast schon etwas Gämsenhaftes, und werde der Milde seines Wesens in keiner Weise gerecht.

Anders als die Rechtschreibbürokraten beharrten weder Zeichner noch Chefredaktion auf diesem Bild, sondern zeigten sich zur Reform der Reform bereit. Das Ergebnis sehen Sie in der Mitte. Aber jene, die zu dem ihnen gewohnten Skocek zurück wollten, waren wieder nicht zufrieden. Nun wirke er geradezu zwangsassimiliert, ehrlich gesagt irgendwie gestrig, fast rückwärtsgewandt.

Spätestens jetzt hätte auch der geduldigste Rechtschreibreformer auf stur geschaltet. Aber nicht wir, wenn es ums Reformieren geht! Seit gestern gibt es Skocek III. Ich finde, nun ist er ziemlich österreichisch im europäischen Kontext. Aber die Olympischen Spiele dauern ja noch.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 13.08.2004 um 05.07

13.8.2004

Des Chaos tanzende Sprachsterne
Die Chance der Rechtschreibvielfalt
 
Die Angst geht um. Sie hat, in diesem lauen Sommer, einen Namen: "Das Chaos". Ein Chaos, welches, im Gegensatz zur wirren Urmasse des Weltenbeginns, einen Urheber kennt: die Rechtschreibreform.

"Ein Chaos ist entstanden", argumentiert Marcel Reich-Ranicki im "Spiegel", der in den mütterlichen Schoß der alten Rechtschreibung zurückkehrt. "Die Reform hat ein Chaos geschaffen", sinniert Robert Menasse in der gleichfalls rückkehrwilligen "Süddeutschen Zeitung". Und dass "die Schreib- und Lesefähigkeit der jungen Generation durch das nun entstandene Chaos nachweisbar abgenommen" hat, erkennt scharfsinnig Dichand-Cato in der "Krone".

In seltener Einmütigkeit geißeln die mächtigen Herren der Sprache weniger die Veränderung als die fatale Ungewissheit, der zu begegnen die entfesselte Schriftsprache sie zwingt. Hinter ihrer Ablehnung der Rechtschreibreform nämlich scheint, unabhängig von allen konkreten Verschiebungen der Schrift, jenes Phänomen auf, das der Psychoanalytiker und Soziologe Erich Fromm einst "Furcht vor der Freiheit" nannte.

Dem Wagnis eines vielfach ungesicherten Daseins zu entgehen, flüchtet sich der Mensch freiwillig in Abhängigkeit und Unterwerfung - und sei es unter eine verbindliche Rechtschreibregel. Jene Verbindlichkeit vor allem wurde durch die Parallelexistenz zweier Sprachregeln beendet.

Von Schülern und Beamten abgesehen, auf deren schriftliche Werke der Staat ein strenges Auge wirft, steht heute jedem Bürger, jeder Zeitung, jedem Verlag frei, selbst zu entscheiden, welche schriftliche Ausdrucksform er wählt. Erlaubt ist, was gefällt.

Fröhliche Anarchie

Ein Zustand, der den Verfechtern einer Rechtschreiborthodoxie - Reformern wie Antireformern - gleichermaßen Unbehagen einzuflößen scheint. Geflissentlich übersehen sie, dass die fröhliche Anarchie der Sprachpraxis jegliche Entscheidung für eine Regel längst zugunsten eines ungezwungenen Nebeneinander der Möglichkeiten unterlief.

Nur einige Beispiele: Der Hamburger Rowohlt Verlag entschied 1998, seine Bücher fortan in neuer Rechtschreibung zu drucken. Allein: Viele Autoren des Hauses, wie Georg Klein, Thorsten Becker, Peter Rühmkorf - und neuerdings Martin Walser -, beharrten darauf, in ihrer, der alten, Rechtschreibung gedruckt zu werden. Was selbstredend geschah. Übersetzungen jedoch vereinheitlicht Rowohlt in neuer RS. Vereinheitlicht? Nicht jedoch die Nabokov-Gesamtausgabe. Auch deren künftige Bände erscheinen, weil das Projekt vor 1998 begonnen wurde, in der alten Version. Inkonsequenz? Ja, bitte.

Auch der STANDARD - dies sei eingestanden - der sich auf die Seite der Reformer schlägt, schmuggelt einige "Retros" auf seine Seiten: Wir berichten nicht von "allein Erziehenden", sondern über "Alleinerziehende". Und "Spagetti" erinnern sich weiterhin an ihre italienische Herkunft und bleiben "Spaghetti". Inkonsequenz? Ja, bitte.

"Foto..."? "Photo..."?

Vor allem im Mikrokosmos der Wörter eröffnen sich ungeahnte Kombinationsspielräume. Etwa im Bereich des griechisch verwurzelten "Ph". Liebt der Kenner der griechischen Sprache die Photographie, plädiert der Neuerer für die Fotografie, nicht ohne den weniger gebräuchlichen Fremdworten Photosynthese oder Graphologie ihr "ph" zuzugestehen. Den Philharmonikern und den Philosophen ohnehin. Inkonsequenz? Ja bitte. Nennen wir sie Freiheit.

Nicht zuletzt ermöglicht das Nebeneinander der Formen eine verstärkte Reflexion über die Sprache, erweitert die Bandbreite der Assoziationsmöglichkeiten, eröffnet eine neue Durchlässigkeit, im günstigsten Fall eine weniger durch Regeln verhärtete Differenziertheit des Denkens.

Eine Differenziertheit, die auch Kindern und Jugendlichen nicht vorenthalten werden sollte. Wo die gesamte Gesellschaft einer ungewohnten Sprachfreiheit entgegen schreibt, scheint es ein autoritärer Anachronismus, 1,25 Millionen junge Menschen per Strafe von jener Freiheit auszuschließen.

Wollte der Staat doch die seltene historische Gelegenheit der Regelparallelität nutzen: etwa, um seine Lehrer anzuhalten, mit den Schülern über die etymologischen Wurzeln der veränderten Wörter zu diskutieren, statt Fehlschreibung mit "ungenügend" zu zensurieren -, um so ihre Argumentationsfreude wie ihr Bewusstsein für die Entstehung und Veränderbarkeit von Sprache zu fördern. Auf dass sie nicht rechtschreiben, sondern recht schreiben lernen.

Der Angst vor dem Chaos aber sei jener Satz Friedrich Nietzsches entgegengehalten, der heute schon manches T-Shirt ziert: "Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können." Ein Gratis-T-Shirt bitte, für Marcel Reich-Ranicki, Robert Menasse und Cato. (Cornelia Niedermeier/DER STANDARD, Printausgabe, 13.8.2004)


eingetragen von Norbert Lindenthal am 12.08.2004 um 17.40

12. August 2004 16:08
 
"Krone": Dichand will "Schluß" der Reform
Cato-Kommentar in aktueller Ausgabe in alter Rechtschreibung - Rest der Zeitung aber weiter nach Reformregeln

"Schluß mit neuer Rechtschreibung":

Das "Krone"-Cover von Donnerstag, 12. August.


"Schluß damit" betitelt "Krone"-Herausgeber Hans Dichand alias "Cato" einen in alter Schreibweise verfassten Kommentar zur Rechtschreibreform in seinem Blatt am Donnerstag. Die "in überflüssiger bürokratischer Regelungswut" entstandene Reform sei ein "großer Fehler" gewesen: "Jetzt bleibt nicht mehr viel Zeit, ihn gutzumachen, denn im August nächsten Jahres wird der uns aufgezwungene Irrsinn verbindlich." Der Rest des Blattes folgt allerdings nach wie vor den neuen Schreibregeln - Chefredakteur Michael Kuhn hatte am Freitag gegenüber der APA betont, dass die "Krone" "zähneknirschend" bei der Reform bleiben werde.

"Auch die meisten Politiker bei uns haben mittlerweile bemerkt, wie sie einmal mehr an der Bevölkerung vorbeiregiert haben; ein guter Grund, auf sie zu hören", meint Cato. Und schließlich: "Also Schluß damit. So schnell wir können!"

Auch die Leserbriefe in der "Krone" sind am Donnerstag zu einem großen Teil der Rechtschreibreform gewidmet - wobei das Spektrum der Meinungen vom Beibehalten der Reform bis zur Rücknahme reicht. (APA)


eingetragen von Norbert Lindenthal am 10.08.2004 um 23.16

10. August 2004 11:08
 
SPD-Politiker wollen an "bewährten Regeln" festhalten
Lehrerverband: Keine Probleme bei Rückkehr zur alten Schreibe


Mehrere SPD-Politiker haben sich für eine Rücknahme der Rechtschreibreform ausgesprochen. Der SPD-Rechtsexperte Volker Neumann forderte in der "Bild"-Zeitung (Dienstagausgabe) eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung. Zur Begründung sagte er, fast die ganze deutschsprachige Literatur sei nach den "bewährten Regeln" verfasst. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend, sagte derselben Zeitung, statt der versprochenen Vereinfachung trete das Gegenteil ein - nämlich große Verunsicherung.

Der innepolitische Sprecher der Fraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte ebenfalls der "Bild-Zeitung", er denke nicht daran, sich von Bürokraten vorschreiben zu lassen, wie er richtig zu schreiben habe. Der Axel-Springer-Verlag, dem die "Bild"-Zeitung gehört, will die alte Rechtschreibung in den nächsten vier Wochen einführen.

Gegen Rücknahme der Reform

Dagegen wandte sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gegen eine Rücknahme der Reform. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte der "Berliner Zeitung" (Dienstagausgabe), eine komplette Rolle rückwärts würde die Verwirrung perfekt machen und Millionen-Kosten verursachen.

Stopp der Rechtschreibreform zumutbar

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, erwartet dagegen keine Probleme bei einer möglichen Rückkehr zur alten Rechtschreibung. Ein Stopp der Rechtschreibreform sei Lehrern und Schülern "durchaus" zumutbar, sagte Kraus der "Bild"-Zeitung (Dienstagsausgabe). "Von den 700 Wörtern Grundwortschatz, den Viertklässler schriftlich beherrschen müssen, brauchen sie gerade einmal 20 Wörter neu zu lernen." Ein viel größeres Chaos gebe es, "wenn wir weiter eine Orthographie lehren, die außerhalb der Schule immer weniger praktiziert wird", betonte Kraus.

Die von Schulbuchverlagen genannten Umstellungskosten in Höhe von rund 250 Millionen Euro bezeichnete der Verbandschef als "aufgebauscht". Ein Austausch der Literatur sei kein Problem, da viele Bücher sowieso nach fünf bis sechs Jahren zerfleddert seien und ausgetauscht werden müssten. "Es kommen keine gigantischen Kosten auf Eltern und Kommunen zu", sagte Kraus. Es solle aber eine Übergangsfrist bis 2010 geben.

"Um wichtigere Dinge kümmern"

Die hessische Kultusministerin Karin Wolff kritisierte indes die Kritiker der Rechtschreibreform scharf. Dem "Mannheimer Morgen" (Dienstagausgabe) sagte die CDU-Politikerin, die Debatte sei ärgerlich, weil Schriftsteller und Verlage ihre Bedenken schon vor Jahren hätten anmelden können. Sie würde sich wünschen, dass sich "viele, die sich so ereifern, um wichtigere Dinge kümmern würden". Den Zeitungsverlagen, die eine Rückkehr zur alten Schreibweise angekündigt haben, warf die Ministerin vor, ein "Machtspiel" zu inszenieren.

Dass in Österreich und der Schweiz ein Proteststurm gegen das neue Regelwerk ausgeblieben ist, erklärt sich Wolff mit der allgemeinen Stimmungslage in Deutschland. "Die Rechtschreibreform ist ein Stellvertreter-Thema für all die anderen Reformen, mit denen wir Deutsche uns zurzeit schwer tun", wurde sie zitiert. Überdies sei es ein Thema, das "toll ins Sommerloch passt". (APA/AFP)


eingetragen von Norbert Lindenthal am 09.08.2004 um 11.08

9.8.2004 10.59 Uhr

„BamS“-Chefredakteur fordert Volksabstimmung
Kultusministerkonferenz-Vorsitzende dagegen - Rüttgers: Kein Komplott zwischen Verlagen und Politik


(Bild-Titelseite)
In großen Lettern verkündet die 'Bild'-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 7. August ihre Rückkehr zur alten Rechtschreibung.

Der Chefredakteur der "Bild am Sonntag", Claus Strunz, hat eine Volksabstimmung über die Rechtschreibreform gefordert. "Es gab nur einen klugen Satz in der Debatte im Bundestag: Die Sprache gehört dem Volk. Dann fragt es", sagte Strunz am Samstagabend in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen". Der deutschen politischen Klasse warf er "Verhuschtheit" vor, weil sie "die Menschen, um die es geht, gar nicht mehr fragt."

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Doris Ahnen, lehnte eine Volksabstimmung über die Reform hingegen ab. Die Mehrzahl der Deutschen habe "ganz andere Sorgen". Ahnen verwies auf den einstimmigen Beschluss der KMK, die Rechtschreibreform mit 1. Juli 2005 einzuführen. "Zur guten Demokratie gehört auch Verlässlichkeit. Wir können nicht alle drei Tage die Pferde wechseln", sagte die rheinland-pfälzische Kultusministerin.

"Institutionalisiertes Chaos"

Der CDU-Vizevorsitzende Jürgen Rüttgers kritisierte bei "Sabine Christiansen" vor allem die mangelnde Einheitlichkeit der Rechtschreibregeln seit der Reform. Etwa ein Fünftel der Worte könne jetzt "jeder schreiben, wie er will". "Das ist doch das institutionalisierte Chaos", bemängelte Rüttgers. Er forderte, die Reform mit Vernunft zu überarbeiten und "nicht von oben zu degradieren". Dazu sei jetzt die letzte Chance. Der Chef des Schulbuchverlags Cornelsen, Fritz von Bernuth, wies auf die finanziellen Folgen einer Rücknahme der Reform hin. Pro Buch koste die Umstellung von Schulbüchern zwischen 6.000 und 10.000 Euro.

Der Bundesverband Junger Unternehmer (BJU) kündigte derweil ebenfalls einen Boykott der neuen Rechtschreibung an. BJU-Vorsitzende Karoline Beck sagte der "Bild"-Zeitung (Montagausgabe): "Wir empfinden die Reform als Diktat. Der Schritt einiger Verlage, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, sei "eine Abstimmung mit den Füßen."

Für Umstellung sieben Jahre vereinbart

Für Schulen und Ämter in Österreich, Deutschland und in der Schweiz ist die Rechtschreibreform seit 1. August 1998 verbindlich. Als Zeitrahmen für die Umstellung wurden international sieben Jahre vereinbart - bis dahin gelten die bisherigen Schreibweisen als überholt, werden in den Schulen aber nicht als Fehler gewertet. Medien, Verlage, Autoren, Firmen und Private können dagegen freiwillig entscheiden, ob sie die neue Schreibung wählen oder bei der alten bleiben. (APA/AFP)


eingetragen von Norbert Lindenthal am 06.08.2004 um 21.23

06. August 2004 17.09
 
Nachrichtenagentur APA hält Rückkehr zur alten Rechtschreibung für "nicht sinnvoll"
Chefredakteur Mayr: "Hat Deutschland keine anderen Sorgen" - Bildungsministerium "gelassen"

Reserviert steht man bei der APA - Austria Presse Agentur einer Rückkehr zur alten Rechtschreibung gegenüber. Auch wenn man eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung für "nicht sinnvoll" erachte, werde man die Entwicklung in Deutschland genau beobachten, erklärte APA-Chefredakteur Wolfgang Mayr. Änderungen in der Rechtschreibung könne es jedenfalls nur in Absprache und im Konsens mit den anderen deutschsprachigen Agenturen geben. Die Bezieher des APA-Basisdienstes werde man über die weitere Entwicklung - so wie im Vorfeld der Einführung der neuen Rechtschreibung - frühzeitig und umfassend informieren.

"Dieses Hin und Her um die Rechtschreibung, wie immer man zur neuen Rechtschreibung steht, ist eine Zumutung für die gesamte Bevölkerung, insbesondere aber für jene Schülerinnen und Schüler, die seit sechs Jahren mit der neuen Rechtschreibung groß geworden sind", meinte Mayr weiter. "Hat Deutschland keine anderen Sorgen als dieses Tauziehen zwischen einzelnen Politikern und einigen Medien? Eigentlich geht es um ein Sachthema."

Ministerium "gelassen"

"Gelassen" sieht der im Bildungsministerium für die Umsetzung der Rechtschreibreform zuständige Ministerialrat Fritz Rosenberger die Rückkehr von Spiegel-Verlag und Springer AG zur alten Rechtschreibung. Eine Rücknahme der Reform in Deutschland sei unwahrscheinlich, da es dafür der Einstimmigkeit in der Kultusministerkonferenz bedürfe, so Rosenberger. In den vergangenen Wochen hätten sich aber in etwa genau so viele Minister dafür wie dagegen ausgesprochen. (APA)


eingetragen von Norbert Lindenthal am 06.08.2004 um 21.22

06. August 2004 15.07
 
Schweizer Medien gestalten Rechtschreibung weiter selbst
Jeder Titel des größten Schweizer Medienverlags Ringier hat eigene Regelung

Die großen Schweizer Verlage wollen dem Aufruf der deutschen Axel Springer AG und des Spiegel-Verlages zur Rückkehr zur alten Rechtschreibung nicht folgen. "Unsere Zeitungen und Magazine sind schon bisher nicht einfach nach der neuen Rechtschreibung gegangen", sagte Myrta Bugini, Sprecherin des größten Schweizer Medienverlag Ringier ("Blick"), am Freitag. Jeder Titel des Hauses habe seine eigene Regelung. Eine Verlagsanweisung gebe es nicht. "Wir werden dies nicht einfach verordnen, sondern schreiben so, wie es der Leser braucht."

Für Kari Schnellmann vom Korrekturat beim "Tages-Anzeiger" in Zürich kommt der Vorstoß nicht überraschend. Beim TA-Media-Verlag werde aber vorläufig nichts geändert, so lange die neue Rechtschreibung "noch amtlich ist". Die "Neue Zürcher Zeitung" sieht im Vorstoß aus Deutschland eine "unkluge Handlung", wie Chefkorrektor Stephan Dové sagte. Die Zeitung übernehme nur das, wo der Sinn verständlicher werde. "Im Zweifel entscheiden wir uns eher für die alte Rechtschreibung", sagte der Korrektor. (APA/dpa)


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