Das ist Ihre persönliche Auswahl. Andere würden andere Punkte für hinnehmbar halten. Man müßte zu einem Konsens kommen. Diesen Konsens gab es bereits, er bestand in der alten Rechtschreibung (wieder mal nicht zu verwechseln mit der Dudennorm), bevor die Reform kam. Wenn jetzt faule Kompromisse gesucht werden, dann nur wegen der Machtanmaßung einer Handvoll profilneurotischer Reformorthographen, um es mal besonders spitz auszudrücken.Forum (http://Rechtschreibung.com/Forum/index.php)
- Rechtschreibforum (http://Rechtschreibung.com/Forum/forumdisplay.php?forumid=8)
-- Spaltung der Orthographie (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=106)
eingetragen von Elke Philburn am 13.09.2004 um 13.44
...des vergangenen Jahr
hundertstausends. Eine Versündigung an all den Schülern, die beim Lesen solcher Texte auf die falsche orthographische Fährte gelockt werden....
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http://www.vrs-ev.de/
eingetragen von Christian Dörner am 13.09.2004 um 10.06
In völliger geistiger Umnachtung und auf dem Rücken ungeborener zukünftiger Schulkinder druckt der neue »Focus« heute drei ganze Seiten von Martin Walser in der veralteten und überkommenen Schreibung des vergangenen Jahrhunderts.
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Christian Dörner
eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 03.08.2004 um 17.49
Weil ich weiß, wie wichtig das ist: tut gut, so ein Beitrag. Danke an Heinz Erich Stiene!
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Karin Pfeiffer-Stolz
eingetragen von Heinz Erich Stiene am 03.08.2004 um 13.05
Vermischtes
In diesen Tagen, die mich nicht wenig an die nervöse Euphorie des Sommers 1989 erinnern, möchte ich einige Beobachtungen mitteilen, die ich noch nicht einmal dem einen oder anderen Strang zuzuordnen weiß.
Vor gut zwei Wochen besuchte ich im Museum für Angewandte Kunst in Köln eine Ausstellung über Francesco Petrarca. Angenehm stach mir ins Auge, daß die Beschriftung der Objekte (der nicht gegrüßte Geßlerhut verrät es ja sogleich) ebenso wie die begleitende wissenschaftliche Publikation in bewährter Rechtschreibung abgefaßt war. Als ich wieder ins Freie trat, fiel mein Blick auf ein nobles Bekleidungsgeschäft, das seiner Kundschaft anläßlich des zehnjährigen Firmenjubiläums auf alle Produkte "10 % Nachlaß" gewährte. So jedenfalls stand es in allen Schaufenstern, nicht etwa handschriftlich, sondern gedruckt, wie sich das eben für ein nobles Bekleidungsgeschäft gehört. Sodann zogen mich fachliche Erfordernisse am vergangenen Sonntag in die Kölner Domschatzkammer. Auch hier sind alle Beschriftungen der im Jahre 2000 eröffneten Ausstellungsräume in "alter" Rechtschreibung gehalten, ebenso der 2003 (erstmals) erschienene Kurzführer von Leonie Becks. Das stimmt hoffnungsvoll.
Ein Wort auch zu gewissen Argumentationsklischees bei einigen Journalisten. Wiederholt trifft man auf die spöttelnd-herausfordernde Frage, ob die reformkritischen Politiker eigentlich nichts Wichtigeres zu tun hätten als auf dem Thema Rechtschreibreform herumzuklimpern. Diese Frage enthält mindestens zwei Unverschämtheiten und eine Gedankenlosigkeit. Einmal unterstellt sie den dermaßen engagierten Politikern, sie bewegten vor lauter Langeweile in ihren Köpfen augenblicklich nichts weiter als die Rechtschreibreform. Das dürfte, soviel sei den Volksvertretern zugestanden, schwerlich zutreffen. Zum anderen steckt in dieser Frage eine gehörige Portion hochmütige Bevormundung: Womit sich die Politik sinnvollerweise zu beschäftigen hat, und spiegelte es auch die Meinung von Millionen, das bestimmt der Journalist. Schließlich möchte ich aber auch eine Gedankenlosigkeit vermuten. Denn bei allen Unterstellungen unterbleibt die naheliegende Frage, warum sich die hohe Politik, wenn es denn Wichtigeres zu regeln gibt als die Rechtschreibung, vor acht, sieben, sechs Jahren so verbissen der erdrückenden Ablehnung der Reform durch die Bevölkerung widersetzt hat. Warum ist sie trotzdem durchgepeitscht worden? Warum haben sich die gewählten Parlamentarier in Schleswig-Holstein seinerzeit nicht geschämt, ihr naives Wahlvolk zynisch auszulachen? Weil es Wichtigeres gibt als das Thema Rechtschreibung?
Zum Schluß eine fast unstatthafte Frage: Wie viele von jenen Ministerpräsidenten, die sich gegen eine Umkehr zur bewährten Rechtschreibung aussprechen (Beck, von Beust, Simonis, Wowereit), haben eigentlich eigene Kinder ...?
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Heinz Erich Stiene
eingetragen von Theodor Ickler am 18.07.2004 um 04.33
Das Mathematikbuch meiner jüngsten Tochter (Lambacher-Schweizer von Klett) ist 2002 (nach)gedruckt und folgt weiterhin der bewährten Rechtschreibung.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich nochmals darauf hinweisen, daß Schulbücher viel zu teuer sind. Das erwähnte Mathe-Heft kostet über 14 Euro, bei etwa 86 Seiten Umfang. Gekauft haben wir es, weil unsere Schulen die äußerst mißliche Regel befolgen, Schulbücher vor den großen Ferien einzusammeln und die neuen erst danach auszugeben. Die Kinder sind also sechs Wochen ohne die Möglichkeit des Nacharbeitens. Das ist eine von tausend Kleinigkeiten, die unserer Schulmisere zugrunde liegen. Man muß einfach genau hinsehen, statt große Pläne zu schmieden und von "Exzellenz" zu träumen.
Aber zurück zu den Preisen. Diese spielen bei Begutachtung und Kaufentscheidung offenbar keine Rolle. Konkurrenz gibt es nicht - ein geschützter Markt, den wohl nur die EU aufbrechen kann. Aber Baer und Konsorten werden in gewohnter Weise kämpfen, um dieses markt- und bildungsfeindliche Privileg zu retten. (Um der Kinder willen ...)
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Th. Ickler
eingetragen von Sigmar Salzburg am 29.06.2004 um 15.55
… und für „sachlich“ nicht begründet hinstellen, was jede schlichte Lebenserfahrung im voraus weiß:
Die am 28. November 1995 in der Zeitung „Die Welt“ erschienene Stellungnahme der Präsidentin des P.E.N.-Zentrums West wird nach Auffassung des Kultusministeriums dem Neuregelungsvorschlag nicht gerecht. Die Befürchtung, daß nach den neuen Regeln unterrichtete Kinder „später auch nur mit Befremden die Literatur ihres eigenen Landes lesen können“, ist sachlich nicht begründet. (Lübke, Regierungsschuldirektor, Ministerium für Kultus und Sport, Baden-Württemberg am 21.12.1995 an Matthias Dräger n.RR.com)
Dazu Zitate aus laufenden Diskussionen:
[Pallas, Spiegelforum 27.6.04] „Meine drei Kinder z.B. kennen die alte Rechtschreibung nur noch aus alten Büchern. Die würden [die traditionelle] Schreibweise eher ... seltsam finden.“
[Droesser, Zeitforum 27.3.04] „Mein Sohn ist mittlerweile in der siebten Klasse und hat noch nie eine andere Rechtschreibung kennen gelernt - der würde Ihnen was husten, wenn Sie jetzt plötzlich mit für ihn altertümlichen ßs angerückt kämen.“
[Pallas, Spiegelforum 28.6.04] „… arbeiten meine Kiddies z.B. noch mit Physikbüchern aus der Zeit vor der Rechtschreibreform. Und lachen immer über ein ‘daß’ “.
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Sigmar Salzburg
eingetragen von J.-M. Wagner am 09.08.2003 um 11.49
Zitat:Das ist ja auch kein Wunder: Direkt neben dem Eingabefeld steht, daß es sich um einen Service des DWDS handelt. Das Kürzel DWDS ist anklickbar, man gelangt auf die Seite http://www.dwds.de/ und liest das folgende Zitat von H. M. Enzensberger (der dem Kuratorium angehört was hat eigentlich Dieter E. Zimmer darin zu suchen?):
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
http://www.zeit.de/schwerpunkte/hochschule/akademie/index
Wer hier mal reinschaut und eines der verbotenen Wörter eintippt, wird fündig. Da ist nix mit ZEIT-Schreibung!Zum ersten Mal ist es möglich, lexikographische Arbeit so enorm zu beschleunigen, daß ihre Resultate in kurzer Frist verfügbar werden.Auf der Informationsseite findet sich ein umfaßt, und die Projektbeschreibung (von Wolfgang Klein) scheint bis auf (so)dass frei von Neuschreibungen zu sein (läßt kommt nur so vor). Damit entspricht diese Seite genau dem Klischee, daß man einfach dass schreibt und das war's.
Die ZEIT taucht übrigens unter den Kooperationspartnern auf.
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Jan-Martin Wagner
eingetragen von Theodor Ickler am 02.08.2003 um 16.20
http://www.zeit.de/schwerpunkte/hochschule/akademie/index
Wer hier mal reinschaut und eines der verbotenen Wörter eintippt, wird fündig. Da ist nix mit ZEIT-Schreibung!
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 01.08.2003 um 03.12
In der heutigen FAZ schreibt Minister Hans Zehetmair abschließend:
"Und ganz deutlich muß gesagt werden, daß die 'Verwirrung', welche die Reformgegner immer wieder bei Alt und Jung ausmachen, unter anderem darauf zurückzuführen ist, daß auch einen renommierte Tageszeitung sich der neuen Rechtschreibung noch nicht angeschlossen hat."
Wie denn nun? Wenn nur die Reformgegner eine orthographische "Verwirrung" ausmachen, dann gibt es vielleicht gar keine Verwirrung? Dann wäre aber auch die FAZ nicht schuld daran. Wenn es aber die Verwirrung doch gibt, wer ist denn noch schuld daran? Vielleicht die deutschen Schriftsteller? Warum zieht Zehetmair nicht diese Folgerung?
Im übrigen erledigen sich mit diesem Beitrag wohl alle Hoffnungen, daß Herr Zehetmair zu einer wirklichen Einsicht in die Problematik seiner Rechtschreibreform fähig sein könnte. Erschreckend auch, daß er allmählich selbst an die Legende zu glauben scheint, er habe seinerzeit die schlimmsten Auswüchse verhindert, während er doch in Wirklichkeit nur ganz unwesentliche und harmlose Fremdworteindeutschungen und zwei oder drei "katholische" Kleinschreibungsfälle verhindert hat, dabei aber - wohl unwissentlich - als Waffe im Feldzug gegen das Unternehmen Duden mißbraucht wurde.
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Th. Ickler
eingetragen von margel am 27.06.2003 um 07.07
ebay schreibt "fotographen", nutzer revanchieren sich
mit "photografen" - so sind alle zufrieden.
eingetragen von margel am 17.06.2003 um 12.09
Es ist sehr bedauerlich, daß H. Kuhlmann nicht an ihre
Magisterarbeit anknüpft und den weiteren Verlauf der Reform
begleitet. Ich hatte ihr einmal kurz geschrieben. Sie
arbeitet in der Text-Redaktion der "PC-Welt" und
sieht sich außerstande, in dieer Richtung noch einmal aktiv zu werden.
eingetragen von margel am 17.06.2003 um 07.11
Ich erinnere mich, G.A. vor langer Zeit einmal in einer Talkshow gesehen zu haben, wo er berichtete, daß er schon
sehr früh(vielleicht als Schüler, dem die Rechtschreibung
schwerfiel?) sich entschloß, später einmal etwas für die
Armen im Geiste zu tun.
eingetragen von Jörg Metes am 17.06.2003 um 05.36
Gerne verweise ich einmal mehr auf Heide Kuhlmann, Orthographie und Politik - Zur Genese eines irrationalen Diskurses. Insbesondere die Abschnitte »Das Aufkommen soziolinguistischer Theorien« und »Orthographie als Stabilisator des gesellschaftlichen Status quo?« sind eine ausgezeichnete Einführung in die Glaubenswelt der Reformer.
Heide Kuhlmann zitiert zum Beispiel Axel und Margot Stommel (Betong oder die orthografische Standortsicherung. Deutschland, deine Rechtschreibung. Hamburg 1998) mit dem schönen Satz »Insofern ist die deutsche Orthografie die milde, ortsgerechte, kulturell angepasste Variante des indischen Kastenwesens«.
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Jörg Metes
eingetragen von Theodor Ickler am 17.06.2003 um 04.45
Könnte es eine Art von Selbsthaß (Stickel: "Autoodium") sein? Man ahnt, daß man aufgrund seiner "Bildung" Privilegien genießt, die einem eigentlich nicht zustehen, und salviert sich durch Bildungsfeindlichkeit und jenen "Snobismus der schwieligen Faust", den Tucholsky bei gewissen Intellektuellen festgestellt hat. Ein bißchen Rache an den Lehrern, die einen getriezt haben, ist auch dabei.
Etwas Ähnliches ist es wohl, wenn westliche Menschen in Entwicklungsländern leben und ihren exorbitanten Wohlstand, den sie sich hierzulande nie leisten könnten, dadurch rechtfertigen, daß sie auf die "Eingeborenen" schimpfen. Wenn die Einheimischen faul, schmutzig, korrupt usw. sind, haben sie schließlich nichts Besseres verdient, also braucht man sich selbst auch nicht zu genieren. Wer es erlebt hat, wird wissen, was ich meine.
Als die Studenten "Dem Volke dienen" an die Wände pinselten, kam mir das zugleich heuchlerisch und gut verständlich vor. Die Privilegierten dienen sich "solidarisch" denen an, auf deren Kosten sie ihr, wie sie meinen oder fühlen, schmarotzerhaftes Leben führen. Solange man sich selbst zu den Ausgebeuteten rechnen kann, braucht man ja keine Rechenschaft abzulegen. Die Arbeiterklasse hat es freilich nicht honoriert, weil dort ein gewisser Realismus verbreitet ist, der den Humbug schnell durchschaut.
Bei Augst kommt noch hinzu, daß er mit seinen Volksetymologien recht behalten wollte, gegen die Lehrer, die es ihm als sauerländischem Bauernkind ausreden wollten. Nur so läßt sich seine Beharrlichkeit erklären, und er hat es ja schließlich auch erreicht: Was die Gelehrten sagen (einbleuen, Quentchen, Zierat), ist jetzt falsch, und was sich der kleine Gerhard dachte, ist doch richtig, sogar allein richtig. Daher seine tiefe Befriedigung, als er damals in der "zweiten Reihe" saß und zusehen durfte, wie die Mächtigen unterschrieben, was er sich ausgedacht hatte - sich ihm, dem kleinen Gerhard, beugten! Das hat er ja selbst zu Protokoll gegeben.
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Th. Ickler
eingetragen von Martin Reimers am 16.06.2003 um 22.36
Ich halte allgemein wenig von Verschwörungstheorien, denke aber, daß die Reform von Anfang an als ein Angriff auf die Sprache als Bildungsgut geplant war. Sprache hat immer etwas mit dem Akzeptieren einer allgemeinen Verständigungsbasis zu tun. Die sollte aus ideologischen Motiven heraus sabotiert werden. Im politische Diskurs der Siebzigerjahre wurde das ziemlich offen propagiert. Stichwort: "Hochdeutsch als die Sprache der privilegierten Klasse" und dergleichen mehr.
Hat das eigentlich schon einmal jemand näher untersucht?
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Martin Reimers
eingetragen von margel am 16.06.2003 um 06.40
Was mich mal interessieren würde: Woher rührt wohl die
extreme Bildungsfeindlichkeit, ja der Haß auf die
"Gebildeten" eines Menschen, der es bis zum Professor gebracht hat? Dies scheint mir ein ganz wichtiges Motiv der
Reform zu sein. Überhaupt würde die Erforschung der
psychologischen Abgründe möglicherweise viel zum
Verständnis beitragen. Also: Reformer auf die Couch!
eingetragen von Theodor Ickler am 15.06.2003 um 06.23
Das Zitat ist schon bekannt, aber ich bin gerade noch einmal darauf gestoßen und setze es noch einmal her:
„Das meiste, was gedruckt oder geschrieben wird, gilt dem Tagesbedarf: Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren, Korrespondenz, Schulbücher. Geht man von 1995 als einem möglichen Reformdatum aus, so brauchen die Kinder, die ab dann mit der Substantivkleinschreibung lesen lernen, in den seltensten Fällen etwas von dem zu lesen, was vor 1995 geschrieben und gedruckt wurde.“ (Internationaler Arbeitskreis für Orthographie [Hg.] 1992, S.195)
Der Kulturbruch war also gewollt. Seither findet man in den Zeitungen (hier schon mehrmals dokumentiert) "Erfolgsmeldungen" über die Aussonderung umfangreicher Bestände aus den öffentlichen und Schulbibliotheken. Ergänzt durch Spendenaufrufe für die Anschaffung reformorthographischen Schrotts. Es liegt in der Logik dieses Denkens, daß die jungen Menschen am besten überhaupt nicht mehr mit früher Gedrucktem in Berührung kommen. Eine ganze Kultur wird entsorgt. Man will die Kinder und Jugendlichen völlig dem Hier und Jetzt ausliefern, d. h. letzten Endes dem Fernsehen und der begleitenden Medien- und Unterhaltungswirtschaft. Die Dudenredaktion hat sich dazu hergegeben, auch die Überlieferung umzufälschen. Bertelsmann tilgt jede Erinnerung an die bessere Rechtschreibung.
Insofern gibt es kaum etwas Enthüllenderes als dieses Zitat von Augst und seinen Spießgesellen.
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Th. Ickler
eingetragen von margel am 29.05.2003 um 19.07
Dummheit is ooch ne Jabe Jottes, aber man darf ihr nich mißbrauchen.
eingetragen von Henning Upmeyer am 29.05.2003 um 16.27
könnte heißen: "Deutsche, lest und kauft nichts von Reformgegnern und solchen Autoren!"
Und später: "Deutschland ist reformgegnerfrei!"
eingetragen von Christian Dörner am 29.05.2003 um 10.19
Eine Rezension des Effenberg-Buchs auf amazon.de, geschrieben von einem Deutschlehrer:
»Obwohl dieses Buch nicht besonders beworben wurde, habe ich gespannt darauf gewartet und ich habe es in einem durchgelesen, was bedeuten kann, dass es nicht so schlecht war. Wer ein literarisches Meisterwerk erwartet hat, geht fehl. Wer hingegen eine interessante Rückschau auf ein erfülltes Fußballerleben lesen möchte, liegt hier genau richtig! Alle Stationen werden behandelt. In intelligent kritischer Weise rechnet der Autor in typischer Effenberg-Manier mit seinen "Gegnern" ab. Hatte man erwartet zu erfahren, warum Matthäus ein "Schwanzlutscher" ist (Bild-Werbung), sieht man sich schwer enttäuscht. Als Deutschlehrer muss ich bemerken, da viele meiner Schüler (11. Jahrjang) auch dieses Buch gelesen haben, dass es einige lexikalische Mängel aufweist z.B. die Verwechslung von nicht und mich. Außerdem zeugt es von unglaublicher Ignoranz, ein Buch dieser Verbreitung in alter Rechtschreibung zu drucken. Ich freue mich schon auf die nächste Klausurkorrektur und die Komentare der Schüler. Dies hat Effenberg jedoch nicht zu vertreten. Ich wünsche viel Lesevergnügen.
Dr. Dilewsky«
Nein, inhaltlich hat dieser Deutschlehrer am Buch nicht viel zu bemängeln. Daß Effenberg über seinen Drogenkonsum und seine Alkoholexzesse schreibt? Völlig egal! Wichtig ist den Lehrern, daß Schüler nicht mehr an Bücher mit alter Rechtschreibung gelangen. Das alles erinnert sehr stark an eine gewisse Bücherverbrennung, die man jetzt ja (leider) nicht mehr in dem Maße durchführen kann, wie es nach 1933 der Fall war. Man müßte fast Mitleid mit den Lehrern haben, weil sie ihren Schülern die bewährte Orthographie nicht völlig wegnehmen können, oder?
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Christian Dörner
eingetragen von Elke Philburn am 25.09.2002 um 12.36
Es würde mir ausgesprochen schwerfallen, das Wort "Sonne" nach "Sprechsilben" getrennt auszusprechen, ohne daß es sich ganz anders anhört als die beiden Silben zusammen.
Man versuche nur mal, "so-" mit kurzem, offenem o auszusprechen und dann das "-nne" nachträglich. Darum geht's doch bei Sprechsilben. Wie die beiden Teile von "Sonne" klingt das nicht.
– geändert durch Elke Philburn am 27.09.2002, 11.33 –
eingetragen von Christian Melsa am 25.09.2002 um 08.20
Zitat:Hierzu ein kleiner Tip: Als ich noch keine Flatrate hatte, hab ich längere Beiträge meistens erst in Wordpad geschrieben, während ich solange offline war, um sie dann erst nach Fertigstellung in das jeweilige Onlineformular zu kopieren.
Ursprünglich eingetragen von Michael Schneider
da ich im Augenblick Urlaub habe und daher jede Online-Minute selbst bezahlen muss
Zitat:Wenn durch die Reform in diesen Bereichen nicht absolut systematische Lösungen eingeführt wurden, wäre es daher auch besser gewesen, dort alles so zu lassen, wie es ist. Denn mit der Reform sind nun zunächst wieder die Schreibungen aller Wörter, die in diese Bereiche fallen, unsicher, solange man nicht alle neuen Ausnahmen auswendig gelernt hat. Das gilt bei der vorliegenden Reform für eine große Zahl von Wörtern mit s/ss/ß sowie e/ä, ph/f usw.; bei letzteren sind nicht mal die Kriterien geklärt, nach denen Fremdwortschreibungen künstlich integriert worden sind. Wegen der Künstlichkeit kann man sich auch nicht am gewöhnlichen Gebrauch orientieren. Auch welche dieser Neuschreibungen als Varianten existieren und welche alte Schreibungen exklusiv ersetzen, ist überwiegend arbiträr gelöst. Da, wo nicht, müssen die Kriterien erst durch eigene Bemühungen entdeckt werden, weil sie nicht explizit im Regelwerk formuliert sind (unter Umständen findet man Hilfestellung in Infokästen der Wörterbücher, deren Amtlichkeit jedoch unsicher ist und die ohnehin schon umfangreichen Regeln so oder so weiter verkomplizieren). Aus diesem Grund kann man dann nicht sicher sein, ob sie tatsächlich so beabsichtigt sind oder nur auf die Auswahl Fälle passen, die man zur Untersuchung herangezogen hat. Bei einem unberücksichtigen Fall kann in einem Wörterbuch also unverhofft doch wieder etwas ganz anderes stehen.
Im Zweifelsfall bleibt Lernern wohl nichts anderes übrig, als sich Einzelwortbilder einzuprägen, wie es auch sonst häufig erforderlich war und ist (z.B. bei f/v, e/ä).
Zitat:Na toll, im Wörterbuch kann man natürlich immer nachschauen. Wenn man schon eine neue künstliche Regel einführt, dann sollte doch der Zweck gerade darin liegen, das Nachschlagen überflüssig zu machen, oder nicht? Ein Wörterbuch hat man zudem nicht immer zur Hand, eher selten. Jedenfalls muß man sich nicht wundern, wenn die Heysesche Lösung zu mehr Fehlern im Bereich s/ss/ß führt, denn das ist, wie dargelegt, geradezu eine mathematische Zwangsläufigkeit.
Wer in solchen Fällen tatsächlich aufs Raten angewiesen ist (und keine der sonstigen Proben anwenden kann, z.B. Bildung erweiterter Formen), sollte m.E. doch lieber gleich im Wörterbuch nachschauen.
Zitat:So selten sind sie nun auch wieder nicht. Man wird auch Missstand, Schlussstrich usw. dazuzählen können, die sich von anderen Wörtern mit drei aufeinanderfolgenden Konsonanten noch dadurch unterscheiden, daß diese drei Konsonanten nicht alle den gleichen Lautwert haben. Wenn man bedenkt, daß die Vokallänge im Deutschen sowieso nicht einheitlich verschriftet ist (Mohnblüte, Montag, Hemd, gehemmt), dann ist es doch auch kein Beinbruch, wenn das ß diesen Dienst nicht leistet. Daher sehe ich in der neuen ss/ß-Schreibung eigentlich sehr viel mehr Nachteile als Vorteile.
Diese Schreibungen sind in der Tat unglücklich und z.T. lesehemmend; da sie aber wohl nicht allzu zahlreich sind, würde ich sie in Kauf nehmen.
Zitat:Das habe ich sinngemäß schon öfters gehört. Die Sache ist nur die, daß die Probleme durch die Reform nicht ab- sondern zugenommen haben. Eine Reduzierung der Probleme wäre also mit einem radikalen Abbruch des Reformversuchs am einfachsten und saubersten zu bewerkstelligen. Wie Herr Ickler schon sagt, in diesem Fall helfen Kompromisse auch nicht viel weiter. Erstellen Sie doch einmal eine Tabelle mit umgekehrtem Vorzeichen zu Ihrer vorliegenden: Welche Änderungen der Reform sind wirklich unverzichtbar nötig? Die Tatsache, daß die Änderungen vorschnell in den Verkehr entlassen wurden, sollte dabei keine Rolle spielen.
Kann man so sagen - auch wenn natürlich nicht jedes Problem gleichermaßen gravierend ist und die alte Rechtschreibung auch genügend Probleme bot.
eingetragen von Theodor Ickler am 24.09.2002 um 15.56
Aus einer Handreichung für Lehrer für den Schreibunterricht an Grundschulen (vom ISB Bayern, Internet):
Silben
Die Silbenstruktur der Wörter erleichtert das Identifizieren der einzelnen Laute im Wort. Bei den ausgewählten Wörtern ist es hilfreich, am Anfang offene Silben (Vokal am Silbenende) zu wählen, z. B. Ba-na-ne, To-ma-te. Werden die Silben auch verschriftet, sollten die Wörter lauttreu sein, also z. B. nicht Sah-ne.
Erst im nächsten Schritt werden Wörter mit geschlossenen Silben oder mit Mitlauthäufungen angeboten, z. B. Trak-tor, Hub-schrau-ber, pflan-zen.
Ein Sonderfall sind die Silben mit Mitlautverdopplungen. Sie sollten in der ersten Klasse für diese Übungen ausgespart werden, da Sprechsilbe und Schreibsilbe nicht übereinstimmen. Z. B. Sprechsilbe So-nne, Ta-nne, Schreibsilbe Son-ne, Tan-ne. Wir meinen zwar, die Verdoppelung sei zu hören. Die eigentlichen Sprechsilben sind jedoch So-nne und nur wer weiß, dass Sonne in Son-ne getrennt wird, meint, dies sei auch das natürliche Sprechen.
--
Anmerkung: Ich halte die Auffassung für falsch, daß es sich bei So-(nne) usw. um offene Silben handelt. Das n wird zwar nicht doppelt gesprochen, gehört aber zu beiden Silben. (Es gibt verschiedene Arten, diesen Sachverhalt zu beschreiben, je nach Theorie, aber an der Tatsache ist nicht zu rütteln.)
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 24.09.2002 um 15.28
Um meine Ansicht noch einmal ganz deutlich zu machen: Wenn eine Gruppe von Reformern an bestimmten, gar nicht seltenen Stellen einen solchen Bockmist hervorbringt, wie es nun einmal unleugbar geschehen ist, dann hat sie insgesamt keinen Kredit mehr. Insofern sehe ich nicht ein, warum man ihr irgendwie entgegenkommen sollte, indem man die "weniger schlimmen" Sachen hinnimmt, in Kauf nimmt, gerade noch akzeptabel findet und so weiter.
Fortsetzung dieses Gedankens: Jede Kompromißbereitschaft, so menschenfreundlich das Wort sich auch gibt, läuft auf eine unendliche Bastelei hinaus, mit allen Folgen: Verwirrung ohne Ende, Kosten aller Art. Ja, wozu denn das alles? Wir hatten und haben doch eine gute Rechtschreibung, die bei richtiger Auffassung auch nicht besonders schwer ist und niemals ungrammatisch. Die wollen wir behalten, ganz einfach.
Und nun an die Arbeit, ihr Germanisten und sonstigen Interessierten: Versucht, das Gewachsene zu verstehen und immer besser darzustellen! Das ist der Königsweg, und wenn die Reform einen Nutzen hatte, besteht er darin, daß dies nun endlich ganz klar geworden ist.
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Th. Ickler
eingetragen von Michael Schneider am 24.09.2002 um 14.57
Lieber Herr Wagner,
da ich im Augenblick Urlaub habe und daher jede Online-Minute selbst bezahlen muss ;-), kann ich auf Ihre Stellungnahme leider nicht so ausführlich antworten, wie es wünschenswert wäre, sondern muss mich auf einige Hauptgedanken beschränken:
Zitat:
Eine sinnvolle Beurteilung kann nur bei der Berücksichtigung aller relevanten Aspekte zustandekommen. Natürlich haben persönliche Vorlieben bzw. Abneigungen bei der Beurteilung immer einen gewissen Einfluß, wenn nicht unmittelbar, dann indirekt bei der Gewichtung der einzelnen Aspekte. Insofern ist bereits die Auswahl der Untersuchungspunkte problematisch, weil zirkulär: Wer soll anhand welcher Kriterien entscheiden, was die relevanten Aspekte sind?
Völlig einverstanden. Wenn ich etwas als "sinnvoll" beurteile, ist das auch nie absolut und apodiktisch gemeint; Vertreter anderer Auffassungen können möglicherweise ebenfalls linguistische Argumente anführen, und die Frage ist dann, welchem Argument man den höheren Stellenwert beimisst. Wichtig war mir nur, rein geschmacklich-subjektive Argumente auszuschließen (z.B. "drei gleiche Konsonanten hintereinander - sieht ja bescheuert aus").
Zitat:
Bemerkenswerterweise geben Sie die geänderte ss/ß-Regel als "Ersetzung von 'ß' durch 'ss' nach Kurzvokal" an. Dies weist bereits auf ein Problem hin, welches meiner Meinung nach mit dieser Regel verbunden ist: Für jemanden, der anhand der herkömmlichen Schreibweisen weiß, wo ein 'ß' steht, sollte diese Änderung vergleichsweise einfach nachzuvollziehen sein ("seltsamerweise" werden aber trotzdem viele Fehler gemacht), für Neulerner halte ich sie jedoch aus vielerlei Gründen für problematisch. Der wichtigste Aspekt dabei ist, daß man diese Regel nicht auf die bekannte Faustformel mit dem kurzen und dem langen Vokal verkürzen darf, denn dies gibt Anlaß zu neuen Fehlern.
Mein Seminar und der daraus entwickelte Kommentar richte(te)n sich ja zunächst an Personen, die mit der alten Rechtschreibung aufgewachsen sind und die neue noch nicht oder wenig beherrsch(t)en; daher die Formulierung "Ersetzung von 'ß' durch 'ss'". Mit den Problemen von Kindern, für die es an dieser Stelle nie ein 'ß' gab, habe ich bisher keine Erfahrung; für sie müsste sicher ein völlig anderer Ansatz formuliert werden. Möglicherweise sind solche neuen Lernprobleme auch darauf zurückzuführen, dass viele Lehrer noch zu sehr von der alten Rechtschreibung her denken und einen undifferenzierten Zusammenhang zwischen Vokallänge und s-Variante herstellen, woraus dann Fehlschreibungen wie Buss oder Gaß resultieren. Im Zweifelsfall bleibt Lernern wohl nichts anderes übrig, als sich Einzelwortbilder einzuprägen, wie es auch sonst häufig erforderlich war und ist (z.B. bei f/v, e/ä).
Zitat:
Wer sich bei der Aussprache unsicher ist oder nicht weiß, was die Ausnahmen sind und also die Schreibung erraten muß, hat nach der reformierten Regel eine Trefferquote von 33% bzw. muß sich Geiste drei verschiedene Fälle vorstellen. Bei der herkömmlichen Schreibung sind es 50% bzw. nur zwei Fälle, und die haben zudem den Vorteil, daß sie sich optisch wesentlich deutlicher unterscheiden.
Wer in solchen Fällen tatsächlich aufs Raten angewiesen ist (und keine der sonstigen Proben anwenden kann, z.B. Bildung erweiterter Formen), sollte m.E. doch lieber gleich im Wörterbuch nachschauen.
Zitat:
Nach der herkömmlichen Rechtschreibung taucht 'ss' nur an einer Silbenfuge auf und zeigt also einen ambisyllabischen s-Laut an. Umgekehrt bedeutet dies, daß man bei einer Zerlegung in Sprechsilben ein zu schreibendes 'ss' immer sicher identifizieren kann. Diese Eindeutigkeit der Zuordnung -- ich nenne es einfach mal das "'ss'-Laut-Prinzip" -- geht bei der reformierten Schreibung verloren.
Aber doch nur insofern, als ein geschriebenes 'ss' nicht immer ambisyllabisch ist. Gesprochenes ambisyllabisches [s] ist doch nach wie vor als 'ss' zu identifizieren?
Zitat:
In Verbindung mit anderen Buchstaben kann ein 's' eine spezifische Signalfunktion bekommen, und zwar bei 'sp', 'st' und 'sch'. Insbesondere letztere Kombination, da echter Trigraph, wirkt bei zufälligem Entstehen irritierend: "bisschen", "Fresstempel", "Schlossparkett".
Diese Schreibungen sind in der Tat unglücklich und z.T. lesehemmend; da sie aber wohl nicht allzu zahlreich sind, würde ich sie in Kauf nehmen.
Zitat:
Bei der Schreibung mit Großbuchstaben wird 'ß' üblicherweise durch 'SS' ausgedrückt (vgl. § 25 E3). Dabei geht die Vokallängenmarkierung verloren, mit der möglichen Folge einer falsche Vokalverkürzung.
Auch das ist richtig, scheint mir aber ein eher marginales Problem zu sein. Schreibung in Großbuchstaben ist sowieso meistens schlechte Typografie ... ;-)
Zitat:
Wenn ich Ihre Darstellung der geänderten ss/ß-Schreibung zusammenfasse, weisen Sie auf zwei Aspekte als Vorzüge der neuen Regelung hin: "'ß' [weist] immer auf die Länge des Vokals hin", "Vereinheitlichung zusammengehöriger Flexionsformen". Ich habe den Eindruck, daß dabei im wesentlichen nur das als positives Fazit herauskommt, was quasi an Voraussetzungen hineingesteckt wurde: Im Unterschied zur herkömmlichen Schreibung wird dem 'ß' ja die Vokallängenmarkierung zwangsweise verordnet, und es wird ihm seine Ligaturfunktion genommen bzw. abgesprochen (man kann auch sagen, die Entsprechung von 'ß' und 'ss' wird ignoriert).
Das ist in gewisser Weise nachvollziehbar, aber ich sehe nichts Negatives darin, das 'ß' auf eine Funktion zu reduzieren oder ihm sogar eine neue Funktion zuzuweisen, wenn dadurch mehr Systematik in der Phonem-Graphem-Korrespondenz entsteht. Denn:
Zitat:
Ist durch die neue Regel ein Problemfall entschärft worden? Was war eigentlich das Problem, das die neue "ß"-Regel nötig oder wünschenswert gemacht hat?
Siehe den ersten Abschnitt meines Kommentars zu § 2: In der alten Rechtschreibung war dem 'ß' keine Information über die Quantität des vorangehenden Vokals zu entnehmen, was besonders für ausländische Lerner ein Problem darstellte; und der Wechsel von 'ß' und 'ss' innerhalb eines Flexionsparadigmas ohne Vokalquantitätswechsel war oft für einheimische Lerner ein Problem (der Fluß, des Flußes). Unsere Meinungsverschiedenheit ist also letztlich nur ein Fall von unterschiedlicher Gewichtung der Vor- und Nachteile: Ich messe meinen Vorteilen, Sie Ihren Nachteilen den höheren Stellenwert bei.
Zitat:
mir scheint, da Sie fast zu jedem angesprochenen Paragraphen auf Probleme hinweisen, daß, rein oberflächlich betrachtet, der Änderungs- bzw. Nachbesserungsbedarf recht hoch ist...
Kann man so sagen - auch wenn natürlich nicht jedes Problem gleichermaßen gravierend ist und die alte Rechtschreibung auch genügend Probleme bot.
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Michael Schneider
eingetragen von Theodor Ickler am 23.09.2002 um 17.10
Gerade bei der s-Schreibung darf man nicht nur die rein linguistische Seite sehen, die auf den ersten Blick ganz logisch erscheint. Ich kann und will hier nicht die anderen Argumente anführen, die ja den Besuchern dieser Seiten bestens bekannt sind, sondern zitiere nur noch einmal die aufschlußreichen Worte von 1876:
"Demnächst empfahl Hr. Scherer, für jetzt bei der allgemein verbreiteten Adelungschen Regel stehen zu bleiben; Heyse sei bisher im wesentlichen nur in Schulen durchgedrungen, und aus Österreich könne Redner bezeugen, daß auch wer danach unterrichtet werde, die Heysesche Regel später wieder aufzugeben pflege." (Aus dem Protokoll der Ersten Orthographischen Konferenz (1876), Verhandlungen ... S. 97)
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Th. Ickler
eingetragen von J.-M. Wagner am 23.09.2002 um 15.48
In Ihrer zusammenfassenden Beurteilung der Rechtschreibreform ordnen Sie die geänderte ss/ß-Schreibung unter "sinnvoll" ein. Dies möchte ich hinterfragen; mir scheint, daß es dabei auf die Auswahl der für die Beurteilung zugrundegelegten Kriterien ankommt.
Eine sinnvolle Beurteilung kann nur bei der Berücksichtigung aller relevanten Aspekte zustandekommen. Natürlich haben persönliche Vorlieben bzw. Abneigungen bei der Beurteilung immer einen gewissen Einfluß, wenn nicht unmittelbar, dann indirekt bei der Gewichtung der einzelnen Aspekte. Insofern ist bereits die Auswahl der Untersuchungspunkte problematisch, weil zirkulär: Wer soll anhand welcher Kriterien entscheiden, was die relevanten Aspekte sind? Darüber möchte ich nun nicht weiter nachdenken, sondern konkret die Aspekte bezüglich der ss/ß-Schreibung durchgehen. Ich werde Ihnen hier vermutlich nicht viel neues erzählen (und vor allem möchte ich Ihnen keinesfalls irgend eine Ignoranz gegenüber einem der angesprochenen Punkte unterstellen), ich möchte aber gern alle Aspekte gebündelt ansprechen und würde mich freuen, wenn Sie jeweils darauf eingehen.
Bemerkenswerterweise geben Sie die geänderte ss/ß-Regel als "Ersetzung von 'ß' durch 'ss' nach Kurzvokal" an. Dies weist bereits auf ein Problem hin, welches meiner Meinung nach mit dieser Regel verbunden ist: Für jemanden, der anhand der herkömmlichen Schreibweisen weiß, wo ein 'ß' steht, sollte diese Änderung vergleichsweise einfach nachzuvollziehen sein ("seltsamerweise" werden aber trotzdem viele Fehler gemacht), für Neulerner halte ich sie jedoch aus vielerlei Gründen für problematisch. Der wichtigste Aspekt dabei ist, daß man diese Regel nicht auf die bekannte Faustformel mit dem kurzen und dem langen Vokal verkürzen darf, denn dies gibt Anlaß zu neuen Fehlern.
An dieser Stelle fällt mir auf, daß Sie nur auf die 'ss'-Fälle eingehen, und dabei i. w. auch nur auf § 2. Dies greift aber m. E. zu kurz, um die Änderung der ss/ß-Schreibung richtig bewerten zu können:
1.) Paragraph 4 verzeichnet mehr Ausnahmen, als Sie in Ihrem Kommentar betrachten:§ 4: In acht Fallgruppen verdoppelt man den Buchstaben für den einzelnen Konsonanten nicht, obwohl dieser einem betonten kurzen Vokal folgt.Das "As" -- und nur dieses -- wurde als "Ausnahme" abgeschafft. Ob es ich dabei wirklich um eine "Ausnahme" handelt/gehandelt hat, ist fraglich: Bei einsilbigen Wörtern gibt es keinen "per se" betonten oder unbetonten Vokal, im Satzgefüge kann das Wort mal betont, mal unbetont sein. Daher ist die Betontheit des Vokals bei einsilbigen Wörtern kein wohldefinierter Begriff (und insofern § 4 in sich inkonsistent).
Dies betrifft
1. eine Reihe einsilbiger Wörter (besonders aus dem Englischen), zum Beispiel: Bus, (...)
(...)
6. eine Reihe einsilbiger Wörter mit grammatischer Funktion, zum Beispiel: (...) bis, das (Artikel, Pronomen), des (aber dessen), (...) plus, (...) was, wes (aber wessen)
(...)
Inwiefern es für Neulerner ein Problem ist, zu beachten, daß sich die Regel § 2 nur auf betonte Kurzvokale bezieht, vermag ich nicht zu beurteilen, da sich hier der systematische Aspekt der Heyseschen s-Schreibung zeigt, das 's' bezüglich der Verdopplung anderen Konsonantenbuchstaben gleichzustellen -- was auch bedeutet, daß es [dieses Wort fällt auch unter § 4 (6)] wie andere Konsonanten als Endbuchstabe nicht verdoppelt wird, wenn der Vokal davor kurz und unbetont ist. Jedoch vermute ich, daß es in diesem Bereich zu Verunsicherungen kommen kann, denn es gilt ja, die Verwendung von 'ss' gegenüber einer Schreibung mit 'ß' abzugrenzen, und in der einfachsten Formulierung kann diese Abgrenzung zu Fehlern insbesondere bei Schlußbuchstaben Anlaß geben.
2.) In ihrem Kommentar gehen Sie auf § 25 gar nicht ein; den halte ich aber für nicht einfach:§ 25: Für das scharfe (stimmlose) [s] nach langem Vokal oder Diphthong schreibt man ß, wenn im Wortstamm kein weiterer Konsonant folgt.Auf § 23 gehen Sie zwar in Ihrem Kommentar ein, nicht aber bezüglich der s-Schreibung:
(...) Ausnahme: aus
Zur Schreibung von [s] in Wörtern mit Auslautverhärtung wie Haus, graziös, Maus, Preis siehe § 23.§ 23: Die in großen Teilen des deutschen Sprachgebiets auftretende Verhärtung der Konsonanten [b], [d], [g], [v] und [z] am Silbenende sowie vor anderen Konsonanten innerhalb der Silbe wird in der Schreibung nicht berücksichtigt.Diese vielen Beispiele in § 23 sind zwar auch bei der Verwendung der herkömmlichen Rechtschreibung nützlich, weil sie einem zu erkennen helfen, wo nur 's' steht; bei der neuen Regel aber, die sich an der Aussprache orientiert, sind alle diese Angaben notwendig, und das ist ein wichtiger Unterschied! Ohne diese Einschränkungen müßte man nach der Grundregel (§ 25) viel häufiger 'ß' schreiben.
E1: Bei vielen Wörtern kann die Schreibung aus der Aussprache erweiterter Formen oder verwandter Wörter abgeleitet werden, in denen der betreffende Konsonant am Silbenanfang steht, zum Beispiel:
(...)
Preis, preislich, preiswert; Preise (aber Fleiß - fleißig)
Haus, häuslich, behaust; Häuser (aber Strauß - Sträuße)
E2: Bei einer kleinen Gruppe von Wörtern ist es nicht oder nur schwer möglich, eine solche Erweiterung durchzuführen oder eine Beziehung zu verwandten Wörtern herzustellen. Man schreibt sie trotzdem mit b, d, g bzw. s, zum Beispiel:
Eisbein (Eis - Eises), (...) Kies (Kiesel), (...) preisgeben, Reis (Reisig), Reis (= Korn; Reise fachsprachlich = Reissorten; aber Grieß), weissagen (weise)
3.) Nach der herkömmlichen Rechtschreibung gibt es kein 'ss' am Schluß eines Wortes (Pseudo-Ausnahme: ein Apostroph zeigt ein weggefallenes 'e' an, aber dann steht der Apostroph am Schluß und nicht das 'ss'), sondern nur die Fälle 's' oder 'ß' -- weil das 'ß' ja als Ligaturzeichen für Doppel-s am Ende eines Wortes steht.
Wer sich bei der Aussprache unsicher ist oder nicht weiß, was die Ausnahmen sind und also die Schreibung erraten muß, hat nach der reformierten Regel eine Trefferquote von 33% bzw. muß sich Geiste drei verschiedene Fälle vorstellen. Bei der herkömmlichen Schreibung sind es 50% bzw. nur zwei Fälle, und die haben zudem den Vorteil, daß sie sich optisch wesentlich deutlicher unterscheiden. -- Auf das Problem der falschen Schreibung aufgrund einer "regional abweichenden Aussprache" weisen Sie zwar in Ihrem Kommentar hin, nicht aber auf das "33%-Problem".
4.) Nach der herkömmlichen Rechtschreibung taucht 'ss' nur an einer Silbenfuge auf und zeigt also einen ambisyllabischen s-Laut an. Umgekehrt bedeutet dies, daß man bei einer Zerlegung in Sprechsilben ein zu schreibendes 'ss' immer sicher identifizieren kann. Diese Eindeutigkeit der Zuordnung -- ich nenne es einfach mal das "'ss'-Laut-Prinzip" -- geht bei der reformierten Schreibung verloren. Bei der herkömmlichen Rechtschreibung besteht ein echtes Problem bezüglich der ss/ß-Schreibung m. E. nur in der Abgrenzung zwischen 's' und 'ß'.
5.) Auf die Probleme, daß -- als Folge davon, daß von der Ligaturfunktion des 'ß' kein Gebrauch mehr gemacht wird -- "einige Neuschreibungen (wie Messergebnis) (...) missverständlich, andere (wie Missstand) schwer lesbar" sind, weisen Sie zwar hin, gehen aber nicht weiter darauf ein. Ich sehe hierbei ein systematisches Problem: In Verbindung mit anderen Buchstaben kann ein 's' eine spezifische Signalfunktion bekommen, und zwar bei 'sp', 'st' und 'sch'. Insbesondere letztere Kombination, da echter Trigraph, wirkt bei zufälligem Entstehen irritierend: "bisschen", "Fresstempel", "Schlossparkett".
6.) Bei der Schreibung mit Großbuchstaben wird 'ß' üblicherweise durch 'SS' ausgedrückt (vgl. § 25 E3). Dabei geht die Vokallängenmarkierung verloren, mit der möglichen Folge einer falsche Vokalverkürzung.
Wenn ich Ihre Darstellung der geänderten ss/ß-Schreibung zusammenfasse, weisen Sie auf zwei Aspekte als Vorzüge der neuen Regelung hin: "'ß' [weist] immer auf die Länge des Vokals hin", "Vereinheitlichung zusammengehöriger Flexionsformen". Ich habe den Eindruck, daß dabei im wesentlichen nur das als positives Fazit herauskommt, was quasi an Voraussetzungen hineingesteckt wurde: Im Unterschied zur herkömmlichen Schreibung wird dem 'ß' ja die Vokallängenmarkierung zwangsweise verordnet, und es wird ihm seine Ligaturfunktion genommen bzw. abgesprochen (man kann auch sagen, die Entsprechung von 'ß' und 'ss' wird ignoriert). Damit ist es auch nicht überraschend, wenn man beim Vergleich der herkömmlichen und der reformierten Schreibweise, der allein diese beiden Aspekte berücksichtigt (vgl. http://staff-www.uni-marburg.de/~schneid9/s-schrei.pdf), zu dem Fazit kommt, daß die Neuregelung positiv zu beurteilen ist.
Mein Fazit ist ein anderes; dies möchte ich anhand folgender drei Punkte darstellen:
(i) Ist durch die neue Regel ein Problemfall entschärft worden? Was war eigentlich das Problem, das die neue "ß"-Regel nötig oder wünschenswert gemacht hat?
Außer bei "das/daß" fällt mir erstmal kein verbreitetes Problem bezüglich der Verwendung von "ß" ein. Dieses Problem hat aber in erster Linie etwas mit der Grammatik und nicht mit der Rechtschreibung zu tun. Die neue Regel hat dieses Problem nicht beseitigt, sondern eher verschärft (s.u.).
(ii) Ist die neue Regel wirklich eine Vereinfachung bzw. eine Erleichterung (allgemeine Leitsätze der Rechtschreibreform) -- unter prinzipiellen Gesichtspunkten?
Wenn ich die alten Regeln kenne, wird es für mich aufwendiger, weil ich bei jedem bisher gewohnten "ß" darauf achten muß, es ggfs. als 'ss' zu schreiben. Wenn ich die Regeln neu lerne und mir bezüglich der hochdeutschen Aussprache unsicher bin, habe ich beim Raten der Schreibweise nach der alten Regel eine Trefferquote von 50%, nach der neuen Regel nur 33%. Die alte Regel beruhte nicht auf der hochdeutschen Aussprache, sondern auf der Trennbarkeit bzw. der Stellung von "ss" oder "ß" innerhalb des Wortes; ich halte sie daher für wesentlich weniger fehleranfällig als die neue Regel.
(iii) Ist es jetzt wirklich besser als vorher -- aus prinzipiellen Gesichtspunkten?
Für die Schreibenden: Bisher bestand die Schwierigkeit darin, daß man sich die Fälle einprägen mußte, wo ein 'ß' hingehört und kein 's' ('ss' war leicht zu identifizieren). Weil das 'ß' aber -- in der Schreibschrift -- neben dem 'f' der einzige Kleinbuchstabe ist, der sich über die volle Schreibhöhe (volle Ober- und Unterlänge) erstreckt, ist er sehr auffällig, und diese "Signalwirkung" erleichtert das Lernen von Wörten, die ein 'ß' enthalten. Diese leichtere Lernbarkeit ist jetzt bei einem Teil der Wörter entfallen.
Für die Lesenden: Die Verwendung von 'ss' als Zeichen der Kürze eines Vokals (bzw. 'ß' für die Länge) kann für einen Nutzen beim Lesen gehalten werden -- aber für wen? Es hilft wenig, ein Wort aussprechen zu können, wenn man nicht weiß, was es bedeutet. Wenn man aber ein Wort kennt, dann weiß man auch, wie es auszusprechen ist. Für Erstkläßler, die einen Text vorlesen müssen, und für Ausländer mit geringen Deutschkenntnissen kann diese Kürzen-/Längenkennzeichnung nützlich sein. Aber die Erstkläßler sind spätestens bei "bisschen" damit überfordert, nicht "bis - schen" zu lesen (oder ggfs. so zu trennen). Und beim Korrekturlesen kann ein falsches "das" oder "dass" viel leichter unbemerkt bleiben als ein falsches "daß".
Fazit: Es gibt keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung durch die geänderte ss/ß-Regel. Diese Regel...
...ist völlig unnötigerweise eingeführt worden;
...führt zu weniger gut lesbaren Texten im Vergleich zur herkömmlichen Schreibung, denn sie ignoriert die grundlegende Markierungsfunktion des "ß", die sowohl für Schreibende wie Lesende hilfreich ist, und daher verschärft sie tendenziell das "das/daß"-Problem;
...macht eine zusätzliche Fallunterscheidung nötig bzw. reduziert die "Trefferquote";
...ist wegen der Orientierung an der Länge/Kürze des vorausgehenden Lautes fehleranfälliger bzw. verleitet mehr zu Fehlern;
...ist in der korrekten Formulierung sehr aufwendig und nicht allgemeinverständlich.
Was Sie in Ihrer Antwort an Herrn Melsa ("Re: Fehler strotzend") zur Ausrichtung Ihres Seminars geschrieben haben, habe ich zur Kenntnis genommen und läßt mich die Anmerkungen zu den Problemen in Ihrem Kommentar mit anderen Augen lesen; mir scheint, da Sie fast zu jedem angesprochenen Paragraphen auf Probleme hinweisen, daß, rein oberflächlich betrachtet, der Änderungs- bzw. Nachbesserungsbedarf recht hoch ist...
(PS: Ihre ausführliche Zeittafel finde ich hervorragend!!)
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Jan-Martin Wagner
eingetragen von Theodor Ickler am 23.09.2002 um 03.58
Wie schon des öfteren zitiert: Auch Peter Eisenberg sprach schon Jahre vor dem Inkrafttreten davon, die Reform sei nun einmal da und man müsse (für die Lehrer) das Beste daraus machen. Das ist wohl der Kern der leidigen Angelegenheit. Eisenberg verfolgt seither die Doppelstrategie, die Reform zugleich zu vermarkten (Cornelsen-Broschüre usw.) und zu bekämpfen. Sie gehöre auf den Müll (Interview), aber ihre Rücknahme wäre eine "kulturpolitische Katastrophe" (Mannheimer Anhörung 1997). Schulbuchautor Schoebe: "Ich werde der Norm gehorchen, weil sie die Norm ist."
Ist das nur Ratlosigkeit oder ein Mangel an Phantasie, vielleicht auch Mut? "Ziviler Ungehorsam" klingt nicht so überzeugend, wenn er mit grundsätzlicher Unterwerfung einhergeht. Muß man nicht zunächst einmal für seine bessere Einsicht kämpfen, solange es geht und sinnvoll erscheint?
Was bedeutet das ständige Nachbessern? Ist das selektive Gehorchen und Nichtgehorchen nicht schlimmer für die Betroffenen als die Totalverweigerung? Immerhin haben wir doch noch die bewährte Rechtschreibung, die selbst in ihrer engherzigen Dudenauslegug unvergleichlich besser war als die Neuregelung.
Nun werden wir nach jahrelanger Verunsicherung allmählich und unter große Kosten wieder zur alten Rechtschreibung zurückkehren, wohl mit Ausnahme der kaum überzeugenden Heyseschen s-Schreibung, die vielleicht nach Jahrzehnten wegen ihrer Fehlerträchtigkeit neue Reformer auf den Plan rufen wird. Was ist an diese Aussicht so bestechend, daß man ernsthaft dafür arbeiten könnte?
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Th. Ickler
eingetragen von Christian Melsa am 22.09.2002 um 22.03
Zitat:Das ist doch nun gerade das, was ich anklage. Daß ein Lehrer dazu gezwungen wird, etwas höchst Umstrittenes und sogar gegen vorhandene demokratische Urteile Durchgeprügeltes zu unterrichten. Ja, die Reform ist "nun einmal da", aber die Mehrheit des Volkes war von Anfang an dagegen, eine Fülle von Sachargumenten sprachen auch von Anfang an gegen sie, trotzdem ist sie immer noch da! Dieses illegetime Faktenschaffen, um dann darauf zu verweisen, daß sie ja nun da seien und sie damit irgendwie doch wieder als legitim erscheinen zu lassen, genau das sind die Erpressungsmethoden, von denen ich rede.
Ursprünglich eingetragen von Michael Schneider
Zitat:
Als Privatperson können Sie sich diese Haltung sicher leisten; der Lehrer in der Schule kann das aber nicht [...] Die Reform ist nun einmal da, sie wird seit sechs Jahren an den meisten Schulen unterrichtet
Zitat:
und es kommt m.E. jetzt darauf an, das Beste aus ihr zu machen, d.h. auf die gröbsten Mängel hinzuweisen und in diesen Punkten zum "zivilen Ungehorsam" aufzurufen, um dadurch, wenn möglich, Nachbesserungen zu erreichen. Eine Rücknahme der Reform als Ganzer erscheint mir nicht wünschenswert, da ich persönlich auf Sinnvolles wie das in der linken Spalte meiner Tabelle Genannte nicht mehr verzichten möchte.
eingetragen von Reinhard Markner am 22.09.2002 um 15.21
Zitat:Kein Kommentar !
[. . .] gäbe es ein ideales, in jeder Hinsicht befriedigendes Reformkonzept, könnte es von mir aus auch mit diktatorischen Mitteln durchgesetzt werden ... ;-)
eingetragen von Reinhard Markner am 22.09.2002 um 15.20
Die Diskussion um die aus dem Englischen stammenden Substantive können wir wohl abschließen. Hier ist nichts »reformiert«, sondern nur eine Kleinigkeit begradigt worden. Der Punkt fiel mir auf, weil er in der Liste der angeblich akzeptablen Reformbestandteile gleich an zweiter Stelle stand.
Zitat:
Was Fälle wie Rote Karte, Schneller Brüter usw. betrifft, stimme ich Ihnen zu; Dritte Welt fällt jedoch eindeutig unter § 60(5), und nur um dieses Beispiel ging es bisher.
eingetragen von Michael Schneider am 22.09.2002 um 15.00
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Melsa
Inkonsequenz? Wenn derlei von den Reformern neu eingeführt wird, nennen die es gerne "Variantenfreiraum".
Zitat:
Gut wäre es, wenn Sie schon Icklers Werke zu dem Thema in Ihre Untersuchung miteinbezogen haben, dann bei der Suche nach einer wünschenswerten Rechtschreibung auch zu dem naheliegenden Schluß zu kommen, nicht eine Reform als Ausgangspunkt zu wählen, die fachlich nicht gerade der Knüller ist und zu den in der Bevölkerung unbeliebtesten Reformen überhaupt zählt, sondern ein Konzept in der Weise, wie es Ickler mit seinem eigenen Rechtschreibwörterbuch vorgelegt hat. [...] Die aktuelle Rechtschreibreform ist nicht als weicher Einfluß gedacht, sondern als ein oktroyierter Eingriff; nicht als Angebot, sondern als Zwang (in der Schule und an anderen Orten ist das zweifellos so). Das macht sie im Kern so ablehnungswürdig. Man muß sie ablehnen, weil man Erpressungsmethoden gar nicht erst einreißen lassen sollte.
eingetragen von Michael Schneider am 22.09.2002 um 14.53
Ich möchte zunächst Ihrem Urteil zustimmen, Herr Markner, dass es sich bei der Beispielgruppe englischer Substantive auf -y
Zitat:
um eine Lappalie handelt.
Zitat:
Die Beispiele Partys, Babys halte ich für trefflich, denn es dürften die häufigsten Plurale dieses Musters sein. Eine vollständige Liste habe ich nicht parat.
Zitat:
Die Neuregelung ist gerade in der Frage der Groß- oder Kleinschreibung von Verbindungen des Musters Heiliger Vater, Rote Karte, Dritte Welt von größter Undurchschaubarkeit. Dieser Teil der Regelung ist deshalb auch von der Presse abgelehnt und im 3. Geheimbericht thematisiert worden. Es kann nicht die Rede davon sein, daß die Reform hier dem Schreibgebrauch entgegenkommt. Vielmehr handelt es sich um eine ususferne Reißbrettlösung.
eingetragen von Theodor Ickler am 22.09.2002 um 06.38
Auch ich begrüße es, daß sich Herr Schneider nach längerer Pause wieder auf diesen Seiten eingefunden hat, und wollte ihn schon besonders dazu einladen. Seine Internetseiten zur Rechtschreibreform haben doch ein ganz anderes Niveau als die der Reformpropaganda, und es macht viel mehr Freude, mit ihm zu diskutieren. Natürlich ist seine tabellarische Übersicht vor dem Hintergrund seiner ausführlicheren Beiträge zu würdigen, und so war meine pauschale Anerkennung auch gemeint. Der Anfang mit den "Babys" usw. ist nun gemacht, und so könnte man alles andere ebenfalls in dieser klärenden Weise durchdiskutieren. Vieles ist zwar schon früher gesagt worden, aber die Beiträge sind sehr verstreut.
Ähnlich wie Herr Melsa sehe ich (natürlich!) diesen Punkt: Solange man nur zwischen Dudennorm und neuer Vorschrift unterscheidet, fehlt gewissermaßen etwas, nämlich die Idee des deskriptiven Ansatzes. Gerade dies haben aber Reformer wie Munske frühzeitig angemahnt: erst einmal den üblichen Schreibbrauch angemessen darstellen und in seiner inneren Logik erfassen. Eigentlich sollte sich eine solche Aufgabe von selbst verstehen, denn in der Phonologie oder Grammatik tun die Sprachwissenschaftler doch nichts anderes. Bloß bei der Schreibung schiebt sich ständig die Dudennorm dazwischen.
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Th. Ickler
eingetragen von Christian Melsa am 22.09.2002 um 00.59
Eingangs muß ich gestehen, daß ich noch nicht die Gelegenheit hatte, mich mit Ihrer Untersuchung genau zu befassen; es kann also sein, daß ich hier jetzt Aspekte anspreche, die durch Ihre Texte bereits geklärt sind. Aber spontan möchte ich doch gerne die hier vorgebrachten Worte folgendermaßen kommentieren:
Zitat:Inkonsequenz? Wenn derlei von den Reformern neu eingeführt wird, nennen die es gerne "Variantenfreiraum". Wie Herr Markner bereits entgegnet hat, wirft das hier behandelte Phänomen aber eigentlich keine großen Probleme auf, sondern hat durchaus seine Berechtigung.
Ursprünglich eingetragen von Michael Schneider
Sie werden aber gewiss nicht leugnen, Herr Markner, dass es bei Pluralformen englischer Substantive auf -y im alten Duden drei verschiedene Regeln gab, deren Gültigkeit im Einzelfall nur durch Nachschlagen zu ermitteln war (-ies, -ys oder beides). Diese Inkonsequenz hat die Reform beseitigt.
Zitat:Gut wäre es, wenn Sie schon Icklers Werke zu dem Thema in Ihre Untersuchung miteinbezogen haben, dann bei der Suche nach einer wünschenswerten Rechtschreibung auch zu dem naheliegenden Schluß zu kommen, nicht eine Reform als Ausgangspunkt zu wählen, die fachlich nicht gerade der Knüller ist und zu den in der Bevölkerung unbeliebtesten Reformen überhaupt zählt, sondern ein Konzept in der Weise, wie es Ickler mit seinem eigenen Rechtschreibwörterbuch vorgelegt hat. Die großen Vorteile dieses Ansatzes gegenüber künstlicher Reformmurkserei liegen doch auf der Hand. Und er ist auch sozusagen wissenschaftlich viel lauterer, da seriöse Wissenschaft normalerweise die Verhältnisse so darstellt, wie sie sind, anstatt bewußt Entstellungen von der beobachtbaren Realität in ein Theoriesystem zu bauen, das jedoch allen Ansprüchen der Praxis gerecht werden soll. Zwar gab es in der Geschichte der deutschen Orthographie immer auch mal wieder Einflüsse seitens Quellen absichtlich normativer Tendenz (Adelung, Gottsched usw.), aber niemals wurde solch eine Regelung in solch einer arroganten Aktion der Sprachrealität aufzudrängen gesucht wie bei der gegenwärtigen "Reform". Angesichts dieser Form ist, so finde ich, die Grenze dessen, was als künstliche, somit unerprobte Normänderung toleriert werden kann, meilenweit überschritten. Weil sie unerprobt ist - vor allem aber, weil die Änderungen letztendlich auf Änderungen um der Änderungen willen beruhen, um mit winzigminderheitlichen ideologischen Zielen einfach eine Reform gleich welcher Art ins Werk zu setzen! - sollte man nicht sie als Ausgangspunkt wählen, sondern eine möglichst deskriptive Darstellung der vorhandenen, lebendig mit gutem Grund evolutionär so gewachsenen Rechtschreibung. Die aktuelle Rechtschreibreform ist nicht als weicher Einfluß gedacht, sondern als ein oktroyierter Eingriff; nicht als Angebot, sondern als Zwang (in der Schule und an anderen Orten ist das zweifellos so). Das macht sie im Kern so ablehnungswürdig. Man muß sie ablehnen, weil man Erpressungsmethoden gar nicht erst einreißen lassen sollte.
Wieso hätte ich die neue präskriptive Norm mit einer alten deskriptiven Norm vergleichen sollen? Wenn der Duden Schreibungen wie Dritte Welt nicht sanktioniert hat, die Neuregelung dies aber tut, bedeutet das doch, dass die Neuregelung in diesem Punkt natürlichen Schreibtendenzen eher entgegenkommt, und das kann man doch sicher als Positivum verbuchen. Oder darf ich Ihrer Meinung nach nur geniale Eigenerfindungen der Reformkommission loben?
eingetragen von Reinhard Markner am 21.09.2002 um 22.54
Schön, daß Sie sich der Diskussion stellen, Herr Schneider. Die Beispiele Partys, Babys halte ich für trefflich, denn es dürften die häufigsten Plurale dieses Musters sein. Eine vollständige Liste habe ich nicht parat. Man muß auch differenzieren, wie integriert diese Wörter in die deutsche Sprache sind -- Baby wird ja hierzulande anders ausgesprochen als im Englischen. Insofern ist die unterschiedliche Behandlung durch die Duden-Redaktion vielleicht nicht so untriftig gewesen, wie Sie sie hinstellen. Man sollte bei alledem nicht vergessen, daß es sich natürlich um eine Lappalie handelt.
Die Neuregelung ist gerade in der Frage der Groß- oder Kleinschreibung von Verbindungen des Musters Heiliger Vater, Rote Karte, Dritte Welt von größter Undurchschaubarkeit. Dieser Teil der Regelung ist deshalb auch von der Presse abgelehnt und im 3. Geheimbericht thematisiert worden. Es kann nicht die Rede davon sein, daß die Reform hier dem Schreibgebrauch entgegenkommt. Vielmehr handelt es sich um eine ususferne Reißbrettlösung.
– geändert durch Reinhard Markner am 23.09.2002, 12.27 –
eingetragen von Michael Schneider am 21.09.2002 um 17.26
Zu meiner "Zusammenfassenden Beurteilung der Rechtschreibreform" sollte ich vielleicht anmerken, dass sie lediglich eine stichwortartige Zusammenfassung dessen darstellt, was ich in meinem Seminar im WS 2001/02 mündlich vorgetragen hatte und später in einem 72-seitigen Kommentar auch schriftlich niedergelegt habe. Kritik sollte also an diesem ausführlichen Kommentar und nicht an der - notwendigerweise undifferenzierten - Zusammenfassung geübt werden. In meinem Kommentar hoffe ich der Gefahr, "persönlichen Geschmacksurteilen einen wissenschaftlichen Anstrich [zu] geben", nicht erlegen zu sein, zumal ich dort auch viele Argumente der reformkritischen Literatur, insbesondere von Herrn Ickler, übernommen habe.
Zu den von Herrn Markner bemängelten Einzelheiten:
Zitat:
Sinnvoll findet Schneider u. a. die vom Englischen abweichenden Pluralformen Babys, Partys. Sie standen schon vor 1996 im Duden und waren auch tatsächlich üblich. Was trägt ihre Bewertung also zur Beurteilung der Rechtschreibreform bei ?
Zitat:
Akzeptabel findet Schneider die Großschreibung des Adjektivs z. B. in Dritte Welt, auch dies eine seit jeher übliche Schreibung, die aber vom Duden nicht sanktioniert war. Schneider hat also den Unterschied zwischen der realen Orthographie und ihrer nicht immer zutreffenden Beschreibung durch die Duden-Redaktion nicht verstanden.
eingetragen von Reinhard Markner am 21.09.2002 um 10.16
Sinnvoll findet Schneider u. a. die vom Englischen abweichenden Pluralformen Babys, Partys. Sie standen schon vor 1996 im Duden und waren auch tatsächlich üblich. Was trägt ihre Bewertung also zur Beurteilung der Rechtschreibreform bei ?
Akzeptabel findet Schneider die Großschreibung des Adjektivs z. B. in Dritte Welt, auch dies eine seit jeher übliche Schreibung, die aber vom Duden nicht sanktioniert war.
Schneider hat also den Unterschied zwischen der realen Orthographie und ihrer nicht immer zutreffenden Beschreibung durch die Duden-Redaktion nicht verstanden. Insgesamt habe ich den Eindruck, daß er persönlichen Geschmacksurteilen einen wissenschaftlichen Anstrich geben will.
eingetragen von Theodor Ickler am 21.09.2002 um 08.24
Schneider gibt neben anderen nützlichen Dingen auch eine "Zusammenfassende Beurteilung der Rechtschreibreform" (http://staff-www.uni-marburg.de/~schneid9/orthogra.html). Er teilt die Neuschreibungen in "sinnvoll", "akzeptabel" und "nicht sinnvoll" ein - das wäre eine gute Grundlage für Diskussionen.
Akzeptabel findet er zum Beispiel Ass, Mopp als "Konsonantenverdoppelung nach betontem Kurzvokal". Nun sind allerdings Vokale in Einsilblern weder betont noch unbetont, man muß also erst "verlängerte" Formen heranziehen: Asse, moppen usw. Dann fiele aber die Inkonsequenz ins Gewicht (Bus usw.)
Andererseits findet er nicht sinnvoll die "Konsonantenverdoppelung nach unbetontem Kurzvokal (nummerieren, Plattitüde, platzieren). Hier wird jedoch von den Reformern das Stammprinzip geltend gemacht, und daß in Wirklichkeit die Ableitung (von Nummer, platt, Platz) nicht stimmt, kann Schneider eigentlich nicht beirren, denn er billigt anderswo die "etymologisierende Schreibung" als zumindest akzeptabel.
In dieser Weise könnte man die durchaus wohlinformierte und intelligente Darstellung des kritisch-wohlwollenden Reformkommentators durchdiskutieren. Die Notwendigkeit einer Reform geht aus seiner Beurteilung gewiß nicht hervor, zumal wenn man die sekundären Schwierigkeiten (Kosten, Psychologisches) mitbedenkt.
Schneider findet die Heysesche s-Regelung sinnvoll, scheint aber die fehleranalytischen Überlegungen und Befunde zu dieser Wiedereinführung nicht für wichtig zu halten.
Mit der Anerkennung von am Dienstagabend, freitagabends hat er zwar recht, aber das erste stand ohnehin schon im Duden, und das zweite wäre m. E. ohne weiteres daraus ableitbar gewesen und entspricht der Beobachtung (daher auch meinem Rechtschreibwörterbuch).
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Th. Ickler
eingetragen von Elke Philburn am 20.09.2002 um 21.16
eingetragen von Elke Philburn am 20.09.2002 um 20.49
Ich weiß nicht, ob es schon bekannt ist, aber hier gibt es einen Überblick über die Hausorthographien der Presse.
eingetragen von Dominik Schumacher am 04.08.2002 um 13.29
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CHEF-ENTWICKLER Gerhard Augst, Vorsitzender der Rechtschreib-Kommission, geht davon aus, dass sich das Schreibvolk ans neue Deutsch gewöhnt. „Jede Reform braucht Zeit“
BILDUNG
Die Freiheit nehm ich mir
Auch vier Jahre nach dem Start ist die Rechtschreibreform höchst umstritten – die meisten Deutschen lehnen sie ab
Das Problem stellt sich zum Beispiel im bayerischen Biergarten. Da preist ein Münchner Wirt auf seiner Getränkekarte die „ Maß“ Helles an wie seit Jahrzehnten schon – und gerät mitten hinein in die Diskussion ums richtige Deutsch.
Denn seit August 1998, seit die Rechtschreibreform offiziell in Kraft getreten ist, soll das traditionelle Biermaß „Mass“ geschrieben werden. Der „Duden“ gibt sich tolerant und lässt auch die alte Variante zu; das „Wahrig“-Wörterbuch, gerade eben im Hause Bertelsmann erschienen, besteht dagegen unerbittlich auf dem doppelten „s“.
Es geht durcheinander im deutschen Schriftverkehr, auch vier Jahre nach der Umstellung. „Die orthographische Einheit ist zerstört“, wettert der Erlanger Sprachwissenschaftler Theodor Ickler, einer der profiliertesten Reform-Gegner. Die neue Rechtschreibung existiere nicht, stattdessen eine Vielzahl individuell zusammengebastelter Hausorthographien.
Das Schreibvolk verweigert dem Reformwerk die Zuneigung: 56 Prozent der Deutschen lehnen die neuen Schreibregeln ab, so eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach. 57 Prozent sehen keinen Grund, ihr Schreiben umzustellen. Nur 29 Prozent plädieren dafür, die neuen Regeln beizubehalten.
Schlechte Noten also für die Mannheimer Expertenkommission, die das Regelwerk entwickelt hat. Ihr Vorsitzender, der Siegener Sprachwissenschaftler Gerhard Augst, setzt auf den Gewöhnungseffekt: „Jede Reform braucht Zeit, um akzeptiert zu werden.“
Die Schulen sind den Reformern – auf Geheiß der Kultusminister – am weitesten gefolgt. Sie lehren beispielsweise die neue Zeichensetzung, die vor allem darin besteht, dass viele Kommas weggelassen werden dürfen – ohne besondere Rücksichtnahme auf die Lesbarkeit der Texte. Außerhalb des Unterrichts werden diese „Kann-Regeln“ kaum umgesetzt; Zeitungen und Zeitschriften lehnen sie ab.
Stellvertretend für die Medienbranche haben sich die Nachrichtenagenturen 1999 auf eine abgeschwächte Version der neuen Orthographie geeinigt: Sie schreiben beispielsweise feststehende Begriffe groß, wie die „Rote Karte“ im Fußball. Bei der besonders umstrittenen Getrennt- und Zusammenschreibung wählen sie häufig – entgegen der ursprünglichen Ankündigung – die alte Form, also zum Beispiel „auseinandersetzen“ (statt „auseinander setzen“) oder „gewinnbringend“ (statt „Gewinn bringend“. Einige Redaktionen, zum Beispiel FOCUS, haben eine eigene gemäßigt reformierte Orthographie erarbeitet. Die FAZ kehrte, nachdem sie 1999 die neue Rechtschreibung eingeführt hatte, im Sommer 2000 mit großer Geste zur alten zurück – sehr zum Missfallen der Reform-Kommission.
„Eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung entspräche dem wohlbegründeten Willen der Mehrheit der Bürger" Günter Grass, Literatur-Nobelpreisträger
Dafür darf sie sich über eine Nachricht des Börsenvereins für den Deutschen Buchhandel freuen. Die Verlage veröffentlichten 80 Prozent ihrer neuen Bücher inzwischen nach den reformierten Regeln, berichtet der Verband. Ein Großteil der publikumswirksamen Belletristik erscheint auf ausdrücklichen Wunsch der Autoren allerdings nach wie vor in alter Schreibung, zum Beispiel die aktuellen Bestseller von Martin Walser, Günter Grass oder Bodo Kirchhoff.
Für Theodor Ickler sind das deutliche Belege dafür, dass die Reform gescheitert ist: „Die Kluft zwischen Regelwerk und Schreibwirklichkeit ist größer denn je, das genaue Gegenteil des Reformzwecks ist eingetreten.“ Hinter den Kulissen arbeite die Kommission „zügig am Rückbau der Reform“.
Gerhard Augst bestreitet das energisch. Zwar habe seine Kommission die Aufgabe, die Umsetzung der Reform zu beobachten und Änderungen vorzuschlagen. „Wir gehen aber davon aus, dass sich kaum etwas ändern wird.“ Allerdings gibt Augst zu, dass es keinen Sinn macht, über einen längeren Zeitraum hinweg im Deutschunterricht Schreibregeln zu lehren, um die sich außerhalb der Schulen kaum jemand schert: „Natürlich gucken wir uns sehr genau an, was die Schreibgemeinschaft mit unseren Regeln anfängt. Auf Dauer kann der Staat keine Verordnung zu einer Schreibung erlassen, die von der Gemeinschaft gar nicht befolgt wird.“
JOBST-ULRICH BRAND
Focus 32/2002
Fotos: T. Pflaum/Agon/Visum/FOCUS-Magazin, Focus 32/200.
action press, dpa (2)
FOLGSAM
Deutschlands Schüler pauken die neue Rechtschreibung in ihrer radikalen Form. Außerhalb des Unterrichts erscheint sie abgeschwächt
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eingetragen von Theodor Ickler am 04.08.2002 um 11.15
FOCUS hat heute einen schönen reformkritischen Bericht: "Die meisten Deutschen lehnen die neue Rechtschreibung ab" von Jobst Brand. Leserbriefe erwünscht.
(Kann jemand den Text für das Nachrichtenbrett einscannen?)
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Th. Ickler
eingetragen von Matthias Dräger am 07.05.2001 um 11.24
Unter dieser Rubrik möchte ich zur Sammlung von Dokumenten anregen mit dem Thema: An welchen Stellen und ggf. in welchem Umfang bewirkt die Rechtschreibreform langfristig eine Spaltung unserer Orthographie:
Am 26. 4. war ich in der Landesbibliothek Koblenz. Dank EDV habe ich mir dort einen Überblick verschafft über den Bestand der Bibliothek, geordnet nach Erscheinungsjahr:
Jahr Bestand
2001 3.310
2000 11.516
1999 6.895
1998 7.934
1997 8.593
1996 9.777
1995 10.906
1994 24.770
1993 9.647
1992 8.714
1991 8.596
1990 23.190
1989 7.513
1988 6.707
1987 5.151
1986 4.039
1985 4.262
1984 3.719
1983 3.680
1982 3.666
1981 3.969
1980 4.501
(Ich habe auch noch die Bestände der Jahre 1960 bis 1979 geprüft; die Bestandszahlen in diesem Zeitraum liegen zwischen 3000 bis maximal 4.000 Exemplaren pro Jahr.)
Das, was an Neuerwerbungen der Bibliothek ausgestellt war, war leider dürftig: es waren 11 Titel, davon 2 gemäß Rechtschreibreform; das macht näherungsweise 20%. Die Zahl von 11 Titeln ist für eine statistische Auswertung zwar zu gering, aber der Anteil von 20% deckt sich in etwa mit meinen Beobachtungen beim jüngsten Besuch einer Buchhandlung, so daß ich dennoch damit einmal etwas rechnen werde (alle Angaben daher nur grobe Näherungen).
Ich nehme ferner zugunsten der Rechtschreibreform einmal an, daß bereits seit 1998 schon 20% der Neuzugänge der Bibliothek in "neuer" Rechtschreibung erschienen seien. Dann ergibt sich folgendes Bild:
Bücher gem. Rechtschreibreform 1998 bis 2001: 20% von 29.655 = 5.930 Exemplare
Bestand der Landesbibliothek 1980 bis 2001 insgesamt: 181.055 Exemplare
5.930 Exemplare von 181.055 sind = 3,27 %
Fazit: In der Landesbibliothek Koblenz hat der Bestand der Titel von 1980 bis 2000 immer noch eine weitgehend einheitliche Rechtschreibung.
Oder mit anderen Worten: Wer jetzt zur Schule geht und danach einen höheren Bildungsweg einschlagen möchte, für den ist der Weg zu einer einheitlichen Rechtschreibung, d.h. daß seine in der Schule gelernte Orthographie durch die Orthographie seiner Lehr- und Studienbücher ständig normiert und gefestigt wird, verbaut.
Alle angegebenen Zeiten sind MEZ
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