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eingetragen von Sigmar Salzburg am 23.09.2023 um 07.18

NS-Rhetorik der AfD: Wie Rechte reden
Immer wieder verwendet der AfD-Politiker Björn Höcke Begriffe und Ausdrucksweisen, die auch in Adolf Hitlers Äußerungen und in anderen nationalsozialistischen Schriften zu finden sind. Ein Überblick  
Von Maximilian Sepp

Wer Björn Höcke genau zuhört, kann zahlreiche Bezüge zur Sprache des Nationalsozialismus erkennen. Wir haben Dutzende seiner Reden gehört, seiner Interviews und Texte gelesen. Dies ist eine Auswahl von Beispielen seiner Rhetorik.
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Maximilian Sepp
Hospitant im Ressort Politik, DIE ZEIT

zeit.de 21.9.2023

Konrad Kujau hat in einer gewaltigen Anstrengung die Hitler-Tagebücher mehr schlecht als recht nachempfunden, und ist dafür zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, aber nicht dafür, daß er unter anderem geschrieben hat, „Eva sagt, daß ich Mundgeruch habe!“ Wer dagegen „Alles für Deutschland“ sagt, wird bestraft, obwohl das ein Ideal ist, das lange vor und nach Hitler galt und Ewigkeitswert haben sollte. In schamanischen Gesellschaften würde man die Worte durch Rituale wieder heiligen. Die Absicht unserer Deutschlandabschaffer kann nicht hingenommen werden, das Sagbare in der deutschen Sprache immer weiter einzuschränken.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 18.03.2020 um 04.01

Die einst linksliberale „Zeit“, heute eher linksextrem, berichtet befriedigt über den Aktionismus des neuen Verfassungsschutzchefs Haldenwang (zeit.de 12.2.2020):

AfD: Zu radikal
Der Verfassungsschutz verschärft die Gangart gegen die AfD: Von jetzt an werden auch Abgeordnete überwacht.

Von Holger Stark
DIE ZEIT Nr. 8/2020, 13. Februar 2020

Vor einigen Wochen hat Thomas Haldenwang, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), über Lehren aus der deutschen Geschichte gesprochen, und wenn man seine Worte heute noch einmal Revue passieren lässt, dann klingen sie wie eine düsterere Anspielung auf die Thüringer Verhältnisse.
Was der Verfasser hier „Thüringer Verhältnisse“ nennt, ist in Wahrheit der antidemokratische Schurkenstreich der Altparteien, nach Wunsch der umbenannten Mauermörderpartei eine vollkommen demokratische Ministerpräsidentenwahl innerhalb von 24 Stunden zu annullieren, um einen linken Satrapen zu installieren. Haldenwangs gegen die AfD gerichteten Einlassungen sind vor diesem Hintergrund nichts als heimtückische Demagogie:
"Unsere Geschichte bezeugt, dass Demokratien scheitern können, wenn sie durch ihre Gegner von innen heraus zerstört werden", warnte Haldenwang Ende November auf einer Tagung von Sicherheitsfachleuten. Er zitierte Joseph Goebbels, der 1928 frohlockt hatte: "Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. (...) Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrtkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache."

Haldenwang münzte seine Worte nicht auf die AfD als Ganzes, wohl aber auf Teile der Partei, etwa jenen radikalen "Flügel" um den Thüringer Nationalsozialisten Björn Höcke, der den Coup von Erfurt mit ausgeheckt hatte und die Geschicke der AfD maßgeblich mitbestimmt.
Holger Starks Denunziation des Thüringer AfD-Vorsitzenden als „Nationalsozialist“ ist eine Unverschämtheit, aber einem Gerichtsurteil geschuldet, das ähnliches als Meinungsfreiheit durchgehen läßt. Das wird jetzt von Schreiberlingen wie Stark als höchstrichterlich bestätigte Wahrheit hingestellt.

Der Staatsapparatschik Haldenwang hätte aber, anstatt die Thüringer AfD krampfhaft mit Goebbels in Verbindung zu bringen, besser auf die Unterwanderungsarbeit der Islamanhänger verweisen sollen, die schon in höchsten Ämtern sitzen und geschmeidig das verfolgen, was den „großen Meister“ aus Ankara (ähnlich unserem „Führer“) ins Gefängnis brachte und dann schnell aufsteigen ließ:
Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufspringen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Moscheekuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.

Erdogan zitierte ein Gedicht von Ziya Gökalp: welt.de, 05.05.2007
Obwohl der Islam mit dem Grundgesetz und den Menschenrechten nicht vereinbar ist, läßt Haldenwang die Kritik daran verfolgen, indem er konstruiert, sie verletze die „Menschenwürde“ der Gläubigen. Wird nicht vielmehr die Menschenwürde derer verletzt, die mit Leuten zusammenleben müssen, deren Gott ewiggültig die Halsabschneiderei für Abtrünnige und Ungläubige fordert?


eingetragen von Sigmar Salzburg am 28.08.2019 um 04.42

Die Philosophie hat die Magd der Theologie zu sein – eine Auffassung des Mittelalters, nach Kirchenlehrer Petrus Damiani. – Heute hat der Philosoph Schamane der Politik zu sein, und jede Ideologierichtung hat den Ihren.

In der inzwischen linksextrem-liberalen „Zeit“ mußte kurz vor den Wahlen in Brandenburg und Sachsen noch ein Haruspex (altröm. Eingeweidewahrsager) die innere Lage der Mitteldeutschen (heute korrekt: Ostdeutschen) deuten und den schier unerklärlichen Hang dieses doch nun mit allen „westlich-demokratischen“ Wohltaten überhäuften Volks zur AfD (Alternative für Deutschland) erklären.

Frühere Kaffeesatzleser hatten noch die „Angst“ im Osten für maßgeblich erklärt: die Angst vor dem Abstieg, vorm Abgehängtwerden, die Angst vor Veränderungen – durch die die Grüne KGE noch in so freudige Erregung versetzt worden war. Das ist aber Philosophie von gestern.

Die Theorie des Philosophen Philipp Hübl erklärt alles viel besser:

„Wer sich stark ekelt, wählt eher konservativ“

Wie kam es zum Aufstieg der AfD im Osten? Wer Wertvorstellungen und Politik verstehen will, muss Gefühle und Temperament der Menschen kennen, sagt Philosoph Philipp Hübl.

Interview: Jakob Simmank

zeit.de 26.8.2019

2099 Wörter: 11 nichtsnutzige Reform-dass, 9 sonstige Reform-ss; vor Kurzem, reformwidrig: sogenannt
Der „Ekel“ spielt nun die zentrale Rolle in der neuen philosophisch begründeten Ossipsychologie.
ZEIT ONLINE: Herr Hübl, Die AfD positioniert sich gegen den Islam und Flüchtlinge und schürt Ängste vor Kriminalität, Gewalt und sozialem Abstieg. Nun könnte sie bei der Sachsen-Wahl zur stärksten Kraft werden. Ist ihre Strategie also aufgegangen?

Philipp Hübl: Wenn man es ganz schematisch sieht, ist Angst tatsächlich die Kernemotion der Konservativen und der Wähler von Rechtspopulisten. Wer Angst vor seiner Umgebung hat, der fordert beispielsweise mehr Polizei und härtere Strafen. Und in bildgebenden, neurowissenschaftlichen Studien aus den USA zeigt sich auch, dass Konservative einen größeren Mandelkern haben, eine Hirnregion, die für Emotionsverarbeitung, vor allem Angstempfinden, wichtig ist.
Das kennen wir schon lange: Die Amygdala soll bei Konservativen größer sein. Man hat versäumt, in Sachsen rechtzeitig Reihenuntersuchungen durchzuführen, um Bürger mit vergrößerten Hirnzentren „zum eigenen Schutz“ von einer Wahl auszuschließen. Dafür konnte man jedoch 43 von 61 AfD-Kandidaten ausschließen – und nach halbherzigem gerichtlichem Gnadenerweis immerhin noch 31.
Hübl: Aber Angst allein führt nicht zu der Fremdenfeindlichkeit, die wir beispielsweise bei der AfD in Sachsen sehen. Denn Angst ist universell: Jeder Mensch und viele Tiere haben Angst. Fremdenfeindlichkeit ist zusätzlich durch Abscheu, also moralischen Ekel, geprägt...

Hübl: Ursprünglich ist Ekel ein Mechanismus, der den Menschen vor Keimen schützen soll. Wir ekeln uns vor verdorbenem Essen, Leichnamen, Körperflüssigkeiten, Gerüchen von anderen Menschen. Und wenn wir uns vor etwas ekeln, halten wir uns davon fern. So hat der Ekelmechanismus seit jeher geholfen*, dass sich Menschen seltener mit Keimen anstecken... Und Menschen, die sich stark ekeln, neigen dazu, eher konservative oder religiös-traditionalistische Auffassungen zu haben. Sie sind in ihren Werturteilen strenger, wenn es um Homosexualität geht, um Abtreibung, Sterbehilfe, Prostitution, Drogen, Sex vor der Ehe, Masturbation.

ZEIT ONLINE: Was sind das für Studien, die das zeigen?

Hübl: Studien mit Versuchspersonen aus mehr als 100 Ländern (Social Psychology and Personality Science: Inbar et al., 2011). Sie zeigen auch, dass man anhand der Ekelneigung das Wahlverhalten besser vorhersagen kann als über klassische Indikatoren wie Steuerpolitik, Bildungsstand oder Einkommen. Wer sich stark ekelt, wählt eher konservative oder traditionalistische Parteien.
Dies zu berücksichtigen hat die Linguistin Elisabeth Wehling schon vor zwei Jahren dem öffentlichen Rundfunk unausgesprochen nahegelegt – eine Sensibilisierung gegen Ordnung und Sauberkeit. Das ist im Osten, der eher noch vergangenen Tugenden anhängt, sicher viel nötiger.
ZEIT ONLINE: Etwas, das Parteien durch Wortwahl oder Framing missbrauchen. So behaupten einzelne AfD-Politiker immer wieder, Migrantinnen und Migranten würden Infektionskrankheiten einschleppen.

Hübl: Ja, Ekel ist seit Hunderten von Jahren eine politische Taktik. Die Feinde der eigenen Gruppe werden als eklig darstellt, als Ratten beispielsweise. Ein Extremfall ist der Antisemitismus. Die Nazis haben ein auf Ekel basierendes Apartheidsregime eingerichtet, bevor sie mit dem systematischen Massenmord begannen. Juden seien ansteckend wie Bazillen und Trichinen, haben sie gesagt ...
Damit kann der ZEIT-Reporter wieder den Kreis zur AfD schließen.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 22.07.2018 um 06.50

Mein „Brauser“ berieselt mich neuerdings mit gesponserten Lese-Empfehlungen („beliebt“), darunter verdächtig oft die linksextremliberale Zeit.de und Heribert’s Alpen-Prawda. Diesmal gab es den Verweis auf den Zeit.de-Blog „Störungsmelder“:

Über dieses Blog
Hier geht es um Neonazis. Wo sie auftreten, was sie dabei sagen und vor allem: Was man gegen sie unternehmen sollte.

Autor werden
Du hast Nazis um dich herum und willst darüber berichten? Du hast etwas zu diesem Thema zu sagen?
Störungsmelder-Autor werden
Eben hatten wir den 20. Jahrestag des Demokratie-Verachtungs-Outings der dreisten einstigen SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis, die den ersten nach dem (von der SPD durchgesetzten) Plebiszitär-Gesetz ergangenen Volksentscheid (gegen die Rechtschreib„reform“) annullieren wollte, „bis die Schleswig-Holsteiner der Lächerlichkeit preisgegeben sind“, und der das auch gelang – mit Hilfe der CDU, die ohnehin als Partei von „Gottes Gnaden“ nie etwas auf den „beschränkten Untertanenverstand“ gab.

Wenig später ging jedoch der Demokratie-Schwätzer Sigmar Gabriel wieder auf Wählerstimmenfang mit seinem Plan von bundesweiten Volksabstimmungen, verstummte aber, als die neue AfD das gleiche forderte und sein Europa-Schwätzer St. Martin eine krachende Niederlage bei der Bundestagswahl erlitt. Nun muß also beim Zeit-Nazi-Störungsmelder ein „Politologe“ wieder nachweisen, wie gefährlich Volksabstimmungen sind:
Mythos Volkswille
17. Juli 2018 um 8:31 Uhr

Mit Volksabstimmungen wollen sowohl AfD als auch NPD dem Willen der Bürger zum Sieg verhelfen. Tatsächlich haben ihre Forderungen mit Demokratie nichts zu tun – im Gegenteil.

Von Jürgen P. Lang

... Lasst die Bürger mitreden, heißt es von der Linken bis ganz weit rechts, lasst das letzte Wort nicht in einem düsteren Parlamentsbunker fallen.
Das Problem dabei: Die Parteien des rechten Spektrums betreiben ein schmutziges politisches Geschäft mit den Volksabstimmungen. Um mehr Mitbestimmung geht es ihnen nur scheinbar...

blog.zeit.de/stoerungsmelder 17.7.2018
Wir brauchen der konfusen Argumentation nicht weiter zu folgen, sondern setzen einige der 165 Leserstimmen dagegen:
trax
#161 — vor 14 Stunden

@Sinnkrise
„Die NPD ist doch keine relevante Partei mehr, die irgendwelche Forderungen auch nur ansatzweise durchsetzen kann. Warum wird die hier überhaupt erwähnt?“
Das kann ich ihnen sagen:
Weil der Herr Jürgen T. Lang Angst schüren will vor angeblichen „Nazis“, durch Zusammenbasteln einer künstlichen Realität. Der Leser soll den Eindruck erhalten, dass die legitimen und legalen Vereinigungen Pegida und AfD voller Braunhemden, Judenhasser und „Heil-Hitler“Brüller seien....

Tigerklaue
#79 — vor 5 Tagen

„..danach müssten wir wieder einen Politikertypus installieren, für den vor alledem eins im Mittelpunkt steht: (…) der Dienst für Volk und Vaterland.“ Es geht Höcke also um weit mehr als um die Durchsetzung eines angeblichen Volkswillens. “

Daß Politiker installiert werden sollen, bei denen der „Dienst für Volk und Vaterland“ oberste Priorität hat, ist doch eine gute Sache!
Und solche Politiker befördern doch auch die Durchsetzung des Volkswillens.
Wo ist also das Problem? In der Schweiz funktioniert das alles seit über 100 Jahren prächtig.

Ist das noch Kunst
#87 — vor 5 Tagen

„Mehr Demokratie wagen“
W. Brandt
Ein Nazi? Wohl kaum. Die Linke muß nur ihre eigene Autosuggestion glauben, dass sie die Guten sind.

robertstoellger@freenet.de
#160 — vor 15 Stunden

Vielen Dank an das Systemmedium „Zeit“ für das Unterdrücken meines Kommentars (meiner Meinung).
Euer Demokratieverständnis ist genauso groß, wie das der Herrschenden.
Jammert aber bitte nicht weiter rum, wenn das Volk Euch „Lügenpresse“ schimpft.
Ich kommentiere mit meinem Klarnamen!
In den Leserzuschriften tauchen bisweilen noch Spuren der einstigen bewährten Rechtschreibung auf, die das Volk mehrheitlich nicht aufgeben wollte. Die ZEIT war das Blatt, das als erstes die Zwangsumerziehung der Bevölkerung im Sinne der Kultusminister betrieb, so daß Helmut Schmidt, ein Gegner der Rechtschreib„reform“, als einer der Herausgeber genötigt wurde, den Protestierern gegen die ZEIT-Umstellung 1999 zu schreiben (auch mir):

„ … Im übrigen beeinträchtigt dies das Lesevergnügen nach meiner Erfahrung nicht…“


eingetragen von Sigmar Salzburg am 05.11.2016 um 05.20

Nicolaus Fest 4.Nov.2016·
Im Oktober 2014 nannte ich die ZEIT die "Odenwaldschule des deutschen Journalismus: Geleckte Fassade, dahinter komplett verkommen." Ihr aktuelles Plädoyer für die Kinderehe (man beachte die Wortwahl: "zum Schutz von Frauen", nicht: Kindern!), auf einer Linie mit den pädo-freundlichen Texten ihres früheren stellv. Chefredakteurs R. W. Leonhardt in den 1970er Jahren, bestätigt dieses Urteil.

Integration:
Was für Kinderehen spricht

Eine pauschale Aberkennung von Kinderehen ist populär und unkompliziert für uns Mitteleuropäer. Aber der Schutz der betroffenen Frauen wird damit außer Kraft gesetzt.
Ein Gastbeitrag von Ahmet Toprak
...
zeit.de 4.11.2016
Unser Kommentar: Wir erinnern uns, daß die „Zeit“ auch als erste bedeutende Zeitung die Rechtschreib„reform“ umsetzte – die ebenfalls den Mißbrauch von Schulkindern voraussetzte (vom Verfassungsgericht gebilligt!) und damit dem vielfach dokumentierten mehrheitlichen Willen der Deutschen widersprach.

Siehe auch Markner 31.7.1999


eingetragen von Sigmar Salzburg am 11.02.2016 um 14.24

(Rot= Kommentare S.S.)

Handball : Die Alternative für Deutschland
Blutnah und widerständig: Wir haben den Handball wiederentdeckt. Weil diese Mannschaft eine kartoffeldeutsche Sehnsucht bedient, die gerade wieder schwer im Kommen ist.

Von Wolfram Eilenberger

Der Publizist und Philosoph Wolfram Eilenberger ist Chefredakteur des Philosophie Magazins, hat einen Trainerschein und spielt im linken Mittelfeld der deutschen Autoren-Nationalmannschaft. Seit Mai 2015 schreibt er Eilenbergers Kabinenpredigt, seine monatliche Fußballkolumne auf ZEIT ONLINE.

17,7 Millionen Zuschauer können sich angeblich nicht täuschen. So viele Menschen verfolgten den deutschen Handballsieg in Krakau am Bildschirm. [= Sponti-Spruch „Eßt mehr Scheiße, Millionen Fliegen können nicht irren!“] ...

Wenn Fußball Merkel ist, ist Handball Petry

Auch hier also zeigt sich der Handball im Sinne einer neu erspürten Landlust lebensästhetisch voll im Trend: urwüchsig, herkunftsstark, heimatverbunden. Als ob das nicht genug wäre, ist die Handballbundesliga als einzige der großen Sportligen mit Teams aus Magdeburg, Leipzig und Eisenach eine wahrhaft gesamtdeutsche. Erfolgreicher Mittelstand aus Mitteldeutschland. Weiter so? [...]

Finn, Erik, Steffen, Carsten, Andreas, Rune, Martin

Bereits ein erster Blick auf das Mannschaftsfoto erhellt: Das frische Erfolgsteam hat keinen einzigen Spieler mit dunkler Hautfarbe oder auch nur südländischem Teint. Es handelt sich, mehr noch, um eine Mannschaft ohne jeglichen Migrationshintergrund. 100 Prozent kartoffeldeutsche Leistungsbereitschaft. Wir listen die Vornamen der Spieler vollständig: Hendrik, Finn, Erik, Christian, Steffen, Jannik, Niclas, Steffen, Fabian, Simon, Tobias, Johannes, Carsten, Andreas, Rune, Martin. Alle Achtung! Das muss man 2016 in diesem Land erst einmal hinbekommen...

Ich könnte jetzt noch sagen, dass der einzige Ausländer des Teams, der Trainer, aus Island stammt und das ebenfalls perfekt ins nordisch-arisierte Bild passt... Handball als Alternative für Deutschland? Danke, nein.

Liebe Leserinnen und Leser, uns erreicht nicht nur hier in den Kommentaren, sondern auch auf einigen anderen Kanälen zum Teil sehr harsche Kritik an diesem Kolumnen-Beitrag von Wolfram Eilenberger. Wir nehmen das zum Anlass, in den kommenden Tagen einen weiteren Beitrag zum Thema Handball und Diversität folgen zu lassen. [Holger, die Indoktrination geht weiter!]
zeit.de 9.2.2016

„Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben.“
Wie richtig war es doch, nach dem 10. Juni 1999 nie wieder „Die Zeit“ zu kaufen!



eingetragen von Sigmar Salzburg am 17.08.2015 um 06.08

10 Jahre Rechtschreibreform: DIE ZEIT testet ihre Leser

DIE ZEIT | 23.07.2015


Das 10-jährige Jubiläum der neuen Rechtschreibung feiert die Wochenzeitung DIE ZEIT mit einem Gewinnspiel für ihre Leser: Irgendwo in der aktuellen Ausgabe vom 23. Juli hat die Redaktion einen Text in alter Schreibweise versteckt. Die Leser sind dazu aufgerufen, den Artikel zu finden und die entsprechende Überschrift bis zum 28. Juli einzusenden, per E-Mail an alterechtschreibung@zeit.de. Zu gewinnen gibt es den ZEIT-Titelseiten-Band „Die erste Seite“ – ein Must-have für Liebhaber der alten Rechtschreibung.
Am 1. August 2005 wurde in Schulen und Behörden die neue Rechtschreibung verbindlich eingeführt. DIE ZEIT übernahm die neue Schreibweise Anfang 2007.

Ebba Schröder

Referentin Unternehmenskommunikation und Veranstaltungen
ZEITmagazin, ZEIT ONLINE
...
zeit-verlagsgruppe.de 23.7.2015

Finden sollte man diesen Artikel online, veröffentlich am 23. Juli: zeit.de/2015/30.
„Reformiert“ wurde er am 29. Juli online hier dargestellt: zeit.de/2015/31

Die Printausgabe enthielt anscheinend farbliche Markierungen. Fehlerfrei gelang das alles nicht.
Bei Sprachforschung.org hat man das näher beleuchtet:


Schaut man sich die insgesamt 16 markierten "Fehler" näher an, beziehen sich 5 auf das "Herzstück" der Reform, die Heyse-Schreibung. 3 beziehen sich auf die geänderte Getrennt-Zusammenschreibung, über die man bekanntlich endlos diskutieren kann. 3 sind Präpositionalgefüge ("seit langem", "bei weitem", "im übrigen") von denen nur das letzte nach neuen Regeln zwingend großzuschreiben ist, 1 Zwangsneuschreibung ("rauh") und 3 fakultative Neuschreibungen (u.a. "Potential").

Tja, und dann hat die Redaktion in der korrigierten Version die Schreibung "angst und bange war" zu "Angst und Bange war" verschlechtbessert.

[Der zuständige Zeit-Schreib-Bastler Oliver Voss schreibt dazu entschuldigend:]

... Wir bitten um Nachsicht: Denn durch die neue Rechtschreibung sind nun mal viele Menschen verunsichert, wenn nicht gar bange. Manchmal auch wir.

[Es ist aber immer noch ein „zu viel“ zuviel.]


eingetragen von Sigmar Salzburg am 09.06.2015 um 14.39

Feridun Zaimoglu hatte zusammen mit anderen Schriftstellern am Ende der „meist-in-Kraft-getretenen“ Rechtschreibreform versichert, seine Bücher weiterhin in bewährter deutscher Rechtschreibung erscheinen zu lassen – dies dann aber doch nicht durchgehalten. Jetzt brachte die „Zeit“ in ihrer Serie „Freitext“ eine seiner originellen Geschichten, die er als „Tagebucheintrag“ verschickt hat, die aber von der Redaktion die Überschrift erhielt:

Als rechtes Schwein musst du dir die Haare nicht rot färben
von Feridun Zaimoglu am 8. Juni 2015 um 6:00

Verdient die Witwe eines Faschisten Mitleid? Unser Kolumnist besucht sie immerhin. Dabei fällt ihm ein: Er selbst war mal ein national blökendes Viech. Das Fax der Woche.

zeit.de 8.6.2015

Das beigegebene, stark verkleinerte Fax des Autors zeigt, daß Zaimoglu seine Texte mit der Schreibmaschine in bewährter Weise zu Papier bringt und daß sie erst von den Redaktionen in die das Lesen so wunderbar erleichternde Reformschreibung übersetzt werden. Die Lügenpresse muß eben weiter den Schein einer potemkinschen Schreiblandschaft mit glücklich domestizierten, reformierten Schriftstellern aufrechterhalten.

Zaimoglus Erzählung scheint autobiographisch zu sein. Er zeigt an einer fast ausgestorbenen Spezies, einer Alt-Nazi-Familie, daß er eigentlich den besseren Deutschen abgibt, nachdem er sich selbst schon als Schüler vom „national blökenden Viech" zum abgeklärten (Gartenzwerge sammelnden) Mitteleuropäer entwickelt hat.

Die reformbedingten Änderungen im Text ergeben sich ausschließlich aus den neuen „ss“ – diesem arschlochlokratischen Einfall der Kulturpolitiker zur Spaltung des und der Deutschen. Einmal hat Zaimoglu schon selbst „Pass“ geschrieben. Die Streichung:
„Zu Hause, im Bad kotzte ich meinen Mauldreck aus. Dann sagte ich meine Glaubenssätze auf: Ein Nationalist ist ein Monument der Selbstvergessenheit, Volkes gestählter Krieger...“ ist nicht ganz verständlich und macht die Aussage unklarer.

Ansonsten wird der Text von der „Zeit“ wohl als Beitrag gegen den Rassismus verstanden. Dabei ist der vielleicht ähnlich unvermeidbar wie die Homosexualität.


P.S. Im Gegensatz zu Zaimoglu habe ich Hitlers Buch nicht gelesen, sondern nur einmal den Deckel aufgeschlagen. Es stand als amtliche Gabe zur ersten Hochzeit meines Stiefvaters noch zehn Jahre in unserem Bücherschrank.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 13.04.2015 um 14.29

"Sein Tod ist ein schwerer Verlust"
Der Tod von Günter Grass hat international Betroffenheit ausgelöst. Lübeck trauert, auch Politiker und Literaten äußerten sich bestürzt...

Der in Danzig geborene Autor, Maler, Grafiker und Bildhauer war am Morgen im Alter von 87 Jahren in einer Lübecker Klinik gestorben...

• Außenminister Frank-Walter Steinmeier: Er sei "tief bestürzt". Grass sei ein großer Bürger und Sohn der Stadt Lübeck.

zeit.de 13.4.2015

Wieso muß man „bestürzt” sein, wenn jemand stirbt, der das mittlere männliche Lebensalter um zehn Jahre überboten hat? Haben die Ärzte etwas falsch gemacht? Außerdem war Grass kein Sohn Lübecks, sondern Danzigs. Sein großes Verdienst war das Eintreten für die traditionelle Rechtschreibung. Seine Schwäche war, daß er seinen reformversessenen Parteigenossen von der SPD nicht stärker in die Schienbeine getreten hat. Für die dreiste Heide Simonis hat er sogar noch weiter Wahlkampf gemacht, nachdem sie zusammen mit der übrigen Parteienmischpoke des Kieler Parlaments den Volksentscheid gegen die Rechtschreib„reform“ annulliert hatte. Seine sonstigen politischen Verlautbarungen möchte man lieber nicht würdigen, etwa die zur deutschen Wiedervereinigung oder zum Islam. Wie seine literarischen Werke einzuordnen sind, wird die Zeit zeigen.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 02.10.2014 um 08.40

Unschlüssig sagte Tukur [57] zu, sich in Grzimek zu verwandeln, fremdelt aber mit der Rolle. Am Getränkewagen des Filmsets lässt er sich einen Kaffee einschenken und blättert in seinem altmodischen Notizbuch, in das er seine Gedanken schreibt. Manche Sätze hat er in Sütterlin notiert, sodass kein anderer sie lesen kann.
zeit.de 2.10.2014

Wie heimtückisch! Meine dritte Klasse um 1949 war an unserer Schule wohl die letzte, in der ein Lehrer versuchte, uns in wenigen Stunden die alte Schreibschrift beizubringen. Meine Mutter verwendete sie bis an ihr Lebensende. Sie war entsetzt, als sie einmal um eine Auskunft aus einem alten Kirchenbuch bat und ihr der junge Pastor sagte: „Es tut mir leid, ich kann das nicht lesen.“


eingetragen von Sigmar Salzburg am 23.06.2014 um 07.48

Auf ins Wortgefecht!

785 Vokabeln umfasst der neue "Hamburger Basiswortschatz", den jedes Kind beherrschen muss. Die Schulbehörde hat ihn festgelegt ...

Einmal im Jahr soll die Rechtschreibung nun bei jedem Schüler bis zur zehnten Klasse überprüft werden. Dazu folgt bald eine Broschüre, die Lehrern erklärt, worauf sie im Deutschunterricht stärker achten sollen.

Im Durchschnitt machen Kinder heute doppelt so viele Rechtschreibfehler wie vor 40 Jahren. Zwar sind die Werte in den vergangenen zehn Jahren in Hamburg nicht schlechter geworden, aber aufgeschreckt durch einen Magazin-Titel (Die neue Schlechtschreibung) hat die Schulpolitik im vergangenen Jahr das Thema für sich entdeckt. Der vielen Lehrern unterstellte Laissez-faire-Unterricht, in dem jedes Kind erst einmal schreiben durfte, wie es wollte, wurde verboten. Stattdessen gibt es nun wieder klare Regeln.

Der Mann hinter den Regeln ist Heinz Grasmück, 51, Leiter des Referats B52-1 in der Schulbehörde, zuständig für die Unterrichtsentwicklung Deutsch, Künste und Fremdsprachen. In den vergangenen Monaten hat er versucht, die richtigen Worte zu finden. Jene Wörter, die künftig Pflicht für jedes Hamburger Kind sind...

Grasmück gehört zu den Menschen, für die Falschschreibung so etwas wie Körperverletzung ist...

zeit.de 22.6.2014

Da sieht man einmal, was die Reform-Fuzzies 100 Millionen Bürgern angetan haben, indem sie skurrile Falschschreibungen für richtig erklärt haben. Auffällig hört man von den Zöllners, Wernstedts, Schavans und Zehetmairs aus ihrer Rentengruft kein Wort mehr zu ihren einstigen vollmundigen Versprechungen, in damals völlig irrem Aktionismus 40 bis 90 Prozent der Rechtschreibfehler vermeiden zu helfen.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 09.06.2014 um 20.27

Computerprogramm gaukelt erfolgreich Menschsein vor

Erstmals hat eine Software den Turing-Test bestanden, der seit 1950 die KI-Forscher herausfordert. In einem Chat hielten Menschen einen Computer für eine reale Person.

Ein Programm auf einem sogenannten Supercomputer hat zahlreichen Testpersonen erfolgreich vorgegaukelt, ein Mensch zu sein. Es ist damit die erste Maschine, die den sogenannten Turing-Test bestanden hat, teilte die britische University of Reading mit, die die Versuche organisiert hat.

Den Test hatte der britische Mathematiker Alan Turing im Jahr 1950 formuliert. Damit soll geprüft werden, ob eine Maschine tatsächlich denken kann. Nach Auffassung von Turing ist das dann der Fall, wenn der Computer sich mit einem Menschen unterhalten kann – und dieser nicht bemerkt, dass er es mit einem künstlichen Wesen zu tun hat.

Der Turing-Test gilt als Meilenstein in der Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI). Bisher hatte ihn keine Software erfolgreich absolviert: Er gilt als bestanden, wenn 30 Prozent der Testpersonen sich in einem schriftlichen Chat fünf Minuten lang täuschen lassen.

Das nun erfolgreiche Programm gibt vor, ein Junge namens Eugene Goostman zu sein. Er gab sich als ein 13-jähriger Schüler aus der ukrainischen Stadt Odessa aus. Eugene konnte in einem Chat 33 Prozent der Probanden überzeugen, ein Mensch zu sein.

Die Programmierer Vladimir Veselov und Eugene Demchenko entwickelten Eugene Goostman.

Angeblich ein Schüler mit Meerschweinchen

Die nun erfolgreichen Tests sind noch nicht veröffentlicht, aber der Guardian veröffentlichte einige Chats, in denen Eugene bereits in einem früheren Versuch einige Tester überzeugen konnte. Darin bekennt der künstliche Charakter etwa, ein Fan des Rappers Eminem zu sein, weil der so politisch unkorrekt sei. An anderer Stelle sagt er, dass er ein Meerschweinchen besitzt.

Zudem stellt Eugene den Testern gerne Gegenfragen über deren Arbeit oder Wohnort, offenbar um zu kaschieren, dass er eine Frage nicht verstanden hat. An einer Stelle kritisiert er auch die mangelhafte Rechtschreibung seines Gegenübers.

zeit.de 9.6.2014

Es ist wie in der Politik. Nur lassen sich die Bürger hier noch nach monatelangen Wahl-Turing-Tests darüber täuschen, ob die Politiker reelle Personen oder Apparatschiks sind. Erfolgreiche Gaukeleien sind der Normalfall.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 02.07.2013 um 11.29

Die ZEIT, die ich seit ihrer Anpassung an die „Rechtschreibreform“ nicht mehr kaufe und lese, bringt in ihrem Online-Auftritt ein Quiz zur Kulturwissenschaft:

Studium Generale
Einführung in die Kulturwissenschaft

Immer mal mit einem Fachwechsel geliebäugelt? In unserer Quiz-Serie finden Sie heraus, ob Sie die Einführungsvorlesung überstehen würden. Diesmal: Kulturwissenschaft

Aber schon mit den Fragestellungen waren die Verfasser überfordert:

Frage 3 von 11
Einführung in die Kulturwissenschaft
Zu den ersten materiellen Beweisen für die Existenz des Menschen gehören Keramikgefäße der Jomon-Kultur aus dem heutigen ...
Ägypten
Großbritannien
Japan

Die Frage müßte lauten „Zu den ersten materiellen Beweisen für Töpferkunst gehören ...“
Anders könnte nur Afrika (ohne Töpfe) richtig sein.
Eine weitere Frage ist für Ungebildete wie mich reichlich unverständlich:


Frage 9 von 11
Einführung in die Kulturwissenschaft
Kulturwissenschaft ist anders als Kulturwissenschaften, weil ...
… sie sich allen Medien widmet, in denen Kultur geschieht.
… sie sich nur mit neueren Phänomenen der Hochkultur beschäftigt.
… es dabei ausschließlich um physische Bilder geht.

zeit.de 2.7.2013


eingetragen von Sigmar Salzburg am 01.12.2012 um 11.58

„Wirtschaftswoche“-Chefredakteur Roland Tichy in „Zeit” 48/2012, S. 26

“Zu viele deutsche Medien sind zu rot-grünen Umerziehungslagern verkommen. Wer Fleisch isst, versaut das Weltklima, Beamte wissen besser als du selbst, was gut für dich ist. Die Steuern müssen rauf, die Kinder in die Krippe, denn Eltern schaden ihren Säuglingen wie sonst nur das Rauchen ihrer Gesundheit. Bitte nicht vergessen: Der Rhein-Tsunami bedroht deutsche Kernkraftwerke, Obama ist Gott und wer gegen die Frauenquote ist, schändet auch Migranten am Arbeitsplatz. Viele Journalisten haben den Kontakt zur Lebenswirklichkeit verloren. Deswegen will man deren Phantasmorgasmen nicht mehr lesen.”

Er hat zu erwähnen vergessen, daß fast alle deutschen Medien sich bereits seit zwölf Jahren als schwarz-rot-grüne Umerziehungslager zur „Rechtschreibreform“ eingerichtet haben – allen voran die „Zeit“.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 22.08.2012 um 20.01

Eilige Leser werden vielleicht die in der Bücherliste angegebenen Links nicht verfolgt haben – aus Zeitmangel oder weil sie Suchmaschinen sind.

Da hat doch der alte Herr in der „Welt“ bei der Besprechung Grünbeinscher Lyrik scheinbar unmotiviert eine Reihe angeblich überschätzter Deutscher aufgezählt, von Grünbein über Neo Rauch zu Helmut Schmidt und Theodor Heuß, und das aber nur, um Robert Gernhardt unauffällig einfügen zu können und nach 27 Jahren noch einmal Rache an ihm zu üben: Er hält dem Satiriker vor, „gefickt“ auf „gekriegt“ gereimt zu haben.

Gernhardt ist nun schon seit sechs Jahren tot, aber Raddatz hat es immer noch nicht verwunden, daß der Spötter ihn in „Spiegel“ und „Titanic“ bloßgestellt hat und daß dadurch seine Karriere als ZEIT-Großkritiker einen Knick erhielt.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 16.08.2011 um 14.33

Der Erleichterungsbetrug „Rechtschreibreform“ erleichtert das Erkennen anderer Betrüger:

"Zehn Prozent sind Lügner"
Der Kriminalist Marco Löw erklärt Personalverantwortlichen, wie sie Betrüger schon an ihrer Bewerbung erkennen können. Im Interview verrät er seine Tricks.

ZEIT ONLINE: Wie erkennen Sie denn in einer schriftlichen Bewerbung einen Lügner?

Löw: Man muss auf Kleinigkeiten achten. Tauchen zum Beispiel in einem Zeugnis, das angeblich vor der Rechtschreibreform ausgestellt wurde, neue Schreibweisen auf? Werden in einem älteren Dokument fünfstellige Postleitzahlen angegeben? Das können Anzeichen für eine Fälschung sein.
zeit.de 16.8.2011

Hellsichtig war diese Entwicklung schon von Hallervorden/Metes vorausgesehen worden:
Das perfekte Verbrechen

P.S. Die Methode wird hier schon lange unter „Unwichtige Geschichtsfälschungen“ angewendet.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 27.07.2011 um 13.52

27.7.2011

NIEDERSACHSENS KULTUSMINISTER

Uni Potsdam leitet Untersuchung gegen Althusmann ein
Eine eigens eingesetzte Kommission soll entscheiden, ob Niedersachsens Kultusminister seinen Doktortitel verliert. Der CDU-Politiker weist alle Vorwürfe von sich.



Bilder von Bernd Althusmann
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Norbert Lindenthal


eingetragen von Norbert Lindenthal am 06.07.2011 um 12.39

Die Zeit 6.7.2011

BERND ALTHUSMANN
Trübe Quellen
Ausgerechnet der niedersächsische Bildungsminister Bernd Althusmann bediente sich in seiner Doktorarbeit fremden geistigen Eigentums. Ist sie deshalb ein Plagiat – oder nur schlampige Wissenschaft?

© Jochen Lübke/dpa

Der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK) und niedersächsische Bildungsminister, Bernd Althusmann (CDU).

Die Kultusministerkonferenz (KMK) ist das oberste Gremium der Bildungspolitik in Deutschland. Als ihr vornehmstes Mandat sichert sie die »Qualitätsstandards in Schule und Hochschule«, so steht es auf der KMK-Homepage. Jedes Jahr trägt ein anderer Landespolitiker für diese wichtige Aufgabe die oberste Verantwortung. Zurzeit amtiert als KMK-Präsident Dr. rer. pol. Bernd Althusmann, der Kultusminister von Niedersachsen. Nun eröffnet sich dem Politiker ein besonders geeignetes Feld, seiner Verpflichtung zur Qualitätssicherung nachzukommen: die eigene wissenschaftliche Vergangenheit.

Der ZEIT liegen umfangreiche Dokumente vor, denen zufolge Althusmann beim Abfassen seiner Doktorarbeit seine Sorgfaltspflicht verletzt und im großen Stil gegen wissenschaftliche Regeln verstoßen hat. Bei der Analyse von rund der Hälfte der Promotionsschrift – Einleitung, Schlusswort und zwei Hauptkapitel – fanden sich auf 88 von 114 Seiten Hinweise darauf, dass Althusmann sich großzügig aus fremdem geistigen Eigentum bedient hat, ohne dies in der notwendigen Weise deutlich zu machen.

ANALYSE DER DISSERTATION VON BERND ALTHUSMANN
Sie können hier eine Analyse der bislang geprüften Dissertation von Bernd Althusmann als PDF-Datei herunterladen.

Die Originaldoktorarbeit des Politikers können sie hier herunterladen, eine Auflistung aller beanstandeten Stellen finden Sie hier.

Ob ein bewusster Täuschungsversuch vorliegt, ob die Arbeit gar teilweise oder vollständig als Plagiat zu werten ist, muss eine weitere Prüfung zeigen – und am Ende die Universität Potsdam entscheiden. Hier hatte Althusmann seine Dissertation zum Thema Prozessorganisation und Prozesskooperation in der öffentlichen Verwaltung – Folgen für die Personalentwicklung im Herbst 2007 eingereicht und ein halbes Jahr später verteidigt. Spezielle Software zur Plagiatsprüfung kam nicht zum Einsatz. »Das werden wir in Zukunft ändern«, sagt Althusmanns Doktorvater Dieter Wagner jetzt. Der Professor für Betriebswirtschaft ist in Potsdam kein wissenschaftlicher Irgendwer, sondern seit 1999 mit kurzer Unterbrechung Vizepräsident der Universität.

Die brandenburgische Hochschule hat angekündigt, den Vorwürfen nachzugehen. Althusmann hat zugesagt, mit der Universität zusammenzuarbeiten. Er selbst sei sich keiner Schuld bewusst, sagte er gegenüber der ZEIT. Er habe die Promotion nach »bestem Wissen angefertigt«. In Potsdam wird sich nun der Promotionsausschuss der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät mit dem Fall befassen.

BERND ALTHUSMANN

Caroline Seidel/dpa
ist Kultusminister Niedersachsens. Zurzeit hat der CDU-Politiker zudem turnusgemäß die Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz (KMK) inne. Der heute 44-Jährige wurde 2008 an der Universität Potsdam promoviert.
Der Ausschuss steht vor keiner einfachen Aufgabe, aber einer verdienstvollen. Er hat die Chance, an einem prominenten Beispiel deutlich zu machen, wo die Grenze verläuft: zwischen schlechter, weil schlampiger Wissenschaft und dem (vorsätzlichen) akademischen Regelbruch, zwischen einem (wenn auch nur unbedeutenden) Beitrag zum Fortschritt der Forschung, den jede Promotion leisten muss, und einem bloßen Patchwork altbekannter Lehrbuchweisheiten. Die Untersuchungskommission könnte der Wissenschaft einen großen Dienst erweisen – indem sie sie an ihre eigenen Standards erinnert. Offensichtlich ist das notwendig.

Kein Wissenschaftler schöpft seine Erkenntnisse allein aus sich heraus. Jede neue Forschung beruht auf alter Forschung. Abschreiben ist erlaubt, solange es als solches gekennzeichnet ist. Diese Regel gilt für jede akademische Publikation, besonders jedoch für eine Promotion, den wichtigsten wissenschaftlichen Befähigungsnachweis. Hier muss der Doktorand zeigen, dass er das Handwerk sauber beherrscht. Doch wie sieht ein korrektes Zitat aus? Wann wird aus einer zulässigen Übernahme eine unzulässige Kopie? Genau diese Fragen wirft Bernd Althusmanns Dissertation exemplarisch auf.

Überführte Plagiatoren wie Karl-Theodor zu Guttenberg oder die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin hatten seitenweise von anderen Autoren abgeschrieben. Der Ex-Verteidigungsminister übertrug ganze Dossiers der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags und gab sie als seine eigene intellektuelle Leistung aus. Derart umfänglicher geistiger Diebstahl ist relativ selten in der Wissenschaft – auch deshalb, weil man ihm leicht auf die Schliche kommt.

PLAGIAT-VERDACHT
Wie Althusmanns Dissertation zustande kam

Bernd Althusmann ist kein zu Guttenberg. Seine Promotion ist frei von dreisten Übernahmen. An keiner Stelle seiner Dissertation schreibt der Doktorand – nach bisherigen Recherchen – aus anderen Werken wortwörtlich größere Passagen einfach ab. Diese Form des direkten Abkupferns stellt jedoch nur eine von vielen Spielarten des Plagiierens dar, eine besonders stümperhafte noch dazu. Daneben gibt es – wie auch der Fall des Europa-Abgeordneten Jorgo Chatzimarkakis (FDP) zeigt – eine Vielzahl von Techniken, fremde Gedanken als die eigenen erscheinen zu lassen. Dem Münchner Rechtsprofessor und Plagiatsexperten Volker Rieble zufolge handelt es sich hierbei um die »sehr viel häufigere Vorgehensweise«: den Leser nicht durch Weglassen von Quellenangaben zu täuschen, sondern diese Nachweise irreführend einzusetzen. Dabei verändert ein Autor Texte kosmetisch. Ebenso beliebt ist es, Fußnoten zu setzen, ohne dabei deutlich zu machen, wie viel man dem fremden Text wirklich schuldet.
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Norbert Lindenthal


eingetragen von Sigmar Salzburg am 21.03.2011 um 08.39

Die „Zeit“ widmet der dauerhaften Kultusministerin Doris Ahnen einen lobesvollen Artikel. Ausgespart wird dabei ihr emsiges Eintreten für die „Rechtschreibreform“, deren konfuse Simplifizierungen sie als Übungen zur Stärkung des Textverständnisses verkaufte:

Spiegel: Warum verzichtet die Reform auf die Feinheiten der Sprache?

Ahnen: Sie verzichtet nicht darauf. Noch einmal: Die Wörter stehen doch nicht allein da. Die Unterschiede sind auch hier durch den Kontext erkennbar. Und das erwarten wir von den Schülern. Wir wollen ihre Fähigkeit stärken, Texte zu verstehen. (Spiegel Nr. 48, 22.11.04)

DIE ZEIT, 17.3.2011 Nr. 12


eingetragen von Sigmar Salzburg am 02.03.2011 um 18.41

Der CSU-Mann Hans-Peter Friedrich hat das Zeug, ein würdiger Nachfolger von Schily und Schäuble zu werden. Er setzt die Garde der Hardliner im Innenamt fort…

Jene, die den bisherigen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) für seine Besonnenheit lobten, könnten bald ein neues Feindbild haben. Hans-Peter Friedrich ist verglichen mit seinem Amtsvorgänger ein Hardliner. Ob Einwanderung, Überwachung oder Bürgerbeteiligung – der CSU-Mann vertritt bei all diesen Themen die Haltung seiner Partei…

Bei den Protesten in Gorleben sagte er beispielsweise, eine weitergehende Beteiligung der Bürger an der Endlagersuche bringe nichts. Er habe den Eindruck, Bürger seien schon genug daran beteiligt worden. Die Anwohner Gorlebens im Übrigen seien ja sowieso aus Prinzip dagegen. …

Auch bei den Protesten gegen das Projekt Stuttgart 21 war er vor allem dadurch aufgefallen, dass er diejenigen, die dort protestierten, als "Zukunftsverweigerer" tituliert hatte, die nur Angst vor Neuem hätten.

zeit.de 2.3.2011

„Zukunftsverweigerer“, das kommt uns doch bekannt vor!


eingetragen von Sigmar Salzburg am 18.07.2010 um 12.43

SCHULREFORM IN HAMBURG
Die Gegner des Volksentscheides rechnen mit einem Sieg
zeit.de 18.7.2010

P.S.: Inzwischen ist der Text geändert, aber etwas anderes tritt zutage: Auch hier wird mit einem verwirrenden Stimmzetteltrick gearbeitet – wie 1998 in Schleswig-Holstein.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 02.03.2010 um 12.38

Eine schallende Ohrfeige für den Gesetzgeber
ZEIT ONLINE - Vor 37 Minuten
Karlsruhe hat die Vorratsdatenspeicherung gekippt, um die Politik zum Nachdenken zu erziehen….


eingetragen von Detlef Lindenthal am 21.11.2009 um 18.10

Zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer, sei die Bundesrepublik "normaler" geworden – ... In Halifax ging es um fast alles, was die Welt heute unsicher macht: um Nordkorea und den Mittleren Osten, um internationalen Drogenhandel und die Angst vor einer Pandemie namens Schweinegrippe. .... Kein Wort verlor Obamas Konkurrent aus dem Wahlkampf allerdings darüber, dass der Blutzoll möglicher Weise noch höher ausfallen könnte, sollte der Präsident McCains Rat folgen und mindestens 40.000 weitere Soldaten nach Afghanistan schicken. ... Die Idee einer freiheitlichen Demokratie am Hindukusch, gestanden Gates und Guttenberg sowie Kanadas Verteidigungsminister Peter MacKay, in Halifax ein, habe man längst zu den Akten gelegt. ...

http://www.zeit.de/politik/ausland/2009-11/guttenberg-halifax-usa-nato-afghanistan
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Sigmar Salzburg am 02.10.2009 um 12.53

HARRY ROWOHLTS KOLUMNE
Pooh's Corner
Der Kolumnist vertritt hier die Meinungen eines Bären von sehr geringem Verstand. Diesmal sinniert er über Szenen im Park und einen Verlag im Kreis Stormarn.

[1.10.2009]
http://www.zeit.de/2009/41/Poohs-Corner

Harry Rowohlt schreibt wieder in der ZEIT – reformfrei.
Das gilt auch für die vorherigen Fortsetzungen seiner legendären Pooh-Texte:


http://www.zeit.de/2009/20/Poohs-Corner

http://www.zeit.de/2009/29/Pooh


eingetragen von Sigmar Salzburg am 23.06.2009 um 06.51

DIE ZEIT, 10.06.2009 Nr. 25

http://www.zeit.de/2009/25/Schriftsteller-25

Vor Kurzem bekam der Schriftsteller Dieter Wellershoff, 83, einen Brief des Bundesarchivs in Berlin: Man habe, ausgelöst durch eine Recherche des ZEITmagazins, eine auf seinen Namen ausgestellte Karte in der Mitgliederkartei der NSDAP entdeckt – Dieter Wellershoff, … Könnte er verdrängt haben, dass er als 17-Jähriger einen Zettel mit seinem Namen versah, als man ihn aufforderte, in die Partei einzutreten? …
"Ich war nicht Mitglied der NSDAP! Ich hätte ja verrückt sein müssen, am Ende des Krieges einzutreten. Wem hätte ich damit gefallen wollen können? Wir Jungen wurden verheizt für die Fantasiepolitik der NSDAP"…. Laut Karteikarte wurde die Parteiaufnahme des Dieter Wellershoff, geboren am 3.November 1925 in Neuss, am 20. April 1944 beantragt … Hatten nicht auch Walser, Hildebrandt und Henze beteuert, ihre Aufnahme sei schlicht ein "Geburtstagsgeschenk für den Führer" gewesen – zum 20. April, Hitlers Geburtstag? …

Mir ist dieser Tag trotz meiner damals fünf Jahre unvergeßlich: Am Vorabend gab es bei uns eine heftige Auseinandersetzung. Meine Mutter wollte nicht flaggen, weil wir keine Fahne hätten; meine Großmutter hatte Angst, erschossen zu werden. Als ich am nächsten Tag aus dem Haus trat, wehte in der Morgensonne aus ihrem Giebelfenster ein roter Lappen: Sie hatte die ganze Nacht über aus Stoffresten eine Hakenkreuzfahne zusammengenäht.

Ist es möglich, dass ein junger Mann, der jeden überlebten Tag als existenziell empfinden musste, die Aufnahme in die Partei der Nazis als so nebensächlich empfand, dass er sie vergaß? … Ehrgeiz, Opportunismus, Anpassung – diese Haltung war typisch für viele Erwachsene im "Dritten Reich". Und die Jugend damals? …

“Wer die Jugend hat, hat die Zukunft.“ Diese Strategie des „Führers“ und seiner Paladine wird gerade wieder in dem etwas harmloseren Zusammenhang der „Rechtschreibreform“ verwirklicht.

In der bundesrepublikanischen Gerichtssprache sieht das so aus:

„Die Rechtschreibreform ziele nicht nur auf eine Änderung der Schreibweise im Unterricht und in der Amtssprache. Reformiert werde zum 1. August 1998 die Schreibweise der deutschen Sprache überhaupt. Dies ergebe die Wiener Absichtserklärung, nach der das neue Regelwerk Vorbildcharakter für alle haben solle. Eines Gesetzes aller Bundesländer oder des Bundes habe es dazu nicht bedurft.“ (Urteil des OVG Schleswig im Zitat des Bundesverfassungsgerichtes v. 14.7.98) Das ist die schönfärberische Darstellung des Mißbrauchs der Jugend zum Zwecke der allgemeinen Schreib- und Sprachveränderung. Was über die Reichweite dieser Repression hinausgeht, wird durch allgemeinen Ehrgeiz, Opportunismus, Anpassung und die Willfährigkeit der Presse ausgefüllt.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 10.06.2009 um 20.54

Jetzt habe ich mir den Quiz-Quatsch auch noch durchgelesen.


DIE ZEIT schrieb (Frage 6):
Seiner Freude darüber verleite er Ausdruck mit den Worten ...
Wenn schon, dann verleitet oder verleiht. Gemeint vermutlich: verlieh.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Sigmar Salzburg am 10.06.2009 um 17.20

Willkommen beim Rechtschreibquiz von ZEIT ONLINE!

Wie gut kennen Sie sich mit der neuen Rechtschreibung aus?

http://spiele.zeit.de/rechtschreibquiz/rechtschreibquiz.php

Das meiste sind gar keine Fragen zur Rechtschreibung, sondern zur Sprachrichtigkeit. Es wird aber nicht versäumt, dem Leser unterzujubeln, daß „wieviel“, „zuviel“, „soweit“ und ähnliches falsch sei. Besonders wird natürlich von den selbsternannten ZEIT-Obergefreiten auf dem Reformexerzierplatz zur Schikane ausgenutzt, daß „es ist so weit“ nicht mehr nur die große Entfernung ausdrücken soll, sondern auch die zeitliche Nähe.

Daß man bei der ZEIT selber keinen klaren Durchblick hat, zeigt der nächste Quiz-Quatsch: Da hat doch tatsächlich jemand zu Prinz Philips rauhen Jokes zwei Dutzend ähnliche erfunden und verkauft das Ankreuzen der richtigen Bemerkung als Wissens-Quiz
:

DIE ZEIT 12/2009: Quiz
Testen Sie Ihr Wissen zu aktuellen Themen auf ZEIT ONLINE

http://www.zeit.de/online/2009/24/quiz-prinz-philip

Hier fehlen nun wieder die einfachsten Grundkenntnisse der neuesten Rechtschreibung:

Richtige Antwort: "Are you Indian or Pakistani? I can never tell the difference between you chaps." (Sind Sie Inder oder Pakistaner? Ich kann euch Burschen einfach nicht auseinander halten.)...

Richtige Antwort: "Ich wollte Cowboys sagen, aber ich habe Cowboys und Indianer durcheinander gebracht...."


eingetragen von Sigmar Salzburg am 16.08.2008 um 06.58

ZEIT ONLINE 34/2008 S. 65 http://www.zeit.de/2008/34/C-Seitenhieb

Dummer s-Laut

[Bild: Schleichwerbung mit Dudenbänden]
Die Auseinandersetzungen mit der Reform waren lange und ermüdend. Vor allem Schüler waren die Leidtragenden

Sprachschützer klagen die Rechtschreibreform an. Doch die Belege sind schwach


Von Jan-Martin Wiarda

Derzeit sind die ehrenamtlichen Sprachschützer der Forschungsgruppe Deutsche Sprache e. V. (FDS) gewaltig am Trommeln. Vor ein paar Wochen hat der Verein seine Jahrestagung abgehalten, Höhepunkt war ein Vortrag des Germanisten Uwe Grund, demzufolge deutsche Schüler seit der umstrittenen Rechtschreibreform deutlich mehr Fehler machen. Seitdem schreiben sich die Orthografie-Aktivisten die Finger wund, schicken Pressemitteilungen, Briefe und Mails an die Zeitungsredaktionen der Republik. Ihre alarmierende Botschaft: Die Missgriffe bei der Groß- und Kleinschreibung hätten sich verdreifacht, »Verstöße gegen die korrekte Schreibung des s-Lautes« kämen doppelt so häufig vor wie vor der Umstellung.

Das triumphierende, obgleich unausgesprochene »Wir haben es doch gleich gewusst« spricht dabei aus jeder Zeile. Womöglich etwas voreilig. Zwar sind die Unzulänglichkeiten der Rechtschreibreform unübersehbar, doch die von der FDS vorgelegten Zahlen und deren Interpretation beweisen eigentlich nur eines: wie leicht wissenschaftliche Objektivität dem Wunsch, recht zu haben, zum Opfer fallen kann. Die Vergleichszahlen, die die von der FDS zitierte Studie heranzieht, stammen zum Teil aus Gymnasien der frühen siebziger Jahre. Von einer Zeit, in der nur 10 bis 20 Prozent der Schüler das Abitur anstrebten, kann man bessere Durchschnittsleistungen der Gymnasiasten erwarten als heute, wo – auch dank der in jenen Jahren begonnenen Bildungsexpansion – vielerorts an die 50 Prozent auf die Hochschulreife hinarbeiten. Vollkommen ins Spekulative gleitet die FDS dann ab, wenn sie für den unbestreitbaren Leistungsabfall ein singuläres Ereignis wie die Rechtschreibreform verantwortlich machen will. Mit dem gleichen Recht könnte man behaupten, die zunehmende Luftverschmutzung oder zu viele heiße Sommer hätten die Schülerhirne zur Erweichung gebracht.

Und was ist mit der Feststellung der Studie, gerade in den Bereichen, wo die Rechtschreibreform eingegriffen habe, sei die Fehlerhäufigkeit noch dramatischer angestiegen? Auch sie sagt nichts anderes aus, als dass es sich offenbar um besondere Stolpersteine handelt – die die Rechtschreibreformer ja gerade beseitigen wollten. Ob ihnen das gelungen ist oder nicht, ob heutige Schüler also ohne die Veränderungen besser oder womöglich noch mieser abschneiden würden, kann keiner mit Sicherheit sagen. Sicher aber ist: Die Auseinandersetzungen um die Reform waren lange und ermüdend, Leidtragende waren die Schüler, die Jahre mit der Ungewissheit leben mussten, ob sie nicht doch wieder umlernen müssen. Noch sind nicht alle Wunden verheilt. So hehr die Absichten der Sprachschützer sind, so vorsichtig sollten sie künftig mit ihren Schlussfolgerungen sein.

DIE ZEIT, 14.08.2008 Nr. 34

http://www.zeit.de/2008/34/C-Seitenhieb

Es ist nicht die Pflicht der Reformgegner, die Wunden der „Rechtschreibreform“ verheilen zu lassen, sondern das, was diese Wunden hervorruft, immer wieder zu bekämpfen.

„Und was ist mit der Feststellung der Studie, gerade in den Bereichen, wo die Rechtschreibreform eingegriffen habe, sei die Fehlerhäufigkeit noch dramatischer angestiegen? Auch sie sagt nichts anderes aus, als dass es sich offenbar um besondere Stolpersteine handelt – die die Rechtschreibreformer ja gerade beseitigen wollten.“

Für die traditionelle s-Regel ist diese Bemerkung reiner Unsinn. Sie war nie ein ernsthafter Stolperstein. Seit Jahren suche ich Belege für die anzunehmenden massenhaften Forderungen der Pädagogen, die „neue“ Heyse-Regel von 1800 endlich einzuführen, um einem dringenden Schreibnotstand abzuhelfen. Es gibt sie nicht. – Nur der Nazi-Erziehungminister Rust hatte u.a. einen solchen Vorschlag in der Schublade.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 25.06.2008 um 19.41

© ZEIT online, Tagesspiegel | 25.06.2008 11:34

Schriftzeichen: Großes "ß" bekommt Platz im Alphabet

Es wird seit der Rechtschreibreform sträflich vernachlässigt und ins Abseits gedrängt: das "ß". Nun könnte dem Buchstaben eine Renaissance bevorstehen, denn es wurde mit einer neuen Version geadelt - dem Großbuchstaben.

Die letzte Lücke im deutschen Alphabet ist geschlossen - zumindest technisch. Das ß gibt es nun auch als Großbuchstabe erstmals verankert in den internationalen Zeichensätzen ISO-10646 und Unicode 5.1. Es hat dort den Platz mit der Bezeichnung 1E9E. Das bestätigten das Deutsche Institut für Normung (DIN) und die Internationale Organisation für Normung (ISO). Die Änderung werde in Kürze veröffentlicht, sagte ein ISO-Sprecher. Damit hatte ein Antrag der DIN-Leute, eine Norm für das große ß zu schaffen, teilweise Erfolg.

Die Rechtschreibregeln sind davon zunächst nicht betroffen. Sie sehen vor, dass das ß weiterhin in Großschreibweise als SS dargestellt wird. Obwohl dies der Logik der Groß- und Kleinschreibung widerspricht, wollten die internationalen Normungsgremien nicht daran rütteln und haben sich - wie zu hören ist nach kontroverser Diskussion - aus der deutschen Rechtschreibung lieber diplomatisch herausgehalten.

Schwierigkeiten mit der Tastatur

Seit 130 Jahren war immer wieder darüber diskutiert worden, dem ß wie allen anderen Buchstaben eine große - sprich versale - Variante zu verschaffen. Eine neue Rechtschreibreform für das große ß schließt der Rat für deutsche Rechtschreibung - wohl nach den Erfahrungen mit der letzten Reform - zwar aus, aber: "Die Menschen werden entscheiden, ob sie es verwenden", sagt Geschäftsführerin Kerstin Güthert.

Das hängt aber auch nicht zuletzt davon ab, wie leicht sich der Buchstabe auf den Tastaturen erzeugen lässt. Inzwischen sind bereits die ersten Tastaturtreiber auf dem Markt, die das große ß mit Hilfe einer Tastenkombination auftauchen lassen.

Der Durchbruch als internationale Norm kommt zu einem Zeitpunkt, da dem ß mit der Rechtschreibreform ein erheblicher Teil seiner Anwendung genommen wurde. Aber ganz ausmerzen, wie im Schweizerdeutsch, konnten die Sprachregler den Buchstaben nicht. Mit der Version als Großbuchstabe könnte ihm nun ein Comeback gelingen, auch wenn kein einziges Wort mit einem ß beginnt und das Fehlen der Variante nur bei der Großschreibweise des kompletten Wortes zum Problem wird.

DDR war Vorreiter

In den 1950er Jahren zierte das große ß bereits den GROßEN DUDEN der DDR. Dann verschwand es wieder. "Bisher hat die Sprachgemeinschaft nicht die Notwendigkeit für ein großes ß gesehen", sagt Güthert. Dabei konnte die kleine Lücke im großen Normenkatalog durchaus Verwirrung stiften: Ist bei der MASSE die Masse gemeint oder sind es die Maße? Wenn Herr WEISS eine Rechnung erhält, muss diese dann auch von Herrn Weiß bezahlt werden? Es soll Steuerzahler gegeben haben, die die Forderungen des Finanzamts mit dieser Begründung verweigerten.

Der Typograph Andreas Stötzner begrüßt den neuen Buchstaben mit einer Sonderausgabe der Fachzeitschrift "Signa". Schrift-Designer haben für die gängigen Schrifttypen Versionen des großen Esszett entwickelt. Dabei muss es dem kleinen ähnlich sein, ohne dem großen B zu ähnlich zu werden. Mit mehreren Varianten für gängige Schriftarten haben die Designer das Problem zu lösen versucht.

Ob nun im nächsten Schritt die Tastaturen-Hersteller bereit sind, das ß aus seinem Schattendasein unter dem Fragezeichen zu erlösen, ist offen. Eine eigene Taste als vollwertiger 27. Buchstabe des Alphabets ist keine Kleinigkeit: "Das wäre ein erheblicher Eingriff in das Standard-Tastatur-Layout", sagt eine Sprecherin von Cherry, Marktführer bei Tastaturen in Deutschland. Ohne eigene Taste ließe sich die Tastatur zwar relativ leicht anpassen, eine Folge hätte dies aber für die beruflichen Schnellschreiber: "Das Maschineschreiben müsste dann teilweise neu gelernt werden." (ut/dpa)
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Norbert Lindenthal


eingetragen von Sigmar Salzburg am 06.05.2008 um 07.59

Innerhalb der dummdreisten „Rechtschreibreform“ zählt die „Schneuz-Reform“ zu den allerdümmsten Schnapsideen.

Ein Vergleich mit anderen von Körperteilen abgeleiteten Tätigkeiten zeigt:

Sie äugt – sieht mit den Augen …
Er schultert – nimmt auf die Schultern …
Es zahnt – kriegt Zähne …
Er brüstet sich – zeigt die Brust …

Und nun …
Er schnäuzt – zeigt, benutzt oder kriegt die Schnauze
… in der Bedeutung „Befreiung von Rotz“?

Vergleichbar sinnverfälschend wäre nur noch:
Er verarmt – von Arm

Nun hätte „schnäuzen“ schulisch kein Fehler sein müssen, wenn es nicht die übliche sprachrichtige Schreibung „schneuzen“ („sniuzen“, verwandt mit „snott“, „Schnodder“) hätte verdrängen sollen. Aber nein: Nachdem 12 Reformkommissionsmitglieder beschlossen hatten, „schneuzen“ von der tierischen vorderen Kopfpartie abzuleiten, befahl 1996 eine geballte Streitmacht von 16 Kultusministern und 16 Ministerpräsidenten, daß Schüler mit „schneuzen“ einen Fehler machen und Staatsbedienstete ihre Dienstpflichten verletzen.

Dies wurde nach über 40 Gerichtsprozessen bisher bestätigt, weil das parteiische Bundesverfassungsgericht solches für verfassungsgemäß erklärte. Endgültig in Kraft gesetzt wurde es im Jahre 2005 von 16 inzwischen größtenteils schon wieder ausgewechselten Kultusministern und 16 ebensolchen Ministerpräsidenten.

Einem eigens eingesetzten 37köpfigen „Rat für deutsche Rechtschreibung“, Ersatz für die unsägliche Kommission, wurde die Bearbeitung des Falles untersagt und das Schneuz-Verbot im März 2006 „endgültig“ über Deutschland verhängt – wiederum von 32 höchsten Landespolitikern.

Die unterwürfigen Medien hatten die Politiker seit 1999 schon durch vorauseilenden Gehorsam zu dieser Machtanmaßung ermutigt – standhaft blieben fast nur Außenseiter wie die „Junge Welt“ und die „Junge Freiheit“. – Und am vorauseilendsten war wieder einmal – abgesehen von der eingegangenen „Woche“ – die „ZEIT“:

Schnäuz-Gefahr
© DIE ZEIT 15/2002
Amerikanische Ärzte, so wurde mir berichtet, empfehlen, die Nase im Bedarfsfalle (entgegen den Geboten der guten Kinderstube) hochzuziehen, anstatt ins Taschentuch zu schnäuzen. Letzteres sei für die Nebenhöhlen schädlich. Stimmt’s? Wolfgang Binal, Darmstadt
Auf einer internationalen Medizinerkonferenz erregte der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Jack M. Gwaltney von der University of Virginia vor drei Jahren Aufsehen, als er in einem Vortrag tatsächlich davon abriet, die Nase zu schnäuzen. …
Gwaltney und seine Kollegen hatten in einer klinischen Studie den Innendruck in der Nase beim Schnäuzen gemessen. … Wohlgemerkt: Es geht um das starke, trompetende Schnäuzen der Nase. … Das übermäßige Schnäuzen sei eine "mitteleuropäische Unsitte". Christoph Drösser


http://www.zeit.de/2002/15/200215_stimmts_nasehoch.xml
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Sigmar Salzburg


eingetragen von Sigmar Salzburg am 19.03.2008 um 09.03

Scrabble
[…]
– Es gelten nur Wörter, die im Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Auflage, verzeichnet sind, sowie deren Beugungsformen. Scrabble-Regeln unter http://www.scrabble.de

© DIE ZEIT, 19.03.2008 Nr. 13


http://www.zeit.de/2008/13/Spiele-Scrabble-13

Zulässig sind danach auch „behende“, „Quentchen“, „Tolpatsch“ … u.s.w.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Sigmar Salzburg am 29.11.2007 um 10.19

Volksverdummungsspiele:

http://spiele.zeit.de/rechtschreibquiz/rechtschreibquiz.php


eingetragen von Detlef Lindenthal am 12.11.2007 um 18.50

http://blog.zeit.de/brasilien/2007/11/12/rechtschreibung-fur-rauber_100

>>Montag 12.11.2007

Rechtschreibung für Räuber
Von wollowski

Eigentlich konnte gar nichts schief gehen. Schliesslich waren die Männer Profis. Hatten kürzlich einer Sicherheitsfirma flott mal zehn Millionen abgenommen, und davor den Geldtransporter einer Bank um eine noch höhere Summe erleichtert - noch bevor das Geld überhaupt in den Transporter gelangen konnte. Die gesammelte Beute hätte locker für eine Rente auf Lebenszeit gereicht. Für alle. Doch da gab es noch diese unfehlbare Idee.

Am letzten Donnerstag sollte der neue Coup laufen. Alles war akribisch geplant. Die Männer hatten bei einem der edelsten Feinkostläden von Sao Paulo Weihnachts-Geschenkkörbe bestellt, ordentlich bezahlt und abgeholt. Dann hatten sie sich einen weißen Fiat-Kastenwagen gekauftgenau so einen, wie der Lieferservice der Edelnahrungsmittel ihn benutzte. Schliesslich hatten sie einen Aufkleber mit dem Firmenschriftzug auf den Wagen geklebt und sich selbst T-Shirts mit der gleichen Aufschrift bedrucken lassen. Im exakt richtigen Grün-Ton, in exakt der richtigen Größe und Schrift und überhaupt sehr professionell gemacht.

Damit wollten sie sich Zugang zu einem der wie Hochsicherheitszonen geschützten Wohnblock der besseren Sorte verschaffen: Als harmlose Lieferanten von Panettone und Co. Sie waren überzeugt, dass die Investition in die italienischen Kuchen sich lohnen würde, um an die Safes der wohlhabenden Wohnblockbewohner heran zu kommen.

Bis vor den Wohnblock kamen die Männer. Dann hielt sie eine Polizeistreife an. Verlangte, das Wageninnere zu sehen. Und fand dort neben Panettone und anderen Leckereien zwei Gewehre, ein MG, zwei Pistolen, Werkzeug zum Safe-Aufbrechen, zwei schußsichere Westen, zwei nachgeahmte Polizei-T-Shirts, sechs Funkgeräte, eine extrem leistungsstarke Taschenlampe und acht Handys.

Das waren Beweismittel genug: Statt in die Luxussuite kamen die Männer allesamt in den Knast. Mehreren von ihnen war die Polizei schon länger auf der Spur gewesen. Ein einziger Buchstabe hat ihnen letzte Woche den Coup und die Zukunft verpatzt. Beim Klonen des Lieferwagens war ihnen ein Fehler unterlaufen. Statt „Emporio“wie der Original-Firmenname lautet, hatten sie „Imporio“ auf ihrem Wagen stehen. Und wie um zu beweisen, dass es sich nicht um einen Flüchtigkeitsfehler handelt, sondern um echtes Unwissen, steht konsequent auch auf T-Shirts und in der Internetadresse das verflixte I. Der Polizeichef meint dazu: „Operational sind die Jungs wirklich gut. Aber grammatikalisch dafür entsetzlich schlecht.“<<


eingetragen von Sigmar Salzburg am 18.02.2007 um 10.06

Die ZEIT hat seit einigen Wochen das schöne alte Wort Handvoll wiederentdeckt.
Festgestellt von Dr. Manfred Ickler in http://www.sprachforschung.org/

Die blasierten Unwichtigtuer und hämischen Klammeraffen aus dem ZEIT-Lager konnten das Bessere nicht zugeben. Lieber haben sie andere als Don Quijote denunziert. Aus den letzten drei Jahren im ZEIT-Forum (Christoph Drösser verfaßt u.a. die Zeit-Kolumne „Stimmt’s?“):

Sigmar Salzburg - 20. May 2004 8:00 (#1637 of 1637)
Absurde Reformschreibung (113):
Der Selbstmordattentäter sprengte sich in die Luft.
In der Nähe wurde noch eine Hand voll Sprengstoff gefunden.


Syntax - 20. May 2004 8:39 (#1638 of 1639)
for man is a giddy thing, and this is my conclusion
und wieder ringen wir, wenn es denn sein soll, einem satz eine unerwuenschte lesart ab. hurra. […]


Christoph Droesser - 20. May 2004 9:24 (#1639 of 1639)
Non modo, sed etiam.

In der Nähe wurde noch eine Hand voll Sprengstoff gefunden.

So macht die neue Schreibung dem Schreibenden klar, dass er auf manche Formulierungen vielleicht besser verzichtet und sich eine andere sucht. Vorgelesen hat er nämlich immer die unfreiwillig makabre Bedeutung.

hjm - 21. Oct 2004 18:35 (#794 of 796)
.... und überhaupt!
Eigentlich muss ich mich ja bei Sigmar bedanken. Er hat es jetzt so oft wieder und wieder wiederholt, dass mir inzwischen "eine Fleisch fressende Pflanze", "ein Blut saugendes Insekt" und "eine Hand voll schwachköpfiger Bürokraten" völlig normal und natürlich vorkommt und ich mich frage, wie es denn jemals anders hätte geschrieben werden konnte sein.

hjm - 2. Jul 2004 13:52 (#1957 of 1960)
.... und überhaupt!
[…]
Er wehrt sich vehement gegen die Schreibweise "eine Hand voll" statt "eine handvoll", weil dadurch die Sprache unendlich verkompliziert, weil mehrdeutig wird. Er setzt sich aber genauso vehement gerade nicht für die Wortschöpfung "eine seitevoll" oder "ein eimervoll" ein, obwohl dadurch die Sprache doch unendlich vereinfacht, weil eindeutiger würde […]

Sigmar Salzburg - 17. Jun 2004 9:39 (#1852 of 1855)
Gerade der frühere Kultusminister Werncke ging, um die „Reform“ schmackhaft zu machen, damit hausieren, daß auf Grundschulniveau nur 32 Wörter geändert seien.
Ich muß mich korrigieren: Der niedersächsische Kultusminister hieß natürlich Wernstedt. Ich hatte seinen Namen in der Nähe der „Wernicke-Aphasie“ abgespeichert, […] Wichtige Wörter bleiben weiterhin zerschlagen: „immerwährend“, „zuviel“, „fertigstellen“ … und schließlich „Handvoll“.
Als Wernicke-Aphasie kann durchaus durchgehen, wenn z.B. in einem schreibreformierten Text von Arno Schmidt die Dämmerung eine „Hände werfende“ wird:
* „Die Dämmerung warf eine Hand voll bleicher taumelnder Tauben ...“
… während das Original doch wohl hieß:
Die Dämmerung warf eine Handvoll bleicher taumelnder Tauben hoch über’s Teerband.

Christoph Droesser - 17. Jun 2004 9:41 (#1853 of 1855)
Non modo, sed etiam.
Wie nach dem Zusammenbruch der DDR wird der SSStacheldrahtverhau über Nacht verschwinden.
Und weiter im Text mit den Geschmacklosigkeiten. Get a life.

Sigmar Salzburg - 17. Jun 2004 9:48 (#1854 of 1855)
Geschmacklosigkeiten
„Geschmackvolle Satire" ist fast schon ein innerer Widerspruch.

Christoph Droesser - 17. Jun 2004 9:51 (#1855 of 1855)
Non modo, sed etiam.
„Geschmackvolle Satire"
Die Schuhe sind Ihnen denn doch eine Nummer zu groß. Zwischen Geifer und Satire gibt es noch einen Unterschied.

Sigmar Salzburg - 17. Jun 2004 10:45 (#1856 of 1856)
Das „G“ in „Geifer“ ist zuviel, pardon „zu viel“.

Sigmar Salzburg - 17. Jun 2004 22:22 (#1858 of 1858)
Bekloppte Reformschreibungen (712)
Fortsetzung „Handvoll" zu „Hand voll"
Die „Reform" fördert überlebensnotwendige Exhumierungen:
Intensivkurs survival-abenteuer.de
„Abgerundet wurde die vegetarische Suppe
mit einer Fleischbeilage, einer Hand voll Maden."


Sigmar Salzburg - 27. Jun 2004 12:15 (#1903 of 1903)
Schwachsinn „neue" Rechtschreibung, Nr. 917:
Das Schleudern von Händen
In George Bernard Shaws „ARMS AND THE MAN“,
2. Akt, heißt es ...
It's like slinging a handful of peas against a window pane...
... und in der Übersetzung:
Gerade, als ob man eine Handvoll Erbsen gegen eine Fensterscheibe schleuderte...
... in „neuer" Rechtschreibung (bisher noch nicht gesichtet):
... als ob man eine Hand voll Erbsen gegen eine Fensterscheibe schleuderte...

Denis - 27. Jun 2004 12:38 (#1904 of 1906)
Pauschalierungen sind grundsätzlich Scheiße.
(Ist ja grauenhaft.)

Pallas - 27. Jun 2004 12:42 (#1905 of 1906)
Man ist stets gerne zu Diensten
(Völlig unverständlich!)

hjm - 27. Jun 2004 12:49 (#1906 of 1906)
.... und überhaupt!
(Neulich hat jemand einen Eimer voll Wasser über mein Blumenbeet geschleudert. Die ganzen Rosen waren hin. Hab den Typ natürlich angezeigt. Wegen Sprachmissbrauchs und wegen des unlauteren Gebrauchs von Leerzeichen. Wo kämen wir da hin!)

Sigmar Salzburg - 27. Jun 2004 15:29 (#1912 of 1912)
Waugh, Evelyn A Handful of Dust/Eine Handvoll Staub, Roman (1934).
(www.lyrikwelt.de/autoren/waugh.htm)
Waugh, Evelyn, Eine Hand voll Staub, Details, Rowohlt Verlag,
(www.erich-kaestner-bibliothek.de/)
Lernt Sprachen! Das Reformdeutsche ist zur präzisen Darstellung nicht mehr geeignet.

Pallas - 27. Jun 2004 15:31 (#1913 of 1915)
Man ist stets gerne zu Diensten
Auswandern?

Denis - 27. Jun 2004 15:32 (#1914 of 1915)
Pauschalierungen sind grundsätzlich Scheiße.
Das Reformdeutsche ist zur präzisen Darstellung nicht mehr geeignet.
Also ich finde, das rechtfertigt Selbstmord.
Eindeutig.

Giesbert Damaschke - 2. Jul 2004 12:45 (#1953 of 1956)
lebt & arbeitet in München
[Bild Buchtitel Lina Haag „Eine Hand voll Staub“]
Handvoll oder Hand voll. Egal. Kaufen. Lesen.

Christoph Droesser - 2. May 2005 23:05 (#1073 of 1087)
Fast war ich versucht, mich auf die Seite von Sigmar S. zu schlagen, als ich heute in der ZEIT den Satz las:
In Fraktionen und Parteien beschäftigt sich nur eine Hand voll Frauen mit Sicherheitspolitik.
Irgendwie hab ich mir das zu bildlich vorgestellt.

Pallas - 3. May 2005 14:04 (#1074 of 1087)
Man ist stets gerne zu Diensten
Das wäre Sigmar nicht passiert.

Sigmar Salzburg - 4. May 2005 10:59 (#1077 of 1087)
Disloziertes Wenighirn oder nur neue Rechtschreibung?
Die Truppen laufen rückwärts in Richtung sichere Schutzwälle oder retten sich schon mal per Rolle seitwärts ins sichere Abseits. Dinosoid-Truppen schlagen Haken und lassen das Zielen zu einer reinen Glückssache verkommen. Auch Scharfschützen wurden mit einer Hand voll Gehirn bedacht: Nachdem sie gefeuert haben, suchen sie oftmals ein erfolgversprechenderes Örtchen um von dort Tal'Set wieder unter Beschuss zu nehmen.
http://www.mag64.de/ngc/turok/turok.htm

Giesbert Damaschke - 4. May 2005 12:15 (#1078 of 1087)
Lebt & arbeitet in München
tertium datur: bescheuerte Formulierung in einem bescheuerten Text.

Pallas - 4. May 2005 12:45 (#1079 of 1087)
Man ist stets gerne zu Diensten
bescheuerte Formulierung in einem bescheuerten Text.
Aber hier ist doch das Sammelbecken dafür!

fora - 4. May 2005 22:16 (#1080 of 1087)
Das Wesen der Mathematik ist die Freiheit
Sigmar durchsucht das Internet nach "Hand voll".

Sigmar Salzburg - 6. May 2005 6:58 (#1081 of 1087)
Nein, mein Sohn nach Spielen.

Sigmar Salzburg - 7. Oct 2006 16:20 (#2745 of 2745)
DIE ZEIT, 21.09.2006 Nr. 39
Opferung einer Hand
Wir rennen auf die andere Straßenseite, wo ein Schrein mit fünf mannshohen Nat-Statuen steht – jenen animistischen Geistern, die verflixt unangenehm werden können und an die viele Myanmaren glauben, auch wenn sie eigentlich dem Buddhismus anhängen. … Wir bringen ihnen mit dem geziemenden Respekt eine Hand voll duftender weißer Blumengirlanden und ein Sträußchen Go-Blätter dar. Man weiß ja nie.
Das wäre doch nicht nötig gewesen! Man darf sich auf Beschluß der deutschen Länderministerpräsidenten auch wieder mit einer „Handvoll“ Blumengirlanden begnügen!

Giesbert Damaschke - 18. Oct 2006 23:22 (#2755 of 2755)
My mule is sick, my horse is blind
also es sieht ja wirklich blöd aus - und wenn dann noch ein Tippfehler dazu kommt:
von einer Hand voll Journalisten geründet,
wird's vollends albern.

Sigmar Salzburg - 30. Nov 2006 9:50 (#2779 of 2779)
Wieder ein Denkmal der Dummschreibung

Die ZEIT verwendet immer noch die überholte Primitivstform der kultusministeriellen Schreibung für Deppen und solche, die es werden sollen. Die Besprechung des antiken Antikythera-Mechanismus bietet wieder ausgiebig Gelegenheit, dies zu demonstrieren.
Mechanische Kunsthand:
… bis in byzantinische Zeiten konnten Mechaniker nicht mehr als eine Hand voll Zahnräder zusammenschalten, so jedenfalls dachten die Altertumsgelehrten vor dem Fund von Antikythera…
„Hand voll“ schreibt noch nicht einmal mehr unsere reformunterwürfige nördliche Provinzzeitung.

Sigmar Salzburg - 12. Dec 2006 23:01 (#2795 of 2795)
Da kommt wie von selbst eine andere Frage auf: Wie lange will eigentlich die ZEIT noch mit der veralteten Zimmerschen Reparatur-Deppenschreibe nerven?
Mit den Fingern greift er hinein, mischt, knetet, schiebt sich eine Hand voll in den Mund. Die Männer essen schweigend, nur hin und wieder lässt einer einen ...
http://www.zeit.de/2006/08/In_80_Tagen?page=5

Sigmar Salzburg - 6. Feb 2007 9:06 (#2841 of 2843)
[…] Im zweiten Teil steigert sich Regenauers Programm deutlich, wird politischer, bissiger. Er klärt die Zuschauer über die Vorteile der Globalisierung auf. Die Arbeit wird in Billiglohnländer verlagert, sogar die Reden im Bundestag würden von polnischen Gelegenheitskomikern geschrieben. Selbst die Rechtschreibreform sei nur das Ergebnis von Übersetzungsfehlern, denn mit der Verfassung des Dudens sei ein Billig-Usbeke beauftragt worden. Bernd Regenauer bringt Licht ins Dunkel und schaut mit den Zuschauern hinter das Brett vor dem Kopf der Politiker. […]
http://www.frankenpost.de/nachrichten/regional/fichtelgebirge/resyart.phtm?id=1083043
[…]

Christoph Droesser - 6. Feb 2007 9:29 (#2842 of 2843)
... polnische Gelegenheitskomiker ... Billig-Usbeken ...
Ja, echt bissig, der fränkische Provinzkabarettist! Irrungen und Wirrungen ...

Giesbert Damaschke - 6. Feb 2007 10:31 (#2843 of 2843)
Extremspørtler in spe
Und das ganze im fränkischen Dialekt. Ungefähr so stelle ich mir die Hölle vor.

Sigmar Salzburg - 6. Feb 2007 15:02 (#2844 of 2844)
In der Hölle des täglichen Wahnsinns herrscht eher der Neuschreib-Dialekt vor, z.B.:

Das Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe, das der jeder esoterischen Schieflage unverdächtigen Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches (DVGW) untersteht, hat bereits einer Hand voll Geräten bescheinigt, dass sie die Kalkablagerungen um mindestens 80 Prozent reduzieren.
http://www.zeit.de/archiv/2002/19/200219_stimmts.xml

Eine Schieflage als Camouflage von „Reform“.
Stimmt’s?

Christoph Droesser - 6. Feb 2007 15:12 (#2845 of 2850)
Nö.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Sigmar Salzburg am 30.11.2006 um 18.38

Die ZEIT verwendet immer noch die kultusministerielle Schreibung für Deppen und solche, die es werden sollen. Die Zimmersche Reparatur hat kaum zu sichtbaren Konsequenzen geführt. Der Bericht über neue Forschungsergebnisse zum antiken Antikythera-Mechanismus zeigt dies wieder einmal deutlich.

Mechanische Kunsthand:

… bis in byzantinische Zeiten konnten Mechaniker nicht mehr als eine Hand voll Zahnräder zusammenschalten, so jedenfalls dachten die Altertumsgelehrten vor dem Fund von Antikythera….

„Hand voll“ schreiben noch nicht einmal die reformunterwürfigen Kieler Nachrichten.
Zusätzlich finden wir noch das Doofen-Ä, den F-Fimmel, natürlich den ss-Geßlerhut sowie längst überholte Spaltschreibungen …

Der bisher aufwändigste Versuch, dem bronzenen Rätsel auf den Grund zu gehen, ist das Antikythera Mechanism Research Project (AMRP): … Allein der 3-D-Röntgen-Tomograf, der das verwirrende Innere des antiken Automaten mit Zehntel-Millimeter-Genauigkeit abtastete, wiegt acht Tonnen. …

Die korrodierten Zahnräder waren zu fest ineinander verbacken, um sie zerstörungsfrei auseinander zu nehmen.


… und ein auf liebe Weise gewonnenes Bild:

Als Stais im Mai 1902 seine Erkenntnisse veröffentlichte, stieß er auf empörte Ablehnung. Derart raffinierte Feinmechanik passte nicht ins lieb gewonnene Bild der antiken Geisteswelt …
Keine handfeste Spur, dass sie verwirklicht worden waren, lag vor, und die Historiker wussten schon damals um die Neigung antiker Chronisten, ihre Gegenstände fantasievoll zu überhöhen….

Price erkannte, wie solch ein Getriebe den Lauf der Sonne durch den Tierkreis, die Phasen des Mondes sowie die Auf- und Untergangszeiten beider Gestirne übers Jahr hinweg vorhersagen kann. Dazu war aufwändige Rechnerei nötig…

Die Lücken mute Price aus seiner Fantasie ergänzen. Und offenbar war er dabei nicht fantasievoll genug.

Weil Wrights Job ausschließlich die Erforschung der Objekte im Museum vorsah, reiste er auf eigene Faust nach Athen und durchleuchtete das Räderwerk mit selbst gebastelten Röntgengeräten …

Laut der Rekonstruktion von Edmunds und seinen Kollegen berechnete ein zentral gelegenes Rad mit 223 Zähnen die so genannte erste Anomalie der Mondbahn:…Tatsächlich erkannten die AMRP-Forscher eine spezielle Finsternis-Vorhersagefunktion an dem Räderwerk, basierend auf den so genannten Saros-Perioden …


Nicht einmal SPIEGEL und SPRINGER verwenden die exhumierte „so genannten“-Spaltschreibung des 17. Jahrhunderts.
Eine Reformdummheit ist dem Verfasser oder seinem Korrekturautomaten jedoch entgangen:

Der Durchbruch gelang Price 1971, als er mit Hilfe der griechischen Atomenergiebehörde Gamma-Radiografien des Mechanismus machen konnte.

Die neue „mithilfe“ wird seit August von der Springer-Duden-Software erzeugt und verursacht beim Lesen der WELT ein besonders unangenehmes Schwindelgefühl, wenn sich erst am Ende einer langen Satzperiode aufklärt, ob am Satzanfang „Mithilfe“ oder „Mit Hilfe“ gemeint ist.

http://www.zeit.de/2006/49/A-Antikythera?page=all

__________________
Sigmar Salzburg


eingetragen von PL am 03.08.2006 um 16.01

Die Wahrheit hinkt stets hinter der Lüge her.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 03.08.2006 um 15.48

Und Schluss

Die Reform der Rechtschreibreform tritt in Kraft. Was lehrt der lange Streit um »ss« oder »ß«?

Von Jens Jessen

Es ist vollbracht. Seit Anfang des Monats gilt die neue deutsche Rechtschreibung verbindlich in Schulen und Behörden. Widerstrebende Bundesländer wie Bayern und Nordrhein-Westfalen haben eingelenkt. Selbst Bild, die Welt und der Spiegel, die sich zu einer denkwürdigen überspringenden Kampfgemeinschaft gegen die Reform zusammengeschlossen hatten, wollen ihr nun folgen. Nur die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die dem Trutzbund ebenfalls angehörte, denkt noch nach.

Die allermeisten Leser werden freilich keinen Unterschied bemerken, weil in den allermeisten Fällen auch kein Unterschied besteht. Die Rechtschreibreform bezog sich immer nur auf weniger als zehn Prozent der Schreibweisen, und von diesen waren nur das gehäufter auftretende Doppel-S, manche Getrenntschreibungen oder kurios anmutende Ableitungen wie »aufwändig« (von »Aufwand«) augenfällig.
Die wenigsten haben sich bisher an alle neuen Regeln gehalten, wenige werden es in Zukunft tun. Sie müssen es im Übrigen auch nicht. Die Nachrichtenagenturen oder die ZEIT, die sich eigene Abweichungen überlegt haben, können getrost dabeibleiben. Denn der Rat für die Rechtschreibung, der nach fast einem Jahrzehnt wilder Proteste eingerichtet worden war, hat zahlreiche Neuerungen wieder kassiert, Ungereimtheiten beseitigt, neue Ungereimtheiten geschaffen, Varianten zugelassen, am Ende das ganze Reformwerk in eine undeutliche Nachbesserung der gewohnten Schreibung verwandelt.

Was also ist mit der amtlichen Einführung wirklich vollbracht? Zu den Merkwürdigkeiten der Debatte gehörte, dass in all der Aufregung vollständig vergessen wurde, zu welchem Zweck die Reform einst ins Werk gesetzt worden war, nämlich um den Schülern das Schreibenlernen zu erleichtern. Darum wurde von den Gegnern der Reform auch nicht das Naheliegende eingewandt: dass der Mensch im Laufe seines Lebens unendlich mehr liest als schreibt, und deswegen Orthografie vielleicht besser der Lese-erleichterung statt der Schreiberleichterung dienen sollte. [1] Statt damit zu argumentieren, haben die Rechtschreibgegner von Anfang an getan, als ginge es um einen Anschlag auf die eine, altehrwürdige und heilige Schreibung der deutschen Sprache.
Eine solche hat es freilich nie gegeben. Auch die plötzlich verklärte alte Rechtschreibung war nur das Ergebnis einer vielfältig nachgebesserten, im Kern aber staatlich verordneten Reform vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Schriftsteller zuvor haben anders geschrieben; bei Fontane beispielsweise findet man all die Groß- und Getrenntschreibungen, deren Übermaß man der jetzigen Reform zum Vorwurf macht. Manches spricht dafür, dass die Proteste auf dem Missverständnis beruhten, Sprache und Schrift seien unwandelbar miteinander verknüpft. Tatsächlich hängen sie aber nur lose zusammen, und die Schreibung, weit davon entfernt, jemals adäquat zu sein, hinkt stets dem Sprachwandel hinterher.

Orthografische Wörterbücher wie Wahrig oder der Duden sind darum in ihren aktuellen Ausgaben dazu übergegangen, neben einer regelgerechten Schreibung auch Varianten zu nennen. Der frühere bayerische Kultusminister Hans Zehetmair, lange ein erbitterter Gegner der Reform, klagt zu Recht darüber, dass der Duden, der doch an allen Sitzungen des Rechtschreibrates teilgenommen hat, jetzt sogar manche Schreibung favorisiert, die nicht den Regeln entspricht. Tatsächlich kommt eine Auswahl von Varianten der Wahrheit über die deutsche Rechtschreibung am nächsten. Da es sich um ein gemischtes System handelt, das teils nach dem Laut, teils nach der Bedeutung geht, sind immer konkurrierende Lösungen denkbar.

Was damit auf absehbare Zeit nicht zurückkommt, ist freilich die Einheitlichkeit der Schreibung jenseits der Schulen. Die Reformgegner, die das beklagen, müssen sich allerdings auch an die eigene Nase fassen: Sie haben mit ihren Blockaden den Zustand der neuen orthografischen Freiheit mit erzeugt. Das Ergebnis ist nicht ohne Ironie. Die Anhänger einer unwandelbaren Rechtschreibautorität haben diese Autorität durch partisanenhafte Abweichung ihrerseits beschädigt.[2] Was also lehrt der Streit? Dass Menschen, die sich unter Mühen an ein übermäßig verzwicktes System – denn das war die alte Schreibung – gewöhnt haben, dieses am Ende lieb gewinnen und nicht mehr aufgeben wollen. Vielleicht damit die Mühe nicht umsonst war.

© DIE ZEIT, 03.08.2006 Nr. 32

[1] Jens Jessen hat offensichtlich in den letzten zehn Jahren nie ernsthaft die Argumente der Reformgegner zur Kenntnis genommen.

[2] Jessen kann anscheinend nicht die Autorität der Millionen denkender Schreiber von der angemaßten Autorität der Kultusminister unterscheiden.
Er kann auch nicht die seit über hundert Jahren aufgebaute Einheit von Schreibgemeinschaft und Milliarden Schriftdokumenten unterscheiden von einer nur durch Erpressung erreichbaren Augenblickseinheit der Bürger unter Führung willfähriger oder indoktrinierter Schreiber, die die gesamte vergangene Literatur alt aussehen läßt.


Weiteres vom und über den ZEIT-Schreiber Jens Jessen findet man bei der Suche auf diesen Seiten.


– geändert durch Sigmar Salzburg am 04.08.2006, 09.00 –


eingetragen von Sigmar Salzburg am 20.02.2006 um 20.20

Tilmann Lahme in der F.A.Z. v. 20.2.06 über die Veranstaltung zum Sechzigsten in den Räumen der „Zeit“:

Di Lorenzo redet sich nicht heraus, betont die demokratischen Strukturen und die Streitkultur des Blattes, nennt aber die Grenzen der Unabhängigkeit, etwa bei einer kritischen Berichterstattung über ein Mitglied der eigenen Konzernfamilie (Holtzbrinck) wie etwa den Rowohlt-Verlag. Selbst eigens zum Nörgeln Angereiste durchbrechen mit ihrer Empörung über das neue Layout des Blattes, zuviel Farbe, Rechtschreibfehler und den Verweis darauf, daß unter Bucerius (also „früher“) alles besser war, den Charmepanzer des Chefredakteurs nicht.

Nur am Ende fällt di Lorenzo, auf die Rechtschreibreform angesprochen, aus der Rolle. Man habe eine eigene Schreibung, eng an der Reform, entwickelt, die meisten Redakteure der „Zeit“ hielten selbst die Neuerungen für wenig geglückt, aber man wolle schon um der Schüler und Lehrer willen kein Zurück. Für eine „Anmaßung“ halte er den Versuch „einiger Medien“, auf ein Gesetzgebungsverfahren derart massiv einwirken zu wollen. Beifall und Kopfschütteln zugleich erntet er dafür. „Anmaßung“ ist ja auch vielleicht ein bißchen anmaßend.


Die Kinder als Geiseln und Waffe (Kultusminister) und als Schutzschild (Presse).


__________________
Sigmar Salzburg


eingetragen von Christian F. Langewische am 12.10.2004 um 22.19

Post

Hier noch ein älterer Artikel aus der „Zeit“, auf den ich gestoßen bin.

Zu finden ist er unter: http://www.zeit.de/archiv/1998/42/199842.rechtschreibung_.xml

Zitat:
Känguruh kommt nicht von Gnu

Nach dem Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform: Was denken Gymnasiasten?

der 10 fl der Immanuel-Kant-Schule Neumünster

Als ich zum ersten Mal davon gehört habe, dass wir bald eine neue Rechtschreibung haben sollten, konnte ich es gar nicht glauben. Ich dachte, was für ein „irrer“ Mensch sollte so etwas durchsetzen wollen. Ich hielt es für totalen Quatsch. Vielleicht sollte es auch nur die Wirtschaft ankurbeln, weil ja neue Stoppschilder, Bücher und vieles mehr gekauft werden müssen.

Dann kam der Volksentscheid. Und jetzt, wo mir die neue Rechtschreibung gerade logisch erschien, sollen wir schon wieder umlernen. Schleswig-Holstein ist nun das einzige Land in Deutschland, in dem die alte Rechtschreibung gilt. Ich denke nicht, dass das ein Vorteil für uns ist, was die Gegner der Rechtschreibreform natürlich meinen.

Wo sollen die Schulen neue Schulbücher herbekommen, wenn es keinen Verlag mehr gibt, der Bücher in der alten Rechtschreibung druckt? Katrin Westpfahl, 16 Jahre
Ich habe vor ca. vier Jahren das erste Mal von der „Neuen Rechtschreibung“ gehört. Die Lehrer gaben uns als erstes einen Zettel mit der Reform und ihren Vorschlägen. Es dauerte nicht lange, bis wir unsere Deutsch-Einheit über die neue Reform beendet hatten. Nun sollten wir sie möglichst überall anwenden. Jetzt, nach vier Jahren, wo wir die Reform beherrschen, sollen wir sie wieder absetzen und uns „umgewöhnen“. Und was passiert, wenn in Schleswig-Holstein in drei Jahren doch die Reform durchgesetzt wird? Wir müssen wieder die „tolle“ Reform lernen. Also ich halte die ganze Reform für sinnlos. Jasmin Jodehl, 16 Jahre

Ich halte die Rechtschreibreform für sinnvoll, da die Reformpunkte auf Logik basieren. Daher ist es traurig, dass die Reform gekippt ist. Aber zum Glück haben die Reformgegner den Gesetzesentwurf so gestaltet, dass in dem Fall, dass die anderen Bundesländer nicht nachziehen und die alte Rechtschreibung nicht wieder einführen, die Reform trotzdem stattfindet.

Ich denke, der Grund für das Scheitern besteht darin, dass vor allem ältere Leute (älter als 50) und Leute ohne Kinder, die sich nur sehr wenig oder gar nicht damit beschäftigt haben, dagegen gestimmt haben. Jüngere Leute (jünger als 30) und Ehepaare mit Kindern, die sich meist schon etwas intensiver mit den neuen Regeln befasst haben und sie vielleicht auch schon anwenden, haben meistens dafür gestimmt. Doch der Anteil der ersten Gruppe ist größer, gerade in Schleswig-Holstein.

Diese Leute verstehe ich aber: Zwischen den ersten Überlegungen und dem Zeitpunkt, an dem die alten Schreibweisen falsch sind, liegen noch nicht einmal 15 Jahre. Das ist für eine Sprache ein sehr kurzer Zeitraum. 30 bis 40 Jahre sollten meiner Meinung nach zwischen der Einführung der neuen Schreibweise und dem Ablauf der Gültigkeit der alten Schreibweise liegen, so dass die Leute sich keine Gedanken machen brauchen, dass sie vielleicht umlernen müssen. Malte Classen, 15 Jahre

Ich finde die neue Rechtschreibung besser als die alte. Denn sie erleichtert das Erlernen für Schulanfänger, indem man mehrere Wörter ableiten kann, wie z. B. Stengel, jetzt Stängel, von Stange. Sie ist logischer bei zusammengesetzten Worten (Schiffahrt wird zu Schifffahrt), der Groß- und Kleinschreibung („das weite suchen“ wird zu „das Weite suchen“) und Wörtern wie „radfahren“, das neu als „Rad fahren“ geschrieben wird. Die Mehrheit der Leute hat sich noch gar nicht richtig mit der neuen Rechtschreibung befaßt, sie stört nur, daß sie umlernen müßten, also stimmen sie gegen sie. Janina Ullrich, 15 Jahre

Früher war ich ein totaler Gegner der Rechtschreibreform. Doch im Laufe der vergangenen zwei Jahre ist mir klargeworden, dass (daß) sie auch viele Erleichterungen enthält. Hiermit möchte ich darauf hinweisen, dass (daß) ich mittlerweile von der neuen Rechtschreibung überzeugt bin, weil sie viele logische Erleichterungen für uns enthält. Zum Beispiel rauh bzw. rau; nummerieren bzw. numerieren, oder war's andersherum?
Ich jedenfalls fühle mich vom Kultusministerium und von den Politikern ver-kohl-t, aber vielleicht wird jetzt ja alles anders.

Ich frage mich, wie es jetzt wäre, wenn ich einen Brief an meine Tante, die in Niedersachsen wohnt, schicken würde. Müsste (Müßte) meine Anrede jetzt „Ich grüße dich“ oder „ich grüße Dich“ geschrieben werden?

Wenn ich jetzt eine Schifffahrt (Schiffahrt) machen würde und an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns anlegen würde, müßte (müsste) ich dann nach der neuen oder nach der alten Rechtschreibung schreiben?

Die ganze Sache irritiert mich schon recht stark. Ich bin auch nicht bereit, alles noch einmal wieder neu zu lernen, da ich gar nicht mehr so genau die Unterschiede kenne. Ich finde dies alles ziemlich absurd. Hätte es vor ca. 4 Jahren diesen Volksentscheid gegeben und hätten nicht alles die Politiker entschieden, würde es jetzt nicht so ein Theater geben. Nils Stührwohldt, 16 Jahre

Meinetwegen könnte die Reform noch rabiater sein, z. B. dadurch, dass das „ß“ ganz abgeschafft wird, doch dadurch würde man vielleicht auch den Stil der deutschen Sprache zu sehr verändern. Manuel Stange, 15 Jahre

Als ich zum ersten Mal von der neuen Rechtschreibreform gehört habe, war ich ziemlich verwundert, denn ich wußte nicht, welche Vorteile die Reform für uns Deutsche bringen sollte. Uns Schülern ist damit nicht geholfen, denn seit der ersten Klasse lernen wir die alten Formen und haben jeden Tag damit zu tun.

Nun hieß es plötzlich: „Das Wort könnt ihr jetzt so schreiben, da müßt ihr ein Komma setzen und da nicht.“ Wir waren total durcheinander. Aber als wir uns dann langsam mit unserem Schicksal abgefunden hatten, kam der nächste Schock! Eine Gruppe von Leuten kämpfte erbittert gegen die Reform. Unterschriftenlisten, wo ich nur hinkam!

Sollten wir armen Schüler nun die neuen Rechtschreibregeln lernen oder warten, bis die „Anti-Reformer“ Erfolg mit ihrem Protest haben? Jetzt sind wir das einzige Bundesland, in dem die Reform nicht durchgesetzt wurde. Alle Schulbücher sind neu gedruckt. Sollen wir unsere Bücher jetzt selbst nach der alten Schreibweise korrigieren? Jana Erhart, 15 Jahre

Meine Abneigung gegen die Reform kommt vor allem daher, dass ich den Sinn einiger Änderungen einfach nicht für logisch erklären kann. Wieso zum Beispiel soll „stop“ mit „pp“ geschrieben werden? Na klar! Damit wir in ganz Deutschland neue Stoppschilder kaufen können. Der Staat (wo er sowieso schon soviel Geld hat) weiß ja gar nicht, wohin mit dem vielen Geld, das er beim Verkauf der neuen Duden eingenommen hat.

Oder „Känguruh“ sollte künftig ohne „h“ am Ende geschrieben werden, weil es ja angeblich von „Gnu“ abzuleiten ist. Warum, stelle ich mir die Frage, weiß bloß jedes Kind aus dem Bio-Unterricht, daß das Gnu aus Afrika und das Känguruh aus Australien kommt. Sprich: eine Verwandtschaft ist da doch eigentlich auszuschließen.
Als drittes Beispiel möchte ich „Stengel“, der „Stängel“ geschrieben werden sollte, weil man ihn angeblich von „Stange“ ableiten kann, nennen. Allerdings konnte ich bisher noch keine Ähnlichkeiten (außer der Form vielleicht) oder gar Verwandtschaft zwischen einem Blumenstengel und einer Metallstange feststellen.

Für mich ist die Rechtschreibereform nur eine Verstümmelung der deutschen Sprache. Eine Sprache ist lebendig und muss sich langsam entwickeln. Veränderungen kann es nicht von heute auf morgen, besonders nicht in so gehäufter Form, geben. Lebendig bedeutet für mich außerdem, daß es Ausnahmen geben sollte, gewisse Unregelmäßigkeiten, und nicht alles nach Schema F.

Der Schaden, den es jetzt gibt, ist vor allem dadurch entstanden, daß alle Schulen wie die „Bekloppten“ anfingen, nach der neuen Schreibung zu unterrichten und neue Bücher einzukaufen, obwohl das Gesetz noch nicht einmal beschlossene Sache war. Ich denke, schlimmer noch als die allgemeine Verwirrung der Schüler ist es für die Erstklässler der letzten drei Jahre, denn sie können gleich noch einmal von vorne anfangen. Christiane Wolf, 15 Jahre

Ich bin für die Reform, denn in der Schule wurde schon seit etwa drei Jahren mit den neuen Regeln geschrieben und ich persönlich kenne nur noch wenige der vorherigen Regeln. Ich weiß von anderen Schülern, dass es ihnen genauso ergeht. Auch da wir nur Bücher in neuer Rechtschreibung erhalten, müssen wir uns dann, wenn wir schreiben, wieder auf die alte Rechtschreibung umstellen. So macht man bestimmt mehr Fehler in Aufsätzen. Carsten Klatt, 15 Jahre

Gewisse Teile der Rechtschreibreform sind wirklich von Vorteil (weniger Kommas), andere aber völlig verwirrend und überflüssig, wie z. B. ss für ß oder die neuen Trennregeln. Deshalb denke ich: eine Rechtschreibreform ist okay, aber nicht so! Jette Seiler, 15 Jahre

Ich bin gegenüber der Rechtschreibereform geteilter Meinung. Einerseits finde ich es gut, dass die neue Rechtschreibung abgelehnt wurde, da ich die alte besser beherrsche und ich finde, dass die deutsche Sprache ihren Stil dadurch verliert. Andererseits geht mir dieses ganze Hin und Her auf die Nerven. Wenn ich später in einem anderen Bundesland studieren will, muss ich in der neuen Rechtschreibung schreiben, doch in Schleswig-Holstein kann ich in der alten schreiben. Unsere Schulbücher sind jetzt auch in der neuen geschrieben, wie soll man Kindern die alte Rechtschreibung beibringen, wenn alle Bücher nach der neuen Reform geschrieben sind? Pia Falk, 16 Jahre

Nach meiner Meinung wollen die Erwachsenen die Reform nicht annehmen, weil sie zu faul sind, die neuen Regeln zu lernen, auch wenn diese vieles vereinfachen. Dabei beachten sie nicht, dass ihre Kinder die Regeln schon beherrschen und für sie wäre die alte Rechtschreibung wie die neue für die Erwachsenen, weil sie sich umstellen müssten. Da der Mensch nun mal ein Wesen ist, das die Umwelt an sich anpasst und sich nicht der Umwelt anpasst, weil es sich nicht umstellen will, bin ich der Meinung, dass, wenn Kinder ab der ersten Klasse ebenfalls stimmberechtigt für den Entscheid gewesen wären, dass dann das Ergebnis eher zu Gunsten der Reform ausgegangen wäre. Lars Wahnfried, 15 Jahre

Ich helfe in unserer Schule in der Lernmittelbücherei, wo wir in den letzten drei Jahren Tausende von Mark ausgegeben haben. Sollen wir diese Bücher jetzt einfach nur rum liegen lassen? Wirklich absurd wäre es, wenn wir in Deutschland zwei Rechtschreibungen hätten oder mit der alten und der neuen schreiben könnten. Das kann nicht sein. Es kann nur eins richtig sein. Thorsten Sorge, 16 Jahre

Anfang 1996 wurden in Schleswig-Holstein die ersten Lehrkräfte in der neuen Rechtschreibung fortgebildet. Es erschienen Handreichungen für den Unterricht; es gab Hinweise, wie bei der Einführung neuer Schul- und Wörterbücher verfahren werden sollte. Wir haben dann nach und nach, mit den fünften Klassen beginnend, die zehn Jahre alten Sprach- und Lesebücher durch solche mit der neuen Schreibweise ersetzt.

Wir folgten den Anweisungen aus dem Ministerium und korrigierten so, daß wir die alte Schreibweise markierten und an den Rand schrieben: „neu: ...“. Fehler wurden nur gerechnet, wenn das Wort oder Satzzeichen nach der neuen und der alten Regel falsch war.

Die Schülerinnen und Schüler stellten sich recht schnell auf die neuen Schreibweisen ein, und natürlich profitierten sie bei den Zensuren davon, daß die Regeln weniger eng waren als vorher.

Als der Volksentscheid anlief, habe ich mir beim Korrigieren die Arbeit gespart, jeweils die neue Schreibweise an den Rand zu schreiben. Seit anderthalb Jahren habe ich den Schwerpunkt der Unterrichtsarbeit im Elementarbereich auf die Grammatik verlegt und die reine Orthographie seltener als sonst systematisch trainiert, weil offen war, wie es weitergehen sollte.

Offen bleibt die Sache nun wohl noch etliche Zeit – und das muß zunehmend das Rechtschreibevermögen beeinträchtigen, um das sich die Öffentlichkeit schon lange zu Recht Sorgen macht. Ich bin froh, dass ich zur Zeit nur eine 10. Klasse in Deutsch habe, bei der die Grundlagen in der Orthographie bereits gelegt sind.

Die Schülerinnen und Schüler meiner 10. Klasse reagieren wütend oder ironisch auf die Situation, wie ihre Aufsätze zeigen. Ich bin im Augenblick nur ratlos: Weder weiß ich so recht, wer eigentlich verantwortlich ist für diese Situation, noch sehe ich, wie es ohne weitere Kosten und weiteren Schaden für die Rechtschreibleistungen meiner Schüler (nach alten oder neuen Regeln) weitergehen soll. Utta Rudershausen, Studiendirektorin

(c) DIE ZEIT 1998


__________________
Christian F. Langewische


eingetragen von Norbert Lindenthal am 08.10.2004 um 08.59

8.10.2004

Interview (als Mitschnitt vom Deutschlandfunk liegt auch eine Tonspur (mp3 7,2 MB 7.36 Minuten) vor)

15 Monate Zeit für eine neue Kultusministerkonferenz

Interview mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff, CDU

Meurer: Von den Ereignissen in Ägypten nach Berlin. Dort gibt es gestern und heute eine Ministerpräsidentenkonferenz, die vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit findet als vergangene Konferenzen, denn im Mittelpunkt steht ein Mann, der bislang eher für die leisen Töne bekannt war. Unter Christian Wulff ist aber das Bundesland Niedersachsen aus der Konferenz der Kultusminister ausgestiegen. Für diesen Paukenschlag hat Wulff Zustimmung und heftigen Protest hervorgerufen. Für uns ist er jetzt am Telefon. Guten Morgen Herr Wulff!

Wulff: Schönen guten Morgen Herr Meurer.

Meurer: Sie wollten ja zunächst die Rechtschreibreform stoppen. Müssen Sie einräumen, dass Ihnen das jetzt bei der Ministerpräsidentenkonferenz nicht gelungen ist?

Wulff: Ich bin ziemlich ernüchtert über die Situation, dass die Abschaffung der alten bewährten Rechtschreibung beschlossen worden ist, jetzt aber erhebliche Probleme bestehen, die offenkundigen eingetretenen Ungereimtheiten und auch Fehlentwicklungen einzuräumen und Korrekturen vorzunehmen. Es hilft aber nichts, in solch einer Lage "Augen zu und durch" zu sagen, sondern es muss darüber gesprochen werden, inwieweit jetzt der Rat für deutsche Sprache fair und pluralistisch von Gegnern und Befürwortern zusammengesetzt wird und dann Vorschläge macht, um eben die größten Fehlentwicklungen in verschiedenen Bereichen, ob der Getrennt- und Zusammenschreibung, bei den Übertragungen der Fremdwörter oder der Trennung sowie der Zeichensetzung, doch noch zu vermeiden und zu korrigieren. Hier gibt es jetzt einfach Erfahrungen, die gemacht worden sind, die die Gegner der Rechtschreibreform haben eben nicht verstummen lassen, sondern eher bestätigt haben. Ich gehöre seit acht, neun Jahren zu den Gegnern dieser Versuche, die Rechtschreibung neu zu erfinden.

Meurer: Sie haben ja der Kultusministerkonferenz vor Wochen vorgeworfen, sie sei borniert und abgehoben, weil sie eben die Rechtschreibreform verändern will, nicht verzögern will. Müssen Sie diesen Vorwurf jetzt an die Ministerpräsidentenkonferenz richten?

Wulff: Ich glaube, dass die Entwicklungsgeschichte der Rechtschreibreform, wie man dort kreiert hat, ohne zu berücksichtigen, dass Sprache Kulturgut ist und die deutsche Sprache sozusagen im Bestand der Bevölkerung ist auch im Konsens weiterentwickelt werden muss, bis heute nicht zureichend von den Akteuren erkannt ist, denn wenn jetzt auf jeder Ketchup-Flasche weiter eine Bezeichnung steht, die demnächst dann als Fehler angestrichen wird, wenn an allen Restaurants "Restaurant" steht und demnächst bei den Kindern in der Schreibweise als Fehler angestrichen werden könnte, dann ist das einfach ein Auseinanderentwickeln, wo dann ja schon viele argumentieren, das ganze Thema sei unwichtig, weil eh jeder schreibe wie er schreiben wolle.

Meurer: Aber da wird Ihnen ja vorgeworfen, gerade für die Kinder müsse man es bei der Reform belassen, um nicht ein ewiges Hin und Her zu veranstalten.

Wulff: Diejenigen die gesagt haben, die neue Rechtschreibung kostet bei der Einführung gar nichts, weil eh die Auflagen immer wieder neu überarbeitet werden, die waren dann die ersten die gesagt haben, aber die Korrektur würde viel Geld kosten. Das Argument ist entweder einmal stimmig, also es ist immer stimmig, oder es hat nie gestimmt. Ich weiß, dass die Generationen, die jetzt die neue Rechtschreibung erlernt haben, die 5. und 6. Schuljahrgänge, dann bestimmte alte Regeln wieder erlernen müssten, aber trotzdem kann das ja kein Argument sein, Fehlentwicklungen, mangelnde Differenzierungen, Missverständlichkeiten fortzuführen, weil man sich dieses nicht zutraut beziehungsweise nicht schultern will.

Nun sind wir ja ein Stück weiter und es gibt ganz offenkundig nur noch den Konsens, dass man zumindest versucht, über den Rat für deutsche Sprache ein wenig Korrekturen vorzunehmen. Wenn das denn heute erreicht würde in der Fortsetzung der Ministerpräsidentenkonferenz, dann wäre immerhin ein kleiner Hauch von Versuch, in dieses Thema Befriedung zu bringen.

Meurer: Aber die Kultusminister wollten auch schon diesen Rat. Was also hat Ihr einsames Vorpreschen gebracht?

Wulff: Wissen Sie, wenn ganz offenkundig etwas falsch läuft, dann darf man es nicht davon abhängig machen, ob man es thematisiert, ob man das alleine thematisiert oder ob man es in der Mehrheit thematisiert, denn wir hätten keine Fehlentwicklungen korrigiert, wenn nicht einzelne den ernsthaften Versuch unternehmen würden, unabhängig davon, ob die Mehrheit schon deshalb dagegen ist, weil sie seit vielen Jahren in das Thema involviert ist. Inzwischen dürfte es eine breite Mehrheit bei allen Beteiligten geben, dass man aus heutiger Sicht, wenn man das damals vorausgesehen und beachtet hätte, das ganze Thema nicht so angepackt hätte. Die Selbstkritik sollte allen inne sein, dass begeistert und stolz auf das, was hier veranlasst wurde, offenkundig so gut wie keiner ist. Das sollte uns nachdenklich stimmen, dass manchmal auch falsch vorgeprescht wird.

Meurer: Sie haben vorgestern ja in Hannover entschieden und faktisch umgesetzt, dass es zum Ausstieg aus der Kultusministerkonferenz kommen soll. Wie geht es denn dort jetzt weiter?

Wulff: Wir haben den Vertrag der Vereinbarung der Länder gekündigt zum 31. Dezember nächsten Jahres. Das heißt, wir haben 15 Monate Zeit, über eine neue, eine bessere, eine verschlankte, effizientere und vor allem sparsame Kultusministerkonferenz uns einig zu werden. Ich halte es für möglich, dass wir das bereits bis Dezember diesen Jahres, also ein Jahr vor in Kraft treten der Kündigung, schaffen könnten, wenn wir uns jetzt kurzfristig über Reformbedarf verständigen. 50 Millionen Euro für die Kultusministerkonferenz im Jahr, 36 Gremien, mehr Leute als manches Kultusministerium hat, das ist völlig unverantwortlich. Wenn sich alle überall zur Decke strecken, dann kann sich nicht die Kultusministerkonferenz weiter derart verselbständigt aufführen, wie das die letzten Jahre der Fall gewesen ist.

Meurer: Aber wegen der Gehälter von einigen Beamten, muss man da gleich aus der Kultusministerkonferenz aussteigen?

Wulff: Wissen Sie, wenn seit Jahren der Reformbedarf über diese Kultusministerkonferenz von niemandem bestritten wird und dort Gremien tagen, Kommissionen, Ministerkonferenzen und während der Phase der Sparsamkeit zu überlegen brauchen wir sechs Abteilungen, wenn andere Ministerien in Ländern vier haben, und dann ein solcher Tarifvertrag geschlossen wird, wie er geschlossen wurde, an der Ministerpräsidentenkonferenz vorbei, an den Finanzministern vorbei, deren einhellige Empörung das gefunden hat, dann ist das ein Grund zu sagen, unter diesen Bedingungen bleiben wir nicht dabei, denn wir muten unseren Lehrern nicht zu Mehrarbeit, Kürzung von Sonderzuwendungen, Streichung von Weihnachtsgeld, während die Kultusministerkonferenz sagt für uns gilt das alles nicht.

Meurer: Über Ihre Entscheidung hat sich ja mancher oder haben sich viele gewundert. Wo ist der leise und bedächtige Christian Wulff geblieben?

Wulff: Gewundert haben sich darüber die Betroffenen, vielleicht gar nicht so sehr, aber sie haben sich riesig aufgeregt. Diejenigen, die die Kultusministerkonferenz seit vielen Jahren in ihrer Schwerfälligkeit beobachten, die sind dankbar und froh, dass jetzt über die Einführung des Mehrheitsprinzips bei vielen Fragen gesprochen wird, die eben dann auch beschleunigen und schneller zu Entscheidungen kommen, unser Bildungssystem besser machen. Ich glaube man darf in Deutschland nicht immer nur die Stellungnahmen der unmittelbar Betroffenen einholen, sondern man muss mal die Stellungnahmen der Bürger einholen, die mehr von Bildungssystemen und Qualität an Schulen und Hochschulen erwarten als derzeit geboten wird.

Meurer: Was sagen Sie ganz kurz zu dem Vorwurf, Wulff will sich in der CDU bundesweit profilieren?

Wulff: Der kommt immer. Der kommt vor allem von Journalisten, die sehr stark dazu neigen, lieber zu personifizieren als über die Schwierigkeiten von Bürgerversicherung oder Gesundheitsprämie zu berichten. Das Thematische ist oft komplexer, wobei dort das DeutschlandRadio natürlich voll auszunehmen ist, komplexer als über einzelne Personen zu spekulieren. Ich mache das aus der Sache heraus. Ich möchte in Niedersachsen eine Bildungspolitik, die vorbildlich ist und die in einigen Jahren dafür sorgt, dass unsere Schülerinnen und Schüler bei Pisa ganz vorne liegen.

Meurer: Herr Wulff, wir freuen uns natürlich über das Lob. - Danke schön Christian Wulff, der Ministerpräsident von Niedersachsen, heute Morgen im Deutschlandfunk. Auf Wiederhören nach Berlin Herr Wulff!

Wulff: Danke!

©Deutschlandfunk 2004 (c) ZEIT.de


eingetragen von Fritz Koch am 02.09.2004 um 11.33

zur vollständigen alten Rechtschreibung zurückkehren und sich nicht auf faule Kompromisse einlassen. Wir müssen sie darin unterstützen.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 02.09.2004 um 09.22

(c) DIE ZEIT 02.09.2004 Nr.37

Reduzierte Rechtschreibung

Zum ersten Mal in der erbitterten Debatte um die Rechtschreibreform hat sich ein Fensterchen mit Aussicht auf eine vernünftige Lösung geöffnet. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, lange wütende Gegnerin der Reform, hat einen Vorschlag zur Güte unterbreitet. Zu Recht nimmt sie an, dass die Reform weder durchgesetzt noch rückgängig gemacht werden kann. Sie schlägt deshalb den Kompromiss einer »reduzierten Reform« vor, nämlich »Übernahme von Teilen des neuen Regelwerks, die brauchbar sind; Erweiterung des Spielraums von Schreibnormen; Rückkehr zur hergebrachten Rechtschreibung, wo die neue fehlerhaft ist«.

In der Tat, so könnte es gehen; vorausgesetzt, die Anhänger der Reform ließen von ihrer Rechthaberei ab und die Gegner könnten ihre kleinbürgerlichen Beißreflexe unter Kontrolle halten. Der Vorschlag hat im Übrigen den Vorzug, in der Praxis erprobt worden zu sein. Die Schreibregeln der Nachrichtenagenturen oder die weiter gehenden Modifikationen, die Dieter E. Zimmer für den Hausgebrauch der ZEIT an der Reform vorgenommen hat, folgten schon Prinzipien, wie sie die Akademie jetzt formuliert hat.

Leider ist Eile geboten. Denn schon hat der neue Duden auf eigene Faust Hunderte von eigenmächtigen »Reduktionen« der Reform unternommen, die deren Ungereimtheiten nicht lösen, sondern um neue Ungereimtheiten und lange Listen von Ausnahmen vermehren. Denn so schlecht durchdacht waren die neuen Regeln nun wieder nicht, dass sie sich beliebig und überall dort durchbrechen ließen, wo sie die Schriftbilderwartung des Auges stören. Der »Spielraum von Schreibnormen«, den die Akademie anmahnt, muss für den einzelnen Schreiber gelten; der Spielraum ist nicht für den Duden gedacht, damit dieser wiederum seine Lieblingsvarianten durchzusetzen versucht. Vielleicht könnte es sogar gelingen, zu der weisen Regelbeschränkung zu gelangen, die der Germanist Werner Betz in den siebziger Jahren vorschlug, nämlich zu einer Hand voll Regeln, mit denen sich neunzig Prozent aller Fälle lösen lassen, und die restlichen zehn Prozent freizugeben, die allein für die Verzwicktheiten und Widersprüche (übrigens einer jeden denkbaren deutschen Rechtschreibung) verantwortlich sind.

Jens Jessen

(c) DIE ZEIT 02.09.2004 Nr.37


eingetragen von Norbert Lindenthal am 01.09.2004 um 15.54

(c) DIE ZEIT 02.09.2004 Nr.37

demokratie

Schöne Demokraten

Kaum wird es schwierig, zweifeln viele Deutsche am ganzen System

Von Giovanni di Lorenzo

Früher, als alles besser war, hätte sich Gerhard Schröder bestimmt nicht so aufgeregt. Früher hätte ihm ein Eier werfender Demonstrant wohl kaum mehr als ein Achselzucken abgerungen. Früher hätte er vielleicht den Eierwerfer vor Gericht verteidigt, rauflustiger Strafverteidiger, der er mal war. Heute, unter dem Eindruck der Proteste in Ostdeutschland, spricht der Kanzler Schröder von der »Zerstörung« politischer Kultur. Und man denkt: Für eine Hundertschaft Demonstranten, zwei Eier, die ihn nicht trafen, und einen Stein auf sein Auto ist das ein bisschen übertrieben.


Doch den Kanzler und fast jeden Beobachter, der den Volkszorn aus persönlicher Anschauung erfährt, dürfte eine böse Ahnung verschrecken: Wenn schon die erste einschneidende Reform in Deutschland derart viel Ablehnung und Verdruss hervorruft, was passiert eigentlich in diesem Land bis zum Ende der vielen angekündigten Neuerungen, zumal dann, wenn sich die erhofften Vorteile dieser Veränderungen nicht schnell einstellen werden? Gerhard Schröder hat soeben für sich und seine gequälte Partei eine Antwort gefunden. Er will zusätzliche Reformen, die für den Bürger mit neuen Widrigkeiten verbunden sein werden, in dieser Legislaturperiode nicht mehr anpacken, weder den weiteren Umbau des Gesundheitswesens noch die Pflegeversicherung. Es ist ein macht- und parteipolitischer Reflex: Nur in der Reduktion von Zumutungen sieht er für seine Regierung offenbar noch eine Überlebenschance.




Aber es ist ein allzu vertrauter Reflex, der nur in einem System greifen kann, in dem sich Reiz und Reaktion in etwa berechnen lassen. In dem eine Regierung für gute Leistungen belohnt und für schlechte abgestraft, dann aber von einer Opposition beerbt wird, die in mäßig abgewandelter Form die Arbeit der Vorgänger-Regierung fortsetzt. Was aber, wenn diese vertrauten Mechanismen nicht mehr greifen? Das Erschrecken in diesen Tagen folgt der Entdeckung, dass sich eine der besten und stabilsten Demokratien der Welt plötzlich zweifelnd und verunsichert zeigt, dass Menschen sich von der Demokratie abwenden und ihnen Demokraten unfähig erscheinen, größere Probleme zu lösen. Manchmal überfällt einen das Gefühl, als fehle dem Populismus in Deutschland zum Durchbruch nur noch eines: der rechte Mann, der gegebenenfalls auch ein linker sein kann, oder vor allem ein Anti-Parteien-Politiker.


Der Fokus von Politik und Medien liegt auf den protestierenden Ostdeutschen, und im Westen geben sich viele entsetzt. Doch der Blick allein auf den Osten verharmlost die Verhältnisse. Denn jetzt werden Fehlentwicklungen in ganz Deutschland sichtbar. Anspruchsdenken, Wehleidigkeit und mangelnde demokratische Reife bei den Bürgern. Gleichgültigkeit, Opportunismus und Hochmut bei den Eliten. In hoch industrialisierten und differenzierten Gesellschaften wurde bisweilen eine gewisse Wohlstandsverwahrlosung beklagt. Offenbar gibt es aber auch eine Verwahrlosung von Demokraten. Sie halten die Segnungen des Systems im harmloseren Fall für selbstverständlich; im schlimmeren sind für sie die demokratischen Institutionen längst jedes Sinnes entleert.


Zur Beruhigung halten wir uns an lieb gewordene Einsichten. Sie sind nicht ganz falsch, und doch machen sie blind für Gefahren: Seit über zwanzig Jahren, wird dann zum Beispiel abgewiegelt, spricht man über die Krise der Volksparteien und die Politikverdrossenheit der Bürger – aber die Parteien sind alle noch da, und die Bürger gehen (jedenfalls zu einem großen Teil) noch zur Wahl. Extremisten und Populisten haben sich bislang immer selbst gerichtet, kaum dass sie die Schwelle der Parlamente überschritten hatten. Und dann ist da noch das geflügelte Wort »Bonn ist nicht Weimar« oder »Berlin ist nicht Weimar«, das auf ein Buch von 1956 zurückgeht. Aber es war der Urheber selber, der Schweizer Publizist René Allemann, der vor einigen Jahren in der Weltwoche warnte, ein sicherer Befund könne erst dann ausgestellt werden, wenn in einer Krise das »soziale Netz durch tiefe Einschnitte an seiner Tragfähigkeit behindert wird und wenn die Wirtschaft nur noch durch Rücknahme sozialer Konzessionen funktionieren kann«.


Dieser Fall ist nun da: Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte muss sich die wirtschaftlich so erfolgsverwöhnte deutsche Demokratie unter den Bedingungen der Knappheit bewähren. Diese Aufgabe geht einher mit einem beängstigenden Ansehens- und Vertrauensverlust des Systems und seiner Eliten. Wenige Tage alt sind die Ergebnisse des Datenreports 2004, an dem das Statistische Bundesamt mitwirkte. Demnach glauben nur 49Prozent der Ostdeutschen, dass die Demokratie in Deutschland die beste Staatsform sei.


Auch eine im Frühsommer vorgestellte und alles andere als alarmistisch gehaltene Studie der Bertelsmann Stiftung dokumentiert einen Negativrekord: 55 Prozent aller Deutschen sind mit der Demokratie zurzeit eher unzufrieden. Zugleich schneiden Politiker, aber auch Unternehmerverbände, Gewerkschaften und Kirchen miserabel ab. Zu der in Verruf geratenen politischen Klasse in Deutschland zählt zudem ein Teil der Medien – was nichts anderes bedeutet, als dass Kontrolleure und Kontrollierte in einen Topf geworfen werden. Gegen den Schulterschluss großer Verlage bei der Bekämpfung der Rechtschreibreform ist deshalb auch weniger der Vorwurf berechtigt, dass sich Unternehmen die Kompetenzen des Gesetzgebers anmaßten, als die Kritik, wichtige Medien steckten unter einer Decke.Glaubwürdigkeit hieße hier vor allem Unterscheidbarkeit.


Im Übrigen helfen gegenseitige Schuldzuweisungen gar nichts, sie greifen den Glauben an die Effizienz demokratischer Institutionen nur weiter an. Es ist verlogen, darüber zu klagen, unsere Politiker seien nicht gut genug. Mit wenigen Ausnahmen hat sich die Generation der 30- und der 40-Jährigen den Parteien verweigert. Ihre besten politischen Talente fanden die Aussicht auf Kärrnerarbeit in der Partei und auf öffentliche Anfeindungen genauso abschreckend wie die Höhe der festgelegten Diäten. Im Großen und Ganzen also haben wir die Politiker, die wir verdienen. Die meisten von ihnen hätten sich nie träumen lassen, eines Tages Militäreinsätze beschließen oder den Vertrag aufkündigen zu müssen, wonach die Zustimmung der Wähler mit immer neuen Wohltaten korrespondierte.

»Die Größe eines Menschen liegt in der Entscheidung, stärker zu sein als seine Voraussetzungen«, hat der französische Schriftsteller Albert Camus geschrieben zu einer Zeit, als sein Land unter deutscher Besatzung und Europa in Flammen stand. Die Voraussetzungen zur Bewältigung der Krise in Deutschland sind so schwierig nicht. Aber für die politische Klasse ist es doch eine gewaltige Bewährungsprobe, womöglich die zweitschwerste nach der Rückkehr in die zivilisierte Staatengemeinschaft. Sie muss nicht mehr wie in den Jahren des Vergleichs zwischen Bonn und Weimar beweisen, dass die Deutschen überhaupt zur Demokratie fähig sind. Aber sie muss zeigen, dass diese Demokratie auch dann funktioniert, wenn Schönwetter-Kapitäne nicht mehr über Wohlstands- demokraten herrschen. Und damals wie heute braucht es eine überparteiliche Verständigung. Denn der Umbau des Sozialstaates, die Anpassung an die globalisierte Wirtschaft, das Ringen um Gerechtigkeit und neue Formen der Partizipation lassen keine Wahl. Sie sind die Existenzfragen unserer Gesellschaft.

(c) DIE ZEIT 02.09.2004 Nr.37


eingetragen von Norbert Lindenthal am 19.08.2004 um 08.10

gefunden am 19.8.2004

Lebenszeichen

Dass das klar ist

Harald Martenstein pflegt seine persönliche Rechtschreibung

Heute soll es ein sehr persönlicher Text werden. Ich bin ein normaler Mensch, ich habe Gefühle wie ihr alle. Als die Rechtschreibreform eingeführt wurde, musste ich eine Reportage über den Anführer der Antireformrebellen machen, einen bayerischen Deutschlehrer. Das war ein mir persönlich recht unangenehmer Patron, ein Besserwisser und Brotzeittrachtenjankerbazi und eitel bis zum Gehtnichtmehr. Daraufhin war ich spontan für die Reform und habe mit viel Krawumm allerlei Kommentare in dieser Richtung geschrieben. Ich bilde mir meine Meinung meistens emotional, anschließend suche ich, meistens im Internet, sachlich-intellektuelle Argumente, die zu meinen Gefühlen passen. So machen es fast alle Kommentatoren. Aber ich bin der Einzige, der es zugibt.
Heute soll es ein sehr persönlicher Text werden. Ich bin ein normaler Mensch, ich habe Gefühle wie ihr alle. Als die Rechtschreibreform eingeführt wurde, musste ich eine Reportage über den Anführer der Antireformrebellen machen, einen bayerischen Deutschlehrer. Das war ein mir persönlich recht unangenehmer Patron, ein Besserwisser und Brotzeittrachtenjankerbazi und eitel bis zum Gehtnichtmehr. Daraufhin war ich spontan für die Reform und habe mit viel Krawumm allerlei Kommentare in dieser Richtung geschrieben. Ich bilde mir meine Meinung meistens emotional, anschließend suche ich, meistens im Internet, sachlich-intellektuelle Argumente, die zu meinen Gefühlen passen. So machen es fast alle Kommentatoren. Aber ich bin der Einzige, der es zugibt.

Mein persönliches Rechtschreibverhalten habe ich nicht verändert, außer dass ich aus Herdentrieb dass statt daß geschrieben habe wie alle. Die Kommentare für die neue Rechtschreibung habe ich ausnahmslos in alter Rechtschreibung verfasst. Zwischen meiner Lebenspraxis und den von mir vertretenen Auffassungen besteht ein Widerspruch, gewiss. Das ist aber ebenfalls bei allen so. Ich wollte mir die neuen Regeln immer mal in Ruhe anschauen, aber dann war irgendwas am Boot kaputt oder Handwerkerärger, was weiß ich. Man kommt zu nichts. Am Anfang habe ich die Texte durch das Rechtschreibprogramm im Computer gejagt, aber das dauert ewig, da habe ich es nach einer Weile wieder gelassen. Es hat sich nie jemand beschwert. Die neue Rechtschreibung ist mir praktisch schnurz, obwohl ich sie, wie gesagt, theoretisch befürworte, aber keiner merkt was. Keiner sagt: »Hey, jetzt ist es schon zwei Jahre in Kraft, jetzt könntest du wirklich mal wieder erkennen schreiben statt wiedererkennen.« Sie haben es gedruckt, wie es geschrieben war. Mein persönlicher Stil geht so: »In deinen Zügen, Yvonne, kann ich meinen verstorbenen Großonkel wiedererkennen.« Aber: »Der Alkoholnebel ist weg, Yvonne, endlich kann ich dich wieder erkennen.« Das ist mein Stil. Er wird akzeptiert. Jeder kann schreiben, wie er will. Wo ist das Problem? Wenn sie wieder die alte Rechtschreibung einführen, passiert eines bestimmt nicht, und das wäre, dass ich wieder daß statt dass schreibe, dass das mal klar ist. Ich lasse mich nicht rumschubsen. Ich habe auch Gefühle. Ich bin auch ein Rebell.

Jetzt habe ich, zum ersten Mal, im Duden nachgeschaut, wie man ein Wort in neuer Rechtschreibung schreibt, nämlich »wiedererkennen«. Es steht auf Seite 830, 21.Auflage. Ergebnis: Der Duden weiß es auch nicht. Sie haben zwischen dem »wieder« und dem »erkennen« zwar eine Lücke gelassen, aber die Lücke ist deutlich kleiner als die zwischen »wieder« und »entdecken« in dem Wort genau darüber. Sie ist allerdings eine Spur größer als die Lücke im Wort »wiedererlangen« genau darunter. Ich habe den Duden mehreren Kollegen mit rasierklingenscharfen Augen gezeigt. Sie haben auf die Lücke geschaut. Sie haben den Duden ganz nahe an ihre Augen gehalten, dann ganz weit weg. Schließlich sagten sie: »Wahnsinn. Aus dem Duden geht nicht eindeutig hervor, wie wiedererkennen zu schreiben ist.« Wo also ist das Problem?


eingetragen von Norbert Lindenthal am 18.08.2004 um 11.14

19.08.2004 Nr.35

orthografie

Wettbewerb der Besserwisser

Die neue Rechtschreibung ist kein finsteres Bürokratenwerk und vergewaltigt nicht die deutsche Sprache. In Wirklichkeit vereinfacht sie die Orthografie an den Schulen. Verbesserungen bleiben immer möglich

Von Dieter E. Zimmer

Es war ein Overkill. Die Medienkampagne, zu der sich Springer und Spiegel in einer wunderlichen Allianz zusammengefunden haben, mit der Frankfurter Allgemeinen vorweg und der Süddeutschen halbherzig hinterdrein, dürfte die Ministerpräsidenten, denen sie Druck machen soll, mehr bedrücken als beeindrucken. Was, wenn es das nächste Mal nicht gegen ein so geduldiges Objekt wie die Schreibregelung geht, die die große Mehrheit des Volkes nicht die Bohne interessiert, sondern all diese konzertierte Desinformation und Stimmungsmache den Euro oder Hartz X zu Fall bringen soll?

Darum dürfte nicht die Rechtschreibreform gescheitert sein, wie ihre erbitterten Feinde seit Jahren behaupten, sondern die Konterreform. Nur ein einstimmiger Beschluss aller 16 Ministerpräsidenten könnte sie rückgängig machen. Diese Einstimmigkeit aber wird es nicht geben, weil dem einen oder anderen rechtzeitig klar sein dürfte, dass mit dem bloßen Beschluss noch wenig getan wäre und eine demokratisch zustande gekommene Reform sich nicht durch landesherrliche Dekrete wegpusten lässt, selbst durch eine Volksabstimmung nicht. Beides könnte nur Anstoß zu einem geordneten Rückbau sein. Der aber wäre ein langwieriger Prozess, und an jedem Knotenpunkt würde man sich fragen, wie viel Sinn ein vollständiger Abriss denn eigentlich noch hätte.

Desinformation und Stimmungsmache. Unter gnadenloser Aussparung jeder gegenteiligen Meinung operiert die Medienkampagne unisono mit drei Argumenten. Eins: Die Reform wurde dem Volk von Bürokraten oktroyiert. Zwei: 2005 soll sie für jedermann Pflicht werden. Drei: Es herrschen Verwirrung und Chaos. Als furchterregende Exempel für das, was dem Volk droht, dienen jedes Mal ein paar zufällige Wörter, deren Schreibung nicht gefällt; oft sind diese warnenden Beispiele falsch.

In ein paar Zeilen konzentriert, war diese Argumentation in dem Artikel zu besichtigen, mit dem die einflussreichste Gralshüterin der deutschen Sprache den Auftakt zu der Kampagne gab, Bild: »Schlechtschreibreform ›Das habt ihr dem Volk aufgezwungen‹ – ›Fassette‹ statt ›Facette‹! ›Delfin‹ statt ›Delphin‹? Ab nächstem Jahr soll die neue deutsche Rechtschreibung Pflicht werden … De facto schreibt nun jeder, wie er will.« Indessen, Delphin und Facette durfte und darf weiterhin jeder schreiben; die eingedeutschten Schreibungen sind lediglich fakultative Varianten.

Bürokratenwillkür. Die seit fünfzig Jahren auf der Agenda stehende Reform ist in endlosen internationalen Gremiensitzungen – viel zu vielen – und Anhörungen jahrelang beraten und dabei modifiziert worden, jahrelang konnte sie öffentlich diskutiert werden, und am Ende haben Bund und Länder sowie alle neun betroffenen Staaten ihr einhellig zugestimmt. Obendrein hat dann noch das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass die Art der Einführung (durch Verordnungen der Landesschulbehörden statt durch Gesetze) rechtens war. Dass die Fundamentalopposition, erst ein Jahr nachdem die Entscheidungen gefallen waren, aufgewacht ist, macht den ganzen Prozess nicht undemokratisch.

»Die Politik«, »die Bürokratie« hätte »die Sprache« vergewaltigt, die »dem Volk« gehört? Um »die Sprache« geht es sowieso nicht. Wer die Rechtschreibung mit der Sprache verwechselt, hat einen allzu armseligen Begriff von dieser. Dass die Reform »die Sprache konsequent ihrer Ausdrucksmöglichkeiten beraube«, ist eine Wahnidee, von deren Haltlosigkeit sich jeder Leser in drei Minuten überzeugen könnte. Es ging nicht um die Sprache, sondern um eine minimale, die Lesbarkeit nicht beeinträchtigende Veränderung der Schreibweise für einige tausend Wörter unter Hunderttausenden. Die Änderungsquote lag zwischen zwei und drei Prozent (die unzähligen zusätzlichen Trennfugen, die die unbedachte Neuregelung der Worttrennung mit sich brachte – I|gel, In|s|t|ru|ment –, nicht mitgezählt).

Bis heute hat sich nicht herumgesprochen, nicht einmal zu allen Ministerpräsidenten, dass der Staat dem Volk gar keine Orthografie verordnen kann. Es handelt sich bei der alten wie der neuen um nicht mehr und nicht weniger als die Schulorthografie. Sie gilt nur für Schüler und Lehrer und die staatlichen Behörden. Am 1. August 2005 soll nur die siebenjährige Übergangsphase enden, in der in den Schulen Alt und Neu nebeneinander gegolten haben. Im Übrigen konnte und kann jeder schreiben, wie ihm beliebt. Die heroische Widerstandspose der Konterreformer ist darum gratis. Sie dürfen ja, durften immer, werden immer dürfen. Jeder Verlag kann abwägen, ob er den orthografischen Vorlieben seiner jetzigen oder seiner künftigen Leser und Autoren entgegenkommen will. Nur dadurch, dass die allgemeinen Rechtschreibwörterbücher der Schulorthografie folgen müssen, um an den Schulen zugelassen zu werden, breitet sich diese in die Allgemeinheit aus.

Verwirrung und Chaos. Verwirrung besteht tatsächlich, und die Kippkampagne hat sie selber geschürt, indem sie in Aussicht stellte, demnächst würden wieder die »klassischen« Schreibweisen gelten – sodass sich die Leute nun fragen, ob sie sich den neuen Duden überhaupt noch kaufen sollen. Ein Chaos jedoch herrscht keineswegs. Es besteht lediglich ein Nebeneinander von zwei geringfügig verschiedenen Orthografien. In einem Kino, das zwei klar bezeichnete Ausgänge hat, herrscht aber nicht mehr Chaos als in einem mit nur einer Tür nach draußen.

Dass beide Orthografien lange koexistieren würden, mindestens eine Generation lang, war sehr wohl vorauszusehen. Es war nie zu erwarten, dass die Allgemeinheit die einmal, mühsam genug, in der Schule erlernten Schreibweisen verlernen würde. Es war nicht einmal zu wünschen, denn in Rechtschreibdingen ist der Mensch mit Grund stockkonservativ. Ohne sein Bedürfnis, den eingeschliffenen, sich automatisch einstellenden Wortbildern treu zu bleiben, gäbe es gar keine stabilen Schreibweisen. Da überdies das Hauptfundament der Schriftkultur nach wie vor nicht die ephemere Presse ist, sondern das Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte überdauernde Buch, ist das unbefristete Fortleben der Orthografie, in der von 1901 bis 1998 sämtliche Bücher gedruckt wurden, sogar ein dringendes Desiderat. (Dass Hitler 1941 mit einem Schlag sämtliche Frakturschriften abschaffte, hat schließlich dazu geführt, dass die meisten älteren deutschen Bücher heute vielen buchstäblich unlesbar erscheinen.)

Die Reformer haben das faktische Nebeneinander zweier Orthografien nicht oder jedenfalls nicht deutlich genug vorausgesehen, den Erfolg der Reform unnötigerweise an deren sofortige Akzeptanz in der außerschulischen Öffentlichkeit gekoppelt und sich damit die heutigen Schwierigkeiten zum Teil selbst eingebrockt. Welche Orthografie sich in der Öffentlichkeit schließlich durchsetzt, entzieht sich der Regelungskompetenz des Staates. Es entscheidet sich sozusagen am Markt. Wenn jene, die heute allein die Reformschreibung lernen, aus der Schule ins Leben hinauswachsen, wo teilweise anders geschrieben wird, werden sie (sofern es dann überhaupt noch jemandem auf rechte Schreibung ankommen sollte) ihre eigene dorthin mitnehmen, und dann treten beide in unmittelbare freie Konkurrenz. Wird die neue dann als »kindisch« angesehen, siegt die alte; gilt die alte als »altmodisch«, siegt die neue. Sonst mischen sich beide.

Aber ist es nicht schlimm, dieses Nebeneinander zweier Orthografien? Werden die Kinder nicht an der Schulorthografie irre, wenn sie außerhalb der Schule Dinge lesen müssen, die ihr nicht ganz entsprechen? Muss man sie nicht aufs sorgfältigste abschirmen gegen diese Unbill? Ach, die Kids wissen schon, dass im Leben manches unübersichtlicher ist als in der Schule. Von morgens bis abends müssen sie draußen im Leben noch ganz anderes lesen. Überall auf den Straßen stehen Sachen, die weder der neue noch der alte Duden erlaubt. Wer sich die Mühe macht, im Internet nachzuforschen, wie »das Volk« tatsächlich schreibt, wenn ihm dabei niemand auf die Finger sieht, dem werden die Augen übergehen. Wir ziselieren verbissen an der Orthografie von 1901 herum, zerraufen uns die Haare, ob man Delphin vielleicht auch Delfin schreiben kann, und draußen im Leben schreiben sie ihn Dälfihn oder dell Fien, wie es gerade kommt, weil dort schon vor der Reform das Bewusstsein verloren zu gehen begann, dass es überhaupt eine Orthografie gibt und man sich an sie halten sollte. Abhanden aber kommt es nicht wegen irgendeiner Rechtschreibreform, sondern weil die Leute aus der Schrift- in die Bildkultur abwandern und immer weniger, immer unwilliger, immer unaufmerksamer lesen. Um die weitere Ausbreitung der Schreibschwäche zu stoppen, müsste diese Leseschwäche überwunden werden, sonst sind alle Orthografien perdu.

Falls die Ministerpräsidenten nicht die Rücknahme der Reform verfügen, aber dem Sperrfeuer von Bild, FAZ und Spiegel das Ziel nehmen möchten, könnten sie – wahrscheinlich ohne lange internationale Entscheidungsprozesse – sogar etwas Schreckliches tun, was aber auf den zweiten Blick viel von seinem Schrecken verlöre: Sie könnten die Übergangsphase über 2005 hinaus unbefristet verlängern. Es hätte zur Folge, dass die Lehrer alte Schreibweisen wie in den acht Jahren zuvor nicht als Fehler anstreichen müssten. Damit wäre offiziell anerkannt, was sowieso der Fall ist: dass zwei Orthografien nebeneinander existieren, und die alte taugte nicht mehr zur politischen Protestschreibung gegen staatlichen Übermut.

Rückbau. Hinter dem Irrtum, dass sich die Reform mit einem »mutigen Sprung« aus der Welt schaffen ließe, scheint die Vorstellung zu stehen, die vor der Reform gültige Rechtschreibung sei irgendwie »natürlich«, von allein aus dem Volk hervorgewachsen oder von seinen Dichtern und Denkern vom Himmel herabgebetet worden. In Wahrheit war die alte Schulorthografie reines Bürokratenwerk, 1901 von einem kleinen Expertengremium innerhalb von drei Tagen beschlossen und diskussionslos angeordnet, und sie war darum nicht schlecht. Die Wörterbücher, die das damals beschlossene Regelwerk sichtbar und zum allgemeinen Maßstab machten, lieferte Konrad Duden nach, und seitdem ruhte die Kompetenz für die »Ausdifferenzierung« der Regeln – also für die Schreibung neu aufzunehmender Wörter – bei dessen Verlag. Die alte Rechtschreibung galt also nicht von ungefähr, sie hatte eine Rechtsgrundlage.

Die Reform von 1998 hat diese durch eine neue abgelöst. Die Rechtschreibreform »kippen« hieße: entweder die neue Rechtsgrundlage für ungültig erklären – dann gäbe es gar keine Schulorthografie mehr. Oder: zum Status quo ante zurückkehren – dann müsste wieder der Dudenverlag die Regeln von 1901 weiter »ausdifferenzieren«. Das aber wäre nicht nur wenig demokratisch, sondern auch aus anderen Gründen misslich. Die alte Rechtsgrundlage nämlich war eine provisorische Notlösung in Erwartung einer Neuregelung, 1955 von den Kultusministern verfügt, weil die Einheitsschreibung damals akut bedroht schien: Es gab zwei Dudenverlage, einen in Mannheim und einen in Leipzig, die das zugrunde liegende Regelwerk jederzeit verschieden interpretieren konnten; und andere westdeutsche Verlage hatten begonnen, es tatsächlich anders zu interpretieren.

Diese unterschiedliche Ausdifferenzierung war fast unvermeidlich, weil das Regelwerk von 1901 für die allerschwierigsten Gebiete (Fremdwortschreibung, Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung) überhaupt keine ausreichenden Regeln enthielt. Hier hatte seine Anwendung mit den Jahrzehnten denn auch zu den zahlreichen Absurditäten der »bewährten«, der »klassischen« Rechtschreibung geführt, deren Tücken heute wie vergessen scheinen. Es war also dringend erneuerungsbedürftig. Darum wurde damals eine Neuregelung in Aussicht gestellt, zu der sich dann aber 40 Jahre lang niemand aufraffen mochte. Heute zu dem schon vor einem halben Jahrhundert ungenügenden Regelwerk von 1901 zurückzukehren wäre ein Schildbürgerstreich, den man der Kultusbürokratie denn doch nicht zutrauen sollte. Aber ein ganz anderes, ein drittes Regelwerk anzustreben, das beider Schwächen vermiede, eröffnete die ganze Reformdebatte aufs Neue. In der Zwischenzeit – Jahre? Jahrzehnte? – gäbe es entweder gar keine Schulorthografie mehr, oder es gälte weiter die neue, aber wieder nur auf Abruf, als versteinerndes Provisorium.

Nach einem Rücknahmebeschluss müsste also zunächst eine neue Rechtsgrundlage geschaffen und juristisch abgesichert werden, ein Projekt wie ein neuer Großflughafen. Gleichzeitig müssten neun internationale Abmachungen rüde gebrochen oder zurückverhandelt werden. Dann müssten die gedruckten Schulbücher makuliert und durch neue ersetzt werden – geschätzte Kosten 190 Millionen Euro für die unbrauchbar gewordenen Lagerbestände, 60Millionen für die Umstellung –, und jemand müsste das bezahlen, entweder die Länder (also ihre Steuerzahler) oder die Eltern (durch höhere Preise). Dann müssten die zwölf Jahrgänge, die bei der Rückumstellung noch in der Schule ertappt werden, neuen Rechtschreibunterricht erhalten. Und dann würde die Fundamentalopposition vielleicht applaudieren, aber sie wäre inzwischen stark gealtert, und ihr Applaus verhallte womöglich ohne Echo.

Die neue Rechtschreibung hat einige große Schwächen. Sie wurden von Freund und Feind rechtzeitig erkannt, aber nicht behoben, weil sich Reformer und Gegenreformer gegenseitig blockierten. Da keine Seite das Gesicht verlieren wollte, arteten Kritik und ihre Abwehr zu einem Wettbewerb der Besserwisser und Rechthaber aus, in den sich die Kultusbürokratie – darin besteht ihr Versagen – inhaltlich nicht einmischen mochte oder konnte. Nach fünf Jahren Praxis liegen die Schwächen heute noch klarer zutage. Sie liegen in den alten Unsicherheitszonen Fremdwort, groß/klein, getrennt/zusammen, in denen sich ständig verschiedene Logiken gegenseitig durchkreuzen, sodass es wirklich befriedigende – jedem intuitiv einleuchtende – Lösungen gar nicht geben kann. Hier bestanden schon früher die größten Unsicherheiten, hier bestehen sie immer noch. Ist das voraus von im Voraus ein Substantiv und muss darum groß geschrieben werden? Das nachhinein von im Nachhinein? Wie steht es mit von neuem und aufs Neue? Mit dem leid in leid tun, dem not in not tun, dem feind in feind sein, die die Reform irrtümlich zu Substantiven ernannt hat, während es doch alte Adjektive sind? Hier hat die Reform nichts erleichtert, sondern nur bekräftigt, dass man Deutsch nur richtig schreiben kann, wenn man bei jedem Zweifel im Wörterbuch nachschlägt.

Die größte Schwäche der Reformschreibung aber besteht darin, dass sie an einigen Stellen tut, was keine Orthografie tun darf: jemanden zwingen, zu schreiben, was er gar nicht meint. Die Rede ist von der starken Vermehrung der Getrenntschreibung. Sie zerreißt Begriffe wie sogenannt, umweltschonend, vielversprechend, wohlverdient in ihre Bestandteile, die einzeln jedoch meist etwas anderes bedeuten, und scheint sie damit aus der Sprache zu tilgen – ein Unding.

Es gibt einen Korrekturvorschlag der Rechtschreibkommission, der von der Kultusministerkonferenz akzeptiert wurde und bis zum nächsten Jahr in die Wörterbücher eingearbeitet sein soll. In vielen Fällen erlaubt er neben den neuen Getrennt- und Großschreibungen auch wieder die alten Schreibweisen, lässt das Unentscheidbare also praktisch unentschieden. Damit verringert er de facto den Abstand zwischen Neu und Alt und durchlöchert die unhandhabbaren neuen Regeln weiter, aus denen die lebensfremden Groß- und Getrenntschreibungen hervorgingen, lässt sie jedoch als beständige Gefahrenquelle weiter bestehen.

Wer wirklich etwas für die Rechtschreibung tun will: Hier ist der Handlungsbedarf.

(c) DIE ZEIT 19.08.2004 Nr.35


eingetragen von J.-M. Wagner am 17.08.2004 um 16.05

Der Artikel, auf den sich Herr Morgenstern bezieht, ist unter http://www.rechtschreibreform.com/Perlen/KraftBank/KraftBank.pl?ThuAug1207:18:58CEST2004 zu finden.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Ulrich Morgenstern am 16.08.2004 um 23.03

Dr. des. Ulrich Morgenstern
Hellkamp 11
20255 Hamburg
Tel.: 040 / 279 68 48
Mobil: 0172 / 996 93 78

Sehr geehrter Herr Dr. Naumann,

Nach langen Jahren durfte in der ZEIT № 33 ein kritischer Text zur Rechtschreibreform erscheinen, der das Thema einmal nicht mit klischeehaften Bemerkungen in launisch-desinteressiertem Ton vom Tisch wischte. Mit mir trugen sich nicht wenige Leser Ihrer Zeitung für einen kurzen Augenblick mit der Hoffnung, daß die Redaktion sich aufraffen könnte, das Prokrustesbett (wenngleich „vorsichtig repariert von Dieter E. Zimmer“) endlich vor die Türe zu stellen.

Ich bin es leid, in Ihrer Zeitung ständig Formulierungen zu lesen wie „Ich ziehe eine Hand voll Fotos aus der Tasche“ oder „eine Hand voll Körner, abgezogen und in der Pfanne gebraten“. Auch sind Ihre bedauernswerten Redakteure sicher ausnahmslos in der Lage, Äußerungen zu unterscheiden, in denen ein Kind subjektiv als „hoch begabt“ chatrakterisiert oder als „hochbegabt“ qualifiziert wird. Ihre Hausorthographie verbietet gleichwohl – entgegen den Zusicherungen Ihres Kollegen Zimmer – solche und andere Unterscheidungen. Wenn ich in der ZEIT von „Stalins Blut saufendem Innenminister“ lese, so kann ich beim zweiten Anlauf zwar erkennen, daß es Ihrem Autor nicht um die Körpersäfte des Diktators und auch nicht um die Trinkgewohnheiten seines Ministern zu tun ist, angenehm wird das Lesen durch solche Stolpersteine jedoch keineswegs. (Und beschweren Sie sich bitte nicht bei Ihren versierten Schlußredakteuren, die nach Ihrer Hausorthographie die freie Wahl hatten, nach dem Muster „abscheuerregend“ oder eben auch „Holz verarbeitend“ zu verfahren.
Wie Sie es fertigbringen, die Urheber all diesen Unfugs als „linguistische Fachleute“ zu bezeichnen, ist mir gelinde gesagt unverständlich. Ein solches Lob dürften die Schreibkommissare seit Jahren aus keiner überregionalen Zeitung mehr vernommen haben. Halten Sie das Sprachgefühl Ihrer Leser wirklich für so schlecht, daß ihnen Schreibweisen wie „der Hohe Priester“ nicht aufstießen? Ich darf annehmen, daß Ihre Mitarbeiter häufig selbst nicht bemerken, was die Reformschreibe im Einzelfall aus ihren Texten macht. Mir ist jedenfalls bekannt, daß ein nicht geringer Teil Ihrer Redaktionsmitglieder sich beim Schreiben um die Reformorthographie verständlicherweise keine Gedanken macht, da dieses Spezialwissen Sache der Schlußredaktion ist. Höchstwahrscheinlich war es auch nicht Walter Kempowski selbst, der in Ihrer Zeitung von Adalbert Stifters „Fress-Sucht“ schrieb. Natürlich ist dies kein gewöhnlicher Boulevard-Bindestrich, sondern eine Notlösung zur Verhinderung einer noch unangenehmeren Schreibweise. Auch bei solchen Kleinigkeiten irritiert es den Leser, wenn der Verfasser bzw. der Redakteur zu drartigen Umgehungsstrategien gezwungen ist.

Zu Ihrer Argumentation im einzelnen möchte ich folgendes bemerken: Wenn Sie dem Schreibgebrauch unserer zeitgenössischen Autoren einen „wilhelminischen Ursprung“ zuschreiben, so bedienen Sie ein recht billiges Klischee. Sprachgeschichtlich sind die reformierten Getrenntschreibungen weit älter. Daß sie heute schon aus grammatischen Gründen obsolet sind („Erfolg versprechender“), haben die Reformer schon bald nach der Verabschiedung des Regelwerks feststellen müssen. Die vermehrten Großschreibungen, auf welche die Rechtschreibkommission nach der Ablehnung ihrer ursprünglichen Pläne zurückgreifen mußte (dem Vorschlag eines österreichischen Hobby-Linguisten folgend) gehen sogar auf die Barockzeit zurück. Wer ist hier rückwärtsgewandt?

Sie unterstellen den Verlagen, die zur bewährten Einheitsorthographie zurückkehren, andere Motive als die „Sorge um die Lesbarkeit“. Zumindest ist von dieser Sorge in Ihrer Argumentation ebenso wenig zu spüren wie in Ihrer Zeitung. Wohlgemerkt – „ebenso wenig“, es mag also schon ein wenig Sorge vorhanden sein; ich sagte nicht „ebensowenig“, also „gar nicht“. Auch solche Unterscheidungen verbietet gleichwohl Ihre Hausorthographie.

Die „Beseitigung aller Zweifelsfälle“ hat niemals irgendjemand verlangt oder gar versprochen. Auffallend ist lediglich ihr explosionsartiges Ansteigen, gerade auch in Ihrer „Zeitschreibung“ („hoch geehrt“, aber „hochwillkonmmen“). Bezeichnend nicht nur für Ihre redaktionelle Praxis ist die Ratlosigkeit, die aus Ihrer hauseigenen Not-Orthographie spricht: „hoch + Adjektiv oder Partizip: nachschlagen!“ Was sonst?

Die Schriftsprache bedarf keineswegs immer eines „autoritativen Regelwerks“. Ist eine Einheitsorthographie erst einmal geschaffen, regelt sich die weitere Entwicklung der Rechtschreibung von selbst, sie kann durch mehr oder weniger gelungene Regelwerke nachträglich beschrieben werden. Bis zur Reform schrieb man nicht wie es im Duden steht, sondern es stand im Duden, wie man es schreibt. Ein merkwürdiger Widerspruch besteht m.E. auch darin, daß Sie dem Staat das Recht zusprechen, sprachliche „Beliebigkeit einzudämmen“, und andererseits die Rechtschreibreform „viel toleranter“ nennen als ihre angebliche „Vorgängerin aus dem Jahre 1901“. Konrad Duden hat indessen keine Schreibweisen erzwungen, die grammatisch falsch sind („Wie Recht du doch hast!“) und die Bedeutungsunterscheidungen verbieten. Auch hat er nie versucht, frei erfundene Regeln unter das Volk zu bringen und Schreibungen, die sich nicht bereits im Gebrauch bewährt hätten.

Ist es Populismus, wenn nun einige Politiker endlich den Abbruch des gescheiterten Experiments fordern, das inzwischen in „allen maßgeblichen Institutionen der Republik“ als Fehler angesehen wird? Offensichtlich stehen diese Institutionen für Sie höher als hundert Schriftsteller und sechshundert Sprachwissenschaftler, die unmittelbar nach Bekanntwerden der Reformpläne massiven Widerspruch einlegten. Sicherlich werden es unsere Autoren mit Erleichterung zur Kenntnis genommen haben, daß sie nicht an „staatliche Schreibanweisungen“ gebunden sind. Daß Schülern die durch die Lektüre zeitgenössischer Autoren erworbene Bekanntschaft mit der modernen Wortbildung des Deutschen nach derzeitiger Beschlußlage bald mit Nachteilen zu rechnen haben, scheint Sie nicht weiter zu beunruhigen.

Den „Aufstand gegen neue Trennungsregeln“ (die definitiv niemand auch nur halbwegs konsequent anwendet, auch keine Wörterbuchredaktion) gab es bereits vor der jüngsten Initiative der Bild-Zeitung.

Mit Verwunderung lese ich schließlich von Ihrer Einschätzung, daß bis 2005 die „verbliebenen Schwächen in der Rechtschreibreform“ korrigiert werden könnten. Von einer erneuten Revision über die demnächst in der 23. Auflage des Duden-Rechtschreibwörterbuchs vorgesehenen Änderungen hinaus ist bislang nichts bekannt geworden. Ihre Hoffnung ist umso erstaunlicher, da Ihre eigene Hausorthographie noch sinnentstellende Vorgaben einhält, die der Duden teils schon seit vier Jahren nicht mehr als zwingend erachtet („hoch begabt“). Ist es für eine sich als liberal verstehende Zeitung so schwer zu verstehen, daß zur Freiheit des Wortes auch die Freiheit der Wortbildung gehört? Ihre Ankündigung, sich ohne jede Prüfung „der endgültigen Fassung“ anzuschließen, zeugt von einer würdelosen Unterwerfung unter ein staatliches Wortbildungsmonopol, das von Ideologen und Stümpern mit einer geradezu sadistischen Einstellung zur Sprache geschaffen wurde.

Wenn es im deutschsprachigen Raum irgendwann wieder eine Einheitsorthographie geben sollte, dann ganz sicher nicht auf der Grundlage einer letztlich kulturrevolutionär motivierten Sprachplanung. Jeder Kompromiß wäre (abgesehen von einigen Worttrennungen am Zeilenende) sachlich vollkommen unbegründet, teuer und ohne jede Aussicht auf allgemeine Akzeptanz. Sie haben eine Möglichkeit verpaßt, das gewaltig schwankende Kartenhaus in aufrechtem Gang zu verlassen.

Es ist beschämend, daß Sie es in diesen Tagen mithin weniger Berufenen überlassen, sich für die Wiederherstellung einer differenzierten und nuancenreichen Einheitsorthographie einzusetzen. Was Sie als „Komplott im Sommer“ bezeichnen ist mir allemal lieber als Ihr Wörterkompott das ganze Jahr lang. Aus diesem Grunde habe ich Ihre Abonnementsabteilung über meine Absicht informiert, mein langjähriges Abonnement der ZEIT zum nächstmöglichen Termin kündigen.

Sollte Ihre Zeitung die Entscheidung für die weitere Teilnahme an dem sprachpolitischen Experiment widerrufen, würde ich gerne wieder zu Ihren Abonnenten zählen.

Mit freundlichen Grüßen


Ulrich Morgenstern

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Ulrich Morgenstern


eingetragen von Norbert Lindenthal am 12.08.2004 um 08.08



12.8.2004

Rechtschreibreform

Wohlbekannt oder wohl bekannt?

Wer will wirklich zurück zur alten Rechtschreibung? Eine Umfrage unter deutschen Buchverlegern

Auszug

Die Tragödie bahnte sich bereits vor acht Jahren an, als die Vorschläge für die Neuregelungen bekanntgemacht wurden. Die wenigen, durchaus kompetenten, Kritiker standen einer obrigkeitshörigen Mehrheit von Befürwortern in der auftraggebenden Ministerialbürokratie gegenüber und mußten zusehen, wie eine evident vermurkste Reform von den Kultusministern, ohne parlamentarische Legitimation, schließlich verordnet wurde. Die Schulbuchverlage unterwarfen sich ohne Protest sofort dem Diktat der Ministerien, und die Kinder- und Jugenbuchverlage, auch »dtv junior«, stellten um, damit ihre Bücher weiterhin in den Schulen benützt werden können. In allen Verlagen mußten eigene Richtlinien entwickelt werden, weil die offiziellen »amtlichen« Versionen zu verwirrend waren und sind. Der Bestand der in- und ausländischen Bibliotheken an deutscher und übersetzter Literatur sowie die Produktion der belletristischen Verlage wurden damit schlagartig als veraltet deklariert. Brutaler kann man nicht verhindern, daß sich eine ohnehin nicht gerade lesefreudige Generation der Weltliteratur öffnet. Eine zukünftige Spaltung in eine Sprache der Literatur und eine der Schulen und der Bürokratie kann aber doch ernsthaft von niemandem befürwortet werden. Um permanentes Chaos zu verhindern, muß die Reform mit dem Eingeständnis eines schweren politischen Fehlers zurückgenommen und dem evolutionären Veränderungsprozeß der Sprache wieder der natürliche Spielraum zugebilligt werden. Die schmerzlichen Kosten für eine übergangsgeregelte Rückführung sind mit Sicherheit verkraftbarer als eine Nachbesserung ohne Ende.

Wolfgang Balk, Verleger, Deutscher Taschenbuch Verlag


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