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eingetragen von Sigmar Salzburg am 08.03.2017 um 09.55

Seit den 60ern besitze ich das Hochschulskript „Quantentheorie“ von H. Mitter, Schreibmaschinenschrift mit handschriftlich eingefügten mathematischen Formeln; seit 1994 die 3. überarbeitete Auflage in Normaldruck.

Wollte man dieses Resultat in Termen des klassischen Modells interpretieren, so müßte man schließen, daß die magnetischen Momente (bzw. die Drehimpulse) der Strahlteilchen nicht statistisch verteilt sind, sondern daß es einige Teilchengruppen gibt, die bestimmten Richtungen entsprechen. (1994)
Zufällig finde ich auf der Seite der Wiener Uni ein 5. Kapitel – stark veränderter Text, nun nach den neuesten Erkenntnissen der „Wissenschaft“ überarbeitet: umwerfend die ungeheure Erleichterung des Schreibens und Lesens durch die Einführung des Heyse-ss-Systems von 1800:
Wollte man dieses Resultat in Termen des klassischen Modells interpretieren, so müsste man schließen, dass die magnetischen Momente (bzw. die Drehimpulse) der Strahlteilchen nicht statistisch verteilt sind, sondern dass es einige Teilchengruppen gibt, die bestimmten Richtungen entsprechen. (~2005)
Eine ignobelpreisverdächtige Entdeckung der orthographischen Wissenschaft ist nun auch eingearbeitet: die Spaltbarkeit von „sogenannt“:
... erkennen wir, dass alle Zustände durch einen reellen Vektor beschrieben werden können, deren Menge einer Vollkugel entspricht, der so_ genannten Blochkugel:...
(Die „sogenannte Blochkugel“ fehlte noch in den 60ern, aber ich hatte sie mir schon selbst erfunden.)
Man beachte, dass nach einer Projektion der Output–Zustand i. Allg. nicht mehr normiert ist (eh klar!). In der Quantentheorie spricht man vom so genanntenMessproblem“...
Wieder erstaunt uns die Voraussagekraft der orthographischen Wissenschaft, die die Kulturpolitiker überzeugte, daß uns 90 Prozent der Rechtschreibfehler erspart werden würden:
Leider oder gottseidank gibt es keine eindeutige Zerlegung in reine Zustände. Das ist eine der Hauptschwierigkeiten bei beispielsweise dem Auffinden eines Verschränkungsmasses.
Die Volksbelästigung von hundert Millionen durch die „Reform“ und deren zweistellige Miliardenkosten sind also vollauf gerechtfertigt.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 02.08.2014 um 08.11

Ich habe nie begriffen, wie man meinen konnte, mit der diffusen Methode der „Dialektik“ (These, Antithese, Synthese) imstande zu sein, die gesamte Entwicklung der vielfältigen Welt beschreiben oder gar voraussagen zu können. Im DDR-Funk der 50er Jahre gab es eine Sendung „Wissenschaftliche Weltanschauung“, die das täglich wie eine Abendandacht verbreitete. Karl Popper hat die Schwächen dieser Denkweise aufgedeckt, übersichtlich in einem Aufsatz von 1940, der 1968 auf deutsch erschienen ist. Im Internet ist er in der Reihe „Vordenker, Sommer-Edition 2004“ zugänglich. Hier glaubte man allerdings, den Text für ungeübte Denker in die „leichter lern- und lesbare“ Reformschreibung übersetzen zu müssen. Das klappte nicht immer:

Wenn diese Beschreibung der Entwicklung des menschlichen Denkens im allgemeinen und des wissenschaftlichen Denkens im besonderen als mehr oder weniger korrekt akzeptiert wird, dann kann sie uns verstehen helfen, was diejenigen meinen, die sagen, dass sich die Entwicklung des Denkens »dialektisch« vorwärts bewege...

Die alleinige »Kraft«, die die dialektische Entwicklung vorwärtstreibt, ist deshalb unser Entschluss, den Widerspruch zwischen Thesis und Antithesis nicht zu akzeptieren bzw. nicht zu dulden. Es ist keine mysteriöse Kraft im Inneren dieser beiden Ideen, keine mysteriöse Spannung zwischen ihnen, die die Entwicklung vorwärtstreibt – es ist lediglich unsere Entscheidung, unser Entschluss, keine Widersprüche zuzulassen, wodurch wir veranlasst werden, uns nach einer neuen Ansicht umzuschauen, die uns die Vermeidung der Widersprüche ermöglichen kann. Und dieser Entschluß ist völlig gerechtfertigt...

aus: Ernst Topitsch (hrsg.), Logik der Sozialwissenschaften, Band 5 (5 1968) p.262-290.
Im Original: What is dialectic? Aus: Mind, N. S., Bd. 49, 1940 ... Vordenker, Sommer-Edition 2004


Als Ergänzung zu diesem Eintrag:


eingetragen von margel am 18.01.2005 um 11.38

Ich glaube, Karl Kraus prägte das Bonmot von der "verfolgenden Unschuld".


eingetragen von Theodor Ickler am 17.01.2005 um 16.44

Nun, ich war es, der in einem persönlichen Brief an Augst die Reform als "m. M." bezeichnete. Diese Bezeichnung halte ich immer noch für richtig, z. B. im Hinblick auf das unermeßliche Leid, das die Reform über so viele Lehrer gebracht hat; reformbezogenes Mobbing gibt es aber überall.
Die Nazi-Interpretation ist natürlich Augsts Hinzufügung. Zum erstenmal glänzte er damit vor dem Rechtsausschuß des Bundestages. Ich habe mich damals sofort dagegen verwahrt, schließlich gibt es genug menschenverachtende Massenexperimente anderer Art in der Geschichte (Zwangskollektivierungen und "Kulturrevolutionen" gehören dazu). Augst hat das dann bei jeder Gelegenheit wiederholt, und er kann ja so richtig ergreifend reden, vor allem in der Rolle der "verunglimpften" Unschuld.
Deshalb interessiert mich ja auch die Frage, was aus dem Rat ohne die triefende Rhetorik des Reformerhäuptlings werden mag.
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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 17.01.2005 um 11.15

Zum wiederholten Male stellt Augst unter Beweis, daß nicht einmal ihm die Rechtschreibreform bei seinen orthographischen Schwierigkeiten weiterhilft.

Zu der Argumentation mit dem 13jährigen Reich (immer ein Zeichen, daß mit dem Florett gefochten werden soll):

Es gab unter den Nazis menschenverachtende, verbrecherische medizinische Versuche im großen Stil, und es gab schwerste Greueltaten in unvorstellbaren Dimensionen - auch unter der Mitwirkung von Medizinern. Mir sind aber keine medizinischen Massenexperimente bekannt (jedenfalls nicht, wenn man sich klarmacht, was ein Experiment ist).

Ich kann mir vorstellen, daß ein Kritiker die Rechtschreibreform einmal als menschenverachtendes Experiment bezeichnet haben mag, die angebliche "Anspielung auf die medizinischen Versuche im Dritten Reich" ist aber derart absurd, daß ich darin am ehesten eine Hinzufügung durch Professor Augst vermute. Einen Beleg dürfte er schuldig bleiben.
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Theodor Ickler am 16.01.2005 um 16.34

HSK 3.1: Soziolinguistik, 2. Auflage 2004

Die Bände dieses Riesenunternehmens leiden immer mehr am Ausufern; dieselben Themen werden nicht nur innerhalb der Reihe, sondern auch innerhalb der Teilbände mehrmals behandelt. Der vorliegende Band wirkt besonders diffus.


Der Band ist in einer mäßigen Reformorthographie gehalten, jedoch mit vielen Fehlern; hier einige Stichproben:
dass der Suburbaniserungsprozeß (447)
Bewußtsein (449)
mußten (450)
Prozeß (451)
bewußt (452)
Anlaß (455)
daß (223)
läßt (218, 224)
Ausbalanzieren (641)
frankophon – francophon (218)
Normverstösse (218)
pretentiös (218)
des weiteren (219)
als erster (699)
einer der meist gelesenen Linguisten (700)
des öfteren (700)

Das Klientenwissen ist darauf angewiesen, meist recht als schlecht alltägliche kommunikative Formen den besonderen Zwecken der institutionellen Kommunikation anzupassen.
(574)
(Unverständlicher Wortsalat auf S. 219, Sp. 2)
Der Mitautor Bernd Spillner wird systematisch zu Spiller verschrieben.
Grie (statt Grice 563)
diatstratisch (224)


Der Beitrag „Orthografie“ von Gerhard Augst (646-652) wirkt konfus und hingeschludert, außerdem strotzt er von noch mehr Rechtschreibfehlern als die anderen Beiträge:

646: Orthografie ist vielmehr als die Technik des Schreibens für jeden einzelnen (erster Satz!)

Erst das Aufkommen von Literalität schafft diachron wie ontogenetisch die Differenz von mündlicher und schriftlicher Kommunikation und gesprochener und geschriebener Sprache. (Wer hätte das gedacht!)

Diese grundlegende Differenz präsentiert sich optisch bezüglich der geschriebenen Sprache als eine Schriftform, einer Grafie.

Schriftsysteme werden durch politische, wirtschaftliche oder kulturelle Anlässe aus anderen Sprachen übernommen.

Aristoteles (Perphermenias [!] Kap. 1)
um so schwieriger
Schwîzer Dütsch
Garcia Marquez
nach dem zweiten Weltkrieg


Schreibung hat nicht nur eine Aufzeichnungsfunktion vom lauten Lesen (?)

Orthografie, ein Fachwort, das bezeichnenderweise im 16. Jh. geprägt wird (in Wirklichkeit ist es ein antikes Wort, das im 16. Jahrhundert ins Deutsche übersetzt wird)

Dies führte im Zeitalter des Humanismus, als die nationalen Orthografien sich entwickelten dazu, dass die Gelehrten und Gebildeten vernaculare Schreibungen wieder relatinisierten oder regräzisierten.
In Augst (1982,142-3) habe ich einen Briefwechsel eines Bewerbers und eines Unternehmers abgedruckt, in dem letzterer (!) eine Bewerbung ablehnt wegen mangelnder Rechtschreibkenntnisse, obwohl sein eigener Brief mehr Fehler dieser Art enthält.

(Wie repräsentativ ist diese 23 Jahre alte Anekdote?)
(Trifft die noch ältere Beschreibung der chinesischen Schulschriftprobleme von de Francis heute noch zu?)
650: Nach einer Untersuchung von L. Kemmler (1967) beruht die Nichtversetzung von der 4. zur 5. Klasse bei 80% aller Schüler auf einer schlechten O.-Leistung. (Das Material ist also 40 Jahre alt! Wie relevant ist es heute, und wie relevant war es damals – wurden die Schüler nur wegen der Rechtschreibung nicht versetzt, oder kam das nur hinzu?)

Als Gegenargument [gegen Rechtschreibreformen] werden die Kosten, vor allem aber der Traditionsbereich genannt.(? Traditionsbruch?)
So wurden die jüngsten Reformbemühungen im deutschsprachigen Raum in Anspielung auf die medizinischen Versuche im Dritten Reich als „menschenverachtendes Massenexperiment“ bezeichnet.
(Welcher Idiot hat denn solche Vergleiche angestellt?)
Insgesamt werden die aus den siebziger Jahren bekannten Argumente für die Dringlichkeit einer Rechtschreibreform wiederholt, auf die reformbedingte gegenwärtige Verwirrung geht Augst nicht ein, obwohl gerade dies sprachsoziologisch eine einzigartige Quelle wäre – eben ein Massenexperiment, wenn auch ein menschenverachtendes.


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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 27.12.2004 um 10.50

Vom Erich Schmidt Verlag habe ich in den letzten Jahren nur reformierte, d. h. verhunzte Bücher gesehen, aber nun erscheint von Ursula Enderle: "Autonomie der geschriebenen Sprache?" (2005) - in bewährter Rechtschreibung. Sollte das der Einstieg in den Ausstieg sein? Dann könnte man wieder Bücher dieses Unternehmens kaufen.

Das Buch behandelt auf hohem Niveau (und nicht immer leicht lesbar) eine alte Frage der Schriftforschung. Die Rechtschreibreform wird nur gestreift, allerdings mit vernichtendem Effekt, z. B. zu "Leid tun". Frau Enderle kommt zu derselben Kritik wie wir alle hier.
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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 16.09.2004 um 08.10

Heidelberg, 30. Juni 2004
Sehr geehrter Herr Ueltzhöffer,

... "Im Hinblick auf die Schreibweise des Wortes "Einflussnahme" im Titel Ihres Buches muss ich Ihnen jedoch mitteilen, dass es dort bei der neuen Rechtschreibung bleiben muss. Es gibt eine einheitliche Regelung für den Verlag, dass alle neuen Bücher im Verlag im Titel mit der neuen Rechtschreibung erfolgen müssen. Eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel ist nicht möglich. Dies bedeutet, dass der Titel Ihres Buches sowohl auf dem Cover als auch auf den Titelseiten in neuer Rechtschreibung geschrieben wird. Dies setzt sich fort in allen Werbemitteln und überall dort, wo bibliographische Angaben erfolgen. Ich hoffe diesbezüglich auf Ihr Verständnis und ..."

Alle neuen Springer-Bücher müssen also im Titel mit der neuen Rechtschreibung "erfolgen".
Ob das juristisch haltbar ist? Wahrscheinlich schon, weil es Herrn Ueltzhöffer ja beispielsweise möglich gewesen wäre, seine Untersuchung in einem weniger der Obrigkeit ergebenen Verlag zu veröffentlichen. Das wäre aber angesichts der Stellung von Springer am Markt schon ein sehr weitreichender Schritt, den kaum ein Autor gehen würde. Die zum Ausdruck gebrachte Hoffnung auf Verständnis ist angesichts der ostentativen Formulierung der vorstehenden Sätze allerdings blanker Hohn.

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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Reinhard Markner am 14.09.2004 um 12.36

Der 1842 gegründete Wissenschaftsverlag Springer, inzwischen der zweitgrößte der Welt, ist nicht identisch mit dem Axel-Springer-Verlag.


eingetragen von Christian Dörner am 14.09.2004 um 12.23

Daß der Springer-Verlag die Heysesche ss-Schreibung nicht aufgeben wird. Aber das hatte sich bereits in den letzten Wochen angedeutet (falls überhaupt noch etwas passiert ...). Auf das daß werden wir jedoch vergeblich warten.
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Christian Dörner


eingetragen von Dominik Schumacher am 14.09.2004 um 12.17

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Dörner
Damit ist nun alles klar.

Was wurde Ihnen klar, Herr Dörner?
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Dominik Schumacher

übrigens heiße ich wirklich Norbert Lindenthal


eingetragen von Christian Dörner am 14.09.2004 um 12.10

Damit ist nun alles klar.
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Christian Dörner


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 14.09.2004 um 11.35

Gerade bei Springer erschienen ist die (von mir angeregte) juristische Dissertation von Christian Ueltzhöffer: "Die staatliche Einflussnahme auf den Tabakkonsum von Kindern und Jugendlichen in Deutschland."
Herrn Ueltzhöffers zweimal schriftlich geäußerte Bitte an den Verlag, im Titel "Einflußnahme" zu schreiben (zumal die Arbeit in der bewährten Rechtschreibung verfaßt sei), wurde ebenso zweimal zurückgewiesen: es ginge einfach nicht.
Bemerkenswert.
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Reinhard Markner am 14.07.2004 um 21.11

Marcel Diel schreibt :

"Im übrigen hat sich die Redaktion der Kritischen Ausgabe dazu entschlossen, zukünftig den Autoren selbst die Wahl zu überlassen, ob sie ihre Beiträge nach ‚alten’ oder ‚neuen’ Regeln gestalten möchten. Diese Entscheidung hat nicht nur pragmatische Gründe – sie basiert vielmehr auf der Einsicht, dass die Umgestaltung der Systematik unserer Schriftsprache ihr Verständnis zum Teil grundlegend ändert und es daher keineswegs einem rein formalen Eingriff gleichkäme, einen Text eigenmächtig von der einen in die andere Schreibung zu übertragen (ein Standpunkt übrigens, der z.B. in der Editionsphilologie nahezu unumstritten ist)."

http://www.kritische-ausgabe.de/


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 23.06.2004 um 07.44

Gerade bin ich dabei, eine Klausur (erzwungenermaßen multiple choice) für meine Studenten zusammenzustellen.
Dabei fiel mir auf, daß wir zwar überwiegend von "Querschnittsstudien" sprechen, aber noch viel eindeutiger von "Längsschnittstudien" - Längsschnittsstudien (so meint auch google) ist fast schon eine Rarität.

Woran liegt das?

Weil man vielleicht das Gefühl hat, der "s" in Längsschnittstudie sei es schon weidlich genug?
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Theodor Ickler am 04.03.2004 um 05.11

Der Innovationsforscher Prof. Dr. Manfred Moldaschl teilt mit, daß er in alle seine Bücher folgende Passage aufnimmt:

Noch eine Anmerkung zur Sprache. Dieses Buch ist nach den Regeln der "alten" Rechtschreibung verfaßt – wie alle meine Texte, bei denen ich das selbst entscheiden kann. Es mag zwar auch Vorzüge der hinter uns liegenden (oder, wie es scheint, fortdauernden) Rechtschreibdeform geben, aber insgesamt dürfen wir sie doch als wertvollen Beleg für die These ansehen, daß Neues nicht zwangsläufig besser sei als das Alte. In einer Studie über Innovation muß auch das gesagt werden.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 19.02.2004 um 16.09

"Sprachen und Sprachenpolitik in Europa", hg. von Konrad Ehlich und Venanz Schubert. Tübingen 2002.

Der einzige Beitrag in reformierter Rechtschreibung ist vom IDS-Direktor Gerhard Stickel, und das steht auch boshafterweise auf der ersten Seite: "Auf Wunsch des Autors in neuer Rechtschreibung". Die Qualität ist entsprechend. Oder geht es auf das Konto der Herausgeber, daß es ständig daß heißt? Stickel schreibt auch Prozeß, sogenannte, vielkritisierte, soviel wie, ebensowenig, auf der selben Etage usw., mehrere Fehler auf jeder Seite, und recht amüsant ist auch der Ideolekt (mehrmals), wo Idiolekt gemeint ist.
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 18.02.2004 um 15.07

Das ist richtig, aber nicht ganz neu. Ich meine, ich hätte es hier auch gemeldet. Es fehlen im Grunde nur noch die Nordrhein-Westfälische und die Österreichische Akademie der Wissenschaften sowie die Leopoldina (Halle).


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 18.02.2004 um 14.48

Soeben teilt mir die Heidelberger Akademie der Wissenschaften mit (aus Anlaß meiner Beiträge zur Rechtschreibreform in der "Neue(n) Rundschau"), daß sie sich, vertreten durch Professor Peter Graf Kielmansegg, der Erklärung der deutschen Akademien zur Rechtschreibreform angeschlossen hat.
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Theodor Ickler am 22.12.2003 um 15.32

In der Zeitschrift "Fachsprache" Jg. 25, H. 3-4, 2003, S. 92-99 (Verlag Braumüller, Wien) ist gerade mein Aufsatz "Die Rechtschreibreform in der Sach- und Fachliteratur" erschienen.
Außderdem enthält das Heft einen Beitrag des österreichischen Juristen Alfred J. Noll: "'Rechtssprache' - ein Kommentar anlässlich der Rechtschreibreform". Noll will zeigen, daß die Reform die Rechtssprache kaum berührt, und greift vor allem Rüthers an. Allerdings geht er nur im letzten Abschnitt auf die Rechtschreibreform ein.
Die Zeitschrift ist im übrigen, soweit nicht ohnehin auf englisch, in reformierter Rechtschreibung gesetzt, aber mit sehr vielen Fehlern: im allgemeinen, sogenannte, letztere, zur Zeit, im folgenden, aufschlußreich, Schluß, eines der meist diskutierten Themen, um so mehr usw.
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Th. Ickler


eingetragen von Christoph Kukulies am 07.12.2003 um 12.37

Ich schlage soeben eine Fachzeitschrift, "Elektronik Praxis", auf und lese zu meinem Entsetzen:

Potenziometer

(Potentiometer sind regelbare el. Widerstände). Ist da das Konversionsprogramm amokgelaufen oder ist das tatsächlich eine Konsequenz des "Regelwerks" ?

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Christoph Kukulies


eingetragen von Theodor Ickler am 07.12.2003 um 05.47

Sprachstil - Zugänge und Anwendungen. Ulla Fix zum 60. Geburtstag. Hg. von Irmhild Barz u.a. Heidelberg: Winter 2003
(Kein einziger lesenswerter Beitrag)
Vorwort und einige Beiträge (vor allem die von namhafteren Sprachwissenschaftlern) in herkömmlicher, Schweizer in Schweizer Rechtschreibung, der Rest in diversen Mischorthographien.
Am seltsamsten schreibt der Regensburger Germanist Albrecht Greule: hinaus reichend, fest halten, still schweigend, fest stellen, dahin gestellt sein; aber nur sogenannte
Außerdem:
Patrick Süßkind (Greule)
allitterierend (mehrmals, Bernhard Sowinski)
Ulrich Püschel, der uns ja schon als Duden-Stillehrer bestens bekannt ist, schreibt über Kosten sparenden Telegrammstil.


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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 14.11.2003 um 23.14

In den Richtlinien dieser virtuellen Rezensionszeitschrift heißt es lakonisch :

»Wir wenden die neuen Rechtschreibregeln an.«

http://www.sehepunkte.historicum.net/richtlinien/richtlinien.html

Verantwortlich zeichnet Dr. des. Peter Helmberger,
Ludwig-Maximilians-Universität München.


eingetragen von Theodor Ickler am 21.10.2003 um 09.48

Pörings, Ralf/Schmitz, Ulrich (Hg.): Sprache und Sprachwissenschaft. Eine kognitiv orientierte Einführung. 2. Aufl. Tübingen: Narr 2003

Das Buch wurde durch das EU-Sokrates-Programm gefördert (European Practical Introduction to Language and Linguistics) und erscheint in sieben Sprachen.

Die Neubearbeitung ist in reformierte Rechtschreibung umgesetzt, aber sehr fehlerhaft.

Nach Doppelpunkt wird in der Regel klein weitergeschrieben, gegen das Regelwerk.

sogenannt ist streckenweise (zweites Kapitel) nicht getrennt.

Jedes selbständig ist in selbstständig umgewandelt, als ob das etwas mit der Rechtschreibreform zu tun hätte. Man findet schnäuzen und andere Neuerungen.

Kommafehler: Die Sprache ermöglicht es dem Menschen nicht nur zu kommunizieren ...

eßbar, Einfluß, übereinandergeschlagen, aneinanderfügt, zum ersteren, neugebildet (mehrmals), im wesentlichen, fönen, vielzitiert

In der Antike verwendete man ein symbolon, um Gäste oder Freunde auch noch nach langen Jahren wieder erkennen zu können. (ähnlich mehrmals!)

Trennungen wie hie-rarchisch sind in einem sprachwissenschaftlichen Werk peinlich.


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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 21.10.2003 um 09.44

Maienborn, Claudia (Hg.) (2003): (A)Symmetrien - (A)Symmetries. Beiträge zu Ehren von Ewald Lang. Stauffenburg.

Von der Rechtschreibreform ist nur das ss übernommen, alles andere sehr konsequent ignoriert. Es sind auch Beiträge von ausgesprochenen Reformgegnern darunter, z. B. Nanna Fuhrhop.

Übrigens ist die Hälfte der Beiträge auf englisch verfaßt (von deutschen Autoren für einen deutschen Germanisten, über die deutsche Sprache).

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 02.10.2003 um 18.27

Nachdem ich dem Verlag meine Fehlerliste zu Spitzers Buch nebst einigen freundlichen Worten zugestellt hatte, erhielt ich folgende Mail (hier ohne Retuschen wiedergegeben):

Sehr geehrter Herr Prof. Ickler,

Ich kann Ihr Unbehagen an der neuen Rechtschreibung sehr gut verstehen - mir scheint die Strategie der neuen rechtschreibung, von der Phonetik und der Wortebene her denkend die Regeln anzugehen - auch nicht sinnvoll und revisionsbedürftig zu sein.

Ich halte es aber mit dem historischen Duden, der seine Regeln für alle diejenigen Textproduzenten vorschlägt, die keine besseren Regeln sich selbst geben können. Was im neune Duden steht, darf der Autor schreiben - wenn er es denn nicht inkonsequenter handhabt als der Duden selbst. Ich sehe es nicht als die Aufgabe des Verlages, den Autoren und Korrektoren die Aufgabe aufzuhalsen, an der die Väter der Rechtschreibreform geschietert sind: Etymologie, Wortstämme, Phonetik, Computerlinguistik und Grammatik in einer geordneten Rechtschreibkultur besser integrieren zu sollen als die Duden-Redaktion. Wenn wir einigermaßen konsequent sind, haben wir als Verlag eine schwierige Aufgabe geschafft.

Das heißt nicht, dass wir hier im Team, nicht bei jedem Buch versuchen, einen uns vertretbar scheinenden Weg gemeinsam - und mit Engagement - zu suchen. In diesem Sinne werden wir Ihre Anregung natürlich berücksichtigen.

Mit freubndlichen Grüßen
(Unterschrift)
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 26.09.2003 um 03.10

Manfred Spitzer: Lernen. Heidelberg 2002 (Spektrum)
15jährig, 84prozentig (usw., stets zusammen)
Synd-rom (16)
sogenannte (etwa in der Hälfte der Fälle zusammengeschrieben)
zum zweiten (97)
letzteres (106)
geigespielenden Sohn (109)
sinnstiftend (198)
um so (passim)
weiss (244 jedesmal in der Tafel zum Stroop-Effekt)
auseinanderziehen (251)
Spass (271)
ihnen (statt Ihnen 297)
um Gottes Willen (326)
human ressources (348)
auseinandersetzt (351)
stehenbleibt (385)
selbstgemachte (416)
zu eigen machen (427, zweimal)
sitzengeblieben (433)
--
Druckfehler:
damitm (103)
mt (134)
zeigeen (168)
sichh (315)
Jungendlichen (354)

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 11.09.2003 um 15.14

Kelz, Heinrich P. (Hg.) (2002): Die sprachliche Zukunft Europas. Baden.Baden (Nomos)

In neuer Rechtschreibung (bis auf einen Beitrag des Indogermanisten Stefan Zimmer), aber:

im übrigen (nur so)
letzterer
im wesentlichen (nur so)
das Deutsche als zweit meist gesprochenes Idiom
der 30jährige Krieg
neugegründet
neueingerichtet
englischsprechende Redakteure
arabischsprechende Staaten
solange ... bis
die weit verbreitetste Muttersprache (65)
sogenannte (nur so)
erfahrungsgemäss
prestigeheischend
Wiederhall (89)
paßten (123)
unmißverständlich
zur Zeit
müßte
gewiß
muß
solange, wie
auseinanderdriften
daß (mehrmals)
in dem (statt indem)
ü-ber
a-ber
im folgenden
im allgemeinen (nur so)
sind original Englisch abgefasst
das soziale Netz, dass die Familie noch bietet
Bewußtsein (Überschrift S. 233)
das Bewusst machen (dreimal, daher kein Druckfehler)
im besonderen
genüge getan

Wilss: "In welchem Maße die unsägliche Diskussion über die Rechtschreibreform Deutsch in der EU, vor allem in Brüssel, diskreditieren wird, ist noch nicht abzusehen." (169)

Was ist unsäglich, die Rechtschreibreform oder die Diskussion darüber?

Ulrich Bliesener: "Die Reform der deutschen Rechtschreibung hat auch nicht gerade dazu beigetragen, die deutsche Sprache bei Lernern attraktiv zu machen." (213)

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 29.07.2003 um 06.33

Städtler, Thomas (Hg.): Wissenschaftliche Lexikographie im deutschsprachigen Raum. Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Thomas Städtler. Heidelberg: Winter 2003

Der Herausgeber schreibt im Vorwort, daß die Verwendung alter und neuer Rechtschreibung respektiert worden sei. Ungefähr ein Drittel der Beiträge ist in Reformschreibung, allerdings meist nicht korrekt, wenn man von den Beiträgen aus dem IDS und der Dudenredaktion absieht.
Im Vorwort trifft man auf Erschliessung, Nummerierung und Anschluß.
Der einleitende Artikel ist von Hans Martin Gauger, dem Vizepräsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und Mitglied von deren Rechtschreibkommission. Er hat sich für die reformierte Rechtschreibung entschieden, verändert auch Zitate und sogar den Titel einer eigenen früheren Arbeit im Sinne der Reform, schreibt aber auch einmal daß, trennt Germani-sten und vergißt das obligatorische Komma nach Vorgreifer-es. Er schreibt Letzeres, Unrecht haben usw.
Der Beitrag von Johannes Kramer über das Dolomitenladinische Wörterbuch beginnt in Neuschreibung und geht nach einer Seite in die alte Rechtschreibung über, die dann sechs Seiten lang korrekt beibehalten wird.
Im Beitrag über das Bayerische Wörterbuch heißt es zwischen lauter Neuschreibungen im wesentlichen und soviel. Kurzum: ein bisher unvorstellbares Durcheinander!

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 29.07.2003 um 06.21

Aristoteles: Werke in deutscher Übersetzung IV/1: Rhetorik. Übers. und erläutert von Christof Rapp.
Berlin: Akademie Verlag 2002.

"Die Orthographie folgt weitgehend der 1996 beschlossenen Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Einige aus der bisherigen Rechtschreibung bekannten (sic) Differenzierungsmöglichkeiten werden jedoch beibehalten, z. B. die zwischen 'Aristotelisch' und 'aristotelisch'." (S. 12)
Andere Differenzierungsmöglichkeiten gibt der Verfasser auf, z. B. zwischen im allgemeinen und im Allgemeinen usw., was besonders stört, weil in diesem Buch aus sachlichen Gründen tatsächlich sehr oft vom Einzelnen und vom Allgemeinen die Rede ist. Er schreibt auch deplatziert und Kullmann hat Recht. Alle Zitate aus anderen Autoren werden im Sinne der Neuregelung verändert. Falsche Trennungen: am elegante-sten, schlimm-sten. Andererseits nehmen sich "korrekte" augstsche Trennungen wie Inte-ressenlage (S. 310) und Pa-rallelstelle (S. 312) im Werk eines klassischen Philologen seltsam aus. Pronominales Derartiges, Folgendes usw. werden reformgerecht groß geschrieben, substantiviertes weiteres aber klein. Groß geschrieben werden müßten jetzt auch die erste, zweite, dritte (S. 298) sowie als nächste (S. 367), klein dagegen weiterhin von Neuem (S. 309). Wahrscheinlich glaubt Rapp auch, nun selbstständig und verselbstständigen schreiben zu müssen. Falsch ist fertiggestellt (s. 289), auseinandersetzen (S. 357). Der Bindestrich in 8-fach (S. 296) ist irrig. weitest verbreitet (S. 322) müßte zusammengeschrieben werden. Nach dem Vorgreifer-es müßte ein Komma gesetzt werden (S. 313). Druckfehler: Wilhem (s. 290).
Ich habe nur stichprobenhaft nachgesehen und den umfangreicheren zweiten Band noch gar nicht zur Hand genommen. Es ist sehr zu bedauern, daß ein so bedeutendes, nun schon über Jahrzehnte fortgeführtes Buchprojekt jetzt durch die minderwertige reformierte Rechtschreibung mit dem Grauschleier des Lächerlichen überzogen wird.

(Der Verlag gehört zur Oldenbourg-Verlagsgruppe, die ja durch besonders unqualifizierte Orthographie schon mehrmals aufgefallen ist.)

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 03.04.2003 um 06.33

Corinna Peschel (Hg.): Grammatik und Grammatikvermittlung. Frankfurt: Peter Lang 2002.

Der Band ist in einer refomierten Orthographie gedruckt, bis auf den Beitrag von Konrad Ehlich, der ganz korrekt in der bewährten Rechtschreibung gehalten ist. Das war also möglich. Die anderen kuschen, können es aber nicht einmal richtig. Bei Eroms, Eisenberg usw. geht es drunter und drüber, letzterer hält sich nicht einmal an seine eigenen Vorschläge. Ich verzichte darauf, eine Fehlersammlung vorzuführen, es ist halt das Übliche.

Die Zahl der Druckfehler übersteigt das normale Maß, und für sechsmaliges locutia (und einmal, wohl aus Versehen, locutio) haben wir auch wenig Verständnis.
– geändert durch Theodor Ickler am 04.04.2003, 13.19 –
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 19.10.2002 um 19.38

Zwischen dem Diphthong und dem Vokal gibt es einen gehauchten Zwischenlaut, aber der muß natürlich nicht unbedingt geschrieben werden :

»Trotz des frühen Morgens war der frischen Luft schon etwas Lauigkeit beigemischt.« (Kafka : Die Verwandlung)


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 19.10.2002 um 18.00

Eine einfache Frage:
Im menschlichen Körper gibt es jede Menge "tuberositates" (Rauhigkeiten), z.B. an Ansatzpunkten von Sehnen.
Ich habe momentan kein kakographisches Wörterbuch zur Hand: Sollte dieses Wort jetzt tatsächlich "Rauigkeit" heißen? (Ich habe es eigentlich immer rau-hich-keit ausgesprochen - und finde nun auch bei "google" ein Verhältnis von 4750 zu 521 für Rauhigkeit.) Rauigkeit wäre ein "unmögliches" Wort - aber das spräche ja direkt dafür, daß es in der "Orthografie" jetzt so lauten müßte.
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Christian Melsa am 10.10.2002 um 14.04

Mich würde sehr interessieren, warum man die Setzereien eigentlich seitens C.H.Beck anweist, diesen überflüssigen Aufwand durchzuführen. Das könnte man doch verlustfrei einsparen! Das gilt erst recht, wenn der Kram, den die Konverter ausspucken, auch noch mühsam nachkorrigiert werden muß. Bitte haken Sie da doch noch einmal nach, Herr Metes.


eingetragen von Jörg Metes am 09.10.2002 um 12.08

Meine Frage, wie es in einem Buch aus dem C.H. Beck Verlag zu einer solch katastrophalen Zeichensetzung kommen konnte wie im "Finanz- und Börsenlexikon" von Uwe Bestmann, beantwortet mir jetzt der Lektor wie folgt:
»Sehr geehrter Herr Metes,
ich danke Ihnen für Ihre Hinweise, auf die ich Ihnen leider erst jetzt eine Antwort gebe.
Wir vergeben teilweise, und so in diesem Fall, den Satz unserer Bücher an externe Setzereien, die Standardrechtschreibprogramme (Konverter) verwenden; ein gezielter Eingriff erfolgt dabei in der Regel nicht, Ihre Hinweise werden jedoch bewirken, dass die Ergebnisse in Zukunft kritischer registriert werden.
Mit freundlichen Grüßen...«

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Jörg Metes


eingetragen von Christoph Kukulies am 13.08.2002 um 09.02

Im Frühjahr wurde auf einer Vortrags- und Festveranstaltung bei der IHK Aachen ein Buch zur Firmengeschichte des französischen Glasherstellers Saint-Gobain, der auch in der Wirtschaftsregion Aachen beheimatet ist (ehem. VEGLA, Stolberg, Rhld.), verteilt. (Horst Möller, ISBN 3406467725, Verlag C.H. Beck). Es ist in bewährter Rechtschreibung verfaßt, was natürlich keine Rückschlüsse auf die allgemeine Einstellung des Verlages C.H. Beck zu dem Thema zuläßt.
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Christoph Kukulies


eingetragen von Jörg Metes am 12.08.2002 um 22.49

Wie ich mir inzwischen habe sagen lassen, wird der Verlagszweig Recht - Steuern - Wirtschaft beim Verlag C. H. Beck von Dr. Hans Dieter Beck geleitet, der Zweig Literatur - Sachbuch - Wissenschaft von seinem Bruder Wolfgang Beck. Dr. Hans Dieter Beck favorisiert die Reformschreibung, Wolfgang Beck die herkömmliche.
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Jörg Metes


eingetragen von Theodor Ickler am 08.08.2002 um 05.24

Na gut, Sie mögen recht haben, Herr Lachenmann, in der Beckschen Reihe erscheinen ja auch noch solide Bücher. Aber die NJW und alles Vergleichbare sind umgestellt und haben großen Einfluß.
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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Wrase am 07.08.2002 um 19.47

Daß die Lesbarkeit solcher Texte enorm herabgesetzt wird, wenn die Kommas bei solchen Infinitivsätzen erspart werden, ist offensichtlich. Interessant ist aber auch, daß man sich so sehr schnell mehr Fehler einhandeln kann. Es ist jedenfalls bei umfangreichen oder komplexen Sätzen äußerst schwierig, weglaßbare Kommas und nach wie vor notwendige Kommas zu unterscheiden. Zwei der drei zitierten Sätze sind aus diesem Grund fehlerhaft geworden:

"Voraussetzung ist, dass die Tatsachen wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet sind den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere zu beeinflussen, oder im Fall zugelassener Schuldverschreibungen die Fähigkeiten des Emittenten seinen Verpflichtungen nachzukommen beeinträchtigen könnten."

Hier ist das Komma in der Satzmitte falsch, denn die Struktur ist Subjekt + Verb - "oder" - Verb. Die lange Wörterkette erzeugt beim Schreiber das Gefühl "Irgendwo ist doch jetzt bald ein Komma fällig", und dann setzt er es in die Mitte des Nebensatzes, zwischen Aussage A ("geeignet sind") und Aussage B ("beeinträchtigen könnten"). Es hilft vielleicht sogar dem angestrengten Leser, wenn er wenigstens die inhaltliche Binnengrenze sehen kann, aber so werden Kommas nun man nicht gesetzt, sondern nach der Struktur. Es ist derselbe Fehler, wie wenn jemand schriebe: "Er heißt Peter, und ist Schreiner."

"Erwirbt der Investor die Position ohne die zu Grunde liegenden Basiswerte in seinem Bestand zu halten hat er eindeutige Erwartungen in fallende bis stark fallende Kurse, da er in diesem Fall an den Kursrückgängen partizipiert."

Hier hätte das Komma, das den Nebensatz beendet, bleiben müssen (nach "halten"). Der Schreiber hat aber das Gefühl: "Das Komma vorne weglassen, das Komma hinten weglassen, ganz einfach." Damit sind solche Fehler vorprogrammiert.


eingetragen von Walter Lachenmann am 07.08.2002 um 19.36

Das ist nicht gerecht. C.H. Beck gehört im geisteswissenschaftlichen und belletristischen Bereich zu den Verlagen, die bei der unreformierten Orthographie geblieben sind. Das gilt auch für die Selbstdarstellung in der Werbung, im Börsenblatt sind Beck-Anzeigen in herkömmlicher Rechtschreibung gehalten.
In diesem großen Verlag gibt es sicherlich Lektoren und Autoren, die es für zweckmäßig erachten, in reformierter Orthographie zu publizieren. Gar nicht vermeiden kann dies die juristische Abteilung, Gesetzestexte dürfen vom Verlag nicht abgeändert werden, die Originalfassungen formuliert der Staat. Da geht es vorläufig noch drunter und drüber, da nicht alle Gesetzestexte neu gesetzt und gedruckt werden konnten, so daß teilweise nur die Novellen und Änderungen der letzten Jahre »reformiert« sind.
Der Verlag C.H. Beck gehört eher zu denen, die das Thema »liberal« handhaben, die Entscheidung über die Orthographie also den Autoren überlassen. Diese allerdings lassen sich leicht von den Verlagsleitungen beeinflussen, vielen ist das seltsamerweise tatsächlich gleichgültig oder sie meinen, mit Blick auf die Zukunft die neue Orthographie wählen zu müssen, auch wenn sie sie nicht mögen. Es kommt also auf die Lektoratsleitungen an, im belletristisch-wissenschaftlichen Bereich bei Beck ist diese immer noch der neuen Rechtschreibung gegenüber ablehnend.
Ein Anprangern als Vorkämpfer für die Reform verdient der Beck-Verlag sicherlich nicht, wenn er auch kein Held des Widerstands gegen sie ist. Aber da wüßte ich überhaupt keinen namhaften deutschen Verlag.
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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 07.08.2002 um 18.22

Der Verlag C. H. Beck, wichtigster Fachverlag für Jura, hat sich um die Durchsetzung der Rechtschreibreform besonders verdient gemacht. Die Zeitschriften wurden allesamt frühzeitig umgestellt, gegen den Wunsch der meisten Autoren, deren Protest ungehört verhallte. Das werden wir dem Verlag nie vergessen! Eine gesonderte Bloßstellung ist hochverdient!
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Th. Ickler


eingetragen von Jörg Metes am 07.08.2002 um 15.06

Im 'Finanz- und Börsenlexikon' von Uwe Bestmann (4., "völlig überarbeitete und erweiterte Auflage" 2000, "Über 3500 Begriffe für Studium und Praxis") wurden auf 934 Textseiten grundsätzlich keine Kommas mehr vor oder nach erweiterten Infinitiven gesetzt. Entstanden sind dadurch Sätze wie beispielsweise:

Voraussetzung ist, dass die Tatsachen wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet sind den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere zu beeinflussen, oder im Fall zugelassener Schuldverschreibungen die Fähigkeiten des Emittenten seinen Verpflichtungen nachzukommen beeinträchtigen könnten. (S.7)

Oder:

Erwirbt der Investor die Position ohne die zu Grunde liegenden Basiswerte in seinem Bestand zu halten hat er eindeutige Erwartungen in fallende bis stark fallende Kurse, da er in diesem Fall an den Kursrückgängen partizipiert. (S. 570)

Oder auch:

Sie ist z.B. gesetzlich notwendige Voraussetzung für das Recht bestimmter Inhaber bestimmter Namensaktien Mitglieder des Aufsichtsrats benennen und in ihn entsenden zu dürfen. (S. 868)

Erschienen ist der Band bei dtv, Prof. Dr. Uwe Bestmann lehrt Internationales Finanzmanagement an der Fachhochschule Aachen, die redaktionelle Verantwortung trägt laut Impressum der Verlag C.H.Beck.

Im Internet kann man bei 'Yahoo' eine frühere Auflage des "Finanz- und Börsenlexikons" einsehen. Vor der "völligen Überarbeitung" lasen sich die oben zitierten Passagen natürlich so:

Voraussetzung ist, daß die Tatsachen wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet sind, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere zu beeinflussen, oder im Fall zugelassener Schuldverschreibungen die Fähigkeiten des Emittenten, seinen Verpflichtungen nachzukommen, beeinträchtigen können.
(Stichwort: 'Ad-hoc-Publizität')

Erwirbt der Investor die Position, ohne die zugrunde liegenden Basiswerte in seinem Bestand zu halten, hat er eindeutige Erwartungen in fallende bis stark fallende Kursee, da er in diesem Fall an den Kursrückgängen partizipiert.
(Stichwort: 'Long Put')

Sie ist z.B. gesetzlich notwendige Voraussetzung für das Recht bestimmter Inhaber bestimmter Namensaktien, Mitglieder des Aufsichtsrats benennen und in ihn entsenden zu dürfen.
(Stichwort: 'Vinkulierte Aktien')

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Jörg Metes


eingetragen von Theodor Ickler am 30.07.2002 um 13.08

Im Verlag Hogrefe, Göttingen, erscheint eines der größten Buchprojekte unserer Zeit, die Enzyklopädie der Psychologie. Ich habe den Band Sprache 2 - Sprachrezeption, hg. von Angela Friederici (1999) und Sprache 3 - Sprachentwicklung, hg. von Hannelore Grimm (2000) bestellt und bekommen.

Band 2 ist in der chaotischsten Rechtschreibung gehalten, die mir je untergekommen ist, einer Mischung von alter und neuer Orthographie oft im selben Satz. Keine Seite ohne mehrere Fehler! Meist in diesem Stil: dass ein Versprecher aufgetreten sein muß (S. 97); Man mußte feststellen, dass (S. 157)

Band 3 kehrt weitgehend zur bewährten Rechtschreibung zurück, bis auf Beiträge von Zvi Penner und Jürgen Weissenborn, die wieder in Mischorthographie gehalten sind, dazu viele Fehler wie blosse Beschreibung (S. 106)

Es ist mir unbegreiflich, wie ein derart aufwendiges Projekt so verunstaltet werden kann.

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 23.07.2002 um 12.51

Die Festschrift für Peter Suchsland (Von der Philologie zur Grammatiktheorie, Tübingen 2000), einen entschiedenen Gegner der Rechtschreibreform, enthält einen einzigen Beitrag in Reformorthographie, und zwar von Wolfgang Motsch, einem jener Ostberliner Germanisten, die nach der Wiedervereinigung beim IDS untergekommen sind. Er hat bereits sein Wortbildungsbuch von 1999 durch Unterwerfung unter die von der Institutsleitung angeordnete Neuschreibung verdorben, denn die Schreibweise gerät bei einem solchen Thema naturgemäß ständig in Widerspruch zum Inhalt. Ja, und dann gibt es im letzten Teil der Festschrift noch eine Serie pseudonymer "Gisela-Briefe", die in einer unbegreiflichen Mischorthographie gehalten sind, mit ss und des öfteren, Einiges, vor Kurzem usw.

Der emeritierte Ostberliner Germanist Wilhelm Bondzio hat 2002 bei Peter Lang ein neues Buch veröffentlicht: Modifikatoren - Wortbildung - Pronomen. Es ist in reformierter Rechtschreibung gehalten, aber wo es ernst wird, schreibt Bondzio:

"Da für die Untersuchung des semantischen Aspekts der Komposition die traditionelle Schreibung m. E. gewisse Vorteile hat, werde ich diese hier weiter benutzen." (S. 62)

Es folgen also die Beispielwörter in bisheriger Rechtschreibung, denn die neue würde den Gegenstand der Untersuchung zerstören.

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 03.07.2002 um 13.33

In der von Gerhard Augst herausgegebenen Reihe "Theorie und Vermittlung der Sprache" erschien kürzlich eine von Dieter Nerius betreute Dissertation: "Zur Entwicklung des Dudens und seinem Verhältnis zu den amtlichen Regelwerken der deutschen Orthographie" (Peter Lang, Frankfurt 2001). Sie ist in herkömmlicher Rechtschreibung gedruckt. Der Verfasser, Gunnar Böhme, versichert, weder emotionale noch fachliche Vorbehalte gegen die Neuregelung zu haben. Aber er wolle "keinen Bruch entstehen lassen zu der Orthographie, die zum überwiegenden Teil den Gegenstand meiner Untersuchung ausmacht (...) Zum anderen geschah dies in Reminiszenz an die erste, fast hundertjährige deutsche Einheitsorthographie und in Verbeugung vor den Leistungen ihrer Verfechter aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende, allen voran Konrad DUDEN." (Vorwort)

Herausgeber und Betreuer müssen mit dieser Regelung einverstanden gewesen sein.
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Th. Ickler


eingetragen von Jörg Metes am 02.07.2002 um 14.00

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
der Westdeutsche Verlag gehört zur Bertelsmann-Gruppe
Es scheint allerdings Bertelsmann das Interesse an seiner gesamten Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer verloren zu haben. Am 17.6. meldete der Branchendienst 'kress' unter Berufung auf ein Interview in der 'Süddeutschen Zeitung', daß Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Middelhoff die profitable Fachverlagstochter offensichtlich nicht mehr im Konzern haben wolle.
Ein Mitarbeiter des Westdeutschen Verlags hat mir einmal gesagt, daß seinerzeit unter ganz entschiedenem Druck von Bertelsmann auf Reformorthographie umgestellt worden sei. Der Hauptgrund für ihre Beibehaltung könnte also bald entfallen.
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Jörg Metes


eingetragen von Theodor Ickler am 02.07.2002 um 12.54

In seiner Reihe "Linguistik fürs Examen" hat Prof. Altmann zusammen mit seiner Frau ein neues Buch herausgebracht (der Westdeutsche Verlag gehört zur Bertelsmann-Gruppe):

Altmann, Hans u. Ute Ziegenhain: Phonetik, Phonologie und Graphemik fürs Examen. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2002 (Linguistik fürs Examen, Bd. 3)

"Entsprechend den Gepflogenheiten des Verlags sind die Bücher dieser Reihe in der neuen Orthographie geschrieben, abgesehen von einigen Neuerungen bei der Groß- und Getrenntschreibung, die uns wenig sinnvoll erscheinen und die vermutlich demnächst revidiert werden." (S. 13)

(...) "die missratene Rechtschreibreform" (...) "Dass die wissenschaftlich ausgewiesenen Fachleute in der öffentlichen Diskussion nicht gehört wurden, liegt u. a. auch daran, dass auch sie notorisch Probleme der Orthographie als nachrangig, ja unter ihrer Würde bewerten, und dass sie sich deshalb viel zu spät zu Wort gemeldet haben." (S. 16)

[Der Vorwurf trifft nicht zu und ist nicht fair. Prof. Altmann übrigens hat sich m. W. nie zu Wort gemeldet. Erst jetzt übt er ein wenig Kritik - in einem Buch, das in - wenn auch fehlerhafter - Reformschreibung gehalten ist und damit zu deren Verbreitung beiträgt.]

"Über die derzeit gültigen Regeln der Rechtschreibreform informiert sehr knapp ein Plakat im Format A3 der Dudenredaktion. - Besonders empfehlenswert als kritisch-distanzierte Informationsquelle über die neuen Rechtschreibregeln erscheint uns das ZEITdokument Nr. 1 (1999) von D. E. Zimmer, das bei offenkundig unsinnigen Regelungen auch plausible Gegenvorschläge macht.
Die folgende Darstellung gibt einen ganz kurzen Überblick über die wesentlichen Änderungen durch die Rechtschreibreform; sie benennt nur die Änderungen und unterstellt die Kenntnis der bisherigen Zustände. Ein systematischer Überblick über die Änderungen findet sich etwa in Zabel (1996)." (S. 136)

Die Verfasser schreiben stets:

allgemeinverständlich
sogenannt
groß schreiben
klein schreiben


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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 26.06.2002 um 08.27

Noch ein kleiner Zusatz zu dem Beitrag eben: Aus Neugierde ließ ich "google" (beschränkt auf die "Seiten aus Deutschland") nach "Geschäftsgebahren" und "Geschäftsgebaren" suchen. Ergebnis: 758 zu 2830 - das sind immerhin 27%!
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 26.06.2002 um 07.56

Gestern hörte ich - während eines kleinen Symposions - mehrere Vorträge zu einem äußerst umschriebenen*) Thema. (Gleichwohl waren dazu Experten aus der ganzen Republik nach Heidelberg gereist.)
Die Referenten hatten - wie es üblich geworden ist - relativ aufwendige Präsentationen vorbereitet (mit einem weitverbreiteten Programm einer wegen kriminellen Geschäftsgebarens mehrfach rechtskräftig verurteilten amerikanischen Firma).
Auch rechtschreibmäßig war alles ziemlich bunt: "Viert häufigster Krebs", "Risiko Faktor", "Prozeß/muss". Auch das ist üblich geworden.
Ein Referent ragte hervor: Er hatte seine Gedanken wohlgeordnet und mit wirklich anschaulichen bildlichen Darstellungen begleitet - sich also sichtlich Mühe gegeben, und das auch mit der Orthographie. Da gab es nur ein paar ss/ß-Verwechslungen - völlig normal!
Auf seinem letzten Bild beklagte er "Erkenntnissdefizite" - das wäre ihm, so vermute ich, vor der Rechtschreibreform noch peinlich gewesen.

Und da wundere ich mich immer noch, wenn Doktorarbeiten mit "magna cum laude" (= "mit großem Lob", grob: Note 1) eingereicht werden, bei denen man sprachliche Schnitzer auf jeder Seite findet!

)* man kann auch sagen: für "Uneingeweihte" tödlich langweilig
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 12.11.2001 um 08.45

Zunächst einmal erhielt ich eine Rückmeldung von Professor Borchmeyer zu meinem Hinweis auf die Internetseiten des Germanistischen Seminars, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrigläßt:
"... nein Sie ärgern mich überhaupt nicht! Sie wissen vielleicht, daß ich ein rigoroser Gegner der sog. Rechtschreibreform bin und das auch verschiedentlich öffentlich geäußert habe. Die Professoren des Germanistischen Seminars scheren sich nicht um sie, aber wir können natürlich nicht kontrollieren, ob wirklich alle Dienststellen so verfahren wie wir. Leider folgt ja auch die Universitätsleitung in ihren Verlautbarungen der Reform. Ich werde nach Möglichkeit versuchen, in unserem
Bereich die Pest dieser Reform einzudämmen - aber es gibt halt immer wieder einen Pestfloh, den man übersehen hat."

Zu den "Gleichstellungsbeauftragten" in Nordrhein-Westfalen:
In Heidelberg sind es - ich habe mich eigens noch einmal vergewissert - nach wie vor "Frauenbeauftragte". Gönnt denn hier etwa jemand diesen insgesamt fünf Damen ihren verdienstvollen Arbeitsplatz nicht?
Nochmals zu Professor Ickler: Frauen können hier tatsächlich Bücher ausleihen - sogar unverschleiert!

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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Jörg Metes am 11.11.2001 um 22.44

Der "Wirtschaftsdienst - Zeitschrift für Wirtschaftspolitik" erscheint monatlich in der Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, welche wiederum zur C.H.Beck-Gruppe gehört. Herausgeber ist das "Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv" (HWWA) bzw. dessen Präsident Prof. Dr. Thomas Straubhaar. Bemerkenswert finde ich, daß im "Wirtschaftsdienst" herkömmliche und neue Rechtschreibung friedlich koexistieren. Ich blättere hier die Ausgabe 1/2001 durch. Thomas Straubhaar schreibt (ich überprüfe jetzt nicht, ob auch korrekt, sondern mache lediglich die dass/daß-Probe) im ersten Leitartikel nach der neuen Rechtschreibung, sein Chefredakteur Klaus Kwasniewski im zweiten Leitartikel nach der herkömmlichen. Bundesarbeitsminister Riester wendet natürlich die neue an. Die Nomos Verlagsgesellschaft selber in einer Anzeige für ein im Jahr 2000 erschienenes Buch wiederum die herkömmliche. Die Mehrzahl der Beiträger schreibt "dass", eine immerhin geduldete Minderheit aber "daß".
Ich halte es deshalb fest, weil man ja oft genug von Lektoraten oder Redaktionen auf Anfrage erklärt bekommt, das Wechseln zwischen herkömmlicher und neuer Rechtschreibung innerhalb einer Ausgabe sei schon aus rein technischen Gründen nicht möglich.

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Jörg Metes


eingetragen von Sigmar Salzburg am 08.11.2001 um 07.51

Zwei Monate vor dem Volksentscheid im Norden berichtete das Flensburger Tageblatt über die Bestrebungen des inzwischen aufgelösten Kieler Frauenministeriums, Amtsbezeichnungen zu neutralisieren oder durch Nummern zu ersetzen. Dazu schrieb ich einen Leserbrief, der auch etwas gekürzt veröffentlicht wurde. Ich rücke ihn im Gästebuch unter "Spott, Satire" ein.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Elke Philburn am 07.11.2001 um 17.47

Diese sprachlichen Verrenkungen, mit denen man meint, den Frauen auf die Sprünge helfen zu müssen, sind mehr patronisierend als alles andere.


eingetragen von Richard Dronskowski am 07.11.2001 um 16.44

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Wolfgang Scheuermann
Da wird ein skandalöser Sexismus deutlich, der dem Verfasser, Herrn Dr. Gebhardt, sicher noch schwere Rügen der Frauenbeauftragten und ihrer Referentin und von der Frauenvertreterin der weiblichen Beschäftigten einbringen dürfte.


Politisch korrekt bleibt anzumerken, daß Frauenbeauftragte nicht mehr als Frauenbeauftragte, sondern mittlerweile als "so genannte" Gleichstellungsbeauftragte wirken, zumindest in NRW; hört sich doch gleich viel neutraler an.


eingetragen von Christoph Kukulies am 07.11.2001 um 16.11

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Wolfgang Scheuermann
Der Text versucht, der RSR zu folgen (sozusagen zu Hause bei Dieter Borchmeyer!); dieser Versuch scheitert aber typischerweise.
Die merkwürdigen Androgynisierungen ("Kandidat/inn/en") hat man bei den Benutzern vergessen; da wird ein skandalöser Sexismus deutlich, der dem Verfasser, Herrn Dr. Gebhardt, sicher noch schwere Rügen der Frauenbeauftragten und ihrer Referentin und von der Frauenvertreterin der weiblichen Beschäftigten einbringen dürfte.
[...]


Schlimmer noch: mensch übersah die Quote bei den Prüfern!
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Christoph Kukulies


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 07.11.2001 um 15.45

Der Text versucht, der RSR zu folgen (sozusagen zu Hause bei Dieter Borchmeyer!); dieser Versuch scheitert aber typischerweise.
Die merkwürdigen Androgynisierungen ("Kandidat/inn/en") hat man bei den Benutzern vergessen; da wird ein skandalöser Sexismus deutlich, der dem Verfasser, Herrn Dr. Gebhardt, sicher noch schwere Rügen der Frauenbeauftragten und ihrer Referentin und von der Frauenvertreterin der weiblichen Beschäftigten einbringen dürfte.
Die Universität Heidelberg ist also wohl nur aus nordbayerischer Perspektive weit vorangekommen, zur Erfüllung des eigenen hohen Anspruchs sind noch unzählige Sprünge vonnöten.
Herrn Ickler, seiner Kollegin und seinen Kollegen ist zuzurufen: Rüsten auch Sie sich zu diesem gewaltigen Sprung und befördern Sie dergestalt die Germanistik zu neuen Ufern!
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Theodor Ickler am 07.11.2001 um 14.06

Wer hätte gedacht, daß nicht nur Doktoranden, sondern auch Doktorandinnen wissenschaftliche Bücher ausleihen dürfen? Die Gleichberechtigung scheint an der Uni Heidelberg weit fortgeschritten zu sein, und man weist mit Recht ausdrücklich auf diesen gewaltigen Sprung hin.
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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 07.11.2001 um 11.32

Der folgende Auszug stammt leider von unserer altehrwürdigen Ruprecht-Karls-Universität - von den Internetseiten des Germanistischen Seminars:

Über den Beginn, den Ort und die Modalitäten der einzelnen Lehrveranstaltungen, ihre Inhalte und Lernziele, die Voraussetzungen zur Teilnahme usw. unterrichtet der jeweilige Semester-"Veranstaltungskommentar", der frühzeitig bei der Bibliotheksaufsicht als Broschüre erhältlich ist und auch am Eingang zur Bibliothek ausgehängt wird. Sofern im Veranstaltungskommentar oder durch Aushang nicht anders angegeben, brauchen Sie sich für die Lehrveranstaltungen nicht vorher anzumelden. Sie besuchen die angekündigte erste Sitzung und erfahren dort alles Weitere über die Teilnahme und Leistungsnachweise.
Von den mehrfach angebotenen parallelen Einführungsveranstaltungen (E) wählen Sie diejenige aus, die am besten in Ihren Stundenplan passt.

Bibliothek

Die Bibliothek des Germanistischen Seminars umfaßt eine Präsenzbibliothek mit eingeschränkter Ausleihe. Für alle Benutzer ist die Bibliotheksordnung gültig, die bei der Bibliotheksaufsicht (Raum 127) eingesehen werden kann. Sie enthält nähere Informationen über den Buchbestand, die Signaturen und den Ausleihmodus. Ausleihberechtigt sind alle Studierenden des Faches Germanistik sowie Examenskandidat/inn/en und Doktorand/inn/en des Faches. Examenskandidat/inn/en und Doktorand/inn/en können eine Karte für die - gegenüber der normalen Berechtigung - erweiterte Ausleihberechtigung bei den jeweiligen Prüfern bekommen.


Dies soll den Germanistik-"Student/inn/en" den Weg durch ihr Studium weisen!
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Theodor Ickler am 14.09.2001 um 02.50

Diese Obrigkeitsgläubigkeit und -hörigkeit des Herrn Thies - ein Philosoph mit den Spezialgebieten Ethik und politische Bildung - ist kaum zu fassen. Wenn ich mir seine Homepage ansehe, möchte ich beinahe annehmen, daß er es nicht besser weiß und tatsächlich glaubt, die neue Rechtschreibung sei jetzt "vorgeschrieben". Daß man an der Universität des großmächtigen SED-Professors Nerius solchem Irrglauben anhängt, ist immerhin denkbar.
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Th. Ickler


eingetragen von Jörg Metes am 13.09.2001 um 20.08

Der Veranstaltungskommentar des Deutschen Seminars der Universität Tübingen für das Sommersemester 2001 ist fast frei von Reformschreibungen. In den einleitenden Seiten über verwaltungstechnische Fragen wird zwar "dass", "muss" und "Abschluss" geschrieben, andererseits aber "selbständig", "sogenannt" und "weitgehend". Die Lehrkräfte selber schreiben in ihren Ankündigungen mehrheitlich sogar "daß", die Minderheit, die "dass" schreibt, schreibt trotzdem "naheliegend". Nur PD Dr. Ulrike Demske schreibt einmal "weit gehend" - pikanterweise in der Vorschau auf ein Seminar mit dem Titel "Deutsche Wortbildung - diachron" -, doch dafür schreibt in einem weiteren technischen Zwischenteil mit "Hinweisen zum zentralen Anmeldeverfahren für die Hauptseminare" sogar die Verwaltung selber wieder "Abschluß" und "erfaßt".

Prof. Dr. Jürgen Wertheimer empfiehlt für sein Seminar über Peter Rühmkorf versehentlich einmal einen Rühmkorf-Titel, den es so geschrieben nicht gibt ("'Es muss doch einen zweiten Weg ums Gehirn rum geben'"). Dr. Franz-Heinrich Hackel schreibt "oben genannt" und zitiert Rilke einmal mit einem "dass", von dem ich stark vermute, daß Rilke es so nicht geschrieben hat - - - aber das war's auch schon. Mehr Spuren hat die Rechtschreibreform beim Deutschen Seminar der Universität Tübingen nicht hinterlassen. Man fragt sich freilich: Warum dann überhaupt welche?


eingetragen von Manfred Riebe am 31.08.2001 um 12.33

Herrn
Dr. Christian Thies
Institut für Philosophie
Universität Rostock

Sehr geehrter Herr Dr. Thies,

in http://www.rechtschreibreform.com werden Sie heute aus Ihrem Text in http://www.uni-rostock.de/fakult/philfak/fkw/iph/thies/Sinn.html zitiert:
"Die Hausarbeit sollte in neuer Rechtschreibung abgefasst sein. Texte, die in alter Rechtschreibung geschrieben wurden, werden von mir zur Umarbeitung zurückgegeben."

Wie Sie wahrscheinlich wissen, bedarf es für eine solche Anordnung einer Rechtsgrundlage. Diese gibt es aber nicht.

1. Die Verfasser können sich auf ihre Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 GG) und der Freiheit der Kunst, Wissenschaft und Forschung stützen (Art. 5 GG). Es sollte klar sein, daß man mit einem einfachen Erlaß nicht in Grundrechte eingreifen darf. Deshalb können Schriftsteller auch von ihren Verlagen verlangen, daß sie ihre Rechtschreibung respektieren.

2. Für rund 90 Prozent der Bürger gilt keine Übergangsfrist, weil für sie die sogenannte Rechtschreibreform überhaupt nicht gilt. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtschreibreform vom 14. Juli 1998 heißt es nämlich:
"Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben." (Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 14. Juli 1998, Az.: 1 BvR 1640/97, S. 59)

Das bedeutet, daß die Bürger, die Unternehmen und die Zeitungen völlig frei sind, die herkömmliche Rechtschreibung beizubehalten. Daß dies möglich ist, beweist z.B. auch die Liste der reformfreien Medien: http://Gutes-Deutsch.de/.

Selbst für die Schulen gilt, daß bis zum Jahre 2005 auch die herkömmliche Rechtschreibung geschrieben werden darf und als richtig anerkannt werden muß. Erst ab dem Jahre 2005 soll in den Schulen nur noch die neue Rechtschreibung gelten. Da sie aber äußerst mangelhaft ist, ist nicht abzusehen, ob und in welcher Form sie überhaupt gelten soll.

Die gesamte übrige Bevölkerung kann selbstverständlich über das Jahr 2005 hinaus so weiterschreiben wie bisher. Das tun auch die meisten Lehrer, weil sie inzwischen bemerkt haben, daß die sog. Rechtschreibreform Ihres Kollegen Professor Dieter Nerius, Rostock, eine beschämende Beliebigkeitsschreibung bewirkt hat, wie man in den Medien feststellen kann, die sich gleichschalten ließen.

Der aus der Rechtschreibkommission unter Protest ausgeschiedene Reformer Professor Horst Haider Munske, Universität Erlangen, empfiehlt:
"Alles Rotgedruckte ist falsch! Man vermeide die roten Giftpilze im Duden!" (Vgl. Horst Haider Munske: "Neue Rechtschreibwörterbücher im Irrgarten der Rechtschreibreform". In: Schule in Frankfurt, Juni 2001).
Schauen Sie doch bitte in seinen Aufsatz im Sammelband
Eroms, Hans Werner / Munske, Horst Haider (Hrsg.): Die Rechtschreibreform. Pro und Kontra. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1997.
In diesem Sammelband sind Aufsätze von Befürwortern und Gegnern der Reform zusammengestellt. Als Gegner der Rechtschreibreform treten sogar zwei der Reformer auf: Horst Haider Munske und Peter Eisenberg. Beide haben inzwischen die Reformkommission wegen der Mängel der Reform und des Verhaltens der Kultusminister unter Protest verlassen.

Schauen Sie doch bitte bei Gelegenheit auch einmal in unsere Sprachberatungsseite http://www.deutsche-sprachwelt.de hinein.

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Riebe
Vorsitzender des Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS), 90571 Schwaig bei Nürnberg

"Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu stoppen!" (VRS)



– geändert durch Manfred Riebe am 01.09.2001, 22:58 –


eingetragen von Jörg Metes am 31.08.2001 um 10.48

Im Internet stoße ich auf den Seiten der Universität Rostock auf eine Seminarankündigung des Philosophiedozenten Dr. Christian Thies (http://www.uni-rostock.de/fakult/philfak/fkw/iph/thies/Sinn.html). Unter der Überschrift "Formale Anforderungen für die Seminararbeiten" erklärt er seinen Studenten u.a.: "Die Hausarbeit sollte in neuer Rechtschreibung abgefasst sein. Texte, die in alter Rechtschreibung geschrieben wurden, werden von mir zur Umarbeitung zurückgegeben."

Aber darf er das überhaupt? Rein rechtlich? Gibt es da nicht diese Übergangsregelung? Müßte er nicht herkömmliche Rechtschreibung ebenso akzeptieren?

(- Das Seminar hatte übrigens den Titel "Der Sinn des Lebens"; in einem Tagesseminar am 9.6. ging es speziell um "Wittgenstein, Heidegger, Adorno". Wie insbesondere Heidegger sich in neuer Rechtschreibung liest, würde mich direkt interessieren.)


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 21.07.2001 um 17.25

den ich am 30.4. d.J. an die angegebene Adresse (u.stelkens@rz.uni-sb.de) schickte:

Sehr geehrter Herr Stelkens,
zwar bin ich kein Jurist, aber durch viele Freunde, Bekannte und zwei Vettern, die Juristen sind, einigermaßen in der Auseinandersetzung mit Ihrem Berufsstand trainiert.
In Ihrem Lösungsvorschlag wird m.E. - und natürlich unterliege ich der Möglichkeit eines fundamentalen Irrtums - überhaupt nicht die Möglichkeit angesprochen, daß die Rechtschreibreform jeglichen Sinns entbehrt, noch schlimmer, daß sie FALSCHE Schreibweisen fordert.
Das bei seiner Urteilsfindung einseitig informierte Bundesverfassungsgericht hat diesen, m.E. besonders entscheidenden, Gesichtspunkt ebenfalls nicht, bzw. nicht angemessen, berücksichtigt.
Wenn unser einziger lebender Literatur-Nobelpreisträger sich wiederholt mit Aufrufen an die Öffentlichkeit wendet, qua Rechtschreibreform lernten die Kinder nicht das Leichte, sondern das Falsche - wo ist die Instanz, ihm zu widersprechen?
Natürlich kann auch ein deutscher Literatur-Nobelpreisträger sich irren, aber wer kann von irgendwo her das Recht nehmen, dies a priori zu unterstellen?

Nur einmal angenommen, Grass hätte recht: Kann es möglich sein, einem Lehrer abzuverlangen, etwas Falsches zu lehren? In meinen Augen wäre dies so offenkundiger (und gefährlicher) Unsinn, daß ich Sie als Juristen nur auffordern kann, diese meine Ansicht juristisch wasserfest zu untermauern.
Denn: Dürfte dies von einem beamteten Lehrer (der keine Lehrfreiheit besitzt) verlangt werden, dann wäre er doch dem nächsten kultusministeriellen Erlaß, daß zwar 2+2=4 sei, aber, daß zur Erleichterung und Fehlerminderung auch 2+3=4 gelte (wie auch 2+5=4), völlig hilflos ausgeliefert!

Wenn Sie mir das zugestehen, daß das schlechterdings nicht verlangt werden kann, müssen Sie auch Ihren Lösungsvorschlag ändern! Zwar geht es in der Rechtschreibreform nicht nur um Dinge, die mit mathematischer (oder auch juristischer) Logik ausreichend zu beleuchten sind, aber: Um die geht es auch! Wenn ich einem Schüler beizubringen habe, daß Adverbien die Kleinschreibung fordern, aber ganz bestimmte (manchmal, in völlig willkürlicher Weise) nicht, so ist das mit dem "2+5=4" völlig gleichwertig: Ich soll gezwungen werden, den Kindern ganz offenkundigen Unsinn beizubringen. Das kann auch bei fehlender Lehrfreiheit doch nicht verlangt werden!

Möglicherweise glauben Sie mir nicht oder halten für denkbar, daß ich mich täuschte. Ein, zwei Blicke in eines der neuen Rechtschreibwörterbücher - so inkohärent, wie auch immer sie sein müssen - werden Sie sofort belehren, daß sie einheitlich fordern: "Wie Recht der Präsident hat!", "Das tut mir Leid!" (aber nicht: "Das tut mir Gut!") und ähnlichen unerträglichen Krampf. Ich muß jetzt leider abbrechen, aber vielleicht reicht das ja schon zu einer Stellungnahme von Ihrer Seite!

Mit freundlichen Grüßen


Tja, es hat leider nicht gereicht!
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 21.07.2001 um 17.18

Der Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Universität des Saarlandes hat in Sachen Rechtschreibreform (u.a.) einen Fall "Schuriegel" als Beispielfall im Internet veröffentlicht (unter http://www.jura.uni-sb.de/FB/LS/Grupp/Faelle).

Der folgende "Lösungsvorschlag", aus dem der Fall selbst einigermaßen hinreichend hervorgeht, ist zur öffentlichen Diskussion freigegeben:

Rechtschreibreform

Verfassungsbeschwerde Schuriegels

Siehe hierzu BVerfG NJW 1996, 2221; "Bericht zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung" in BT-Drs. 14/356. Allgemeine Informationen zur Rechtschreibreform: http://www.ids-mannheim.de/reform

Schuriegels Verfassungsbeschwerde hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

A) Zulässigkeit
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG und §§ 90 ff. BVerfGG erfüllt sind.

Anmerkung: Zur Zulässigkeit eines Verfahrens vor dem BVerfG siehe diesen Hinweis.

I. Beteiligtenfähigkeit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "jedermann")

Schuriegel kann Grundrechtsträger sein und ist damit "jedermann" i.S.d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG.

II. Beschwerdegegenstand (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "Akt der öffentlichen Gewalt")

Schuriegel wendet sich nach dem Sachverhalt ausschließlich gegen die Entscheidung des BVerwG, also gegen das letztinstanzliche Gerichtsurteil. Dieses Urteil ist ein "Akt der öffentlichen Gewalt" i.S.d. Art. 93 Nr. 4 a GG und damit tauglicher Beschwerdegegenstand. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht es insbesondere auch nicht entgegen, daß nicht auch die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes angegriffen werden. Eine solche "umfassende" Verfassungsbeschwerde wird vom BVerfG zwar für möglich gehalten, jedoch nicht verlangt (BVerfGE 4, 52, 56; 19, 377, 393).

Anmerkung: Siehe zur Bestimmung des Beschwerdegegenstandes bei mehreren, in derselben Sache ergangenen Gerichts- (und Verwaltungs-)entscheidungen diesen Hinweis.

III. Beschwerdebefugnis (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG: "Behauptung, in einem seiner Grundrechte verletzt zu sein")

Schuriegel müßte behaupten können, durch die Entscheidung des BVerwG in seinen Grundrechten verletzt zu sein. Das BVerwG hat die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes bestätigt, nach der es für eine Klage Schuriegels gegen die Erlasse vom 14. August 1996 und vom 21. Juli 1997 gerichtete Klage es an der Klagebefugnis fehle. Dementsprechend hat es eine Verletzung der Grundrechte Schuriegels durch diese Erlasse - an die er als Beamter nach § 69 SBG gebunden ist - von vornherein für ausgeschlossen gehalten. Daher ist umgekehrt nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Entscheidung Schuriegels Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.

Anmerkung: Der Sachverhalt liegt somit anders als der des BVerfG NJW 1996, 2221 f. Dort war "die Rechtschreibreform" angegriffen worden, bevor sie überhaupt für den beschwerdeführenden Beamten verbindlich geworden war.

Auch eine Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts des Art. 33 Abs. 5 GG - der seinem Wortlaut nach zwar bloß einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber und eine institutionelle Garantie enthält, dem das BVerfG jedoch trotzdem eine subjektiv-öffentliche Komponente zuspricht, weil der Beamte keine Arbeits- und Tarifgestaltungsmöglichkeit nach Art. 9 Abs. 3 GG habe (BVerfGE 8, 1, 17) - erscheint nicht von vornherein als ausgeschlossen.

Demgegenüber kommt eine Berufung auf Art. 5 Abs. 3 GG von vornherein nicht in Betracht: Als Lehrer an einer allgemeinbildenden Schule steht ihm die Wissenschafts- und Lehrfreiheit nicht zu und zwar auch dann nicht, wenn der Unterricht in höheren Klassen ein wissenschaftliches Gepräge besitzt. Art. 7 Abs. 1 GG ist insoweit als lex specialis anzusehen (Pieroth/Schlink, Rn. 623): Mit staatlicher Aufsicht läßt sich Lehrfreiheit nicht vereinbaren. Von vornherein ausgeschlossen erscheint auch eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG: Als Beamter kann sich Schuriegel insoweit nicht auf die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG berufen als Art. 33 GG einschlägig ist. Ist mit anderen Worten eine Regelung über die Berufswahl und Ausübung mit Art. 33 GG vereinbar, kann sie nicht unter Rückgriff auf Art. 12 Abs. 1 GG ausgehebelt werden.

Schuriegel kann dementsprechend nur behaupten, durch das Urteil des BVerwG in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG verletzt zu sein und ist nur insoweit beschwerdebefugt.

IV. Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) und "Subsidiarität" der Verfassungsbeschwerde

Da gegen Entscheidungen des BVerwG ein weiterer Rechtsbehelf nicht gegeben ist, ist auch der Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 BVerfGG erschöpft. Es ist auch keine weitere sonstige Möglichkeit erkennbar, wie Schuriegel außer durch Erhebung einer Verfassungsbeschwerde sein vermeintliches Recht noch durchsetzen könnte, so daß der Verfassungsbeschwerde auch nicht der Grundsatz ihrer Subsidiarität entgegensteht.

V. Frist (§ 93 Abs. 1 BVerfGG)
Die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG wurde nach dem Sachverhalt eingehalten.

VI. Ergebnis zu A

Die Verfassungsbeschwerde Schuriegels ist somit insgesamt zulässig.

B) Begründetheit
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn Schuriegel durch die Entscheidung des BVerwG tatsächlich in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt wird.

Anmerkung: Da hier kein zur Einführung der Rechtschreibreform ermächtigendes Gesetz vorliegt, kann eine Grundrechtsverletzung durch das BVerwG nur darin liegen, daß es bei seiner Entscheidung die Bedeutung der Grundrechte - hier den ihnen immanenten Gesetzesvorbehalt für Grundrechtseingriffe - verkannt hat, so daß letztlich ein Fall der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts durch Willkür vorliegt (siehe hierzu diesen Hinweis).

Dies ist der Fall, wenn das BVerwG verkannt hat, daß die Schuriegel nach § 69 SBG bindenden Erlasse vom 14. August 1996 und vom 21. Juli 1997 in den Schutzbereich seiner Grundrechte eingreifen und dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist. Hier kommt eine Verletzung des Art. 33 Abs. 5 GG und des Art. 2 Abs.1 GG in Betracht (s.o. A III).

I. Verletzung des Art. 33 Abs. 5 GG

Das BVerfG spricht Art. 33 Abs. 5 GG nicht nur eine subjektiv-öffentliche Komponente zu, sondern geht darüber hinaus - entgegen dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 5 GG - auch davon aus, daß Adressat der Verpflichtung aus Art. 33 Abs. 5 GG nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Verwaltung, insbesondere der Dienstherr des Beamten sein könne (BVerfGE 43, 154, 165, 169). Damit kann auch eine Einzelmaßnahme bzw. Weisung oder Verwaltungsvorschrift gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstoßen. Definiert werden die hergebrachten Grundsätze als "jener Kernbestand von Strukturprinzipien, die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind" (BVerfGE 8, 332, 343; 71, 255, 268). Hierzu gehören etwa die "Pflicht zu Treue und Gehorsam gegenüber dem Dienstherrn und zur unparteiischen Amtsführung, fachliche Vorbildung, hauptberufliche Tätigkeit, lebenslängliche Anstellung, Rechtsanspruch auf Gehalt, Ruhegehalt, Witwen- und Waisenversorgung" (BVerfGE 9, 268, 286).

Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums beziehen sich damit grundsätzlich nur auf das Beamtenverhältnis als solches, nicht jedoch auf die dienstliche Tätigkeit. Es läßt sich hieraus kein Recht auf eine bestimmte Art und Weise der Aufgabenerfüllung, auf "unveränderte und ungeschmälerte Ausübung der übertragenen dienstlichen Aufgaben" (BVerfGE 43, 242, 282) herleiten und damit auch kein Recht, bei der amtlichen Tätigkeit von der Rechtschreibreform verschont zu bleiben (vgl. P. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 23 Rn. 13 Fn. 34).

Allerdings ist in Art. 33 Abs. 5 GG auch der Fürsorgegrundsatz enthalten, der nach Ansicht des BVerfG als Korrelat zur Treuepflicht des Beamten vom Dienstherrn zwingend zu beachten (nicht bloß zu berücksichtigen) ist. Der Grundsatz der Fürsorgepflicht verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten vor unberechtigten Anwürfen in Schutz zu nehmen, ihn entsprechend seiner Eignung und Leistung zu fördern und bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten zu berücksichtigen (BVerfGE 43, 154, 165). Ob die Anweisung, die neue Rechtschreibung amtlichen Schreiben zugrunde zu legen, die wohlverstandenen Interessen des Beamten hinreichend berücksichtigt, könnte bezweifelt werden,

wenn man davon ausgeht, daß die ständige Verwendung der neuen Rechtschreibung zu einer Entfremdung des Beamten von seiner Muttersprache führe und so seine sprachliche Integrität verletze;
wenn man einen früher oder später entstehenden gesellschaftlichen Anpassungsdruck des Beamten auch im privaten Bereich befürchtet (Anpassungsdruck durch befürchtete "Blamage beim Schreiben") und diesen Anpassungsdruck dem Staat zurechnet;
wenn man es letztlich mit der Würde des Menschen nicht für vereinbar hält, als Vehikel für die Durchsetzung einer neuen Rechtschreibung zu dienen (vgl. zum ganzen Kopke, NJW 1996, 1081, 1084 [allerdings nicht in bezug auf Art. 33 Abs. 5 GG, sondern in bezug auf Art. 2 Abs. 1 GG]).
Im Ergebnis erscheinen diese Bedenken allerdings nicht als gerechtfertigt:

Wer in Zukunft die alte Rechtschreibung verwendet, wird auch die neue Rechtschreibung lesen und verstehen können und umgekehrt;
es gibt keinen verfassungsrechtlichen Schutz davor, mit etwas Neuem konfrontiert zu werden (BVerfG NJW 1996, 2221, 2222). So wurde immer schon eine Sprachprägung der Beamten durch den Staat durch besonderen Amtsstil, rechtstechnische Begriffe etc. akzeptiert;
wer auch nach dem Jahre 2005 die alte Rechtschreibung benutzt, blamiert sich nicht, schreibt nicht falsch, sondern überkommen (OVG Münster NJW, 1998, 1240, 1241).
Somit werden auch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums durch die Erlasse vom 14. August 1996 und vom 21. Juli 1997 nicht berührt, so daß auch der Schutzbereich des Art. 33 Abs. 5 GG nicht eröffnet ist.

II. Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG

Da die "sprachliche Integrität" im Dienst schon von Art. 33 Abs. 5 GG erfaßt wird, kann in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG allenfalls das Recht Schuriegels fallen, sich außerhalb des Dienstes der überkommenen Rechtschreibung zu bedienen. Dieses Recht wird grundsätzlich auch von der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG erfaßt. Jedoch wird in dieses Recht durch die Erlasse vom 14. August 1996 und vom 21. Juli 1997 nicht eingegriffen. Schuriegel kann weiterhin privat so schreiben, wie er will. Daß die Durchsetzung der Rechtschreibreform im öffentlichen Dienst für den gesellschaftlichen Bereich Vorbildfunktion haben soll, steht dem nicht entgegen. Jedem steht es frei, dem Vorbild zu folgen. Die Rechtschreibreform wird hierdurch nicht zum Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (wie hier Hufeld, JuS 1996, 1072, 1075 f.; Wegener, Jura 1999, 185, 187).

Anmerkung: A.A. eigentlich kaum vertretbar, wird jedoch vertreten (vgl. Kopke, NJW 1996, 1081, 1083 f.)

Somit wird auch in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG nicht eingegriffen.

III. Ergebnis zu B

Da somit die Erlasse vom 14. August 1996 und vom 21. Juli 1997 nicht in Grundrechte Schuriegels eingegriffen haben, konnten sie auch keine Grundrechte Schuriegels verletzen. Dementsprechend konnte auch das Urteil des BVerwG, das eine Grundrechtsverletzung Schuriegels durch diese Erlasse seinerseits von vornherein für ausgeschlossen hielt, keine Grundrechte Schuriegels verletzen. Die Verfassungsbeschwerde ist somit unbegründet.

C) Gesamtergebnis
Die Verfassungsbeschwerde Schuriegels ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Sie hat demnach keine Aussicht auf Erfolg.


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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 10.07.2001 um 20.10

Aus einer Klausur (3.7.2001) eines Aufbaustudiengangs (!) einer mit Heidelberg verbundenen Hochschuleinrichtung:

"Ein Testergebniss ist falsch positiv, wenn es bedeutet, daß der Proband das zu testende Merkmal aufweist, dieses Merkmal beim Probanden jedoch nicht vorhanden ist."

"Der Arzt führt eine Anamnese an dem Patienten durch. Darausfolgt, dass der Arzt genau Hypothesen für das Krankheitsbild des Patienten hat. ... Durch die Anamnese weiss der Arzt jetzt, worauf er bei der körperlichen Untersuchung besonders achten muss. Speziell auf Gegenstände
(sic!), die seine Grundhypothese erschüttern ... Die körperliche Untersuchung wird dann die Hauptdiagnose hervorrufen. Durch Anamnese und körperliche Untersuchung kommt es zu einer Diagnose, welche auf die Befunderhebung fußt."

"Die Prozeßqualität orientiert sich vor allem in der Diagnose Therapie und Pflege also mehrperson orientiert und der Ablauf wie man mit dem Patienten umgeht. ... Wie können Recourssen besser genutzt werden ..."


Die Auswahl ist - aus Gründen der Fairneß - beschränkt auf deutsche Teilnehmer des Aufbaustudiengangs.


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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Jörg Metes am 23.06.2001 um 13.21

"nur mehr" ist österreichisch und in Österreich sehr gebräuchlich. Supermärkte werben etwa mit:

"XY Kaffee - das halbe Kilo um nur mehr 78 Schilling"


eingetragen von Johannes Seifried am 08.06.2001 um 22.28

Dr. Wolfgang Scheuermann:

Meine Formulierung "nurmehr für ugs. nur noch " in meinem Beitrag vom 8.6.2001 um 01:21 Uhr (eigentlich 07.06.2001 um ca. 19:15 Uhr) war zweideutig und dadurch mißverständlich. Besser wäre wohl "nurmehr ugs. für nur noch" gewesen. Allerdings hätte meine zugegebenermaßen vorschnelle Beurteilung im letzten Satz doch noch zur Eindeutigkeit beitragen können.

Prof. Dr. Theodor Ickler:

Eine Frage habe ich zu Ihrer direkten Antwort auf meinen Beitrag. Sie schrieben: "Die Kennzeichnung "ugs." kann ich allerdings auch nicht nachvollziehen.". Worauf bezieht sich Ihr "auch"? Ich hatte mich ja mangels besseren Wissens der Beurteilung des Bertelsmanns angeschlossen.

Christian Dörner:

Meine Behauptung, "nur mehr" gehöre zusammengeschrieben, bezog ich neben meinem Sprachgefühl nur aus dem Bertelsmann 1999, ohne nochmal in meinen Duden (1996 und 1973) nachzuschauen. Da im Bertelsmann 1999 zum Eintrag "nurmehr" keine Kennzeichnung für neue Rechtschreibung war, ging ich davon aus, daß auch in den Duden nichts anderes stehen würde. Ein Fehler von mir, wie sich inzwischen herausgestellt hat. Allerdings ohne diesen Fehler hätte ich wohl gar keinen Beitrag geschrieben. Der ursprüngliche Beitrag von Herrn Dr. Scheuermann mit dem Schlußkommentar "... orthographisch korrekt, oder?" hatte mich dazu veranlaßt, den Text nach Rechtschreibfehlern zu durchforsten.

An alle (natürlich auch Nichtgenannten):

Was bedeutet im Duden die Kennzeichnung "landschaftlich"? Bedeutet sie so etwas wie "regional"? Wenn ja, in welchen Regionen ist denn "nur mehr" zuhause?


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 08.06.2001 um 13.03

Durch die gestrigen "Zeitenwenden" ist einiges durcheinandergeraten: Auf meinen Beitrag von "21:22" folgte R.M. "21:37", dann W.S. "22:35", R.M. 17:36 und schließlich T.I. 20:40.
Ich habe mich also gleich mehrfach geirrt - u.a. dadurch, daß ich den "Bertelsmann" fast nie heranziehe und deshalb sein ugs. falsch zugeordnet habe. Ich bitte Herrn Seifried deshalb herzlich um Entschuldigung für meinen Irrtum!
Sind sich aber in der Sache selbst möglicherweise alle einig? Was Herr Ickler mit "ein bißchen gesucht (preziös)" bezeichnet hat, habe ich "geschraubt-gehoben" genannt, aber nichts anderes gemeint. "Nur noch" wird von allen gleichermaßen als neutral eingestuft; es bleibt das Erstaunen über die hohe "nur mehr"-Trefferzahl bei "Google" und die klassifizierenden Einstufungen bei Duden wie Bertelsmann.
(Die Zusammenschreibung "nurmehr" findet sich übrigens im "wortschatz lexikon" des Instituts für Informatik der Universität Leipzig - http://wortschatz.uni-leipzig.de - 382x, davon besonders früh und zahlreich in der Frankfurter Rundschau [1990] - was natürlich wieder daran liegen kann, daß sie dort von dieser Zeitung entsprechend weit zurückreichende CD's haben.)
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 07.06.2001 um 20.35

Ich hätte (möglicherweise) Stein und Bein darauf geschworen, daß "nur mehr" zumindest tendenziell "gehobener" wäre als "nur noch". (Offensichtlich deckte sich mein Empfinden mit dem des Bertelsmann-Bearbeiters.) Denkbar ist, daß es sich auch erst in den letzten Jahrzehnten zu einer Art Modewort entwickelt hat. "Nur noch" erschien mir jedenfalls als völlig neutral, und so hätte ich vermutet, daß auch das verflixte "google" es viel häufiger auswerfen würde als "nur mehr". Herr Dörner hat das ja schon z.T. überprüft. Beschränkt man sich auf die deutschsprachigen Seiten, so findet man über 23.000 Belege für "nur mehr", 19.000 für "nur noch" und, das sei ergänzend mitgeteilt zu den 6.500 Fundstellen zu "nurmehr", 2.860 für "nurnoch". Damit sehe ich ein, daß mein "geh.-Gefühl" zu "nur mehr" sich allenfalls aus der Vergangenheit speisen kann, in jedem Falle aber heute nicht (mehr) zutrifft. Was dazugelernt!
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Reinhard Markner am 07.06.2001 um 19.37

Nur_mehr ist weder ugs. noch geh., sondern ein Wort, das man heutzutage in stilistisch ganz unterschiedlichen Texten finden kann. Handelt es sich vielleicht um eine Überblendung von »nunmehr« und »nur noch« ?


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 07.06.2001 um 19.22

Herr Seifried hat den Bertelsmann ein bißchen ungenau zitiert; daraus ergibt sich dann auch ein kleines Mißverständnis. Es steht dort in Wirklichkeit:
"nur|mehr ugs.: nur noch"!
Es ist demnach klar, was gemeint ist: Nurmehr ist keineswegs umgangssprachlich - im Duden stünde ihm vielleicht sogar die Kennzeichnung geh. zu (die es bei Bertelsmann nicht gibt). In diesem, ihrem Text entsprechenden, geschraubt-gehobenen Sprachstil verwendet die DFG diesen Ausdruck, nur eben in der orthographisch derzeit korrekten Schreibweise "nur mehr". Wer sich eher umgangssprachlich ausdrücken möchte, hätte wahrscheinlich geschrieben: "... nicht mehr totipotent, sondern nur noch pluripotent ...".
Man sieht, DFG-Texte können schier unerschöpflich sein.(?)
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Theodor Ickler am 07.06.2001 um 18.40

Für mein Sprachgefühl ist "nur mehr" (auch zusammengeschrieben) weder ugs. noch geh. noch landschaftlich, sondern ein bißchen gesucht (preziös). Man will das stinknormale "nur noch" vermeiden. Was hinter der großen Häufigkeit bei Google steckt, weiß ich noch nicht, es kommt mir irgendwie falsch vor.
Es gibt so ein paar Wendungen, die für mich diesen Beigeschmack des Gesuchten haben und die ich daher nie verwende, auch nicht recht leiden kann. Z. B. "ab und an" statt "ab und zu".
Lieber Herr Markner, machen Sie mich doch nicht so unglücklich, indem Sie meinem Orthographikon immer wieder mal vorhalten, was alles nicht darinsteht! Ich bin ja dran, Ihren Wünschen entgegenzukommen, das wissen Sie doch!
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 07.06.2001 um 15.36

Der Zusatz »ugs.« im Bertelsmann bezieht sich auf das Lemma selbst, nicht auf die folgende Explikation, verehrter Herr Scheuermann, vergleichen Sie mal den etwas weiter unten stehenden Eintrag »nuscheln«. Sie hatten also den entgegengesetzten Eindruck, wenn Sie das Wort bzw. die Wortverbindung als gehoben einschätzten. Der Duden von 1991 setzt übrigens »landschaftl.« hinzu, was auch Unsinn ist, zumal die Redaktion ja nicht einmal mitzuteilen imstande ist, um welche Landschaft es sich handeln soll.
Merke : Mit solchen Zusätzen muß man vorsichtig umgehen. Daß im »Ickler« nahezu gänzlich auf sie verzichtet wird, halte ich allerdings auch nicht für optimal. Die begrenzte Reichweite eines Wortes oder einer Schreibung ist ja schon eine bemerkenswerte Sache.


eingetragen von Theodor Ickler am 07.06.2001 um 00.10

Die Zusammenschreibung, die sich auch schon in der ersten Ausgabe des Bertelsmann findet, stimmt nicht mit der amtlichen Regelung überein - ein Fehler, der mir bisher entgangen war. Die Kennzeichnung "ugs." kann ich allerdings auch nicht nachvollziehen.
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Th. Ickler


eingetragen von Johannes Seifried am 06.06.2001 um 23.21

Im Bertelsmann 1999 steht nurmehr für ugs. nur noch, ohne dies als neue Rechtschreibung zu kennzeichnen, im Duden 1996 (und auch 1973) hingegen nur mehr.

M.E. macht die Zusammenschreibung Sinn. Man betrachte folgendes Beispiel:

Er wollte nur mehr Wasser.

Je nach Betonung erhält dieser Satz unterschiedliche Bedeutung. Durch die Zusammenschreibung wird die Betonung und damit die Bedeutung eindeutig.

In einem wissenschaftlichen Text hat nur mehr im Sinne von nur noch, da umgangssprachlich, sowieso nicht unbedingt etwas verloren.



eingetragen von Theodor Ickler am 06.06.2001 um 12.48

Eigentlich wollte ich gar nicht für oder gegen Ihre Feststellung argumentieren, lieber Herr Dörner, sondern bloß den Eindruck, den Herr Markner hatte, durch die mir gerade zugänglichste Quelle überprüfen. Das Ergebnis ist nicht überwältigend repräsentativ, aber doch interessant, nicht wahr? Zumal solche Sachen kaum auf Abstimmung beruhen, sondern so nebenher passieren. Wir sehen gewissermaßen dem Sprachwandel in vivo zu.
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Th. Ickler


eingetragen von Christian Dörner am 06.06.2001 um 09.25

Resultate bei Google:

nurmehr: ca. 6.500 Belege
nur mehr: ca. 24.500 Belege

Davon abzuziehen sind natürlich noch Sätze wie "Er versuchte es, nur mehr war einfach nicht drin" usw.

Aber es ging ja eigentlich darum, ob die Getrenntschreibung in dem betreffenden Falle ein Fehler ist. Daß man nurmehr belegen kann, hat ja niemand bestritten, nur ist nur mehr selbstverständlich ebenfalls korrekt.
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Christian Dörner


eingetragen von Theodor Ickler am 06.06.2001 um 02.43

Süddeutsche Zeitung: Belegzahlen für "nurmehr"
1995: 41
1996: 55
1997: 61
1998: 94
1999: 116

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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 06.06.2001 um 01.10

Ich wage die Prognose, daß sich »nurmehr« in den nächsten Jahrzehnten durchsetzen wird, ähnlich wie »stattdessen«. Habe die Zusammenschreibung vor wenigen Tagen auch schon in der F.A.Z. gesehen.


eingetragen von Christian Dörner am 05.06.2001 um 21.44

Die Wortgruppe nur mehr wird nicht zusammengeschrieben, und in dem anderen Satz fehlt auch kein Komma.

In einem Gefüge wie "Akzeptiert man daher, daß Rechtsunterschiede [...] nicht [...] anstößig sind und Handlungen im Ausland [...] zu messen sind, ..." darf nach sind keinesfalls ein Komma stehen.

Nebengeordnete Gliedsätze, die mit und oder oder verbunden sind, werden selbst dann nicht durch Kommata voneinander getrennt, wenn sie durch unterschiedliche Konjunktionen - hier nur einmal daß - eingeleitet werden. Im fraglichen Satz haben sie sogar die Einleitung gemeinsam.

Weiteres Beispiel:
In einem Satz wie Wir wissen, was du getan hast und warum du auf diese Idee gekommen bist steht ebenfalls kein Komma.

Ergänzung: Im übrigen erlaubt die Neuregelung das Komma in solchen Fällen.
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Christian Dörner


eingetragen von Johannes Seifried am 05.06.2001 um 21.18

Der Text der DFG enthält mindestens zwei Rechtschreibfehler:

1. "nurmehr" wird zusammengeschrieben:

Nicht verboten ist hingegen der Import embryonaler Stammzellen, da diese nicht mehr totipotent, sondern nur mehr (richtig: nurmehr) pluripotent sind und daher gar nicht unter das Embryonenschutzgesetz fallen.

2. Fehlendes Komma nach Subjektwechsel:

Akzeptiert man daher, daß Rechtsunterschiede im internationalen Vergleich nicht per se anstößig sind (hier fehlt das Komma) und Handlungen im Ausland, abgesehen von Fällen weltweit geächteten Unrechts, an den jeweils dort geltenden Rechtsvorstellungen zu messen sind, dann gibt es mit Blick auf die verfassungsrechtliche Garantie der Forschungsfreiheit keine Rechtfertigung dafür, die Forschung mit legal im Ausland hergestellten embryonalen Stammzellen grundsätzlich auszuschließen.


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 31.05.2001 um 17.18

Damit kein Mißverständnis aufkommt: Ich möchte dieses Forum keineswegs umfunktionieren zu einem Debattierclub über - wiewohl äußerst wichtige - Fragen der Gentechnik.
Nachdem ich gestern (orthographisch richtige und m.E. inhaltlich sehr fragwürdige) Auszüge aus einer Stellungnahme der DFG hier vorgestellt hatte, las ich, die Nobelpreisträgerin und Direktorin des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen, Frau Professor Dr. Christiane Nüsslein-Volhard, habe die (inhaltlich sehr beachtliche und orthographisch liederlich abgefaßte) "Berliner Rede" des Bundespräsidenten scharf kritisiert.
Daraus resultierte folgender kurzer E-Mail-Austausch:

Sehr geehrte Frau Professor,

heute wurde über dpa eine Äußerung von Ihnen kolportiert, nach der Sie den Bundespräsidenten in scharfer Form als wissenschaftsfeindlich gerügt hätten.
Solche Meldungen sind immer verkürzt und in der Tendenz oft verfälscht. Deshalb bitte ich Sie um Nachsicht, daß ich in aller gebotenen Kürze direkt bei Ihnen nachfrage, ob Sie denn tatsächlich die Berliner Rede von Herrn Rau quasi als Kriegserklärung wider die Wissenschaft empfunden haben.
Er hat - bei einigen Ungenauigkeiten - m.E. seinen Kernpunkt klar herausgestellt, daß es viel "diesseits des Rubikon" zu tun gebe. Dem stimme ich - auch als Wissenschaftler - zu.
Umgekehrt bin ich geradezu entsetzt über die Rabulistik, derer sich eine hochangesehene Einrichtung wie die DFG befleißigt, um zu begründen, daß sie geltendes deutsches Recht zu umgehen empfiehlt (3. Mai 2001):


An dieser Stelle folgen die schon zitierten Sätze der DFG.

Ist das noch erträglich?

Mit freundlichen Grüßen

W. Scheuermann


Die Antwort ist eine typische E-Mail, die man orthographisch und stilistisch nicht auf die Goldwaage legen sollte. Dennoch erscheint es mir nicht als völlig einerlei, wie und in welcher Form sie abgefaßt ist.

Sehr geehrter Herr Scheuermann,

Woertlichsteht in dem interview auf die Frage: wie hat die Rede von Bundspraesident Rau auf Sie gewirkt?:
Die ausgesprochen wisssenschaftfeindliche Haltung hat mich
erschreckt. Ob es so weise war, als Bundespraesident eine so extrem konservative Haltung einzunehmen, wird sich noch zeigen.

Davor habe ich darauf hingewiesen, dass einige Techniken von denen er, wenigstens in der Tendenz, glaubt, dass Wissenschaftler diese bereits auszufuehren gedenken, nicht im entferntesten der Realitaet entsprechen. Ich finde das schon bedenklich, wie er und viele andere "den" Wissenschaftlern automatisch unethisches Handeln unterstellen, es quasi erwarten. Da sehe ich mich in meiner Berufsehre getroffen.

Ich wuerde das nicht als Kritik in scharfer Form bezeichnen.
Allerdings kann ich auch Ihre scharfe Kritik an der Stellungnahme der DFG nicht nachvollziehen.

Mit freundlichen Gruessen,

CNV


Mir scheint, hier wurde "mit zwei Schärfen" gemessen, aber das ist ja nicht so wichtig.
Interessant ist, welche Sprache Wissenschaftler nutzen - da ziehe ich jetzt die Stellungnahme der DFG mit ein (und natürlich möchte ich mich selbst nicht in einen kritikfreien Raum zurückziehen).
Ich bin der Ansicht, daß wir Wissenschaftler (fast alle) derart von Zuwendungen der Allgemeinheit abhängen, daß wir uns, als geradezu selbstverständliche Gegenleistung der Gesellschaft gegenüber, in einem Deutsch äußern sollten, das von einem lesekundigen Mitbürger auch verstanden wird. (Das gilt nicht notwendig für unseren Umgang untereinander - da brauchen wir einfach gewisse Fachtermini, um uns rasch zu verständigen).
Dazu gehört auch, daß ich nicht den Vorreiter spielen sollte bei einer Sprachverhunzung wie der Rechtschreibreform, wenn die Mehrheit der Bevölkerung sie ablehnt. Verständlich zu formulieren ist ohnehin fast immer mühseliger, als einen Instant-Aufguß von Sprechblasen anzurühren - zusätzliche Barrieren werden da nicht gebraucht.
Die Rede des Bundespräsidenten (nachzulesen unter
http://www.bundespraesident.de
braucht einen Vergleich mit sprachlichen Leistungen von Wissenschaftlern sicher nicht zu scheuen.

P.S.: Heute erreichte mich die Neufassung einer Dr.-Arbeit, die wegen - u.a. orthographischen - Mängeln zurückgezogen worden war. Ein Blick zeigt Einfluß, Messergebnis, passt, Abschluß, erfasst - es ist ganz offenkundig zu schwer!
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 30.05.2001 um 11.12

Keine Antwort, eine Ergänzung:
Wer sich einmal ein Bild davon machen möchte, was Doktoranden der Medizin in Heidelberg so alles beforschen (und in welcher Sprache sie es zu Papier bringen), findet die Kurzfassungen der aktuellen Arbeiten unter

http://dissmed.ub.uni-heidelberg.de

im Internet. Bei deren Lektüre kann man sich vergegenwärtigen, daß die Doktoranden sich bei der Formulierung dieser Kurzfassungen überdurchschnittlich Mühe gegeben haben, weil sie wußten, daß diese sehr viel häufiger gelesen werden als die kompletten Arbeiten.
Die resultierende Vielfalt ist jedenfalls erstaunlich.

Erstaunlich sind auch die Formulierungskünste der hochangesehenen Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die hier an einem kurzen Abschnitt dokumentiert werden. Sie stammen vom 3. Mai 2001 und zeigen, daß die DFG der Rechtschreibreform keineswegs bedarf, um ungeahnte Höhen der Rabulistik zu erklimmen:
"Die Herstellung menschlicher embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken ist nach geltendem Recht verboten. Nicht verboten ist hingegen der Import embryonaler Stammzellen, da diese nicht mehr totipotent, sondern nur mehr pluripotent sind und daher gar nicht unter das Embryonenschutzgesetz fallen. Soweit dagegen Bedenken geltend gemacht werden, weist die DFG darauf hin, daß der Respekt vor der Souveränität anderer Staaten und ihrer Rechtsetzungsgewalt, wie er umgekehrt auch von anderen Staaten gegenüber dem deutschen Recht und seinen Lösungen erwartet wird, es gebietet, grundsätzlich nur Handlungen im Inland an den heimischen Rechtsvorstellungen zu messen. Akzeptiert man daher, daß Rechtsunterschiede im internationalen Vergleich nicht per se anstößig sind und Handlungen im Ausland, abgesehen von Fällen weltweit geächteten Unrechts, an den jeweils dort geltenden Rechtsvorstellungen zu messen sind, dann gibt es mit Blick auf die verfassungsrechtliche Garantie der Forschungsfreiheit keine Rechtfertigung dafür, die Forschung mit legal im Ausland hergestellten embryonalen Stammzellen grundsätzlich auszuschließen."
Über den Inhalt soll hier gar nicht diskutiert werden, aber alles ist doch orthographisch korrekt, oder?
(Ich gestehe allerdings, daß ich diesen Text fast lieber in "Reform-Deutsch" gelesen hätte. Das hätte einfach besser gepasssst.)
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 18.05.2001 um 17.53

Doktorarbeiten in "Mischdeutsch"

Seit der Rechtschreibreform ist der Anteil orthographisch einigermaßen akzeptabler Doktorarbeiten in der Medizin - unter denen, die ich zur Begutachtung erhalte - in Heidelberg deutlich abgesunken. Selten folgt ein Doktorand noch einheitlich einer Orthographie, meist herrscht eine bunte Mischung vor.
Das kann u.U. die Note, manchmal aber auch die Arbeit an sich gefährden:
Ein Doktorand hatte eine besonders überzeugende, aufwendige und umfangreiche Dissertation fertiggestellt - in mehrjähriger Arbeit - und durfte nach den Bewertungskriterien unserere Fakultät an sich erwarten, daß er eine gute Chance auf ein "magna cum laude" (eine "1", "summa cum laude" wäre eine "1 mit Stern") haben würde.
Nach Abschluß seiner Arbeiten muß ihn der Teufel geritten haben: Um nun wirklich alles möglichst gut zu machen, hat er seine gesamte Dissertation durch irgendeinen Konvertierer laufen lassen und hat sie damit auf ein ungefähres "Reform-Deutsch" umgestellt. Das war sein Verhängnis! Die Arbeit enthielt unzählige Zitate aus zurückliegenden Jahrzehnten, deren Autoren nun auf einmal die z.T. erst weit nach ihrem Tod verbrochene Reform der Rechtschreibung vorausgeahnt haben müssen. Das sind Zitatfälschungen, die der Doktorvater (nachdem ich ihn darauf aufmerksam gemacht hatte - er hatte diese letzte Version gar nicht mehr zu Gesicht bekommen) nicht hinzunehmen bereit war - er ließ die Arbeit zurückziehen. Der Unglücksrabe von Doktorand hatte sich vorher nie mit Computern befaßt und aus dieser Unerfahrenheit heraus vor der Konvertierung keine Sicherungskopie gemacht.
Das bedeutet nun für ihn: Nochmaliges Heraussuchen aller Originalbelege und entsprechende Korrektur.
Das war irgendwann Mitte des letzten Jahres; er ist heute offenbar noch nicht fertig.
Generell warne ich vor der Anwendung der neuen Regeln: Viele Studenten haben ohnehin Schwierigkeiten, klare Sätze zu formulieren. Wenn dann noch die Zweideutigkeiten der Reform hinzutreten ... sind sie gänzlich verloren.
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Dr. Wolfgang Scheuermann


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