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-- Meine Gedanken zur neuen Rechtschreibung (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=1238)


eingetragen von J.-M. Wagner am 18.10.2004 um 21.19

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karsten Bolz
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Monika Chinwuba Irgendwo habe ich gelesen, möglicherweise bei der vrs.ev., daß die #allgemeine Tendenz zur Zusammenschreibung unterbrochen werden soll#. Das wäre allerdings hochpolitisch...
Schauen Sie mal, was Prof. Digeser in seinem Offenen Brief an Marcel Reich-Ranicki schreibt (Nachzulesen hier im Forum und auf rechtschreibkommission.de):
Zitat:
Vieles, was die Experten im Bereich Getrenntschreibung entschieden haben, ist durchaus in Ordnung und hat den modischen Trend, Wortketten durch Zusammenschreibung aneinanderzuhängen (genauso, sogenannt, inderregel), erfolgreich gestoppt.
Es gibt mehrere Reformer (u.a. Heller), die sich diesbezüglich geäußert haben.
Hier einige Originalzitate dazu:
„Seit Adelung ist es das Bestreben aller Versuche einer Regulierung des Bereichs der Getrennt- und Zusammenschreibung, einer zunehmenden Tendenz zur Zusammenschreibung behutsam entgegenzuwirken.“
(B. Schaeder, Getrennt- und Zusammenschreibung – zwischen Wortgruppe und Wort, Grammatik und Lexikon. In: Augst et al. [Hgg.], Zur Neuregelung der deutschen Orthographie. Begründung und Kritik, Tübingen 1997, S. 157–208; hier S. 203.)

„Insgesamt wird der Getrenntschreibung der Vorzug gegenüber der Zusammenschreibung gegeben und damit behutsam der Tendenz zu vermehrter Zusammenschreibung entgegengewirkt.“
(Internationaler Arbeitskreis für Orthographie, Deutsche Rechtschreibung. Vorschläge zu ihrer Neuregelung, Tübingen 1992, S. 146.)
Mein Kommentar: Ob behutsam oder nicht, offenbar konterkariert dieses Bestreben bewußt die Sprachentwicklung.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Monika Chinwuba am 15.10.2004 um 00.44

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Zitat:
Nichtfachleuten mit überaus gutem Erfolg möglich war, zwischen Wort und Wörtern zu unterscheiden


Heute in unserem Stadtteilblättchen:

ein tolles Foto von mit den Köpfen nach oben gerichteten Schlangen und darüber geschrieben:

Hoch giftig und schaurig schön.
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Monika Chinwuba


eingetragen von Monika Chinwuba am 15.10.2004 um 00.16

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Georg Zemanek
Algorithmen sind präzise Verfahren. ... Die in einer Sprachgemeinschaft gewachsenen Muster einer Sprache sind im allgemeinen keine Algorithmen.

Zunächst einmal: Sie haben mir ganz schön zu knacken gegeben, indem Sie eine Menge Begriffe in den Ring geworfen haben.

Vereinfacht gesagt ist der Algorithmus wie ein Fadenschiffchen, das sich in einem Webstuhl auf bestimmte Weise präzise bewegt. Aus dem Ergebnis dieser Bewegung entsteht das gewünschte Muster.


Ein Algorithmus kennt definitionsgemäß keine Ausnahmen. Da aber keine Regel der Sprache ohne Ausnahme ist, müssen wir eher von Mustern sprechen

Hier sollten wir zwischen dem Algorithmus und der Regel unterscheiden. Ich will wieder bei den gemeinverständlichen Dingen bleiben. Ein Algorithmus ist ein getaktetes endliches Verfahren, dessen Wirken z. B. beim Fortschreiten der Ziffern einer Uhr beobachtet werden kann. Das Ergebnis ist die präzise Zeitanzeige. Ein Algorithmus steckt auch in den Rechenoperationen, die uns z. B. das Apfelmännchen auf dem Computerbildschirm bescheren. Das Merkmal eines Algorithmus ist sein Anfangswert und die Endlichkeit seiner Operationen, die es auch ermöglicht, mit dem aus der Fertigstellung der Operationen gewonnenen Ergebnis die bekannten Operationen ständig zu wiederholen (sog. Iteration). Das Muster aus dem jeweils letzten Ergebnis wird dadurch immer deutlicher aber auch feinfransiger. In einem herstellenden System, wie es unser Gehirn ist, können viele Algorithmen vorhanden sein, die jeweils einen unterschiedlichen Anfangswert benutzen. Jeder dieser Algorithmen erschafft als Funktionssystem andere Muster. Bei Algorithmen kann es sich sowohl um solche der Verarbeitung als auch der Bewertung handeln.

Eine Regel ist kein Funktionssystem sondern die Beschreibung des Verhaltens eines Funktionsbestandteiles. Sie kann nicht definiert werden, wenn sie keine Ausnahme kennt. Eine Regel ist z. B. das Ergebnis, das der kleine Zeiger einer Uhr produziert. Der kleine Zeiger alter Uhren ruht, bis der große Zeiger die 12 erreicht hat. Dann springt der kleine Zeiger auf die nächste Stunde, z. B. von der 11 auf die 12. Man kann also sagen, die Regel ist, daß der kleine Zeiger still steht, bis er springt. Die präzise Regel ist, daß der kleine Zeiger 60 Minuten still steht, weil dann die Ausnahme erscheint, daß er springt. Eine andere Beschreibung derselben Erscheinung ist, daß der kleine Zeiger um eine Ziffer weiter springt, wenn der große Zeiger 60 Minuten Laufzeit hinter sich hat. Doch das ist keine Regel, sondern eine Verhaltensbeobachtung. Auf eine Verhaltensbeobachtung kann man eine Regel nur gründen, wenn man ihre Funktion nachweist. Regeln beschreiben nicht den Algorithmus, sondern dessen Schritte.

Dies vorausgeschickt kann man sagen, daß zwei Worte zusammen geschrieben werden, wenn eine Bedeutungsergänzung eintritt. Diese wenn-Aussage muß als weil-Aussage wiederholt werden können, um eine Regel zu bilden. Wir können sagen, weil eine Bedeutungsergänzung eines Wortes eintreten soll, wird das Wort mit einem anderen Wort oder einer Silbe zusammengeschrieben. Das können wir sowohl bei Adverbien, Tätigkeiten als auch bei Substantiven feststellen (reu-mütig, fallen-lassen, Königs-Thron). Die Regel gilt aber anscheinend nicht für (mit jemandem) radfahren versus (mit jemandem mit dem) Rad fahren. Das Wort radfahren hat eine vollkommen neue Bedeutung erfahren. Es muß also eine andere Regel gelten oder ein Algorithmus wirken.

Ob Sprache einen Algorithmus hat, ist aber bei der Diskussion auch nicht wichtig, da wir Regeln finden wollen.


Jedenfalls sehe ich die zwingende Notwendigkeit eines strukturorganisierenden Mechanismus nicht ein: Muster, die sich in der Sprachgemeinschaft bewährt haben, werden wiederverwendet

Bei jeder Beschreibung existiert die Schwierigkeit, mit Begriffen, mit denen wir die gegenständliche Welt darzustellen gewohnt sind, mangels passenderer Begriffe in anderen Gegenwartsbereichen operieren zu müssen. Hinzu kommt der Unterschied einer engen Begrenzung der Begriffe in Fachkreisen und die erweiterte Bedeutungsübertragung der Begriffe in das Denken von Laien.

Muster entstehen nicht von ungefähr. Sie werden von irgendetwas erzeugt, hergestellt und vervollkommnet. Jeder Algorithmus erzeugt Muster. Muster entstehen allein durch Bewegung, deren grobe Umrisse ein geschultes Auge beim Gleiten des Weberschiffchens auch ohne Faden erkennen kann. Algorithmische Bewegungen haben eine bestimmte Reihenfolge. Diese könnte in Bezug auf Sprachbildung grob gesagt sein: klassifiziere was gegeben ist, kombiniere was paßt, binde was zusammengehört, das heißt, klassifiziere alle Laute, kombiniere A mit B, binde AB usw., neue Reihe: klassifiziere alle Bindungen, wenn neuer Anfangswert AB, dann binde A, wenn Anfangswert BA, dann binde B. Wenn alle möglichen 2er-, 3er- und 4er-Bindungen kombiniert und klassifiziert sind, dann Sprung zu neuer Ebene, z. B. dem Satzbau. Der Algorithmus bleibt derselbe, auch sein Ergebnis. Es wird nur genauer und facettenreicher: Bei der Wortbildung bindet er Laute unterschiedlicher Stimmlage im Verhältnis ihrer Bedeutung zusammen, und grenzt ein Wort vom anderen Wort ab, beim Satzbau setzt er mehrere abgegrenzte Worte in ein Verhältnis der Bedeutung und grenzt den Satz von einem anderen Satz ab. In jedem Fall entstehen Muster, aus Kombination der etwa 20 bis 40 Laute mit Lautungen nach einem 3er-, 4er- oder 5er-Pack (Haus(4)-halt(4), Samm-(4)lung(4), ehe(3)-lich(3)).

Das Muster verweist auf seine Bedeutungskörper selbst. Bedeutung erschließt sich bereits über rudimentäre Muster, wenn man mit den zugrundeliegenden Strukturkörpern Erfahrung hat (Die Bedeutung eines Strich-Häuschens mit Spitzdach kann derjenige nicht erkennen, der in Kugelhäusern wohnt. Die Bedeutung des Wortes Haus kann derjenige nicht erkennen, der nur französisch spricht). In der Praxis müssen Muster zudem vom Hintergrund abstrahiert werden, um aus der Bedeutung Sinn zu erzeugen (z. B. das Muster in einem Stoff gibt nur dann Sinn, wenn es farblich oder strukturmäßig vom Untergrund abgehoben ist. Ohne diese Abgrenzung könnten wir es nicht erkennen. Gleiches gälte für Sätze, die keine Lautunterbrechungen hätten).
Wir können zwar vom Muster einer Sprache sprechen; aber wichtig ist, herauszufinden, wie es zu diesen Mustern kommt.


Was die Refomer (früher oft auch der Duden) nicht begreifen: Die Verwendung(shäufigkeit) in der Schriftsprache bestimmt die Regel, nicht umgekehrt!

Das sähe ich genauso, wenn Sie anstatt Regel das Wort Schreibung benutzen. Zu dumm, daß der Auftrag der KMK (sofern das stimmt) die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Schreibung war. Die RSK war also gezwungen, Vereinfachungsregeln zu finden. Da man aber Regeln nicht leicht finden kann, wurden sie kurzerhand gesetzt. Wie aber oben dargelegt, kann man Regeln nicht einfach setzen, da sie entweder Bestandteil eines bestehenden Funktionssystems sind, oder zwischen bestehenden Systemen als flexible Puffer oder Schutzzonen sorgfältig eingesetzt werden müssen.

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Monika Chinwuba


eingetragen von Monika Chinwuba am 13.10.2004 um 11.27

Herr Lindenthal, Herr Zemanek, Sie haben beide wichtige Gesichtspunkte gebracht, auf die ich gerne antworten möchte. Habe allerdings im Augenblick viel zu tun und kann mich dem Thema nur in der Nacht widmen. Bis dahin.
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Monika Chinwuba


eingetragen von Georg Zemanek am 13.10.2004 um 06.22

Algorithmen sind präzise Verfahren, die in Computern z.B. für künstliche Spracherzeugung verwendet weren können. Ein Algorithmus muß zuverlässig zum Ergebnis führen. Fehlerhafte Programme können steckenbleiben oder abstürzen, dies sind dann aber im strengen Sinn des Wortes keine Algorithmen.
Die in einer Sprachgemeinschaft gewachsenen Muster einer Sprache sind im allgemeinen keine Algorithmen. Ein Algorithmus kennt definitionsgemäß keine Ausnahmen. Da aber keine Regel der Sprache ohne Ausnahme ist, müssen wir eher von Mustern sprechen, deren Geltungsbereiche meist diffuse, unscharfe Ränder haben.
Vielleicht gehört das Thema Verb + Verb / neues Wort oder nicht in einen solchen Randbereich mächtigerer, allgemeingültigerer Muster. Jedenfalls sehe ich die zwingende Notwendigkeit eines strukturorganisierenden Mechanismus nicht ein: Muster, die sich in der Sprachgemeinschaft bewährt haben, werden wiederverwendet und - meinetwegen auch in formulierter Reglform - an die jüngere Generation weitergegeben.
Beim Thema Haushalten ist zu sagen, daß es wie probesingen, sackhüpfen, kopfstehen, etc. in die Liste der Zeitwörter gehört, deren Zerlegung noch vor 50 Jahren unzweifelhaft hieß: halte haus, singe probe, hüpfe sack, stehe kopf, fahre rad etc. Noch 1951 empfiehlt das Österr. Wörterbuch, man solle doch besser scheiben: auf dem Kopf stehen, mit dem Rad fahren etc. Man kann auch Verstümmelungen solcher Formulierungen vornehmen und diese dann folgerichtig großschreiben: fahre (mit dem) Rad etc. Ich habe das letzte Beispiel mit besonderer Absicht hinzugefügt: radfahren gehört mit autofahren zu den ersten Wörtern (ca. 1954), bei denen die Getrenntschreibung mit Großbuchstaben begann: fahre Rad, fahre Auto, laufe Ski, etc. Das hat auf den Infinitiv zurückgewirkt: Auto fahren, Rad fahren.
Was die Refomer (früher oft auch der Duden) nicht begreifen: Die Verwendung(shäufigkeit) in der Schriftsprache bestimmt die Regel, nicht umgekehrt!

Ein besonderes Problem sehe ich im Bezug auf die Bedeutung: Wenn Zeitwörter noch in Tunwörter, Tuwörter, Tätigkeitsverb etc. kategorisiert würden, stünde das Problem der präzisen Zuordnung jedes Verbs in die jeweilige Kategorie offen: Wo gehört liegen, bei dem man nichts tut, hin? Hat man nun eine irgendwie formulierte Regel, in der diese Zuordnung ausschlaggebend ist, kann zwischen Schreiber und Leser die Zuordnung schwanken, und die Klarheit der Regel ist dahin. Ich bin daher bestrebt, sprachliche Regeln an syntaktischen Gegebenheiten zu orientieren und möglichst wenig auf die Semantikebene zu beziehen. Das mag aber auch daran liegen, daß ich viel mit formalen Sprachen zutun habe.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 13.10.2004 um 06.06

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Monika Chinwuba
Leider berücksichtigen die Reformer Ihre Erläuterung nicht, Herr Lindenthal. Wie also weiterkommen?
Mit den sogenannten „Reformern“ habe ich nichts am Hut und möchte mir nicht deren Köpfe zerbrechen.
Zitat:
Es muß eine jedem einleuchtende Regel geben, wann zusammen und wann getrennt geschrieben wird.
Wieso das? Gibt es in anderen Lebensbereichen jeweils eine „einleuchtende Regel“ ... wann man fahren darf, wann man bremsen muß, wann man arbeiten geht und wann man redet und wann man schweigt? Für manche Entscheidungen sind viele Einflußgrößen zu berücksichtigen.
In Sachen Wörter hatte ich die wichtigste Regel genannt. Die Kenntnis, was ein Wort ist, ergibt sich aus dem fleißigen Gebrauch der Sprache; wer nicht weiß, was allgemeinbildend oder tiefgreifend bedeuten, dem ist hier in der Wörterfrage eh nicht zu helfen.
Anzumerken ist noch, daß es bis 1996 auch Nichtfachleuten mit überaus gutem Erfolg möglich war, zwischen Wort und Wörtern zu unterscheiden, insbesondere auch in der gesprochenen Sprache.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Monika Chinwuba am 13.10.2004 um 00.58

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
... das von Ihnen gesuchte Geheimnis verraten: Jedes Wort wird zusammengeschrieben, Wörter hingegen werden getrennt geschrieben.
Gruß,


Leider berücksichtigen die Reformer Ihre Erläuterung nicht, Herr Lindenthal. Wie also weiterkommen? Es muß eine jedem einleuchtende Regel geben, wann zusammen und wann getrennt geschrieben wird.

Ich nehme einmal an, daß die Sprache einen Algorithmus besitzt, der zueinander passende Informationen bündelt (Emergenz bei Symetrieerhalt). Ich persönlich glaube, daß aus den ersten Lautbegriffen mithilfe dieses Algorithmus Worte entstanden sind, die einander ergänzende Lautbegriffe enthalten. Dieses Verfahren wirkt offenbar auch bei der Zusammenschreibung von Wörtern (es ist letztendlich egal, ob man Grundlautelemente bündelt oder Klassen). Gibt es aber einen strukturorganisierenden Mechanismus, gibt es auch eine Regel, nach der verfahren wird. Die Frage scheint mir, welche Klasse von Begriffen (nicht von Wörtern!) zusammengehören, weil sie sich mit einem Erfahrungsbereich verbinden können.

Daß sich Verben mit Verben (und Hauptworte mit Hauptworten) zu einer Einheit verbinden lassen, stimmt ja so allgemein einfach nicht. Mir erscheint der akademisch-vornehm lateinische Begriff "Verb" auch ungenügend, weil er nicht zwischen Tuwort, Tätigkeitswort und Zeitwort und was es sonst noch alles geben könnte differenziert. Der Begriff ist rückständig wie mancher Experte. Die Anwendung der deutschen Begriffe scheint mir für Forschungsvorhaben zur Zusammenschreibung aussagekräftiger.

Hier komme ich noch einmal auf Neuschreib "Haus halten" zurück. Bereits das Wort Haushalt ist ein seit Jahrhunderten zusammengesetztes Hauptwort, das als Tätigkeitswort "haushalten" lautet. Wie ist die Intelligenz zu beschreiben, die daraus ein "Haus halten" als Tätigkeit machte? Offensichtlich müssen die akademischen Zuchtburgen der Sprachwissenschaft fallen-ge-lassen werden, damit wieder einigermaßen Logik in die Schreibung einkehrt.
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Monika Chinwuba


eingetragen von Georg Zemanek am 12.10.2004 um 21.01

Zitat:
5.2.1. Verbstamm als Erstglied, Komposition aus Verbstamm und Verb
schwingschleifen, trennschleifen, spritzpressen, streckwalzen, preßschweißen, ... (meist Rückbildungen)

Aha, danke. Jetz weiß ich endlich, wie liebhaben entstanden ist ... ;-))


eingetragen von Detlef Lindenthal am 12.10.2004 um 19.01

Liebe Frau Chinwuba,

nachstehend möchte ich Ihnen das von Ihnen gesuchte Geheimnis verraten: Jedes Wort wird zusammengeschrieben, Wörter hingegen werden getrennt geschrieben. Ob etwas ein Wort ist oder mehrere Wörter sind, dafür gibt es etliche Prüfmerkmale, die viel leichter zu verinnerlichen als aufzuschreiben sind.
Wichtigstes Merkmal ist, daß ein neuer Begriff mit deutlich neuer Bedeutung entstanden ist – ein neues Wort eben; (bei „falscher Hase“ oder „Erste Hilfe“ oder „Wilhelm Grimm“ sind zwar auch deutlich neue Begriffe entstanden, aber aus anderen Gründen werden die beteiligten Wörter nicht verschmolzen).
Auch gibt es eine (allerdings außerordentlich dünne) Grenzzone.
(Die in den vorherigen Beiträgen genannten Merkmale sind ungeeignet.)

Gruß,
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Monika Chinwuba am 12.10.2004 um 17.57

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
Fleischer/Barz, Wortbildung:
5.2.2. Infinite Formen als Erstglied
Komposition aus zwei Infinitiven
liegen-, sitzen-, stehen-, steckenbleiben; sitzen-, liegen-, stehen-, steckenlassen; achten-, kennen-, lieben-, schätzenlernen; spazierenfahren, -gehen, -reiten.


Bedeutet das,
* alles, was man endlos tun kann, wird zusammen geschrieben aber
* alles, was man nicht endlos tun kann (wie kämpfen, messen, fliegen, bauen - siehe Liste von Herrn Zemanek) kann nicht zusammen geschrieben werden?

Tatsächlich Unterscheidung zwischen Tätigkeit/Zweck (zusammen) und Tun/Ziel (auseinander)?
Dann wäre bei der Schreibung nur noch zu entscheiden, was Tätigkeit und was Tun ist. Richtige Schreibung würde die Eigenschaft anzeigen.
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Monika Chinwuba


eingetragen von Fritz Koch am 12.10.2004 um 16.01

Fleischer/Barz, Wortbildung:
5. Wortbildung des Verbs
5.2. Komposition
5.2.1. Verbstamm als Erstglied, Komposition aus Verbstamm und Verb
schwingschleifen, trennschleifen, spritzpressen, streckwalzen, preßschweißen, ... (meist Rückbildungen)
5.2.2. Infinite Formen als Erstglied
Komposition aus zwei Infinitiven
liegen-, sitzen-, stehen-, steckenbleiben; sitzen-, liegen-, stehen-, steckenlassen; achten-, kennen-, lieben-, schätzenlernen; spazierenfahren, -gehen, -reiten.
Mit Partizipien
gefangenhalten, -nehmen, -setzen; verlorengehen.


eingetragen von Elke Philburn am 12.10.2004 um 12.33

Die Antwort auf so eine Frage läßt sich nur dem Sprachgebrauch entnehmen.
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http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von Georg Zemanek am 12.10.2004 um 12.05

Gibt es eine Analyse darüber, welche Verben in der Kombination Verb + Verb zusammengeschrieben überhaupt vorkommen können? Ich kann beliebig Verben kombinieren und dann krampfhaft nach einer Bedeutung suchen: kämpfen fliegen (Kampffliegen?), messen fliegen (Messungen fliegend in der Luft machen?), fliegen messen (Messungen an fliegenden Dingen vornehmen), sprechen bauen (Sätze konstruieren?), beschwichtigen rudern (Rechtschreibreform verteidigen?).
Aber bei keinem dieser Beispiele ist Zusammenscheibung auch nur im entferntesten in Aussicht.
Also: Welche Verben eignen sich überhapt als zweites Verb einer Kombination Verb + Verb mit Zusammenschreibungsoption?


eingetragen von Elke Philburn am 12.10.2004 um 11.39

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Stephan Fleischhauer
Welchem Lehrer hätte überhaupt der Gedanke kommen sollen, daß du mußt im Bett liegen bleiben falsch sei?

Höchstwahrscheinlich keinem. Denn diese Schreibung war derart geläufig, daß sie überhaupt nicht als falsch aufgefallen wäre. Ich bezweifle, daß überhaupt irgendein Lehrer den Nerv gehabt hätte, die Duden-Regeln bis ins kleinste auseinanderzuklamüsern und sie als Grundlage für die Bewertung von Diktaten zu machen. Dieses Herumreiten auf den Regeln ist in der Tat erst mit der Reform entstanden. Ich stelle mir manchmal vor, wie es wäre, wenn man ähnliches mit der englischen Orthographie anstellen wollte. Irgendeiner käme auf die Idee, Regeln für die Zusammen- und Getrenntschreibung auszuformulieren und für jedes Wort festzulegen. Wo man vorher tolerant war und Varianten zuließ, würde nun strikt nach Vorschrift geschrieben. Lehrer und Schüler könnten nicht mehr "nach Gefühl" schreiben und korrigieren, sondern müßten ständig nachschlagen, ob ihr Gefühl sie trügt und sich etwas geändert hat. Man würde es vermutlich als reine Schikane ansehen oder den Quatsch gleich über Bord werfen.
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http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von margel am 12.10.2004 um 11.33

Aus dem heutigen Lokalteil der Ostfriesischen Nachrichten: Schwerverletzte seien zurückgegangen/ habe versucht, dass Ruder herumzureißen/ den Einspruch... zurück zu ziehen/ würde mir Spass machen/ Meßstellen/ Bußgelder.. fliessen dem Kreis-Haushalt zu/ wie... zu berichten weiss/ tut es ein bisschen leid/ die Polizei hat sich fest gelegt/ auf einen technischen Defekt zurück zu führen/ hatten sich die Richter darauf festgelegt/ von Generation zu Generation weiter gegeben werden... Und so tappen sie Tag für Tag hilf- und führungslos im Irrgarten der reformierten Orthographie herum - auch fünf Jahre nach der Umstellung.


eingetragen von Georg Zemanek am 12.10.2004 um 11.25

Zusammenschreibung führt dazu, daß das einzige vorhandene Verb liegenbleiben die Tätigkeiten beschreibt, es ist schließlich kein anderes Wort da. Dieses liegenbleiben ist eine einzige Tätigkeit. Gäbe es im Deutschen nicht die Angewohnheit, schwach zusammengesetzte Verben in anderen Konjugationsformen zu trennen, wäre folgende Abwandlung korrekt:
Ich | liegenbleibe | im Bett.
Alternativ könnte eine Uhr auf der Bühne stehenbleiben. Abwandlung: Die Uhr | stehenbleibt | auf der Bühne.

Getrenntschreibung führt dazu, daß von den beiden Verben nur eines mit dem Subjekt verbunden ist: bleiben. Das zweite Verb liegen muß einen anderen Bezug haben. Hier kommen nur im Bett oder bleiben in Frage. Das gesamte Objekt des Satzes wäre im ersten Fall: im Bett liegen.
Ich | bleibe | im Bett liegen. Die Uhr | bleibt | auf der Bühne stehen.
Varianten: Ich | bleibe | auf dem Sofa sitzen. Die Uhr | bleibt | in der Werkstatt liegen.
Mit ein bißchen Haareziehen könnte man diese Objekte auch anders, als adverbiale Ergänzungen des Verbs betrachten.
Im zweiten Fall wäre liegen adverbiale Ergänzung zu bleibe, und nur im Bett wäre Objekt.
Ich | bleibe liegen | im Bett. Die Uhr | bleibt stehen | auf der Bühne.
Varianten: Ich | bleibe ruhig | im Bett. Die Uhr | bleibt aufrecht | auf der Bühne.
Nun gibt es im Deutschen die Möglichkeit, daß grammatikalische Einheiten zerrissen werden. Das bedeutet, daß auch die Form Ich bleibe im Bett liegen mit dem zusammengehörigen liegenbleiben interpretiert werden kann. Oder: Die Uhr bleibt auf der Bühne stehen. (In der Theaterwerkstatt hingegen funktioniert das Werk tadellos!)
Hier hilft auch die Betonung nicht mehr weiter! Der Satz schwebt hoffnungslos.
Wer sich unmißverständlich ausdrücken möchte, muß entweder auf die Infinitivkonstruktionen und Partizipien zurückgreifen, die man in der gesprochenen Sprache passend betonen kann und in der Schrift dadurch zum Ausdruck bringen kann, daß man ein Wort (liegenbleiben) oder zwei Wörter (liegen bleiben) schreibt, oder gleich ganz anders formulieren.

Die Rechtschreibreformer scheinen zu argumentieren: Wenn sitzenbleiben, stehenbleiben etc. nicht in allen grammatikalischen Formen zu einer eindeutigen Bedeutung führt, dann können wir gleich ganz darauf verzichten. Beim heutigen Beliebigsprech nur vielleicht ein Argument, jedenfalls eines, das gewachsene Spachvielfalt in der Tiefe ruiniert!
Es gehört für mich zu den faszinierendsten Phänomenen der natürlichen Sprachen im Unterschied zu künstlichen Sprachen (Logik/Programmierung), daß sie trotz oder oft sogar wegen dieser schwebenden Unbestimmtheiten funktionieren, d.h. sinnvoll Bedeutung übermitteln. Auch unsere Intuition ist einmal heraus- oder herangebildet worden, bei mir z.B. auch stark durch fremdsprachlichen Unterricht.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 12.10.2004 um 11.15

Der alte Duden schreibt vor: du mußt im Bett liegenbleiben, die Brille ist liegengeblieben - im ersten Fall ist Getrenntschreibung natürlich viel besser. Auch die Darstellung bei stehenbleiben ist nicht gerade erhellend: die Uhr oder der Fehler ist stehengeblieben, aber: du sollst bei der Begrüßung stehen bleiben. Es wäre sinnvoll, die Zusammenschreibung auf Fälle mit punktuellem Charakter zu beschränken, wenn also bleiben bzw. lassen nicht mehr seine ursprüngliche Bedeutung hat. MasterProppas Zweifel an unseren feinsinnigen Unterscheidungen sind aber berechtigt. Wenn sogar der Duden unsicher ist, wenn also die Auswertung des Textkorpus nicht zur Klarheit führt, warum sollte man dann von einer "Intuition" der Sprachgemeinschaft sprechen?
Ich kann mich nicht erinnern, daß mir in der Schule solche Fehler überhaupt angestrichen wurden. Es kam oft vor, daß ich in Aufsätzen unsicher war (erstmal wie jedesmal? irgendjemand wie irgendein? laufenlassen?), aber was ich auch schrieb, es kam selten eine Reaktion in Form von roter Tinte. Welchem Lehrer hätte überhaupt der Gedanke kommen sollen, daß du mußt im Bett liegen bleiben falsch sei? Das hätte schon ein profunder Dudenkenner sein müssen, und ein Sadist dazu. Die Problematik ist durch die Rechtschreibreform überhaupt erst bekannt geworden. Darum wäre es wohl psychologisch am günstigsten, wenn die Reform schlicht zurückgenommen wird. Neuerdings achtet ja eine ganze Nation peinlich darauf, alles mögliche getrennt zu schreiben. Es gibt eigentlich keine Ausgabe der Kieler Nachreichten, in der nicht ein übereifriges Leid geprüft oder Macht bewußt vorkommt. Die ganze GZS-Problematik muß ins Unterbewußtsein zurück.


eingetragen von Fritz Koch am 11.10.2004 um 21.58

(aus Fleischer/Barz, Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache)
Syntaktische Wortverbindungen sind Wortgruppen und Sätze.
Wortbildungskonstruktionen (WBK) sind Wörter, d.h. ohne strukturinterne Flexion.
Ein Wort kann ein Grundmorphem sein: Haus, oder es enthält neben dem Grundmorphem weitere Grund- oder Wortbildungsmorpheme: Haustürschlüssel, häuslich.
Wortbildungskonstruktionen sind Morphemgefüge.
WBK enstehen durch Komposition (Zusammensetzung) oder Derivation (Ableitung).
Konversion (Umwandlung in eine andere Wortart) von Wortgruppen ist mit Univerbierung (Zusammenschreibung) verbunden.
Unter Wortzerreißung verstehe ich die Umkehrung der Wortbildung: Die Auflösung einer Wortbildungskonstruktion (eines Wortes) in eine syntaktische Wortverbindung (eine Wortgruppe) durch Dekomposition oder strukturelle Destruktion.
Bisher versuchte ich, solche Fachausdrücke zu vermeiden und durch deutsche Wörter zu ersetzen.


eingetragen von Monika Chinwuba am 11.10.2004 um 21.58

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von MasterProppa
„Liegenbleiben“ wird nach alter RS zusammengeschrieben. Was ändert sich denn, wenn ich im Bett „liegenbleibe“? So einfach scheint es doch nicht zu sein, oder habe ich etwas übersehen? Kurt
Ja Kurt, Du hast was Wesentliches übersehen: Die Einbindung des Begriffes in Satzbau und Grammatik und die Tatsache, daß wir einmal die Welt der aktiven Handlung beschreiben und ein anderes Mal die Welt der Erscheinungen. Und nur letztere kann sich (ver)ändern. Denn was getan ist, ist getan. Du siehst hieran, daß jede Sprache auch ihre Philosophie über das Leben hat.

Wenn Du sagst: ich bin heute im Bett liegen geblieben, und habe Fußball geguckt, tust Du das aktiv. Wir betonen anders als bei liegenbleiben und schreiben es auseinander. Wenn Du aber sagst: mein Auto ist auf der A 3 liegengeblieben, schreiben wir das zusammen, weil dies ein Phänomen ist. Vielleicht krieg' ich sogar was mit dem Bett hin, etwa: ich mußte im Bett liegenbleiben, weil ich krank war. Auch das ist eine Erscheinung, die sich ändern wird. Wenn Du aber im Bett liegen bleiben willst, ändert sich das nicht, weil es phänomenal ist, sondern um zu ...

Zumindest ich sehe eine Regel, bin aber absolut fern davon, sie formulieren zu können. Das müssen Leute vom Fach machen. Übrigens Du weißt doch, daß es eine Regel nur gibt, wenn es eine Ausnahme gibt?

Und ab nun werde ich Dich mit Sie ansprechen, weil Sie in den vergangenen drei Jahren argumentativ erwachsener geworden sind.

Warum regen die Rechtschreibreformgegner sich auf? Bereits diese Diskussion zeigt, daß die Dinge schwierig zu erklären und noch schwieriger zu erläutern sind. Die Gegner haben einen schwierigen Stand, weil sie über Jahre die Regelanwendung prüfen mußten, und letztendlich die NRS verworfen haben.

Bisher hat der Duden Sprache und Schreibung beobachtet und Schreibänderungen dann irgendwann in seinen neueren Auflagen eingetragen. Es kann also sein, daß liegen bleiben und liegenbleiben benutzt wird (wie bei wohl fühlen/wohlfühlen), ohne daß dies im letzten Dudenexemplar schon erwähnt ist.

Die bisherige Vorgehensweise des Duden-Verlages ist nicht vergleichbar mit der Methode der RSK/KMK, die gerade nicht aus Beobachtungen der Schreibgemeinschaft oder sorgfältigen Folgeprüfungen Änderungen einführen wollen, sondern per Dekret.
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Monika Chinwuba


eingetragen von Detlef Lindenthal am 11.10.2004 um 20.49

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
Die Tendenz zur Zusammenschreibung ist kein modischer Trend,
sondern seit langer Zeit belegt, weil die Zusammenschreibung häufig gebrauchter Wortverbindungen das schnelle Lesen erleichtert und weil dadurch unangebrachte Großschreibungen in adverbialen Ergänzungen vermieden werden.
Ich halte vielmehr die neuen Wortzerreißungen für einen modischen Anglizismus.
Modisch heißt kurzlebig.
Lieber Herr Koch,

nach meiner Meinung sollte man mit solchen Wortungetümen wie Zusammenschreibung und Wortverbindungen nicht den sehr einfachen und überzeugenden Begriff Wort verdrängen. Dieser ist überaus klar, und klar ist auch die buchstäbliche Darstellung: Wörter und Wiewörter (Adjektive) werden ohne Leer zeichen ge schrieben. Wir sind doch keine Briten.
Sogenannte und allgemeinbildend sind (Wie-)Wörter und keine exotischen Zusammensetzungen, es sei denn, daß auch Landstraße, Sonntag und Rechtschreibung „Zusammensetzungen“ oder „Wortverbindungen“ sind. Letzterenfalls müßte der Duden auf seine Wörterbücher schreiben: „5000 Wörter und 120.000 Wortverbindungszusammensetzungen“

Ensprechend sollten Sie auch nicht von Wörterzerreißungen euphemisieren, sondern das Ungeheuerliche beim Namen nennen: es handelt sich um ausgewachsene Wörterverbote = Sprachverbote!
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Detlef Lindenthal am 11.10.2004 um 20.33

Lieber Kurt,

habe gerade Deine ersten Beiträge von 2001 gelesen; Du wirst wohl nicht behaupten können, daß sie, rein hormonell, so richtig ausgeglichen und ausgewogen waren.
Hat Dich die Schule mit Sprache derart genervt, daß Du nun froh bist, wenn Spracheunterricht insgesamt abmontiert wird in der Weise, daß sich die Sprachlehrer hunderttausendfach untereinander zoffen, statt, wie damals bei uns, einträchtig die Kinder zu triezen?
Dazu möchte ich aus meinem langen Leben anmerken, daß ich Sprache lieben gelernt habe, obwohl ich Deutschunterricht in der Schule hatte.
Du siehst, als Sozialpädagoge mag ich mich lieber über die Beweggründe und Entwicklungen unterhalten als über vorgeschobene Oberflächenargumente.

Gruß, Detlef


eingetragen von margel am 11.10.2004 um 20.11

Ja, Kurt, ich hatte mir schon gedacht, daß Sie das Amtliche Regelwerk nicht kennen. Vermutlich würden Sie es auch nicht verstehen. (Das ist nicht beleidigend gemeint.) Es ist übrigens durchaus "spannend" - in dem Sinne, daß es Spaß macht, alle Abstrusitäten und Inkonsequenzen aufzuspüren. Richtig ergiebig wird die Lektüre aber erst, wenn man daneben den "Kritischen Kommentar" von Th. Ickler liest. Daß Sie das Regelwerk abschätzig beurteilen, entbehrt natürlich nicht einer gewissen Komik...wo Sie sich doch so sehr für die Reform einsetzen. Sie haben also, wie eigentlich alle Anhänger der Reformschreibung, alles nur aus zweiter Hand oder vom Hörensagen. Und darum sind Sie kein ernstzunehmender Diskussionspartner. Sie werfen einfach diesen und jenen Brocken hin und warten darauf, daß die anderen sich die Gedanken machen, die Sie sich mangels gründlicher Kenntnis des Diskussionsgegenstandes ersparen. - Schade, denn ein solide informierter Reformanhänger wäre in diesem Kreis sehr willkommen.


eingetragen von Elke Philburn am 11.10.2004 um 19.53

Die früheren Einlassungen von Meister Proper sind hier nachlesbar.

Der Rechtschreibfehler, den Meister Proper meint gefunden zu haben, ist übrigens ein interessantes Beispiel dafür, wie Duden und Rechtschreibpraxis z. T. auseinanderklafften. Es wird ja von den Reformbefürwortern gern der Duden als stellvertretend für die Schreibpraxis herangezogen, und dann werden genüßlich irgendwelche Regeln auseinanderklamüsert, die den Schreibenden angeblich das Leben schwergemacht haben sollen.

Wie man sieht, ist so eine Argumentation unsinnig. Die Schreibpraxis hatte ihre eigenen Regeln, und um die zu lernen, mußte man vor allem viel lesen. Klar schrieb man vor der Reform "wohlfühlen" zusammen, es gab aber auch noch die ältere Form in zwei Wörtern "wohl fühlen". Es war ja ein allgemeiner Trend, daß Wörter, die eine neue semantische Einheit bildeten, zusammengeschrieben wurden, und diesem Trend hätte man folgen müssen, um die Rechtschreibung leichter zu machen. Eine vernünftige "Reform" hätte sich also einem Trend in der Sprachentwicklung nicht entgegengestellt, sondern sie wäre ihm gefolgt, und hätte auf diese Weise zu einer Minimierung der Fehlerzahl beitragen können. Denn das, was ein großer Anteil von Schreibenden als richtig empfindet und praktiziert, kann nicht falsch sein.
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http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von MasterProppa am 11.10.2004 um 19.29

1. Haben Sie mitbekommen, wie die Kommission vor nicht langer Zeit die Deutsche Akademie in nicht zu überbietender Überheblichkeit abgebügelt hat?

Ich habe gelesen, dass der Vorschlag der Akademie weder von Reformgegnern noch -befürwortern begrüßt wurde. Dann kann er ja nicht so gut gewesen sein.

2. Warum lehnen Ihrer Meinung nach laut Umfragen 7 Jahre nach der Einführung weiterhin ca. zwei Drittel der Befragten die Reform ab?

Weil sie andere Sorgen haben, als noch mal die Rechtschreibung umzulernen.
Unter Schülern, die die neue RS gelernt haben, würde eine große Mehrheit für die Beibehaltung der neuen RS stimmen, weil die verständlicherweise auch keine Lust haben umzulernen.

Außerdem wüßte ich gern noch, ob und wie gut Sie das Amtliche Regelwerk kennen.

Ich kann mir spannendere Lektüre vorstellen als das Amtliche Regelwerk. Wenn dieses die Grundlage jeder Diskussion hier ist, kann ich wohl tatsächlich nicht mitreden.

Stehenbleiben, sitzenbleiben, hängenbleiben antwortet auf die Frage „was ändert sich jetzt?“

„Liegenbleiben“ wird nach alter RS zusammengeschrieben. Was ändert sich denn, wenn ich im Bett „liegenbleibe“? So einfach scheint es doch nicht zu sein, oder habe ich etwas übersehen?

Genauso gut könnte ich versuchen, einem Blinden die Farbe Rot zu erklären. Aber warum auch ...

Sehr liebenswürdig.

Ich geb's auf – melden Sie sich wieder, wenn Sie Ihre Muttersprache ordentlich gelernt haben.

Jeder, der die neue RS nicht verteufelt, beherrscht seine Muttersprache nicht. Eine interessante These.

Zu Frau Chinwubas Tip: Ich habe über die Jahre schon des öfteren mit Meister Proppa diskutiert. Es hat wirklich keinen Sinn und ich habe mich diesmal nur darauf eingelassen, weil ich die Hoffnung hegte, er wäre zwischenzeitlich etwas einsichtiger geworden.

Entweder Sie verwechseln mich mit jemandem, oder Sie lügen, um mich persönlich anzugreifen und als unglaubwürdig darzustellen. Jedenfalls habe ich mit Ihnen keinesfalls schon „über die Jahre des öfteren“ diskutiert.

[...] absurde Behauptungen in den Raum zu stellen (siehe z.B. die Ausführungen zu „wohlfühlen“, wo er die unterschiedlichen Betonungen, die es nun einmal de facto gibt (falls man Deutsch als Muttersprache hat) nicht berücksichtigt.

Frau Morin, es heißt „wohl fühlen“. Auseinander geschrieben, in allen Bedeutungen, trotz völlig verschiedener Betonung. Auch nach alter RS – schauen Sie in Ihren verstaubten 1991er Duden. Meine Ausführungen dazu sind keinesfalls absurd, Sie haben sie aber offenbar nicht verstanden.

Mit anderen Worten, er versucht immer mal wieder, den Leuten im Forum ein Bein zu stellen. Dann macht er einen Rückzieher und freut sich darüber, welche Erregung er damit ausgelöst hat.

Jetzt wird's langsam unverschämt! Dies ist das zweite Mal, dass ich in dieses Forum schreibe, von „immer mal wieder“ kann keine Rede sein. Kann es sein, dass es Sie ziemlich frustriert, dass Ihnen die sachlichen Argumente schneller ausgehen als mir? Wenn so etwas passiert, gehen manche Personen über zu persönlichen Angriffen gegen den Diskussionspartner. Ich finde so was niveaulos.

Na ja, ich melde mich dann wieder, wenn ich meine Muttersprache „ordentlich gelernt“ habe.

Bis dahin,
Kurt


eingetragen von 1 am 11.10.2004 um 19.21

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Monika Chinwuba
(und falls das hier zweimal als Beitrag kommt, sorry, die Technik....!)
Sehr geehrte Frau Chimbuwa,

und falls das hier hier zweimal gekommen wäre, hätten Sie es vermittels der Technik durch Klicken auf "ändern" wieder ändern einschließlich löschen können.

Sorry,
die Technik


eingetragen von Monika Chinwuba am 11.10.2004 um 18.00

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karsten Bolz
Zitat:
Es gibt mehrere Reformer (u.a. Heller), die sich diesbezüglich geäußert haben.


Herr Koch, Herr Bolz,
mein Informant war doch die vrs.ev. und dort der Text von Ickler, der am 5.5.04 in seinem "Sprachwissenschaftlichen Gutachten" (als Anlage zur Petition) folgendes schrieb:

Zitat: Die Reformer haben wiederholt bekundet, ihre Neuregelung solle „der Tendenz der Sprachgemeinschaft zur Zusammenschreibung entgegenwirken“.

Dem grund muß man nachgehen.

(und falls das hier zweimal als Beitrag kommt, sorry, die Technik....!)
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Monika Chinwuba


eingetragen von Monika Chinwuba am 11.10.2004 um 17.44

Herr Koch, Herr Bolz,

es war Ickler, der am 5.5.04 in seinem "Sprachwissenschaftlichen Gutachten" (als Anlage zur Petition) folgendes schrieb:

Zitat: Die Reformer haben wiederholt bekundet, ihre Neuregelung solle „der Tendenz der Sprachgemeinschaft zur Zusammenschreibung entgegenwirken“.

Dem warum muß man nachgehen.
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Monika Chinwuba


eingetragen von Monika Chinwuba am 11.10.2004 um 17.27

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
Stehenbleiben, sitzenbleiben, hängenbleiben antwortet auf die Frage "was ändert sich jetzt?"


Herr Koch, Donnerwetter, da haben wir's ja in einem einzigen gut faßbaren Satz!


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Monika Chinwuba


eingetragen von Fritz Koch am 11.10.2004 um 16.36

sondern seit langer Zeit belegt, weil die Zusammenschreibung häufig gebrauchter Wortverbindungen das schnelle Lesen erleichtert und weil dadurch unangebrachte Großschreibungen in adverbialen Ergänzungen vermieden werden.
Ich halte vielmehr die neuen Wortzerreißungen für einen modischen Anglizismus.
Modisch heißt kurzlebig.


eingetragen von Karsten Bolz am 11.10.2004 um 15.43

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Monika Chinwuba Irgendwo habe ich gelesen, möglicherweise bei der vrs.ev., daß die #allgemeine Tendenz zur Zusammenschreibung unterbrochen werden soll#. Das wäre allerdings hochpolitisch...
Schauen Sie mal, was Prof. Digeser in seinem Offenen Brief an Marcel Reich-Ranicki schreibt (Nachzulesen hier im Forum und auf rechtschreibkommission.de):
Zitat:
Vieles, was die Experten im Bereich Getrenntschreibung entschieden haben, ist durchaus in Ordnung und hat den modischen Trend, Wortketten durch Zusammenschreibung aneinanderzuhängen (genauso, sogenannt, inderregel), erfolgreich gestoppt.
Es gibt mehrere Reformer (u.a. Heller), die sich diesbezüglich geäußert haben.

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Karsten Bolz


eingetragen von Fritz Koch am 11.10.2004 um 14.46

Stehen bleiben, sitzen bleiben, hängen bleiben antwortet auf die Frage "welcher Zustand herrscht jetzt?" und kann ersetzt werden durch die 'westfälische Dauerform' "ich bin am Stehen, Sitzen, Hängen".
Stehenbleiben, sitzenbleiben, hängenbleiben antwortet auf die Frage "was ändert sich jetzt?"

Es stellt sich also immer die Prüffrage:
Herrscht ein Zustand (unvollendete Tätigkeit, imperfektiver Aspekt)
oder ändert sich etwas (vollendete Tätigkeit, perfektiver Aspekt)?
Der Vergleich mit den beiden Aspekten slawischer Verben ist hier sehr hilfreich.
– geändert durch Fritz Koch am 12.10.2004, 00.05 –


eingetragen von Monika Chinwuba am 11.10.2004 um 14.32

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Georg Zemanek
Manchmal werde ich das Gefühl nicht los ...

Sie sind schon ziemlich nah dran, Herr Zemanek.

Überlegen wir uns doch einmal, was das "tun" - gleichgültig, ob aus eigenem Handeln geboren oder als Befehl ausgeführt - von dem "tätig sein" unterscheidet.

Mit TUN verbindet man in der Regel ein Handeln, das zu einem beabsichtigten Ziel führt (in meiner Sprache sage ich: Ziel(T) Wirkung(U) machen(N)). Tun bewirkt gewisse Zustände. Deshalb ist es auch ganz richtig, wenn ein anderer Forumsteilnehmer dieses Phänomen mit "plötzlich" beschreibt. Hier wird auseinander geschrieben, zur Verdeutlichung der Satzbau meist umgestellt.

Tätigkeit hingegen wird offiziell, z. B. in der juristischen Literatur, als "Arbeit des Verstandes" definiert. Tätigkeit ist dem Anlaß entsprechend zweckverfolgend (Ein gefundener Hammer soll hämmern können). Tätigsein hat mit sich dauernd ändernden Umständen und Zuständen zu tun. Wir können endlos tätigsein (s. a. "Die Tätigkeitsgesellschaft"), ohne unseren Zweck zu erfüllen. Der Zweck fragt hundertmal wozu und weshalb, aber selten warum und wieso. Mit Zielen ist das anders. Ein Ziel können wir nur einmal erreichen. Mag es auch lang dauern, ganz gewiß führt ein Weg dorthin.

In der Sprache unterscheiden wir das TUN zwischen dem Befehl 'stehen bleiben' oder der Aussage 'ich bleibe stehen' vom TÄTIGsein wie 'die Uhr ist stehengeblieben' oder 'ich bin sitzengeblieben'. Denn 'stehenbleiben' und 'sitzenbleiben' ist ein tätigsein, von dem aus wir unsere Position wieder verändern können (die Bleibe ist zudem keine Heimstatt), um erneut dem beabsichtigten Zweck zu folgen (bei der Uhr ordnungsgemäß die Zeit anzuzeigen, beim Schüler endlich das Klassenziel zu erreichen).

Die beiden unterschiedlichen Handlungsebenen werden bei der Getrennt- und Zusammenschreibung verdeutlicht. Meist werden sie intuitiv erfaßt.

Die von Kurt dargelegte Regel "alles was steigerbar ist auseinander schreiben" mag vernünftig sein, und auf die TUN-Ebene passen. Die Regel gilt aber nicht für 'krankschreiben', 'stehenbleiben' und 'sitzenbleiben'. Denn krank war man bisher in unserer Gesellschaft erst, wenn es jemand feststellte. Und ehrlich gefragt: ist stehen bleiben und sitzen bleiben steigerbar? Die möglicherweise vernünftige von Kurt vorgebrachte Regel gehört zu diesen Worten nicht.

In diesem Zusammenhang komme ich auf die Art und Weise, wie die Neue Rechtschreibung durchgefochten wird, zurück. Irgendwo habe ich gelesen, möglicherweise bei der vrs.ev., daß die #allgemeine Tendenz zur Zusammenschreibung unterbrochen werden soll#. Das wäre allerdings hochpolitisch. Die gewollte Konditionierung weg vom Zweck (Friede, Freude, Eierkuchen und das ganze nochmal) hin zum Ziel (globale ziellose Massen zu dirigieren?) beginnt am besten in den Schulen. Die Substantivierung von Verben ist wohl ein weiterer Weg zum Ziel. Freunde und Gegner der neuen RS sollten sich über die politischen Ziele auch Gedanken machen.
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Monika Chinwuba


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 11.10.2004 um 10.27

Nachtrag zu stehen_bleiben: Lieber Kurt, es ist gar nicht so verwirrend. Bei Gebilden mit bleiben und lassen hat man immer wieder diese zwei Bedeutungen: plötzlich stehenlassen (z.B. jemanden plötzlich verlassen), aber: eine Zeitlang stehen lassen. Liegenlassen (=verlieren), aber liegen lassen. Stehenbleiben bedeutet "plötzlich stehen", hängenbleiben "plötzlich (fest)hängen" usw.


eingetragen von Ursula Morin am 11.10.2004 um 10.25

Zu Frau Chinwubas Tip: Ich habe über die Jahre schon des öfteren mit Meister Proppa diskutiert. Es hat wirklich keinen Sinn und ich habe mich diesmal nur darauf eingelassen, weil ich die Hoffnung hegte, er wäre zwischenzeitlich etwas einsichtiger geworden.

Wie Sie merken werden, falls er sich wieder melden sollte, ist er an einer Klärung von Zweifelsfällen gar nicht interessiert, sondern hat es nur darauf abgesehen, absurde Behauptungen in den Raum zu stellen (siehe z.B. die Ausführungen zu "wohlfühlen", wo er die unterschiedlichen Betonungen, die es nun einmal de facto gibt (falls man Deutsch als Muttersprache hat) nicht berücksichtigt. Mit anderen Worten, er versucht immer mal wieder, den Leuten im Forum ein Bein zu stellen. Dann macht er einen Rückzieher und freut sich darüber, welche Erregung er damit ausgelöst hat.

Es bringt wirklich nichts .... glauben Sie mir (aber versuchen Sie gerne, ihn wieder aus der Reserve zu locken. Ich würde mich natürlich über einen Erfolg, d.h. eine tatsächliche Reaktion auf das Gesagte, freuen).


eingetragen von Georg Zemanek am 11.10.2004 um 08.10

Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, daß bei der Verwendung zweiter Verben das zweite den Charakter eines Hilfszeitwortes hat, wenn man getrennt schreibt:
stehen können, sitzen können, sitzen bleiben, essen gehen.

Im Gegensatz dazu ist das zusammengeschriebene Wort ein eigenständiger Begriff sitzenbleiben, bei dem die Tätigkeit oder der Zustand nicht auf dem Zusammenspiel einer Tätigkeit (sitzen, essen) mit einem eigenen Vermögen (können, bleiben, gehen) beruht, das die Tätigkeit erst ermöglicht, die im ersten Verb zum Ausdruck kommt.

Eine strenge Regel ist das natürlich nicht.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 11.10.2004 um 07.52

Zu stehen bleiben und dergleichen. Man könnte die sehr häufigen Zusätze von Verben grundsätzlich getrennt schreiben. (Interessanterweise schlägt das Erich Drach in seinem hier schon oft zitiertem Satzlehrebuch vor.) Es gibt jedoch einen Übergangsbereich zwischen solchen Zusätzen, die nie jemand getrennt schreiben würde (z.B. abwaschen, wiederkäuen), und solchen, die niemand zusammenschreiben würde (krankenhausreif schlagen). Und es gibt hier "ungeschriebene Gesetzmäßigkeiten", Intuitionen, auf die selbst Reformbefürworter nicht verzichten wollen. Das merkt man daran, daß diese Befürworter ständig die neuen Regeln der Getrennt- und Zusammenschreibung kritisieren. lahmlegen gilt vielen, obwohl es sich um eine trennbare Fügung handelt, als ein Wort. Allerdings gibt es hier Unterschiede. Ein bißchen kann man das auch anhand der Wortstellung zeigen. Man kann nicht sagen: weil er den Teller ab hätte waschen sollen (nur: weil er den Teller hätte abwaschen sollen), aber man kann vielleicht sagen: weil er ihn hinauf hätte bringen sollen, ganz sicher aber: weil er ihn mit nach Hause hätte nehmen sollen oder kurz und klein hätte schlagen sollen. (Kann der Zusatz in den Beispielen vor hätte stehen?) Das soll jetzt keine Regelformulierung sein! Ich will nur demonstrieren, daß der Zusammenhang zwischen Verb und Zusatz unterschiedlich stark ist. Vielleicht muß man unterscheiden zwischen "echten" Verbzusätzen, die nie im Mittelfeld stehen, und z.B. "Resultativadverbien". Aber eine für Schüler verständliche Regel, die die Schreibintuition richtig erfaßt, wird es wohl nie geben. Die Neuregelung aber ist kontraintuitiv, das wissen inzwischen selbst die Reformer. Die alte Dudendarstellung war es z.T. auch. Zu krank schreiben: Die Steigerbarkeit interessiert überhaupt nicht; krank wird ohnehin selten gesteigert. Man könnte eher fragen, ob jemand vom Schreiben krank wird - indem er sich völlig um den Verstand und ganz krank schreibt. Dann mag er sich krankschreiben oder ganz und gar krank schreiben. Wer etwas rotstreicht, fragt sich doch nicht, ob er es noch roter streichen kann. Ich sehe die Schüler hier mit rauchendem Kopf über ihren Heften.
Es ist auch nicht richtig, daß die Schule in jeder Hinsicht klare Vorgaben braucht. Man muß nicht alles zum Unterrichtsgegenstand machen, und man muß auch nicht alles, was falsch ist, anstreichen.

Zitat Kurt: "Hätten die Reformgegner konstruktiv an der Neuregelung mitgearbeitet (Dr. Blüml sagte bei Sabine Christiansen, dass man zahlreiche Organisationen um ihre Meinung bat [PEN, Akademie für Sprache und Dichtung usw.]), wäre man zu einer für alle zufriedenstellenden Lösung gekommen. Diese neue Schreibweise hätte sich dann schnell durchgesetzt, und kein Chaos wäre eingetreten."
Blüml weiß ganz genau, daß die Reformer selbst jahrelang vergeblich versucht haben, Korrekturen an ihrem Werk durchzusetzen. Sie scheiterten an den Kultusministern.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 11.10.2004 um 06.52

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
... eine Verbesserung der Lesbarkeit und der Markierung des Silben-Endes (außer bei der 3. Person Singular Präsens: er haßt).
Wahrscheinlich war du haßt gemeint.


eingetragen von Monika Chinwuba am 11.10.2004 um 06.07

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Ursula Morin

und wenn Sie weiterhin nicht begreifen...ist Hopfen und Malz verloren.
...melden Sie sich wieder, wenn Sie Ihre Muttersprache ordentlich gelernt haben.


Nicht aufgeben, Frau Morin. Ja, zu überzeugen ist schwierig. Aber man kann obsiegen, indem beide Teile gewinnen. Doch das geht nicht durch Ausschließung, sondern nur durch eine einleuchtende Story.
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Monika Chinwuba


eingetragen von Ursula Morin am 10.10.2004 um 21.55

Lieber Meister Proppa,
wenn Sie nicht einsehen, daß es eine Schwierigkeit für Lernende darstellt, falls "zurzeit" geschrieben, aber "zur Zeit" gesprochen wird, d.h. wenn eine der Hauptregeln der deutschen Aussprache nicht mehr ihren Ausdruck in der Schriftsprache finden soll ...

und wenn Sie weiterhin nicht begreifen, daß "Mess-Systeme" ungleich häßlicher als "Meßsysteme" ist, ja dann ...

sind Hopfen und Malz verloren.

Genauso gut könnte ich versuchen, einem Blinden die Farbe Rot zu erklären. Aber warum auch ...

Ich geb's auf - melden Sie sich wieder, wenn Sie Ihre Muttersprache ordentlich gelernt haben.


eingetragen von David am 10.10.2004 um 19.12

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von MasterProppa

Herr/Frau Margel, der Unterschied zwischen stehenbleiben und stehen bleiben nach alter RS ist mir bekannt. Die Unterscheidung nützt mir beim Lesen überhaupt nichts (aber das habe ich doch schon alles vorher dargelegt).


Ich darf einmal ganz vorsichtig anfragen, mit welcher Art von Texten Sie sich hauptsächlich beschäftigen? Natürlich gibt es Texte, in denen es vollkommen gleichgültig ist, ob ich mit der Sprache arbeite (indem ich etwa unter Einsatz von Aspekten Handlungs- und Bedeutungsdifferenzierungen ökonomisch und nicht zuletzt auch elegant herausarbeiten kann), um eine Information (i.w.S.) weiterzugeben.
Wenn ich beispielsweise in einem Kleinwagen sitze (zwei Sitze, 120 Liter Kofferraum) und damit in der Innenstadt zur Hauptverkehrszeit mich überall gut durchwühlen kann, kann ich natürlich dem Lastwagenfahrer höhnisch zurufen: "Wofür so ein dickes Auto? Vollkommen überflüssig! Abschaffen, sofort!!" Wenn ich allerdings mein Fahrzeug dazu benutzen muß, tonnenschwere Lasten innerhalb einer befristeten Zeitspanne zu befördern, dann nützt mir der Kleinwagen nicht viel. Und ein Lastwagenverbot bringt dann auch rein gar nichts.
Sie verstehen hoffentlich, worauf ich hinaus will.


Zitat:
Ursprünglich eingetragen von MasterProppa

Herr Koch, Sie merken etwas Wichtiges an. Man könnte auch festlegen, dass stehen bleiben „weiterhin stehen“ bedeutet, und stehenbleiben „zum Stehen kommen“ bedeutet – sehr verwirrend. Es ist einfacher, die Wörter generell auseinander zu schreiben, beim Lesen wird die entsprechende Bedeutung in Sekundenbruchteilen erfasst.


Was zum Geier ist daran verwirrend? So eine "Festlegung" muß man nicht festlegen, es ergibt sich aus dem gesunden Sprachverständnis heraus.
Ich glaube, Sie sollten sich wirklich einmal mit ihrer eigenen Sprache auseinandersetzen. Verzeihen Sie, wenn das jetzt ein wenig hochnäsig klingen sollte, aber es gibt Dinge, für die ich mittlerweile nicht nur kein Verständnis mehr aufzubringen in der Lage bin, sondern auch gar kein Verständnis mehr aufbringen will.

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von MasterProppa

Frau Philburn, wer hat das Chaos, das Nebeneinander von zwei Orthographien, denn verursacht? Hätten die Reformgegner konstruktiv an der Neuregelung mitgearbeitet (Dr. Blüml sagte bei Sabine Christiansen, dass man zahlreiche Organisationen um ihre Meinung bat [PEN, Akademie für Sprache und Dichtung usw.]), wäre man zu einer für alle zufriedenstellenden Lösung gekommen. Diese neue Schreibweise hätte sich dann schnell durchgesetzt, und kein Chaos wäre eingetreten.


Ganz formal: Wenn ich ein funktionierendes und allgemein anerkanntes System durch ein neues ersetzen will, ohne Praktikabilität und Funktionalität qualitativ zu senken, dann muß ich nachweisen, daß mein neues System das auch zu leisten in der Lage ist. Die Beweislast liegt bei mir.
Wenn ich es allerdings aus opportunistischen Gründen einfach gedankenlos durchboxe, nachweislich dadurch Qualität aufgrund von heillosem Chaos sinkt, dann kann ich mich nicht hinstellen und sagen: "Wer macht denn hier das Chaos? Ihr hättet ja direkt nachgeben können!"

So gesehen könnte ich auch sagen: "Warum beschweren sich alle darüber, daß in Kriegen so viele Leute sterben müssen. Wenn einer angreift, dann kann sich der Angegriffene ja auch direkt ergeben. Spart Opfer."

So etwas empfänden Sie doch auch schon nicht mehr nur als unverschämt, habe ich recht?

Nachtrag: Im übrigen schließe ich mich margel an: Sie haben ungeheure Informationsdefizite.
– geändert durch David am 11.10.2004, 16.12 –


eingetragen von Elke Philburn am 10.10.2004 um 17.29

Zu Masta Proppa:

Mit welchen Maßnahmen man Reformkritiker an der Mitsprache gehindert hat, wurde in diesem Forum schon so oft erwähnt, daß ich wenig Lust habe, das nun alles noch einmal aufzurollen. Es wäre auch unsinnig zu behaupten, wenn sich doch nur die Reformkritiker ein wenig mehr angestrengt hätten, daß sie dann das gegenwärtige Chaos hätten vermeiden können. Eine Reform wie diese hätte in jedem Fall dazu geführt, daß zwei Rechtschreibungen nebeneinander existieren. Man hätte also das Durcheinander eh in Kauf genommen. Wenn Sie Icklers Schriften ein wenig kennen, werden Sie wissen, daß man eine Erleichterung in der Orthographie ohne Chaos und mit viel weniger Aufwand hätte haben können. Dann wäre allerdings eine Kommission, die sich über viele Jahre für ihre Tätigkeiten bezahlen läßt, ziemlich überflüssig gewesen.
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eingetragen von margel am 10.10.2004 um 12.58

Hallo, Kurt, ich vermute, daß Sie über den Verlauf der Diskussion über die Jahre hinweg doch nicht so gut informiert sind wie die meisten der hier Anwesenden. Dazu zwei Fagen:1. Haben Sie mitbekommen, wie die Kommission vor nicht langer Zeit die Deutsche Akademie in nicht zu überbietender Überheblichkeit abgebügelt hat? (Zum Stichwort "Konstruktive Mitarbeit")- 2. Warum lehnen Ihrer Meinung nach laut Umfragen 7 Jahre nach der Einführung weiterhin ca. zwei Drittel der Befragten die Reform ab? - Außerdem wüßte ich gern noch, ob und wie gut Sie das Amtliche Regelwerk kennen. Das nämlich ist die Grundlage aller ernstzunehmenden Diskussion, nicht irgendwelche ausgestreute Zweckpropaganda und persönliche Vorlieben. Es geht in erster Linie um den Rechtschreibunterricht in der Schule und die versetzungs- und abschlußrelevante Benotung der Rechtschreibfähigkeiten der Schüler. Das ist der Prüfstein. Und am 1. August 2005 schlägt die Stunde der Wahrheit. Daß daneben die Reform ein Kulturgut nachhaltig beschädigt hat, steht auf einem anderen Blatt. Haben Sie den Aufsatz von Prof. Munske in der FAZ gelesen oder den Kommentar des Verfassungsrechtlers R. Scholz? Ich frage dies nicht, um Sie als unwissend erscheinen zu lassen, sondern um das Niveau abschätzen zu könne, auf dem man sich eventuell weiter unterhalten könnte.


eingetragen von MasterProppa am 10.10.2004 um 11.47

Frau Chinwuba, dass man krank schreiben jetzt zusammenschreibt, hat wohl nichts mit übertragener oder wörtlicher Bedeutung zu tun. Eher damit, dass man einen Menschen nicht kränker schreiben oder besonders krank schreiben kann. Man kann aber Gemüse klein hacken, oder auch kleiner hacken oder besonders klein hacken. Die neue RS bietet also immerhin ein paar kleine Faustformeln, an denen man sich orientieren kann. Das kann die alte RS nicht bieten, da der Duden jede Schreibung regelunabhängig einzeln festgelegt hat.

Herr Lindenthal, zu den Kommaregeln kann ich leider nicht viel sagen. Ich setze Kommas grundsätzlich „nach Gefühl“. Auf jeden Fall sollten die Kommaregeln in den Schulen samt aller Kann-Regeln gelehrt werden, da gebe ich Ihnen Recht.
Den Kindern war es auch schon bisher verboten, in Diktaten Wörter wie „erstmal“ oder „Oma’s Hühnersuppe“ zu schreiben, obwohl die viel beschworene Sprachgemeinschaft genau diese Schreibweisen bevorzugt. Privat können die Kinder doch Handvoll oder bekanntgeben schreiben, nur muss sich der Deutschunterricht nun mal an irgendwelchen Vorgaben orientieren. Tiefgreifend und hierzulande sind, soweit ich weiß, übrigens immer noch korrekt.

Herr/Frau Margel, der Unterschied zwischen stehenbleiben und stehen bleiben nach alter RS ist mir bekannt. Die Unterscheidung nützt mir beim Lesen überhaupt nichts (aber das habe ich doch schon alles vorher dargelegt).

Herr Koch, Sie merken etwas Wichtiges an. Man könnte auch festlegen, dass stehen bleiben „weiterhin stehen“ bedeutet, und stehenbleiben „zum Stehen kommen“ bedeutet – sehr verwirrend. Es ist einfacher, die Wörter generell auseinander zu schreiben, beim Lesen wird die entsprechende Bedeutung in Sekundenbruchteilen erfasst.

Frau Philburn, wer hat das Chaos, das Nebeneinander von zwei Orthographien, denn verursacht? Hätten die Reformgegner konstruktiv an der Neuregelung mitgearbeitet (Dr. Blüml sagte bei Sabine Christiansen, dass man zahlreiche Organisationen um ihre Meinung bat [PEN, Akademie für Sprache und Dichtung usw.]), wäre man zu einer für alle zufriedenstellenden Lösung gekommen. Diese neue Schreibweise hätte sich dann schnell durchgesetzt, und kein Chaos wäre eingetreten.

Frau Morin, für die Betonung eines Wortes spielt es keine Rolle, ob es zusammen- oder auseinander geschrieben wird. Kleines Beispiel, das auch nach alter RS gültig ist: Wie wird er sich wohl fühlen? Wird er sich wohl fühlen oder schlecht fühlen? Beides auseinander geschrieben, beides völlig verschieden betont. Zweites Beispiel: auf Grund, aufgrund. Zusammen oder auseinander – egal – beides gleich betont. Zurzeit spricht man genauso wie zur Zeit. Es gibt bei der Betonung auch keinen Unterschied zwischen „weit reichend“ und „weitreichend“ – es wird beides, wenn Sie so wollen, wie das gute alte weitreichend gesprochen.
Was ist denn so tragisch an drei aufeinander folgenden Konsonanten? Und sieht Schifffracht (alte RS) besser aus als Schifffahrt? Wenn ihnen Messsysteme so sehr missfällt, können Sie ja auch Mess-Systeme schreiben.

Herr Malorny, ich stimme Ihnen bei der neuen Untrennbarkeit von ck zu. Das ist genauso dämlich wie das alte „trenne nie st, denn es tut ihm weh“. Eine Fehlentscheidung meines Erachtens, aber vielleicht wird der Rat für deutsche Rechtschreibung das noch ändern.

Sonntägliche Grüße
Kurt


eingetragen von Monika Chinwuba am 10.10.2004 um 11.24

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Norbert Lindenthal
Herrenleij heißt hier in Bad Ems ein versteckter wunderbarer Aussichtpunkt, ... Möchte wissen, ob Kindern in der Schule zugemutet wird, den Namen .. öm Leyendecker. auf Leute zurückzuführen, die Dächer decken können. Womit wohl, mit hervorragendem Fels?

Die Sprache ist nicht gegenständlich. Wir verkünden in der Sprache keine objektiven Merkmale der Welt (hervorragender Fels)- das können wir wie die Bienen auch ohne menschliche Sprache zeigen - sondern unser Geist versucht im wahrsten Sinne des Wortes, sich mit einem anderen Geist zu vereinigen (Kommunion). Wäre diese Möglichkeit nicht gegeben, wäre unser Geist allein auf der Welt.

Mit der Sprache versuchen wir durch Laute, Betonung, Wort- und Satzbau Unterscheidungen der eigenen Feststellungen zu fremden Feststellungen zu übertragen, durch Unterscheidungen den Dingen eine bestimmte Bedeutung zu geben, und liefern auch zugleich die 'Anker' der beabsichtigten Kommunikationsrichtung und des angedienten Sozialgefüges mit. Wir geben an, WIE unsere Nachricht verstanden werden soll.

Die Silbe -ley ist eine solche sichtbar gemachte Verständnisbrücke. Sie taucht überall dort auf, wo etwas entfaltet wird und vom Interessierten 'geöffnet' werden kann. Es handelt sich um eine sehr alte Silbe, die öffentlich Besorgung versprach. Ist so gesehen die Herrenleij nicht eine wunderbare Aufforderung? Die Endverschriftung ist wahrscheinlich aus den Lauten -ei- und -j- entstanden (deshalb die Erklärung Ihres Schriftsetzers: y = ij). Deijn und Deyn ist deshalb dasselbe, nur in anderer, besser lesbarer Verschriftung. Das -d- bezeichnet in der deutschen Sprache die Verbundenheit, die Bindung zu nachfolgendem. Ist so gesehen Deyn nicht ein phantastischer, mutmachender Anker?

Ich bin deshalb gegen die Reform, weil sie aus unserem Schriftbild weitere Codes (Communio-Hinweise) entfernt. Während der Sprecher solche Hinweise durch Mimik und Verhalten noch liefern kann, muß die Schrift dies im Zeichen deutlich machen. Macht sie dies aber im Zeichen deutlich, können wir den falschen Sprecher bis zu einer gewissen Schwelle wahrnehmen und ihm bis dahin Paroli bieten.

Den Kindern durch falsche Methoden, wie einfachste Stammableitungen und sinnleere Worttrennungen die Lust an der Sprache zu verderben, ist für mich ein Frevel. So erziehen wir Verfügbarkeit, Entsendbarkeit, Trennbarkeit, kurz den homo abstractus, dem die Peripherie unserer Gesellschaft zugewiesen werden kann. Wir bewirtschaften Kinder, anstatt sie geistig zu bilden.


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Monika Chinwuba


eingetragen von Fritz Koch am 09.10.2004 um 23.32

ist mit dem Mittelhochdeutschen ausgestorben, in welchem man die Auslautverhärtung der Konsonanten noch schrieb: Kint, Kinder.
Seitdem wird die Auslautverhärtung nicht mehr geschrieben, sondern nach dem Stammprinzip und entgegen der Aussprache geschrieben: Man spricht [Kint], aber schreibt Kind wegen Kinder.
Entsprechendes gilt für silbenauslautendes s: Man spricht [Hauß], aber schreibt Haus wegen Häuser.
Die phonetische Schreibweise am Silben-Ende ist also seit dem Mittelalter abgeschafft und durch die Stammschreibung ersetzt worden. An diesem Grundsatz der deutschen Sprache hat auch die Rechtschreibreform nichts geändert.

Daß ss am Silben-Ende und vor der Verb-Endung t durch ß ersetzt wurde, ist eine Verbesserung der Lesbarkeit und der Markierung des Silben-Endes (außer bei der 2. und 3. Person Singular und der 2. Pers. Plural Präsens: du haßt, er haßt, ihr haßt).
– geändert durch Fritz Koch am 11.10.2004, 09.43 –


eingetragen von Klaus Malorny am 09.10.2004 um 22.42

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von MasterProppa
Herr Malorny, die Regeln zur schriftlichen Wiedergabe des s-Lauts sind nicht einfach, das habe ich nie behauptet. Mir ist völlig klar, dass man mit der einfachen Umlerner-Regel „schreibe ss nach kurzem Vokal“ nicht weit kommt (Ergebnis, das …). Die alten Regeln waren keinen Deut einfacher, sondern ein kleines bisschen schwerer.
Die Frage ist also letztendlich, ob man der „Logik“ (Fluss, Flüsse; Fuß, Füße) und Phonetik (Paß – Maß; groß, goß – Fuß, Fluß; das ist nicht sehr phonetisch) oder der Ästhetik einiger weniger Wörter (Mißstand, Nußschale) den Vorzug geben sollte.


Das Argument mit der Phonetik ist doch Augenwischerei. Das ließe ich nur gelten, wenn wirklich alle Wörter mit kurzem Vokal mit Doppel-S und die mit langem Vokal mit einem einzigen S geschrieben wird. Jedoch muß der Schüler -- genau wie bei der Adelungschen Schreibweise -- für jedes Wort lernen, wie es geschrieben wird. Zu diesem riesen Aufwand steht die kleine Regel, wann aus dem ss ein ß wird, in keinem Verhältnis. Sie sollte in einer Schulstunde oder weniger erlernbar sein.

Warum will denn die Reform übrigens nicht dann auch die für "ck" und "tz" die "richtigere" Schreibweise "kk" und "zz" einführen, wäre das nicht auch sehr phonetisch ("Er ging auf den Fußballplazz, um zu kikken")? Warum darf das "ck" nicht mehr getrennt werden? Es wird in etwa zu dem gemacht, was in der alten Rechtschreibung das "ß" war, nämlich zu einer Ligatur zweier Buchstaben! Wo ist DA die Logik?

Und weil wir gerade bei der Logik sind: Gerade die ss->ß-Regel ist übrigens reine "Logik", weil sie frei von Heuristiken und Ausnahmen ist. Das kann ich als Informatiker mit Bestimmtheit sagen. Die "Logik", im Zusammenhang mit der ss-Schreibung genannt wird ("Stammprinzip"), ist hinreichend widerlegt (fließen/geflossen usw.) und braucht hier nicht weiter diskutiert zu werden.

mfg.

Klaus Malorny


eingetragen von Ursula Morin am 09.10.2004 um 21.44

Lieber Kurt, wie Du siehst, werden Deine Erkenntnisse hier gründlich diskutiert. Aber was "fallenlassen" betrifft, war die Handhabung vor der Reform - wie auch überhaupt die gesamte GZS - wesentlich einfacher, da man nur eine "Regel" kennen mußte, nämlich ob man etwas bildlich oder übertragen ausdrücken wollte. Man konnte also sowohl "fallen lassen" (also einen Stuhl fallen lassen) als auch "fallenlassen" (ein Thema fallenlassen)schreiben. Ich möchte dies auch nicht als Regel bezeichnen, sondern eher als Grundprinzip des Deutschen. Wie Herr Dräger schon bemerkt hat, brauchte man, um dies zu erkennen, nicht unbedingt einen Duden.

Notfalls konnte man auch nach der Betonung gehen - fast noch einfacher - zusammen: Betonung auf dem ersten Wort, getrennt: Betonung auf beiden Wörtern.

Es würde mich in diesem Zusammenhang wirklich interessieren, wie die Lehrer neuerdings Diktate sprechen, z.B. zurzeit (Betonung auf der ersten Silbe, da es zusammengeschrieben werden soll - das müßte sich dann wie "Zurrzeit" etwa anhören) - oder "hier zu Lande" (tatsächlich mit Betonung auf jedem Wort, da es ja getrennt geschrieben werden soll?). Für Aufklärung wäre ich dankbar ...

Sollte es so sein, daß zwar "zur Zeit" gesprochen wird, aber "zurzeit" geschrieben werden soll, kann ich die Vereinfachung in diesem Punkt nicht erkennen.

Auch bei den Zusammensetzungen mit "hoch" habe ich mir einmal - ich glaube, es war 1996 oder 1998 - die ganze Liste der zu erzwingenden Schreibungen angesehen und konnte beim besten Willen keine Vereinfachung, und schon gar keinen Sinn, darin erkennen.

Die Reform stellt sich für mich so dar, daß man anstelle einiger weniger Grundprinzipien der deutschen Sprache und Wortbildung nun ganze Listen mit "amtlich zulässigen" Schreibweisen im Kopf haben soll (man kann ja nicht immer mit dem neuesten Duden unter dem Arm herumlaufen).

Natürlich kann man alles lernen, wenn es denn sein muß, aber warum sollte man etwas lernen, das die freie Ausdrucksweise empfindlich beschränkt und eigene Wortschöpfungen verbietet? "Verbietet" ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck - besonders perfide ist wohl, daß eventuelle neue Wortschöpfungen nach dem obigen Grundprinzip zwar noch geschrieben, aber bald nicht mehr verstanden werden können. Das zeigt schon Ihre Darstellung zu "weit reichend" und "weitreichend".

Besondere Probleme wirft die RSR in meinem Beruf auf. Ich bin Übersetzerin und habe daher ein Faible für die Semantik. Schreibungen wie "im Übrigen" verursachen mir Übelkeit, da es sich hier um eine Redewendung handelt, bei der "Übrigen" auf keinen Fall ein Substantiv sein kann. Es wird auch in anderen mir einigermaßen geläufigen Sprachen eben als Redewendung und nicht als Hauptwort eines Satzes ausgedrückt (d'ailleurs, besides, förresten ...). Ich verstehe, ehrlich gesagt, überhaupt nicht, wie man Fremdsprachen lernen kann, ohne zu wissen, wo das Hauptwort in einem Satz sitzt (Übersetzen kann man ohne dieses Wissen auf keinen Fall).

Kommen wir noch zum "ß". Ich habe mich vor vielen Jahren tatsächlich ernsthaft mit den neuen Regeln auseinandergesetzt (nunmehr habe ich mich damit sozusagen auseinander gesetzt, d.h. ich habe meine zwei neuen Bertelsmänner und die neuen Duden - da offensichtlich völlig wertlos - in die hinterste Ecke meines Archives verbannt). Es tut mir leid, lieber Kurt, aber "Anerkennung" kann ich der "neuen Regel" nicht zollen. Ich bekomme bei Wörtern wie "Ausschusssitzung", "Kurzschlussschutz" oder "Messspitze" ganz einfach Sehstörungen. Da ich auch an der typographischen Gestaltung der von mir übersetzten Drucksachen beteiligt bin, halte ich diese Regelung für einen absoluten Alptraum. Man hätte unbedingt bedenken müssen, daß es im Deutschen sehr viele Kombinationen mit "ß" und "s" gibt. Die hätten sich natürlich nicht so eingebürgert, wenn es vor fünfzig Jahren schon die RSR gegeben hätte. Wie soll man diese Wörter aber nun wieder "ausbürgern"? Es ist außerordentlich mühsam, lange Pressemitteilungen ohne "daß" zu schreiben (weil man nicht weiß, an welche Zeitschriften die Mitteilung weitergereicht wird), oder einen Katalog für einen Kunden zu übersetzen, der "Messsysteme" herstellt. Meine Kunden sitzen zumeist im Ausland und reagieren ziemlich ungläubig, wenn ich ihnen erzähle, daß man im Deutschen nunmehr drei gleiche Konsonanten aneinanderreiht. Meines Wissens gibt es keine europäische Sprache, in der man dies tut. Aber vielleicht finden Sie ja eine ... wäre interessant davon zu hören.

Auf die Fremdworteindeutschung und die von einem Kommissionsmitglied frei erfundene Herkunft gewisser Wörter (Quäntchen von Quantum!) will ich nun lieber nicht eingehen, das würde zu weit führen.


eingetragen von Elke Philburn am 09.10.2004 um 20.46

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von MasterProppa
Frau Philburn, Sie irren sich, wenn Sie annehmen, dass in der neuen RS Eszett durch ss ersetzt wird.

Ich fürchte, da haben Sie meinen Beitrag nicht richtig gelesen.

Aber mal allgemein: Selbst wenn Sie meinen, die 'neue' Rechtschreibung sei nicht viel besser und auch nicht viel schlechter als die alte: Meinen Sie nicht, daß der Schaden, der durch das Nebeneinander von zwei Rechtschreibungen entstanden ist, nur durch eine ganz erhebliche Verbesserung gerechtfertigt gewesen wäre? Immerhin hat man die Einheitlichkeit der deutschen Orthographie, die durch große Köpfe wie Duden gefördert wurde, ausgehebelt und damit auch ganz gehörig Verwirrung in der Bevölkerung gestiftet.

Stellen Sie sich mal vor, ein Patient läßt sich am Herzen operieren, liegt wochenlang im Krankenhaus, braucht monatelange Schonzeit - und am Ende erzählt man ihm, naja, die Operation sei vielleicht nicht in jeder Hinsicht so ausgegangen wie erwartet, aber sie sei auch nicht mißlungen und immerhin sei sein Herz nach der OP doch auch nicht schlechter als vorher. Also solle er doch froh sein und aufhören zu klagen. Die logische Schlußfolgerung wäre doch gewesen, daß man den armen Menschen lieber in Ruhe gelassen hätte, als ihn und seine Gesundheit mit Dingen zu belasten, die überhaupt keine Verbesserung einbringen, oder?
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http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von Elke Philburn am 09.10.2004 um 20.31

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Stephan Fleischhauer
Als ich zur Zeit der Schleswig-Holsteinischen Volksinitiative eher zufällig an die Unterschriftenstände geraten bin, wurde diese Liste massenweise verteilt. Ich habe sie nie ernstgenommen, weil sie ganz offensichtlich tendenziös war. Mir kamen mehr Fragen als Antworten, zudem fand die unredliche Methodik widerwärtig.

Was ist daran widerwärtig? Die Peilsche Wortliste widerlegt durch eine Fülle von Beispielen das, was die Reformer immer wieder behaupten, nämlich, daß die Widersprüche der "alten" Rechtschreibung beseitigt worden seien. Meinen Sie nicht, daß es Selbstbetrug wäre, sich dieser Realität zu verschließen?
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http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von Fritz Koch am 09.10.2004 um 20.20

Aber die Wörter "stehen bleiben" und "stehenbleiben" eignen sich hervorragend, um daran die beiden Aspekte slawischer Verben zu erklären: "stehen bleiben" = weiterhin stehen muß man mit einem slawischen imperfektiven (unvollendeten) Verb übersetzen, und "stehenbleiben" = zum Stehen kommen muß man mit einem perfektiven (vollendeten) Verb übersetzen. Wenn es im Deutschen diese beiden Aspekte gäbe, würde sich der Bedeutungsunterschied zwischen "stehen bleiben" und "stehenbleiben" und die deswegen notwendige unterschiedliche Schreibweise von selbst ergeben. Hier entspricht der Bedeutungsunterschied genau dem unvollendeten und dem vollendeten Aspekt der beiden Verben.

Auch unterschiedliche deutsche Schreibweisen zwischen direkter und übertragener Bedeutung erleichtern und beschleunigen die richtige Übersetzung in Sprachen, in denen dafür ganz unterschiedliche Wörter gewählt werden müssen, wenn dort ein Wort nicht direkte und übertragene Bedeutung haben kann.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 09.10.2004 um 18.51

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Monika Chinwuba
(wie z. B. 1901 -bei- anstatt vor 1901 -bey-, -lei anstatt -ley usw). Die Nachsilbe -lei wird heute kaum noch gebraucht, weil das -i- für das Auge nicht das auszusagen vermag, was das -y- ehedem auszusagen vermochte.

Schillers Vater unterschrieb an seinen Sohn mit Die Marbacher Museumsleitung stellte ein Schild daneben mit Irgendwie hatte ich das Gefühl, man unterstellt mir als Besucher, ich könne Schillers deutsche Schrift nicht lesen. Bißchen witzig hätte ich es gefunden, wenn das Schildchen jedenfalls nach ausgesehen hätte. Ein Schriftsetzer sagte mir mal, das y habe sich aus ij entwickelt. Wenn das so ist, sieht mir y (für ij) zu fremdländisch aus.

Herrenleij heißt hier in Bad Ems ein versteckter wunderbarer Aussichtpunkt, ein hervorragender Fels. Ob das j abregnete oder ein y drübergemalt wurde, weiß ich nicht genau. Möchte wissen, ob Kindern in der Schule zugemutet wird, den Namen Leijendecker (öm Leyendecker) auf Leute zurückzuführen, die Dächer decken können. Womit wohl, mit hervorragendem Fels?
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Norbert Lindenthal


eingetragen von margel am 09.10.2004 um 17.55

Hallo Kurt, ist Dir der Unterschied zwischen "stehenbleiben" und "stehen bleiben" wirklich nicht klar? Dann stehst du noch ganz am Anfang des Verständnisses einer differenzierenden und hochentwickelten Rechtschreibung. Der Kontext leistet im übrigen von allein gar nichts. Die Arbeit muß immer der Leser aufbringen, wobei es Fehldeutungen geben kann, die durch die Unterscheidungsschreibung von vornherein ausgeschlossen wären. Die Orthographie soll dem Leser dienen - oberster Leitsatz einer aufgeklärten Sichtweise.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 09.10.2004 um 17.32

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von MasterProppa
Ich halte die neue [RS] aber für eine kleine Erleichterung für kommende Schülergenerationen.
Lieber Kurt,

mir scheint, daß Du hier gegen besseres Wissen Falschnachrichten ausgibst. In jeder Zeitung nach 1998 konntest Du erkennen, daß sogar die Fachleute deutlich mehr Fehler machen als früher. Auch in den Schulen haben die Fehler dramatisch zugenommen. Kritische Stimmen sagen, die „Reform“ sei unlernbar. – Oder worin meintest Du solle die „kleine Erleichterung“ bestehen?

Nun habe ich noch eine Frage (die mir allerdings noch kein Deutschlehrer beantworten konnte): Wo sollen die künftigen Zeitungsschreiber (nicht nur für F.A.Z., Spiegel und Springerzeitungen, sondern z.B. auch für den Focus und die taz) die dort verlangte lesefreundliche bewährte Kommasetzung lernen? In der Schule darf sie nicht mehr unterrichtet werden! (Von den §§ 71 bis 79 der angeblich amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung sind 5 §§ Kann-Bestimmungen, von den übrigen vieren sind drei zueinander widersprüchlich ...).

Und wenn wir schon mal beim Fragenbeantworten sind: Würdest Du, wärest Du Kultusminister oder Deutschlehrer, es Dir zutrauen, den Kindern die Benutzung von bestimmten deutschen Wörtern (z.B. tiefgreifend, bekanntgeben, hierzulande, Handvoll ...) bei Strafe (Fehler, Zensuren, Mecker) zu verbieten?

Auf Antworten freue ich mich.

Gruß, Detlef


eingetragen von Monika Chinwuba am 09.10.2004 um 17.17

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von MasterProppa
betrachte ich die alte Unterscheidung z. B. von stehen bleiben und stehenbleiben als nutzlos.

Hallo Kurt,
doch so ganz eingängig ist die neue Regel nicht. So ist zwar aus haushalten Haus halten geworden, aber aus krank schreiben krankschreiben. Über die neue Zusammenschreibung muß es vor der Übereinkunft eine Diskussion gegeben haben: warum sollen wir das jetzt zusammen schreiben?

Vielleicht weist die Zusammenschreibung darauf hin, daß nichts gegenständliches gemeint ist beim "krank schreiben", sondern daß es eben übertragen gemeint ist, nämlich, wenn jemand schon krank IST, dann darf ihn der Arzt auch krankschreiben und muß ihn nicht erst krank schreiben.

Meiner Meinung hat übrigens die Reform von 1901 schon erbärmlich gewütet, und für das Auge Verständnishinweise vernichtet (wie z. B. 1901 -bei- anstatt vor 1901 -bey-, -lei anstatt -ley usw). Die Nachsilbe -lei wird heute kaum noch gebraucht, weil das -i- für das Auge nicht das auszusagen vermag, was das -y- ehedem auszusagen vermochte. In einer 'Augenkultur', wie wir sie heute angeblich haben, muß doch umso stärker darauf geachtet werden, daß die Zeichen das Komplexe einer Nachricht mitliefern, und nicht nur eine neutrale Information.

Es mag ja sein, daß die herkömmlichen Regeln auch nicht besser waren, aber ist dies ein Grund dafür, das Schriftbild zulasten des Lesers noch weiter zu vereinfachen? Wenn Du (hier) schreibst, was bezweckst Du denn dann: geht es Dir darum, zu schreiben oder geht es Dir darum, daß die Forumsteilnehmer Deine Nachricht in all ihrer Komplexität in ihren Denkapparat integrieren können, um Dir adäquat zu antworten?!
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Monika Chinwuba


eingetragen von MasterProppa am 09.10.2004 um 16.34

Frau Philburn, Sie irren sich, wenn Sie annehmen, dass in der neuen RS Eszett durch ss ersetzt wird. Es ist genau andersherum*, in der alten Rechtschreibung wurde am Silbenschluss ss durch Eszett ersetzt. Und das Ganze nur beim Buchstaben s. Andere Buchstaben können bekanntlich ganz ohne „Verdruß“ am Wortende und vor Konsonanten vorkommen.
Wie Herr Fleischhauer schon richtig sagte, habe ich nicht behauptet, dass die neue ss/ß-Schreibung grandios ist. Sie beseitigt lediglich eine Ausnahmeregel und ist somit eine kleine Schreib-Erleichterung.
Herr Malorny, die Regeln zur schriftlichen Wiedergabe des s-Lauts sind nicht einfach, das habe ich nie behauptet. Mir ist völlig klar, dass man mit der einfachen Umlerner-Regel „schreibe ss nach kurzem Vokal“ nicht weit kommt (Ergebnis, das …). Die alten Regeln waren keinen Deut einfacher, sondern ein kleines bisschen schwerer.
Die Frage ist also letztendlich, ob man der „Logik“ (Fluss, Flüsse; Fuß, Füße) und Phonetik (Paß – Maß; groß, goß – Fuß, Fluß; das ist nicht sehr phonetisch) oder der Ästhetik einiger weniger Wörter (Mißstand, Nußschale) den Vorzug geben sollte.

Ich habe nicht geschrieben, dass ich bei den abgeschafften Unterscheidungsschreibungen dreimal nachlesen musste, um aus dem Kontext das Gemeinte zu erkennen. Es ist in allen mir bisher untergekommenen Fällen sofort klar gewesen. Deshalb betrachte ich die alte Unterscheidung z. B. von stehen bleiben und stehenbleiben als nutzlos. Eine relativ große Schreib-Erleichterung, wenn man noch Ausnahmen wie baden gehen und fallenlassen beachten muss, ohne eine Leseerschwernis in Kauf nehmen zu müssen.

Herr Dräger, ich bewundere, dass sie nie im Wörterbuch nachschlagen müssen. Angesichts unzähliger mir völlig willkürlich vorkommender Schreibweisen (andersherum, verkehrt herum; *das musste ich nachschlagen), ist das eine ernorme Leistung – zu der aber die wenigsten in der Lage sein werden. Ich war – ohne angeben zu wollen – in meiner Klasse in Diktaten immer einer der besten Schüler. Dennoch käme es mir nicht in den Sinn, zu behaupten, die komplizierte Zusammen- und Getrenntschreibung völlig zu beherrschen. Weder die alte noch die neue.

Ich wollte ja auch nur klar machen, dass die neue Rechtschreibung keine Katastrophe ist, wie manche meinen. Sie ist genauso wenig perfekt wie die alte. Ich halte die neue aber für eine kleine Erleichterung für kommende Schülergenerationen. Ob sich der Aufwand dafür allerdings gelohnt hat, wage ich zu bezweifeln.

Viele Grüße
Kurt

(seien Sie bei meinem Nickname nachsichtig; was einem 15-Jährigen halt so einfällt)


eingetragen von Monika Chinwuba am 09.10.2004 um 16.08

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Georg Zemanek

für eine systematische Verhaltensweise, die wir an einem System von außen erkennen (Regel infolge Verhaltens). .. Für die natürliche Sprache kann man so gut wie keine Regel aufstellen, man kann nur ihre Regelhaftigkeit beschreiben.


Dieser sehr gute Beitrag von Herrn Zemanek trifft den Kern des Problems. Der Beitrag sollte auch in den anderen Einzelheiten Beachtung finden.

Die Sprache ist ein System mit vielfältigen Komponenten, Organisationen und Strukturen. Es kommt daher nicht darauf an, Regeln zu setzen, sondern wie in der Physik die Regelhaftigkeit nachzuweisen.

In einem anderen Forum geht zur NRS der Satz um: "Es handelt sich nur um ein paar Verschriftungskonventionen." Eine Konvention ist eine (zwischenstaatliche) Übereinkunft über das, was erzielt werden soll (hier die Vereinfachung der Rechtschreibung). Anschließend gehen die Sachbereiche daran, den Weg für eine Vereinfachung zu vermitteln (beispielsweise: bisher schwierige daß- oder Zusammenschreibung ändern). Jetzt treten die Fachleute auf, die die Wirkungen der vorgeschlagenen Änderungen im Gesamtgefüge "Sprache" abprüfen und nur das als Vereinfachung nachweisen können (und dürfen), was eine Gelegenheit ergibt. Gibt es keine Gelegenheit, ist der Beschluß über die Vereinfachung der Rechtschreibung obsolet geworden. Würde man nicht gelegen kommende Änderungen vorschlagen und sogleich durchführen, würde das System gestört, was der ursprünglichen Zielsetzung zuwiderliefe.

Aber genau das ist passiert. Einmal kann Nachlässigkeit der Sachverständigen unterstellt werden, weil sie bei ihrem Änderungsangebot an die KMK nicht auf das Risiko einer Störung der Sprache als herrschendem System hingewiesen haben, den Fachleuten kann Nachlässigkeit unterstellt werden, weil sie nicht mit Nach-Weise-n (Darlegung von sprachlichen Regelhaftigkeiten) gearbeitet haben, sondern mit Wortableitungen, zum anderen kann man hoffen, daß Politiker das System Vertrag doch noch anwenden, das bei eingegangenen Verbindlichkeiten (Beschluß zum Eintritt der Reform am 1.8.2005) eindeutig vorschreibt, daß für das Ziel 'Rechtschreibungsvereinfachung' durch die herstellenden Fachleute ein Erfolg herbeigeführt werden muß. Im Gegensatz zu einer "Verschriftungskonvention" einer kleinen Gruppe ist für die "Recht"-Schreibung meines Erachtens ein allseitiger Beschluß erforderlich.
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Monika Chinwuba


eingetragen von Klaus Malorny am 09.10.2004 um 15.17

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Stephan Fleischhauer
Daß uns das Heysesche ss besonders "phonetisch" vorkommt, ist kein Wunder. Das Phonetische bei Tüll, schwimm! nehmen wir überhaupt nicht mehr wahr, weil es völlig normal ist. (Im Englischen ist das ganz anders: to tip, tipping.) An jenes phonetische Prinzip werden wir bei Heyse immer wieder unsanft erinnert. Deshalb sagen wir uns, da kann etwas nicht stimmen, verleugnen alle Phonetik, glauben daß die Adelungsche Schreibung "ursprünglicher" ist. Alles Einbildung!

Wo ist da ein phonetisches Prinzip? Es gibt doch im Deutschen auch viele Wörter, wo erst im abgeleiteten Fall eine Konsonantverdopplung stattfindet.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 09.10.2004 um 15.15

As und Plus sind letztlich lateinische Wörter, deren Ungleichbehandlung in der „Reform“ völlig willkürlich ist. Wie so oft in diesem Zusammenhang ist die Unterscheidungsschreibung „Aas“ nun sinnlos und könnte analog wie „Mus“ vereinfacht werden. Man sieht: ein „systematisierender“ Eingriff hier erzeugt Unlogik anderswo.

Im übrigen nervt die fortdauernd aufgewärmte ss-Diskussion. Wem Tradition und Lesefreundlichkeit als Grund für die Beibehaltung der bisherigen Regelung nicht genügen, der läßt sich auch nicht durch andere Gründe beeindrucken – noch nicht einmal durch die geringere Fehleranfälligkeit. Da Herr Fleischhauer offensichtlich kein ihn überzeugendes Argument gegen Heyse gefunden hat, müssen wir wohl annehmen, daß es ein solches nicht gibt und sollten das nicht noch weiter nutzlos breittreten.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von margel am 09.10.2004 um 15.13

Sehr geehrter Herr Zemanek, Sie haben noch einmal in klaren, knappen Worten dargelegt, wie Orthographie entsteht und funktioniert. Vielen Dank! Die fundamentale Verkennung dieser Tatsachen ist der Geburtsfehler der Reform. Darum wird diese auf falschen Voraussetzungen gegründete, dogmatische Glaubenslehre sich auch nicht behaupten können. Wenn nicht mit einem Schlage, wie manche es gehofft hatten, so doch im Laufe der Zeit wird die reformierte Schreibung aufgrund der ihr innewohnenden Sprachwidrigkeit absterben, allen staatlichen Machtspielen zum Trotz. Die Gegner und Kritiker können und müssen also abwarten und natürlich trotzdem den Finger immer wieder in die Wunde legen. Prof. Jochems hat es ja auch noch einmal ausgesprochen. - Vergl.auch die Einleitung zum "Kritischen Kommentar" von Th. Ickler.


eingetragen von Klaus Malorny am 09.10.2004 um 15.05

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Stephan Fleischhauer Und: Das neue ß ist sehr leicht zu handhaben, wie wir alle wissen. Es gibt hier keinen, der es nicht beherrscht.
Ja, Sie haben recht. Die neue Regelung ist für Altschreiber genauso einfach zu beherrschen wie die alte. Nur hat sie Nebenwirkungen, sowohl bekannte -- schlechte Lesbarkeit -- als auch neue -- mehr Schreibfehler in der Schule --, wie auch Prof. Marx festgestellt hat.

mfg.

Klaus Malorny


eingetragen von Christoph Kukulies am 09.10.2004 um 14.20

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Stephan Fleischhauer
Daß uns das Heysesche ss besonders "phonetisch" vorkommt, ist kein Wunder. Das Phonetische bei Tüll, schwimm! nehmen wir überhaupt nicht mehr wahr, weil es völlig normal ist. (Im Englischen ist das ganz anders: to tip, tipping.) An jenes phonetische Prinzip werden wir bei Heyse immer wieder unsanft erinnert. Deshalb sagen wir uns, da kann etwas nicht stimmen, verleugnen alle Phonetik, glauben daß die Adelungsche Schreibung "ursprünglicher" ist. Alles Einbildung!

Ich lese übrigens in letzter Zeit immer "Glass" statt "Glas", wenn ich in Stolberg/Rhld. an den ehemaligen Vereinigten Glaswerken vorbeifahre. Seit diese von Saint Gobain (franz. Konzern) geschluckt wurden, heißt es "Glass".
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Christoph Kukulies


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 09.10.2004 um 14.07

Das Aß der Wirtschaftswissenschaft erwarte ein Pluß bei der Wirtschaftsentwicklung.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 09.10.2004 um 14.04

... das Ass der Wirtschaftswissenschaft erwarte ein Pluss bei der Wirtschaftsentwicklung.
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Sigmar Salzburg


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 09.10.2004 um 13.58

Daß uns das Heysesche ss besonders "phonetisch" vorkommt, ist kein Wunder. Das Phonetische bei Tüll, schwimm! nehmen wir überhaupt nicht mehr wahr, weil es völlig normal ist. (Im Englischen ist das ganz anders: to tip, tipping.) An jenes phonetische Prinzip werden wir bei Heyse immer wieder unsanft erinnert. Deshalb sagen wir uns, da kann etwas nicht stimmen, verleugnen alle Phonetik, glauben daß die Adelungsche Schreibung "ursprünglicher" ist. Alles Einbildung!


eingetragen von Georg Zemanek am 09.10.2004 um 13.47

Auch das, was Erwachsene als Intuition oder Sprachgefühl empfinden, wurde erlernt. Es ist keineswegs Zufall, daß man in genau dem gleichen Alter, da man die letzten Fehler beim Konjugieren hinter sich läßt, Sprachstruktur und Rechtschreiben lernt. Im 3. Schuljahr kommen noch Fehler wie laufen - laufte vor. Nach der Korrektur kommt dann gelegentlich raufen - rief. Aber zum Ende des 3. Schuljahres sind alle diese Schwierigkeiten weg. Auch Deklinationen, Diminuitivbildung, Mehrzahlbldung und was wir im Deutschen noch alles an unliebsamen Überraschungen für Ausländer bereithalten, beherrscht der durchschnittliche Grundschulabsolvent.

Das vergleichsweise lächerliche Bißchen Schreibregeln hat man in genau dieser Zeit so gut wie nebenbei erlernt. Und die meisten Regeln, die man solcherart lernt, werden nicht memoriert wie ein Gedicht, sondern internalisiert im neuronalen Netz Gehirn, sie werden quasi Bestandteil der mühelosen Verhaltensschemata - genau wie Nasenbohren, wenn man es sich nicht von Anfang an abgewöhnt.

Die Regeln aus dem Duden und die vielen Eselsbrücken, an die man sich aus der Schulzeit erinnert, ergänzen allenfalls das, was man als Sprachgefühl aus der Kindheit ins Erwachsenenalter rettet. Oder woher sonst weiß man, daß es ein Unterschied ist, ob man das Verkehrsschild umfahren und den Polizisten umgefahren hat oder stattdesen das Verkehrsschild umgefahren und den Polizisten umfahren?

Die Regeln kann kaum einer formulieren, aber (fast) alle verwenden sie richtig. Wenn man das mal richtig abschätzt, dann kann es für die paar Generationen, die jetzt neue Schreibung erlernen mußten, nicht all zu schwer sein, die Regeln der konventionellen Schreibweise systematisch zu integrieren. Es dürfte nicht sehr viele geben, die in reinrassig reformierter Umgebung aufgewachsen sind, und nur die kennen keine Beispiele für konventionelle Schreibung. Unterstützung für solche Fälle zu bieten wäre eine für die Schule typische Aufgabe.

Regeln des Sprachgefühls kann niemand formulieren, weil sie nicht Regeln im Sinne eines Gesetzeswerkes sind. Abstrakt formulierte Regeln, die ein Computer befolgen kann, können recht beeindruckend wirken: wer erinnert sich an Eliza von Joe Weizenbaum? Aber sie können das Sprachgefühl nur näherungsweise simulieren, nicht ersetzen.

Leider verwenden wir das gleiche Wort Regel für eine Vorschrift, nach der z.B. auch ein Computer sein regelhaftes Verhalten richten kann (Regel vor Verhalten), und für eine systematische Verhaltensweise, die wir an einem System von außen erkennen (Regel infolge Verhaltens). Letztere hieße besser Regelhaftigkeit. Für die natürliche Sprache kann man so gut wie keine Regel aufstellen, man kann nur ihre Regelhaftigkeit beschreiben.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 09.10.2004 um 13.32

MasterProppa hat - im Gegensatz zu vielen, die jetzt lauthals ihr Gewissen beruhigen müssen - nicht behauptet, daß die neue ss-Regelung grandios ist. Er sagt allerdings, daß es keine linguistischen Gründe für das alte ß gibt. Das ist etwas kraß formuliert, doch er hat recht damit, daß es überwiegend um Ästhetik geht. Und: Das neue ß ist sehr leicht zu handhaben, wie wir alle wissen. Es gibt hier keinen, der es nicht beherrscht.


eingetragen von Klaus Eicheler am 09.10.2004 um 11.38

Regeln? Die Anwendung korrekt geschriebener deutscher Sprache ist, bei ausreichender Übung, rein intuitiv. An ein paar Stellen, an denen ein Zweifel aufkommen mag, schaue ich in den Duden. Zum Thema ss/ß kann ich mich nicht erinnern, jemals in den Duden geschaut zu haben, so klar ist mir die Schreibweise.

Als ich in der Führerscheinprüfung war, habe ich vor jeder Handbewegung – sorgsam, fast ängstlich – einen ganzen Regelkatalog Revue passieren lassen. Heute komme ich völlig verkehrsregelkonform an mein Ziel, ohne mich auch nur mit einem einzigen bewußten Gedanken an Verkehrsregeln vom Fahren abzulenken.

Die Vereinfachung von Verkehrsregeln für Fahrschüler bringt dem fließenden Verkehr insgesamt nur Nachteile, sobald der Vorteilsfunke innerhalb der Führerscheinprüfung vorbei ist.


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Klaus Eicheler


eingetragen von Klaus Malorny am 09.10.2004 um 11.22

Sehr geehrter Herr Fleischhauer,

wie offenbar MasterProppa/Kurt auch, sehen die meisten Reformbefürworter in der neuen "SS"-Schreibung DIE Errungenschaft schlechthin. Mich, als Laie, interessiert zutiefst, was daran so grandios sein soll. Es wird ja nicht die Tatsache gemeint sein, daß nach den neuen Regeln ein SS am Wortende oder vor einem Konsonanten innerhalb des Teilwortes nicht mehr zum "ß" mutiert, oder? Ich habe bislang noch niemanden gefunden, der mir mein Rätsel löst. Können SIE es?

Genauso wenig, wie ich die "alten" Regeln anzugeben brauche, braucht MasterProppa/Kurt dies auch nicht zu tun, wenn er der Aussage zuvor (über die angeblich nun ganz einfache Handhabung) nicht zustimmt.

mfg.

Klaus Malorny


eingetragen von Detlef Lindenthal am 09.10.2004 um 10.35


Stephan Fleischhauer schrieb:
Herr Malorny ist mit Sicherheit nicht dazu in der Lage, die Regeln für die bisherige ß-Schreibung anzugeben.
Das braucht er auch nicht.

Auch Frau Philburn kennt die Regeln nicht.
Das braucht sie auch nicht. Keiner braucht künstliche Regeln zu kennen.

Es geht darum, den Sprachteilhabern ihre eigenen Intuitionen begreifbar zu machen. [1] In unseren vielen Bemühungen, Strategien und Argumentationslisten zu entwickeln, ist dieser Punkt notorisch ausgespart worden. [2]
[1] Nein, das brauchen wir nicht. An der Intuition ist wichtig, daß sie funktioniert und nicht gestört wird. Es wäre überaus mühsam und außerdem nicht gut, Pferde so umzudressieren, daß sie bei Zügelzug nach rechts sich nach links wenden sollen. Vergleichbares jedoch machen die „Reformer“: Sie haben angefangen, Sprache unlernbar zu machen, indem sie die wichtige, intuitiv erfaßbare Regeln beiseite geschafft haben.
[2] Wenn, dann zu Recht.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 09.10.2004 um 09.28

Ob man nun ß in gewissen Fällen als Einzelbuchstabe betrachtet oder nicht, ist ziemlich unwichtig. Selbst im Ickler herrscht hier Verwirrung (s. § 2(2)). Herr Malorny ist mit Sicherheit nicht dazu in der Lage, die Regeln für die bisherige ß-Schreibung anzugeben. Er sollte sich aber darum bemühen, und die Icklersche Darstellung mag ihm als Hilfe dienen. Die Frage, die er Kurt alias MasterProppa zu stellen beabsichtigt, wird sich dann wohl erübrigen. Auch Frau Philburn kennt die Regeln nicht. Man muß es diesem Forum nachsehen, denn es gab nie eine nennenswerte Aufklärung durch die hiesigen Sprachwissenschaftler. Wäre toll, wenn MasterProppa hier seine reinigende Wirkung entfalten könnte.
Für die meisten Deutschen ist die bisherige Rechtschreibung gleichbedeutend mit ihrer Darstellung im Duden. Wenn Herr Ickler nicht wäre - und wenn er nicht monatelang sein Wörterbuch gegen sehr viel Widerstand von uns verteidigt hätte -, ja, dann könnten wir uns jetzt von dieser Auffassung der dummen Masse gar nicht distanzieren. (Was wären wir eigentlich ohne Ickler? Das würde mich einmal ernsthaft interessieren.) Herr Malorny empfiehlt die Peilsche Wörterliste (eine Gegenüberstellung bisheriger und reformierter Schreibweisen anhand ausgesuchter Beispiele). Als ich zur Zeit der Schleswig-Holsteinischen Volksinitiative eher zufällig an die Unterschriftenstände geraten bin, wurde diese Liste massenweise verteilt. Ich habe sie nie ernstgenommen, weil sie ganz offensichtlich tendenziös war. Mir kamen mehr Fragen als Antworten, zudem fand die unredliche Methodik widerwärtig. Als mir später das Heftchen "Die Rechtschreibreform auf dem Prüfstand" (eine Kurzfassung des Icklerschen Schildbürger-Buchs) in die Hand fiel, war ich wenig später ein erklärter Reformgegner.
Erst durch die Umstellung der Zeitungen sind die Auswirkungen der Reform (in der reduzierten dpa-Version) außerhalb der Schulen wahrnehmbar geworden. Damit wurde die Peilsche Liste überflüssig. Dem feinfühligen Leser muß die neue Groß- und Kleinschreibung als ziemlich grob erscheinen. Es ist aber gar nicht leicht, die eigentliche Funktion der GKS auf den Punkt zu bringen. Ich erinnere nur an die langwierigen Streitereien zum Thema "Textgegenstand". Wenn wir eine Wirkung auf Politiker, Verleger usw. erzielen wollen, müssen wir versuchen, ihnen dieses Prinzip der GKS zu vermitteln. Das ist ungeheuer schwierig und eine echte Herausforderung. Es geht darum, den Sprachteilhabern ihre eigenen Intuitionen begreifbar zu machen. In unseren vielen Bemühungen, Strategien und Argumentationslisten zu entwickeln, ist dieser Punkt notorisch ausgespart worden.
Zur Fremdwortschreibung: Wulff irrt, wenn er meint, daß Ketchup und Restaurant zukünftig als Fehler angestrichen werden muß. Aber auch MasterProppa irrt: Der "Tipp", der uns auf jeder Seite begegnet, ist gemäß Reform das einzig Erlaubte. Auch die viel sinnvollere bisherige Regelung der Groß- und Kleinscheibung von mehrteiligen substantivischen Fremdwörtern ist nicht mehr zulässig. Allerdings macht MasterProppa darauf aufmerksam, daß kein Schulbuch(oder Zeitungs)verleger je dazu gezwungen war, die jeweils dümmste Schreibung des Refrormwerks zu übernehmen. Es gab hier durchaus einen (wenn auch geringen) demokratischen Spielraum.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 09.10.2004 um 07.53

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Matthias Dräger
Kurt, falls Du ein Auto hast: Du könntest auch aus einem der Reifen die Luft rauslassen, sogar ganz. Und Du wirst sehen: Dein Auto fährt immer noch!

HA HA HA HA HA     :-) :-) :-) :-)
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Matthias Dräger am 09.10.2004 um 07.07

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von MasterProppa
Getrennt- und Zusammenschreibung
Dafür braucht man nach alter wie neuer Rechtschreibung einen Duden zur Hand.

Sehr geehrter Kurt,

mit dieser Angabe hast Du der von Dir so geschätzten „neuen Rechtschreibung“ selbst ein „Armutszeugniss“ ausgestellt.
Ich habe 1975 die Schule verlassen, und für Fragen der Getrennt- und Zusammenschreibung brauche ich nie ein Wörterbuch! Das sitzt bei mir - weil ich einen guten Lehrer hatte!
Hast Du vor dem 15. Lebensjahr wegen Fragen zur Getrennt- und Zusammenschreibung wirklich ein Wörterbuch benutzt?

Ferner: Daß Du Dir, auch beim Lesen von Zeitungen in Neuschrieb, bisher noch alles „aus dem Kontext heraus ableiten konntest“, kann ich nachvollziehen. Das ging mir bisher genauso, auch wenn ich manche Sätze dreimal lesen mußte... Toll, geht doch, oder?

Kurt, falls Du ein Auto hast: Du könntest auch aus einem der Reifen die Luft rauslassen, sogar ganz. Und Du wirst sehen: Dein Auto fährt immer noch! Ist das nicht Wahnsinn?


eingetragen von Klaus Malorny am 08.10.2004 um 22.31

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von MasterProppa
Guten Abend!

Zuletzt habe ich im Alter von 15 Jahren in dieses Forum geschrieben und mich darüber gewundert, dass Sie sich so vehement gegen die Rechtschreibreform wehren. Jetzt – 6 Jahre später und sie kämpfen immer noch verbittert – möchte ich mal meine Gedanken zur neuen Rechtschreibung zum Besten geben – als ehemaliger Schüler, der beide Schreibungen in der Schule kennen gelernt hat und von alt auf neu umlernen musste. Ich hoffe, man darf sich in diesem Forum auch positiv zur Rechtschreibreform äußern.


Guten Abend,

ich bin, wie Sie, auch ein absoluter "Nichtlinguist".
Zitat:
Die neue ss/ß-Regel.
Jeder, der sich ernsthaft mit der neuen Rechtschreibung auseinander gesetzt hat, bringt der neuen Regel Anerkennung entgegen. Das ist verständlich, denn sie beendet die verwirrende Zwitterfunktion des Eszetts. Das Eszett ist jetzt „nur“ noch ein eigener Buchstabe, keine Variante von ss mehr. Die Behauptung, man müsse die alte ss/ß-Regel kennen, um die neue anwenden zu können, ist völliger Blödsinn. Die neue Regel ist nachvollziehbar, wenn man einmal verstanden hat, wie das mit den Doppelkonsonanten funktioniert. Können, kann, konnte, könnte – müssen, muss, musste, müsste.
Ich glaube, kein ernst zu nehmender Linguist wird behaupten, dass irgendetwas sprachwissenschaftlich Begründetes für die alte Regel spricht. Höchstens ästhetische Vorzüge mag sie für den einen oder anderen haben – aber das ist alles Gewöhnungssache.

Ah ha. Zuerst möchte ich Sie darauf hinweisen, daß das "ß" auch weiterhin kein eigener Buchstabe ist. Warum sollte er sonst bei reiner Großschreibung in ein SS umgewandelt werden? Das ist doch nicht ganz logisch, oder?

Was ist der Grund für die neue "SS"-Regel? Eine Regel durch eine andere zu ersetzen, sollte ja kein Selbstzweck sein. Die "Reformer" behaupten, daß dadurch die Handhabung nun ganz einfach wird. Stimmen Sie da zu?

Falls dies so ist, habe ich eine Bitte an Sie, die Sie -- da die Regeln ja jetzt so einfach sind -- sicher ganz schnell erfüllen können: Bitte schreiben Sie die Regeln auf, die notwendig sind, damit ich bei einem mir unbekannten Wort, das ich höre, nach neuer Rechtschreibung entscheiden kann, ob ich für den "S"-Laut nun ein "s", ein "ss" oder ein "ß" schreiben muß. Aber bitte nichts weglassen! Wenn Sie das getan haben, werde ich Ihnen eine weitere Frage stellen!

Die ästhetische Frage ist nicht nur eine solche. Es geht um die Lesbarkeit, siehe auch weiter unten. Wie schnell können Sie folgendes (sinnlose, aber nach Dummdeutsch korrekte) Wort lesen: Schlossseeessecke. Die bisher einizige Studie zur Rechtschreibreform kommt übrigens zu dem vernichtenden Urteil, daß sich die Schreibqualitäten der Schüler durch die neue SS-Schreibung verschlechtert haben.

Übrigens wird jeder ernstzunehmender Linguist die alte Regel bevorzugen.
Zitat:
Aufhebung vieler Unterscheidungsschreibungen
Eine der besten Änderungen sind meiner Meinung nach die Aufhebungen der Unterscheidungsschreibungen zwischen wörtlich und im übertragenden Sinn gemeinter Varianten (sitzenbleiben, stehenbleiben). Das hat sowieso nicht funktioniert (baden gehen, fallenlassen), und deshalb ist es nur konsequent diese Differenzierungen fallen zu lassen. Ich lese seit Jahren Bücher, Zeitschriften und die Tageszeitung in neuer Orthographie, und mir ist es noch nie untergekommen, dass aus dem Kontext nicht klar wurde, was genau gemeint war.

Hmm, mit der Argumentationsweise könnte ich sagen: "Es gibt einige Autofahrer, die nicht blinken. Daher ist es besser, das Blinken abzuschaffen. Es ist mir auch noch nie vorgekommen, daß ich letztendlich nicht gesehen habe, wohin das Auto gefahren ist."

Der sagenumwobene "Kontext" löst alle Probleme, sei es bei der Unterscheidungsschreibung oder bei der Kommasetzung, Oder auch nicht. Daß die Suche nach dem Kontext die kontinuierliche Aufnahme des Geschriebenen unterbricht, ist offenbar auch unbedeutend.

Wenn es die Möglichkeit zur Unterscheidung gibt, warum soll ich sie nicht nutzen, bzw. warum soll sie verboten werden? Ist es nicht im Interesse sowohl des Lesers als auch des Schreibers, wenn keine Mißverständisse entstehen? Ist es zuviel verlangt, daß sich der Schreiber eine Minute lang Gedanken macht, statt hundert Leser hundert Minuten? Daß der Leser den Text eines Schreibers liest, ist ein reines Entgegenkommen des Lesers. Es gibt glücklicherweise eher wenige Fälle, wo jemand gezwungen wird, etwas zu lesen, was er nicht will. Sollte daher nicht der Schreiber, sozusagen als "Dankeschön", versuchen, das Lesen so einfach wie möglich zu gestalten? Soll der Schreiber so arrogant sein, daß es ihn nicht interessiert, ob der Leser etwas mit dem von mir geschriebenen Text anfangen kann?

Wieoft würden Sie in ein Restaurant gehen, wo Ihnen kaltes Essen und warmes Bier auf Papptellern, Pappbechern und mit Plastikbesteck vor den Latz geknallt wird?
Zitat:
Vermehrte Großschreibung
Da ich nicht vom Fach bin, kann ich schlecht beurteilen, was man als Substantiv auffassen muss und was nicht. Jedenfalls heißt es schon in alter Rechtschreibung „ein großes Ganzes“, während es in der Wendung „im großen und ganzen“ plötzlich kleingeschrieben werden soll. Wie gesagt, ich bin kein Linguist, aber richtig schreiben sollen auch Nichtlinguisten können, und die neue Groß- und Kleinschreibung ist intuitiv nachvollziehbar.

Wenn Sie sich die Wörterliste von Stephanus Peil auf diesen Seiten anschauen, werden sie erkennen müssen, daß hier absolut nichts intuitiv nachvollziehbar ist. Im Gegenteil werden durch die Reform noch Großschreibungen eingeführt, bei denen das entsprechende Wort weder ein Substantiv ist noch substantivisch verwendet wird.
Zitat:

Getrennt- und Zusammenschreibung
Dafür braucht man nach alter wie neuer Rechtschreibung einen Duden zur Hand. Grundsätzlich halte ich aber den Ansatz, keine unzähligen Einzelfestlegungen zu machen, sondern stattdessen Regeln für die Zusammen- und Getrenntschreibung einzuführen, für richtig.
Viele Änderungen sind auf den ersten Blick sinnvoll (wie viel, gut bezahlt), manche gewöhnungsbedürftig (fertig stellen, selbst gemacht).
Es wurde auf diesem Gebiet zuletzt vieles liberalisiert, was ich sehr begrüße. Ob nun jemand „weit reichend“ oder „weitreichend“ schreibt, ist doch völlig egal. Es ist beides gleich gut verständlich.

Auch hier sollten Sie mal ganz unvoreingenommen und unaufgeregt in die oben erwähnte Wörterliste und in die Regelwerke schauen. Waren vielleicht die Regeln der alten Rechtschreibung diesbezüglich schwierig, sind sie jetzt absolut undurchschaubar geworden, insbesondere durch die jüngste Pfuscherei.
Zitat:

Fremdworteindeutschung
Braucht man nicht groß drüber zu diskutieren. Ob der Duden nun Majonäse, Büro, Kautsch, Scheff oder sonst was vorschlägt, oder ob jemand anderes Portmonee, Ketschup und Fantasie vorschlägt – manches wird angenommen und setzt sich durch (Büro, Majonäse, Fantasie) und manches wird eben nach einiger Zeit wieder aus dem Duden gestrichen. Das ist ein guter Weg.

Etymologie, „Volksetymologie“
Die Änderungen auf diesem Gebiet halte ich teilweise für schlecht (schnäuzen, gräulich), teilweise für gut (überschwänglich, Tollpatsch). Dass der Tollpatsch nicht toll ist, ist auch so klar. Das Tollhaus hat auch nichts Tolles an sich.

Sie werden hier im Forum keinen finden, der nicht der Auffassung ist, daß die deutsche Sprache lebt. Es ist aber ein Unterschied, ob man Schreibweisen "legalisiert", die schon über Jahre oder Jahrzehnte in Gebrauch sind, oder ob man, so wie die Reformer, am grünen Tisch Schreibweisen ausdenkt, sie zu bevorzugten Version bestimmt, und, im schlimmsten Fall, die etablierten Schreibweisen dann einfach verbietet. Letzeres ist unerhört und hat mit Sprachpflege und "lebendiger Sprache" absolut nichts zu tun.

Sprachpflege ist wie Gartenpflege -- man muß das Unkraut entfernen. Und "Volksetymologien", die falsche Assoziationen bilden, gehören definitiv zum Sprachunkraut.

Übrigens steckt im "Tollhaus" das Herumtollen, was, falls Sie die Bedeutung nicht kennen, eine Beschreibung u.a. für das intensive, überdrehte Spiel von Kindern ist. Das gleiche "Toll" kommt beispielsweise in "Tollwut" vor.

Das "Toll" in "Tollpatsch" hat aber weder mit obiger Definition etwas zu tun noch mit Ihrer Definition im Sinne von "gut" und "hervorrangend".
Zitat:

Vielleicht sollten Sie einfach etwas lockerer mit diesem Thema umgehen. So schlecht ist die neue Rechtschreibung gar nicht.


Vielleicht sollten Sie sich etwas ernsthafter mit dem Thema auseinandersetzen. Dann würden Sie auch einsehen, daß Ihre Argumente unhaltbar sind.
Zitat:
Ich hoffe, dass hier auch ein Nichtlinguist und noch dazu Reformbefürworter seinen bescheidenen Senf dazugeben darf.

Bescheiden, in der Tat, da Sie keine neuen Argumente vorbringen.
Zitat:
In diesem Sinne, viele Grüße

Kurt

mfg.

Klaus Malorny

 


eingetragen von Elke Philburn am 08.10.2004 um 20.41

Wie alle Reformbefürworter irrt Kurt sich mehrfach.

1. Das Eszett war schon immer ein Buchstabe für sich - siehe "daß".

2. Die vermeintliche Leichtigkeit, mit der Erwachsene die neue s-Schreibung erlernen, beruht darauf, daß sie die alte bereits beherrschen - also bereits wissen, wo ein Eszett steht. Dieses wird bei Kurzvokal durch Doppel-s ersetzt, und mehr ist nicht nötig. Es wird aber vergessen, daß ein Kind über dieses Vorwissen nicht verfügt. Die Anwendung der Vokalregel würde beim Neulernen zu Fehlern führen.

3. Wie so viele Reformbefürworter bezieht sich Kurt nicht auf die Schreibpraxis vor der Reform, wenn er die angeblichen "Schwierigkeiten" moniert, sondern auf die Duden-Regeln. Es wird also so getan, als seien Schreibpraxis und Duden-Regeln ein und dasselbe gewesen, was natürlich nicht stimmt.

4. Kurt sitzt dem Irrtum auf, man könne doch einfach ein paar neuerfundene Varianten hineinstreuen, und irgendwann werde sich herausstellen, welche davon angenommen werde und welche nicht. Tatsache ist, wenn die Schulen "Portmonee" lehren, die Zeitungen (auch die "umgestellten") dagegen "Portemonnaie" schreiben, haben wir unterschiedliche Standards. Und die können auf unbegrenzte Zeit nebeneinander existieren. Überhaupt ist das Erfinden von Schreibvarianten ein höchst zweifelhaftes Vorgehen, das durch keinerlei Zweckerfüllung gerechtfertigt ist, dafür aber erheblichen Schaden an der Einheitlichkeit der Orthographie anrichten kann.

– geändert durch Elke Philburn am 09.10.2004, 01.48 –
__________________
http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 08.10.2004 um 20.03

Dieser Tonfall ist für Herrn Markner ganz normal. Dafür schätzen wir ihn alle. Kurz und schmerzhaft!
Die Argumentation von MasterProppa ist ganz beachtlich. Vielleicht mag es deshalb mit ihm keiner aufnehmen. Gerade zu den beiden Themen, in denen er Zurückhaltung übt (Groß-/Kleischreibung und Zusammen-/Getrenntschreibung) ist natürlich sehr viel zu sagen. Habe leider jetzt keine Zeit. Vielleicht später.


eingetragen von Monika Chinwuba am 08.10.2004 um 19.29

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Reinhard Markner
Wenn Sie in sechs Jahren neue Erkenntnisse haben, können Sie sich dann ja wieder melden. Bis dahin adieu !

Dürfen Sie den Kurt so einfach verabschieden, Herr Markner?
Wie wäre es mit Argumenten?
__________________
Monika Chinwuba


eingetragen von Reinhard Markner am 08.10.2004 um 18.20

Wenn Sie in sechs Jahren neue Erkenntnisse haben, können Sie sich dann ja wieder melden. Bis dahin adieu !


eingetragen von MasterProppa am 08.10.2004 um 17.42

Thumbs up

Guten Abend!

Zuletzt habe ich im Alter von 15 Jahren in dieses Forum geschrieben und mich darüber gewundert, dass Sie sich so vehement gegen die Rechtschreibreform wehren. Jetzt – 6 Jahre später und sie kämpfen immer noch verbittert – möchte ich mal meine Gedanken zur neuen Rechtschreibung zum Besten geben – als ehemaliger Schüler, der beide Schreibungen in der Schule kennen gelernt hat und von alt auf neu umlernen musste. Ich hoffe, man darf sich in diesem Forum auch positiv zur Rechtschreibreform äußern.

Die neue ss/ß-Regel.
Jeder, der sich ernsthaft mit der neuen Rechtschreibung auseinander gesetzt hat, bringt der neuen Regel Anerkennung entgegen. Das ist verständlich, denn sie beendet die verwirrende Zwitterfunktion des Eszetts. Das Eszett ist jetzt „nur“ noch ein eigener Buchstabe, keine Variante von ss mehr. Die Behauptung, man müsse die alte ss/ß-Regel kennen, um die neue anwenden zu können, ist völliger Blödsinn. Die neue Regel ist nachvollziehbar, wenn man einmal verstanden hat, wie das mit den Doppelkonsonanten funktioniert. Können, kann, konnte, könnte – müssen, muss, musste, müsste.
Ich glaube, kein ernst zu nehmender Linguist wird behaupten, dass irgendetwas sprachwissenschaftlich Begründetes für die alte Regel spricht. Höchstens ästhetische Vorzüge mag sie für den einen oder anderen haben – aber das ist alles Gewöhnungssache.

Aufhebung vieler Unterscheidungsschreibungen
Eine der besten Änderungen sind meiner Meinung nach die Aufhebungen der Unterscheidungsschreibungen zwischen wörtlich und im übertragenden Sinn gemeinter Varianten (sitzenbleiben, stehenbleiben). Das hat sowieso nicht funktioniert (baden gehen, fallenlassen), und deshalb ist es nur konsequent diese Differenzierungen fallen zu lassen. Ich lese seit Jahren Bücher, Zeitschriften und die Tageszeitung in neuer Orthographie, und mir ist es noch nie untergekommen, dass aus dem Kontext nicht klar wurde, was genau gemeint war.

Vermehrte Großschreibung
Da ich nicht vom Fach bin, kann ich schlecht beurteilen, was man als Substantiv auffassen muss und was nicht. Jedenfalls heißt es schon in alter Rechtschreibung „ein großes Ganzes“, während es in der Wendung „im großen und ganzen“ plötzlich kleingeschrieben werden soll. Wie gesagt, ich bin kein Linguist, aber richtig schreiben sollen auch Nichtlinguisten können, und die neue Groß- und Kleinschreibung ist intuitiv nachvollziehbar.

Getrennt- und Zusammenschreibung
Dafür braucht man nach alter wie neuer Rechtschreibung einen Duden zur Hand. Grundsätzlich halte ich aber den Ansatz, keine unzähligen Einzelfestlegungen zu machen, sondern stattdessen Regeln für die Zusammen- und Getrenntschreibung einzuführen, für richtig.
Viele Änderungen sind auf den ersten Blick sinnvoll (wie viel, gut bezahlt), manche gewöhnungsbedürftig (fertig stellen, selbst gemacht).
Es wurde auf diesem Gebiet zuletzt vieles liberalisiert, was ich sehr begrüße. Ob nun jemand „weit reichend“ oder „weitreichend“ schreibt, ist doch völlig egal. Es ist beides gleich gut verständlich.

Fremdworteindeutschung
Braucht man nicht groß drüber zu diskutieren. Ob der Duden nun Majonäse, Büro, Kautsch, Scheff oder sonst was vorschlägt, oder ob jemand anderes Portmonee, Ketschup und Fantasie vorschlägt – manches wird angenommen und setzt sich durch (Büro, Majonäse, Fantasie) und manches wird eben nach einiger Zeit wieder aus dem Duden gestrichen. Das ist ein guter Weg.

Etymologie, „Volksetymologie“
Die Änderungen auf diesem Gebiet halte ich teilweise für schlecht (schnäuzen, gräulich), teilweise für gut (überschwänglich, Tollpatsch). Dass der Tollpatsch nicht toll ist, ist auch so klar. Das Tollhaus hat auch nichts Tolles an sich.

Vielleicht sollten Sie einfach etwas lockerer mit diesem Thema umgehen. So schlecht ist die neue Rechtschreibung gar nicht.

Ich hoffe, dass hier auch ein Nichtlinguist und noch dazu Reformbefürworter seinen bescheidenen Senf dazugeben darf.

In diesem Sinne, viele Grüße

Kurt


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