Forum (http://Rechtschreibung.com/Forum/index.php)
- Rechtschreibforum (http://Rechtschreibung.com/Forum/forumdisplay.php?forumid=8)
-- Verboten oder erlaubt? (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=1282)


eingetragen von Fritz Koch am 24.01.2005 um 16.24

mal von links nach rechts und mal in Spiegelschrift von rechts nach links zu schreiben? (Mit derselben rechten Hand) Die sehen da überhaupt keinen Unterschied und keine Schwierigkeiten.
Aber genauso haben die alten Griechen ihre Inschriften geschrieben. Die brauchten dazu nicht extra Linkshänder.


eingetragen von David am 24.01.2005 um 15.58

Nachdem ich jetzt ewig nicht mehr hier war, eine ganz banale Frage:
Sind wir jetzt eigentlich irgendwo auf dem Wege zu einem Konsens, was "verboten" und "erlaubt" angeht?
Ich nehme ja fast an, daß gar kein Bedarf an weiterer Diskussion besteht, da sich ja schon länger niemand mehr hierzu geäußert hat.

Ich muß Herrn Lindenthal zustimmen: die Frage nach vermeintlichen Verboten ist wirklich nicht unwichtig. Wenn man jahrelang Kindern immer eingetrichtert hat "Das müßt Ihr so schreiben!", dann kann sich die Einsicht, daß es auch sinnvoll ist, so zu schreiben, zwar durchaus einstellen, aber die Gefahr ist auch groß, daß eben vollkommen unsinnige "Befehle" ebenso aufgesogen werden. (Soviel also zur vermeintlichen Akzeptanz der RSR an Schulen.)
Ich sage da wohl nichts Neues, aber Sprachgefühl kann man nicht mittels Befehlen jemandem einprügeln. Andererseits geht das auch nicht mit kuschelpädagogischen "Unmaßnahmen". ("Maßnahmen" verbietet die moderne Pädagogik - allein schon dieser Ausdruck hat ja einen sowas von nazihaften Charakter...)

Und um wieder auf "verboten - erlaubt" zurückzukommen:
Ein Lehrer verbietet ja erst einmal "falsche" Schreibweisen - das muß er, damit auch erst mal eine Basis da ist.
Wie sieht das mit dem Hinterfragen zu späterer Zeit aus? Krankt da der Deutschunterricht als solcher nicht ziemlich an Orientierungslosigkiet, was das systematische Lehren des Deutschen angeht?
Denn wenn man den "Durchblick" hätte, dann stellte sich ja die Frage erst gar nicht, ob etwas "verboten" ist oder "erlaubt".


eingetragen von Thies am 03.01.2005 um 19.44

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Sehen Sie, so wie Sie das machen, ist das einigermaßen erfolgreich: Sie stecken einen Schraubenschlüssel ins Getriebe, und dann ist die weitere Erörterung blockiert. Allerdings kommen Sie damit reichlich spät, weil die Erörterung bereits entschieden war (nicht erlaubt = verboten), die Verbots-Verharmloser hatten schon keine Argumente mehr vorgebracht.
Die Verbots-Verharmloser argumentieren offenbar immer noch (wie dumm von ihnen!). Daß bereits eine Entscheidung gefallen war, habe wohl nicht nur ich nicht mitbekommen. Erstaunlich aber Ihre Argumentation; daß ich ein effektives Werkzeug (Schraubenschlüssel) in der Hand hätte, jedoch leider zu spät komme. (Das Wörtchen "leider" ist eine Hinzufügung meinerseits.) Ich könnte Ihnen aber darin zustimmen, daß "weitere Erörterungen" (= Drehungen des Getriebes) unnötig sind.


eingetragen von Thies am 03.01.2005 um 19.25

Entschuldigung. Ich wollte zitieren. Wahrscheinlich bin ich versehentlich auf "ändern" gekommen. (Wäre zumindest eine Erklärung.)


eingetragen von Thies am 03.01.2005 um 19.07

[
Hallo Thies,

Ihr Zugang ist (und war) nicht gestört oder gesperrt; mit Ihren Einwahldaten habe ich mich jetzt hier eingewählt.

Natürlich fallen Diskussionsbeiträge unter die Meinungsfreiheit! Das ist doch das wichtigste bei einem Gedankenaustausch.

Gruß, Walter Wittkopp
]


eingetragen von Thies II am 03.01.2005 um 18.53

Ist ja prima, daß ich hier auf einmal gesperrt bin. Darf man hier eigentlich frei seine Meinung äußern? Oder ist es gar "verboten"?


eingetragen von Detlef Lindenthal am 03.01.2005 um 17.36

Lieber Herr Eberwein,

wenn Sie diese Erörterung nicht lesen möchten, brauchen Sie diesen Faden nicht zu besuchen. Doch glaube ich nicht, daß es Ihnen zusteht, anderen erwachsenen Menschen den Gedankenaustausch zu versagen. Für mich war diese Debatte alles andere als unergiebig. Durchdenken Sie doch lieber die behandelte Sachfrage und versuchen Sie eine eigene Schlußfolgerung.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 03.01.2005 um 17.09

Es geht nicht nur um Verbote und Gebote.
Es geht darum, ob sich Leute, die sich sonst selbstverständlich als mündige Bürger verstehen, diesen offenkundigen Blödsinn gefallenlassen oder sogar den Rattenfängersprüchen Glauben schenken und freiwillig mitlaufen.
Diese Rechtschreibreform ist ein Härtetest in Staatsbürgerkunde, diesmal nicht als Theorie, sondern als realer Praxis-Großversuch an der ganzen Bevölkerung, wie weit eine staatliche Behörde gehen kann, daß sich die Bürger das noch gefallen lassen. Austesten der Schmerzgrenze heißt das bei Leistungssport-Trainern.

Es ist notwendig, aber noch nicht hinreichend, den offenkundigen Blödsinn als solchen zu beweisen.
Das staatsbürgerliche Selbstbewußtsein muß unterstützt und gestärkt werden. Im Klartext: Was muß man sich gefallenlassen, und wogegen muß und kann man sich wehren, und welche Abwehrmittel stehen zur Verfügung? Nur wer seine Rechte genau kennt, kann sich erfolgreich zur Wehr setzen. Diese Rechte und Rechtsmittel müssen jedermann bekanntgemacht werden. (Die Bekanntmachung allgemeiner Rechte und Rechtsmittel ist keine unerlaubte Rechtsberatung.)


eingetragen von Helmut Eberwein am 03.01.2005 um 16.40

Ich bitte doch freundlichst darum, diese völlig unergiebige Diskussion einzustellen.

Man sollte das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren und nicht Energien in unnützen Streitereien vergeuden, die wir noch für wichtigere Dinge benötigen...

Eine Antwort jedweder Art auf meinen Beitrag ist absolut nicht erwünscht.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 03.01.2005 um 15.08


margel schrieb:
In der Schule wird nicht beurteilt, ob etwas verboten oder erlaubt ist, sondern ob es richtig oder falsch ist.
Ist „Falsches“ zu schreiben in der Schule folgenfrei, oder wird es, z.B. entsprechend den Duden-_23-Vorgaben, mit roter Tinte verfolgt?
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von margel am 03.01.2005 um 14.49

In der Schule wird nicht beurteilt, ob etwas verboten oder erlaubt ist, sondern ob es richtig oder falsch ist. Das Problem, das sich aus der Einführung der Rechtschreibreform ergibt, ist, daß bisher, und außerhalb der Schule weiterhin, als richtig Geltendes nun als falsch angesehen und beurteilt wird. Dies ist der Knackpunkt, und hieran entscheidet sich das Schicksal der Reform. Es handelte und handelt sich nach wie vor um den Versuch einer Gesellschaftsveränderung und Indoktrinierung auf dem Weg über die Schule. Darum ist das ganze auch verfassungs- und demokratietheoretisch von höchstem Interesse, jenseits aller inhaltlichen Kritik.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 03.01.2005 um 12.34


Thies schrieb:
Es geht natürlich nicht um die „Klärung“ von Begriffen, sondern von Sachverhalten.
Es ist völlig unmöglich, einen Sachverhalt zu klären, wenn die Begriffe nicht geklärt sind.

Allmählich ist hier jedoch der Eindruck entstanden, daß es mehr um „Klärung von Ideologie“ geht, um Gesinnung usw., daß Vorschriften zur Begrifflichkeit (und Gesinnung) gemacht werden sollen, mit der man sich dem fraglichen Sachverhalt zu nähern hat. Herr Lindenthal, Sie legen Wert auf eine juristische Interpretation des Wortes „verboten“ (wobei Sie sich jedoch von der tatsächlichen Rechtsprechung distanzieren), andererseits verlegen Sie sich wieder auf eine eher allgemein-gesellschaftliche oder logisch-philosophische Interpretation. Nun „Klarheit der Begriffe“. Wohin sollen diese Eiertänze führen?
Lieber Thies, bei mir sind die Begriffe klar: Wenn man etwas nicht darf, dann nennt man das verboten. Das mit den Eiertänzen müssen Sie also nicht mich fragen, sondern die, die Schwierigkeiten mit den Begriffen haben.

Sie legen Wert auf eine juristische Interpretation des Wortes „verboten“
Nein, die „juristische Interpretation“ (im Sinne von z.B. StGB und OWiG) war bereits verworfen worden, weil sie zu kurz greift; die Einteilung von verboten und erlaubt gibt es für Kinder bereits schon lange im vorjuristischen Bereich.

Allmählich ist hier jedoch der Eindruck entstanden, daß es mehr um „Klärung von Ideologie“ geht, um Gesinnung usw., daß Vorschriften zur Begrifflichkeit (und Gesinnung) gemacht werden sollen, mit der man sich dem fraglichen Sachverhalt zu nähern hat.
Sie dürfen gerne Wörterverbote verteidigen (das machen viele in dieser Republik), aber Sie können mich nicht zwingen, daß ich mich diesen vielen anschließe.

Sehen Sie, so wie Sie das machen, ist das einigermaßen erfolgreich: Sie stecken einen Schraubenschlüssel ins Getriebe, und dann ist die weitere Erörterung blockiert. Allerdings kommen Sie damit reichlich spät, weil die Erörterung bereits entschieden war (nicht erlaubt = verboten), die Verbots-Verharmloser hatten schon keine Argumente mehr vorgebracht.

Freundliche Grüße,
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Thies am 03.01.2005 um 11.37

Es geht natürlich nicht um die "Klärung" von Begriffen, sondern von Sachverhalten. Allmählich ist hier jedoch der Eindruck entstanden, daß es mehr um "Klärung von Ideologie" geht, um Gesinnung usw., daß Vorschriften zur Begrifflichkeit (und Gesinnung) gemacht werden sollen, mit der man sich dem fraglichen Sachverhalt zu nähern hat. Herr Lindenthal, Sie legen Wert auf eine juristische Interpretation des Wortes "verboten" (wobei Sie sich jedoch von der tatsächlichen Rechtsprechung distanzieren), andererseits verlegen Sie sich wieder auf eine eher allgemein-gesellschaftliche oder logisch-philosophische Interpretation. Nun "Klarheit der Begriffe". Wohin sollen diese Eiertänze führen?


eingetragen von Detlef Lindenthal am 03.01.2005 um 11.03


Thies schrieb:
Die Antwort war vorauszusehen.
Das ist doch ganz natürlich; das kennen wir doch von unseren ersten Schachpartien, daß ein ordentlicher Stratege immer einige Züge im voraus durchrechnet.

Da lag doch von Beginn an nur ein Streit um Worte vor.
„Wenn Worte nicht stimmen, stimmen die Begriffe nicht.
Wenn die Begriffe nicht stimmen, wird die Vernunft verwirrt.
Wenn die Vernunft verwirrt ist, gerät das Volk in Unruhe.
Wenn das Volk unruhig wird, gerät die Gesellschaft in Unordnung.
Wenn die Gesellschaft in Unordnung gerät, ist der Staat in Gefahr ...“
– Kung Fu Tse

Man sollte aufpassen, daß man sich in so etwas nicht hineinziehen läßt.
Warum dies? Welchen Nachteil hat es, wenn die Wörter, Worte und Begriffe geklärt werden?

--- ---

Ergänzung:

„Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht;
stimmen die Worte nicht, so ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist;
wenn das, was gesagt wird, nicht das ist, was gemeint ist, so kommen die Werke nicht zustande;
kommen die Werke nicht zustande, so gedeihen Moral und Kunst nicht;
gedeihen Moral und Kunst nicht, so trifft das Recht nicht;
trifft das Recht nicht, so weiß das Volk nicht, wohin Hand und Fuß setzen.
Darum sorge der Edle, daß er seine Begriffe unter allen Umständen zu Worte bringen und seine Worte unter allen Umständen zu Taten machen kann. Der Edle dulde nicht, daß in seinen Worten irgend etwas in Unordnung ist. Das ist es, worauf alles ankommt.“ – Kung Fu Tse, 551–479 v.

„Krieg entsteht, wenn die Namen nicht mehr mit den Dingen übereinstimmen.“ – Heiner Goebbels / Konfuzius
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Thies am 03.01.2005 um 10.33

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Dazu wäre es nötig, beim Thema zu bleiben und nicht alle erdenklichen weltanschaulichen Debatten zu führen. Außerdem: gegen die Rechtschreibreform zu kämpfen und nicht gegeneinander.
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Dafür möchte ich vorschlagen, daß die (...) Frage der Wörterverbote gemeinsam geklärt wird und nicht nur in einem Zweier-Disput zwischen einem Studenten und einem Handwerker.
Die Antwort war vorauszusehen. Da lag doch von Beginn an nur ein Streit um Worte vor. Man sollte aufpassen, daß man sich in so etwas nicht hineinziehen läßt.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 02.01.2005 um 22.45


Bernhard Schühly schrieb:

Detlef Lindenthal schrieb:

Bernhard Schühly schrieb:
Es handelte sich außerdem bisher nie um Schreibverbote, sondern nur um Gebote.
Fangen Sie, lieber Herr Schühly, jetzt auch schon so an? Dem Duden _23, Seite 538 gehorchend („Man schreibt »kennen« vom folgenden Verb immer getrennt, siehe Regel K55“) mit roter Tinte gegen bisher vorhandene Wörter vorgehen, z.B. kennenlernen, das soll kein Verbot sein, sondern nur ein Gebot? Mal Hand aufs Herz, lieber Herr Schühly, glauben Sie das selbst, was Sie geschrieben haben??

Haben Sie nicht gelesen, daß ich „bisher“ geschrieben habe? Duden hin oder her – der tut nur so als ob. Bis jetzt gilt der eigentlich noch gar nicht in dieser Strenge!
Ich hoffe, Sie wissen ebenfalls, daß die RSR eigentlich erst im August diesen Jahres amtlich werde soll – wenn überhaupt.[*1)] Und daß die Lehrer den Auftrag bekamen, in vorrauseilendem Gehorsam bereits jetzt (genauer: seit 8 Jahren) diese Schreibung zu lehren, nicht aber „Altschreiber“ bereits zu verurteilen.[*2)]
*1) Das Problem der Wörterverbote stellt sich dann erst ab 1.8.2005? Dann würde es ja vollauf genügen, wenn man am 1.8.2005 anfängt, sich öffentlich zu äußern? (Soll ich dem Laster erst ausweichen, wenn seine Stoßstange mich schon berührt?)
*2) Rotes Anstreichen ist kein Verurteilen? Wie fühlen sich Kinder, wenn ihnen ein richtig geschriebenes Wort rot angestrichen wird? Ich weiß, wie sie sich fühlen, denn ich habe es bei meinen eigenen Kindern miterlebt: Rot ist Verbot. Jedenfalls ist rot nicht erlaubt.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Bernhard Schühly am 02.01.2005 um 18.30

Lieber Herr Lindenthal!
Zu den guten Vorsätzen für das neue Jahr sollte aber auch, ganz besonders bei Ihnen, gehören, erstmal die Texte genau durchzulesen und dann erst zu antworten!



Bernhard Schühly schrieb:
Es handelte sich außerdem bisher nie um Schreibverbote, sondern nur um Gebote.
Fangen Sie, lieber Herr Schühly, jetzt auch schon so an?
... z.B. kennenlernen, das soll kein Verbot sein, sondern nur ein Gebot? Mal Hand auf’s Herz, lieber Herr Schühly, glauben Sie das selbst, was Sie geschrieben haben??

Haben Sie nicht gelesen, daß ich „bisher“ geschrieben habe? Duden hin oder her – der tut nur so als ob. Bis jetzt gilt der eigentlich noch gar nicht in dieser Strenge!
Ich hoffe, Sie wissen ebenfalls, daß die RSR eigentlich erst im August diesen Jahres amtlich werde soll – wenn überhaupt. Und daß die Lehrer den Auftrag bekamen, in vorrauseilendem Gehorsam bereits jetzt (genauer: seit 8 Jahren) diese Schreibung zu lehren, nicht aber „Altschreiber“ bereits zu verurteilen. Diese schwammige Anordnung der Obrigkeit bringt die Lehrer ja gerade durcheinander, weshalb ich nicht pauschal von „Tätern“ sprechen möchte – viele würden nämlich, wenn sie ihre Möglichkeiten aufgezeigt bekämen, sich anders verhalten. Als Staatdiener haben sie sich aber in besonderer Weise zum Gehorsam verpflichtet und sind daran gewöhnt, den amtlichen Befehlen zu gehorchen, wissen aber im konkreten Fall der RSR oft nicht, daß es sich hierbei (noch) gar nicht um eine amtliche Anordnung handelt!
Da muß man ansetzen.
Den Weg über die Eltern zu nehmen, ist eine gute Möglichkeit dazu, nur muß diese im gleichen Sinne aufklären, damit sie nicht vor einer – scheinbar – amtlichen und unverrückbaren Anordnung resignieren.
__________________
Bernhard Schühly


eingetragen von Fritz Koch am 02.01.2005 um 09.00

Sind darin zum Beispiel Sätze getilgt, die Adverbien und Steigerungspartikel als Attribute bei Substantiven verbieten oder Sätze eingefügt, die das jetzt ausdrücklich zulassen? ("Du hast ganz Recht, es tut mir sehr Leid.")
In einem "geschlossenen System" müßte das ja sein, um Widersprüche innerhalb des Systems zu verhindern.

Die Reformer haben zwar keinerlei Vollmacht, auch die Grammatik zu reformieren und an ihre reformierte Rechtschreibung anzupassen, aber leider gibt es genügend willige Erfüllungsgehilfen, die einfach behaupten, daß "man" (und "frau") das jetzt so schreibt.

Vielleicht gibt es noch ein noch nicht "gereinigtes" Grammatikbuch, das sogar noch im Schulgebrauch zugelassen ist.

Falls alle im Schulgebrauch zugelassenen Grammatikbücher und auch alle anderen im Buchhandel erhältlichen schon "gereinigt" sind, scheint es wohl notwendig, eine mit der "Normalen deutschen Rechtschreibung" korrespondierende "Normale deutsche Grammatik" herauszugeben, denn wie Utz Maas schreibt: "Oder noch richtiger gesagt, wir schreiben in grammatischen Strukturen.".


eingetragen von Detlef Lindenthal am 02.01.2005 um 08.52

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Zu den guten Vorsätzen, mit denen man ein neues Jahr zu beginnen pflegt, sollte in unserem Fall gehören: Wir könnten versuchen, dieses Forum wieder lesenswert zu machen. Dazu wäre es nötig, beim Thema zu bleiben und nicht alle erdenklichen weltanschaulichen Debatten zu führen. Außerdem: gegen die Rechtschreibreform zu kämpfen und nicht gegeneinander. Viele, die etwas mitzuteilen hätten, besuchen diese Seiten schon lange nicht mehr. Die Gründe liegen auf der Hand.
Dafür möchte ich vorschlagen, daß die (inhaltlich und strategisch außerordentlich wichtige) Frage der Wörterverbote gemeinsam geklärt wird und nicht nur in einem Zweier-Disput zwischen einem Studenten und einem Handwerker. Ist es wirklich nötig, daß unsere (Hochschul-)Lehrer daherum ein Tabu flechten?
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Theodor Ickler am 02.01.2005 um 03.42

Zu den guten Vorsätzen, mit denen man ein neues Jahr zu beginnen pflegt, sollte in unserem Fall gehören: Wir könnten versuchen, dieses Forum wieder lesenswert zu machen. Dazu wäre es nötig, beim Thema zu bleiben und nicht alle erdenklichen weltanschaulichen Debatten zu führen. Außerdem: gegen die Rechtschreibreform zu kämpfen und nicht gegeneinander. Viele, die etwas mitzuteilen hätten, besuchen diese Seiten schon lange nicht mehr. Die Gründe liegen auf der Hand.
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Detlef Lindenthal am 01.01.2005 um 16.40

Ja, einerseits, Herr Koch; andererseits ist der, der die Seewege sperrt, die Raubzüge macht und seine Stationierungskosten aus unserem Land herauspressen und unsere jungen Männer mit Todesdrohung unter seine fremden Fahnen pressen will, auch der Feind. Mit Bertold Brecht kann man dann einen Staat machen, wenn die Bürger viel, viel politischer sind als in den vergangenen 190 Jahren.

Bert Brecht war nachdenklich:

Stell Dir vor, es kommt Krieg, und keiner geht hin;
dann kommt der Krieg zu euch!
Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt,
und läßt andere kämpfen für seine Sache,
der muß sich vorsehen:
Denn wer den Kampf nicht geteilt hat,
der wird teilen die Niederlage.
Nicht einmal Kampf vermeidet,
wer den Kampf vermeiden will:
Denn es wird kämpfen für die Sache des Feindes,
wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat.

(Die ersten beiden Zeilen, so wird gesagt, sind nicht von Bertold Brecht.)
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 01.01.2005 um 16.25

Bertold Brecht:
"Wenn es zum Marschieren kommt, wissen viele nicht,
Daß ihr Feind an der Spitze marschiert.
Die Stimme, die sie kommandiert,
Ist die Stimme ihres Feindes.
Der da vom Feind spricht,
Ist selber der Feind."

Gefunden in: Südd. Zeitg. v. 30.12.04, Feuilleton, Wahrheit in all ihrer Komplexität / Von Susan Sonntag


eingetragen von Detlef Lindenthal am 01.01.2005 um 16.18

Ein gutes neues Jahr 2005 allerseits!

Also, dann wieder ran an die Arbeit:


Bernhard Schühly schrieb:
Es handelte sich außerdem bisher nie um Schreibverbote, sondern nur um Gebote.
Fangen Sie, lieber Herr Schühly, jetzt auch schon so an? Dem Duden _23, Seite 538 gehorchend („Man schreibt »kennen« vom folgenden Verb immer getrennt, siehe Regel K55“) mit roter Tinte gegen bisher vorhandene Wörter vorgehen, z.B. kennenlernen, das soll kein Verbot sein, sondern nur ein Gebot? Mal Hand auf’s Herz, lieber Herr Schühly, glauben Sie das selbst, was Sie geschrieben haben??

Die Lehrer sind ja auch selber Opfer.
Ja, sie sind Opfer. Aber auch die 200.000fachen Täter, die vor einer winzigen Minister- und Verfassungsrichterklicke kuschen und keinen Mut haben, einen Schraubenschlüssel zu halten.


Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht!
Wenn unerträglich wird die Last,
wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
greift er hinauf getrosten Mutes in den Himmel
und holt herunter seine ewgen Rechte,
die droben hangen unveräußerlich
und unzerbrechlich wie die Sterne selbst.
Der alte Urstand der Natur kehrt wieder,
wo Mensch dem Menschen gegenübersteht.


Lieber Herr Schühly, liebes margel,

obiger Schiller, das war das, was wir in der Schule gelernt haben; anläßlich der Atomprozesse (ich war mit beteiligt, die Atomküche Mülheim-Kärlich – gebaut ohne vollständige Baugenehmigung auf eine Erdbebenspalte, jetzt täglich 1 Mio. Mark Stillstandskosten – verwaltungsgerichtlich stillzulegen, aber frage Sie nicht, wie) habe ich wieder den Schiller nachgelesen und jetzt aus dem Gedächtnis angeführt.
Ich meine, daß Sie aus einer anderen Republik stammen und eine andere Republik darstellen: ohnmächtig des folgerichtigen Denkens, ohnmächtig der strategischen Überlegung, ohnmächtig der genauen Beobachtung, welche schwachen Strömungen unseren Kulturkreis lenken; und ohnmächtig, zu ermessen, was Gerechtigkeit ist. Ihnen darf ich es verraten: Ich lebe in einer anderen Republik. Der alte Urstand der Natur kehrt wieder, wo Mensch dem Menschen gegenübersteht.
Sollte Schiller geirrt haben, oder irren unsere heutigen Gymnasiallehrer?
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 01.01.2005 um 16.01

denn die schaden ihrem Ansehen und dem des Bundeslandes.

Das hat sich jetzt in Bayern gerade wieder gezeigt:
Gegen den Ausfall von Unterrichtsstunden wegen fehlender Reserve haben die Lehrer und Schulleiter vergeblich protestiert. Die daraufhin ganz massiven Elternproteste wurden von der Kultusministerin "auszusitzen" versucht. Als sich die Elternproteste daraufhin gegen den Ministerpräsidenten richteten, weil der für die Sparpolitik verantwortlich ist, war dem das so peinlich, weil es seinem Ansehen und dem seines Bundeslandes schadete, daß er die Kultusministerin sofort zur Rechenschaft einbestellte und Abhilfe verlangte.
Die Lehrer und Schulleiter sind daher für Elternproteste dankbar, das sagen sie immer wieder ganz offen.

Leider sind die Eltern bei der Rechtschreibung noch nicht zu der Einsicht gekommen, daß ihre Kinder Müll lernen müssen. Die Lügenpropaganda der KMK wirkt da noch. Aufklärung tut not.

Anzudrohende und vorzubereitende gerichtliche Klagen müssen sich gegen den Ministerpräsidenten richten, der als Dienstherr seinen Kultusminister angewiesen hat, die diesem unterstehenden Deutschlehrer zu zwingen, Unsinn und Fehler zu lehren.
Andernfalls würden die Schulen auf den verantwortlichen Kultusminister verweisen und dieser auf den letztlich verantwortlichen Ministerpräsidenten.
Eine höhere zu verklagende Dienststelle gibt es nicht, denn jedes Bundesland ist für seine Kulturpolitik selbst zuständig und verantwortlich.


eingetragen von margel am 01.01.2005 um 15.43

Sie haben ganz recht, Herr Schühly: die Schüler gegen die Lehrer "stark zu machen" (ich sage deutlicher: aufzuhetzen), kann nur in eine Sackgasse führen. Man müßte vielmehr die Lehrer, die als Beamte auch subjektiv als Unsinn empfundene Inhalte vermitteln müssen, als Verbündete gewinnen. Dies ist allerdings angesichts der meistens nur dürftig ausgeprägten Zivilcourage und notorischen Konfliktscheu des Berufsstandes wenig aussichtsreich. Mit anderen Worten: In der Schule wird sich der Kampf um die Rechtschreibung nicht austragen lassen. Die Welt der erwachsenen Sprachteilhaber ist das richtige Aktionsfeld. Wenn im öffentlichen Gebrauch lange genug Verweigerung der neuen und gar Rückkehr zur alten Rechtschreibung durchgehalten und verwirklicht werden, muß die Schule, und das heißt immer: die Kultusminister, folgen. - Zur Frage rechtlicher Mittel: Wer anders als die Gerichte soll denn da entscheiden? Die ganze, sicher engagierte und gutgemeinte Diskussion der vergangenen Tage um "Wörterverbote" ist von Wünschen und Gedankenspielen bestimmt, die letztlich ohne jede praktische Konsequenz bleiben müssen. Die Entscheidungen fallen anderswo, und wer dort Einfluß nehmen will, muß den Fuß in der Tür haben, eben - "ernstgenommen werden".


eingetragen von Bernhard Schühly am 01.01.2005 um 13.48

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Wir müssen (müßten; denn es kommt da nichts nach) die Schüler stark machen darin, daß sie die Schwachstellen der Lehrer-Übergriffe erkennen und dort ganz bequem einen Schraubenschlüssel – nein, nicht hineinwerfen, sondern nur hineinhalten; wenn das Lehrer- und KuMi-Getriebe dann knirscht, so liegt das daran, daß es sich weiterdrehen wollte.

Sich auf die Juristerei zu verlassen, davon möchte ich abraten.

So einfach kann man das, glaube ich, nicht abhandeln.
Die Lehrer sind ja auch selber Opfer. Das eigentliche Problem ist ja doch rechtlicherseits, denn man muß ja nicht die Schüler gegen die Lehrer stark machen, sondern den Lehrern die ihnen verfügbaren rechtlichen Grundlagen aufzeigen, um einen Schüler, auch ohne Gefahr für sein Ansehen, sein Gehalt, seine Beförderungaussichten etc., nach der bewährten Schreibung beurteilen zu können.
Es handelte sich außerdem bisher nie um Schreibverbote, sondern nur um Gebote. Welche Spielräume diese Staatsdiener, die ja privat überwiegend noch die alte Schreibung verwenden, gegenüber ihren Schülern haben, ohne das Risoko der Benachteiligung durch ihrem „Arbeitgeber“ einzugehen, ist den meisten wohl gar nicht bewußt – sie „mußten“ zu schnell parieren und sich umstellen, um darüber nachdenken zu können.
__________________
Bernhard Schühly


eingetragen von Fritz Koch am 31.12.2004 um 21.09

ob ein Schüler nach dem Vorbild der Süddeutschen Zeitung vom Silvester / Neujahr 2004, München, 2005 - das Jahr des Erfolgs, rechtschreibungsmäßig richtig, aber grammatisch falsch schreiben muß:
"..., da hat die CSU völlig Recht."
Der Lehrer muß eigentlich das Adverb "völlig" als bei einem Substantiv unzulässiges Attribut als Grammatikfehler werten, müßte aber die grammatisch richtige Schreibweise: "..., da hat die CSU völlig recht." als Rechtschreibfehler werten. Im Mühlespiel ist das eine Zwickmühle: in beiden Fällen ein Fehler.
Die einzige logische Folgerung aus den neuen Rechtschreibregeln: "völlig Recht" durch "völliges Recht", "ganz Recht" durch "ganzes Recht", "nicht ganz Recht" durch "kein ganzes Recht", "nur teilweise Recht" durch "nur teilweises Recht" usw. zu ersetzen, bekäme der Schüler als Stil- oder Ausdrucksfehler gewertet. Also eine dreifache (oder dreidimensionale) Zwickmühle. Eine ausweglose Situation, ein Verkehrsleitsystem würde sagen: "Sie befinden sich in einer Sackgasse, bitte umkehren!"


eingetragen von Detlef Lindenthal am 31.12.2004 um 20.57

Rein menschlich kann ich es nachempfinden, wenn manche Leute sich gegen die Übergriffe aus der Schule nur durch Gewaltphantasien wehren zu können meinen.

Jedoch wird andersherum ein Schuh daraus: Wir müssen (müßten; denn es kommt da nichts nach) die Schüler stark machen darin, daß sie die Schwachstellen der Lehrer-Übergriffe erkennen und dort ganz bequem einen Schraubenschlüssel – nein, nicht hineinwerfen, sondern nur hineinhalten; wenn das Lehrer- und KuMi-Getriebe dann knirscht, so liegt das daran, daß es sich weiterdrehen wollte.

Sich auf die Juristerei zu verlassen, davon möchte ich abraten. Verwaltungsgericht Schleswig, Landgericht Flensburg („Vollidioten“-Urteil) und Bundesverfassungsgericht („Nur 575 Wörter werden geändert“) haben derart kläglich versagt, daß sie den Rechtsstaat auf den Kopf gestellt haben.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 31.12.2004 um 20.30

alle Schüler darüber aufzuklären, welche Rechte und Rechtsbehelfe ihnen im Falle einer negativen Beurteilung wegen der Benutzung der besseren Rechtschreibung zur Verfügung stehen, um zu verhindern, daß wieder ein Schüler wegen einer über seinen Berufsweg entscheidenden Beurteilung (die sich hinterher möglicherweise als falsch erweist) verzweifelt und ein Blutbad anrichtet. (Es ist zu einfach, ihn hinterher zum Verbrecher zu erklären.)


eingetragen von margel am 31.12.2004 um 19.57

Der Schulunterricht selbst fällt nicht unter das Verwaltungsrecht. Ebenso wird ein Gericht im Falle der Anfechtung einer Note nur zu beurteilen haben, ob formal alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Die Benotung selbst vollzieht sich im Rahmen der pädagogischen Freiheit des Lehrers. Vor dem Verwaltungsgericht kann gegen Verwaltungsakte (also hoheitliche Akte) der Schule geklagt werden. Das sind im wesentlichen Versetzung, Abschlüsse, Verweisung von der Schule u.ä. - Im übrigen sollte sich zu der Frage "verboten - erlaubt" wirklich einmal ein Rechtskundiger äußern, denn die hier umeinanderkreisenden Matadore wirken doch etwas überfordert.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 31.12.2004 um 17.52


Fritz Koch schrieb:
Im Schulunterricht gelten alle Schreibweisen als fehlerhaft, die nicht ausdrücklich erlaubt sind
Was natürlich nicht bedeutet, daß nur Wörterbuch-Wörter geschrieben werden dürfen; das Wort Meerschweinchenkäfig z.B. kommt im Duden aus gutem Grund nicht vor, trotzdem darf jedes Kind es schreiben.

Beim Wort kennenlernen ist es jedoch anders, weil es gemäß Duden ausdrücklich zum Abschuß freigegeben ist:
Duden _23, Mannheim 2004, auf Seite 538: Man schreibt »kennen« vom nachfolgenden Verb immer getrennt, siehe K55: jmd. kennen lernen ... ich habe ihn kennen gelernt; um euch kennen zu lernen ...
Nebenbei bemerkt: Hin und wieder werden in Zivilsachen auch Die guten Sitten als Normgeber bemüht, vgl. Art. 2 GG („Sittengesetz“), außerdem der Grundsatz von „Treu und Glauben“. Wörterverbote durch Abschußfreigabe im Wörterbuch und rote Tinte der Lehrer sind nicht vom Sittengesetz gedeckt.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 31.12.2004 um 17.22

Im Straßenverkehr ist alles zulässig, was nicht ausdrücklich verboten ist, so auch allgemein im Strafrecht und Teilen des Zivilrechtes, z.B. bei Verträgen.

Im Verwaltungs-, Steuer- und Teilen des Zivilrechtes ist unzulässig, ungültig oder unwirksam, was nicht ausdrücklich zugelassen ist.

Im Schulunterricht gelten alle Schreibweisen als fehlerhaft, die nicht ausdrücklich erlaubt sind, das heißt, die nicht so auch im amtlich zugelassenen Wörterbuch oder in der amtlich zugelassenen Grammatik stehen. Der Schulunterricht fällt unter das Verwaltungsrecht. Entscheidungen der Schule müssen vor Verwaltungsgerichten angefochten werden.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 31.12.2004 um 15.54

Ist denn nun, gemäß Rechtschreib„reform“, in den Schulen die Benutzung des Wortes
      kennenlernen
erlaubt?

Dazu schreibt Duden _23, Mannheim 2004, auf Seite 538: Man schreibt »kennen« vom nachfolgenden Verb immer getrennt, siehe K55: jmd. kennen lernen ... ich habe ihn kennen gelernt; um euch kennen zu lernen ...

Dessen eingedenk, nochmals meine Frage: Ist in Schulheften, Hausarbeiten, Klassenarbeiten, an der Tafel und so weiter gemäß Rechtschreib„reform“ die Benutzung des Wortes
      kennenlernen
erlaubt, oder besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit oder Gefahr, daß Lehrer eingedenk der Duden-Seite 538 es rot anstreichen und als Fehler werten?
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von David am 31.12.2004 um 14.26

Lieber Herr Lindenthal,

ich denke zwar, wir sollten mit der ganzen Sache so langsam einen neuen Faden eröffnen. Aber ich antworte jetzt trotzdem noch einmal hier.

verboten  ·/·  erlaubt

nicht erlaubt = verboten
Stimme ich zu. Allerdings dazu später.

nicht verboten = erlaubt
Stimme ich nicht zu.
Ich hatte mal die Sache mit dem Naturschutzgebiet angesprochen: Wenn man überall im Leben davon ausgeht, daß die obige Gleichung gilt, dann fällt man hier auf die Nase. Denn hier ist bis auf weiteres (= bis Genaueres diesbezüglich in Erfahrung gebracht worden ist, also bis quasi der Förster gefragt worden ist) alles verboten, was nicht erlaubt ist.
Also: Alles das, was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist als verboten anzusehen.
D.h.:
nicht erlaubt = verboten
Aber:
nicht verbotenerlaubt

Wenn Sie jetzt das Gesetz suchen, das diesen Sachverhalt für Naturschutzgebiete expressis verbis vorschreibt, dann werden Sie es vermutlich nicht finden. Es handelt sich dann wohl eher um ein ungeschriebenes Gesetz, das allerdings wohl auch eine Grundlage in einem Gesetzestext hat.
Ich stimme Ihnen also auch darin zu, daß Verbote und Weisungen generell nur manchmal durch festgeschriebene Gesetze geregelt sind.
Ein Elternteil, ein Lehrer usw. kann natürlich auch "verbieten", aber auch dazu später.

„Stimmen Sie mir weiterhin darin zu, daß junge Menschen nicht erst mit 18 mit Verboten...“ - stimme Ihnen zu. (Gilt für den gesamten Absatz.)

„Stimmen Sie weiters darin zu, daß insbesondere die Verbote (z.B. „Du sollst nicht über den Rand schreiben“ oder „Du sollst nicht falsch rechnen“ oder „Du sollst Wörter nicht anders schreiben, als sie im Buch stehen“) mit roter Tinte, mit Zensuren und Versetzung oder Nichtversetzung durchgesetzt werden, daß demzufolge rote Tinte ein ebenso eingeführtes Lenkungsmittel ist wie Knöllchen und Bußgelder für Verkehrs- und Umweltsünder?“

Daß mit roter Tinte diese "Verbote" durchgesetzt werden, dem stimme ich zu.
Allem anderen stimme ich nicht zu.
Sie schreiben selber, „daß die Mehrzahl der Verbote und Erlaubnisse Feinregelungen sind, die nicht schriftlich geregelt sind“. Meines Wissens nach ist die Sache mit den Knöllchen und den Verkehrssünden aber sehr wohl schriftlich geregelt. Also ist die rote Tinte zwar ein Lenkungsmittel, aber eines anderer Art.
Schriftlich geregelt ist meines Wissens nach auch, daß ein Lehrer Zensuren gibt, die abhängig sind von den Fehlerzahlen – zumindest, soweit ich weiß, ich dies schriftlich geregelt bzw. es gibt eine schriftliche Regelung, die das impliziert. Aber ebenso meines Wissens nach hört es da schon auf: ein Lehrer schafft die Maßstäbe der Bewertung selbst. Für den einen sind Schmierereien in den Klausurheften schon Grund genug, die Note zu senken, dem anderen ist das vollkommen egal. Ich denke, es ist gerechtfertigt, hier von der Freiheit der Lehre zu sprechen.
Demzufolge behaupte ich also, daß Verbote (sie wurden erläutert), die in der Schule herrschen, nicht gleichzusetzen sind mit den Verboten, die beispielsweise im Straßenverkehr herrschen.

„Stimmen Sie mir weiter darin zu, daß das Nichtrotanstreichen von Wörtern bedeutet, daß sie erlaubt sind, daß Rotanstreichen und Fehler- und Meckergeben hingegen die Nichterlaubnis, also das Verbot einer solchen Wortnutzung bedeuten?“

Stimme ich so nicht zu. Denn was erlaubt und verboten ist, muß einem Kriterium zugrundeliegen, das ich aber schlechterdings im Bereich „Schule per se“ nicht genau definieren kann. Eben weil dem einen Lehrer ein dreimal durchgestrichenes Wort genügt, um Dreimaldurchstreichen nicht zu erlauben, also es zu verbieten, dem anderen Lehrer es aber vollkommen egal ist, ob ein Wort durchgestrichen, eingeklammert, eingeklammert und durchgestrichen, oder mittels Tintentod recht schmierig entfernt wurde.
Außerdem gilt ja anscheinend nicht verbotenerlaubt.
(Wenn dem nicht so wäre, dann wäre das Prinzip, daß es generell unausgesprochene Gesetze gibt – z.B. auch so etwas, daß man einer Dame die Tür aufhält, daß man seinem Großvater selbstverständlich in den Mantel hilft usw. – nicht haltbar, ohne daß man direkt für sämtliche Bereiche des Lebens festgeschriebene Gesetze einführt.)

„Stimmen Sie mir zu, daß das Rotanstreichen z.B. der Wörter naheliegend, lahmlegen, kennenlernen, liebhaben ein Verbot ist? Daß also ein Lehrer die Macht hat, Wörter zu verbieten?“

Stimme dem ersten Teil zu. Aber was besagt er denn? Denn: dem zweiten Teil stimme ich nicht zu.
Ich überlege hier, ob es zulässig ist zu behaupten, daß „ein Lehrer die Macht hat, Wörter zu verbieten.“ Denn wenn diese Aussage generell Gültigkeit hätte, dann könnte man nicht sagen, welche Wörter verboten sind und welche nicht. Denn unterschiedliche Lehrer legen ihrer Bewertung unterschiedliche Kriterien zugrunde. Es gibt Lehrer, für die ist die Numerierungsart „1.)“ ein Fehler, weil sie zum Grundsatz gemacht haben „1. oder 1)“. Anderen ist das egal.
Für den einen Lehrer ist in einem bestimmten Kontext das Wort „Rüttelfalke“ verboten, in einem anderen ist es demselben Lehrer egal, also dort ist das Wort erlaubt. Das Wort selbst läßt sich wohl nachweisen, daran liegt es nicht.
Ihre Aussage kann also nur wirklich auf ihre Gültigkeit untersucht werden, wenn wir uns genauer betrachten, was das Wort verbieten in diesem Kontext überhaupt für eine Aussagekraft hat.
Habe ich recht?
Widerspruch ist sehr willkommen, ich beharre ja nicht auf der Richtigkeit meiner Überlegungen.

„Stimmen Sie mir darin zu, daß Sie bisher die tatsächlichen Wirkungsverhältnisse der Wörterverbote in den Schulen nicht richtig benannt haben, sondern aus Gründen, die mit Wahrheitsliebe nicht vereinbar sind, Verwirrung gestiftet haben?“

Ich stimme nicht zu.
Die Wirkungsverhältnisse habe ich nie bestritten. Vielleicht ist das nicht deutlich geworden, ich möchte es darum noch einmal betonen. Ob allerdings behauptet werden kann, daß diese Wirkungsverhältnisse auf Verboten beruhen, das habe ich bestritten. Denn ein Verbot ist nicht gleich ein Verbot: das Verbot eines Lehrers ist nicht gleichzusetzen mit dem Verbot, das in einem Gesetz festgeschrieben steht. Insofern sehe ich es als nicht gerechtfertigt an, pauschal von Wöterverboten zu sprechen.

Und Ihre Unterstellung empfinde ich persönlich als eine Frechheit, bei allem Respekt! Aber daraus möchte ich keinen Staatsakt machen.

Zusammenfassend: Ich kann natürlich sagen, daß ein Lehrer etwas verbieten kann. Ich kann auch davon sprechen, daß ein Elternteil etwas verbieten kann. Ich kann auch sagen, daß der Gesetzgeber etwas verbietet. Ich sage auch, daß es Verhaltensweisen gibt, die einem der Anstand verbietet. Das alles bewegt sich aber in unterschiedlichen Kategorien.
Wenn ich also sage, daß durch die RSR Wörter verboten werden, dann ist das zwar unter dem Gesichtspunkt richtig, daß ein Lehrer von nun an das Wort lahmlegen verbieten kann, aber dadurch ist es nicht pauschal verboten. Denn das Verbot eines Lehrers ist relativ. Und unter dem Gesichtspunkt, daß etwas als verboten anzusehen ist, weil es durch ein Gesetz als nicht erlaubt definiert wird, ist es nämlich nicht verboten.
Genaugenommen kann man also nicht von Wörterverboten sprechen. Ich muß erst einmal die Aspekte erläutern.
Denn es gilt zwar nicht erlaubt = verboten, genauso gilt allerdings auch unter einem anderen Aspekt nicht erlaubtverboten, wenn ich beispielsweise davon ausgehe, daß etwas nicht unbedingt explizit und de jure erlaubt sein muß, um als nicht verboten zu gelten. (Ich darf z.B. immer den linken Fuß nachziehen und theatralisch Grimassen schneiden, wenn ich am Bonner Rathaus vorbeigehe – biege ich dann in die nächste Straße rechts ab, lasse ich das sein. Das ist nirgends explizit erlaubt, aber verboten ist es dadurch ja auch nicht.)

Insofern noch einmal: Ich wehre mich dagegen, im Zuge der RSR pauschal von Wörterverboten zu sprechen. Denn wenn es diesbezüglich einmal hart auf hart käme, wenn man also „die Reformer“ mit dieser Aussage konfrontierte, dann wäre diese Aussage in einer nachfolgenden Auseinandersetzung nicht haltbar. Deshalb halte ich sie für kontraproduktiv.
Ich betone auch noch einmal, daß ich hier nicht verwirren möchte, schon gar nicht aus Gründen, die mit der Wahrheitsliebe nicht vereinbar sind, lieber Herr Lindenthal!
Ich habe auch deutlichgemacht, daß ich die RSR unter keinen Umständen hinnehme und es als höchst gefährlich erachte, was die Reformer nämlich de facto betreiben bzw. wozu ihnen die Möglichkeit gegeben wurde: nämlich zu indoktrinieren.
Ich möchte hier auch an George Orwells „1984“ erinnern: Es ist ja eigentlich nichts verboten...

Und wenn Sie, Herr Lindenthal, schon so schön auf die Wahrheit pochen, darauf, daß man sie nicht einfach ignorieren darf, darauf, daß man voll und ganz für das, was man sagt und schreibt, auch einstehen sollte – dann rennen Sie bei mir offene Türen ein. Und zwar mit einem Rammbock und wild um sich schießend. Ich verberge mich auch nicht hinter einem Decknamen – ich heiße wirklich David. Kann das beweisen. Und Sie können mir jederzeit eine Nachricht per Email schicken, ich bin hier nicht anonym. Daß ich meine Telefonnummer oder meinen Nachnamen in einem Internetforum nicht angebe – dem liegen gewisse Erfahrungswerte zugrunde. Akzeptieren Sie das bitte.
Ich möchte Ihnen mit dieser Passage nicht unrecht tun, aber ich habe etwas zwischen Ihren Zeilen gelesen, was ich als eine Anspielung mir gegenüber verstanden habe. Sollte ich mich darin irren, so tut mir das leid.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 31.12.2004 um 10.51

Guter David,

Ihre Zweifel bei der Frage der Wörterverbote finde ich ziemlich unklar. Doch brauchen wir gar nicht bis zu einer Bewertung (siehe „Hammer“ und „B[o]umerang“) zu entgleiten, wenn wir zuvor noch nicht die Aussagen, ja noch nicht einmal die Begriffe geklärt haben. Und bei denen wurde leider Sophisterei betrieben; daher noch einmal etwas gründlicher:

Stimmen Sie mir darin zu, daß die Begriffe
    verboten  · / ·  erlaubt
ein Gegensatzpaar sind, daß also gilt:
    nicht erlaubt bedeutet verboten
und
    nicht verboten bedeutet erlaubt (oder, der Vollständigkeit halber, manchmal auch noch nicht verboten oder hier noch nicht verboten)?
(Wenn nein, was verstehen Sie unter verboten und erlaubt? Und wie sehen diese Begriffe in der Wirklichkeit eines Schülers aus?)

Stimmen Sie mir darin zu, daß bei den Menschen die Verbote nur manchmal durch das StGB geregelt sind, oftmals aber auch geregelt werden z.B. durch Seefahrts-, Umwelt-, Jugendschutzrecht, durch Verordnungen, durch Verfügungen und Auflagen, durch einfache Anordnungen gestützt z.B. auf das Hausrecht (z.B. in Schulen, in der Stadtbücherei und zu Hause) und auf schriftlich oder mündlich oder gesetzlich vereinbarte Ausbildungsverhältnisse? Stimmen Sie mir darin zu, daß ein Elternteil, Bademeister, Lehrherr oder Lehrer verbieten und erlauben kann?

Stimmen Sie mir weiterhin darin zu, daß junge Menschen nicht erst mit 18 mit Verboten und Erlaubnissen in Berührung kommen, sondern daß schon viel früher die Kategorien erlaubt und verboten für Kinder wirklich (=wirkend) werden,
daß die Mehrzahl der Verbote und Erlaubnisse Feinregelungen sind, die nicht schriftlich geregelt sind?
daß die Mehrzahl der Kinder hellhörig gegenüber solchen Vorschriften sind, also folgsam sind,
daß es also für Kinder, insbesondere auch für Schulkinder, eine eigene Wirkungswelt mit Verboten und Erlaubnissen gibt?

Stimmen Sie weiters darin zu, daß insbesondere die Verbote (z.B. „Du sollst nicht über den Rand schreiben“ oder „Du sollst nicht falsch rechnen“ oder „Du sollst Wörter nicht anders schreiben, als sie im Buch stehen“) mit roter Tinte, mit Zensuren und Versetzung oder Nichtversetzung durchgesetzt werden, daß demzufolge rote Tinte ein ebenso eingeführtes Lenkungsmittel ist wie Knöllchen und Bußgelder für Verkehrs- und Umweltsünder?

Stimmen Sie mir weiter darin zu, daß das Nichtrotanstreichen von Wörtern bedeutet, daß sie erlaubt sind, daß Rotanstreichen und Fehler- und Meckergeben hingegen die Nichterlaubnis, also das Verbot einer solchen Wortnutzung bedeuten?

Stimmen Sie mir zu, daß das Rotanstreichen z.B. der Wörter naheliegend, lahmlegen, kennenlernen, liebhaben ein Verbot ist? Daß also ein Lehrer die Macht hat, Wörter zu verbieten?

Stimmen Sie mir darin zu, daß Sie bisher die tatsächlichen Wirkungsverhältnisse der Wörterverbote in den Schulen nicht richtig benannt haben, sondern aus Gründen, die mit Wahrheitsliebe nicht vereinbar sind, Verwirrung gestiftet haben?


Lieber David, als Staatsbürger bin ich voll vorhanden und voll greifbar und angreifbar; ich verberge mich nicht hinter einem Decknamen oder unvollständigen Namen, meine Anschrift und Telefonnummer stehen im öffentlichen Telefonbuch (04846-6166). Das gibt mir auch eine große Stärke, denn ich weiß, daß ich jedes Ding, was ich hier schreibe, mit voller Haftung auch vertrete.
Daß sowas für Sie, der Sie in den Staats- und Schuldienst wollen, nicht möglich ist, wird gesagt; es ist Ihr und unser aller Pech.
Doch sollen diese schulischen Mißverhältnisse nicht auf die noch vorhandenen Freiräume, und damit auch nicht auf dieses Forum, übertragen werden; ich wehre mich dagegen, daß offen Lüge für Wahrheit ausgegeben wird.
Daher wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie entweder zurückrudern mögen und sagen: Ja, Wörterverbote mittels roter Tinte werden in der Schule durchgeführt und sind nicht hinnehmbar, oder aber mir in der obigen Begriffe-Kette aufzeigen, wo ich fehlerhafterweise eine Lücke gelassen habe.


(siehe hier:)

„Man muß das Wahre immer wiederholen, weil auch der Irrtum um uns her immer wieder gepredigt wird, und zwar nicht von einzelnen, sondern von der Masse, in Zeitungen und Enzyklopädien, auf Schulen und Universitäten. Überall ist der Irrtum obenauf, und es ist ihm wohl und behaglich im Gefühl der Majorität, die auf seiner Seite ist.“
Goethe zu Eckermann

„Jeder Mensch stolpert im Laufe seines Lebens irgendwann über die Wahrheit,
doch die meisten stehen auf, klopfen sich den Staub ab und gehen weiter.“
Winston Churchill

„Man kann alle Leute einige Zeit und einige Leute alle Zeit,
aber nicht alle Leute alle Zeit zum Narren halten“
Abraham Lincoln

„Keyn Unglück ewigk.“
Hillebrand von Kracht, 1626
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Detlef Lindenthal am 30.12.2004 um 15.17

Das Niveau dieser Verboten/erlaubt-Erörterung ist in denkkundlicher Hinsicht so grottenschlecht, daß ich mich erstmal bei einer sinnvollen Tätigkeit erholen mußte: Ich habe mein diesjähriges Weihnachtsgeschenk zu Ende gebastelt, tirili!

Wer es sehen möchte, hier ist es:
http://Zettelmeister.de/Zettel/ .
(Voraussetzung: ein moderner DOM3-Stöberer, also Mozilla, Firefox, Netscape 7; in Safari geht die Schlagzeilen-saugen-Funktion nicht; M$ IE ab 6 könnte man auch versuchen.)

Bisherige Notizzettelchen-Programme (mit den kleinen gelben und rosanen Bildschirmbesetzern) waren zwar anwenderfreundlich, hatten aber weder Internet-, Datenbank- noch Skript-Unterstützung und auch keine Nutzerverwaltung. Dies ändert sich nun dank der Netzwerkstatt von Ulrich Kritzner und Detlef Lindenthal: Vernetzung wird bedienerfreundlich und alltagstauglich!

Keine Sorge, um die Grenzbereiche von Denkkunde und Sophisterei kümmere ich mich auch wieder. Man soll den Kandidaten und Kadetten auch Gelegenheit geben, die Suppe etwas abkühlen zu lassen; steigert sie dadurch doch ihre Genießbar- und Bekömmlichkeit. :-)
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Ursula Morin am 30.12.2004 um 12.23

Bitte doch hier den Wald nicht über den ganzen Bäumen zu vergessen. Meiner Meinung nach (aber das mag die Berufskrankheit eines Übersetzers sein) geht es doch zuerst darum, was man ausdrücken möchte, und ob man erwarten kann, daß es auch verstanden wird.
Da habe ich allmählich ernste Befürchtungen. Nicht nur daß meine Quellsprachen anfangen sich aufzulösen (ich bekomme nur noch selten korrekt geschriebene Texte zu übersetzen), nein, auch Bedeutungsunterschiede in meiner Zielsprache Deutsch werden von denen, die in den Genuß des "reformierten" Deutschunterrichts gekommen sind (auch schon vor der RSR), nicht mehr erkannt.

Beispiel: Der Unterschied zwischen "das ist soweit in Ordnung ..." und "so weit würde ich nicht gehen" wird kaum noch gemacht. Daran sind die Reformer wohl nur indirekt schuld, es liegt wahrscheinlich eher an einer gewissen Denkfaulheit, die sich zunehmend breitmacht. Weshalb sollte man auch versuchen, verständlich zu schreiben, wenn man das Problem einfach auf den Empfänger abwälzen kann?


eingetragen von Fritz Koch am 30.12.2004 um 08.14

Maas definiert die Grenzen der Einheit Wort als Grenzen, "an denen syntaktische Sollbruchstellen bestehen". Hier sind Pausen möglich, und hier können die Operationen Einschub (Erweiterung), Substitution (Ersetzung), Permutation (Umstellung) ansetzen.
Das Wort ist "undurchlässig für diese Art syntaktischer Operationen. Einschübe erfolgen nur jenseits der Wortgrenzen, substituiert werden wörtliche Elemente (allerdings gibt es Substitutionen auch von Wortbildungselementen), und in jedem Fall ist die Umstellung eine von Worten bzw. Wortfolgen."

Sind bei "gar nicht", "so daß", "so viel" und anderen ähnlichen Wörtern Pausen, Einschübe, Substitutionen, Umstellungen möglich?
Wenn nicht, dürfen sie auch als ein Wort zusammengeschrieben werden.


eingetragen von David am 30.12.2004 um 00.12

Werter Herr Lindenthal,

bitte sehr, weil's so schön ist, hier noch einmal:


Ein Lehrer wird „lahmlegen“ als falsch anstreichen. Ist dadurch das Wort oder die Schreibweise denn verboten?
Ich bleibe dabei: Wenn der Schüler einen Brief schreibt, dann kann (=hat die Freiheit) er so viele Wörter, Schreibweisen und Varianten benutzen, wie er lustig ist. Aber in der Schule untersteht er einer Weisung, die er befolgen muß.
Denn so blöd waren selbst die Reformer nicht, daß sie ein quasi Rechtschreibgesetz gefordert hätten!

Soviel also zur Endlosschleife. Damit es aber keine gibt, auch noch das hier:

Ein Lehrer darf auch für das Wort "lahmlegen" einen Fleißpunkt geben, weil der Schüler so schön ein langes Wort schreiben kann. Er darf auch den Schüler zu sich zitieren und ihm sagen: "Ei, das war aber böse! Nix Schlimmischreibi macha!" Er darf sich dabei auch bestimmt an die Stirn klopfen und fünfmal niesen. Und er darf sich dann auch eine Frikadelle ans Knie nageln und so lange drehen, bis UKW kommt. Wir haben ja schließlich die Freiheit der Lehre, nicht wahr?
Und: Wenn etwas formal oder nicht formal nicht verboten ist, folgt daraus denn dann auch, daß es formal oder nicht formal erlaubt ist?
Wie steht es denn genau und im speziellen mit dem Wort "Verbot"?
Und daran anschließend weiter mit der Schleife: Was verstehen Sie unter einem Wörterverbot?
Und: Welche Schlußfolgerungen ziehen Sie aus den Konstitutionierungen der unter Kontrolle einer Regierung stehenden Institutionen hinsichtlich der allgemeinen Bedeutung des Wortes "Verbot"?
Und wie Herr Schühly schon schreibt: Was ist für Sie ein Wort, was ist es für einen Reformer?
Und: Sehen Reformer es nicht auch selber unter verschiedenen Aspekten?

Noch ein Tip: Sokrates.

Um nochmals Herrn Schühlys Beitrag ein wenig aufzugreifen: Wenn man einen scheinbar unzerstörbaren und ebenso scheinbar vernichtenden Hammer wirft, könnte der sich als Bumerang entpuppen, wenn man zuvor sich nicht darüber geeinigt hat, was denn einen Hammer von einem Bumerang unterscheidet.
Und dann tut's weh.


eingetragen von Bernhard Schühly am 29.12.2004 um 21.29

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Lieber David,

nochmals Ihre frühere Aussage und meine Frage:

David schrieb:
Rein formal betrachtet liegen keine Wörterverbote vor!
Darf ich das so verstehen, daß z.B. die Wörter lahmlegen oder kennenlernen (formal oder nicht formal) erlaubt sind, d. h. also, daß kein Lehrer dafür einen Fehler anstreichen darf?

---


Ich kann David nur zustimmen. Man muß jetzt vor allem vorsichtig sein, große und pauschal übertriebene Sprüche zu klopfen – das kann ganz gefährlich zum Boumerang werden. In diesem Fall speziell ist erstmal abzuklären, was wir und was die Reformer unter einem „Wort“ verstehen. Für uns bedeuten Wörterverbünde wie lahm legen nämlich zwei, im neuen Duden wird sowas als ein Wort gezählt. Somit sind – aus deren Sicht – auch keine Wörter verlorengegangen oder verboten worden, selbst innerhalb der Schulen. Daß das nur diesen Bereich trifft (und teilweise andere Staatsdienste), ist auch ein Aspekt, vorsichtig mit solchen „Hämmern“ in der Argumentation umzugehen, ohne die neuen (Gesetzes-)Regelungen, auf die sich diese Leute berufen, genauestens zu kennen. Sonst kann man selber als inkompetent dahingestellt werden, und dieses Prädikat wollten wir doch eigentlich den Reformern übrlassen, oder?
__________________
Bernhard Schühly


eingetragen von Fritz Koch am 29.12.2004 um 18.54

und nicht die Rechtschreibung.
Die Grammatik ist viel älter als die Rechtschreibung.
Ich habe viel darüber nachgedacht, warum das rekonstruierte Gemein-Indogermanisch und seine unmittelbaren Tochtersprachen so komplizierte Grammatiken hatten. Zuerst müssen Wortwurzeln dagewesen sein, die durch Präfixe und Suffixe und Endungen variiert wurden, Hilfswörter wie Präpositionen und Adverbien scheinen erst später dazugekommen zu sein.
Es scheint, daß damals die wortgewandten "Gebildeten" unter sich bleiben wollten und sich mittels ihrer Sprache von den "Ungebildeten" abgrenzen wollten. Die sich über Europa und Asien ausbreitenden indogermanisch sprechenden Völker waren in den eroberten Ländern die herrschende Schicht und wollten dieses Herrschaftssystem erhalten. Eine komplizierte und verfeinerte Grammatik war ein gutes Abgrenzungsinstrument, schon lange bevor es Schrift gab.
Die Vereinfachung der Grammatiken in den heutigen indogermanischen Sprachen durch Hilfswörter und Wegfall vieler variabler Endungen scheint ein Zeichen für die zunehmende Teilnahme des "Volkes" an der Macht zu sein, also ein "Demokratisierungseffekt".


eingetragen von Fritz Koch am 29.12.2004 um 17.35

Aus: Marcello Durante, Geschichte der italienischen Sprache, I. Das klassische Latein und das Vulgärlatein:
"Die Auswirkung der normativen Selektion betrifft auch den lexikalischen Bereich. Nach einem ungeschriebenen Gesetz vermeiden die meisten klassischen Autoren eine Reihe von Wörtern, die vorher vital waren und sich in der Volkssprache und in den romanischen Sprachen weiter behaupten. Die klassischen Autoren schreiben:
iuvo statt adiuto, os statt bucca, equus statt caballus, urbs statt civitas, emo statt comparo, ebrius statt ebriacus, ebrius statt madidus (davon ital. matto), loquor statt fabulor (davon span. hablar), sus statt maialis, edo, comedo statt manduco, clamo statt quirito (davon ital. gridare), satur statt satullus, pulcher statt bellus, laetus statt contentus, magnus statt grandis, fero statt porto.
Der Ausschluß der Gräzismen, außer jener Worte, die bereits im festen Gebrauch verankert waren, bildet eine feststehende Norm."


eingetragen von Detlef Lindenthal am 29.12.2004 um 17.14

Lieber David,

nochmals Ihre frühere Aussage und meine Frage:


David schrieb:
Rein formal betrachtet liegen keine Wörterverbote vor!
Darf ich das so verstehen, daß z.B. die Wörter lahmlegen oder kennenlernen (formal oder nicht formal) erlaubt sind, d. h. also, daß kein Lehrer dafür einen Fehler anstreichen darf?

---

Mit höchsten Vergnügen habe ich vorhin im dicken Logiklexikon gestöbert; ich muß mir mal Bücher über Sophistik besorgen!!! Warum Achill die Schildkröte nicht überholen kann, und so weiter.
Der Schulunterricht soll, nein: muß auch vor allem Denkunterricht sein. Und demzufolge die Lehrerausbildung auch. Wir sind ja alle noch jung und können noch sooo viel lernen. Und müssen noch soo viel lernen. Glückauf!

Ihr
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 29.12.2004 um 16.33

David schrieb:

„Die Reformer verbieten nicht einfach – sie indoktrinieren. Und das ist letztendlich wie eine schleichende tödliche Krankheit: erst wenn es schon fast zu spät ist, sieht man die wahren Folgen.“

David hat recht: dies ist die wahre Gefahr.
__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von David am 29.12.2004 um 16.22

Lieber Herr Lindenthal,

nein, ich weiche nicht auf eine Gegenfrage aus. Man sollte bloß dann vielleicht doch erst mal eine Frage zum Grundsätzlichen stellen. Hatte ich bislang versäumt.

Herr Koch hat da sehr schön etwas erläutert, was ich mal so zusammenfassen will: "Alles, was nicht erlaubt ist, ist verboten." Wie im Naturschutzgebiet.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob dieser Schluß wirklich in bezug auf den Bereich "Schule und Rechtschreibung" so ohne weiteres zulässig ist. Denn wenn ich jetzt mal ganz, ganz, ganz kleinkariert bin (also rein formal): Was passiert mit einem Schüler denn, wenn er trotzdem ein Wort, das nicht im jeweils neuesten Duden steht, schreibt? Im Zuge von Hausaufgaben beispielsweise, die der Lehrer mal nicht korrigiert. Hat er sich dann strafbar gemacht?
Also was für eine Art von Verbot soll dann ein Wörterverbot sein?
Darauf zielte auch meine Frage an Sie ab.

Und weiter hat Herr Koch dann ausgeführt, was das "Verbieten" eines Wortes bzw. einer Schreibweise für Auswirkungen bezüglich einer Bedeutungsnivellierung hat.
Er schreibt hier auch von einem "Verbot".

Und das sehe ich nicht so.

Zugegeben: Ein Lehrer wird "lahmlegen" als falsch anstreichen. Ist dadurch das Wort oder die Schreibweise denn verboten?
Ich bleibe dabei: Wenn der Schüler einen Brief schreibt, dann kann (=hat die Freiheit) er so viele Wörter, Schreibweisen und Varianten benutzen, wie er lustig ist. Aber in der Schule untersteht er einer Weisung, die er befolgen muß.
Denn so blöd waren selbst die Reformer nicht, daß sie ein quasi Rechtschreibgesetz gefordert hätten!


Zum Verbot als solchem.
Ich könnte sagen: In Deutschland ist es verboten zu streiken. Warum? Weil ein Beamter nicht streiken darf.
Ist das ein pauschales Streikverbot? Nein.

Wenn einem Schüler das Wort "lahmlegen" als Fehler angestrichen wird, er aber außerhalb der Schule dieses Wort munter gebrauchen darf (denn wer will ihn hindern?), dann kann ich doch nicht ohne weiteres sagen, daß dieses Wort verboten sei.

Mir ist auch klar, daß durch die Verbindlichkeit gerade für Schulen Wörter quasi indirekt aus dem Verkehr gezogen werden. Und das halte ich persönlich für noch um einiges gefährlicher als ein offenes "Wörterverbot", weil eben nicht direkt ersichtlich ist, daß da massivst in Bereiche eingegriffen wird, in die einzugreifen einer staatlichen Autorität eigentlich nicht gestattet werden dürfte!

Insofern möchte ich auch den Reformern diesen Ball gar nicht erst zuspielen, daß sie das mit dem Wörterverbot schön zurückschlagen können, um sich damit diesbezüglich ihre Weste reinzuwaschen.
Die Reformer verbieten nicht einfach - sie indoktrinieren. Und das ist letztendlich wie eine schleichende tödliche Krankheit: erst wenn es schon fast zu spät ist, sieht man die wahren Folgen.


eingetragen von Fritz Koch am 29.12.2004 um 15.26

hatten wiederholt und übereinstimmend den Inhalt, daß die Schreibweisen des Duden für die Schulen verbindlich sind, und zwar bis 31.7.2005 die des alten und aller neueren Duden, ab 1.8.2005 wohl nur noch die des dann neuesten Duden.
Hier ist der Umkehrschluß zulässig: Was nicht so im Duden steht, ist ein Rechtschreibfehler, weil keine erlaubte Schreibweise. Eine fehlerhafte, weil vom Duden nicht erlaubte Schreibweise ist eine verbotene Schreibweise. Meinetwegen sind nicht Wörter verboten, sondern deren Schreibweisen.
Falls bisher zwei unterschiedlichen Schreibweisen auch zwei unterschiedliche Bedeutungen kennzeichneten, so sollen jetzt die beiden unterschiedlichen Bedeutungen durch nur noch eine einheitliche Schreibweise gekennzeichnet werden, so wollen es die Reformer und verbieten eine der beiden Schreibweisen an den Schulen.

Die grundsätzliche Frage ist daher: Ist das möglich? Oder geht dadurch eine der beiden unterschiedlichen Bedeutungen verloren, nämlich die bisher durch Zusammenschreibung gekennzeichnete? Die Reformer leugnen das letztere und wollen die Bedeutung aus dem Kontext ermitteln. Die Sprachwissenschaftler bestehen auf zwei verschiedenen Schreibweisen für zwei verschiedene Bedeutungen und bestreiten die Erkennbarkeit aus dem Kontext und sagen, durch Verbot einer Schreibweise geht auch deren besondere Bedeutung verloren.
Die Frage heißt also: Wird durch das Verbot einer Schreibweise deren Bedeutung vernichtet und in der Auswirkung mit verboten? Für viele Sprachwissenschaftler ist die Antwort: Ja.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 29.12.2004 um 14.57

Bester David,

trauen Sie Ihrem bisherigen Ansatz so wenig zu, daß Sie auf eine Gegenfrage ausweichen müssen?

Ihrem Vorschlag nachkommend, will ich gerne zeigen, durch welche Wirkketten das Verbot von Wörtern erfolgt.

Doch meine ich, daß man, wenn die Veränderung der Erörterungsfolge keine gewichtigen Vorteile verspricht, bei der Reihenfolge von Fragen und Antworten bleiben sollte; daher nochmals Ihre frühere Aussage und meine Frage:


Rein formal betrachtet liegen keine Wörterverbote vor!
Darf ich das so verstehen, daß z.B. die Wörter lahmlegen oder kennenlernen (formal oder nicht formal) erlaubt sind, d. h. also, daß kein Lehrer dafür einen Fehler anstreichen darf?
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von David am 29.12.2004 um 14.23

Lieber Herr Lindenthal,

dann zeigen Sie mir bitte das Gesetz, daß explizit irgendwelche Wörter verbietet. Im Wortlaut, wenn ich bitten darf.

Natürlich hat das was mit Wortklauberei zu tun, was ich hier veranstalte. Aber nur zu: konfrontieren Sie die Reformer mit dem Vorwurf des Wörterverbotes, meinetwegen an höchster Stelle. Die werden sich zu wehren wissen, denn die haben ihre eigene Reform selbst schon formal (ja, ich bleibe bei diesem meinethalben wankenden Ausdruck) auf so wackelige Füße gestellt, daß man mit so einer grundfesten Anschuldigung da nur in Schwamm schießen kann.

Noch einmal: Ich wehre mich dagegen, pauschal von Wörterverboten zu sprechen. Das ist kontraproduktiv; ganz platt: das können die widerlegen!

Und Gegenfrage: Was verstehen Sie unter einem Wörterverbot?


eingetragen von Giesbert Rainhagen am 29.12.2004 um 13.53

Rabulistik (von lat: rabire, toben) ist im ursprünglichen und häufig noch benutzten Wortsinn eigentlich eine Bezeichnung für rechtsverdreherisches und abwegiges Anwaltsgeschwätz. Im erweiterten Wortsinn wird es auch verwendet für eine Methode, um in einer Diskussion unabhängig von der Richtigkeit der eigenen Position recht zu behalten. Erreicht wird dies durch unterschiedliche rhetorische Tricks wie die Einbringung diskussionsferner Aspekte, semantische Verschiebungen, Wortverdrehungen und anderes mehr. Lit.: Arthur
Schopenhauer, "Eristische Dialektik - Die Kunst, Recht zu behalten"


eingetragen von Detlef Lindenthal am 29.12.2004 um 13.30


David schrieb:
Rein formal betrachtet liegen keine Wörterverbote vor!
Darf ich das so verstehen, daß z.B. die Wörter lahmlegen oder kennenlernen (formal oder nicht formal) erlaubt sind, d. h. also, daß kein Lehrer dafür einen Fehler anstreichen darf?

Ich muß offen gestehen, daß mich diese Erörterung außeraußerordentlich erstaunt; was verstehen Sie jeweils unter verboten, erlaubt und formal? Ist dies ganze eine schwache Übung in Rabulistik, Sophistik, Leuteverlade?
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von David am 29.12.2004 um 12.00

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Diesen Ansatzpunkt habe ich noch nicht verstanden; wie würde das praktisch aussehen, durch eine Presseverlautbarung, die gebracht wird oder nicht gebracht wird?

Na, das ist doch allein schon durch das Vorwort im neuen Ickler in Angriff genommen. Ferner gibt es zahlreiche Veröffentlichungen, nicht nur von Herrn Ickler, auch von anderen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, und zwar in der vorgestellten Ausrichtung. Dann haben wir auch die rückumgestellte Presse, die ja zu diesem Tatbestand auch etwas zu sagen hatte.
Und nicht zuletzt - ich schrieb es bereits - gibt es die vermeintlich offiziellen Wörterbücher der letzten Jahre; daraus zieht selbst der letzte unmotivierte und unpolitische, frustrierte Lehrer seine Schlüsse... (Das ist zumindest meine Hoffnung.)

Dummerweise liest eben ansonsten nicht jeder - und schon gar nicht so etwas, über solch ein kompliziertes und ja zutiefst kontroverses Thema. Da hält man sich eben gerne zurück.

Herr Lindenthal, ich bleibe dabei: Rein formal betrachtet liegen keine Wörterverbote vor! Die Aussage, daß welche vorlägen, ist so nicht haltbar.
Ich teile ja Ihre Ansicht, daß es Anpassungsdruck gibt, ich bin ja auch der Meinung, daß das ganze Unternehmen auch dort Kreise zieht, wo es de jure gar keine ziehen muß bzw. sollte. Aber trotzdem sollte man das ganze nicht Wörterverbot nennen.
Herr Müller schreibt: "Als virulenter Reformgegner gerät man schnell einmal in den Verdacht, ein Eiferer, ein Fundamentalist zu sein."
Dem kann ich mich nur anschließen.

Außerdem ist das Ganze mittlerweile (wir haben's alle mitbekommen) dermaßen politisiert worden, daß heftige Schlagworte überhaupt nichts mehr erreichen können, sondern im Gegenteil die Fronten nur noch verhärten.

Widerstand, still und wirksam - ich persönlich werde demnächst mal den Test im Rahmen des Schulpraktikums machen: "Reformierte Rechtschreibung? Machen Sie sich nicht lächerlich, ich habe immerhin schon ein paar Jahre studiert!"
Mal sehen, wie's wirkt.
Werde dann berichten.


eingetragen von Giesbert Rainhagen am 29.12.2004 um 11.07

Vielen Dank Herrn Lindenthal, Herrn Koch, David und xxx (Gast) für die deutlichen Worte. Wörterverbote sind – wie Verbote grundsätzlich –, ein Fall für die Gerichtshöfe, oder sogar die einschlägigen Grundrechtskommissionen, die Gerichtshöfe über den Gerichtshöfen, auf die man sich sonst gern beruft. Ich stelle mir die Frage, warum so plötzlich (und massiv) vom Thema abgelenkt wird. Oder, noch einmal anders gefragt: ob es Rede ohne Schlußfolgerung gibt. Und – daran anschließend : eine wie weitreichende Zivilcourage dürfen wir von uns verlangen? Margel möge erklären, welche Art von "political correctness" er für gefährlich hält und welche nicht. Und der "virulente Reformgegner" Müller möge erläutern, inwieweit eine Gefährdung bestand, über das von ihm genannte Ziel zu schießen.


eingetragen von Peter Müller am 28.12.2004 um 22.39

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
... bitte ich Sie höflich, ob Sie mir sagen mögen, warum im Falle der Wörterverbote von Ihrer Seite diese Zurückhaltung geübt wird. Bedeutet diese Zurückhaltung nicht schon Duldung und Mittätertum durch Schweigen, mindestens aber den Verzicht auf die Heilung der gesamten mißlichen Lage?
Lieber Herr Lindenthal

"Wörterverbot" ist ganz einfach zu grobes Geschütz und schadet mehr, als es hilft.

Als virulenter Reformgegner gerät man schnell einmal in den Verdacht, ein Eiferer, ein Fundamentalist zu sein. Fährt man solch grobes Geschütz auf, macht man es den Reformern viel zu einfach, einen mit ebendiesem Verdacht auszuschalten.

Der Verdacht wird sogar, wie ich in Gesprächen immer wieder feststelle, gegenüber Prof. Ickler (und in der Schweiz gegenüber Stefan Stirnemann) erhoben. (Falls sie für eine Mitarbeit im Rat nicht angefragt worden sind, wäre es vermutlich deswegen; ganz abgesehen von der Frage, ob sie überhaupt mitgemacht hätten.)

Die Reform bietet genügend Schwachstellen, die zum Einsturz führen werden. Wir sollten uns auf sie konzentrieren, ohne übers Ziel zu schießen. Diese "Zurückhaltung" bedeutet keineswegs den Verzicht auf die Heilung der gesamten mißlichen Lage. Die Reform ist von A bis Z ein unsäglicher Unsinn, und das Ziel bleibt die Rückkehr zum Duden 1991 - oder noch besser zum Ickler 2004.
– geändert durch Peter Müller am 29.12.2004, 04.24 –
__________________
Peter Müller


eingetragen von margel am 28.12.2004 um 20.18

Die Rechtschreibeform hat viele Mängel. "Wörterverbote" gehören ganz gewiß nicht dazu, und als Gegenargument beeindruckt diese Keule nicht die Verfechter der Reform Es gibt da auch nichts zu entlarven, denn Wörterverbote lagen bestimmt nicht in der Absicht der Reformer. Dem steht nicht entgegen, daß viele Wörter vernichtet wurden. Dies wird zwar immer bestritten und behauptet, der vielbeschworene Kontext ersetze die Unterscheidungsschreibung in puncto richtiges Verstehen. Das Werkzeug Orthographie ist gröber, stumpfer geworden. Dieser Rückfall hinter einen bereits erreichten Entwicklungsstand, die verordnete Primitivisierung ist das eigentlich Anstößige der Reform. Hier muß die Kritik ansetzen. - Wörterverbote gab und gibt es natürlich, und sie bedrohen die Freiheit des Sprechens, Schreibens und schließlich auch des Denkens. Die unheilvolle "political correctness", sicher gefährlicher als alle noch so dummen Rechtschreibreformen, wurde ja bereits genannt. (Und ich sage trotzdem "Negerkuß"!)


eingetragen von Detlef Lindenthal am 28.12.2004 um 18.55

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
Eine Sprache einfrieren macht sie zur toten Sprache.
Welch garstig Wort – was meinen Sie mit einfrieren? Russisch ist eine äußerst lebendige Sprache mit einer reichhaltigen und gut lernbaren Grammatik; Grammatikverzicht verbessert nicht die Überlebensaussichten einer Sprache.
Sprachen verkümmern dann, wenn sie nicht mehr als Hochsprache gepflegt werden, siehe Niederdeutsch seit Niedergang der Hanse, im Gegensatz zum als Hochsprache gepflegten Niederländischen und Flämischen.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Detlef Lindenthal am 28.12.2004 um 18.47


David schrieb: :
Eigentlich verboten ist es bestenfalls nur für Schüler!
Und für Lehrer und Direktoren aller Schulen und Sekretärinnen sehr vieler Wirtschaftsbetriebe und Übersetzer und Lektoren und Schriftsetzer vieler Verlage und Redakteure vieler Zeitungen.

Und wenn die aus der Schule raus sind, können sie wieder so schreiben, wie sie wollen.
Nein, leider nicht. Anpassungsdruck gibt es allerorten.

Rechtschreibung kann man nicht vorschreiben, darin sind wir uns alle einig.
Nein, Schule und Chefs haben sie schon immer vorgeschrieben.

Zu rufen „Die verbieten uns Wörter“ bringt nicht viel, denn das relativiert sich schon an dem Punkt, an dem jemand sagt: „Ist mir eh egal, ich kann ja schreiben, wie ich will, das ist sogar vom Bundesverfassungsgericht so beschlossen.“
Was schätzen Sie, wieviel daheim für den Hausgebrauch geschrieben wird und wieviel in Schule und Beruf? Meine Antwort: Kaum jemand schreibt zu Hause; Schriftgebrauch fällt ganz überwiegend in die Lern- und Arbeitszeit, und da wird auf Anpassung geachtet; zumindest wird es, bisher noch, nachhaltig und erfolgreich versucht.

Also warum nicht da anpacken, wo es den Reformern wirklich weh tut? ... Wenn man ... die Hinterhältigkeit betont, die ... in ... einer obrigkeitshörigen Haltung steckt, dann wird man meines Erachtens mehr Erfolg haben können.
Diesen Ansatzpunkt habe ich noch nicht verstanden; wie würde das praktisch aussehen, durch eine Presseverlautbarung, die gebracht wird oder nicht gebracht wird? – Neue Ansatzpunkte sind wichtig und prüfenswert; bisherige Ansatzpunkte sollten gleichfalls geprüft und gestützt werden, etwa:
die Wörterverbotefrage;
die Kommasetzungsunterrichtsfrage;
die Argumente-Sammlungen und die Befragung der Deutschlehrer und Politiker;
die Demokratiefrage;
die Grammatikfrage; ...
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 28.12.2004 um 18.02

Solche Entwicklungen sind nur über Jahrzehnte oder noch längere Zeiträume meßbar: Der Wegfall des Dativ-Endungs-e, der Schwund des Genitivs.
Eine ähnliche Entwicklung fand einst im Altfranzösischen statt, wo nur die Nominativ- und Akkusativ-Endungen übrigblieben (Zwei-Kasus-System), bis noch später in allen romanischen Sprachen die Kasus-Endungen wegfielen. Diese Sprachentwicklung ging von synthetischen (endungsgeprägten) Sprachen zu analytischen (präpositionsgeprägten) Sprachen. Das Deutsche hat von beiden Systemen etwas, aber die langsame Entwicklungstendenz geht zum mehr analytischen System. Das ist eine Tendenz.
Die klassisch-lateinischen Grammatiker hatten ihre Hochsprache eingefroren, trotzdem oder gerade deshalb entwickelte sich parallel dazu das Bürgerlatein als neue Sprache, die bis heute in den romanischen Sprachen weiterlebt. Eine Sprache einfrieren macht sie zur toten Sprache.


eingetragen von David am 28.12.2004 um 17.35

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Die „Reform“ habe ich bisher so verstanden, daß, wer als Schüler nach dem 1. August 2005 noch die Wörter z.B. kennenlernen, tiefgreifend, allgemeingültig, spazierengehen, fertigstellen, heißgeliebt, offenlegen, kürzertreten, leichtverständlich, liebhaben, liegenlassen, naheliegend, probefahren, ruhigstellen, saubermachen, schwerverständlich, selbstgemacht, steckenbleiben, verlorengehen, vorwärtskommen oder wieviel benutzt, Fehler zugerechnet bekommt, die (denn dafür sind sie da) in die Noten und Versetzungen und Prüfungsergebnisse einfließen, also mit lebenentscheidenden Sanktionen belegt sind (Zeugnis oder nicht Zeugnis? Arbeitslos oder nicht arbeitslos? Das sind, mit Verlaub, lebensentscheidende Fragen!)


Stimme vollkommen mit Ihnen überein, Herr Lindenthal. Und genau das ist es doch, was ich in meinem Beitrag die Perfidität der Sache gennant habe.
Denn: Eigentlich verboten ist es bestenfalls nur für Schüler! Das ist es doch. Und wenn die aus der Schule raus sind, können sie wieder so schreiben, wie sie wollen. Das vermeintliche Verbot ist also nur temporär.

Rechtschreibung kann man nicht vorschreiben, darin sind wir uns alle einig. Und die RSR ist auch nur dort bindend, wo der Staat etwas vorschreiben kann, mal ganz platt formuliert. Insofern wehre ich mich dagegen, daß man pauschal das Wort "Verbot" benutzt - denn das ist es genaugenommen nicht, und ein findiger Reformer kann einem nämlich genau daraus einen Strick drehen, das ist meine Sorge beim Ganzen.

Also warum nicht da anpacken, wo es den Reformern wirklich weh tut?
Zu rufen "Die verbieten uns Wörter" bringt nicht viel, denn das relativiert sich schon an dem Punkt, an dem jemand sagt: "Ist mir eh egal, ich kann ja schreiben wie ich will, das ist sogar vom Bundesverfassungsgericht so beschlossen."

Wenn man aber statt dessen die Hinterhältigkeit betont, die gerade in diesem "Einzüchten" der Reformschreibung und damit auch einer obrigkeitshörigen Haltung steckt, dann wird man meines Erachtens mehr Erfolg haben können.

Und da schließe ich mich Frau Morin an: Mittlerweile kann selbst ein erklärter Reformanhänger nicht mehr leugnen, daß das ganze Unternehmen ins Chaos gestürzt ist. Tut er es doch, dann haben wir ihn bei den ....., wie das so schön heißt: damit wäre nämlich erwiesen, daß er nur das schön treu und brav ausführt, was "der Führer" vorgibt. Egal, wie verquast das Ganze auch sein mag.
Und das schmerzt dem Reformer an sich wirklich!

Der Duden 2004 könnte also wirklich das Instrument sein, mit dem die RSR sich selbst schon mal das Grab schaufelt.
Dumm nur ist wirklich, daß die Lehrer so beharrlich schweigen bzw. sich so schön zurückhalten...


eingetragen von Detlef Lindenthal am 28.12.2004 um 16.27


Fritz Koch schrieb:
Leider ist den Erwachsenen die automatische Kinderfrage abhandengekommen: „Warum?“
Diese Frage sollte man wieder zurückgewinnen. Sie erleichtert etliches und schützt vor schweren Fehlern. Eine Gesellschaft, die kein Fragerecht mehr hat, ist totalitär und ohne Zukunft.

Ich möchte schon noch von unseren Foristen erfahren, wie sich das mit den nicht mehr erlaubten Wörtern verhält.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 28.12.2004 um 16.16

darf nicht hingenommen werden.
Für normale Bürger ist die Rechtschreibung ein Teil ihrer Identität und damit ihrer Persönlichkeit.
Politiker können darüber lachen, weil ihre Identität und damit ihre Persönlichkeit vom Parteivorsitzenden bestimmt wird. Wenn sie sich das wegen besserer Sachkenntnis nicht gefallenlassen, wie Herr Seehofer, werden sie ins Abseits gestellt und verlieren ihre Parteiämter. Politiker sind folglich keine normalen Bürger.
Der Lüge, Rechtschreibung sei nicht so wichtig, muß entgegengesetzt werden, daß es eine qualitativ schlechte neue und eine qualitativ gute alte Rechtschreibung gibt und daß uns die schlechte aufgezwungen werden soll, unter anderem mit der Rede: "Das schreibt man eben jetzt so".
Leider ist den Erwachsenen die automatische Kinderfrage abhandengekommen: "Warum?" Wenn Lehrer auf diese Frage antworten: "Weil es so Vorschrift ist", leisten sie gleich einen negativen Beitrag zur Erziehung ihrer Schüler zu mündigen Bürgern, denn in totalitären Staaten wird so geantwortet. Zu welchen Bürgern sollen die Schüler erzogen werden? Mit total obrigkeitshörigen Bürgern ist Deutschland mehrmals in eine Katastrophe geführt worden. Zurzeit ist der "mündige Bürger" politisch unerwünscht. Auch das darf nicht hingenommen werden. Widerstand gegen die Rechtschreibreform ist Widerstand gegen Bevormundung.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 28.12.2004 um 16.11


David schrieb:
... allerdings liegen Wörterverbote nicht vor. Niemand hat geschrieben oder gesagt, daß man bestimmte Wörter nicht mehr schreiben darf.
Nein wirklich? Die „Reform“ habe ich bisher so verstanden, daß, wer als Schüler nach dem 1. August 2005 noch die Wörter z.B. kennenlernen, tiefgreifend, allgemeingültig, spazierengehen, fertigstellen, heißgeliebt, offenlegen, kürzertreten, leichtverständlich, liebhaben, liegenlassen, naheliegend, probefahren, ruhigstellen, saubermachen, schwerverständlich, selbstgemacht, steckenbleiben, verlorengehen, vorwärtskommen oder wieviel benutzt, Fehler zugerechnet bekommt, die (denn dafür sind sie da) in die Noten und Versetzungen und Prüfungsergebnisse einfließen, also mit lebenentscheidenden Sanktionen belegt sind (Zeugnis oder nicht Zeugnis? Arbeitslos oder nicht arbeitslos? Das sind, mit Verlaub, lebenentscheidende Fragen!)

Sicherlich werden Sie mir darin zustimmen, daß es verboten ist, mit 80 durchs Dorf zu kacheln; Sanktion: Punkt in Flensburg und eurodreistellige Knolle. Der Verkehrsraudi zahlt, und nach einem Jahr wird der Punkt wieder getilgt – harmlose Sache.

In der Schule ist die Sanktion nachhaltiger: Wer nicht mittrottet, wird ausgegrenzt. Ultimative Ausgrenzung sind Arbeitslosigkeit und alsdann Armut, Krankheit, sozialer Abstieg. Das muß nicht in jedem Einzelfall so sein, aber im breiten Durchschnitt ist es so, denn sonst wären Lehrer und Schüler nicht derart flachprofilig, wie sie sind.
Ich habe in der eigenen Familie erlebt, daß Verbotenewörterbenutzung für Lernende nicht als Kavaliersdelikt wie Zuschnellfahren gesehen wird.

Mein Vorschlag: Man wehre den Anfängen, und man nenne Verbote Verbote.
(Es ist mir eine tiefe Genugtuung, daß dieser wichtige Punkt hier endlich nicht mehr ausgeschwiegen, sondern gemeinsam mit der Rechtschreibseitenprominenz erörtert wird. Großen Dank!)
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von David am 28.12.2004 um 15.37

Lieber Herr Lindenthal,

im groben stimme ich mit Ihnen überein: man sollte die Dinge beim Namen nennen. Auch wenn Deutlichkeit im Widerspruch zum politisch Korrekten steht, das ich persönlich in den nächsten fünf bis zehn Jahren als in vielen Bereichen des Lebens gesetzmäßig vorgeschrieben erwarte - nicht, weil ich es gutfände, sondern weil unsere lieben Politiker in den letzten Jahren schon so manches auf dem Gesetzwege haben durchbringen wollen bzw. auch können, was eigentlich und deontologisch betrachtet durch Gesetze nicht regelbar ist. (Ein gutes Beispiel liefert eben die RSR.)
Aber das ist jetzt etwas anderes.

Was die vermeintliche Höflichkeit in der Wissenschaft angeht: Ich glaube, Sie verwechseln das mit Genauigkeit und Objektivität (der natürlich Kriterien zugrundeliegen müssen).
Denn: Wörterverbote sind es genau genommen nicht - es ist jedem freigestellt, die durch die Reform abgeschafften Wörter weiterhin zu benutzen. Nur werden einige durch diese Benutzung keinen Vorteil erhalten, sondern nur Nachteile: die Schüler können es sich nämlich nicht aussuchen.

Wenn Sie mich fragen, so kann man zwar durchaus von gelenkter, also manipulierter Selektion innerhalb des Wortschatzes sprechen (und daß diese Manipulation motiviert ist, also bewußt vollzogen wird), allerdings liegen Wörterverbote nicht vor. Niemand hat geschrieben oder gesagt, daß man bestimmte Wörter nicht mehr schreiben darf. Und gerade das ist die Perfidität bei der ganzen Sache, die das Unternehmen RSR in gewisser Hinsicht so gefährlich macht. Denn wenn so etwas, so eine bewußte und auf ein Ziel hin gerichtete Täuschung ankommen sollte - dann werden die nächsten Schritte weiter gehen.

Wie gesagt: Ich warte darauf, daß an Schulen und Behörden Political correctness vorgeschrieben wird.
In fünf bis zehn Jahren wiederholt sich dann was im großen Stil, das prophezeie ich mal ganz pessimistisch.

Aber daß Einwände in guter "Wissenschaftlertradition" vornehm und höflich vorgebracht würden - kennen Sie die Diskussionen im Rahmen beispielsweise der Phylogenetischen Systematik? Hat sich was mit vornehmer Zurückhaltung...
In Geisteswissenschaften ist es übrigens auch nicht gerade sanfter, sofern man das ganze ernsthaft betreibt.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 28.12.2004 um 14.13

Liebe Frau Morin,

meine Frage nach der Zurückhaltung habe ich als Frage ausgedrückt und als Frage gemeint. Da ihr innerer Teil beantwortet wurde, bleibt noch ihr äußerer oder zweiter Teil:
„Bedeutet diese Zurückhaltung nicht ... den Verzicht auf die Heilung der gesamten mißlichen Lage?“

>>Lieber Herr Lindenthal, bitte gehen Sie für den Rest der Feiertage in sich und fragen Sie sich, ob Angriffe dieser Art nicht doch verfehlt sind, insbesondere da es hierzulande wirklich nicht an echten „Mittätern“ mangelt.<<
Angriffe finde ich ein zu hartes Wort. Klar, als Mittäter sieht „man“ immer gerne vorzugsweise die anderen. Ich mache das anders, ich zähle mich mit zu den Mittätern, denn ich habe bisher gezwungenermaßen weitgehend geschwiegen und werden das vermutlich auch weiterhin tun. Worum es mir hauptsächlich ging, das ist die Frage, ob Wörterverbote Wörterverbote sind.


Theodor Ickler schrieb:
Ich drücke mich immer klar und deutlich aus, zugleich so sachlich, daß ich von der anderen Seite ernst genommen werden kann.
Ja, es ist gute Wissenschaftlertradition, Einwände höflich und vornehm vorzubringen; das hat große Vorteile. Aber es hat auch Nachteile; ich bin für einen gesunden Mittelweg. Gerne möchte ich mal hören, was 200.000 Deutschlehrer antworten, wenn sie gefragt werden, ob sie wirklich die Wörterverbote durchsetzen wollen, und ggf. wie. Mit zuviel Höflichkeit würde die Berliner Mauer heute noch stehen. Finden Sie wirklich, daß der Ausdruck Wörterverbot nicht ernstgenommen würde? Im Gegenteil meine ich, daß damit die Erörterung den nötigen Ernst bekommt.

Peter Müller schrieb:
(Eine „darüber hinaus gehende“ Frage muß man nach meinem Verständnis allerdings auch nach normaler Rechtschreibung getrennt schreiben, weil „hinaus“ durch „darüber“ erweitert ist.)
Bei 976+5870+282+168+1110+8=8414 google.de-Fundstellen für darüberhinausgehend(e | es | er | en | em ) und meiner Meinung, daß hier ein neues Wort vorliegt, finde ich das von Ihnen verstandene Rechtschreibmuß bestreitbar.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Ursula Morin am 28.12.2004 um 13.29

Sehr geehrter Herr Lindenthal,
Sie verwechseln da etwas. Wenn man einen Vorgang beschreibt, wie ich z.B. den "Eiertanz" des Duden-Verlags, dann heißt das nicht, das man dies im übrigen stillschweigend gutheißt.

Ich pflege meinen Kunden durchaus zu sagen, was ich von der RSR halte, auch wenn ich damit riskiere, Aufträge zu verlieren. Daß dies nun bisher nicht in größerem Umfang geschehen ist, macht mich doch nicht zum "Mittäter" - oder? Nachträgliche Korrekturen seitens der Empfänger meiner Übersetzungen kann ich allerdings nicht verhindern, da ich als Übersetzer kein Copyright habe. Oder anders ausgedrückt: Ich bekomme die Endfassung meiner Übersetzungen oftmals nicht zu sehen, da die Kunden damit ganz nach eigenem Gutdünken verfahren können. Soweit ich Änderungen in Satzkorrekturen sehe, weise ich natürlich auf die dadurch unweigerlich entstehenden Fehler hin. Das ist natürlich eine unbefriedigende Situation, die ich nur dadurch vermeiden könnte, daß ich mir einen anderen Beruf (oder - noch besser - eine andere Muttersprache) suchen würde.

Ich freue mich daher darüber, daß das Chaos mit den neuen amtlichen Regeln und deren Duden-Interpretation nun komplett und auch für überzeugte Reformanhänger nicht mehr zu verleugnen ist. Das hilft mir sehr in meinen Diskussionen mit den Kunden.

Da ich keine schulpflichtigen Kinder habe, gibt es leider keinen Anlaß zu Diskussionen mit Lehrern.

Lieber Herr Lindenthal, bitte gehen Sie für den Rest der Feiertage in sich und fragen Sie sich, ob Angriffe dieser Art nicht doch verfehlt sind, insbesondere da es hierzulande wirklich nicht an echten "Mittätern" mangelt.





eingetragen von Bernhard Schühly am 28.12.2004 um 11.53

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
Wörter werden zusammengeschrieben, sonst sind sie eine Wortgruppe.
Wörter, die nicht mehr zusammengeschrieben werden dürfen, existieren nicht mehr als Wörter, nur noch als Wortgruppe.

Das stimmt zwar schon - nach dem bewährten Sprachgefühl, aber das soll ja zerstört werden. Mit den neuen Getrenntschreibungen ist man jedoch gezwungen, gleich zwei Einträge ins Wöterbuch zu setzen, da Ableitungen und Steigerungen wieder zusammengeschrieben werden.
zwar Recht haben, aber rechthaberisch, und nicht Recht haberisch,
zwar wohl habend, aber wohlhabender, und nicht wohl habender im Komperativ.
u.s.w.

__________________
Bernhard Schühly


eingetragen von Detlef Lindenthal am 28.12.2004 um 10.31

Danke.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 28.12.2004 um 10.11

Wörter werden zusammengeschrieben, sonst sind sie eine Wortgruppe.
Wörter, die nicht mehr zusammengeschrieben werden dürfen, existieren nicht mehr als Wörter, nur noch als Wortgruppe.
Als Wörter sind sie vernichtet und in der Schule in Zukunft bei Strafe verboten.

Die ganz große Lüge der Reformer besteht darin, zu behaupten, Wörter würden auch getrennt geschrieben weiter als Wörter existieren.
Vermutlich haben die Reformer bis heute nicht verstanden, was ein Wort ist.

Nur im Englischen werden "Wortverbände" als Wörter behandelt. (Siehe Ernst Leisi, Das heutige Englisch, III. Der Wortverband als Wort, Die Bedeutung des Wortes und des Wortverbandes.)

Die laut Duden wieder erlaubten Wörter sind die Beweise für die schrittweise Rücknahme der Reform. Aber viel wichtiger ist es, die vielen immer noch verbotenen Wörter öffentlich anzuprangern und deren Wiederzulassung zu fordern.

Die Reformer loben die (wenigen) wieder erlaubten Wörter, Aufgabe der Reformgegner ist es, die vielen immer noch verbotenen Wörter anzuprangern.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 28.12.2004 um 09.43

Liebe Frau Morin,
liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
lieber Herr Professor Ickler,
lieber Herr Müller!

Mit hoher Aufmerksamkeit beobachten Sie, welche Wörter es nun wieder gibt, die es zuvor nicht geben durfte.

Dabei benutzen Sie zwar das Wort „wiederhergestellt“, vermeiden es aber, den für viele, viele Wörter nach wie vor geltenden Zustand „verboten“ oder „zerstört“ beim Namen zu nennen. Mich verwirrt diese Zurückhaltung; was sind die Gründe?

So heißt es bei Ihnen:
>> ... Paradox vor allem, daß echte Adjektive weiterhin getrennt geschrieben werden ... <<
Nein, genannte Adjektive werden gar nicht getrennt geschrieben, sondern sie dürfen gar nicht mehr geschrieben werden; es gibt diese Wörter nicht mehr, sie kommen in den Schulwörterbüchern und Lehrbüchern nicht mehr vor, Rundfunksprecher nutzen sie nicht mehr (ausweislich der Betonung), für unsere Kinder gibt es diese Wörter nicht mehr.

Wenn ich vor einer Ihrer Grundstückauffahrten einen LKW parken, ihn abschließen und fortgehen würde, so daß Sie nicht mit dem PKW ihre Kinder oder Enkel zu deren Ausbildungsstätten fahren können, würde Ihnen das auffallen, Polizei und Abschleppdienst wären bald zur Stelle, und bei Hartnäckigkeit meinerseits würde das StGB wegen Nötigung (also in Richtung unerlaubter Freiheitsberaubung) bemüht werden.
Wenn Ihren und meinen und 12 Millionen weiteren Kindern die Benutzung von Wörtern hartnäckig nicht mehr erlaubt wird, besteht, ausweislich von 27.000 hiesigen Datensätzen und 8 Jahrgängen Presseäußerungen zur „Reform“frage, fast keinerlei Bereitschaft, die Übertretung der Wörterverbieter eine Übertretung und ein Wörterverbot ein Wörterverbot zu nennen. Und weil ein (völlig unübliches und unmögliches) Wörterverbot nicht so genannt wird, gibt es auch nicht die Möglichkeit, gesellschaftliche Heilungskräfte (entsprechend dem LKW-Abschleppdienst bei versperrter Auffahrt) wirksam werden zu lassen.

Dieser Unterschied ist mir seit langem aufgefallen; nun bitte ich Sie höflich, ob Sie mir sagen mögen, warum im Falle der Wörterverbote von Ihrer Seite diese Zurückhaltung geübt wird. Bedeutet diese Zurückhaltung nicht schon Duldung und Mittätertum durch Schweigen, mindestens aber den Verzicht auf die Heilung der gesamten mißlichen Lage?

Für Aufklärung dankt im voraus
Ihr
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Walter Wittkopp am 28.12.2004 um 09.43

Dieser Faden kam vom Faden DUDEN 2004.
__________________
Walter Wittkopp


Alle angegebenen Zeiten sind MEZ   

Rechtschreibung.com – Nachrichten zur Rechtschreibfrage