Forum (http://Rechtschreibung.com/Forum/index.php)
- Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen (http://Rechtschreibung.com/Forum/forumdisplay.php?forumid=56)
-- Nordkurier.de (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=1405)


eingetragen von Sigmar Salzburg am 28.01.2013 um 16.18

Das Weiße in der Vogelscheiße

In seinem Job als "Über-die-Käffer-Tingeler" besuchte Harry Rowohlt die Lesegemeinde im tiefsten Mecklenburg. Der Geschichtenerzähler, "Lindenstraßen"-Penner, Nicht-Verlags-Chef, Übersetzer und Sankt-Pauli-Fan war ganz und gar trocken, über große Strecken rauchfrei und hatte viel Neues zu erzählen.

Dass einem als Berichterstatter gleich auf der Freitreppe der Star des Abends beim „Auf-Vorrat-Rauchen“ abfängt und ein Interview aufnötigt, passiert eher selten. Wenn er dann in der Lesung selbst so manche Spitze gegen fehlerhaft zitierende Journalisten loslässt, kann einen der Mut schon verlassen.

An der Originalität des Multi-Quatschkopfs Harry Rowohlt kann sich sowieso kaum einer messen. Was also tun? Man klaut eine Ideen von ihm. Als Übersetzer stellt er seinen Autoren – so sie noch leben – auch gerne Fragen, wie was wohl gemeint sei, um es formvollendet in die deutsche Sprache zu überführen.

So vor Jahren dem US-amerikanischen Schriftsteller Kurt Vonnegut („Mann ohne Land“, 2006). Von dem wollte er wissen: Was das „Weiße in der Vogelscheiße“ denn nun eigentlich sei? Ebenfalls Vogelscheiße natürlich! – antwortete der Autor von „Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug“ seinem Übersetzer.

„Wer vorher geht, kann mir nur leid tun“

Welche Fragen stellt man, der Chronistenpflicht unterliegend, einem Rowohlt, der mittlerweile 176 Bücher übersetzt, zahlreiche CDs „vollgequatscht“ hat. Der in seinem Leseprogramm erst Anfang und dann Schluss einer Kinderbuch-Übersetzung („Sie sind ein schlechter Mensch, Mr. Gum!“ von Andy Stanton) voller Verve vorträgt, zwischendurch „Kleinscheiß“ zum besten gibt (nach alter Rechtschreibung!). Der nach der Pause vier politisch absolut unkorrekte Witze erzählt, die hier auf keinen Fall wiedergegeben werden können. Der internationale Hymnen zum Vortrage bringt und „einen Hammer“ dabei hat: „Wer vorher geht, kann mir nur leid tun.“ Wer nicht gekommen war, mir persönlich auch…
nordkurier.de 24.1.2013

Zu Harry Rowohlt gibt es hier weitere Einträge: 3/09, 10/09, 6/11 und 8/11.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 26.03.2006 um 06.07

Kinokritiken
Räuber Hotzenplotz

Kinokritiken bei nordkurier.de :
 
Der Räuber Hotzenplotz

Ein Gespräch mit Hauptdarsteller Armin Rohde
Schauspieler Armin Rohde ist seit seinem Debüt in Helmut Dietls Satire „Schtonk!“ vor fünfzehn Jahren eine feste Größe im deutschen Filmgeschäft. Der Räuber Hotzenplotz ist eine neue Parade-Rolle für den Bochumer mit der Clownausbildung. Wir sprachen mit Armin Rohde anlässlich des Filmstarts über kriminelle Energie, die Rechtschreibreform und Hartz IV.

Herr Rohde, wie stark ist Ihre kriminelle Energie?
Sie hält sich in Grenzen. Ich glaube, sie wäre wesentlich größer, wenn ich kein Schauspieler hätte werden dürfen. Andernfalls würde ich mich heute vielleicht hinter irgendwelchen Mauern befinden. Weil ich diesen Beruf ausüben kann und darf, fühle ich mich mit der Welt so ausgesöhnt, dass ich im Moment meine kriminellen Pläne hinten angestellt habe. (lacht)

Waren Sie in Ihrer Jugend aggressiver?
Nee, gar nicht. Ich habe nie eine Schlägerei angefangen. Ich habe Kampfsport gemacht, deshalb glaubten manche Leute, ich würde mich gern prügeln. Aber das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun. Ich habe allerdings während des Studiums hin und wieder Bücher geklaut, als ich sehr wenig Geld hatte. Manchmal hatte ich nichts zu Essen und habe Lebensmittel mitgehen lassen, aber das war ja Mundraub.

Was bedeutet es für einen Schauspieler, sich einem jungen Publikum zu stellen?
Kinder können gnadenlose Kritiker sein. Ich habe am Theater auch Weihnachtsmärchen gespielt und ich weiß was es bedeutet, sich live vor die Flinte von 800 Kindern zu begeben. Kinder kann man nur mit barer Münze bezahlen, nicht mit ungedeckten Schecks. Man muss absolut ehrlich an die Arbeit herangehen und wenn man mal flunkert, dann muss das in Anführungszeichen passieren. Kinder haben einen inneren Seismografen, der sofort anzeigt, wenn man ihnen etwas vormachen will. Trotzdem sind Kinder manchmal sehr einfach zu gewinnen. Man muss gar keinen großen Aufwand mit vielen Computern betreiben. Aber bei dem Versuch, sie billig zu beschwindeln, kann man nur scheitern.

Das Zielpublikum von „Räuber Hotzenplotz“ ist ein sehr junges.
Das Buch ist im positiven Sinne ja sehr naiv. Nicht von ungefähr beginnt der Film mit einem Kasperle-Theater. Das Realbild wird erst später hineingeblendet. Wir bewegen uns auf jeden Fall näher am Kasperle-Theater als an „Star Wars“. Ich glaube, dass man spürt, dass wir alle wirklich mit dem Herzen dabei waren.

So richtig böse ist der Räuber Hotzenplotz nicht.
Das darf er auch nicht sein. Wir haben sehr darauf geachtet, dass er kein dämonischer Rasputin wird, sondern ein Hotzenplotz mit einem Gehirn von der Größe einer Walnuss. Auch Kinder können ihn nicht ganz ernst nehmen. Der Onkel mit dem schwarzen Bart spinnt „ein bissel“. Über diesen Waldschrat kann man immer auch lachen. Was wir machen ist Clownerie, es ist Komödiantik. Es hat mehr mit dem zutun, was ich am Theater gelernt habe, als mit dem, was ich bisher vor der Kamera getrieben habe.

Dieser Waldschrat hat offensichtlich ein ernsthaftes Orthografie-Problem. Was halten Sie generell von der Reform der Rechtschreibung?
Katastrophal! Sprache ist etwas so Lebendiges, dass sich kein Club von selbsternannten Sprachregulierern hinsetzen und reformieren kann. Es ist ein schwieriges Feld. Eine meiner Nichten ist Legasthenikerin. Was die unter uninformierten Lehrern zu leiden hat, ist wirklich unglaublich. Es gibt tatsächlich Lehrer, die Legasthenie nicht erkennen und meinen, einen kleinen Menschen vor der Klasse herabwürdigen zu können. Da platzt mir der Kragen.

Sie selbst haben keine Kinder?
Nein. Aber mir werden regelmäßig bis zu drei Kinder nachgesagt, das ist immer mal wieder zu lesen. Wir wollen demnächst ernsthaft darüber nachdenken. Meine Süße hat vor einiger Zeit plötzlich angefangen, solche Dinge zu sagen wie „Guck doch mal, das süße kleine Mädchen da vorne!“. Wer weiß, was die Götter von uns wollen.

Wird man gierig, wenn aus dem mittellosen Studenten ein hoch bezahlter Schauspieler wird?
Meine Gier hält sich in Grenzen. Meine Gier ist pure Lebensgier, in dieser Beziehung bin ich fast unersättlich. Allerdings habe ich auch diesen tollen Beruf, in dem man mehrere Leben leben kann. Ich kann mich nicht beklagen, ich drehe beinahe ohne Unterbrechung. Ich weiß, dass es vielen meiner Kollegen im Moment überhaupt nicht gut geht. Teilweise werden sogar Wohnungseinrichtungen verkauft. Die soziale Absicherung ist schwierig. Nun gehöre ich zu den Schauspielern, die relativ viel drehen. Und trotzdem würde ich nicht auf die Tage kommen, die ich für den Bezug von Arbeitslosengeld vorweisen müsste. Was sollen da die Kollegen machen, die wenige Drehtage haben? Diese Hartz IV-Geschichte ist ohnehin ein Elend.

Inwiefern?
Die Menschen werden eingeschüchtert, demoralisiert und in eine Situation gebracht, aus der sie sich nicht mehr ohne weiteres befreien können. Sie können ja nicht mal mehr Bewerbungen schreiben. Ein gutes Foto kostet Geld, Porto kostet Geld, der Umschlag kostet Geld. Schickt man hundert Bewerbungen los, ist das Hartz IV-Geld schon mehr als verbraucht. Geschweige denn, dass man sich noch eine Fahrkarte kaufen kann, um sich irgendwo vorzustellen, wenn das Arbeitsamt nicht zahlt. Das ist staatlich verordnete Armut. An dieser giftigen Saat werden wir die nächsten Jahrzehnte zu tragen haben, wenn dieses Konzept nicht nachgebessert wird. Früher hat man gedacht, so etwas beträfe nur die Ungelernten, heute muss selbst der Manager bangen. Die Geschichte zeigt, dass es den Niedergang einer Gesellschaft einläutet, wenn der Mittelstand zerfällt. Und dann heftet man den Leuten noch das Etikett „Drückeberger“ an. Es mag einen gewissen Prozentsatz von Arbeitsscheuen geben. Aber eine gesunde Gesellschaft könnte sich diesen geringen Prozentsatz ohne weiteres leisten. Wir erleben politische Bösartigkeit, Vorsatz und Kaltherzigkeit.

Warum schlagen sich solche Themen so selten im deutschen Film nieder?
Ich weiß es nicht. Man müsste es auf die Art und Weise anfassen, wie die Briten es tun, mit einer gewissen Leichtigkeit. Wir Deutschen haben die Neigung, ernste Themen mit einer ungeheuren Schwere anzugehen. Das ist oft mit dem erhobenen Zeigefinger, mit Vorwurf und mit Anklage verbunden. Aber wer will schon gern belehrt werden? Schwierige Stoffe kann man nur leichtfüßig verkaufen, elegant, mit Spaß. Dann hören die Leute zu und denken darüber nach. Aber wenn ich sage „Du, das Leben ist total schwer. Denk mal drüber nach, geh mal in Dich.“ dann will das natürlich keiner hören. Natürlich wird es einem durch die sich kontinuierlich verschimmernden Zustände nicht leicht gemacht, leichfüßig zu bleiben. Wir müssen mit immer mehr Bleigewichten am Gurt immer schneller schwimmen. Aber ich arbeite an einem solchen Stoff, das ist versprochen.

von André Wesche
Bundesstart 23.03.2006


Alle angegebenen Zeiten sind MEZ   

Rechtschreibung.com – Nachrichten zur Rechtschreibfrage