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eingetragen von Matthias Dräger am 26.06.2001 um 14.22

Beitrag von Theodor Ickler im Nachrichtenbrett (27. 6.)

Wir haben eine Rechtschreibreform, die mißraten ist und nicht funktioniert. Wir haben Argumente für diese Reform, die nichts taugen. Wir erleben Durchsetzungsmethoden, die wir nicht billigen. Mir reicht das. Die persönlichen Lebensumstände, Behinderungen oder was weiß ich noch alles interessieren mich nicht besonders, und ich werde sie in meinen Argumenten gegen alle genannten Punkte nicht berücksichtigen. Herrn Riebes Vergleiche (Führerschein, Hitler usw.) finde ich indiskutabel. Ich will damit nichts zu tun haben.

Es trifft nicht zu, daß irgend jemand Herrn Riebe seine Äußerungen und Investigationen verbieten wolle. Er kann tun, was er will, das Zensurgeschrei und der Vergleich mit Diktaturen sind so abwegig wie seit je.

Es gibt allenfalls den wissenssoziologischen Gesichtspunkt, unter man untersuchen könnte, wie die Zugehörigkeit zu einer natürlichen (schwarz, schwerbehindert, homosexuell) oder sozialen (katholisch, deutsch, adlig) Gruppe das Denken und Fühlen beinflußt. Abgesehen von der Fragwürdigkeit solcher Korrelationen ist es aber unzulässig, solche Argumente im Streit mit den Betroffenen zu benutzen. Vor vielen Jahren habe ich einmal erlebt, wie ein hoher DDR-Kulturfunktionär in einer Diskussion zu mir sagte: „Sie als Kapitalist müssen so denken.“ Ich war damals ein mittelloser Jungakademiker, dessen Eltern auch nur vom Hörensagen wußten, da es Tausendmarkscheine gab. Für diesen wunderlichen Komplexitätsreduzierer war ich jedoch ein Bürger der BRD, folglich Kapitalist und folglich auch im Geiste festgelegt. Ich will damit sagen: Man kann nicht MIT Leuten diskutieren, wenn man gleichzeitig ÜBER sie alles zu wissen glaubt und dies einfließen läßt. Höchstens zum Abwürgen der Diskussion eignet sich so etwas, aber das will ich ja gerade nicht.


eingetragen von Matthias Dräger am 26.06.2001 um 14.17

Beitrag von Manfred Riebe vom 27. 6. (Nachrichtenbrett):

Ein heißes Eisen: die Tabu-Zone „Persönlichkeitsrecht“

Es geht hier nicht um persönliche Verdächtigungen und Enthüllungen, wie Professor Helmut Jochems mir unterstellt. Es handelt sich vielmehr darum, historische Fakten objektiv festzustellen. Wenn das manchem nicht genehm ist, dann müßte man ebenfalls alle investigativen Journalisten und Historiker diskreditieren und ihnen einen Maulkorb umhängen. Kollegialität in allen Ehren, aber das professorale Meinungsmonopol hat auch seine Grenzen. Mich wundert, daß man wieder einmal von der Sachebene auf die Beziehungsebene herabsteigt. Ausgangspunkt ist doch die Bezeichnung „Märchenonkel“ von Matthias Dräger für Gerhard Augst. Kann man diese Behauptung verifizieren? Ich meine, daß dies möglich ist.

Was dagegen die schleswig-holsteinische Kultusministerin Gisela Böhrk angeht, so ging sie nachweislich mit dem 50-Prozent-weniger-Fehler-Märchen hausieren (Gisela Böhrk: Der Streit um die Orthografie. Interview von Claudia Götz. In: TREFFPUNKT SPARKASSE Nr. 6, November/Dezember 1997, S. 10 ff.). Deshalb ist es natürlich interessant zu erfahren, aus welcher Quelle solche Märchen stammen. Wo lebte die 1945 in Leipzig geborene Gisela Böhrk bis 1965? Wenn man mir verbieten will, nach der Biographie der Frau Böhrk zu fragen, fühle ich mich an die DDR erinnert. Wer mehr über die geheimen Treffen der Frau Böhrk im August 1998 mit Schulbuchverlagen, Eltern- und Lehrerverbänden, insbesondere der GEW, wissen will, schaue in die Dokumentation des Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. (VRS): Unser Kampf gegen die Rechtschreibreform, Volksentscheid in Schleswig-Holstein, Nürnberg 1998, S. 16.

Es gibt durchaus Professoren, die - im Gegensatz zu Gerhard Augst - im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit (modern: Public und Human Relations) im Internet ihren Lebenslauf ausführlich darstellen. Die Freiheit der Person (Art. 2 GG) umfaßt selbstverständlich das Recht auf Persönlichkeitsschutz, aber dieses Grundrecht hat auch seine Grenzen, z.B. in dem Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit, in der Pressefreiheit und der Freiheit der Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 GG). Was wäre, wenn nur Autobiographien bzw. Lebenserinnerungen erlaubt und Biographien verboten wären? Dann gäbe es tatsächlich einige Märchenbücher mehr. Ich meine, daß das ein erheblicher Nachteil wäre.

Nicht nur Historiker und Journalisten, die Vergangenes aufklären wollen, haben ein Recht, persönliche Fakten und Hintergründe von Personen der Zeitgeschichte zu erfahren und recherchieren deshalb in privaten Nachlässen und befragen Zeitzeugen. Viel wichtiger ist die Information über die Gegenwart, insbesondere über die persönlichen Hintergründe von Politikern und politisch Verantwortlichen. Dissertationen und Habilitationsarbeiten sind auch etwas Persönliches. Aber es besteht ein legitimes Informationsinteresse jedes Bürgers als des Souveräns und Steuerzahlers, die Dissertationen und Habilitationsarbeiten von bestimmten Politikern und Wissenschaftlern kennenzulernen. Wissenschaftler werden aus Steuergeldern finanziert. Was wird finanziert? Wird ein Politiker oder Wissenschaftler auch von der Wirtschaft finanziert? Liegt überhaupt die erforderliche Eignung und Befähigung vor? Dies wird ja bei den Reformern von manchen Reformkritikern bezweifelt, ohne daß man Anstalten macht, dies zu verifizieren. Ein Beispiel aus anderen Bereichen: Es ist immer wieder vorgekommen, daß sich jemand als Arzt oder Pfarrer ausgab, ohne die entsprechenden Qualifikationen zu besitzen.

„Persönliches ausklammern“? Bei Beamten spielt z.B. auch die Frage nach der Treue zur Verfassung eine Rolle. So wurden in den neuen Bundesländern keineswegs alle Lehrer übernommen, die SED-Funktionäre waren. Insbesondere war die Frage interessant und von öffentlichem Interesse, ob jemand ehemaliger Stasi-Mitarbeiter war. Natürlich versuchten Stasi-Mitarbeiter, ihre Vergangenheit zu verschweigen, genauso wie ehemalige NS-Funktionäre es taten. Ich erinnere an den Fall des Germanisten und Rektors der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, Professor Hans Schwerte alias Hans-Ernst Schneider. Übrigens: Darf man Straftaten von Politikern verschweigen?

Zum Thema „Schwerbehinderungen“ kann ich als langjähriger Vertrauensmann der Schwerbehinderten sagen, daß sie meist verschwiegen werden, obwohl es manchmal notwendig wäre, sie zu offenbaren. Ein schwer Sehbehinderter wird keinen Führerschein bekommen. Wenn ein Bus-Fahrer plötzlich schwer sehbehindert wird, dann muß er dies offenlegen und seinen Führerschein abgeben.
Bei Bewerbungen steht auf einem Personalfragebogen bei den Fragen nach der Eignung auch die Frage nach einer Schwerbehinderung oder nach einer Schwangerschaft. Selbstverständlich wird die Gesundheit eines Bewerbers im Regelfall auch von einem Betriebsarzt überprüft. Liegt bei einem Bewerber um ein Lehramt im öffentlichen Dienst eine Schwerbehinderung in Gestalt einer Legasthenie oder Seh- und Hörbehinderung vor, dann ergibt sich die Frage, ob ein solcher Bewerber überhaupt voll oder nur eingeschränkt geeignet ist. Selbstverständlich gibt es ausnahmsweise auch blinde Lehrer an Blindenschulen.

Wenn der desolate Gesundheitszustand mancher Politiker bekannt wäre, würde man sich keine Illusionen über nicht mehr vorhandene Führungsqualitäten machen. Hitler zum Beispiel verfiel nicht ohne Zutun seines Leibarztes, Professor Theodor Morell, geradezu einer Medikamentensucht. Zum Schluß war Hitler ein körperliches und geistiges Wrack. Er litt nicht nur unter Wutanfällen, sondern auch unter nachlassendem Gedächtnis, Geistesabwesenheit und mangelndem Konzentrationsvermögen (Joachim C. Fest: Hitler. Eine Biographie, 4. Auflage, Frankfurt am Main, Berlin, Wien: Ullstein, November 1973, S. 737, 991 f.). Es ist m.E. unverantwortlich, den Gesundheitszustand von politisch verantwortlichen Personen geheimzuhalten. Im Falle der Rechtschreibreform scheint es mir wichtig zu erfahren, ob zu den Handlungsmotiven eines Reformers oder auch eines Kultusministers eine persönlich vorhandene Legasthenie zählt. Die Schwerbehinderung „Legasthenie“ sollte m.E. nicht zum Maßstab einer Rechtschreibreform gemacht werden.
– geändert durch Matthias Dräger am 27.06.2001, 16:29 –


eingetragen von Matthias Dräger am 26.06.2001 um 14.12

Die Redaktion der Nachrichtenseite http://www.rechtschreibreform.com hat kein Interesse an einer Diskussion, wer von uns möglicherweise Legastheniker ist oder nicht und welche Latein-Zensuren wir früher bekommen haben.
Was allein zählt, ist das hier und jetzt, und natürlich auch noch alle Taten und Handlungen, die im Zusammenhang mit der Rechtschreibreform begangen oder unterlassen wurden.
Damit der Platz im Nachrichtenbrett für wichtigere Nachrichten freigehalten wird haben wir uns erlaubt, den entsprechenden Beitrag von Manfred Riebe hier einzustellen.
Das soll auch für die Zukunft gelten, d. h. Beiträge, die nach Ansicht der Redaktion eher nicht auf das Interesse der Leserschaft dieser Seite stoßen, werden in die Rubrik "Umgeleitete Beiträge" eingestellt (auf Wunsch des Autors ggf. dann auch gelöscht).
Wir danken allen Beteiligten für ihr Verständnis.

Ihre Redaktion http://www.rechtschreibreform.com


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