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eingetragen von Walter Lachenmann am 11.10.2001 um 10.39

Und das so westernmäßig blitzschnell aus der Hüfte geschossen! Da schrumpft auch ein Bud Spencer in sich zusammen. Was dürfen wir da von Skinner erst erwarten - spannend, spannend, die Wissenschaft und die Philosophie.

Der erste Teil der Frage bleibt unbeantwortet: ob es für einen Vorgang, den es nicht gibt, ein Wort geben kann.
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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 11.10.2001 um 10.21

Es gibt ein Spiel, das heißt "Übersetzung". Die Regeln muß man natürlich lernen, sie sind stillschweigend vereinbart.

Zu den transzendentalen Bedingungen der Verständigung gehört, daß man alles, was man sagen kann, auch anders sagen kann (Paraphrasierbarkeitspostulat). Andernfalls könnte man nichts erklären, also auch Kindern nicht, und damit nicht einmal Sprache weitergeben. Und man könnte nie sicher sein, daß Worte überhaupt etwas bedeuten und nicht bloß Windesweben sind. Folglich ist dieses Postulat (von dem das der Übersetzbarkeit nur ein Sonderfall ist) eine Bedingung der Möglichkeit von Verständigung, also eben "transzendental" (im Sinne Kants).

Damit habe ich mein philosophisches Pensum für heute mehr als erfüllt.

Fleisch kommt auf die Knochen, wenn man B. F. Skinners geniales Werk "Sprachverhalten" hinzunimmt, aber das mache ich später.
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Th. Ickler


eingetragen von Walter Lachenmann am 11.10.2001 um 10.09

»Übersetzung ist das falsche Wort für einen Vorgang, den es nicht gibt.«

Motto einer Einladung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste zu einer Veranstaltung »Übersetzerprofile«. Burkhart Kroeber stellt die Übersetzerin Ragni Maria Gschwend vor.
Donnerstag 25. Oktober 2001, 19 Uhr.

Ich grüble, ob es für einen Vorgang, den es nicht gibt, ein Wort geben kann, also das richtige. Für welchen Vorgang wäre »Übersetzung« dann das richtige Wort? Wer kann helfen?
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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 10.10.2001 um 10.59

Das Vergnügen der Griechischkundigen an Homer will ich keineswegs bestreiten, es ist tief und echt. Nur hat es eben gar nichts mit dem zu tun, was Homers Zuhörer dabei empfanden. Schon die klassischen Griechen brauchten massenhaft Kommentare, um den archischen, auch schon archaisierenden Text zu verstehen, sogar was das rein Sachliche angeht. Auf diese Weise entstand die Philologie.

Wenn wir eine Dichtung lesen, ohne die Alltagssprache zu kennen, auf der sie ruht und von der sie sich abhebt, ist unsere Wahrnehmung schon von Grund auf "verfälscht". Und wir kennen von all diesen alten Völkerschaften so gut wie gar keine Alltagssprache, wissen nicht einmal genau, wie die Sprache geklungen hat, können die quantitierende (aber nicht einmal in diesem Punkt ganz geklärte) Metrik nicht nachvollziehen usw.

Zur Zeit entgleitet uns Goethe. Herr Knoop in Freiburg arbeitet an einem Projekt "Klassikerwörterbuch", hebt also das kaum noch Nachzufühlende ins Bewußtsein; aber eigentlich gehört es ins Unterbewußtsein, und genau dahin gelangt es nie und nimmermehr.
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Th. Ickler


eingetragen von Walter Lachenmann am 10.10.2001 um 10.46

»Mags ein jeder wissen«, mahnt Dante im ersten Traktat seines Convivio, »daß kein Werk musischen Klanges sich aus seiner Sprache in eine andre übersetzen läßt, ohne allen Reiz und Wohlklang einzubüßen.« Das Beispiel der Psalmen, auf das er sich beruft, hat seine Beweiskraft für uns verloren, seit sie in Luthers Bibel deutsche Dichtung geworden ist. Dank A.W. Schlegel wurde dann Shakespeare der Unsre. Auch mit Dante rühmte sich dieser geborene Übersetzer, wie ihn Grabbe nennt, den Ringkampf gewagt zu haben. Aber in diesem zweiten Ringen ist er nicht obgelegen. An Dantes eigenen Versen hat, vor ihm und nach ihm, so mancher erfahren müssen, welch ernste Warnung in den eben angezogenen Worten des Meisters liegt. Von keinem andern Werke haben wir so zahlreiche Übersetzungen wie von seiner Commedia: neue und alte, philologisch strenge wie dichterisch anspruchsvolle, gereimte und ungereimte - von der »freien Nachbildung« zu schweigen. Eine Nachbildung, die, bei strenger Treue gegen den Gedankengehalt des Urbildes, auch seine Form, seinen Stil, seine dichterische Wirkung wiedergibt - nicht dem einzelnen italienischen Worte, dem Rhythmus und Reimklang des einzelnen Verses nachtastend, sondern, das Ganze im Auge, vom Geist der deutschen Sprache geleitet, so, wie Dante selbst, wenn sie seine Muttersprache, sich von ihm hätte leiten lassen - eine Wiedergabe, die, um das entscheidende Wort zu sagen, als ursprünglich deutsche Dichtung wirkt: eine wahrhafte Verdeutschung ist uns noch nicht beschert.

Friedrich Freiherr von Falkenhausen, Aus dem Vorwort zu dessen Übersetzung von Dantes »Göttlicher Komödie«, Insel-Taschenbuch 94.

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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 03.10.2001 um 15.50

Zu Engel gibt es jetzt eine Monographie: Anke Sauter: Eduard Engel. Bamberg 2000. (Diss., bei Glück entstanden, meine Rezension erscheint demnächst) Er war mal sehr berühmt. Ungemein vielseitig, auch ein bißchen borniert und im Alter, na ja, wie wir alle im Alter sein werden.
Warum Reiners Stilkunst so erfolgreich war und immer noch ist, läßt sich schwer begreifen. Aber die Unterdrückung von Engels Büchern ("Vierteljude") im Dritten Reich, die Degradierung des Ehrenvorsitzenden des Deutschen Sprachvereins zur Unperson, spielte wohl die Hauptrolle.

Ich finde, daß Engels Stilkunst immer noch das beste Buch zum Thema ist. Es erzieht wirklich zur Empfindlichkeit gegen alles Aufgedonnerte, Unwahre. Welchen Sinn hat es denn, groteske Beispiel aneinanderzureihen, von denen jeder sofort sagt, daß er selber natürlich niemals so etwas verzapfen würde. Engel greift die ganz gewöhnliche Bildungssprache an. Leider ist sein Bild stark durch die Karikatur getrübt, die mein Sprachpreis-Vorgänger Peter von Polenz in den aufgeregten sechziger Jahren von ihm zeichnete ("Germanistik - eine deutsche Wissenschaft"). Schade und kaum wiedergutzumachen. Noch in dem blöden Dudenbuch von Püschel "Wie schreibt man gutes Deutsch?" steht eine naturgemäß sehr blöde Bemerkung über Engel.

Reiners ist jetzt von Jürgen Schiewe neu bearbeitet wiederaufgelegt worden. Muß ich mir noch ansehen.

Reiners hatte von Engel die ganze Terminologie und unzählige Beispiele abgeschrieben, ohne den Namen zu erwähnen. Im Dritten Reich hat er keinen einzigen unliebsamen Autor unter seine Gewährsleute aufgenommen, nach dem Krieg dann die entsprechende Anpassung vorgenommen. Sein Bismarckbuch kenne ich nicht, vielleicht hat es jemand gelesen.
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Th. Ickler


eingetragen von Thomas Paulwitz am 03.10.2001 um 15.42

Bei Amazon gibt es keinen Engel zu bestellen, aber zahlreiche Reinerse.
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Thomas Paulwitz
http://www.deutsche-sprachwelt.de


eingetragen von Thomas Paulwitz am 03.10.2001 um 15.29

Edle Einfalt, stille Größe...

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Reinhard Markner
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller
. . . der deutsche Wortschatz ist größer als
der englische . . . (Reiners)

Eine absonderliche Behauptung ! Die Kalkulation kann nicht einmal dann aufgehen, wenn man »hingehen« zählt, "go to" aber nicht.
Im Ungarischen, so hörte ich erst vorgestern, treibt man es sehr doll mit den Präfixen. Es gebe dort nicht nur ein Verb für »schwindlig werden«, sondern noch dazu allerlei Zusammensetzungen, »*hinaufschwindligwerden«, »*hinabschwindligwerden« u. dgl. Nach Reiners' Rechnung müßte dann wohl das Madjarische die großartigste Sprache sein. Nur schade, daß sie so schwer zu lernen ist.


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Thomas Paulwitz
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eingetragen von Reinhard Markner am 03.10.2001 um 15.21

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller
. . . der deutsche Wortschatz ist größer als
der englische . . . (Reiners)

Eine absonderliche Behauptung ! Die Kalkulation kann nicht einmal dann aufgehen, wenn man »hingehen« zählt, "go to" aber nicht.
Im Ungarischen, so hörte ich erst vorgestern, treibt man es sehr doll mit den Präfixen. Es gebe dort nicht nur ein Verb für »schwindlig werden«, sondern noch dazu allerlei Zusammensetzungen, »*hinaufschwindligwerden«, »*hinabschwindligwerden« u. dgl. Nach Reiners' Rechnung müßte dann wohl das Madjarische die großartigste Sprache sein. Nur schade, daß sie so schwer zu lernen ist.


eingetragen von Thomas Paulwitz am 03.10.2001 um 14.32

War eigentlich der Name "Reiners" ein Pseudonym?

Schließlich handelt es sich bei seinem Namen fast um die Übersetzung des Wortes "Purist".
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Thomas Paulwitz
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eingetragen von Thomas Paulwitz am 03.10.2001 um 14.29

Im "Deutschen Seminar" der Uni Erlangen sucht man Engels Stilkunst vergeblich. Dafür findet man von Reinersens Stilkunst gleich 2 Ausgaben. Mit Reiners-Engel bin ich anfangs durcheinandergekommen, da ich als erstes das Buch von Engel kannte, das ich vor einigen Jahren im Altbuchhandel erworben habe.

Reiners scheint jedoch weit bekannter zu sein als Engel.
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Thomas Paulwitz
http://www.deutsche-sprachwelt.de


eingetragen von Theodor Ickler am 03.10.2001 um 12.15

Ludwig Reiners war nicht nur einer der schäbigsten Plagiatoren (Eduard Engel konnte sich ja nicht mehr wehren), sondern auch ein Erzchauvinist, wie man an seinen unbeschreiblich dummen Äußerungen über die drei Sprachen sieht.

Was das Sanskrit betrifft, dessen ich einigermaßen mächtig bin, so ist es eben eine hochflektierende Sprache, und das Deutsche hat noch verhältnismäßig viel davon bewahrt. Eine gewisse Ähnlichkeit besteht auch hinsichtlich der Kompositionsfreudigkeit, der verbalen Wortbildung und des Gebrauchs von Partikeln, ähnlich dem Altgriechischen. Man könnte von konservativen Zügen des Deutschen sprechen. Wer wie Schopenhauer und viele andere in der Sprachgeschichte nur Verfall sieht und - der früheren Gymnasialbildung folgend - im schwer zu erlernenden Flexionsreichtum ein Qualitätsmerkmal, muß das Deutsche höher schätzen als zum Beispiel das Englische. Das ist aber eine ziemlich beschränkte Sicht, der ich am liebsten mit Otto Jespersens "Progress in Language" auf die Sprünge helfen möchte. Danach schneidet Englisch besonders gut ab.
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Th. Ickler


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 03.10.2001 um 11.57

Hierzu schreibt Ludwig Reiners in
"Die deutsche Sprache":

Was sind die Vorzüge unserer Sprache? Beginnen wir mit
dem Einfachsten: der deutsche Wortschatz ist größer als
der englische und weit größer als dere französische;
genaue Zahlenangaben sind freilich nicht möglich, denn
wer könnte verbindlich entscheiden, wieviel zusammen-
gesetzte Wörter, Fremd- und Lehnwörter oder Fachausdrücke
zu dem "Wortschatz" eines Volkes gerechnet werden sollen.
Um diesem Satz durch einige beliebig gegriffene Beispiele
Farbe zu geben: dem Französischen fehlen alle Ausddrücke
der Bewegung: gehen, fahren, reiten, fliegen, segeln,
steigen, sinken werden sämtlich mit dem einen Wort 'aller'
wiedergegeben; es fehlen im Französischen auch stehen,
sitzen und liegen. Überhaupt versucht der Franzose
mit den drei Zeitwörtern faire, mettre und prendre
einige Dutzend deutscher Begriffe zu ersetzen.
Ähnlich verwendet der Engländer to get an Stelle von
hundert verschiedenen deutschen Ausdrücken.
Der Reichtum des Deutschen beruht zum großen Teil
darauf, durch Vor- und Nachsilben und durch Zusammen-
setzungen (!!!!) neue Wörter zu schaffen. Der Deutsche
bildet zum Beispiel zu dem Wort fallen Dutzende
von Ableitungen: hinfallen, abfallen, ausfallen,
zusammenfallen, verfallen, herunterfallen, nieder
fallen, einfallen; der Franzose hat für alle nur das
Wort tomber. Welchen Reichtum an Zweitwörtern , der
wichtigsten aller Wortarten, verschaffen wir uns auf
diesem Wege! er kann so leicht wie wir sich sattessen und
kranklachen, gesundbeten und totschwitzen?
Mühelos verschmilzt die deutsche Sprache Hauptwort,
Zeitwort und Beiwort und bildet mit ellen Abschattierungen
hoffnungslos, hoffnungsreich, hoffnungsarm. Für das Wort
Liebe nennt das Grimmsche Wörterbuch mehrere hundert
Zusammensetzungen. Der Reichtum an Vor- und Nachsilben
erlaubt es deer deutschen Sprache noch heute, neue
Wörter aus eigenen Wortstämmen zu prägen.
Das Englische und Französische sind schon lange
unfruchtbar und können neue Begriffe nur bezeichnen,
indem sie griechische und lateinische Brocken aus-
leihen. Der Baum der deutschen Sprache steht noch
im grünenden saftigen Wachstum, während bei den anderen
die äußersten Äste schon zu verdorren beginnen. (...)

"Hebbel hat einige dieser Vorzüge in einem Gedicht
zusammengestellt:

Schön erscheint sie mir nicht, die deutsche Sprache,
und schön ist auch die französische nicht, nur die
italienissche klingt.
Aber ich finde sie reich, wie irgend eine der Völker,
finde den köstlichen Schatz treffender Wörter gehäuft.
Finde unendliche Freiheit, sie so und anders zu stellen,
bis der Gedanke die Form, bis er die Färbung erlangt,
bis er sich leicht verwebt in fremde Gedanken und dennoch
das Gepräge des Ichs, dem er entsprang, nicht verliert.
Denn der Genius, welcher im Ganzen und Großen
hier waltet, fesselt den schaffenden Geist nicht durch
ein strenges Gesetz, überläßt ihn sich selbst, vergönnt
ihm die freiste Bewegung und bewahrt sich dadurch
ewig lebendigen Reiz".
st
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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Karl Eichholz am 03.10.2001 um 11.42

Thumbs up

Zitat:
Die Abhilfe liegt in diesem Falle auf der Hand. Man sollte in der Schule wieder das abwechslungsreiche Bauen von Sätzen lernen

Ja, es treffen hier mehrere Umstände aufeinander.
Einerseits finden wir mit dem Internet und dem Computerspiel das ideale Mittel, um das Individuum vom gemeinschaftlichen Austausch abzuhalten. Kinder lernen mit dem Computer zu sprechen, wissen mit 8 Monaten, was eine Maus und was eine Ritörntaste ist. Und vergessen drüber, daß man nuckeln muß, um groß und stark zu werden. :-)

Von der anderen Seite her ist unsere Hauptgeräuschquelle, das Radio, alles andere als dazu angetan, in und um uns Harmonie zu verbreiten, denn die „Musik“ der heutigen Zeit hat überwiegend zerteilenden, zersetzenden, von der Harmonie wegführenden Charakter. Dazwischengestreute Nachrichten von Gewalt und Zerstörung tun ihren Teil dazu.
Schon im Mutterleib wird uns die Zerteiltheit des Geistes trainiert; die große Harmonie, wie sie beispielsweise auch durchs Wiegenlied hervorgezaubert wird, müssen wir leider oft vermissen.

Schön, zu wissen, daß auch heute wieder Musik mit klassischem Anspruch entsteht, dabei mehr noch als früher auf die eigentlichen menschlichen Eigenschaften durch Harmonie im umfassenden Sinn Einfluß nimmt: uns wieder zu unseren Wurzeln trägt. Diese Wirkung ist so intensiv, daß man sie noch durch physiologische medizinische Messungen nachweisen kann: das Gegengift zu Streß.

(wen es interessiert: unter dem Stichwort „Musik nach den Gesetzen der Natur“ in Guckel suchen lassen)

Deswegen ist das Sätzebauen wohl ein wirksames Training, jedoch muß es fruchtlos bleiben, wenn der Boden dazu nicht gar ist. Den Boden mit den passenden Mikroorganismen und Nährstoffen bereitzustellen: dazu kann diese neue uralte Musik einen entscheidenden Beitrag leisten.

Die Bindekräfte des allem zugrundeliegenden Vereinheitlichten Feldes sind Quadrillionen (1.000.000.000.000.000.000) mal stärker als die Bindekräfte der Atomstruktur. (Dies sind Erkenntnisse der Modernen Physik)

Was das praktisch bedeutet? Bedeutet es, daß durch fundamentale Harmonie der Explosion einer Atombombe der Boden entzogen wird? Nun wünsch ich mir nicht gerade die Probe aufs Exempel, aber vom Grundsatz her ist hier wohl etwas wahres dran. Das ist moderne Wissenschaft.

Ich kann wohl mit der Keule einen Feind erschlagen. Vernichten kann ich ihn so nicht. Die Feindseligkeit hätte ich dadurch auch nicht aus der Welt geschafft.

Einen Feind kann ich nur dadurch vernichten, daß ich ihn zum Freund mache. Harmonie ist hierzu die unverzichtbare Grundlage.

Wenn also die mangelnde Harmonie ein grundlegendes Übel unserer Daseinsform ist, liegt unsere Zukunft in der größeren Harmonie.
Hier sollte jeder, der Verantwortung in der Gesellschaft trägt, sein Augenmerk drauf verwenden: durch Anwendung harmonisierender Vorgänge dafür sorgen, daß die vielen, vielen Einzelteile in dieser Ursuppe wieder eine stärkere Querverbindung aufnehmen, bis hin zum nichtmehr behinderten Informationsaustausch: zur Supraleitfähigkeit im Informationssektor. Dann machen wir im Wald ein kleines Feuer und verheizen unseren Brauser. Den haben wir dann nicht mehr nötig.


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mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz


eingetragen von Norbert Schäbler am 03.10.2001 um 10.24

Was aber ist es dann, das die deutsche Sprache auszeichnet und ihr den ehrenwerten Zusatz "Sprache der Dichter und Denker" einbrachte?
Ist es:
- Die Klanglosigkeit der Worte, die Schlicht-, Einfach- und Verständlichkeit des Ausdrucks?
- Die Freiheit der Wort- und Satzbildung - die Bandbreite beim Aufbauen von Sätzen und Worten?
- Die spürbare Zerrissenheit - das Klammern an Rechtschreibnormen auf der einen, das kreative Spielen mit Regeln auf der anderen Seite?
- Die Bereitschaft und Aufgeschlossenheit, sich mit allen als sinnvoll empfundenen Sprachschöpfungen fremder Sprachräume zu beschäftigen - mit den gegensätzlichen Motiven des Anbiederns und Besitzen-Wollens?
- ...
Vielleicht ist es alles miteinander, doch glaube ich, daß die Ehrlichkeit, das nicht Leugnen-Können des ambivalenten Gefühls, das Durchsickern von Stärke und Schwäche zugleich, eine große Rolle spielen.

In Grund und Hauptschule habe ich eine erschreckende Beobachtung gemacht. Sie betrifft den Punkt zwei meiner obigen Aufzählung. Schüler können keine Sätze mehr bauen. Sie können mit der Freiheit der Satzgliederaneinanderreihung nichts mehr anfangen. Die Sätze sind unvollständig, entbehren wahlweise der Subjekte, Prädikate, Objekte - und in fast allen Fällen der Interpunktion. Hier ist meiner Meinung nach eine Hauptgefahr zu sehen, denn Unfähigkeit auf diesem Gebiet verstärkt die Neigung Satzruinen zu konstruieren und diese in logischer Konsequenz mit klangvollen Einzelworten beliebiger Sprachen anzureichern.
Auch das könnte eine Ursache sein für das kritiklose Absorbieren von Lehn- und Fremdwörtern, nicht zuletzt der vielfach verteufelten Anglizismen.
Die Abhilfe liegt in diesem Falle auf der Hand. Man sollte in der Schule wieder das abwechslungsreiche Bauen von Sätzen lernen


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nos


eingetragen von Karl Eichholz am 03.10.2001 um 10.13

Wenn wir Worte ohne hineingelegte Bedeutung verwenden wollten, sondern sie nach Funktion und Bedeutung des Klanges selbst benutzten, würden wir wohl unweigerlich beim Sanskrit landen, welches der Funktion des Lautes unter allen Sprachen wohl am nächsten steht.

Immerhin interessant in diesem Zusammenhang ist dabei, daß Zigeuner unter den lebenden Sprachen eine dem Sanskrit sehr stark entsprechende Form benutzen (sollen).

Und Sanskritgelehrte Indiens wiederum behaupten, daß von den weitverbreiteten Sprachen das deutsche dem Sanskrit am nächsten käme.


Wir Deutsche haben ja einen starken Hang zur Differenzierung.
Deswegen ist ein Computer nicht das gleiche wie ein Rechner. Der Abacus geht bei uns noch gut als Rechner durch, aber als Computer würden wir ihn eher nicht bezeichnen. Dazu macht er zuwenig Geräusch und verbraucht zuwenig Strom.

Klar, daß Armour und Liebe und Französische Liebe nur entfernt Gemeinsamkeiten aufweisen.

Nun fragen Sie einmal einen Engländer oder evtl Franzosen, was denn Blitzkrieg oder Kindergarten übersetzt heißt.

Wir sind also kein reines Vokabelimportland, haben aber wohl ein deutliches Außenhandelsdefizit.

Außerdem brauchen wir uns nur nach verschiedenen Himmelsrichtungen zu orientieren, um für unterschiedliche Bereiche jeweils passende Vokabeln anzulachen. Wie wäre es mit dem Åmbudsmann, = dem Amtsmann?

Amtsmann und Åmbudsmann sind offensichtlich nicht dasselbe, obwohl die Wurzel identisch ist.

Pantha reï


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mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz


eingetragen von Theodor Ickler am 03.10.2001 um 07.37

In dem unsäglichen Dudentaschenbuch "Wie schreibt man gutes Deutsch?" lese ich "ein Faible für den Charme des Spröden". Das ist nichts anderes als "eine Schwäche für den Reiz des Spröden". Wie bitte? Doch etwas anderes? Ja, natürlich, faible ist nicht Schwäche und Charme nicht Reiz. Man kann immer noch eine "Nüanckße" herausklügeln, das will ich gar nicht bestreiten. Am besten, man beherrscht alle Sprachen der Welt, um wirklich immer ein noch treffenderes Wort parat zu haben.
Aber nun: Würde je ein Franzose auf den Gedanken kommen, solche einfachen Dinge in einer anderen Sprache als seiner eigenen auszudrücken? Selbst wenn er Deutsch könnte, würde er das nicht tun. Seine Rede wäre deshalb aber um keinen Deut ärmer.
Überhaupt ist die Jagd nach dem "treffenden" Wort über ein gewisses Maß hinaus sinnlos. Ich erinnere an Cäsars Stil. Für das Bellum gallicum reichen ihm 1300 verschiedene Wörter, weniger als ein Erstkläßler beherrscht. Aber was macht er damit! Vielleicht hat diese Abneigung gegen alles Gesuchte die ganze Romania geprägt? Hat man das untersucht?
Es gibt die Anekdote vom Franzosen, der gefragt wird, welches französische Verb eine bestimmte Bedeutung am besten wiedergibt. Nach langem angestrengten Nachdenken erhellt sich seine Miene: "faire".
In Frankreich und eigentlich überall außer in Deutschland gilt es als Fehler, die Rede mit Fremdwörtern zu sprenkeln, jedenfalls bei einigermaßen anspruchsvoller Prosa. Beinahe hätte ich geschrieben "als Fauxpas". Auch dieses Wort hat seinen Platz im deutschen Wortfeld der Fehler, aber ich schlage vor, es daraus zu entfernen, nicht durch Erlaß, sondern durch stillschweigende Ächtung, also Vermeidung. Man wird sehen, daß uns nichts fehlt, wenn es verschwindet. "Faible" - du lieber Himmel! Das würde ich doch nicht schreiben, ohne mir wie ein Barbiergeselle vorzukommen, der sich gegenüber der vornehmen Kundschaft einen weltmännischen Anstrich zu geben sucht.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 03.10.2001 um 02.43

Unser Herz hängt an bestimmten Musikstücken, Erinnerungen, Wörtern. Wie kommt das? Das ist die eigentliche Frage.

Wenn die Deutschen von einer ihrer Illustrierten nach dem "schönsten deutschen Wort" gefragt werden, anworten sie regelmäßig "Liebe" (dann kommen bald "Heimat", "Frieden"). Dabei gibt es klanglich nicht viel her. War es nicht Thomas Mann, der das Wort "Liebe" als labberig-milchig oder so ähnlich bezeichnet hat?
Wir laden die Wörter auf, die uns etwas bedeuten. Das ist das Seltsamste, von der Sprachwissenschaft fast immer Übersehene, eine "Überschätzung", die man mit Verliebtheit vergleichen kann. Für mich eine Grunderfahrung, seit ich nachdenken kann.

Man kann sich auch aus tiefster Überzeugung etwas einbilden, sich bei einem Wort was gar Wunderbarliches vorstellen, und das ist vielleicht sogar unvermeidlich, wenn man in einer Sprache zu Hause sein will. So wie man in der Wahrnehmung Gestalten schließt, um orientiert zu sein, weit über das hinaus, was die Daten hergeben. "L'amour"! Tja, man projiziert was hinein. Ich bin weit davon entfernt, das zu kritisieren, es ist eines der großen Rätsel. Wie die Liebe selbst.
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Th. Ickler


eingetragen von Christian Melsa am 03.10.2001 um 01.22

Ab wann und wieso ist fremdsprachiger Ausdruck wie "l´amour" eine Bereicherung? Zunächst hat "l´amour" einen schönen, weichen Klang, das ist klar. Das könnte schon Grund genug sein, es zu benutzen, wenn man damit eben das Schöne, das Weiche an der Liebe meint. Es ist auch sehr nützlich, um die spezielle Sorte von Liebe, die gemeint ist, präziser zu vermitteln, als das mit dem im Deutschen doch sehr weitgreifenden Wort "Liebe" möglich wäre. Aber als jemand, der, so wie dieses, nur das eine oder andere Häppchen aus der französischen Sprache kennt, mit ihr aber nicht wirklich vertraut ist, kann seine Verwendung einem natürlich nicht die oft erwähnte "Denkwelt einer anderen Kultur" vermitteln. Es hat sicher mehr mit Lautmalerei zu tun. Griffigkeit, rhytmische Eleganz usw. sind sicher auch der Grund, warum kaum jemand im Alltag "Mobiltelefon" sagt, sondern "Handy". Da ist es völlig egal, was "Handy" überhaupt tatsächlich auf Englisch bedeutet. Das Ding ist klein und handlich, da ist ein Diminutiv nicht ungewöhnlich. Modisch ist es dann, das Wort nicht "Händi", sondern eben "Handy" zu schreiben. Das Kuriose ist, daß das Wort fälschlicherweise dennoch als englisches wahrgenommen wird, obwohl es das so nicht ist - obwohl es das Wort "handy" natürlich im Englischen gibt. Ein Paradebeispiel dafür, daß der Gebrauch eines Fremdworts (bzw. eines Wortes, das zunächst einmal nur der Gestalt nach mit einem Fremdwort identisch ist) nicht zwangsläufig Kulturschätze mitüberträgt. Was die Übersetzbarkeit betrifft, so wird es hier spätestens dann interessant, wenn man einen deutschen Text, der das Wort "handy" enthält, ins Englische übersetzen will.


eingetragen von Walter Lachenmann am 02.10.2001 um 14.07

Da haben Sie leider auch wieder recht. So ist etwa eine aufgeräumte Schublade in der Vorstellung einer Mutter etwas ganz anderes als in der der neunjährigen bockigen Tochter.
Undsoweiter.
Und leider stimmt auch das mit den schwadronierenden Mehrsprachlern am Frühstückstisch - die Buchmesse ist dafür ein ergiebiger Anschauungsplatz.
Ich sagte es ja - die Intelligenz ist das Problem.
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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 02.10.2001 um 13.57

Einverstanden, aber es gibt auch den Fall, daß Übersetzungen, die natürlich immer Verfälschungen sind, dem "Zielvolk" Neues erschließen, und wie ich wohl schon mal anderswo zitierenderweise gesagt habe: Gerade die größten Dichtungen haben in Übersetzung gewirkt, Homer, Vergil, Shakespeare. Was hat Voß für die deutsche Literatur getan!

Ich habe mich eine Zeitlang mit klassischem Chinesisch beschäftigt und in China anläßlich eines "Mondfestes" zu vorgerückter Stunde durch die Rezitation von Li Bais berühmtestem Vierzeiler ("Nachtgedanken", Sie wissen schon! Es gibt auch bekannte Parodien) ein solches Entzücken ausgelöst, daß mir ein Fakultätsvorsteher um den Hals fiel. Will sagen: Ich habe schon versucht, das Original zu verstehen, aber mir ist nur zu klar, daß das im Grunde unmöglich ist.

Aber sogar innerhalb derselben Sprachgemeinschaft versteht jeder alles wieder anders als ein anderer. Hermeneutische Banalitäten.

Ich kenne Leute, die mehrere Sprachen sprechen, und beneide sie darum. Aber wenn ich dann höre, wie sie beim Frühstück über fremde Völker daherschwadronieren, frage ich mich, wo die berühmte Bereicherung geblieben ist, die nach Humboldt aus dem Sprachenlernen erwächst. Wahrscheinlich hat nur der etwas davon, der auch ohne Fremdsprachen weltoffen wäre.

Daß ich aber nicht gegen Fremdsprachen bin, sondern ganz das Gegenteil, brauche ich hier wohl nicht mehr zu beteuern.
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Th. Ickler


eingetragen von Walter Lachenmann am 02.10.2001 um 13.21

So gefällt mir das schon viel besser.

Alles mag übersetzbar sein, die Frage ist, was bei der Übersetzung entsteht. Besonders deutlich wird das meines Erachtens bei Übersetzungen von Lyrik. Auch die besten Übersetzer von Baudelaire, Rimbaud, wem auch immer, mögen ausgezeichnete Lyrik geschaffen haben aufgrund der verbalen und thematischen Vorgaben des Originals, aber es sind neue Gedichte dabei entstanden, mit anderer Anmutung, oft weit entfernt von dem, was beim Leser entsteht, der diese Lyrik im Original verstehen kann. Nicht umsonst lernen und behalten Leute, die Gedichte auswendig lernen, in der Regel die Gedichte aus ihrer Muttersprache, kaum einmal übersetzte Gedichte aus anderen Sprachen. Mit Liedern ist es natürlich dasselbe, oder mit Chansons. Hier wirken Eindeutschungen - etwa von Jacques Brel oder Georges Brassens - fast immer holzig bis peinlich, im harmlosesten Falle schlicht reizlos. Wer die Originalsprache nicht kennt, wird den wirklichen Wert und Reiz dieser Chansons niemals kennenlernen, eine Erweiterung seines Bewußtseins und seines sinnlichen Erlebens wird ihm vorenthalten bleiben.

Mir erscheint dies wichtig im Hinblick auf die im Augenblick so vehemente Abwehr von Einflüssen aus anderen Sprachen, aktuell aus der englischen. Dieses Eindringen einer anderen Sprache hat doch den riesigen Vorteil, daß man mit ihr in Kontakt kommen kann, Teile aus ihr schon einmal kennenlernen kann, auch Mentales, was dabei mit hereinkommt in die eigene Sprache, wodurch auch der Begriffs- und Erlebenshorizont erweitert werden kann. Mein Beispiel von l'amour war eigentlich nicht gut gewählt als Beispiel von Unübersetzbarkeit, denn l'amour hat sich in der deutschen Kultur schon ganz gut eingelebt, über Edith Piaf, Kosmetik- und Parfumindustrie und zungenschnalzende Berichte von Soldatenerlebnissen unserer Väter - mit diesem Begriff verbindet sich für viele Deutsche schon eine mehr oder weniger vage Vorstellung von dem, was Liebe auch sein kann, und schwingt vielleicht auch im eigenen Erleben und Gestalten dieses Phänomens mit, wie auch immer: mehr Frivolität, mehr Geist und Witz, mehr »must de Cartier«.
Dieses Beispiel zeigt also eher, welche Bereicherung der Einfluß, das Eindringen einer Fremdsprache in die eigene Sprache darstellen kann.

Nun nimmt das überhand, das ist wahr, und ist meist so dumm und überflüssig, daß es nervt. »The more you think«, »Come together«, »Point of Sale« usw. Immerhin, man kann dabei wenigstens soviel Englisch lernen und tut sich im Ausland vielleicht in manchen Situationen leichter. Dagegen anzukämpfen, etwa mit Gesetzen oder Wächterämtern, scheint mir aber völlig sinnlos zu sein. Diese Übertreibung ist eine Folge der menschlichen Wichtigtuerei, Dummheit und Eitelkeit. Verbietet man ihr das eine, stürzt sie sich auf die nächste Torheit. Man kann viel eher darauf rechnen, daß sich das eines Tages überlebt haben wird. Ein Überhandnehmen von Begriffen wie Ferndruck, Netzpost, Weltnetz und dergleichen krampfhafter Eindeutschungen müßten auch nicht unbedenklich sein.

Besorgniserregend ist meines Erachtens das Verbinden von Themen der nationalen Identität mit Fragen der Verwendung eines möglichst rein deutschen Vokabulars. Oder das Abgrenzen von Sprachen gegeneinander, Betrachtungen über »innere Werte« einer Sprache. Man kann in jeder Sprache sowohl die erlesensten Gedanken fassen und formulieren, wie solche gemeinster Niedertracht, das sollten wir Deutschen an den Beispielen von Hölderlin bis Hitler eigentlich sehr gut wissen. Es ist doch höchste Zeit, daß wir uns auf unsere globale Identität und Verantwortung besinnen. Und je mehr Übereinstimmung schon einmal im sprachlichen Verständnis zwischen den Kulturen besteht, egal aus welcher Sprache die Begriffe schließlich kommen, umso mehr besteht doch die Chance, die unterschiedlichen mentalen und kulturellen Unterschiede und Ausprägungen zumindest zu erahnen, vielleicht gar zu verstehen und Möglichkeiten des Auskommens miteinander oder gar der Übereinstimmungen zu finden. Dafür muß niemand etwas Wertvolles aus seiner ihm angestammten Identität aufgeben, nur vieles hinzu aufzunehmen bereit und in der Lage sein. Das erfordert Intelligenz, und genau das ist das Problem.

Jetzt würde mir noch sehr viel einfallen zum von Herrn Ickler angeführten Beispiel »glauben«, aber das erspare ich allen, sonst erwerbe ich noch einen weiteren Titel, den des Forumspastors (was für ein schreckliches Fremdwort, Marktplatzschäfer wäre doch viel schöner!).

Im übrigen wünschte ich mir sehr, daß neben der wichtigen permanenten Kritik an der Rechtschreibreform vermehrt auch solche Fragen, die das Thema Sprache nicht allein in beklagender Form sondern in konstruktiver Betrachtung behandeln, auf diesen Seiten behandelt würden.
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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 02.10.2001 um 02.49

Herr Lachenmann hat - nicht nur an dieser Stelle - darauf aufmerksam gemacht, daß Wörter einer Sprache sich in einer anderen nicht genau wiedergeben lassen, zum Beispiel frz. amour usw.
Dem möchte ich ausdrücklich zustimmen. Es liegt vollkommen auf der Linie, die ich in meinem engeren Arbeitsbereich, der distinktiven Synonymik, als selbstverständlich ansehe. Ich darf vielleicht auf das nicht neue, aber immer noch vorzügliche Büchlein von Ernst Leisi, "Der Wortinhalt", hinweisen, ebenso auf seine "Praxis der englischen Semantik", wo er jeweils dt.-engl. Vergleiche anstellt. Schon so einfache Wörter wie "Klumpen, Brocken, Stück" usw. haben keine genauen Entsprechungen im Englischen ("clot, clod, piece, morsel" usw.). Prüfstein ist die Kombinierbarkeit (hier also mit "Blut, Erde, Zucker, Kohle" usw.). Es ergeben sich Wortfelder (Synonymenfelder), die sich im Sprachvergleich niemals decken. Trotzdem kann man behaupten, alles sei übersetzbar, denn die Äquivalenz sei gar nicht auf der Ebene des Einzelwortes zu suchen.
Dagegen ist nur zweierlei zu berücksichtigen (nicht einzuwenden, das wäre zu stark):
Erstens gibt es den kulturellen Hintergrund. Ich kann natürlich einen Begriff der chinesischen Kultur nicht wirklich "verstehen", wenn ich mir den chinesischen Hintergrund nicht angeeignet habe, also eigentlich Chinese bin (kulturell, nicht körperlich, versteht sich). Genauer gesagt: Es gibt wohl ein Verstehen aus der Mithörerposition im Gegensatz zur Zuhörerposition (habe ich anderswo genauer ausgeführt), so daß ein Nichtchrist die christliche Lehre in einem bestimmten Sinne verstehen kann, ohne sich - im Bultmannschen oder Gadamerschen Sinne - angesprochen zu fühlen. Aber das "wirkliche" Verstehen stellt sich nur beim Angesprochenen ein, hier also beim Gläubigen. Ein Nichtreligiöser spricht vom Glauben wie ein Blinder von der Farbe - das ist so ungefähr diese hermeneutische Position, und man kann es auf andere Zugehörigkeiten (Kultur vor allem) übertragen.
Zweitens gibt es bei der Sprache, nun ja, die Musik. Die Wörter haben ja eine bestimmte Anmutung über den begrifflichen Sinn hinaus. "L'amour"! Ja, Herr Lachenmann, das kann man nicht übersetzen, muß man aber auch nicht. Und wenn man nun fleißig fremde Sprachen lernt, verschafft man sich allerlei Genüsse, die man auf andere Weise entbehren müßte. Das bestreitet ja niemand. Es ist wie Reisen.
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Th. Ickler


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