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-- Bertelsmann (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=302)
eingetragen von Theodor Ickler am 16.11.2004 um 18.23
Im Mai 2005 soll der neue Wahrig erscheinen. Bis dahin wird die orthographische Situation aber noch verworrener geworden sein. Schade um das viele Papier!
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Th. Ickler
eingetragen von Reinhard Markner am 07.07.2004 um 12.08
Wie mir der Lexikonverlag freundlicherweise mitteilt, will man dort zunächst noch abwarten, bis auch aus Österreich und der Schweiz die Zustimmung zu den Änderungen am Regelwerk erfolgt ist. Dann will man mit einer Neuausgabe rechtzeitig zum 1. August 2005 auf dem Markt sein.
eingetragen von Sigmar Salzburg am 02.07.2004 um 09.05
Zehntausend 96er Lexika sind schon mal im Frühjahr 1999 in einer konzertierten Aktion von GEW und Bertelsmann an die Schulen in Schleswig-Holstein verschenkt (entsorgt) worden, um den Volksentscheid zu unterminieren. Über ihren Verbleib dort oder gar ihre Verwendung ist mir nichts bekannt.
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Sigmar Salzburg
eingetragen von Martin Reimers am 02.07.2004 um 08.31
Ich frage mich nur, wo diese Millionen Exemplare alle bleiben? In der Hamburger Verlags- und Medienlandschaft habe ich noch nie einen B 1996 oder gar einen Bertelswahrig zu Gesicht bekommen. Man ist dort allgemein der Ansicht, daß den keiner haben will. In den Ämtern sieht man meistens den 96er Rechtschreibduden, nur in den höheren Etagen leistet man sich mal einen D 2000.
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Martin Reimers
eingetragen von Reinhard Markner am 02.07.2004 um 06.55
Berliner Zeitung, 23. 11. 1996
"Bertelsmann setzt auch künftig auf das Buch
Hohe Renditen / Neue Vertriebsformen / Rechtschreibreform bringt Extrageschäft
[. . .] "Das Buchgeschäft ist und bleibt die wichtigste Säule im Hause Bertelsmann", sagte Buch-AG Chef Frank Wössner auf der Bilanzpressekonferenz. [. . .] Ein Extrageschäft hat dem Konzern die Rechtschreibreform beschert. Von der hauseigenen "Neuen Rechtschreibung" wurden bereits rund 1,7 Millionen Exemplare verkauft. Das Ziel, in die Domäne des "Duden" einzubrechen und bei einem Marktpotential von zehn Millionen Bänden einen Anteil von über 25 Prozent zu erhalten, dürfte damit problemlos erreicht werden."
eingetragen von Theodor Ickler am 01.07.2004 um 17.19
Sollen wir im Ernst glauben, daß Bertelsmann dem Duden diesmal den Vortritt läßt? Sieht man voraus, daß man über kurz oder lang den Dudenverlag übernehmen wird und daher kein eigenes Rechtschreibwörterbuch mehr zu machen braucht? Der Dudenverlag geht ja einem Fiasko entgegen, das ist nicht mehr abzuwenden. Selbst wenn die Reform wider Erwarten nicht in diesem Jahr zusammenkrachen sollte, wird das neue Wörterbuch unverkäuflich bleiben, mit Folgewirkungen für die ganze übrige Produktion.
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Th. Ickler
eingetragen von Reinhard Markner am 01.07.2004 um 16.33
"Als "Chance, endlich auf dem Markt der deutschen Wörterbücher Fuß zu fassen"[,] bezeichnet Christoph Hünermann, Mitglied der Verlagsleitung und Chefredakteur des Bertelsmann Lexikon Verlages, die Rechtschreibreform. [. . .] Möglich sei diese "Einführung der Marktwirtschaft in das Ressort der deutsche Wörterbücher" mit der Rechtschreibreform geworden." Neue Westfälische 6. 10. 1998
eingetragen von Theodor Ickler am 25.05.2004 um 13.13
Ob es Verbzusatzphrasen gibt, ist eine Frage, die noch nicht abschließend geklärt ist. Gerade darum geht es mir.
Niemand bestreitet, daß der Begriff des Verbzusatzes unklar ist. Schon Drach wies darauf hin, daß zwischen "heimgehen" und "nach Hause gehen" eigentlich kein Unterschied ist.
"sich wohl bei der Sache fühlen" - hier liegt es zumindest nahe, von phraseologischem "sich wohlfühlen" auszugehen. Dann ist die Wortstellung ungewöhnlich. "mitnehmen" ist allerdings ein überzeugenderer Fall, weil hier die Bindung noch stärker und die semantische Sonderentwicklung klarer ist.
Die engere Bindung bei "wohlfühlen" (wo das Bestehen des Duden auf Getrenntschreibung ziemlich wirklichkeitsfern war) wird auch daran erkennbar, daß der VZ nicht allein erfragbar ist: *Wie fühlst du dich? - Wohl." Dagegen sehr wohl möglich: "Wie fühlst du dich? - Gesund."
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Th. Ickler
eingetragen von Stephan Fleischhauer am 25.05.2004 um 12.05
Warum Verbzusätze?
„wer sich nicht wohl bei der Sache fühlte“
„wer sich nicht gesund bei der Sache fühlte“
„wer sich nicht klar im Kopf fühlte“
„ich wurde zurück nach Eisenach gebracht“
„ich wurde wieder nach Eisenach gebracht“
Problematisch sind meines Erachtens nur die Beispiele mit „nehmen“, weil es ohne Zusatz eher die Bedeutung von „an sich nehmen“ / „benutzen“ als von „bringen“ hat.
Das größte Problem aber ist, daß wir gar nicht genau sagen können, was ein Verbzusatz ist bzw. was alles den Verbzusätzen zuzurechnen ist.
eingetragen von Stephan Fleischhauer am 25.05.2004 um 09.16
Bei Ihren Beispiele, lieber Herr Ickler, fällt mir eine Frage ein: Handelt es sich bei "Licht an lassen" - das habe ich schon oft so gesehen - um eine VZ-Konstruktion? (Ich komme darauf wegen "allein damit lassen".)
Ihr Gegenbeispiel "verlesen" führt auf ein falsches Gleis. Es ist übrigens fast unmöglich, den (vermeinlichen?) Verbzusatz bei "mit zum Schilaufen genommen" zu betonen. Fast immer wird das, was wir als Verbzusatz bezeichnen, auch innerhalb des Satzgefüges betont ("entwickelt sich auseinander").
eingetragen von Theodor Ickler am 25.05.2004 um 08.56
Gerade über "mit" gibt es eine größere Diskussion und einige Literatur, weil es ein paar Besonderheiten hat.
In "ein Gedicht vorlesen" hat natürlich der letzte Spezifikator den Hauptton (Phrasenakzent), aber innerhalb des Gefüges "vorlesen" der Verbzusatz (im Gegensatz zu "verlesen" usw.)
Bei "mit zum Schilaufen nehmen" geht es nicht darum, jemanden zum Schilaufen zu nehmen, nicht wahr?
Hier sind noch ein paar Dinger:
Kannst du mich dann mit zur Gießerei nehmen ? (Wolfgang Hilbig: Unterm Neomond. Frankfurt 1982:99)
Ganz am Anfang seiner Karriere fand ihn die legendäre Josephine Baker gut genug, um ihn mit auf eine ausgedehnte Tournee zu nehmen. (SZ 28.4.86)
Bitte nicht mit an den Strand nehmen (Aufkleber auf Leihbüchern, Juist)
Ich werde Sie gleich mit auf den Weg meiner Recherchen nehmen. (Hans-Werner Eroms: Festrede zur Verleihung des Dudenpreises 2002)
Ich wurde zurück nach Eisenach gebracht. (SZ 23.8.86)
Wir können die Menschen nicht allein damit lassen. (FAZ 27.11.86)
War es die Mehrheit der Österreicher, die jubelte? Man kann es nicht wissen, denn wer sich nicht wohl bei der Sache fühlte, schwieg und verbarg sich. (Zeit 4.3.88)
Einher damit gingen Preiserhöhungen. (Informationen zur politischen Bildung 205:6)
Von da an sei es nur noch abwärts mit seiner Persönlichkeit gegangen. (SZ 29.1.85)
Darauf näher einzugehen, würde hier aber zu weit weg vom Thema führen. (Magisterarbeit 1984)
Immer wieder gingen ihre Gedanken weg vom Thema. (DaF Sonderheft 1983:68)
Die Union scheint zurück zu sich selbst zu finden. (FAZ 18.3.2000)
Beliebig vermehrbar!
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Th. Ickler
eingetragen von Stephan Fleischhauer am 25.05.2004 um 08.24
mit ... genommen
Mir ist nicht klar, warum hier das "gleiche Gefüge" vorliegen soll, wie bei "mitnehmen". Herr Ickler hatte es einmal mit der Semantik begründet. Ich habe ihn so verstanden: Es könne kein "mit nehmen" (= auch nehmen, etwa wie "mit berücksichtigen" = auch berücksichtigen) vorliegen. Aber warum nicht?
Es wäre auch einmal interessant, ob es neben den notwendigen auch hinreichende Kriterien für Verbzusätze gibt. Was ist das überhaupt für ein Begriff? Ein grammatischer? Das Kriterium der Nichtunterbrechbarkeit scheint mir übrigens wesentlich verläßlicher als das der Betonung. Wenn ich frage: "Kannst du mir ein Gedicht vorlesen?", würde ich nicht unbedingt das "vor" betonen.
eingetragen von gestur am 24.05.2004 um 21.33
deren Bedeutung mir nur mit Wörterbüchern oder gar nicht ermittelbar war:
KorpuskeL: Duden: Körperchen, kleines Materieteilchen;
Pronominaladjektiv: welcher, welche, welches?
Paraphrase: Duden: Umschreibung;
Reductio ad absurdum:
Ersatzinfinitiv: Duden: Infinitiv anstelle eines Partizips II nach einem reinen Infinitiv;
Nominalgruppe: Substantivgruppe?
Tmesis: Duden: Trennung eigentlich zusammengehörender Wortteile;
aptum formulieren: Lateinwörterbuch: aptus = geeignet;
Chiasmen: Duden: kreuzweise Stellung von Satzgliedern;
Dativpassiv: Der Kunde wird von dem Verkäufer nach seinem Wunsch gefragt? Ich werde von niemandem gesehen?
Dativus commodi, incommadi, iudicantis:
passim: Duden: da und dort zerstreut:
eingetragen von gestur am 24.05.2004 um 14.51
Außerhalb der Schule macht kreatives Schreiben richtig Spaß, aber führen die von Herrn Markner hervorgehobenen "Verbgefüge"-Beispiele nicht in der Schule zu Punkteabzügen wegen Stilfehlern?
eingetragen von Reinhard Markner am 24.05.2004 um 11.32
„Sie haben mich mit zum Skilaufen genommen (Bertelsmann-Grammatik 1999, S. 262). Hier handelt es sich zweifellos um das komplexe Verbgefüge mitnehmen.“ Gewiß, aber handelt es sich nicht auch um eine in der Schriftsprache immer noch ziemlich verpönte Form ? Und könnte es sein, daß die Zitate von Robert Walser und Golo Mann („Die führenden Politiker der Republik hätten müssen ein wenig begabter, kühner, schöpferischer sein“) schweizerischen Einfluß verraten ?
eingetragen von Theodor Ickler am 24.05.2004 um 04.05
Was die vielen Fachausdrücke in meiner Besprechung zum Wahrig "Fehlerfrei" betrifft (anderswo moniert), so stehen sie schon im Original und mußten von mir diskutiert werden. Das Buch ist auch in dieser Hinsicht nicht besonders benutzerfreundlich und wird wohl nicht viele Freunde finden. Andererseits glaube ich, daß wenigstens im Gymnasium ein gewisser Vorrat grammatischer Fachausdrücke erworben werden sollte, damit man über etwas so Wichtiges wie die Sprache überhaupt auf einem gewissen Niveau reden kann. Das ist kein Linguistendünkel, und ich bin jederzeit bereit, die philologischen Fächer vom hohen Roß der "Bildung" herunterzuholen. Aber ich erlebe fast täglich, daß in der Schule ziemlich viele unnütze Einzelheiten gepaukt werden, während wir in sprachlichen Dingen weit hinter dem Allgemeinwissen gebildeter Römer (vor 2000 Jahren, meine ich; heute sieht es da auch nicht besser aus) zurückbleiben. Im altsprachlichen Unterricht lernt man es immer noch, aber es müßte doch auch für die Muttersprache möglich sein. Man muß allerdings feststellen, daß die Grammatiken der deutschen Sprache wenig einladend und auch sehr fehlerhaft und geradezu unwissend sind. Der generativistische Wahn und unausgegorene Ideen ("Valenzgrammatik") haben hier ein großes Durcheinander angerichtet. Wir arbeiten dran.
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 23.05.2004 um 15.14
Gleich zu Beginn steht ein Bekenntnis zur politischen Korrektheit: „So sollten auf keinen Fall Bezeichnungen verwendet werden, die politisch oder sozial belastet sind. Dazu gehören: Neger, Serbokroatisch, Zigeuner, Mongolismus, zwergwüchsig, Liliputaner.“ (S. 601) Es folgt eine umfangreiche Anleitung zu angeblich geschlechtergerechtem Sprachgebrauch und zum „Umgehen“ von Personenbezeichnungen.
Alternative bedeutet zwar ursprünglich eine Wahlmöglichkeit, wird heute aber weitgehend auch im Sinne von Option gebraucht (zu S. 609). Die Ablehnung von abisolieren (S. 610) scheint übertrieben. Kurzarbeit Null ist kein üblicher Euphemismus für Arbeitslosigkeit, und „Luzifer (= Lichtbringer) für Teufel“ ist nur von historischem Interesse (S. 618f.). Unrichtig ist die Zurückweisung von bergauf klettern als pleonastisch; denn man kann auch wieder hinunterklettern (S. 622). Auf S. 632 unten ist eine bessere Möglichkeit der Ausklammerung übersehen worden. Das Dativpassiv (Der Junge bekommt zu Weihnachten eine Eisenbahn geschenkt) wird zu Unrecht als „falsch“ gebrandmarkt.
Der Satz Er sagte, dass die Fliegen ihm auf den Geist gingen (S. 606) bleibt trotz Konjunktiv wegen der saloppen Redewendung umgangssprachlich, und die Redeweise meine Frau Gemahlin in einem Einladungstext (S. 607) entspricht keiner zu hohen Stilebene, sondern ist überhaupt unmöglich. Übrigens sind im Grammatikteil kommentarlos Ausdrucksweisen dargeboten, die stilistisch nahezu ausgeschlossen sind, jedenfalls stark markiert wirken: Klaus fuhr in die Stadt, auf dass er sich einen Mantel kaufte. Sie hört Nachrichten, auf dass sie sich über den letzten Stand der Dinge informiert. (S. 550)
Verschiedene weitere Fehler:
Fullbrightstipendium oder Fullbright-Stipendium (S. 79) statt richtig Fulbright. Das Wörterbuch schreibt im Sinne der Neuregelung gleich lautend (aber auch gleichlautend S. 219, S. 555), fehlerhafterweise aber auch gleich bedeutend (S. 491f., 639), übrigens genau wie „Wahrig: Die deutsche Rechtschreibung“. nichtssagend (S. 607 u. 608), zum zweiten (S. 607). Ein Komma fehlt bei in der Art und Weise wie die Menschen (...) den Platz verließen (S. 633). Die treusorgende Mutter (S. 642) ist nach der neuen Rechtschreibung falsch, vgl. auch die übrigen Wahrig-Bände. Die fest stehenden Rubriken (S. 656) sind in Wirklichkeit feststehende, vgl. auch dtv-Wahrig-Universalwörterbuch. Auch klar stellen (S. 663) muß zusammengeschrieben werden. Obwohl das Werk sich durchweg zur Benutzung der Hauptvarianten entschlossen hat, findet man S. 662 die Nebenvariante potentiell, im Widerspruch zu S. 33. das gleiche (S. 706) muß jetzt groß geschrieben werden. Während der Flattersatz gelegentlich große Lücken läßt (S. 625), führt unmotivierte Knauserei zu Trennungen wie gegenü-ber (S. 295) und Einzelas-pekt (S. VIII). ohne Weiteres (S. 391) hat falsche Großschreibung. Kommafehler: bei Substantiven, die auf Diphthong enden und bei Substantiven ... (S. 320). differentiell (S. 383) ist eigentlich die Nebenvariante. Ralf kam als siebter/siebenter ins Ziel (396). Hier müßte groß geschrieben werden. Nach dem Doppelpunkt ist fälschlich groß geschrieben: Es gibt zwei Gruppen von Konjunktionen: Nebenordnende und unterordnende Konjunktionen (S. 481). Dativus commodi, incommodi, iudicantis (passim) – hier muß das Attribut neuerdings groß geschrieben werden (S. 520ff.). erstere und letztere (S. 530f.) müssen jetzt groß geschrieben werden. Pars pro Toto (S. 615) ist jetzt tatsächlich korrekt, Pars pro toto (S. 613) daher falsch. Druckfehler Päposition (S. 537). Lehrkraft (S. 333) muß kursiv gesetzt werden.
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 23.05.2004 um 15.13
Hier ist noch einmal eine ergänzte Fassung meiner Anmerkungen zu dem unten besprochenen Buch, leider ohne Kursive (ich bitte um Nachsicht); ich habe noch etliche Fehler entdeckt.
Wahrig: Fehlerfreies und gutes Deutsch. Gütersloh: Bertelsmann 2003. - 949 S.
Die Rechtschreibung ist von Jürgen Dittmann bearbeitet, die Grammatik von Rolf Thieroff , Zeichensetzung und Stilistik von dem FAZ-Redakteur Ulrich Adolphs.
Orthographische Beratung: Klaus Heller
Grammatische Beratung: Lutz Götze
Das Werk soll über 6000 Fragen beantworten, man erkennt aber nicht, welche es sein könnten.
Die Rechtschreibung umfaßt 202 Seiten, davon gut 56 Seiten für die Kommasetzung.
Anders als der Dudenband „Richtiges und gutes Deutsch“, an dessen Titel sich das Bertelsmann-Werk offenbar anlehnt, ist dieses nicht alphabetisch geordnet, sondern auf die Rechtschreibung folgt eine nach Wortarten gegliederte Grammatik, dann eine „Stilistik“. Innerhalb der Teile herrscht allerdings ein buntes Durcheinander. Dadurch wird das Nachschlagen in einem umfangreichen Register (rund 240 Seiten!) erforderlich. Trotz des enormen Umfangs enthält aber das Register bei weitem nicht alle Stichwörter des Hauptteils. Unter Ding/Dinger zum Beispiel wird zwar auf den Abschnitt der Stilistik verwiesen, in dem es fälschlicherweise heißt, die jungen Dinger beziehe sich auf „Heranwachsende“, aber daß in der Grammatik S. 305 der richtige Hinweis steht, wonach das junge Ding sich nur auf Mädchen beziehen kann, ist an keiner anderen Stelle vermerkt. Das Register enthält auch keinen Eintrag Korpuskel, so daß man nach S. 305f. erwarten müßte, dieses Wort sei nur als Neutrum in Gebrauch; die Wörterbücher verzeichnen mit Recht auch das Femininum, das wohl eher häufiger ist. Leider findet man im Register keinen Eintrag zu der vieldiskutierten Frage selbständig/selbstständig. Das Werk selbst gebraucht durchweg nur selbständig, worin sich der allmähliche Rückbau gegenüber der ersten Generation reformierter Bücher des Bertelsmannverlags zeigt. (Im Parallelwerk von Duden wird umgekehrt nur selbstständig verwendet.) Unter selbst gebacken findet man übrigens die Angabe, daß selbst hier ein Adverb sei. Im dtv-Wahrig und im Wahrig Universalwörterbuch (beide in Bertelsmann-Lizenz) ist es Demonstrativpronomen, im großen einbändigen Wahrig-Wörterbuch (Bertelsmann) dagegen Pronominaladjektiv. Der Verlag sollte sich bemühen, wenigstens in solchen Elementarfragen einheitliche Auskunft zu geben.
Während das „Universalwörterbuch Rechtschreibung“ noch orthografisch, Orthografie schrieb, ist das voriegende Werk hier wie auch sonst zur „Hauptvariante“ mit ph zurückgekehrt. Demgemäß heißt es auch geographisch, aber grafisch.
Der orthographische Teil stützt sich offenbar nicht nur auf die amtliche Regelung, sondern auch auf unveröffentlichte, aber den Wörterbuchredaktionen von Duden und Bertelsmann exklusiv mitgeteilte Meinungsänderungen der Rechtschreibkommission. Entgegen der amtlichen Neuregelung lehrt Dittmann:
„Einige Verbindungen aus Substantiv und Partizip kann man steigern oder um ein Adverb erweitern. Treten diese Verbindungen gesteigert oder erweitert auf, werden sie als zusammengesetzte Adjektive behandelt und deshalb immer zusammengeschrieben.
Aufsehen erregend, aber: (die Premiere war) aufsehenerregender (als...)
In Analogie zur Zusammenschreibung in diesen Fällen kann man auch die entsprechenden Grundformen zusammenschreiben. Dies liegt vor allem dann nahe, wenn die entsprechenden Wörter prädikativ verwendet werden:
Aufsehen erregend oder aufsehenerregend (weil: aufsehenerregender)
ihr Auftritt war wieder einmal aufsehenerregend (auch: Aufsehen erregend)“ (S. 40, gekürzt)
Hier ist also auf recht skurrilen Umwegen („in Analogie“) der frühere Zustand wiederhergestellt. Allerdings fehlt immer noch ein Hinweis auf die stilistische Ungeschicklichkeit, bei prädikativem Gebrauch getrennt zu schreiben. Auch wird versäumt, die Einschränkung beim prädikativen Gebrauch auf solche Verbindungen auszudehnen, die nicht oder kaum steigerbar sind (denn der prädikative Gebrauch hat ja an sich mit der Steigerbarkeit nichts zu tun). Vielmehr heißt es im Kapitel über die Zeichensetzung ausdrücklich: neben den bisherigen Techniken, die nicht Energie sparend sind (S. 145)
Für Zusammensetzungen wie angsterfüllt spricht Dittmann die Auffassung der Reformer nach, hier stehe der erste Bestandteil „für eine Wortgruppe“. In Wirklichkeit bietet sich oft nur eine Paraphrase mit einer solchen Wortgruppe an. Die Paraphrasen und vermeintlichen Erklärungen sind zum Teil recht linkisch, etwas so:
lustbetont = die Lust betonend
stressgewohnt = an Stress gewöhnt (S. 42)
Im letzteren Fall hätte man eigentlich eine Rückführung auf das Adjektiv gewohnt mit dem Akkusativ erwartet, das ja nach wie vor auch frei konstruierbar ist.
„Werden Verbindungen aus Substantiv und Partizip substantiviert, die im Infinitiv getrennt geschrieben werden, schreibt man vorzugsweise auch die substantivierte Form getrennt. Erlaubt ist aber auch Zusammenschreibung, die Schreibenden haben hier einen Ermessensspielraum:
Wer hilft den Not Leidenden/Notleidenden?“ (S. 43)
Diese Regel hat keine Grundlage im amtlichen Regelwerk. Sonderbar ist auch, daß nicht einmal „in Analogie“ zu Notleidende auch das partizipiale Kompositum notleidend gebildet werden darf.
Auch für die substantivierte Verbindung von Adjektiv und Partizip, die im amtlichen Regeltest nicht geregelt sei, sieht Dittmann beiderlei Schreibung vor: die schwer Verletzte oder Schwerverletzte. „Kriterium für die Entscheidung sollte sein, ob man die Substantivierung als selbständiges Wort empfindet oder nicht.“ (S. 54) - Daß man auch die nichtsubstantivierte Fügung schwerverletzt als selbständiges Wort empfinden könnte, wird nicht erwogen, denn da schiebt die amtliche Regelung einen Riegel vor den Sachverstand.
Eigenartig ist auch, daß bei Verbindungen mit nichts (nichts ahnend, nichts sagend) nur Getrenntschreibung, bei deren Substantivierung aber nur Zusammenschreibung (die Nichtsahnende) zugelassen wird (S. 47f.). Wie sich das mit den grammatischen Regeln der Substantivierung verträgt, sagt Dittmann leider nicht. Anders als nichts sagend wird übrigens vielsagend nur zusammengeschrieben (S. 52). Im Wahrig-Universalwörterbuch von 2002 ist auch die Getrenntschreibung zugelassen.
Falsch ist die Angabe, daß der erste Teil trennbarer Verben (Verbzusatzkonstruktionen sind gemeint, aber dieser Begriff ist zugunsten der fragwürdigen Lehre von den „trennbaren Verben“ vermieden) „in den finiten Formen“ nachgestellt wird. (S. 37) Das ist vielmehr bei Verbzweitstellung der Fall, nicht aber im Nebensatz mit Verbletztstellung.
Die Verben mit dem Zusatz wieder-, ein Gegenstand fortlaufender Änderungen in den reformierten und immer wieder revidierten Wörterbüchern, sind bis auf ein harmloses Beispiel (S. 43) überhaupt nicht abgehandelt, so daß man auch aus diesem Buch keine Klarheit gewinnt.
Unter dem Titel „Substantiv plus Verb in unfester Verbindung“ lehrt Dittmann Not tun und Pleite gehen, ohne sich einen kritischen Kommentar zu diesen absurden Reformschreibungen zu erlauben. Ebenso gibt er vor, in irrewerden, irreleiten und irregehen sowie wettmachen ein verblaßtes Substantiv (!) zu erkennen. (S. 39)
„Wenn die Partikel Verbbestandteil ist, muss sie im Infinitiv, in den Partizipformen und auch in Endstellung im Nebensatz unmittelbar vor dem Verb stehen.“ (S. 46) Dies hält Dittman für das einzige „sichere“ Kriterium. Dabei übersieht er die Erweiterbarkeit der Partikel in Fällen wie den folgenden: Sie haben mich mit zum Skilaufen genommen (Bertelsmann-Grammatik 1999, S. 262). Hier handelt es sich zweifellos um das komplexe Verbgefüge mitnehmen.
Unter der Regel zu -ig/-isch/-lich werden nach dem Vorbild des Reformers Klaus Heller wieder völlig verschieden konstruierte Gefüge wie lästig fallen und neckisch lächeln, heilig sprechen und freundlich grüßen zusammengestellt. (S. 50) Außerdem führt die törichte neue Regel bei Dittmann zu einem schlagenden Widerspruch. Unter 60.2 (und fast wortgleich noch einmal unter 75.2) heißt es nämlich:
„Gehen gleichrangige Adjektive eine Verbindung ein und der erste Bestandteil ist eine Ableitung auf -ig, -isch oder -lich, so sollte man zur Verdeutlichung den Bindestrich setzen:
biologisch-dynamisch
wissenschaftlich-technisch
medizinisch-naturwissenschaftlich.“
Zu einer solchen Verbindung kann es aber nie kommen, denn die allgemeinere Regel (§ 36 E1 (2) des amtlichen Regelwerks) besagt, daß Ableitungen mit den genannten drei Suffixen überhaupt nicht (und nicht bloß im Fall „nicht gleichrangiger Adjektive“, wie 61.1 behauptet) als Erstglieder in Zusammensetzungen eingehen. Folglich entfällt die „Verdeutlichung“ durch einen Bindestrich. Das amtliche Regelwerk krankt ja bereits daran, daß Bindestrichkomposita wie römisch-katholisch, die ja gleichwohl immer noch Komposita sind, überhaupt nicht gerechtfertigt werden;
Wörtlicher und übertragener Gebrauch werden teilweise durch verschiedene Schreibweise unterschieden ganz wie im alten Duden: Stahl gerade biegen, eine Angelegenheit geradebiegen, Wein kalt stellen, jemanden kaltstellen, ein Seil locker lassen, nicht lockerlassen können, den Gurt stramm ziehen, jemandem die Hosen strammziehen. Ebenso: schwer beschädigte Autos, schwerbeschädigte Kriegsveteranen. Aus dem amtlichen Regelwerk sind solche subtilen Unterscheidungen nicht ohne weiteres abzuleiten, die „schwer behinderten“ Menschen (nur noch getrennt) beherrschten längere Zeit die Reformdiskussion. Wörter wie schwerwiegend sollen wegen der doppelten Steigerungsmöglichkeit jetzt wahlweise getrennt oder zusammengeschrieben werden können; „im Fall von prädikativer Verwendung wird Zusammenschreibung bevorzugt“ (S. 53). Die amtliche Regelung weiß davon nichts, die Rechtschreibkommission hat es sich erst von der Kritik sagen lassen müssen.
feilbieten wird wie im amtlichen Regelwerk deshalb zusammengeschrieben, weil feil nicht selbständig vorkomme. Diese Voraussetzung trifft aber gar nicht zu.
„Wenn in einer Verbindung aus Substantiv und Adjektiv das Substantiv (z. B. durch ein Zahlwort) erweitert ist, schreibt man getrennt: ein zwei Arme dicker Mast, viele Jahre lang, zwei Meter dick, eine Hand voll Goldstaub“ (S. 59)
Das letzte Beispiel, das die Auseinanderreißung des Substantivs Handvoll begründen soll, ist fehl am Platze, da es sich gerade nicht um eine Erweiterung des ersten Bestandteils handelt. Auch später wird die Beseitigung von Handvoll noch einmal falsch begründet:
„(...) dass Substantive auch in festen Gefügen großgeschrieben werden, wenn sie ihren substantivischen Charakter behalten haben:
ein Hand voll, unter der Hand“ (S. 87)
Es geht ja nicht darum, daß Hand in solchen Fällen eventuell klein geschrieben werden könnte, sondern um die Existenz des Wortes Handvoll, das seit Jahrhunderten belegt und in Mundarten längst vollkommen univerbiert ist (Hampfel, Hämpfele usw.).
„Adjektive können mit Adjektiven Verbindungen eingehen. Diese Verbindungen sind entweder Zusammensetzungen oder Wortgruppen. Entsprechend wird zusammen- oder getrennt geschrieben:
Zusammensetzungen:
blaugrau, hochinteressant, tiefernst, zartbitter
Wortgruppen:
allgemein gültig, eng verwandt, schwer löslich, riesig groß
Die Kriterien für Zusammen- bzw. Getrenntschreibung sind eindeutig und von den Schreibenden leicht zu handhaben (® 59.4ff.)“
So eindeutig sind die Kriterien dann aber doch nicht. Zum Beispiel führt Dittmann schlecht leserlich an, das getrennt geschrieben werde, weil der erste Teil steigerbar sei. Aber sagt man wirklich schlechter leserlich, am schlechtesten leserlich? Und wie ist es mit wild dramatisch? (S. 61) noch wilder dramatisch?
Natürlich leuchtet auch nicht ein, aufgrund welcher Logik die auf –ig usw. endenden Adjektive bei sonst gleicher Funktion nicht mit anderen zusammengeschrieben werden dürfen: tiefernst, aber riesig groß, rotbraun, aber rötlich braun.
Wieder und wieder wird als Kriterium der Getrennt- und Zusammenschreibung angeführt, ob man die Wortart, Wortform oder Bedeutung der Bestandteile noch deutlich erkennen kann. Seltsamerweise kommt Dittmann mit der Neuregelung zu dem Ergebnis, daß jedesmal in jedes Mal aufzulösen sei, einmal, zweimal und diesmal jedoch erhalten bleiben. Das ist nicht nachzuvollziehen. Warum sollen bei den weiterhin zusammengeschriebenen Konjunktionen sooft, soviel, soweit usw. die Bestandteile nicht mehr deutlich erkennbar sein? Bei den neuerdings zu trennenden Demonstrativen so oft, so viel usw. sind sie es ja offenbar auch. Beinahe komisch wird es an jenen Stellen, wo Dittmann sogar die Undeutlichkeit noch undeutlich findet:
„Bei einer Reihe von mehrteiligen Adverbien ist schwer zu entscheiden, ob die Wortart, die Wortform oder die Bedeutung der einzelnen Bestandteile noch deutlich erkennbar ist oder nicht. In diesen Fällen bleibt es den Schreibenden überlassen, ob sie zusammenschreiben oder getrennt schreiben wollen.“ (S. 65)
Wenn man nicht weiß, ob man etwas deutlich sieht, sieht man es doch wohl eher undeutlich.
Zusammengesetzte Farbadjektive soll man nach der Neuregelung ohne Bedeutungsunterschied mit oder ohne Bindestrich schreiben können: blaugrün oder blau-grün, schwarzweiß oder schwarz-weiß (laut amtlicher Regelung § 45,2 ist der Bindestrich nur bei Unübersichtlichkeit des Kompositums zulässig, was hier wohl kaum in Betracht kommt). Gleichwohl empfiehlt Dittmann, den Bedeutungsunterschied in der traditionellen Weise sichtbar zu machen: Farbmischung vs. Farbkombination. Wie kann das aber dem Leser helfen, wenn er ausdrücklich gelernt hat, daß die unterschiedliche Schreibweise nichts bedeutet?
Dittmann empfiehlt den Bindestrich, „wenn eine Zusammensetzung mehrdeutig oder nicht auf Anhieb richtig zu entschlüsseln ist: ab-erkennen, be-inhalten, de-installieren, Re-Inkarnation“ (S. 78) Das sind allerdings ganz ungewöhnliche Schreibweisen.
Das neuerdings sehr häufige Zusammentreffen dreier gleicher Buchstaben soll man durch den Bindestrich entschärfen können (Bett-Tuch), bei längeren Zusammensetzungen aber nur an der Hauptfugenstelle, also nicht: *Spannbett-Tuch (S. 78). Das scheint zwar sinnvoll, steht aber nicht in den amtlichen Regeln.
Für die Groß- und Kleinschreibung kommt es darauf an, woran man ein Substantiv erkennnt. Dittmann nennt die Kriterien Artikelfähigkeit und mögliche Attribuierung durch Adjektive bzw. Zahlwörter. Entscheidend ist die Artikelprobe. (S. 86) Damit ist nicht etwa gemeint, daß das mutmaßliche Substantiv überhaupt einen Artikel verträgt, sondern die Probe gilt dem jeweiligen konkreten Zusammenhang. Nur darum kann Dittmann als Ausnahmen die Fälle anführen, in denen die Artikelprobe versagt: *zu (dem) Recht (S. 87), *in (die) Acht nehmen (S. 89). Demnach wären allerdings Schreibweisen wie heute Morgen nicht zulässig.
„In festen Gefügen aus Substantiv und Verb wird das Substantiv großgeschrieben, wenn es seine Bedeutung und Funktion behalten hat:
(...) Feind sein, Leid tun, Recht haben (...)“ ( S. 89)
Dittmann dürfte wissen, daß es sich hier nachweisbar nicht um Substantive handelt. Auch in der Grammatik (S. 425) und Stilistik (S. 660) wird als Beispiel angeführt das Kind tat ihm sehr Leid, es tut mir sehr Leid – obwohl inzwischen auch die hartgesottensten Reformer eingesehen haben, daß dies nicht möglich ist.
„Werden Substantive aus anderen Sprachen als Zitatwörter gebraucht, gilt die Regelung der betreffenden Sprache und sie werden kleingeschrieben:
Das englische Wort ‚drink‘ bedeutet bedeutet auch ‚Getränk‘.
Der lateinische Begriff ‚terra incognita‘ bedeutet ‚unbekanntes Land‘.“ (S. 91)
Hier hat Dittmann etwas mißverstanden. Die Regel betrifft ja nicht die (metasprachliche) Anführung, sondern Fälle wie: Wir nahmen einen drink und begaben uns auf diese terra incognita.
Die ursprünglich nicht vorgesehene, von den Kritikern eher im Sinne einer Reductio ad absurdum ins Spiel gebrachte Schreibweise heute Früh ist wie in den neuesten Wörterbüchern anstandslos übernommen (S. 92).
Die unflektierten Formen Arm und Reich usw. sind nach Dittmann nicht substantiviert und werden nur „aus Gründen der Symmetrie“ groß geschrieben. Laut amtlichem Regelwerk sind sie aber sehr wohl substantiviert, und von Symmetriegründen ist dort auch nichts zu finden. Auch der Begriff der „Paarformel“ ist dem Regelwerk unbekannt. (S. 98)
„Adjektive, die Farben und Sprachen bezeichnen, können als Substantive betrachtet werden.“ (S. 98) Wahrscheinlich ist gemeint, daß sie substantiviert werden können. Ob das in bei Grün und auf Deutsch der Fall ist, läßt sich diskutieren. Das Beispiel ins Blaue gehört jedenfalls nicht in diese Reihe.
Daß in Wir versuchen jetzt mal etwas ganz Anderes das Wort anderes „in übertragener Bedeutung“ gebraucht und deshalb groß zu schreiben sei, leuchtet nicht ein. Es fehlt auch der Hinweis, daß eine solche hervorhebende Großschreibung nach der amtlichen Regelung keineswegs obligatorisch ist.
Dein Hin-und-Her-Laufen stört. (S. 101)
Hier ist die Großschreibung von Her offensichtlich falsch.
ist es wichtig zu prüfen (S. 102)
Hier fehlt das neuerdings obligatorische Komma nach Vorgreifer-es, vgl. 161.1 Dieses Komma fehlt u. a. auch S. 635: Es fiel dem Kranken schwer zu laufen. S. 685: empfiehlt es sich noch einmal zu prüfen.
Unter 104.1 und 104.3 wird eigentlich dasselbe (Scheinsubstantivierung) abgehandelt.
„Zahlwörter zu Beginn eines Ganzsatzes gelten als Satzanfang. Deshalb wird klein weitergeschrieben: 52 volle Wochen hat das Jahr.“ (S. 117)
Gemeint sind also nicht Zahlwörter, sondern Ziffern.
Grammatik:
Der Satz Die Flaschenpost wurde bis nach Island getrieben ist kein Beispiel für das sein-Perfekt. (S. 232)
Daß der Ersatzinfinitiv immer in Endstellung stehe, trifft nicht zu (S. 235 u. ö.), vgl.: Er wußte damals sicherlich von der Puppe Kokoschkas, die dieser sich fertigen lassen hatte. - Übrigens war der Brief kaum der verstohlenen Lektüre wert, man hätte ihn ruhig dürfen an alle Säulen der Stadt plakatieren. (Robert Walser: Der Gehülfe. Zürich 1978:21) - Überall habe ich müssen dich vor mir gehen und hantieren sehen. (Theodor Storm, Ges. Werke I:108) - Die führenden Politiker der Republik hätten müssen ein wenig begabter, kühner, schöpferischer sein. (Golo Mann: Erinnerungen und Gedanken. Frankfurt 1991:562) - Ein Vertrauter von Finanzminister Hans Eichel soll der Bundesbank und den Medien Kopien der Adlon-Rechnung zukommen lassen haben. (NN 17.4.04)
Formen wie beföhle, gestünde, stöhle kann man wohl vergessen (S. 243), sie sind nicht einmal als „altertümlich“ noch in Gebrauch. Zum Partizip auserkoren gibt es durchaus finite Formen wie auserkor, auserkorst. (S. 261) Es sind auch finite Formen zu weiteren Verben belegbar, von denen dies ausdrücklich bestritten wird (S. 282f.).
266.3: gesonnen läßt sich heute nicht an das Verb sinnen anschließen.
Die Beispiele S. 267 legen nahe, daß gespalten nicht nur „hauptsächlich adjektivisch“, sondern auch attributiv verwendet wird, was in Wirklichkeit nicht zutrifft, und gespaltet ist überhaupt äußerst selten.
Anglizismen werden ganz kritiklos vorgeführt: ich cancele, getimt, du savst, er forwardet, du datest up (S. 270ff.) - bei der sonstigen, unten noch nachzuweisenden normativen Strenge des Werkes etwas überraschend. Übrigens sind die als korrekt angeführten Imperfektformen savtest/savetest, timtest/timetest, forwardetest praktisch nicht belegbar, offenbar weil jemand, der sich derart lässig ausdrückt, eben normalerweise kein Präteritum verwendet.
Anders als be-, ent-, er, ver-, zer- ist miß- kaum produktiv (S. 274). Das gilt auch für untrennbares wider. Man sollte produktive und nur noch historisch interessante Präfixe und Verbzusätze trennen, gerade im Hinblick auf eine semantischen Analyse.
Bei den Präfix- und Partikelverben ist die Terminologie wie auch die ganze Auffassung bedenklich. Verbindungen wie voll gießen werden als „zusammengesetzt“ bezeichnet, zugleich soll aber die neue Getrenntschreibung gelten. (S. 280)
(Für die simplen Ausführungen S. 282ff. [inkorporierte Substantive] wird entgegen der sonstigen Vorgehensweise auf einen entlegenen Aufsatz W. U. Wurzels verwiesen.)
Von einigen zusammengesetzten Verben unter 282.1 werden durchaus nicht nur infinite Formen gebildet (vgl. daß sie wettstreiten usw.). Dasselbe gilt für 283.1 (handarbeiten)Finite Formen von Zusammensetzungen aus Substantiv und Verb (strafversetzen u.a.) sind keineswegs auf Nebensätze mit Verbendstellung beschränkt. (S. 283)
Staub saugen steht nicht „mit einer Präpositionalgruppe“ (S. 287), sondern mit einem Adverbial, das u. a. die Form einer Präpositionalgruppe haben kann. Übrigens ist fraglich, ob die Reformer wirklich so viele Möglichkeiten vorgesehen haben: er hat Staub gesaugt/staubgesaugt (?)/gestaubsaugt. Und ist wirklich ausgeschlossen: er hat die Wohnung Staub gesaugt?
Bei Jeans in der angegebenen Aussprache weicht auch der Auslaut vom Deutschen ab. (S. 290)
Armut ist in Wirklichkeit keine Zusammensetzung mit Mut, so daß das feminine Genus auch keine Ausnahme darstellt. (S. 294)
Daß der Friede „veraltet“ und der Frieden „bevorzugt“ sei, läßt sich an heutigen Texten nicht belegen. Es trifft auch sicher nicht zu, daß der Hoden eine „veraltete“ Form ist, und neben maskulinem der Hode wäre auch die Hode zu erwähnen. (S. 298)
Von den Druckerzeugnissen ohne Bindestrich (S. 300) wurde auf S. 78 gerade abgeraten.
Das Beispiel Dutzende kamen zu spät (S. 303) läßt nicht ahnen, daß die Neuregelung (§ 58, E5) hier auch Kleinschreibung des Zahlsubstantivs zuläßt. Ein Verweis auf S. 394 wäre angebracht gewesen.
Die Mahnung, den neuerdings zulässigen Apostroph bei Eigennamen (Susi’s Blumenladen) zu vermeiden, entspricht nicht der amtlichen Regelung. (S. 322)
Thieroff schreibt zwar wie sein Lehrer Eisenberg stets des Genitiv usw., aber die Behauptung, daß die Deklination heute oft weggelassen werde, scheint zumindest für Beispiele wie Partizip, Plural (S. 326) doch etwas übertrieben.
Viel zu weit geht die Kennzeichnung von Wandererin, Fördererin, Zaubererin usw. als falsch; sie sind alle reichlich belegbar.
Die Abschnitte über Personenbezeichnungen für beide Geschlechter (S. 331ff.) überschneiden sich weitgehend mit den entsprechenden Abschnitten der Stilistik (s. u.). Thieroff bemerkt hier übrigens, daß das große Binnen-I „heute durchaus verbreitet“ sei, während in der Stilistik steht, es habe sich nicht durchgesetzt.
Daß Senegal, Libanon usw. heute „zunehmend mit neutralem Genus“ gebraucht werden, scheint mir nicht zuzutreffen.
Die Liste nur prädikativ gebrauchter Adjektive (S. 354) ist stark fehlerhaft. Für den attributiven Gebrauch von abhold, habhaft, teilhaftig, zugetan u. a. gibt es Hunderte von Belegen (Google).
„Ausdrücke wie hoch bezahlt, leicht bekleidet, schwer beladen, tief betrübt, weit verbreitet, die früher als Zusammensetzungen aufgefasst und demzufolge zusammengeschrieben wurden, werden seit der Rechtschreibreform getrennt geschrieben. Daher (!) werden diese Ausdrücke den Wortgruppen zugerechnet.“ (S. 376)
Eine erstaunliche Begründung, weil sie die Grammatik zur Dienerin der Rechtschreibung macht. Übrigens ist es nicht leicht, Belege für tiefer betrübt (ebd.) beizubringen. Ähnlich steht es mit zarter fühlend (S. 378).
Die Behauptung, daß Superlative wie schwerst nicht als eigenständige Wörter, sondern nur als Bestandteile von Zusammensetzungen vorkommen, ist unzutreffend. (S. 377) Es gibt sehr viele Belege wie schwerst mehrfach behinderte Kinder usw.
Entgegen einer schlichten Logik gibt es sehr wohl Steigerungsformen von endgültig und brotlos (S. 378).
Pronomina vertreten nicht Substantive, sondern Nominalgruppen. (S. 400 u.ö.)
Die anaphorische Verweisung auf genannte Personen mit dem Demonstrativum der usw. ist nicht in jedem Fall „unhöflich“ und umgangssprachlich, sondern oft geradezu zwingend. (S. 404; vgl. das letzte Beispiel dort, oder auch Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne ...)
Daß niemand anderer falsch und nur niemand anderes/anders standardsprachlich korrekt sei, ist wohl stark übertrieben. (S. 418)
Das Verbot von es nach Präpositionen (*ohne es) ist zu streng.
Genau wie der Dudenband schreibt Thieroff vor: all das Traurige, was in diesen Augen lag ... (S. 432) Meiner Ansicht nach kann und sollte hier eher das Relativum das stehen.
Wie kann neuschreibliches jedes Mal ein „Temporaladverb“ sein, wenn es nach der Rechtschreibreform offenbar nicht einmal mehr ein Wort ist? (S. 436)
Die Verurteilung der Tmesis (Wo fährst du hin?; Ich weiß nicht, wo sie herkommmen usw., S. 446) ist zu streng.
Die angebliche Präposition bis regiert eigentlich keinen Akkusativ, sondern dieser ist der adverbiale Akkusativ, der auch unabhängig von der Präposition stehen würde: bis nächsten Montag. (S. 462)
Daß nach dank nur „selten“ der Dativ im Plural stehen soll (dank seinen Fähigkeiten ...), dürfte nicht zutreffen. (S. 472)
Der Dativ nach trotz wird nur dann zugelassen, wenn ein Substantiv ohne Artikel mit Adjektiv auftritt; falsch soll sein: Trotz seinen Kopfschmerzen ... (S. 473) Das ist zu streng.
Daß Verschmelzungen wie hinters, übers in der Schriftsprache keine Verwendung finden sollten, ist ebenfalls zu streng. (S. 476) hinters kommt zwar überwiegend in der festen Wendung hinters Licht führen vor, übers ist aber z. B. in der Süddeutschen Zeitung mit 450 Belegen pro Jahr keineswegs selten.
Von einigen Verschmelzungen wird fälschlich behauptet, sie seien nicht mehr auflösbar: aufs Land, durchs Ziel, hinterm Berg halten, übers Herz bringen. (S. 478)
Nach alter Dudensitte wird es als falsch deklariert, wenn Verschmelzung und unverschmolzener Artikel bei Genus- und Numerusinkongruenz nebeneinanderstehen: Hier geht es zum Rathaus und der Markthalle. (S. 481) Solche Ausdrucksweisen sind aber allgemein üblich.
Zum AcI wird erklärt, er füge „zwei Handlungssätze zusammen bzw. vereinigt zwei Geschehensstränge:
Ich sehe meine Tante. Meine Tante liest ein Buch.
Ich sehe meine Tante ein Buch lesen.“ (S. 519)
Es wird aber nicht gezeigt, wie dies bei den später angeführten AcI-regierenden Verben machen, heißen und lassen funktionieren soll.
„Folgt ein mit bevor oder ehe eingeleiteter temporaler Nebensatz auf einen verneinten Satz, dann darf der bevor/ehe-Satz nicht gleichfalls verneint werden:
falsch: *Wir fahren nicht in Urlaub, bevor/ehe die Ferien nicht begonnen haben.“ usw. (S. 487, ähnlich anschließend für bis)
Das ist eine logisierende Besserwisserei gegenüber einem üblichen Sprachgebrauch, nicht nur im Deutschen. Im entsprechenden Dudenband wird dasselbe gelehrt, aber im Duden-Universalwörterbuch stehen anstandslos folgende Beispiele: du darfst keinen Urlaub nehmen, bevor deine Probezeit nicht abgelaufen ist; sie darf nicht fernsehen, bevor nicht ihre Hausaufgaben gemacht sind. (Dazu die einschlägige Literatur; Sandberg in Fs. Erben usw.)
Die Ablehnung des nachgestellten Genitivattributs wie in *der Sohn Matthias Müllers (S. 562) ist zu rigide.
Was dem einen sin Ul, ist dem andern sin Nachtigall. (S. 563) - Diese Dative werden irrigerweise nach dem possessiven Muster meiner Oma ihr Häuschen gedeutet; in Wirklichkeit handelt es sich um den Dativus iudicantis.
Der Grund, warum er das getan hat ... / Die Art, wie er sich bedankte ... (S. 590) - Hier sieht Thieroff indirekte Fragesätze. Es handelt sich eher um Relativsätze. Die Erklärung der freien Relativsätze S. 591 oben klingt verschroben; die generalisierende Bedeutung kommt nicht heraus.
„Der Relativsatz sollte in der Regel unmittelbar bei dem Substantiv stehen, auf das er sich bezieht.“ (S. 591)
Das ist unrealistisch. Auf jeder Zeitungsseite findet man mehrere Beispiele, für die es nicht zutrifft (Extraposition).
Die Beispiele werfen ein weiteres Problem auf:
Sie empfand eine besondere Zuneigung für den jungen Mann, derer sie sich nicht erwehren konnte.
Sie empfand eine besondere Zuneigung, derer sie sich nicht erwehren konnte, für den jungen Mann. (S. 592)
Auf S. 403 wird aber geraten, in solchen Fällen nicht derer, sondern deren zu verwenden.
Anders als bei Thieroffs Lehrer Eisenberg werden mein, kein usw. als Pronomen und nicht als Artikel aufgefaßt, sicher nicht richtig. Die Lehre vom Genus der Substantive (S. 291) ist sehr konventionell, Eisenberg hat das besser erfaßt (Genus als Rektionserscheinung).
Stilistik
Der letzte Teil des Buches, die „Stilistik“, besteht zur Hälfte aus den üblichen Anleitungen zum normgerechten Anfertigen von Geschäftsbriefen, Bewerbungsschreiben und dgl. Dagegen ist nichts zu sagen, auch wenn der Titel „Stilistik“ diesen Inhalt nicht unbedingt erwarten läßt. Der Rest ist ein wenig geordnetes Gemisch von Einzelhinweisen und antiquierter Stilkunde. Die Lehre von den drei „Stilebenen“ (S. 604) schließt ohne Umstände an die antike Überlieferung der drei Genera an. Soll denn heute noch gelten, „dass jeder Stoff die ihm entsprechende Darstellungsweise haben müsse“? Und warum wird so seltsam von der Forderung der antiken Rhetorik gesprochen, „aptum zu formulieren“? Für jemanden, der sich praktischen Rat erhofft, dürfte es ohne Belang sein, daß man die schlichte Erzählfolge „ordo naturalis nennt“ (S. 661). Definitionen und Beispiele für Metaphern, Antithesen, Chiasmen usw. dürften nur wenig Nutzen haben. Dabei wirken manche Definitionen recht linkisch: „Die Metapher ist eine Stilfigur, bei der das Gemeinte durch eine Vorstellung (meist ein Bild) ersetzt wird.“ (S. 613)
Der Text von Gotthelf (S. 605: ... es wehte sie allemal ein heimlich Grauen an) ist nicht „gehobener Stil“, sondern einfach historisch bzw. archaisierend; das müßte auseinandergehalten werden.
(Fortsetzung folgt)
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 16.01.2004 um 14.36
10.01. 2004 (Neue Westfälische)
26.000 Euro für die Rechtschreibung
Stadt-Stiftung hoch zufrieden mit Tombola-Ergebnis
Gütersloh. Über 22.000 Preise im Wert von etwa 82.400 Euro haben Lotterie-Fans bei der fünften Stadt-Stiftungs-Tombola gewonnen. Dieses vorläufige
Endergebnis zog Michael Jacobi, Geschäftsführer der Stadt-Stiftung Gütersloh. Zu den Hauptgewinnen gehörten eine A-Klasse von Mercedes, eine
hochwertige Einbauküche von Nobilia sowie eine Reise nach Mallorca. Den vorläufigen Reingewinn der Tombola bezifferte Jacobi mit rund 26.000 Euro.
"Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden und bedanken uns bei allen Güterslohern, die mit dem Kauf von 105.000 Losen gezeigt haben, dass sie die
Stadt-Stiftung und das Projekt ,Rechtschreiben erforschen - Lesen verstehen' für Gütersloher Kinder und Jugendliche unterstützen wollen", sagte Jacobi
nach Abschluss der Tombola.
Wie in den vergangenen Jahren habe die Zusammenarbeit mit den Tombola-Partnern reibungslos geklappt. "Unser Dank geht an die Stadt für das
unbürokratische Bereitstellen des Standortes und an den Organisator der Tombola, Harald Kirbach vom Wirtschaftsverlag NW, und seine Mitarbeiter.
Unser Dank gilt besonders allen Spendern von Gewinnen. Ohne sie wäre dieses Ergebnis nicht möglich gewesen", sagte Nina Spallek, stellvertretende
Geschäftsführerin der Stadt-Stiftung.
Der genaue Reinerlös der Tombola wird erst nach dem abschließenden Bericht durch einen Wirtschaftsprüfer und die Bezirksregierung Detmold im
Frühjahr 2004 feststehen und in das Projekt "ReLv (Rechtschreiben erforschen - Lesen verstehen)" fließen. Fünf Pilotschulen bilden die Projektgruppe,
die das innovative Konzept ReLv zum Vorbeugen und Beheben von Rechtschreib- und Leseschwächen entwickelt haben.
In den Pilotschulen ist ReLv bereits erfolgreich eingeführt und wird nun in Kooperation mit der Bildungs- und Schulberatungsstelle des Kreises evaluiert.
Zurzeit liegt der Schwerpunkt des Projektes auf der Rechtschreibung. Ein Lesekonzept soll folgen. Mit diesem Projekt werden Gütersloher Lehrerinnen
aktiv und nehmen die Verbesserung ihres Unterrichts selbst in die Hand.
Das Projekt soll auf Dauer alle interessierten Gütersloher Schulen darin unterstützen, dieses innovative Konzept einzusetzen. Viele Lehrkräfte in
Grundschulen haben bereits an Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen.
Weitere Schritte sind die Entwicklung einer geeigneten Software für Schüler, Eltern und Lehrer sowie die Einrichtung eines Beratungszentrums für Eltern
und Lehrer ab dem kommenden Sommer in der Stadtbibliothek.
Anm. von Th. I: Die Stadt Stiftung Gütersloh wurde 1996 von Reinhard Mohn gegründet. Im Kuratorium sitzen Liz Mohn und Mark Wössner.
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 25.11.2003 um 03.54
lipoid: fettliebend (Fett liebend; 1999 getilgt)
los haben [nach § 36 zusammenzuschreiben]
Lu-stration [usw., nach der zweiten Auflage falsche Trennung]
Lyra: Lira da braccio (Braccio)
Magister pharmaciae (Magister Pharmaciae; ebenso unter Mag. pharm.)
[Die Trennung Mahab-harata ist bemerkenswert!]
Mahatma: geistig hochstehend (hoch stehend)
Maître de plaisir (Plaisir)
Matthäi am letzten (am Letzten, 1999 getilgt)
Mandragora, Mandrill [neue Trennungen fehlen]
Manierismus: langgestreckt (lang gestreckt)
Manteltier: festsitzend (fest sitzend)
Manuskript: Maschine geschriebenes Schriftstück (maschinegeschriebenes)
Marengo: schwarz-, weiß- oder graumeliert (grau meliert usw.)
Maschinen geschrieben, Maschine geschrieben (maschinengeschrieben usw.)
Maß [1999 a. Mass]
mein: dieses Buch ist das Meine, Meinige (meine, meinige)
Mens sana in corpore sano (Corpore oder mens usw.)
Messa voce, Messa di voce (Voce)
Metallograph usw. [Variante auf -f fehlt]
Mikrochemie: klein-ste (kleins-te)
Milleniumsfeier, Milleni- (Millennium usw.)
Missing Link (Variante Missinglink fehlt)
Mitleidenschaft: mit schädigen (mitschädigen [passim])
mobil: behende (behände)
mobil: freischwebend (frei schwebend)
Modus procedendi, vivendi (Modus Procedendi, Vivendi)
Molekül: klein-ste (kleins-te)
Moleskin: aufgerauhtes (aufgerautes)
Molton: angerauhtes (angerautes)
Montagnard: hochgelegenes (hoch gelegenes)
morgen: Das Heute (das Heute)
Mundvoll (Mund voll)
munkeln: weiter erzählen (weitererzählen)
nahe: es ist nahe liegend [das ist grammatisch falsch]
namenlos: sie tut mir namenlos leid (Leid)
Narde: wohl riechend (wohlriechend, vgl. s. v. Myrrhe u. a.)
Neuwort: neugebildetes (neu gebildetes)
Nervus probandi (Probandi)
Nervus rerum (Rerum)
niederkni-en [falsche Trennung)]
Non scholae (non scholae)
Nummer: Nummer Sicher (auch: sicher)
Nutz bringend (nutzbringend)
Odeur: wohl riechend (wohlriechend)
olivgrün: bräunlichgrün (bräunlich grün)
Onestep (Onestepp; gegenüber amtl. Wörterliste korrigiert)
orange: rötlichgelb (rötlich gelb)
orgeln: tieftönend (tief tönend)
oval: länglichrund (länglich rund)
Pandekten: Corpus iuris (Corpus Iuris)
Papaverin: Krampf lösendes, Blutdruck senkendes (krampflösendes, blutdrucksenkendes)
parallel: gleichbleibendem (gleich bleibendem) (zweimal)
Pars pro toto (Toto)
Passade: Hohe Schule (hohe)
Passage: Hohe Schule (hohe)
Pavillon: freistehendes (frei stehendes)
Pedigree [falsche Transkription]
Pemmikan: kleingeschnittenes
Pentan: alipathisch (aliphatisch)
Perchten: Rauhnächten (Raunächten)
periculum in mora [falsches Komma]
Perigonium: gleichgestalteten (gleich gestalteten)
[Bei Phonograph usw. bestehen jeweils vier Möglichkeiten: Ph - ph, F - ph usw.)
Photogrammmetrie (mm)
photogrammmetrisch usw. (mm)
Photon Nv. / Foton Hv. (1999 umgekehrt!)
phytophag: pflanzenfressend (Pflanzen fressend)
Pillenknick: einer Empfängnis verhütenden Pille [1999 zusammengeschrieben]
Pluralis majestatis (Majestatis)
pochieren; garziehen (gar ziehen)
Präsentationsrecht: freigewordenen (frei gewordenen)
probefahren, probegefahren (Probe fahren, Probe gefahren)
[Ptolemäus - mit Lebensdaten - sonst sind aber keine Namen angeführt]
Punctum puncti (Puncti)
Punctum saliens [kein Maskulinum!]
pupipar: puppengebärend (Puppen gebärend)
pyrogen: Schmelzfuß (Schmelzfluss; 1999 heißt es "Schmelzfluß")
Quaestio: Qu. facti; Qu. iuris (Facti, Iuris)
rechte: rechtsstehend (insgesamt 6mal) (rechts stehend)
Reflek- usw. (Kasten) [Die neue Trennmöglichkeit Ref-lex, Ref-raktor usw. ist 1999 wieder gestrichen; Res-pekt allerdings bleibt erhalten]
Refrigerans: Fieber senkendes (fiebersenkendes)
Regens chori (Chori [2mal])
Regina coeli (Coeli)
Regula falsi (Falsi)
Regula fidei (Fidei)
rein halten [der Kasten enthält unzulängliche Information]
reinemachen, reinmachen (reine machen, reinmachen)
reparabel: wiedergutzumachen (wieder gutzumachen)
reproduzieren: wiederbeschaffen (wieder beschaffen)
richtig gehen [Kasten enthält falsche Begründung der Getrennschreibung]
Rosinante [hier wäre Hinweis auf das eigentlich männliche Geschlecht denkbar]
rotzen: schneuzen (schnäuzen)
rubbelig: rauh (rau)
rückenschwimmen [soll "nur im Infinitiv" üblich sein, aber gleich danach im Kasten steht das Partizip!]
Rudel: wildlebende (wild lebende)
Sanitäter: Erste Hilfe (erste Hilfe)
Saurier: schuppentragendes (Schuppen tragendes)
Schahinschah ( Schah-in-schah) [damit erübrigt sich die Trennung Scha-hin-schah]
scharf: scharfmachen (scharf machen)
scharfmachen (scharf machen)
Scharte: wiedergutmachen (wieder gutmachen)
schlimm: ich bin auf das schlimmste gefasst (Schlimmste)
schnauben: schneuzen, sich schneuzen (schnäuzen)
Schnecke: kaputt machen (kaputtmachen)
Schneise: freigehauener (frei gehauener)
schnipseln: kleinschneiden (klein schneiden)
Schnorchel w. [Duden kennt nur m.]
schönmachen: er hat schön gemacht (schöngemacht)
schreckenerregend (Schrecken erregend)
schroh: rauh (rau)
schwarzrotgolden (a. schwarz-rot-golden)
schwarzweiß (schwarz-weiß)
schwer reich (schwerreich [Neuschreibung 1999 rückgängig gemacht])
schwerwiegend (schwer wiegend)
Sciencefiction: phantasievoll [Nebenvariante! 1999 geändert]
Seemannsgarn: phantasievoll [ebenso]
seine, das Seine [falsche Erklärung im Kasten, § 58, nicht § 57 ist einschlägig]
Seite: auf seiten, von seiten, zu seiten (aufseiten usw., a. auf Seiten)
selbst entzündlich (selbstentzündlich [Neuschreibung 1999 rückgängig gemacht])
selbst schreibend (selbstschreibend [Neuschreibung 1999 rückgängig gemacht])
selten: Seltene Erden (seltene Erden)
Sequenz: aufeinanderfolgende (aufeinander folgende)
seriös: ernstgemeint (ernst gemeint)
sessil: festgewachsen, festsitzend (fest gewachsen, fest sitzend)
Shetland: graumeliert (grau meliert)
Shootingstar: schießender Medienheld [falsche Bedeutungsangabe]
sicher: Nummer Sicher (a. sicher [zweimal])
Sic transit gloria mundi (sic ...)
sieben: die sieben Freien Künste (freien)
Sierraleoner, sierraleonisch (Sierra-Leoner, sierra-leonisch)
Skaramuz: Commedia dell'arte (Arte)
Skatol: übelriechende (übel riechende)
Sketsch [keine Neuschreibung]
so oft [der Kasten enthält ein abwegiges Beispiel für "so genannt"]
sogenannt (so genannt)
soggen: vollsaugen (voll saugen)
Solei: hartgekochtes (hart gekochtes)
SolL. fertiggestellt (fertig gestellt)
Sommitäten: hochgestellte (hoch gestellte)
Sonant: selbsttönender, silbenbildender (selbst tönender, Silben bildender)
Song: nahestehendes (nahe stehendes)
sonst: [alle neuen Getrenntschreibungen wie sonst wo usw. mit falschem zweiten Akzent!])
soundso vielte (soundsovielte)
soviel: soviel wie usw. (so viel [6mal falsch!])
soweit: soweit (so weit [3mal falsch!])
sowenig: sowenig (so wenig [2mal falsch!])
sowohl: das Sowohl-Als-auch (Sowohl-als-auch)
sozial: Soziale Bienen [? 1999 gestrichen]
Spalier: hochgestellte (hoch gestellte)
Spartakusbund: linksstehender (links stehender)
Spenzer: enganliegendes (eng anliegendes)
Spinne: spinnefeind [inoffiziell zurückgenommen]
Splendid isolation (Isolation, auch Splendidisolation)
Stabat mater (Stabat Mater)
Stabat Mater: eigtl. Stabat mater dolorosa (1999: stabat mater ...)
Staffellauf: weiter gegeben (weitergegeben)
staken: vorwärtsbewegen (vorwärts bewegen)
Ständelwurz/Stendelwurz [der Eintrag - ein Prunkstück der Reform - fehlt ganz]
Statt: an Eides Statt usw. (statt [3mal falsch])
Staub saugen: staubgesaugt (Staub gesaugt [auch im Kasten falsch])
Staunen erregend [1999 auch wieder zusammengeschrieben]
Steak: kurzgebratene (kurz gebratene)
Steckbrief: bekanntgegebene (bekannt gegebene)
Stehleiter: freistehende (frei stehende)
Steigbügel: vorwärtszukommen (vorwärts zu kommen)
Steiger: aufsichtführender (Aufsicht führender)
Stichelhaar: rauhes (raues)
stichhalten (Stich halten [wie bisher])
Stinktier: übelriechendes (übel riechendes)
Straußwirtschaft: selbstgezogenen (selbst gezogenen)
Studium generale: allgemeinbildende (allgemein bildende)
stundenlang [der Kasten enthält abwegige Erklärung]
Sturm laufen [Kasten mit irrelevantem Beispiel]
Substan- [der Kasten mit den Trennungen Subs-tan usw. ist 1999 gestrichen]
Sulfonamid: bakterienhemmend (Bakterien hemmend)
Summum bonum (Summum Bonum)
Supra- [Kasten mit neuen Trennungen 1999 gestrichen]
Sursum corda: Sursum Corda
Swanboy: gerauhtes (gerautes)
Syna- [Kasten mit neuen Trennungen 1999 gestrichen]
Tackling: beim Ball führenden Gegner (ballführenden [auch 1999 noch falsch)]
täglich: alle so und soviel (so viel)
Taps: Tolpatsch (Tollpatsch)
tausend [1999 verschiedene Änderungen]
Teein [? Duden kennt nur Tein, Thein]
Termite: staatenbildend (Staaten bildend)
Tertium comparationis (Comparationis)
Thesaurus: Thesaurus linguae Latinae (Thesaurus Linguae latinae)
Thrips [kein Plural? Thripse!]
Thurn und Taxis: Thurn- und Taxis'sche Post (Thurn-und-Taxis'sche, thurn-und-taxissche Post)
tiefgreifend (tief greifend)
Tironische Noten (tironische)
todfeind (Todfeind)
totstellen (tot stellen [1999 nur dies geändert!]
Traktat [nur neutr.? besser mask.!]
Tranche: Transche [hier Hauptvariante, 1999 ganz gestrichen]
Transche [1999 gestrichen]
treugesinnt (treu gesinnt)
treusorgend (treu sorgend)
Triathlon: konbinierter (kombinierter)
Trivium: sieben Freien Kpnste (freien)
trockensitzen (trocken sitzen)
trockenstehen, trockengestanden (trocken stehen, trocken gestanden)
trotzdem: hat er recht (Recht [3mal falsch!])
Trümmer: kaputt gegangen (kaputtgegangen)
übelberaten - übel beraten (? 1999 gestrichen)
übelgesinnt (übel gesinnt)
überfressen: zuviel (zu viel)
Uhulele (Ukulele)
ultimo: am letzten (Letzten)
Universitas litterarum (Litterarum)
unser: dieses Haus ist das Unsere (unsere) usw.
unterbreiten: im (ihm)
upper ten, a. Upper-Ten (Upperten, a. Upper Ten [1999])
Vanitas vanitatum (Vanitatum)
Venia legendi (Legendi)
verbumfideln (verbumfiedeln)
Vereinzelte (stand bisher nicht im Duden, daher nicht eindeutig Neuschreibung)
Verfall: kaputt gehen (kaputtgehen)
vermeinen: irrtürmlich (irrtümlich, auch 1999 noch verdruckt)
verrennen: festhalten (? vgl. fest usw.)
verselbständigen - verselbstständigen usw. [irrtümlich als orthographische Variante angeführt; in der Neuauflage wird, wie auch in der gesamten Dudenliteratur, "selbständig" gar nicht mehr verwendet]
versterben [unrichtige Angabe über Tempusgebrauch]
Vertrauen erweckend usw. [auch Kasten - inzwischen auch Zusammenschreibung wieder zugelassen]
verwürzt: zuviel (zu viel)
verzetteln: zuviel (zu viel)
Vesikatorium: blasenziehend (Blasen ziehend [1999 vermieden])
vielsagend (viel sagend)
vielversprechend (viel versprechend)
Vivant: Vivant sequentes (Sequentes)
vollenden, vollends [Trennung!]
vollklimatisiert [kaum als "bedeutungsverstärkend" zu verstehen]
vorig: im vorigen (Vorigen)
vorsehen: heute abend (Abend)
vorstehen: im vorstehenden (Vorstehenden)
Waggon [wieso ist dies die eingedeutschte Form?]
warm, warm halten [1999 anders!]
Warmblüter: gleichbleibend (gleich bleibend)
warm laufen [1999 anders]
was: was Anderes (anderes)
weh: weh getan (wehgetan [Kasten])
Weichtier: schalentragend (Schalen tragend [1999 vermieden])
Weidmesser: feststehendes (fest stehendes [1999])
weitgehend usw. [1999 ganz anders!]
wettmachen: wiedergutmachen (wieder gutmachen)
wichsen: den Beischlaf ausüben [1999 richtig: onanieren]
wieder, wiederbekommen [auch Kasten - 1999 anders dargestellt]
wohltuend - wohl tuend [1999 ganz gestrichener Eintrag]
Wort: sinntragend (Sinn tragend)
x-te: das soundsovielte (Soundsovielte)
Yankee-doodle (Yankee Doodle)
zart besaitet [1999 auch wieder zartbesaitet]
zart fühlend [ebenso]
Zeitenfolge: Consecutio temporum (Temporum)
Zeit lang [auch für bayr. "Sehnsucht", 1999 wieder Zeitlang]
Zeit raubend, Zeit sparend [1999 auch wieder zusammen, falls gesteigert]
Zephir, Zephyr [nicht neu]
Zerberus, Cerberus [nicht neu]
Zervelat, Servelat [nicht neu]
Zooorchester [Ausführungen über Haupt- und Nebenvariante 1999 gestrichen]
zwei: Zweien, zu Zweien (zweien, zu zweien)
Es gibt Hunderte von Einträgen nach diesem Muster: feingeschnitten > fein geschnitten. Sie sind unzulässig, da es sich bei dem zusammengesetzten Wort mit einem Akzent um etwas anderes handelt als bei der Wortgruppe mit zwei Akzenten.
Tausende von Trennungen wie Fennos-kandia sind so skandalös, daß ihre Aufnahme in ein Wörterbuch sich von selbst verbieten sollte. Wer solche Wörter überhaupt gebraucht, weiß stets, wie sich zusammensetzen, und braucht keine "Erleichterung" nach dem Gehörseindruck.
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"... Eigenschaften, die alle Rat Suchenden zu schätzen wissen: eine sorgfältige, wissenschaftlich fundierte Bearbeitung ... Der alten Funktion eines jeden Wörterbuchs, Ratgeber und Wegweiser zu sein, wird damit auch die 'Neue deutsche Rechtschreibung' in schönster Weise gerecht."
(Aus dem Geleitwort von Dr. Klaus Heller, Rechtschreibreformer und selbst Bertelsmann-Autor)
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 25.11.2003 um 03.53
Weiß gar nicht mehr, ob meine alte Besprechung schon irgendwo steht. Hier ist sie (noch einmal):
Die neue deutsche Rechtschreibung, verfasst von Ursula Hermann, völlig neu bearbeitet und erweitert von Prof. Dr. Lutz Götze mit einem Geleitwort von Dr. Klaus Heller. Gütersloh: Bertelsmann Lexikon Verlag 1996.
Das rasche Erscheinen des vorliegenden Rechtschreibwörterbuchs im Sommer 1996 hat wesentlich dazu beigetragen, die Einsicht in die Revisionsbedürftigkeit der Rechtschreibreform zu fördern. Darin kann man ein Verdienst sehen.
Das Werk ist mit einem Geleitwort von Klaus Heller versehen, einem Mitarbeiter des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim. Auf diese Weise ist es dem Verlag möglich geworden, den Namen der Dudenstadt auf den Einband und den Medienkonzern mit dem Forschungsinstitut in eine zweifellos vorteilhafte Verbindung zu bringen.
Heller schreibt: "Das gewohnte Schriftbild bleibt soweit wie irgend möglich erhalten." Hier muß so weit getrennt geschrieben werden, da es sich nicht um die Konjunktion handelt, sondern um den hinweisenden Teil der Korrelativkonstruktion (vgl. Regelwerk § 39 E1 (2), aber E2 (2.4)). Im Wörterbuchteil steht allerdings: ich werde ihm soweit wie möglich nachgeben; aber: lauf so weit wie möglich. Ebenso: ich bin soweit, ich bin soweit fertig, er kann es sowenig wie ich. All dies ist falsch.
Auf das Geleitwort folgen die üblichen Benutzerhinweise, Umschriftalphabete und Korrekturanweisungen sowie eine vier Seiten umfassende Darstellung "Zur Geschichte der Rechtschreibung", für die der Herausgeber persönlich als Verfasser zeichnet. Sie ist sachlich und orthographisch mangelhaft.
Götzes Vorschau auf die amtlichen Regeln enthält weitere sachliche und orthographische Fehler, auf die hier nicht eingegangen werden soll, zumal sie in den (übrigens nicht gekennzeichneten) Nachauflagen teilweise schon korrigiert sind.
Es folgt ein Abdruck der amtlichen Regeln. Nach jeder Regel gibt der Herausgeber Hinweise auf die Unterschiede zur bisherigen Regelung. In diesen Abschnitten zeigt sich, daß Götze falsche Vorstellungen vom bisher gültigen Duden hat.
Zu § 32: Die Unterscheidung von Dank sagen/danksagen ist kein "Zweifelsfall" wie sitzen bleiben/sitzenbleiben und wird auch nicht auf wörtliche und übertragene Bedeutung zurückgeführt, sondern entspricht der doppelten Flexionsmöglichkeit sagt Dank vs. danksagt. - Zu § 34: Als bisherige Regelung wird abhandenkommen angeführt. Das ist falsch. Auch die Gegenüberstellung von bisherigem festhalten und neuem fest halten ist nicht korrekt, da beide Möglichkeiten mit unterschiedlicher Bedeutung immer gegeben waren und auch nach der Neuregelung erhalten bleiben. - Zu § 36: Hier wird zunächst wieder abhanden kommen fälschlich als Neuschreibung gekennzeichnet. Auch dicht behaart, hell strahlend, leuchtend rot, schwach bevölkert waren schon früher möglich; neu ist nur ihre ausschließliche Geltung. Gefangen nehmen gehört nicht unter diesen Paragraphen. - Zu § 37: Die Alternativschreibungen viertel Kilogramm/Viertelkilogramm usw. sind keineswegs neu. - Zu § 39: Es trifft nicht zu, daß eine bisherige Alternativschreibung an Hand/anhand durch die alleinige Schreibung anhand ersetzt worden wäre; auch das Wörterbuch selbst ist anderer Meinung. Die variante Schreibung auf Grund/aufgrund ist nicht neu. Aufseiten war ebensowenig die bisherige Norm wie mithilfe. - Zu § 45: Die vereindeutigenden Schreibungen Drucker-Zeugnis/Druck-Erzeugnis sind nicht neu. Kaffeeersatz war nicht die durch Kaffee-Ersatz/Kaffeeersatz zu ersetzende alte Schreibung. Entsprechendes gilt für Sollstärke gegenüber angeblich neuem Soll-Stärke/Sollstärke. Vgl. Duden (alt) R 33ff. Hier sind also sämtliche Beispiele fehlerhaft, außerdem ist der Kursivsatz falsch gehandhabt. - Zu § 51: Goetheausgabe ohne Bindestrich war keineswegs die allein mögliche Schreibung, Helsinkinachfolgekonferenz natürlich erst recht nicht. Vgl. R 135 und R 149 des alten Dudens. - Zu § 52: Daß die bisherige Schreibung Frankfurt Hauptbahnhof usw. durch eine alternative Schreibung mit Bindestrich ergänzt worden sei, ist nicht richtig, vgl. R 154. - Zu § 55: Dienstag mittag ist keine neue Alternativschreibung, sondern die abgeschaffte alte Schreibweise. Bei auf Grund wird der obengenannte Fehler wiederholt. - Zu §56: Hier wird die Toleranzregel, die viertel Pfund/Viertelpfund zur Wahl stellt, als "vorteilhaft" gelobt; sie entspricht aber dem bisherigen Gebrauch. Allerdings versuchte der Duden bisher, die beiden Schreibweisen mit unterschiedlichen Bedeutungsnuancen zu begründen. - Zu § 58: Neben auf das herzlichste ist künftig auch die Großschreibung zulässig. - Zu § 71: Die Kommasetzung bei mehreren attributiven Adjektiven ist keineswegs toleranter als bisher; das Beispiel neue computergestützte Lehrverfahren vs. neue, computergestützte Lehrverfahren entspricht vielmehr genau der bisherigen Regelung. - Zu § 108: Hier wird behauptet, -ss- werde neuerdings getrennt, wenn es "statt bisherigem -ß- steht". Darum geht es jedoch nicht, sondern um die Ersatzschreibung mit Typensätzen, die kein ß enthalten. -
Der größte Teil dieser erstaunlichen Irrtümer hätte sich durch einfaches Nachschlagen im alten Duden vermeiden lassen. Die fehlerhafte Darstellung der geltenden Regeln wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die von Götze so oft bekundete Befürwortung der Neuregelung.
Vor dem eigentlichen Wörterverzeichnis findet man eine alphabetische Kurzgrammatik.
Das Wörterverzeichnis enthält mehrere hundert rot umrandete "Kästen", in denen anläßlich von Beispielwörtern die wichtigsten Neuregelungen veranschaulicht werden. Die kritische Musterung folgt der alphabetischen Ordnung.
"Kleingeschrieben wird das Zahlwort: (...) achtjährig (8-jährig), die ersten acht. (...) In festen Verbindungen wird Acht großgeschrieben: Acht geben (...) Großgeschrieben werden darüber hinaus Substantivierungen: der/die/das Achte." Die Unterbringung der Homonyme im selben Kasten ist irreführend. - Der Kasten zu anders denkend lehrt anders geartet, anders gesinnt, aber im Wörterverzeichnis heißt es wie bisher andersgeartet, andersgesinnt. - Ein eigener Kasten zur Getrenntschreibung von besser gehen usw. scheint überflüssig, da derselbe Sachverhalt naturgemäß unter dem Positiv gut gehen seinen Platz hat und dort auch in einem weiteren Kasten angemessen dargestellt ist. - Blau machen soll "in Analogie" zu blau färben usw. getrennt geschrieben werden, d.h. zu solchen Verbindungen, bei denen das Adjektiv erweitert oder gesteigert werden kann - eine etwas rätselhafte, zudem systemwidrige Begründung. - Die neue ss-Schreibung wird u.a. am Beispiel Cashewnuss durch einen Kasten veranschaulicht, nicht etwa unter Nuss. Auffindbar ist sie allerdings ohnehin nur durch Zufall. - Der Kasten auf S. 291 lautet: "danebenstehen/daneben stehen: Zusammensetzungen aus Partikeln wie daneben und Verben werden in den unflektierten (nicht gebeugten) Formen zusammengeschrieben: in der Diskussion danebenstehen (= sich nicht hineinversetzen können)" (...) "Als Wortgruppe wird das Gefüge jedoch getrennt geschrieben: Er hat daneben gestanden. Ebenso: daneben sein, daneben gehen, daneben liegen, daneben schießen. § 34 E1". Hier und bei zahlreichen anderen Einträgen (dabeisitzen, darangehen, heraufgehen, übergehen, umfassen, widerhallen u.a., vgl. auch entlanggehen und preisgeben) ist kein Verständnis der Regel zu erkennen. - Unter eng anliegend heißt es: "Gefüge aus Adjektiv und Partizip werden im Einzelfall getrennt geschrieben." Was mag das bedeuten? - Bei fertig stellen, fertig bringen und anderen Fügungen mit fertig schreibt Götze: "Gefüge aus Adjektiv und Verb, bei denen das Adjektiv in dieser Verbindung steigerbar oder erweiterbar ist, werden getrennt geschrieben." (S. 384) Diese Bedingung ist aber beispielsweise bei fertig bringen gar nicht erfüllt. Einschlägig ist vielmehr die sonderbare Regel des amtlichen Regelwerks, wonach Adjektive auf -ig, -isch und -lich getrennt geschrieben werden. - Der Kasten Haus halten/haushalten stellt das grammatische Verhalten dieses Gefüges nicht zutreffend dar; die Schreibung haushalten, hausgehalten hat nach der Neuregelung keine Berechtigung mehr. - Superlativformen mit am "können" nicht, sondern müssen klein geschrieben werden (Kasten S. 467). - "In Gefügen aus Substantiv und Verb schreibt man das Substantiv groß: Er war gestern Klasse. [§ 34 E3 (5)]." Aber darum geht es nicht, sondern darum, daß klasse als Attribut klein geschrieben wird, als Prädikatsnomen hingegen nur noch groß (wo bisher die Option der Kleinschreibung bestand). Der zitierte Unterpunkt von § 34 bezieht sich auf Angst haben usw. und ist nicht einschlägig. - Linksgerichtet soll zusammengeschrieben werden, weil der erste Teil für eine Wortgruppe im Sinne von § 36 (1) steht, wohl nach links. Aber warum soll dasselbe auch für linksstehend gelten? (1999 geändert!) - Der Kasten Mitternacht/heute Mitternacht drückt sich in auffälliger Weise um die Beantwortung der Frage, ob die Zeitangabe neuerdings tatsächlich Dienstagmitternacht geschrieben werden muß, wie es nach § 55 anzunehmen, dort aber ebenfalls nicht ausdrücklich verzeichnet ist. Die Neuregelung heute Abend - morgen früh - Dienstagmorgen gehört bekanntlich zu den größten Absurditäten der Reform, was aber Götze nicht von dem Kommentar abhält: "Gegenüber der bisherigen Schreibung herrscht jetzt Klarheit." (S. 309) Die bisherige Schreibung war: heute abend - morgen früh - Dienstag morgen. Was ist daran unklar? - Die Zusammenschreibung von preisgeben wird irrtümlich auf § 34 (2.2.) bezogen. Einschlägig ist vielmehr die Liste § 34 (3). - Das untrennbare Verb rechtfertigen wird zu Unrecht auf § 34 bezogen, und das defektive rechtschreiben gehört wieder anderswohin. - Wieso Schlegel (´Rehkeule´) das Stammprinzip verwirklicht, ist nicht zu erkennen. - Zu selbständig/selbstständig bemerkt Götze: "Die bisherige Regelung - Tilgung des zweiten -st- - wird aufgehoben." Das trifft aus historischer Sicht nicht zu. Auch ist die Feststellung "Beide Schreibweisen sind korrekt" schief, da es sich nicht um zwei Schreibweisen desselben Wortes, sondern um zwei verschiedene Wörter handelt. - Die beiden (ungeschickterweise getrennten) Kästen auf S. 867 geben keine zutreffende Darstellung der Getrennt- und Zusammenschreibung von so oft bzw. sooft und ähnlichen Dubletten. Entscheidend ist der Unterschied zwischen dem hinweisenden so oft und der Konjunktion sooft. - Daß die "mehrteilige Konjunktion" sowohl als auch getrennt geschrieben wird, bedarf keines besonderen Hinweises, da die beiden Teile ja ohnehin nicht in Kontaktstellung vorkommen. - Unter statt liest man: "Das feste Gefüge schreibt man getrennt: an Eides statt. Aber: an meiner Statt/anstatt meiner." Wenige Zeilen später heißt es im laufenden Text: "an Kindes Statt, an Eides Statt, an Zahlungs Statt". - Der Kasten Staub saugen/staubsaugen verweist zwar auf § 33, läßt aber nicht erkennen, daß es dort keineswegs um Zusammenschreibung trennbarer Verben geht, sondern um das untrennbare staubsaugen (er staubsaugt usw.), das Götze im Gegensatz zum Duden überhaupt nicht zu kennen scheint. Das mehrmals angeführte staubgesaugt ist sowohl nach alter wie nach neuer Orthographie unrichtig. Als Muster einer zutreffenden Darstellung kann der Kasten zu gewährleisten/Gewähr leisten dienen. - Zu Tabula rasa meldet der Kasten: "Im Gegensatz zur bisherigen Schreibweise (tabula rasa) wird das fremdsprachige Substantiv mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben, da es sich nicht um ein Zitatwort handelt: Tabula rasa (machen). Ebenso: Terra incognita." Selbstverständlich stehen beide Ausdrücke genau so bereits im alten Duden. - Zu tropfnass, das auch schon im Regelwerk (§ 36) als Beispiel angeführt wird, sagt der Kasten: "Verbindungen aus einem Verbstamm und einem Adjektiv, bei denen der erste Bestandteil für eine Wortgruppe steht, schreibt man zusammen: das tropfnasse Hemd." Natürlich ist es für ein solches Kompositum ganz gleichgültig, "wofür" der erste Bestandteil steht. Durch die überflüssige Auskunft buchstabiert Götze den entsprechenden Abschnitt der amtlichen Regelung mit dankenswerter Klarheit aus. - Zu vereinzelt/Vereinzelte wird wiederum behauptet, die Großschreibung der Substantivierung stehe "im Gegensatz zur bisherigen Schreibweise", was jedoch nicht zutrifft. - Unter wiederholen wiederholt Götze einen alten Dudenfehler: Im Anschluß an Sie wollen das Geld wiederbekommen - als Beispiel der Zusammenschreibung in der Bedeutung ´zurück´ heißt es: "Ebenso: Sie wollen das Stück wiederholen. (Akzent auf dem Verb)." Gegen diese gar nicht hierhergehörige Bestimmung wird dann die Akzentuierung des getrennt zu schreibenden Verbkomplexes abgesetzt: "In der Bedeutung ´erneut, nochmals´ wird das Gefüge getrennt geschrieben (Akzent auf der Partikel wieder): Sie will die Trophäe wieder holen (= erneut)." - Die volksetymologische Schreibung Zierrat würdigt Götze in einem eigenen Kasten: "Analog zu der Vorrat wird zukünftig bei der Endung -rat ein vorausgehendes -r- geschrieben." Aber in dem Wort Vorrat ist -rat keine "Endung", sondern das Grundwort eines Kompositums. - Die Kennzeichnung von zu Gunsten in der Verbindung zu seinen Gunsten als neu ist irreführend. - In vielen Kästen findet man die Auskunft, bei Zusammensetzungen wie Schlammmasse würden jetzt "alle drei Konsonanten geschrieben"; es gibt aber hier keine drei Konsonanten, sondern nur einen, der allerdings jetzt dreimal geschrieben wird. - Viele Kästen sind überflüssig. So enthält der Kasten Kommuniqué/Kommunikee einfach noch einmal, was im laufenden Text des Wörterverzeichnisses ohnehin steht, daß nämlich das erste die Haupt- und das zweite die Nebenvariante sein soll.
Bei aller Fehlerhaftigkeit in Rechtschreibfragen ist das Werk politisch korrekt: "Es bleibt dem/der Schreibenden überlassen, ob er/sie statt der bisher üblichen Trennungsmöglichkeiten nach seiner/ihrer Aussprache trennt." Anstößige Wörter wie Emanze und Tippse sind nicht aufgenommen.
Bei dreieckig, durchackern, edel, Eja-, elektri-, Emi-, Eo- und einigen anderen Wörtern äußert Götze in eigens hierfür angelegten Kästen die Meinung, aus "ästhetischen Gründen" werde die Abtrennung einzelner Buchstaben nicht empfohlen. Das ist eine Zutat, die im Regelwerk keine Grundlage hat. Falsch ist die Trennung e-o ipso, vgl. §107 E. Die Schreibweise Schahinschah (ohne Bindestriche) ist von Götze neu eingeführt und zieht die befremdliche Trennung Scha-hinschah nach sich. - Zahllose Trennmöglichkeiten werden jedoch - wie im neuen Duden - gar nicht erst angegeben. Keines der neueren Wörterbücher will wahrhaben, daß nach den neuen Regeln vol-lenden (§ 112) getrennt werden kann. - Nicht die Trennung Bang-ladesh ist neu, sondern die englische: Ban-gladesh. - Sketsch ist keine Neuschreibung. - Barutsche ist alphabetisch falsch eingeordnet. - Schlag acht Uhr soll in der Schweiz und in Österreich weiterhin klein geschrieben werden. Das ist offenbar ein versehentlich stehengebliebener Rest der alten Dudennorm. Wohl aus Versehen schreibt Götze auch spinnefeind klein, während er inkonsequenterweise bei jdm. Feind sein die absurde Neuregelung pünktlich befolgt.
Bei der Großschreibung lateinischer Substantive herrscht Unsicherheit: Alma mater, aber Alma Mater s.v. Ultima Ratio. Vgl. auch Corpus delicti, Corpus iuris, (aber Corpus Iuris canonici), Alter ego. Einschlägig ist § 55 (3), der für den substantivischen Teil Großschreibung verlangt.
Götze löst in vermeintlicher Befolgung der neuen Getrenntschreibung die infiniten Formen maschinenschreiben und maschinengeschrieben (mit dem Fugen-n, das eindeutig auf Komposition hinweist) in Maschinen schreiben und Maschinen geschrieben auf. - Einträge vom Typ "harntreibend; ein Harn treibendes Mittel" tragen auch nicht zur Klärung bei.
Das Buch enthält so viele Fehler, daß nicht einmal eine repräsentative Auswahl vorgeführt werden kann. Das ist jedoch kein großer Schaden. Die bevorstehende Revision der Rechtschreibreform durch eine zwischenstaatliche Kommission führt zwangsläufig dazu, daß alle bisher ausgelieferten neuen Wörterbücher in Kürze überholt sein werden. Dadurch verliert die außerordentliche Fehlerhaftigkeit des vorliegenden Werkes an Gewicht.
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Bemerkungen zum Wörterverzeichnis (Stichwort, falscher Eintrag und in Klammern die richtige Schreibung, letztere meist nach der zweiten Auflage 1999):
ab-olieren [1999 auch a-bolieren - ähnlich in vielen Fällen]
Academy award (Award)
ach: ach und weh schreien (Ach und Weh)
Ach-romat usw. [1999 gestrichene Trennung]
Acid [falsche Betonung und Aussprache]
Addisonsche Krankheit (addisonsche)
ähnlich: Solches (solches)
Aide-mémoire (Aide-Mémoire)
Air mail (Airmail)
à jour: eingefaßt (eingefasst)
Alba-tros [1999 auch Albat-ros]
alles [zweimal und im Kasten: alles Andere; 1999 andere]
Alliteration: aufeinanderfolgender (aufeinander folgender)
Alma mater (Mater)
Alter ego (Ego)
amen: ja und amen sagen (Ja und Amen)
Amoklaufen [der Eintrag ist fehlkonstruiert, da Amok laufen abgehandelt wird]
Amor fati (Fati)
Anakoluth [Trennung An-akoluth vergessen; 1999 nachgetragen]
Anaphora: aufeinanderfolgenden (aufeinander folgenden)
anastatisch: neubildend (neu bildend)
anazyklisch: gleichlautend (gleich lautend)
Ancie régime (Régime)
Angina pectoris (Pectoris)
Angry young men (Men)
anhand: an Hand [nur noch zusammen!]
ankreiden: übelnehmen (übel nehmen)
Anno [mehrmals mit falscher Großschreibung]
an Stelle [nicht neu]
Apertivum: Appetit anregendes (appetitanregendes)
Après nous le déluge (Déluge); Eintrag [1999 gestrichen])
archimedisch: Archimedisches Prinzip (archimedisches)
Arm: zwei Armvoll (Arm voll)
Armesünder [? 1999 gestrichen; Armensünderglocke geändert zu Armen-Sünder-Glocke]
Aß (As)
Audiatur et altera pars (audiatur)
auf haben (aufhaben)
ausdrucken: fertigdrucken (fertig drucken)
ausgerechnet: muß (muss)
au-stral [diese Trennung 1999 gestrichen, dafür aust-ral eingeführt, ebenso zahlreiche weitere Wörter wie Australien, austronesisch]
Axolotl: atzek. (aztek.)
Banjo: 9saitiges (9-saitiges)
Bakteriophage: bakterienvernichtendes (Bakterien vernichtendes)
Bakterizid: bakterientötendes (Bakterien tötendes)
bankrott [Kasten: es geht nicht um "in (den) Bankrott gehen", sondern um Bankrott gehen! Ebenso noch 1999]
Barograph: selbstaufzeichnender [? 1999 gestrichen]
beelenden: leid tun (Leid tun)
befriedigen: zufriedenstellen (zufrieden stellen)
beidemal (beide Mal [auch im Kasten])
Bel-Paese (Belpaese, Bel Paese)
Berapp: rauher (rauer)
besaiten: zartbesaiteter (zart besaiteter)
Besorgnis erregend [1999 auch wieder zusammen]
Bessergestellte (1999 auch besser Gestellte)
Bezoar: Gemse (Gämse)
Biblia pauperum (Pauperum)
bibliophil: bücherliebend (Bücher liebend)
Bircher-Müesli (Birchermüesli)
blau machen (blaumachen)
bleu: grünlichblau (grünlich blau)
bleuen (bläuen) [Bleuel ist 1999 gestrichen]
blindfliegen (1999 "fachsprachl.", sonst blind fliegen)
blutstillend (Blut stillend)
Bobs-leigh [Trennung 1990 gestrichen]
böse: jenseits von Gut und Böse (gut und böse)
Boy-Scout (Boyscout)
Braunsche Röhre (braunsche Röhre, Braun'sche Röhre)
Buch: buchführend (Buch führend)
Business Card (Businesscard)
Business Class (Businessclass)
Capriole: Hohe Schule (hohe Schule)
Captatio benevolentiae (Benevolentiae)
Carnet des passages (Passages)
Carpe diem (carpe diem)
Casus: Casus belli (Belli)
Casus: Casus foederis (Foederis)
Ceterum censeo ... (ceterum ...)
Chacun à son goût (chacun ...
Chamois: Gems- (Gäms-)
Chapeau claque (Claque)
Cogito, ergo sum (cogito ...)
Commis voyageur (Voyageur)
Consecutio temporum (Temporum)
Consilium abeundi (Abeundi)
Contradictio in adjecto (Adjecto)
Corpus delicti (Delicti)
Corpus iuris (Iuris)
Cortisches Organ (cortisches, Corti'sches)
Costaricaner (Costa-Ricaner)
costaricanisch (costa-ricanisch)
Courbette: Hohe Schule (hohe)
Creek: wasserführend (Wasser führend)
Crêpe de Chine usw. [stets wird statt "Krepp" die Nebenvariante angeführt!]
Crepon: rauher (rauer)
Croß-Country [das war nicht die Dudenschreibweise]
Cui bono (cui): Wem (wem), Wer (wer)
Curriculum vitae (Vitae)
dabeisitzen [die Auskunft in allen diesen Kästen, daß in nichtflektierten Formen zusammengeschrieben werde, ist falsch!]
dafürkönnen [1999 auch getrennt]
Danzig: Gdánsk (Gdansk)
dauern: leid tun (Leid tun)
Davysche Lampe (davysche, Davy'sche)
De gustibus ... (de gustibus ...)
delikat: zartfühlend (zart fühlend)
Demon-strant usw. [diese Trennung ist nicht mehr erlaubt]
De mortuis ... (de mortuis)
Deukaloinische (Deukalionische)
Deus ex machina (Machina)
Diaphoretikum: Schweiß treibendes (schweißtreibendes)
diensthabend (Dienst habend)
dienstleistend (Dienst leistend)
diensttuend (Dienst tuend)
Dies irae (Irae)
Dingo: wildlebender (wild lebender)
Diskjockey (1999 Diskjockei [Regelwerk nur: -jockey])
Divide ... (divide ...)
Do it yourself (do ...)
Dolce vita (auch Dolcevita)
Do ut des (do ...)
draufgehen: verlorengehen (verloren gehen)
drei: unter uns Dreien, zu Dreien (unter uns dreien, zu dreien)
Dutchman: englischsprechender (Englisch sprechender)
Early-Bird (Earlybird, Early Bird)
Eau de Cologne: Kölnisch Wasser (Kölnischwasser)
ehest: mit ehestem (Ehestem)
einbringlich: gewinnbringend (Gewinn bringend [vgl. s. v. und 1999])
einschänken, Kaffee einschänken (einschenken)
einseifen: zum besten haben (zum Besten haben)
eisblau: grünlichblau (grünlich blau)
Eklat: aufsehenerregendes (Aufsehen erregendes; vgl. s. v.)
eklatant: aufsehenerregend (Aufsehen erregend)
En-ergie usw. [1999 nur noch E-nergie usw.]
eng: auf das engste (auch Engste)
eng anliegend [Kasten: das Beispiel "Das Kleid ist eng anliegend" wird 1999 durch ein weniger fragwürdiges ersetzt]
Epiphora: aufeinanderfolgender (aufeinander folgender)
epochal: aufsehenerregend (Aufsehen erregend)
epochemachend (Epoche machend)
Erdharz: Asfalt (Asphalt [Asfalt war in früherer Reform vorgesehen])
erfolgversprechend (Erfolg versprechend)
Ergograph Nv. = Ergograf Hv. [1999 umgekehrt]
Errare ... (errare ...)
Eurhythmie [falscher Eintrag, vgl. 1999]
Eustachische Röhre (eustachische)
Eustachische Tube (eustachische)
Evaporimeter: Verdun-stungsmesser (Verduns-tungsmesser)
Ex oriente lux (ex ...)
Expander: auseinandergezogen (auseinander gezogen)
expandieren: auseinanderziehen (auseinander ziehen)
Extrakt: kurzgefasste (kurz gefasste)
Facultas docendi (Docendi)
Fahrenheit: 180teiligen (180-teiligen)
Fancy: rauher (rauer)
fatieren: bekanntgeben (bekannt geben)
Federlesens (Federlesen)
(Fermate: Aus- halten)
fernhalten (fern halten)
fertig: fertigmachen (fertig machen)
fertigmachen (fertig machen)
festangestellt (fest angestellt)
festbesoldet (fest besoldet)
Fin de siècle (Fin de Siècle)
Fines herbes (Fines Herbes)
Flanell: gerauhter (gerauter)
fleischgeworden (Fleisch geworden)
fliegende Fische (Fliegende Fische)
Flugfisch: fliegender Fisch (Fliegender Fisch)
Flughund: fliegender Hund (Fliegender Hund)
fortlaufend: numeriert (nummeriert)
Fotogrammmetrie/Photo- (Fotogrammetrie usw.)
fotogrammmetrisch/photo- (fotogrammetrisch usw.)
Foulé: gerauhter (gerauter)
Fraunhofersche Linien (fraunhofersche, Fraunhofer'sche)
frei: die Sieben Freien Künste (die sieben freien Künste)
die Freien Reichsstädte (freien)
frei bekommen (freibekommen)
frei haben (freihaben)
Frikassee: kleingeschnittenes (klein geschnittenes)
früh: heute früh usw. (auch: heute Früh usw.)
fürs: fürs erste (fürs Erste)
Galbensaft: Stengel (Stängel)
Gasträs (Gasträa)
Gefahr drohend (gefahrdrohend; 1999 gestrichen)
gelb: gelbe Rübe (Gelbe Rübe)
Genie: hochbegabter (hoch begabter)
Genitivus: G. qualitatis (Qualitatis)
Genius: G. loci (Loci)
Genus: Genus verbi (Verbi)
gerichtlich: a. Gerichtliche Medizin (1999 nur noch klein!)
gering achten: mußten (mussten)
Gewinn bringend (1999 undifferenziert gleichwertig mit gewinnbringend)
glatt: glattgehen (glatt gehen)
glattlegen (glatt legen)
glattschleifen (glatt schleifen)
glattstreichen (glatt streichen)
glattziehen (glatt ziehen)
gleichbedeutend (gleich bedeutend)
gleichbleiben (gleich bleiben)
Gnade: Höhergestellte (höher Gestellte)
Graecum: Gräkum [nicht mehr zulässig!]
Gräkum [1999 gestrichen, obwohl im amtlichen Wörterverzeichnis]
Grand mal (Mal)
Grand Prix (a. Grandprix)
granieren: aufrauhen (aufrauen)
Gratulationscours: hochgestellten (hoch gestellten)
grau: Grau in Grau (grau in grau; [vgl. amtl. Wvz. s. v. blau!])
Grauen erregend (a. grauenerregend)
graulich: furchterregend (Furcht erregend)
gregorianisch: der Gregorianische Choral (gregorianische)
-: Gregorianischer Kalender (gregorianischer)
Griffon: rauhhaariger (rauhaariger)
Grimmsch (grimmsch; Grimm'sch)
-: die Grimmschen Märchen (grimmschen, Grimm'schen)
-: das Grimmsche Wörterbuch (grimmsche, Grimm'sche)
Gruftie: dazu gehört (dazugehört)
Gürtelrose: Herpes zoster (Zoster)
gut: was gut und böse ist (Gut und Böse)
gutgesinnt, gutgesinnte Menschen (gut gesinnt, gut gesinnte)
gut stehen [? 1999 gestrichen]
Habeas-corpus-Akte (Habeas-Corpus-Akte; [1999 nur Habeascorpusakte])
haben: habt acht (habt Acht)
Habtachtstellung: Habt acht (Acht)
Haché [? 1999 gestrichen]
Hagiograph usw. [Haupt- und Nebenvariante 1999 andersherum]
halb: ein halbes Maß Bier (eine halbe Maß Bier [1999 a. Mass!])
Hallenkirche: gleichhohen (gleich hohen)
halten: sich jdn. warm halten (warmhalten)
Hand: an Hand (anhand)
Handicap [nicht neu]
handicapen [nicht neu]
Handicapper [nicht neu]
harntreibend: ein Harn treibendes Mittel [wie denn nun?]
hart gesotten: hart gesottener Sünder [Duden: hartgesottener]
Haschee: feingeschnittenes (fein geschnittenes)
Haus halten [im Kasten falsche Darstellung]
hausschlachten: selbstgeschlachteten (selbst geschlachteten)
Haut mal (Haut Mal)
-: Grand mal (Grand Mal)
Hawaii-Inseln (a. Hawaiiinseln)
Hegelsch (hegelsch, Hegel'sch)
-: die Hegelsche Philosophie (hegelsche, Hegel'sche)
Herbstling; spätgeborenes (spät geborenes)
Hero-strat, Heros-trat (a. Herost-rat)
Herpes zoster (Zoster [1999 gestrichen])
Herzangst: Angina pectoris (Pectoris)
Herzbräune: Angina pectoris (Pectoris)
Hic Rhodus (hic)
hierzulande: bei uns zulande [unter zu Lande nur getrennt!]
hinterherkommen: als letzter (als Letzter)
hochachten (hoch achten
hochbegabt (hoch begabt)
hochentwickelt (hoch entwickelt)
hochgeachtet (hoch geachtet)
hochgebildet (hoch gebildet)
hochgeschätzt (hoch geschätzt)
hochgestellt (hoch gestellt)
hochgewachsen (hoch gewachsen)
höchst: aufs höchste (a. Höchste)
hochstehend (hoch stehend)
Hohelied (Hohe Lied)
Hohepriester (Hohe Priester)
höher: Höhere Schule (höhere Schule)
Hohneujahr: Rauhnächte (Raunächte)
Holmium: Seltene Erden (seltene Erden)
Homo: Homo faber (Homo Faber)
Homöoplastik: verlorengegangener (verloren gegangener)
homöotherm: gleichbleibender (gleich bleibender)
honen: feinschleifen (fein schleifen)
hops gehen (hopsgehen)
hops nehmen (hopsnehmen)
Hornuss (Hornuß)
-: Hornussen (Hornußen)
Hornussen (Hornußen)
Horror vacui (Vacui)
Hört-hört-Ruf (1999: Hörthörtruf)
Huygenssches Prinzip (huygenssches, Huygens'sches)
Hydra- [Kasten 1999 gestrichen]
Hyprvitaminaose: langandauernder (lang andauernder)
Hypokotyl: Keimstengel (Keimstängel)
I-Punkt (i-Punkt)
Ideogramm [falsche Erklärung der chines. Schrift]
Iguanodon: halbaufrechtes (halb aufrechtes)
ihr: das Ihre [auch klein]
ihrige: das Ihrige [auch klein]
in brevi: in Kurzem (in kurzem)
Index: Index librorum (Librorum)
Indu-strie usw. [keine zulässige Trennung mehr]
Inexistenz: in etwas Anderem (anderem)
inkarniert: fleischgeworden, menschgeworden (Fleisch, Mensch geworden)
inkonstant: gleichbleibend (gleich bleibend)
Inkubus: Alpdruck, Alptraumdämon (Albdruck, Abtraumdämon)
innehaben: mußten (mussten)
Insertion: Stengel (Stängel)
insonderheit (in Sonderheit)
Inspe- [Kasten 1999 gestrichen]
Isothermie: gleichbleibende (gleich bleibende)
jammern: er tut mir leid (Leid)
jede: jedesmal (jedes Mal) [2mal]
jemand: jemand Anderer, Anderem, Anderen (anderer usw.)
Jiu-Jitsu: Dschiu-Dschitsu [1999 gestrichen]
Joch: soviel (so viel)
Joint Venture: Zusammenschluß (-schluss)
josephinisch: josephinisches Zeitalter (Josephinisches)
Jugendwerkhof: schwererziehbare (schwer erziehbare)
juristisch: juri-stische (juris-tische)
Jus: Jus ad rem (Rem), Jus gentium (Gentium), Jus primae noctis (Noctis)
Kabrio: Carbiolet (Cabriolet)
Kalender: Gregorianischer, Julianischer, Hundertjähriger [alles klein!]
kanzerogen: kreberzeugend (Krebs erzeugend)
Kapitalismus: des einzelnen (Einzelnen)
Kardätsche: Aufrauhen (Aufrauen)
kanivor: fleischfressend (Fleisch fressend)
karzinogen: krebserzeugend (Krebs erzeugend)
Kausche: gespleißt (gesplissen)
kollegial: freundlichvertraut (freundlich vertraut)
kölnisch: Kölnisch Wasser (Kölnischwasser)
Konkla- [Kasten 1999 gestrichen; Trennungen wie Konk-lave zurückgenommen]
konkordant: gleichgelagert (gleich gelagert)
Konspe- [Kasten 1999 gestrichen]
Konstri- [Kasten 1999 gestrichen]
konzis: kurzgefasst (kurz gefasst)
kracken: schwersiedend, leichtsiedend (schwer, leicht siedend)
krank: krankmachen (krank machen)
krankmachen (krank machen)
Krepitation: rauher (rauer)
kund: bekanntgeben (bekannt geben)
kurzhalten (kurz halten)
kurztreten (kurz treten)
Ladanum: wohl riechendes Harz (wohlriechendes)
Lançade: Hohe Schule (hohe Schule)
Land: bei uns zu Lande; im Kasten: bei uns zulande/zu Lande
Landstörtzer (Landstörzer)
Lanthan: Seltene Erden (seltene Erden)
Laos [falsche Betonung angegeben]
Lapis philosophorum (Lapis Philosophorum)
Lapsus calami, linguae, memoriae (Lapsus Calami, Linguae, Memoriae)
larg-hetto (lar-ghetto)
L'art pour l'art (L'Art pour l'Art oder l'art pour l'art)
Latin-Lover (Latin Lover oder Latinlover)
L'état c'est moi (L'État c'est moi oder l'état c'est moi)
Linearzeichnung: Umrißzeichnung (Umriss-)
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Th. Ickler
eingetragen von meckes am 26.07.2003 um 19.39
Zwischen dem Bundesverfassungsgericht und Bertelsmann muß es eine besondere Verbindung geben, wie es m. E. im vorliegenden Fall (hat allerdings nichts mit der RSR zu tun) ersichtlich ist:
Verfassungsgericht schützt Bertelsmann vorerst vor Napster-Klage
eingetragen von Sigmar Salzburg am 11.06.2003 um 16.24
... neuentlehnte Verben wie saven, timen,...
In der nördlichen Provinzhauptstadtszeitung der letzten Monate fand ich nur:
Als abwechslungsreich und gut getimt erwies der Programmablauf.
Der Reigen an der Bühnenfront ist kunterbunt, dramatisch gut getimt
die gut getimten Highlights
einen hervorragend getimten Flankenball
... für meine Begriffe unerfreuliche Schreibweisen, da das „e" hinter dem „m" im Englischen erst die [ai]-Lautung des „i" erzeugt.
Ähnliche Beispiele:
Das emotional hoch getunte Nachbarschaftspersonal auf dem russischen Landgut Wojnizew;
die aufgetunten Bikes; gefaketen Facts
Angesichts dieser Probleme ist die Emsigkeit der Reformer in der Stängel/Gämsen-Frage eine Groteske.
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Sigmar Salzburg
eingetragen von Theodor Ickler am 11.06.2003 um 13.49
In dem weiter unten besprochenen Buch werden die "korrekten" Formen neuentlehnter Verben wie saven, timen, downloaden, forwarden, updaten gelehrt. Allerdings scheinen mir einige frei erfunden. Für timtest, savtest, forwardetest habe ich sogar bei Google keine Belege gefunden, obwohl sich doch dort das PC-Völkchen allerhand leistet. Umgekehrt ist das angeblich unzulässige forgewardet durchaus belegbar.
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Th. Ickler
eingetragen von Reinhard Markner am 27.05.2003 um 09.58
Bedenken gegen Bertelsmann
Wäre Bertelsmann kein Medienkonzern, sondern ein Touristikunternehmen, so stände unter seinen Angeboten höchstwahrscheinlich eines obenan: die All-inclusive-Ferien. Wie Reiseveranstalter unter dem Versprechen grösstmöglichen Komforts ihre Kunden dazu bringen wollen, dass sie alle Bedürfnisse an einer einzigen Quelle stillen, so träumt sich Bertelsmanns Verlagsgruppe Random House den Buchmarkt zurecht. Als wir deren Chef in Deutschland, Jörg Pfuhl, nach der publik gewordenen Übernahme der Axel-Springer-Buchverlage im Februar fragten, worin der Vorzug dieses Grössenwachstums bestehe, antwortete er: «Der Buchhandel bekommt ein komplettes Programm aus einer Hand.» Auch Autoren gedachte Pfuhl durch «Komplettservice» zu binden. Was er damit meine? Antwort: Den grösseren Check. Die bessere Betreuung. Den besten Werbeauftritt. Den meisten Umsatz.
Träume eines Monopolisten in spe? Leicht nachvollziehbar, wie Pfuhl im Geiste das Servicepotenzial seiner Verlage nach dem jüngsten Übernahmecoup überschlug: Zu den bereits zu Random House gehörenden Verlagen wie Goldmann, Blessing, Knaus, Luchterhand und Siedler würden sich nun auch noch Heyne, Ullstein, List, Econ, Claassen und einige weitere gesellen. Jede marktrelevante Zielgruppe könnte mit dem speziell für sie geeigneten Produkt beglückt werden. Dem steht vorerst jedoch das deutsche Kartellamt entgegen. Die Wettbewerbshüter in Bonn haben Random House eine Abmahnung geschickt, wonach sie die Übernahme von Ullstein & Co. für nicht genehmigungsfähig erachten. Im Fall einer Fusion würde die Verlagsgruppe im Geschäft mit deutschsprachigen Taschenbüchern die Verbotsgrenze von einem Drittel Marktanteil deutlich überschreiten und sähe sich in den Stand versetzt, ihre Position als Marktführer in diesem Segment zu zementieren. Eine endgültige Entscheidung will das Kartellamt Ende Juni fällen.
Schon jetzt aber darf man fragen: Wenn die Wettbewerbshüter nicht in diesem Fall bremsend eingreifen, wann sonst? Mit Goldmann und Heyne befänden sich andernfalls der grösste und der zweitgrösste Taschenbuchverlag unter einem Dach. Peter S. Fritz, Chef der gleichnamigen internationalen Literaturagentur in Zürich, hat einmal überschlagen, wie viele der 300 zurzeit mit deutschen Verlagen laufenden Verträge im Falle der Fusion auf Random House entfielen, und kommt auf einen Anteil von 38 Prozent. Fritz betrachtet das Beieinander von Goldmann und Heyne «mit grösster Besorgnis». Die Möglichkeit, im Geschäft mit Autorenrechten zwischen konkurrierenden Interessenten zu wählen, werde dramatisch beschnitten.
Die Buchhändler, selbst die Grossen der Branche, haben sich aus Furcht vor Bertelsmann nicht zum Kartellrechtsverfahren laden lassen, aber wenn man verspricht, sie nicht namentlich zu zitieren, reden sie doch: Eigentlich müsse innerhalb des unterhaltenden Taschenbuchs auch der «Boulevard» als eigener Teilmarkt gerechnet werden, namentlich der Flughafen- und Bahnhofsbuchhandel mit seiner «schnelldrehenden» Unterhaltungsliteratur. Hier bestritten Goldmann, Heyne und der nicht zu Random House gehörende Verlag Bastei-Lübbe gar zu 95 Prozent das Geschäft. Das Kartellamt, so der Tenor unter den Buchhändlern, dürfe die Übernahme nur genehmigen, wenn Random House den Heyne-Verlag abgebe.
Die Wettbewerbshüter werden ihre Entscheidung an ökonomischen Kriterien ausrichten, eine Kulturdiskussion, wie sie etwa in der «FAZ» die Kontrahenten Michael Krüger (Hanser-Verlag) und Klaus Eck (Random House) angezettelt haben, brauchen sie nicht zu führen. Und ist sie nicht auch überflüssig? Könnten anspruchsvolle Verlage und ihr Publikum nicht den Standpunkt beziehen, Bertelsmanns Marktbeherrschung betreffe doch nur die Unterhaltungsliteratur, und was Goldmann und Heyne am Boulevard trieben, dürfe ihnen gleichgültig sein? Dass die Dinge vertrackter sind, verrät der Umstand, dass sogar ein in der Nische operierender Verlag wie Wallstein, ein Haus mit hohen literarischen Ansprüchen, beim Kartellamt Antrag auf Gehör gestellt hat.
Wie alle Hardcover-Verlage benötigt Wallstein, um rentabel zu sein, für seine Bücher eine Zweitverwertung im Taschenbuch. Von der drohenden Fusion befürchtet Verleger Thedel von Wallmoden eine noch stärkere Konzentration auf umsatzstarke Titel: Die Mittel, die dafür ausgegeben werden, fehlten den Taschenbuchverlagen dann für Lizenzankäufe in der Nische. Der Markt werde enger. Es ist eine alte Lektion: Verändern sich die allgemeinen Rahmenbedingungen für die verlegerische Mischkalkulation, so hat das Folgen für die Vielfalt der Programme. Diese Verschwisterung von Kultur und Ökonomie macht das Kartellrechtsverfahren in Sachen Random House / Axel Springer so brisant.
Joachim Güntner
NZZ, 27. 5. 2003
eingetragen von Sigmar Salzburg am 23.05.2003 um 18.09
[Ickler] Unter dem Titel "Substantiv plus Verb in unfester Verbindung" lehrt Dittmann Not tun und Pleite gehen, ohne sich einen kritischen Kommentar zu diesen absurden Reformschreibungen zu erlauben.
Dazu stelle man sich Friedrich Nietzsche reformiert vor:
Schaffen - das ist die grosse Erlösung vom Leiden, und des Lebens Leichtwerden. Aber dass der Schaffende sei, dazu selber thut Leid noth und viel Verwandelung.
(Also sprach Zarathustra: Auf den glückseligen Inseln)
PS: Ich habe noch einmal nachgesehen: Wenn meine Quelle richtig ist, hat Nietzsche im Zarathustra "thut noth" je zur Hälfte klein und zur Hälfte groß geschrieben.
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Sigmar Salzburg
eingetragen von Theodor Ickler am 23.05.2003 um 15.12
Wahrig: Fehlerfreies und gutes Deutsch. Gütersloh 2003.
Der Band ist in äußerer Aufmachung und Titel so weit an Duden Bd. 9: "Richtiges und gutes Deutsch" angeglichen, wie es wohl gerade noch möglich ist, ohne rechtliche Schritte heraufzubeschwören.
Die Rechtschreibung ist von Jürgen Dittmann, die Grammatik von Rolf Thieroff, Zeichensetzung und Stilistik von dem FAZ-Redakteur Ulrich Adolphs.
Orthographische Beratung: Klaus Heller
Grammatische Beratung: Lutz Götze
(Der Eisenberg-Schüler Thieroff ist im Gegensatz zu Götze habilitierter Germanist und Grammatikspezialist; daher ist das Beratungsverhältnis etwas ungewöhnlich.)
Das Werk soll über 6000 Fragen beantworten, man erkennt aber nicht, welche es sein könnten.
Die Rechtschreibung umfaßt 202 Seiten, davon gut 56 Seiten für die Kommasetzung.
Anders als der Dudenband "Richtiges und gutes Deutsch", an dessen Titel sich das Bertelsmann-Werk offenbar anlehnt, ist dieses nicht alphabetisch geordnet, sondern auf die Rechtschreibung folgt eine nach Wortarten gegliederte Grammatik, dann eine "Stilistik". Dadurch wird das Nachschlagen in einem umfangreichen Register (rund 240 Seiten!) erforderlich. Trotz des enormen Umfangs enthält aber das Register bei weitem nicht alle Stichwörter des Hauptteils. Unter Ding/Dinger wird zwar auf den Abschnitt der Stilistik verwiesen, in dem es fälschlicherweise heißt, die jungen Dinger beziehe sich auf "Heranwachsende", aber daß in der Grammatik S. 305 der richtige Hinweis steht, wonach das junge Ding sich nur auf Mädchen beziehen kann, ist an keiner anderen Stelle vermerkt. Das Register enthält auch keinen Eintrag Korpuskel, so daß man nach S. 305f. erwarten müßte, dieses Wort sei nur als Neutrum in Gebrauch; die Wörterbücher verzeichnen mit Recht auch das Femininum, das wohl eher häufiger ist. Leider findet man im Register keinen Eintrag zu der häufig diskutierten Frage selbständig/selbstständig. Das Werk selbst gebraucht durchweg nur selbständig, worin sich der allmähliche Abschied von der ersten Generation reformierter Bücher des Bertelsmannverlags zeigt. Unter selbst gebacken findet man übrigens die Angabe, daß selbst hier ein Adverb sei. Im dtv-Wahrig und im Wahrig Universalwörterbuch (beide in Bertelsmann-Lizenz) ist es Demonstrativpronomen, im großen einbändigen Wahrig-Wörterbuch (Bertelsmann) dagegen Pronominaladjektiv.
Während das "Universalwörterbuch Rechtschreibung" noch orthografisch, Orthografie schrieb, ist das voriegende Werk hier wie auch sonst zur "Hauptvariante" mit ph zurückgekehrt. Demgemäß heißt es auch geographisch, aber grafisch.
Entgegen der amtlichen Neuregelung lehrt Dittmann:
"Einige Verbindungen aus Substantiv und Partizip kann man steigern oder um ein Adverb erweitern. Treten diese Verbindungen gesteigert oder erweitert auf, werden sie als zusammengesetzte Adjektive behandelt und deshalb immer zusammengeschrieben.
(...) Aufsehen erregend, aber: (die Premiere war) aufsehenerregender (als...)
(...)
In Analogie zur Zusammenschreibung in diesen Fällen kann man auch die entsprechenden Grundformen zusammenschreiben. Dies liegt vor allem dann nahe, wenn die entsprechenden Wörter prädikativ verwendet werden:
Aufsehen erregend oder aufsehenerregend (weil: aufsehenerregender)
(...)
ihr Auftritt war wieder einmal aufsehenerregend (auch: Aufsehen erregend)"
Hier ist also auf recht skurrilen Umwegen ("in Analogie") der frühere Zustand wiederhergestellt. Allerdings fehlt immer noch ein Hinweis auf die stilistische Ungeschicklichkeit, bei prädikativem Gebrauch getrennt zu schreiben. Auch wird versäumt, die Einschränkung beim prädikativen Gebrauch auf solche Verbindungen auszudehnen, die nicht oder kaum steigerbar sind (denn der prädikative Gebrauch hat ja an sich mit der Steigerbarkeit nichts zu tun). Vielmehr heißt es im Kapitel über die Zeichensetzung: neben den bisherigen Techniken, die nicht Energie sparend sind (S. 145)
Für Zusammensetzungen wie angsterfüllt spricht Dittmann die Auffassung der Reformer nach, hier stehe der erste Bestandteil "für eine Wortgruppe". In Wirklichkeit bietet sich oft nur eine Paraphrase mit einer solchen Wortgruppe an. Die Paraphrasen und vermeintlichen Erklärungen sind zum Teil recht linkisch, etwas so:
lustbetont = die Lust betonend (S. 42)
stressgewohnt = an Stress gewöhnt
Im letzteren Fall hätte man eigentlich eine Rückführung auf das Adjektiv gewohnt mit dem Akkusativ erwartet, das ja nach wie vor auch frei konstruierbar ist.
"Werden Verbindungen aus Substantiv und Partizip substantiviert, die im Infinitiv getrennt geschrieben werden, schreibt man vorzugsweise auch die substantivierte Form getrennt. Erlaubt ist aber auch Zusammenschreibung, die Schreibenden haben hier einen Ermessensspielraum:
Wer hilft den Not Leidenden/Notleidenden?"
Diese Regel hat keine Grundlage im amtlichen Regelwerk. Sonderbar ist auch, daß nicht einmal "in Analogie" zu Notleidende auch das partizipiale Kompositum notleidend gebildet werden darf.
Auch für die substantivierte Verbindung von Adjektiv und Partizip, die im amtlichen Regeltest nicht geregelt sei, sieht Dittmann beiderlei Schreibung vor: die schwer Verletzte oder Schwerverletzte. "Kriterium für die Entscheidung sollte sein, ob man die Substantivierung als selbständiges Wort empfindet oder nicht." (S. 54) - Daß man auch die nichtsubstantivierteFügung schwerverletzt als selbständiges Wort empfinden könnte, wagt Dittmann nicht zu erwägen, denn da schiebt die amtliche Regelung einen Riegel vor den Sachverstand.
Eigenartig ist auch, daß bei Verbindungen mit nichts (nichts ahnend, nichts sagend) nur Getrenntschreibung, bei deren Substantivierung aber nur Zusammenschreibung (die Nichtsahnende) zugelassen werden (S. 47f.). Wie sich das mit den grammatischen Regeln der Substantivierung verträgt, sagt Dittmann leider nicht. Anders als nichts sagend wird übrigens vielsagend nur zusammengeschrieben (S. 52). Im Wahrig-Universalwörterbuch von 2002 ist auch die Getrenntschreibung zugelassen.
Falsch ist die Angabe, daß der erste Teil trennbarer Verben (Verbzusatzkonstruktionen sind gemeint, aber dieser Begriff ist zugunsten der fragwürdigen Lehre von den trennbaren Verben vermieden) "in den finiten Formen" nachgestellt wird. (S. 37) Das ist vielmehr bei Verbzweitstellung der Fall, nicht aber im Nebensatz mit Verbletztstellung.
Unter dem Titel "Substantiv plus Verb in unfester Verbindung" lehrt Dittmann Not tun und Pleite gehen, ohne sich einen kritischen Kommentar zu diesen absurden Reformschreibungen zu erlauben. Ebenso gibt er vor, in irrewerden, irreleiten, irregehen sowie wettmachen ein verblaßtes Substantiv (!) zu erkennen. (S. 39)
"Wenn die Partikel Verbbestandteil ist, muss sie im Infinitiv, in den Partizipformen und auch in Endstellung im Nebensatz unmittelbar vor dem Verb stehen." (S. 46) Dies hält Dittman für das einzige "sichere" Kriterium. Dabei übersieht er die Erweiterbarkeit der Partikel in Fällen wie den folgenden: Sie haben mich mit zum Skilaufen genommen. (Bertelsmann-Grammatik 1999:262) Hier handelt es sich zweifellos um das komplexe Verbgefüge mitnehmen und damit um die ansonsten untrennbare Partikel.
Unter der Regel zu -ig/-isch/-lich werden wieder völlig verschieden konstruierte Gefüge wie lästig fallen und neckisch lächeln, heilig sprechen und freundlich grüßen zusammengestellt, ganz wie bei Heller. (S. 50)
Wörtlicher und übertragener Gebrauch werden teilweise durch verschiedene Schreibweise unterschieden wie im alten Duden: Stahl gerade biegen, eine Angelegenheit geradebiegen, Wein kalt stellen, jemanden kaltstellen, ein Seil locker lassen, nicht lockerlassen können, den Gurt stramm ziehen, die Hosen strammziehen. Ebenso: schwer beschädigte Autos, schwerbeschädigte Kriegsveteranen. Aus dem amtlichen Regelwerk waren solche subtilen Unterscheidungen nicht ohne weiteres abzuleiten, die "schwer behinderten" Menschen (nur noch getrennt) beherrschten längere Zeit die Reformdiskussion. Wörter wie schwerwiegend sollen wegen der doppelten Steigerungsmöglichkeit jetzt wahlweise gertrennt oder zusammengeschrieben werden können; "im Fall von prädikativer Verwendung wird Zusammenschreibung bevorzugt" (S. 53). Die amtliche Regelung weiß davon nichts, die Rechtschreibkommission hat es sich erst von der Kritik sagen lassen müssen.
feilbieten wird wie im amtlichen Regelwerk deshalb zusammengeschrieben, weil feil nicht selbständig vorkomme. Das trifft bei diesem Adjektiv aber gar nicht zu.
"Wenn in einer Verbindung aus Substantiv und Adjektiv das Substantiv (z. B. durch ein Zahlwort) erweitert ist, schreibt man getrennt: ein zwei Arme dicker Mast, viele Jahre lang, zwei Meter dick, eine Hand voll Goldstaub" (S. 59)
Das letzte Beispiel, das die Auseinanderreißung des Substantivs Handvoll begründen soll, ist fehl am Platze, da es sich gerade nicht um eine Erweiterung des ersten Bestandteils handelt. Auch später wird die Beseitigung von Handvoll noch einmal falsch begründet: "(...) dass Substantive auch in festen Gefügen großgeschrieben werden, wenn sie ihren substantivischen Charakter behalten haben:
ein Hand voll, unter der Hand" (S. 87)
Es geht ja nicht darum, daß Hand in solchen Fällen eventuell klein geschrieben werden, sondern um die Existenz des Wortes Handvoll, das seit Jahrhunderten belegt und in Mundarten längst vollkommen univerbiert ist (Hampfel, Hämpfele usw.).
"Adjektive können mit Addjektiven Verbindungen eingehen. Diese Verbindungen sind entweder Zusammensetzungen oder Wortgruppen. Entsprechend wird zusammen- oder getrennt geschrieben:
Zusammensetzungen:
blaugrau, hochinteressant, tiefernst, zartbitter
Wortgruppen:
allgemein gültig, eng verwandt, schwer löslich, riesig groß
Die Kriterien für Zusammen- bzw. Getrenntschreibung sind eindeutig und von den Schreibenden leicht zu handhaben (> 59.4ff.)"
So eindeutig sind die Kriterien dann aber doch nicht. Zum Beispiel führt Dittmann schlecht leserlich an, das getrennt geschrieben werde, weil der erste Teil steigerbar sei. Aber sagt man wirklich schlechter leserlich? Und wie ist es mit wild dramatisch? (S. 61)?
Natürlich leuchtet auch nicht ein, aufgrund welcher Logik die auf -ig usw. endenden Adjektive bei sonst gleicher Funktion nicht zusammengeschrieben werden dürfen: tiefernst, aber riesig groß, rotbraun, aber rötlich braun.
Unter der Regel zu -ig/-isch/-lich werden nach dem Vorbild des Reformers Klaus Heller wieder völlig verschieden konstruierte Gefüge wie lästig fallen und neckisch lächeln, heilig sprechen und freundlich grüßen zusammengestellt. (S. 50) Außerdem führt zu törichte neue Regel bei Dittmann zu einem schlagenden Widerspruch. Unter 60.2 (und fast wortgleich noch einmal unter 75.2) heißt es nämlich:
"Gehen gleichrangige Adjektive eine Verbindung ein und der erste Bestandteil ist eine Ableitung auf -ig, -isch oder -lich, so sollte man zur Verdeutlichung den Bindestrich setzen:
biologisch-dynamisch
wissenschaftlich-technisch
medizinisch-naturwissenschaftlich."
Zu einer solchen Verbindung kann es aber nie kommen, denn die allgemeinere Regel (§ 36 E1 (2) des amtlichen Regelwerks) besagt, daß Ableitungen mit den genannten drei Suffixen überhaupt nicht (und nicht bloß im Fall "nicht gleichrangiger Adjektive", wie 61.1 behauptet) als Erstglieder in Zusammensetzungen eingehen. Folglich entfällt die "Verdeutlichung" durch einen Bindestrich. Das amtliche Regelwerk krankt ja bereits daran, daß Bindestrichkomposita wie römisch-katholisch, die ja gleichwohl immer noch Komposita sind, überhaupt nicht gerechtfertigt werden;
Wieder und wieder wird als Kriterium der Getrennt- und Zusammenschreibung angeführt, ob man die Wortart, Wortform oder Bedeutung der Bestandteile noch deutlich erkennen kann. So kommt Dittmann mit der Neuregelung zu dem Ergebnis, daß jedesmal in jedes Mal aufzulösen sei, einmal, zweimal und diesmal jedoch erhalten bleiben. Das ist nicht nachzuvollziehen. Warum sollen bei den weiterhin zusammengeschriebenen Konjunktionen sooft, soviel, soweit usw. die Bestandteile nicht mehr deutlich erkennbar sein? (Bei den neuerdings zu trennenden Demonstrativen so viel usw. sind sie es ja offenbar wieder.) Beinahe komisch wird es an jenen Stellen, wo Dittmann selbst die Undeutlichkeit noch undeutlich findet:
"Bei einer Reihe von mehrteiligen Adverbien ist schwer zu entscheiden, ob die Wortart, die Wortform oder die Bedeutung der einzelnen Bestandteile noch deutlich erkennbar ist oder nicht. In diesen Fällen bleibt es den Schreibenden überlassen, ob sie zusammenschreiben oder getrennt schreiben wollen." (S. 65) Wenn man nicht weiß, ob man etwas deutlich sieht, sieht man es doch wohl eher undeutlich.
Zusammengesetzte Farbadjektive soll man nach der Neuregelung ohne Bedeutungsunterschied mit oder ohne Bindestrich schreiben können: blaugrün oder blau-grün, schwarzweiß oder schwarz-weiß
Dittmann empfiehlt den Bindestrich, "wenn eine Zusammensetzung mehrdeutig oder nicht auf Anhieb richtig zu entschlüsseln ist:
ab-erkennen, be-inhalten, de-installieren, Re-Inkarnation (S. 78)
Das sind allerdings ganz ungewöhnliche Schreibweisen.
Das neuerdings sehr häufige Zusammentreffen dreier gleicher Buchstaben soll man durch den Bindestrich entschärfen können (Bett-Tuch), bei längeren Zusammensetzungen aber nur an der Hauptfugenstelle, also nicht: *Spannbett-Tuch (S. 78). Das scheint zwar sinnvoll, steht aber nicht in den amtllichen Regeln.
Für die Groß- und Kleinschreibung kommt es darauf an, woran man ein Substantiv erkennnt. Dittmann nennt die Kriterien Artikelfähigkeit und mögliche Attribuierung durch Adjektive bzw. Zahlwörter. Entscheidend ist die Artikelprobe. (S. 86) Damit ist nicht etwa gemeint, daß das mutmaßliche Substantiv überhaupt einen Artikel verträgt, sondern die Probe gilt dem jeweiligen konkreten Zusammenhang. Nur darum kann Dittmann als Ausnahmen die Fälle anführen, in denen die Artikelprobe versagt: *zu (dem) Recht (S. 87), *in (die) Acht nehmen (S. 89). Demnach wären allerdings Schreibweisen wie heute Morgen nicht zulässig.
"In festen Gefügen aus Substantiv und Verb wird das Substantiv großgeschrieben, wenn es seine Bedeutung und Funktion behalten hat:
(...) Feind sein, Leid tun, Recht haben (...)" ( S. 89)
Dittmann dürfte wissen, daß es sich hier nachweisbar nicht um Substantive handelt. Auch in der Grammatik (S. 425) und Stilistik (S. 660) wird als Beispiel angeführt das Kind tat ihm sehr Leid, es tut mir sehr Leid - obwohl inzwischen auch die hartgesottensten Reformer eingesehen haben, daß dies nicht möglich ist.
"Werden Substantive aus anderen Sprachen als Zitatwörter gebraucht, gilt die Regelung der betreffenden Sprache und sie werden kleingeschrieben:
Das englische Wort 'drink' bedeutet auch 'Getränk'.
Der lateinische Begriff 'terra incognita' bedeutet 'unbekanntes Land'." (S. 91)
Hier hat Dittmann etwas mißverstanden. Die Regel betrifft ja nicht die (metasprachliche) Anführung, sondern Fälle wie: Wir nahmen einen drink und begaben uns auf diese terra incognita.
Die ursprünglich nicht vorgesehene, von den Kritikern eher im Sinne einer Reductio ad absurdum ins Spiel gebrachte Schreibweise heute Früh ist anstandslos übernommen (S. 92).
Die unflektierten Formen Arm und Reich usw. sind nach Dittmann nicht substantiviert und werden nur "aus Gründen der Symmetrie" groß geschrieben. Laut amtlichem Regelwerk sind sie aber sehr wohl substantiviert, und von Symmetriegründen ist dort auch nichts zu finden. (S. 98)
Skurril liest sich:
"Adjektive, die Farben und Sprachen bezeichnen, können als Substantive betrachtet werden." (S. 98) Wahrscheinlich ist gemeint, daß sie substantiviert werden können. Ob das in bei Grün und auf Deutsch der Fall ist, läßt sich diskutieren.
Daß in Wir versuchen jetzt mal etwas ganz Anderes das Wort anderes "in übertragener Bedeutung" gebraucht und deshalb groß zu schreiben sei, leuchtet nicht ein. Es fehlt auch der Hinweis, daß eine solche hervorhebende Großschreibung nach der amtlichen Regelung keineswegs obligatorisch ist.
Dein Hin-und-Her-Laufen stört. (S. 101)
Hier ist die Großschreibung von Her offensichtlich falsch.
ist es wichtig zu prüfen (S. 102)
Hier fehlt das neuerdings obligatorische Komma nach Vorgreifer-es, vgl. 161.1 Dieses Komma fehlt auch S. 635: Es fiel dem Kranken schwer zu laufen. S. 685: empfiehlt es sich noch einmal zu prüfen.
Unter 104.1 und 104.3 wird eigentlich dasselbe (Scheinsubstantivierung) abgehandelt.
"Zahlwörter zu Beginn eines Ganzsatzes gelten als Satzanfang. Deshalb wird klein weitergeschrieben: 52 volle Wochen hat das Jahr." (S. 117) Gemeint sind also nicht Zahlwörter, sondern Ziffern.
Grammatik:
Formen wie beföhle, gestünde, stöhle kann man wohl vergessen (S. 243), sie sind nicht einmal als "altertümlich" noch in Gebrauch.
Anglizismen werden ganz kritiklos vorgeführt: ich cancele, getimt, du savst, er forwardet, du datest up (S. 270ff.) - bei der sonstigen, unten noch nachzuweisenden normativen Strenge des Werkes etwas überraschend.
Anders als be-, ent-, er, ver-, zer- ist miß- kaum produktiv (S. 274).
Bei den Präfix- und Partikelverben ist die Terminologie wie auch die ganze Auffassung bedenklich. Verbindungen wie voll gießen werden als "zusammengesetzt" bezeichnet, zugleich soll aber die neue Getrenntschreibung gelten. (S. 280)
(Für die simplen Ausführungen S. 282ff. (inkorporierte Substantive) wir entgegen der sonstigen Vorgehensweise auf einen entlegenen Aufsatz W. U. Wurzels verwiesen.)
Staub saugen steht nicht "mit einer Präpositionalgruppe" (S. 287), sondern mit einem Adverbial, das zufällig eine solche Form haben kann.
Bei Jeans in der angegebenen Aussprache weicht auch der Auslaut vom Deutschen ab. (S. 290)
Es trifft sicher nicht zu, daß der Hoden eine "veraltete" Form ist, und neben maskulinem der Hode wäre auch die Hode zu erwähnen. (S. 298)
Von den Druckerzeugnissen (S. 300) wurde auf S. 78 gerade abgeraten.
Das Beispiel Dutzende kamen zu spät (S. 303) läßt nicht ahnen, daß die Neuregelung (§ 58, E5) hier auch Kleinschreibung des Zahlsubstantivs zuläßt. Ein Verweis auf S. 394 wäre angebracht gewesen.
Die Mahnung, den neuerdings zulässigen Apostroph bei Eigennamen (Susi's Blumenladen) zu vermeiden, entspricht nicht der amtlichen Regelung. (S. 322)
Thieroff schreibt zwar wie sein Lehrer Eisenberg stets des Genitiv usw., aber die Behauptung, daß die Deklination heute oft weggelassen werde, scheint zumindest für Beispiele wie Partizip, Plural (S. 326) doch etwas übertrieben.
Viel zu weitgehend ist die Kennzeichnung von Wandererin, Fördererin, Zaubererin usw. als falsch oder nicht belegbar.
Die Abschnitte über Personenbezeichnungen für beide Geschlechter (S. 331ff.) überschneiden sich weitgehend mit den entsprechenden Abschnitten der Stilistik (s. u.). Thieroff bemerkt hier übrigens, daß das große Binnen-I "heute durchaus verbreitet" sei, während in der Stilistik steht, es habe sich nicht durchgesetzt.
Chersones (S. 342) ist im Griechischen und fachsprachlich feminin.
Daß Senegal, Libanon usw. heute "zunehmend mit neutralem Genus" gebraucht werden, scheint mir nicht zuzutreffen.
Die Liste nur prädikativ gebrauchter Adjektive (S. 354) ist stark fehlerhaft. Für den attributiven Gebrauch von abhold, habhaft, teilhaftig, zugetan u. a. gibt es Hunderte von Belegen (Google).
"Ausdrücke wie hoch bezahlt, leicht bekleidet, schwer beladen, tief betrübt, weit verbreitet, die früher als Zusammensetzungen aufgefasst und demzufolge zusammengeschrieben wurden, werden seit der Rechtschreibreform getrennt geschrieben. Daher (!) werden diese Ausdrücke den Wortgruppen zugerechnet." (S. 376)
Eine erstaunliche Begründung. Übrigens ist es nicht leicht, Belege für tiefer betrübt (ebd.) beizubringen. Ähnlich steht es mit zarter fühlend (S. 378).
Die Behauptung, daß Superlative wie schwerst nicht als eigenständige Wörter, sondern nur als Bestandteile von Zusammensetzungen vorkommen, ist unzutreffend. (S. 377) Es gibt sehr viele Belege wie schwerst mehrfach behinderte Kinder usw.
Entgegen einer schlichten Logik gibt es sehr wohl Steigerungsformen von endgültig und brotlos (S. 378).
Pronomina vertreten nicht Substantive, sondern Nominalgruppen. (S. 400 u.ö.)
Die anaphorische Verweisung auf genannte Personen mit dem Demonstrativum der usw. ist nicht in jedem Fall "unhöflich" und umgangssprachlich. (S. 404)
Daß niemand anderer falsch und nur niemand anderes/anders standardsprachlich korrekt sei, ist wohl stark übertrieben. (S. 418)
Das Verbot von es nach Präpositionen (*ohne es) ist zu streng.
Genau wie der Dudenband schreibt Thieroff vor: all das Traurige, was in diesen Augen lag ... (S. 432) Meiner Ansicht nach kann und sollte hier eher das Relativum das stehen.
Wie kann neuschreibliches jedes Mal ein "Temporaladverb" sein, wenn es nach der Rechtschreibreform offenbar nicht einmal mehr ein Wort ist? (S. 436)
Die Verurteilung der Tmesis (Wo fährst du hin?; Ich weiß nicht, wo sie herkommmen usw., S. 446) ist zu streng.
Die angebliche Präposition bis regiert eigentlich keinen Akkusativ, sondern dieser ist der adverbiale Akkusativ, der auch unabhängig von der Präposition stehen würde: bis nächsten Montag. (S. 462)
Der Dativ nach trotz wird nur dann zugelassen, wenn ein Substantiv ohne Artikel mit Adjektiv auftritt; falsch soll sein: Trotz seinen Kopfschmerzen ... (S. 473) Das ist zu streng.
Daß Verschmelzungen wie hinters, übers in der Schriftsprache keine Verwendung finden sollten, ist ebenfalls zu streng. (S. 476)
Von einigen Verschmelzungen wird fälschlich behauptet, sie seien nicht mehr auflösbar: aufs Land, durchs Ziel, hinterm Berg halten, übers Herz bringen. (S. 478)
Nach alter Dudensitte wird es als falsch deklariert, wenn Verschmelzung und unverschmolzener Artikel bei Genus- und Numerusinkongruenz nebeneinanderstehen: Hier geht es zum Rathaus und der Markthalle. (S. 481)
"Folgt ein mit bevor oder ehe eingeleiteter temporaler Nebensatz auf einen verneinten Satz, dann darf der bevor/ehe-Satz nicht gleichfalls verneint werden:
falsch: *Wir fahren nicht in Urlaub, bevor/ehe die Ferien nicht begonnen haben." usw.(S. 487)
Das ist eine logisierende Besserwisserei gegenüber einem üblichen Sprachgebrauch, nicht nur im Deutschen. Im entsprechenden Dudenband wird dasselbe gelehrt, aber im Universalwörterbuch stehen anstandslos folgende Beispiele: du darfst keinen Urlaub nehmen, bevor deine Probezeit nicht abgelaufen ist; sie darf nicht fernsehen, bevor nicht ihre Hausaufgaben gemacht sind.
"Der Relativsatz sollte in der Regel unmittelbar bei dem Substantiv stehen, auf das er sich bezieht." (S. 591) Das ist unrealistisch. Auf jeder Zeitungsseite findet man mehrere Beispiele, für die es nicht zutrifft (Extraposition).
Die Beispiele werfen ein weiteres Problem auf:
Sie empfand eine besondere Zuneigung für den jungen Mann, derer sie sich nicht erwehren konnte. - Sie empfand eine besondere Zuneigung, derer sie sich nicht erwehren konnte, für den jungen Mann. (S. 592) Auf S. 403 wird aber geraten, in solchen Fällen nicht derer, sondern deren zu verwenden.
Anders als bei Eisenberg werden mein, kein als Pronomen und nicht als Artikel aufgefaßt, sicher nicht richtig. Die Lehre vom Genus der Substantive (S. 291) ist sehr konventionell, Eisenberg hat das besser erfaßt (Genus als Rektionserscheinung).
Stilistik
Der letzte Teil des Buches, die "Stilistik", besteht zur Hälfte aus den üblichen Anleitungen zum normgerechten Anfertigen von Geschäftsbriefen, Bewerbungsschreiben und dgl. Dagegen ist nichts zu sagen, auch wenn der Titel "Stilistik" diesen Inhalt nicht unbedingt erwarten läßt. Der Rest ist ein wenig geordnetes Gemisch von Einzelhinweisen und antiquierter Stilkunde. Die Lehre von den drei "Stilebenen" (S. 604) schließt ohne Umstände an die antike Überlieferung der drei Genera an. Soll denn heute noch gelten, "dass jeder Stoff die ihm entsprechende Darstellungsweise haben müsse"? Und warum wird so seltsam von der Forderung der antiken Rhetorik gesprochen, "aptum zu formulieren"? Für jemanden, der sich praktischen Rat erhofft, dürfte es auch ohne Belang sein, daß man die schlichte Erzählfolge auch "ordo naturalis" nennt (S. 661); denn wer drückt sich heute noch so aus? Definitionen und Beispiele für Metaphern, Antithesen, Chiasmen usw. dürften nur wenig Nutzen haben.
Gleich zu Beginn ein Bekenntnis zur politischen Korrektheit: "So sollten auf keinen Fall Bezeichnungen verwendet werden, die politisch oder sozial belastet sind. Dazu gehören: Neger, Serbokroatisch, Zigeuner, Mongolismus, zwergwüchsig, Liliputaner." (S. 601) Es folgt eine umfangreiche Anleitung zu geschlechtergerechtem Sprachgebrauch und zum "Umgehen" von Personenbezeichnungen.
Alternative bedeutet zwar ursprünglich eine Wahlmöglichkeit, wird heute aber weitgehend auch im Sinne von Option gebraucht. (zu S. 609). Die Ablehnung von abisolieren (S. 610) scheint zu engherzig. Unrichtig ist die Zurückweisung von bergauf klettern als pleonastisch; denn man kann auch hinunterklettern. (S. 622) Auf S. 632 unten ist eine bessere Möglichkeit der Ausklammerung übersehen worden.
Das Dativpassiv (Der Junge bekommt zu Weihnachten eine Eisenbahn geschenkt) wird zu Unrecht als "falsch" gebrandmarkt.
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Verschiedene Fehler:
Fullbrightstipendium oder Fullbright-Stipendium (S. 79) statt richtig Fulbright.
Das Wörterbuch schreibt im Sinne der Neuregelung gleich lautend (aber zum Teil auch falsch zusammen!), fehlerhafterweise aber auch gleich bedeutend (S. 639, neben einigen richtigen Schreibungen), übrigens genau wie Wahrig: Die deutsche Rechtschreibung.
nichtssagend (S. 607 u. 608), zum zweiten (S. 607). Ein Komma fehlt bei in der Art und Weise wie die Menschen (...) den Platz verließen (S. 633). Die treusorgende Mutter (S. 642) ist nach der neuen Rechtschreibung falsch, vgl. auch die übrigen Wahrig-Bände. Die fest stehenden Rubriken (S. 656) sind in Wirklichkeit feststehende, vgl. auch dtv-Wahrig-Universalwörterbuch. Auch klar stellen (S. 663) muß zusammengeschrieben werden. Obwohl das Werk sich durchweg zur Benutzung der Hauptvarianten entschlossen hat, findet man S. 662 die Nebenvariante potentiell. das gleiche (S. 706) muß jetzt groß geschrieben werden. Während der Flattersatz gelegentlich große Lücken läßt (S. 625), führt unmotivierte Knauserei zu Trennungen wie gegenü-ber (S. 295) und Einzelas-pekt (S. VIII). ohne Weiteres (S. 391) hat falsche Großschreibung. Kommafehler: bei Substantiven, die auf Diphthong enden und bei Substantiven ... (S. 320) differentiell (S. 383) ist eigentlich die Nebenvariante. Ralf kam als siebter/siebenter ins Ziel. (S. 396) Hier müßte groß geschrieben werden. Nach dem Doppelpunkt ist fälschlich groß geschrieben: Es gibt zwei Gruppen von Konjunktionen: Nebenordnende und unterordnende Konjunktionen. (S. 481) Dativus commodi, incommodi, iudicantis (passim) - hier muß das Attribut neuerdings groß geschrieben werden. (S. 520ff.)
erstere und letztere (S. 530f.) müssen jetzt groß geschrieben werden. Druckfehler Päposition (S. 537)
– geändert durch Theodor Ickler am 25.05.2003, 09.01 –
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 14.03.2003 um 08.09
Eisenberg schreibt einleitend:
"Es wird vorgeschlagen, bestimmte amtliche Festlegungen zu präzisieren und auch andere Schreibungen zuzulassen. Meist handelt es sich um Schreibungen, die vor der Reform erlaubt waren und die unserer Auffassung nach auch in Zukunft erlaubt sein sollten. Solche Schreibungen sind im Stichwortverzeichnis markiert ([auch])." (S. 35)
Ich habe vergeblich nach solchen Markierungen gesucht. Eisenberg sagt zum Beispiel im Regelwerk, seiner Ansicht nach sollten Gemse, Stengel usw. weiterhin zugelassen werden, aber unter den Stichwörtern steht nichts davon. Vielleicht war es der ursprüngliche Plan, so zu verfahren; er scheint dann aufgegegeben worden zu sein. Das ist nur eine der vielen Unstimmigkeiten dieses monströsen Werks. Man beachte auch die außerordentliche Verlogenheit, etwas als "Präzisierung" und "Fortschreibung der amtlichen Regeln" (ebd.) zu bezeichnen, was in der Substanz die Wiederherstellung der bisherigen Schreibweisen ist.
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 06.01.2003 um 13.44
Renate Baudusch: Zeichensetzung klipp & klar. Völlig neu bearbeitet und erweitert von Dr. Ulrich Adolphs und Dr. Gisela Hack-Molitor. Bertelsmann Lexikon Verlag 2000. 221 S.
Auf dieses Buch hatte ich bereits einmal hingewiesen, als Frau Baudusch es mir freundlicherweise zugeschickt hatte. Bei näherer Beschäftigung stellt man fest, daß die neue Zeichensetzung offenbar völlig undurchschaubar ist. Frau Baudusch gehörte jahrzehntelang der Rechtschreibreformergruppe als Expertin für Zeichensetzung an. Von Teilen der Neuregelung hat sie sich allerdings schon 1997 distanziert (in Augst et al.). (Der andere Experte, Gallmann, lehnt bekanntlich die gesamte neue Kommasetzung bei Infinitiven ab.) 221 Seiten allein für die Zeichensetzung sind keine Kleinigkeit, die famos einfache neue Kommaregelung wird auf rund 115 Seiten erläutert. Aber keineswegs richtig.
Hier noch einige weitere Beobachtungen:
Die Regeln sind ohne Verweise auf das amtliche Regelwerk formuliert, so daß man die Rechtsgrundlage nicht genau erkennen kann. Dadurch bleibt auch undeutlich, wo die Verfasserin auf Teile der früheren Regelung zurückgreift, die im amtlichen Regelwerk keine Entsprechung mehr haben.
Offenbar war die Verfasserin am Ende selbst nicht immer darüber im klaren, welcher Diskussionsstand schließlich erreicht worden war.
Es gibt offene Widersprüche:
"Wenn in einer Aufzählung eine Infinitivgruppe oder ein Nebensatz mit und oder oder folgt, ist die Verwendung des Kommas freigestellt.
Aus Interesse(,) und um sich weiterzubilden(,) liest er diese Fachbücher." (S. 81f.)
Aber S. 134 heißt es:
"Wenn eine Infinitivgruppe oder ein Nebensatz als Glied einer Aufzählung mit und oder oder angeschlossen wird, steht vor und oder oder kein Komma.
Aus Interesse und um sich weiterzubilden(,) nahm er an dem Lehrgang teil."
In § 157 wird eine weitere Verfeinerung dargestellt:
"Wird eine Infinitivgruppe durch und oder oder mit einer folgenden Wortgruppe verbunden, so steht kein Komma. Geht die Wortgruppe voran, so kann nach der Infinitivgruppe ein Komma gesetzt werden
Um sich weiterzubilden und aus Interesse nahm er an dem Seminar teil.
Aus Interesse und um sich weiterzubilden(,) nahm er an dem Seminar teil."
S. 117:
Tagetes sind dafür bekannt üppig zu blühen ...
(Hier muß wegen des hinweisenden dafür ein Komma stehen!)
S. 122:
"Partizipien mit einer kurzen näheren Bestimmung können ohne Komma stehen." (Im Regelwerk irrelevant)
"Tritt jedoch eine weitere Adverbialbestimmung hinzu, so wird die Partizipgruppe in Kommas eingeschlossen, da sie sich deutlich als weitere Ergänzung aus dem Satz heraushebt.
Er drückte mir, sichtlich erfreut, herzlich die Hand."
(Keine Grundlage im Regelwerk!)
S. 123:
"Auch ein einfaches Partizip kann durch Nachstellung besonders hervorgehoben werden und wird dann durch Komma abgetrennt
Er saß auf der Bank, vornüber gebeugt."
((Hier ist offenbar nach der früheren Ausgabe vornübergebeugt als einfaches Partizip zugrunde gelegt, aber durch die Getrenntschreibung wird die Voraussetzung beseitigt.))
Neu ist tatsächlich, daß auch nach Baudusch gleichrangige, mit und oder oder verbundene Nebensätze ein Komma haben können:
Er sagte, dass er ins Theater gehen wolle(,) und dass er Ulrike mitnehmen wolle. (S. 132)
Dass die Betten zu weich waren(,) und dass das Essen schlecht war, ärgerte die Urlauber sehr. (S. 109)
S. 136:
"Vor mit als oder wie eingeleiteten Infinitivgruppen kann ein Komma stehen, um die Gliederung des Satzes zu verdeutlichen. Enthält derr Satz ein hinweisendes Wort wie z. B. es, muss ein Komma gesetzt werden.
Sie brauchen nichts zu tun(,) als ruhig zu bleiben.
Schwimmen zu gehen(,) ist bei der Hitze schöner als zu wandern.
Bei dieser Hitze gibt es nichts Schöneres, als schwimmen zu gehen.
Es ist besser, anzupacken, als tatenlos zuzusehen."
Nur das erste Beispiel ist überhaupt einschlägig. Im zweiten Beispiel hat das fakultative Komma gar nichts mit der durch als eingeleiteten Infinitivgruppe zu tun. Im dritten Beispiel ist das es kein hinweisendes, sondern ein formales Subjekt. Im vierten Beispiel steht zwar ein hinweisendes es, aber es bezieht sich nicht auf die als-Gruppe, sondern den übergeordneten Infinitiv anzupacken.
"Obgleich leitet einen Nebensatz ein, der durch Komma abgegrenzt wird, und zwar auch, wenn er verkürzt ist.
Er blieb, obgleich todmüde, bis zum Schluss aufmerksam." (S. 164)
(Ähnlich zu obschon, obwohl, weil.)
Aber es gibt im Regelwerk keinen Hinweis darauf, daß Partizipien und Adjektive "verkürzte Nebensätze" sein können.
Für anstatt und statt wird gelehrt:
"Anstatt (dass) leitet einen Nebensatz ein, der durch Komma abgetrennt wird.
Sie lachte ihn nur aus, anstatt ihn zu bedauern.
Anstatt ihn zu bedauern, lachte sie ihn nur aus.
Sie wollte lieber fernsehen(,) anstatt zu lesen." (S. 143)
Es ist nicht zu erkennen, warum das letzte Komma als fakultativ gekennzeichnet ist, die anderen beiden aber nicht. Außerdem ist der Gesichtspunkt neu, daß Infinitivkonstruktionen Nebensätze sein können. Dies wirft die gesamte neue Kommaregelung beim Infinitiv um.
Hier noch eine Denksportaufgabe:
Sie lebten glücklich weiter, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (S.137)
Ist das - offensichtlich als obligatorisch verstandene - Komma vor und gerechtfertigt?
Seltsam ist auch, daß das Komma in folgendem Fall das Komma fakultativ sein soll:
Dafür(,) dass er so gut wie nie geübt hat, spielt er recht gut Tennis. (S. 137)
Denn vor Infinitiven ist es ja wegen des hinweisenden Korrelats obligatorisch; um wieviel mehr müßte es bei Nebensätzen der Fall sein!
Es gäbe noch viele Einzelheiten zu diskutieren, aber damit mag es genug sein.
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Th. Ickler
eingetragen von Jörg Metes am 27.12.2002 um 08.50
Das "buchreport.magazin" (auf www.buchreport.de kann man es leider nicht lesen) hat FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher interviewt. Bei "Perlentaucher" gibt es zumindest eine Zusammenfassung des Interviews. »Die Behauptung, die FAZ boykottiere Bertelsmann« - so Schirrmacher laut "Perlentaucher" -, »sei Unsinn. "Da ist schon eher Hans Magnus Enzensbergers Behauptung nicht von der Hand zu weisen, Bertelsmann habe in seiner ganzen Geschichte kein einziges gutes Buch publiziert."«
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Jörg Metes
eingetragen von Theodor Ickler am 01.11.2002 um 12.31
Sie haben recht, Herr Dörner, im Duden stand es gar nicht, bei mir steht es auch nicht. Aber die Belege sind wohl häufig genug, um eine Aufnahme von tendentiell zu erwägen.
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 01.11.2002 um 10.41
Bertelsmann baut seine WAHRIG-Reihe offenbar zu einem Abklatsch des "Großen Duden" aus. Band 1 ist die Rechtschreibung, Band 4 die Grammatik, bei anderen Bänden weicht die Numerierung geringfüg ab. Dem Band "Richtiges und gutes Deutsch" entspricht der phantasielos veränderte Titel "Fehlerfreies und gutes Deutsch". (Ich kenne sogar schon Germanisten, die sich für die Mitarbeit an diesem Band hergegeben haben.)
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Th. Ickler
eingetragen von Christian Dörner am 01.11.2002 um 10.38
Glücklicherweise ordnen die Diskussionsteilnehmer in diesem Forum ihre Beiträge durchgängig ordentlich ein, so daß im Vergleich zu anderen Foren der Administrations- und Löschaufwand sicherlich deutlich geringer ist, was aber wohl auch an der Thematik hier liegt. Wer sich nicht ernsthaft für Rechtschreibung interessiert, wird hier kaum Beiträge verfassen.
Nur noch eine kurze Frage:
»Eisenberg schreibt tendentiell, aber das Wörterverzeichnis kennt diese Schreibweise gar nicht mehr, nur noch tendenziell (aber immer noch existentiell, potentiell).« (Unterstreichung hinzugefügt.)
Hat es denn diese Schreibweise je gegeben? Die alte Rechtschreibung kennt ebenfalls nur tendenziell (wie finanziell, bilanziell usw.). Im amtlichen Wörterverzeichnis von 1901/1902 findet sich lediglich Tendenz und tendenziös.
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Christian Dörner
eingetragen von Theodor Ickler am 01.11.2002 um 04.48
Ich hatte es wohl selbst versteckt und dann nicht wiedergefunden. Die Rechtschreibseiten werden auch allmählich etwas unübersichtlich, weil sie auf ganz natürliche Weise gewachsen sind, wie die Sprache selbst. Die Stränge laufen zum Teil parallel, so daß man immer in mehreren suchen muß, um das Stichwort zu finden, Bertelsmann oder dtv oder Handvoll usw. Aber eine andere Lösung weiß ich auch nicht, und es wäre auch ein Heidenarbeit des Betreuers, alle Beiträge fachgerecht zu rubrizieren.
Falls jemand noch Verlagskorrespondenz hat, wäre ich für Übermittlung dankbar. Irgendwann sollte eine Dokumentation zusammengestellt werden. Übrigens arbeitet eine Doktorandin von mir am Thema "RSR und Deutsch als Fremdsprache". Andere Themen dieser Art könnten sicher noch vergeben werden. Schließlich handelt es sich um einen beispiellosen Eingriff in die deutsche Sprache, und später wird die Aufarbeitung dieses Kapitels deutscher Sprachgeschichte noch viele Geister beschäftigen.
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Th. Ickler
eingetragen von Matthias Dräger am 31.10.2002 um 22.55
WAHRIG Universalwörterbuch Rechtschreibung. Von Dr. Renate Wahrig-Burfeind. Mit einem kommentierten Regelteil von Professor Dr. Peter Eisenberg. Deutscher Taschenbuch Verlag 2002. 1316 S. - EUR 15,00
Der Wörterbuchteil des vorliegenden Werkes ist mit Sorgfalt hergestellt; sie bewährt sich vor allem bei den knappen Bedeutungsangaben und grammatischen Angaben. Druckfehler sind sehr selten: novellists (s. v. PEN); Jerez de la Fontera. Im ersten Teil geht es etwas weniger korrekt zu, abgesehen vom Inhaltlichen, auf das ich sogleich eingehen werde. Der Apostroph im einschlägigen Abschnitt 58 wird ohne erkennbaren Grund mit unterschiedlichen typographischen Zeichen dargestellt. Wie er wirklich auszusehen hat, erklärt der blaue Kasten "Apostroph" im Wörterverzeichnis. Die Transkription S. 44 ist inkonsequent. Vielleicht ist der Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Vokalen absichtlich übergangen, aber trotzdem dürfte der Vokal in Betten nicht anders wiedergegeben werden als der in quellen.
Der Ausdruck ist manchmal etwas ungelenk: "Weitere Ursachen für Probleme mit der Rechtschreibung stellt die Tatsache dar, dass..." (887) "Getrenntschreibung gilt für Partizipien als erstem Bestandteil" (438).
Die Auswahl der Stichwörter überzeugt. Einiges hätte wohl noch aufgenommen werden können: Reductio ad absurdum, getrenntgeschlechtig, Laiin. Es sind auch nicht einmal alle Stichwörter des amtlichen Wörterverzeichnisses vorhanden; so fehlen Fritfliege und Holster. Eigennamen sind (bis auf einige Länder und Hauptstädte, sporadisch auch Flüsse) nicht aufgenommen; diese Strategie hat sich bisher bei Rechtschreibwörterbüchern noch nie bewährt; sie geht an offenkundigen Nachschlagebedürfnissen vorbei, und der übliche Verweis auf enzyklopädische Lexika (der hier ebenso fehlt wie eine Begründung der Stichwortauswahl) erweist sich als wenig sinnvoll, weil solche Werke meist nicht zur Verfügung stehen.
Wörterbücher in turbulenten Zeiten
Es überrascht, daß gerade jetzt, nach den selbstkritischen "Berichten" der Rechtschreibkommission, ein weiteres, ebenso umfangreiches wie anspruchsvolles Rechtschreibwörterbuch erscheint. Das in Lizenz des Wissen Media Verlags (Bertelsmann) herausgebrachte Werk trägt den Titel "Wahrig", den Bertelsmann gekauft hat und zu einem mit "Duden" konkurrierenden Markenzeichen aufzubauen versucht. Neu ist zunächst, daß es die bisher üblichen, in der seriösen Literatur noch weitgehend verwendeten und bis 2005 auch amtlich gültigen Schreibweisen nicht mehr enthält. Geläufige Wörter wie allgemeinbildend, Handvoll, jedesmal oder sogenannt wird man hier also nicht mehr finden. Zu den wenigen Ausnahmen wie Gemse, Stengel, rauh ist jeweils vermerkt: "künftig nicht mehr zulässige Schreibweise". Daß die künftige Unzulässigkeit sich nur auf den staatlich normierbaren Bereich - Schule und Behörden - bezieht, wird lediglich im Vorwort angedeutet. Offenbar soll jede Erinnerung an die gewachsene, von der Bevölkerungsmehrheit gewünschte Einheitsorthographie getilgt werden.
Daß der radikale Entschluß noch einen banaleren Grund haben könnte, lassen Einträge wie der folgende ahnen:
"mitleiderregend,Mitleid erregend; ein -er Mitleid erregender Anblick; sehr, äußerst mitleiderregend; noch mitleiderregender; der mitleiderregendste Anblick; großes Mitleid erregend"
Das ist, wie man sieht, in jeder Hinsicht wieder die bisher geltende Schreibweise. Die Rechtschreibkommission hat nämlich inzwischen erkannt, daß es aus grammatischen Gründen nicht angeht, solche Zusammensetzungen gänzlich aufzulösen. Da jedoch die amtlichen Regeln nicht geändert werden dürfen, glauben die anderen reformierten Wörterbücher hier etwas als "Neuschreibung" kennzeichnen zu müssen, etwa so, als sei die Getrenntschreibung unter den angegebenen Bedingungen bisher ausgeschlossen gewesen. Dieser lästigen Pflicht zur Täuschung entzieht sich das vorliegende Werk, indem es das Verhältnis von herkömmlicher und reformierter Orthographie überhaupt nicht mehr thematisiert.
Neuartig und bemerkenswert ist ferner, daß dem Wörterverzeichnis eine von Peter Eisenberg verfaßte kritische Darstellung der orthographischen Regeln vorangestellt ist. (Von den vielen guten Eigenschaften des Potsdamer Linguisten erwähnt der Verlag übrigens nur die Mitgliedschaft in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Dadurch wird suggeriert, daß diese Institution hinter der Rechtschreibreform stehe. Bekanntlich trifft das Gegenteil zu.) Eisenberg erklärt: "Das folgende Regelwerk möchte dem kompetenten Sprachteilhaber vor Augen führen, nach welchen Regeln er im Allgemeinen schreibt und liest." Ein solcher deskriptiver Ansatz würde zu einem gleichfalls deskriptiven Wörterbuch passen. Dann müßte es allerdings die üblichen Schreibweisen vorführen und nicht die von den Reformern erfundenen. Vor einigen Jahren war Renate Wahrig-Burfeind in ihrem dtv-Wörterbuch deutlicher geworden: "Vor diesem turbulenten orthographischen Hintergrund ein Wörterbuch der deutschen Sprache zu bearbeiten, kehrt die lexikographische Tätigkeit, die sich üblicherweise mit der Vergangenheit und der Gegenwart des Sprachgebrauchs befasst, in ihr Gegenteil. Die heute alles beherrschende Frage lautet: Wie schreibt man in Zukunft?"
Genauer besehen, verfolgt Eisenberg vier schwer vereinbare Ziele gleichzeitig: Beschreibung des bisherigen Schreibgebrauchs, Darstellung der Dudennorm, Vorstellung der Reform und persönliche Empfehlungen zu deren Korrektur. Oft weiß der Leser nicht recht, auf welcher dieser Ebenen er sich gerade befindet. Eisenberg behauptet zum Beispiel: "Beim Zusammentreffen von drei gleichen Buchstaben wird häufig ein Bindestrich gesetzt: (...) Brenn-Nessel." - Das gibt sich wie eine vage statistische Beobachtung des gegenwärtigen Schreibgebrauchs und ist doch bloß die von den Reformern empfohlene Behelfsschreibung zur Entschärfung der neuen Dreibuchstabenregel. "Bei Verben mit substantivischem ersten Bestandteil besteht ein Zusammenhang zwischen Getrenntschreibung und Großschreibung. Ist in kopfstehen der erste Bestandteil ein Teil des Verbs, dann wird bei Kontaktstellung zusammengeschrieben und bei Distanzstellung klein: kopfstehen und Sie steht kopf. Fasst man jedoch den ersten Bestandteil als selbständiges Wort auf, dann kann dies nur ein Substantiv sein und man schreibt Kopf stehen sowie Sie steht Kopf." - Das ist eine korrekte Darstellung des herkömmlichen Schreibbrauchs, wenn auch nicht der Dudennorm, die nur die erste Möglichkeit gelten lassen wollte. Die Ausdrucksweise im Indikativ des Präsens legt nahe, daß es sich um einen gegenwärtig gültigen Zusammenhang handele. Es folgt jedoch der Nachsatz: "Die Neuregelung lässt nur diese zweite Schreibweise zu" - sowie ein Verweis auf Eisenbergs eigenen Kommentar, in dem er aus gutem Grund, aber entgegen der Neuregelung empfiehlt, die bisherige Schreibweise beizubehalten. Zur neuen Großschreibung bei im Allgemeinen, im Folgenden usw. schreibt Eisenberg: "Auch im vorliegenden Wörterbuch sind solche Ausdrücke großgeschrieben. Ein echter Kern einer Nominalgruppe ist jedoch nicht vorhanden. Deshalb sollte man großzügig sein, wenn Kleinschreibung vorkommt." - Das ist offensichtlich gar keine orthographische Regel (Anweisung zum rechten Schreiben), sondern bestenfalls eine pädagogische Empfehlung an den notengebenden Lehrer. Wiederum anders verläuft der Bruch bei der neuen Getrenntschreibung: "Es wird empfohlen, bei enger Verbindung der Bestandteile wie in kennenlernen oder spazierengehen Zusammenschreibung weiter zuzulassen." - Hier kommen als Adressaten nur die Kultusminister in Frage; der normale Benutzer hat ja nichts "zuzulassen", sondern will wissen, wie er schreiben soll.
Widersprüche
Der Umschlagtext kündigt an: "Stichwortverzeichnis und Regelwerk sind inhaltlich sinnvoll verknüpft." Davon kann keine Rede sein. Zwar gibt es im Stichwortteil Verweise auf das Regelwerk, sie sind aber ganz äußerlich und unbestimmt. Überhaupt scheint es von vornherein sinnlos, amtliche Schreibungen mit Verweisen auf die persönlichen Vorstellungen Peter Eisenbergs von einer besseren Rechtschreibung begründen zu wollen. Bei Wörtern wie Eisen, Schmutz, Staub, Wasser steht beispielsweise jedesmal ein pauschaler Hinweis auf Regel Z 29; man weiß aber nicht, welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, zumal Schmutz abweisend nur getrennt geschrieben werden soll, Staub abweisend aber auch zusammen. Solche Willkür, die auf die unklaren amtlichen Regeln zurückzuführen ist, findet sich auf Schritt und Tritt: Platz greifend, aber raumgreifend usw. All jene wundersamen "Erleichterungen", die uns die Neuregelung beschert hat, sind getreulich verzeichnet. Man soll also schreiben: der Hohe Priester, aber das hohe Haus (Parlament); die Olympischen Spiele, aber das olympische Feuer; der goldene Schnitt, aber das Goldene Buch usw.
"In die Kritik geratene Neuregelungen sind gekennzeichnet und kommentiert." Auch das trifft nur sehr eingeschränkt zu. Im Wörterverzeichnis sind solche Neuschreibungen nicht gekennzeichnet, und der Kommentar in Eisenbergs Regelteil übergeht zahlreiche Fälle, die besonders stark kritisiert worden sind. Unzählige Male widersprechen sich Regelwerk und Stichwortverzeichnis. Bei Bigband zum Beispiel sei, erklärt Eisenberg, "Zusammenschreibung selbstverständlich". Das Wörterverzeichnis weiß es anders: Big Band. Eisenberg lehrt das Entweder-Oder. Das Wörterverzeichnis kennt wie die Neuregelung nur das Entweder-oder.
In das Wörterverzeichnis eingebaut sind zahlreiche blau unterlegte "Kästen", die sprachwissenschaftliche Begriffe erläutern, darunter auch solche, die für das Deutsche keine Bedeutung haben ("Ablativ"). Erwähnenswert ist, daß sie auch die Rechtschreibregeln noch einmal enthalten - die dritte Darstellung neben dem im Anhang abgedruckten amtlichen Regelwerk und der Eisenbergschen Fassung im ersten Teil. Nicht immer stimmen die Auskünfte überein. Aus der reformierten Consecutio Temporum des Wörterverzeichnisses wird im Kasten die herkömmliche Consecutio temporum. Folgt man den Angaben im blauen Kasten S. 439, so muß man annehmen, daß es Fingerbreit und meterlang gar nicht mehr gibt, weil "der erste Bestandteil erweitert oder gesteigert werden kann". In Wirklichkeit ändert sich hier nichts.
Die Komparation wird (wie in manchen neueren Grammatiken) zur Flexion gerechnet, neben Deklination und Konjugation (Kasten S. 387). In einem anderen Kasten (S. 593) heißt es gar: "(Die Komparation) wird häufig der Deklination zugerechnet, da die Formenbildung weitgehend regelmäßig ist." - Eine seltsame Begründung. In Wirklichkeit gehört die Komparation zur Wortbildung (Wortstammbildung), was man schon daran erkennt, daß die komparierten Formen ihrerseits erst noch dekliniert werden. Andernfalls müßte man ja doppelte Deklination annehmen. Die Komparation ist also eher mit Diminutivbildung und Motion vergleichbar; diese sind übrigens ebenfalls "weitgehend regelmäßig". Regelmäßigkeit kann durchaus auch im Bereich der Wortbildung festgestellt werden, tut aber ohnehin nichts zur Sache.
Ein bekannter Prüfstein der neuen Wörterbücher ist ihr Umgang mit dem Verbzusatz wieder-. Hier hatten die Reformer mit § 34 (1) unabsichtlich eine Falle aufgestellt, in die eine ganze Generation von Wörterbüchern, Schulbüchern und Zeitungen getappt ist.
Unter dem Stichwort wieder heißt es:
"Getrenntschreibung in Verbindung mit Verb/Partizip, wenn wieder in der Bedeutung von nochmals, erneut (bes. nicht fig.) gebraucht wird - (...) wieder aufbereiten (...)
Zusammenschreibung in Verbindung mit Verb/Partizip, wenn wieder in der Bedeutung zurück gebraucht wird - wiederbekommen (...)
In zahlreichen Fällen ist sowohl Getrennt- als auch Zusammenschreibung möglich - wiederaufladbar /wieder aufladbar; wiederbekommen / wieder bekommen"
Dazu zwei Bemerkungen vorweg: Der Zusatz "bes. nicht fig." hat keine Grundlage im amtlichen Regelwerk, und aufladbar ist weder Verb noch Partizip.
Die doppelte Möglichkeit kann nur besagen, daß eine Entscheidung zwischen den beiden Bedeutungen nicht getroffen werden kann. So steht beispielsweise bei wiederaufbereiten, das ja zunächst für die Bedeutungsvariante "nochmals, erneut" und damit für Getrenntschreibung in Anspruch genommen wird, unter dem entsprechenden Stichwort die Zusammenschreibung als erste Option. Das ist zwar im Ergebnis richtig, aber die systemimmanente Begründung leuchtet nicht ein.
wiederherstellen soll laut Wörterbuch zusammengeschrieben werden, weil es bedeutet "aufs Neue herstellen" - was doch gerade viel näher an die Paraphrase "nochmals, erneut" herankommt als an "zurück". Folglich wäre gerade hier Getrenntschreibung zu erwarten. Die tritt jedoch bei dem nahezu bedeutungsgleichen wieder herrichten ein! Bei wiederlesen ist die Zusammenschreibung bisher besonders fest, nach den neuen Regeln aber nicht mehr zulässig, denn an der Bedeutung "nochmals, erneut" ist gerade hier nicht zu zweifeln. Als Beispiel für die Getrenntschreibung von wieder sehen wird angeführt: ich habe sie wieder in der Kneipe gesehen - was so trivial wie unpassend ist, denn hier liegt ja nicht einmal Kontaktstellung vor.
Kurzum: Die Entscheidung des Wörterbuchs für Getrennt- oder Zusammenschreibung oder beides sind in keinem Falle vorhersehbar. Irgendein Gewinn an Schreibsicherheit ist nicht zu erkennen, im Gegenteil, es tritt eine unbeherrschbare Verunsicherung ein, weil man durch die Reform ständig in der Gewißheit lebt, daß sich etwas verändert haben könnte, ohne daß man aber einen Hinweis bekäme, was es sein könnte.
"Varianten"
Jahrzehntelang strebten die Reformer eine "gezielte Variantenführung" an, mit dem Ziel einer beschleunigten, aber nicht umstürzlerischen Fremdwortintegration. Die amtliche Neuregelung unterscheidet immer noch Haupt- und Nebenvarianten, allerdings sehr inkonsequent und ohne daß klar wäre, welchen Anspruch dieser Rest von "Variantenführung" eigentlich erhebt. Nicht einmal die Reformer selbst halten sich daran. Die Verfasser des vorliegenden Wörterbuchs schreiben im allgemeinen Teil stets Orthografie, orthografisch, das ist die Nebenvariante. Im Wörterverzeichnis benutzt die Erklärungssprache dann die Hauptvariante Orthographie, orthographisch (unter rechtschreiben usw.). Wie unter den Reformern üblich, werden auch die unterschiedlich gebildeten Wörter selbständig und selbstständig fälschlich als "orthografische Varianten" bezeichnet. Eisenberg schreibt nur selbständig, das Wörterverzeichnis nur selbstständig. Vom Begriff der "orthografischen Variante" wird auch sonst ein allzu großzügiger Gebrauch gemacht. So ist Gruyère gewiß keine "orthografische Variante" von Greyerzer und Kriek keine solche von Krick. Eisenberg schreibt tendentiell, aber das Wörterverzeichnis kennt diese Schreibweise gar nicht mehr, nur noch tendenziell (aber immer noch existentiell, potentiell). Übrigens sind die Varianten, die jetzt als neugewonnene "Freiheiten" des Schreibenden gepriesen werden, genau jene früher geschmähten "Unsicherheiten", deren Beseitigung ein Hauptmotiv der Reform war.
Silbentrennung
Die amtlich für möglich erklärten Worttrennungen sind allesamt aufgenommen, auch wenn sie noch so unsinnig sind: alla-bendlich, beo-bachten und O-bacht, To-wer, Pla-yer, Tee-nager, Bi-omüll, vol-lenden, Zo-ologe. Die Sache wird nicht besser durch Eisenbergs skurrilen Hinweis: "Lesehemmende Trennungen sollten in der Praxis vermieden werden." Wieso nur "in der Praxis"? Das ganze Rechtschreiben ist eine Praxis.
Eisenberg selbst verwendet ohne Bedenken unkultivierte Trennungen wie Katast-rophe, inte-ressieren. Das Wörterverzeichnis trennt Di-agnose, Palimp-sest, Palind-rom, An-tonomasie (nur so!). Das alles paßt zu einer Neuregelung, die für deutsche Wörter entlegene Etymologien hervorkramt (behände, Stängel, schnäuzen), bei Fremdwörtern jedoch die offenkundigsten Bestandteile nicht erkennen will.
Revision
In den blau unterlegten Kommentar-Kästen schlägt Eisenberg vor, zahlreiche neuen Regeln zu streichen oder zu korrigieren. Obwohl er seine Vorschläge ganz im Stil der Reformpropaganda als "Präzisierung und Fortschreibung" der neuen Regeln verharmlost, handelt es sich um tiefe Eingriffe, nämlich im einzelnen um die Zulassung
- der bisherigen Schreibweisen neben den (volks-)etymologischen Umlautschreibungen: Quentchen, Bendel, Gemse, belemmert, behende, Stengel, schneuzen
- der Getrenntschreibung mit irgend (über den Duden hinaus): irgend ein, irgend jemand usw.
- der Zusammenschreibung von kennenlernen, spazierengehen, gehenlassen, badengehen usw. zwecks semantischer Unterscheidung
- der Zusammenschreibung bei adjektivischen Verbzusätzen: vollmalen u. v. a. nach semantischen Gesichtspunkten
- der Zusammenschreibung bei substantivischen Verbzusätzen wie kopfstehen/steht kopf, eislaufen/läuft eis u. v. a.
- der Zusammenschreibung bei schwerbeschädigt, hochempfindlich, leuchtendgrün u. v. a.
- der Zusammenschreibung bei fleischfressend, eisenverarbeitend u. v. a.
- des Bindestrichs bei Happy-End u. v. a.
- der Höflichkeitsgroßschreibung Du in Briefen
- der Kleinschreibung bei im allgemeinen, im einzelnen, im wesentlichen usw.
- der Großschreibung bei mehrteiligen festen Begriffen (z. T. über den Duden hinaus): Erste Hilfe, Hohes Haus, Schneller Brüter u. v. a.
Ferner werden empfohlen:
- die Öffnung der Liste zusammenzuschreibender Verb-Partikeln (§ 34)
- die Vermeidung der neuen Zusammenschreibung bei Bigbusiness, Highsociety usw.
- die Vermeidung der bindestrichlosen Zusammenschreibung bei Desktoppublishing, Secondhandshop u. v. a.
- die Angleichung der Groß- und Kleinschreibung bei Substantivierung: der Eine und Einzige u. ä. (nicht ganz klar)
- weitere Trennmöglichkeiten (z. T. wie bisher): Ger-ste, Kar-pfen; nie-drig, Ge-gner u. a.
- die Vorzugstrennung mons-trös (nicht monst-rös), Em-blem (nicht Emb-lem) usw.
- die Wiederherstellung der apostrophlosen Unterscheidungsschreibung ohmscher Widerstand vs. Ohmsches Gesetz usw.
- die weitgehende Wiederherstellung der bisherigen Kommasetzung bei Infinitiven
Hinzu kommen die kritischen Bemerkungen, aus denen Eisenberg noch keine praktischen Folgerungen zieht, also etwa seine Verwerfung der groß geschriebenen Tageszeiten (heute Abend). Außerdem muß die implizite Rücknahme der grammatisch falschen Großschreibung bei jdm. Feind sein usw. hinzugerechnet werden. Eine grundsätzliche Umorientierung besteht darin, daß Eisenberg die Orthographie wieder zur Bedeutungsunterscheidung nutzen will, während die Reformer sie auf rein formale Kriterien gründen wollten. - Was bleibt also, wenn es nach Eisenberg geht, von der Reform? Hauptsächlich die so überraschend wiedereingeführte Heysesche ss-Regelung (von der sich Eisenberg übrigens bereits vor Jahren in scharfer Form distanziert hat). Dafür hätte es keiner milliardenteuren Staatsaktion bedurft.
Holzwege
Besonders im allgemeinen Teil ist einiges schiefgelaufen oder bewußt vernachlässigt. Eisenberg schreibt gleichlautend (so auch im Kasten S. 887); im Wörterbuchteil steht das neuerdings allein zulässige gleich lautend. Unrichtig im Sinne der Reform sind auch: das letztere, dem entsprechend, aufeinandertreffen. Unter fahren (und dem Musterartikel S. 14) ist das neuerdings obligatorische Komma nach Vorgreifer-es nicht gesetzt: es macht Spaß Rad zu fahren.
Bei täuschen soll es keine verwandte Form mit au geben; es gibt aber tauschen, das nicht weiter hergeholt ist als die anderen etymologischen Ausgrabungen (Schnauze zu neuschreiblichem schnäuzen usw.).
Das Wörterbuch verzeichnet getreulich auch die grammatisch falschen Neuschreibungen Leid tun, Recht haben, Pleite gehen, Not tun usw. - Eisenberg listet sie kommentarlos auf, obwohl auch der Laie sieht, daß sie objektiv nicht in Ordnung sind. Soll man tatsächlich schreiben: so Leid es mir tut; wie Recht du doch hast? In seinen eigenen Empfehlungen schlägt Eisenberg, über den alten Duden hinausgehend, sogar Zusammenschreibung vor: leidtun, nottun, rechthaben, pleitegehen, ganz im Sinne jener frühen Maxime der rabiaten Reformer: "Entweder groß und getrennt oder klein und zusammen."
Das Wörterbuch kennt nur das reflexive sich Bahn brechen und leitet daraus, ganz im Sinne des amtlichen Regelwerks, die Zusammenschreibung bahnbrechend ab. Eisenberg behauptet sogar ausdrücklich, eine syntaktische Konstruktion Bahn brechend sei ausgeschlossen. Das ist jedoch unrichtig, denn bahnbrechend ist gerade nicht das, was sich selbst Bahn bricht (also Erfolg hat), sondern was einem anderen Bahn bricht. So war die Erfindung des Ottomotors eine dem modernen Verkehr Bahn brechende Tat. - schwerbehindert, schwerbeschädigt usw., die Eisenberg anführt, widersprechen der amtlichen Regelung, die allerdings bei diesen Fällen ins Rutschen geraten ist.
Adjektive wie aufsehenerregend, erfolgversprechend usw. sind bekanntlich durch die Neuregelung beseitigt worden. Weil jedoch das amtliche Verzeichnis ohne nähere Begründung erratische Einträge wie die Ratsuchenden enthält, glaubt Eisenberg, auch ratsuchend, aufsehenerregend usw. retten zu können, indem er sie aus den analog konstruierten Substantiven Ratsuchende, Aufsehenerregende usw. rückbildet. Ein Hilfsdienst an der Reform, der den Grammatiker ungewöhnliche Selbstüberwindung gekostet haben muß.
"Besteht zum Satz nach dem Doppelpunkt eine so enge inhaltlicheVerbindung, dass man an Stelle des Doppelpunktes auch einen Gedankenstrich setzen kann, dann darf das erste Wort nach dem Doppelpunkt kleingeschrieben werden." - Diese Regel hat keine Entsprechung im amtlichen Text; auch ist die Setzung des Gedankenstrichs nicht so präzise geregelt, daß sich daraus ein brauchbares Kriterium ableiten ließe.
Ein im übertragenen Sinn kalter Krieg wird nach der Neuregelung keineswegs groß geschrieben, wie Eisenberg meint, sondern dies gilt allein für den Eigennamen einer ganz bestimmten historischen Epoche.
Eisenberg behauptet, mit der Großschreibung des Anredepronomens Sie werde Höflichkeit signalisiert und gleichzeitig eine Verwechslung mit dem Pronomen der dritten Person vermieden. Das erste betrifft jedoch eher die (auch mündliche) Verwendung als die Schreibweise des Anredepronomens. Auch stimmt es nicht ganz, daß die Verwendung des du "soziale Nähe" signalisiere. Vielmehr geht es um die Abwesenheit gesellschaftlich bedingter Förmlichkeit; daher werden so unvergleichbare "Partner" wie Gott, Kinder und Haustiere geduzt, obwohl hier von sozialer Nähe keine Rede sein kann. - In krassem Widerspruch zur Neuregelung und zum Wörterbuchteil des vorliegenden Werkes schreibt Eisenberg vor: sie ist ihm feind und kennzeichnet diese allerdings sehr notwendige Wiederherstellung nicht einmal als seine eigene Korrektur. Wenn er empfiehlt, die Schreibweise von das Meiste an die Kleinschreibung von vieles usw. vorzunehmen, so rennt er offene Türen ein, denn das meiste wird auch laut Neuregelung klein geschrieben.
Bei dem legendären schnee-erhellt, das sich seit Jahrzehnten durch die Wörterbücher schleppt und auch von diesem Werk trotz offenkundiger Abseitigkeit nicht ausgespart wird, ist keineswegs sicher, ob der erste Teil bei Bindestrichschreibung nicht groß geschrieben werden muß. Jedenfalls haben nicht nur die Schweizer Reformer Sitta und Gallmann § 55 (2) ("Die Großschreibung gilt auch für Substantive als Teile von Zusammensetzungen mit Bindestrich") so interpretiert: Armee-eigen, See-erfahren, Genuss-süchtig (so auch das Österreichische Wörterbuch). Die Rechtschreibkommission hat dieses Problem in ihrem ersten Bericht diskutiert und die inoffizielle Empfehlung ausgesprochen, angesichts der unerwünschten Folgen doch lieber keinen Gebrauch von diesem Entzerrungsbindestrich zu machen.
Daß Stieglitz, Kiebitz, Antlitz Ausnahmen sein sollen, ist wegen der gebeugten Formen nicht einsehbar; sollten Silbengelenke nur bei Haupttonsilben vorkommen, müßte das deutlicher gesagt werden. Hertz kommt als Eigenname ohnehin nicht in Betracht. Unter den Neuschreibungen wie Exposee hätten die immer noch bestehenden Ausnahmen Erwähnung verdient: Abbee, Attachee u. a. sollen ja weiterhin nicht zulässig sein.
weitgehend kann laut Wörterverzeichnis auch getrennt geschrieben werden, nicht aber als Adverb. Es ist unklar, woher diese im Ansatz vernünftige Regel stammt; im amtlichen Regelwerk hat sie keine Grundlage. Und warum gilt dasselbe nicht für tief gehend, tief greifend (nur getrennt)? vivipar wird als lebendgebärend definiert; dieses muß nach Ansicht der Reformer und des vorliegenden Wörterbuchs jedoch jetzt getrennt geschrieben werden.
Im amtlichen Regelwerk fiel bekanntlich auf, daß vornüber fallen getrennt, hintenüberfallen aber zusammengeschrieben werden sollte - ein offensichtliches Versehen, das die Reformkommission inzwischen eingestanden hat. Wahrig-Burfeind hält sich jedoch strikt an die amtliche Fassung von 1996 und lehrt folglich die Ungleichbehandlung von hintenüber und vornüber. Man muß das wohl im Sinne einer Reductio ad absurdum verstehen. So erklärt sich auch, daß weiterhin danebenhängen, aber darunter hängen (aber wiederum drunterhängen!) zu schreiben ist, dazwischenfahren, aber darüber fahren (aber drüberfahren!), wie es eben die Zufälligkeiten der lückenhaften Partikelliste aus § 34 vorsehen.
Die ominöse neue Kommaregel laut § 77 (5) wird von Eisenberg nicht richtig dargestellt, da er als kommapflichtige "hinweisende" Wörter nur Pronominaladverbien gelten läßt. Damit wird gerade das so ungemein folgenreiche Vorgreifer-es unterschlagen.
Zweckdefätismus
"Es gibt in der jetzigen Situation keine Möglichkeit mehr, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, ohne erneut eine Lawine von Kosten zu verursachen und eine ganze Schülergeneration zu verunsichern." (Vorwort) - Dieselbe Behauptung haben Eisenberg und die anderen Reformbetreiber schon zwei Jahre vor dem Inkrafttreten vorgetragen. Sie ist seither nicht plausibler geworden. Die Verunsicherung der Schüler kann nicht größer werden, als sie zur Zeit ist, und schuld daran sind weder die Reformkritiker noch jene Verlage und Medien, die bei der "alten" Rechtschreibung geblieben oder zu ihr zurückgekehrt sind. Schuld sind vielmehr die Politiker, die eine mangelhafte Reform ins Werk setzten, ohne die schon 1997 als "unumgänglich notwendig" erkannten Korrekturen zu genehmigen. Sie müssen nun Stück für Stück nachgeholt werden, und in spätestens drei Jahren muß eine Generalüberholung stattfinden - mit allen fatalen Folgen und Kosten. Schuld an der Verwirrung sind auch Verlage wie Duden und Bertelsmann, ohne deren Bereitwilligkeit die irregeleiteten Kultusminister ihr letztlich doch zum Scheitern verurteiltes Überrumpelungsmanöver nicht zum gegenwärtigen Scheinerfolg einer flächendeckenden Durchsetzung hätten führen können. Das Vorwort rückt die Verhältnisse in ein falsches Licht:
"Ob es sinnvoll war, diese Reform trotz der Proteste, die sie hervorrief, überhaupt umzusetzen, soll hier nicht debattiert werden." - Nicht die Proteste, sondern deren Ursache, also die objektiv nachweisbaren, längst auch von den Reformern eingestandenen Fehler hätten die Politiker veranlassen sollen, von ihrem Eingriff in die deutsche Sprache Abstand zu nehmen.
Indem der Regelteil wieder und wieder die bewährten Schreibweisen verteidigt und andererseits das Wörterverzeichnis die Neuregelung bis in ihre grotesken Auswüchse dokumentiert, gerät das Werk zu einem heimlichen Plädoyer für die bisherige Norm. Anzukreiden ist ihm nur der allzu offenkundig kommerziell motivierte Zweckpessimismus, was die Wiederherstellbarkeit der gewachsenen Einheitsorthographie angeht. Man kann sie haben, und zwar kostenlos, wenn man sie nur ernsthaft will.
eingetragen von Theodor Ickler am 31.10.2002 um 20.15
Das neue Wörterbuch scheint ein Flopp (Augst-Schreibung) zu sein, denn bei Amazon steht es auf Verkaufsrang 300.000, d.h. Ladenhüter. Übrigens ist dort meine Rezension immer noch nicht erschienen. A propos, wo steht eigentlich hier auf den Rechtschreibseiten meine Besprechung? Ich kann sie nicht mehr finden.
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 14.10.2002 um 13.48
Die heutige F.A.Z. ist schon wegen des großen Beitrags von Jürgen Kaube lesenswert. Er faßt die Ergebnisse der Historikerkommission zur Rolle von Bertelsmann im Dritten Reich zusammen. Bertelsmann hat sich dem Nazi-Regime angedient und ist dadurch groß geworden. Nach dem Krieg wurde die Verlagsgeschichte "umgelogen" (Kaube), man stand als harmloser, sogar verfolgter Verlag christlicher Schriften da und erschlich sich auf diese Weise die Zulassung durch die amerikanische Militärverwaltung. Erst vor vier Jahren wurde das Lügengespinst angezweifelt, der Konzern trat die Flucht nach vorn an und beauftragte unabhängige Forscher, das herauszufinden, was nun zutage liegt.
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Th. Ickler
eingetragen von Jörg Metes am 03.09.2002 um 19.13
"Deutsch für Profis. Wege zum guten Stil" von Wolf Schneider hat von 1982 an mindestens 6 Auflagen als 'STERN-Buch' im Verlag Gruner + Jahr erlebt, wurde 1986 dann ein 'STERN-Buch' im Goldmann-Verlag und ist inzwischen in der (wenn ich mich recht erinnere - ich habe es vorhin in einer Buchhandlung nur durchgeblättert) 4. Auflage ein Buch der Reihe 'Mosaik bei Goldmann'. Gruner + Jahr gehört heute zum Besitz von Bertelsmann, der Goldmann-Verlag gehört heute zum Besitz von Bertelsmann, und Wolf Schneider gehört es wohl ebenso. "Deutsch für Profis" wurde mittlerweile auf reformierte Rechtschreibung umgestellt.
Dabei passierte, was in solchen Fällen so häufig passiert: Nicht nur Wolf Schneiders Texte wurden umgestellt, sondern auch alle diejenigen, die Schneider eigentlich nur zitiert. Die "überarbeitete Taschenbuchausgabe" vom April 2001, die ich durchgeblättert habe, zitiert in neuer Rechtschreibung unter anderem Max Frisch, Rudolf Walter Leonhardt, Franz Werfel, Karl Valentin oder auch einen Artikel, der in den 70er Jahren in der 'Süddeutschen Zeitung' stand.
Es wurde damit "Deutsch für Profis" zu einem Beispiel für eben jene Praxis des Tatsachenverdrehens, vor der Wolf Schneider in früheren Jahren immer so gewarnt hat. Erinnert sei insbesondere an sein 1984 erschienenes Buch "Unsere tägliche Desinformation - wie die Massenmedien uns in die Irre führen". Auch "Unsere tägliche Desinformation" war ein 'Stern-Buch' bei Gruner + Jahr, anders als "Deutsch für Profis" wurde es freilich in keinen der vielen Bertelsmann-Verlage übernommen und ist heute nicht mehr lieferbar.
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Jörg Metes
eingetragen von J.-M. Wagner am 28.05.2002 um 10.10
Zitat:Nanu, ich dachte, der 2002er "Bertelswahrig" (sehr schön, Herr Reimers!) sei bereits eine Neubearbeitung? Aber vielleicht hat man ja recht früh damit begonnen bzw. ist "zu früh" fertig geworden, um die Kommissionsempfehlungen aus dem 3. Bericht noch darin unterzubringen...
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Für den Herbst ist ja eine vollständig neubearbeitete Ausgabe angekündigt. Dann wird eine richtige Rezension fällig. Ich rechne mit ganz deutlichen weiteren Rückbaumaßnahmen, etwa in der von Augst angedeuteten Richtung.
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Jan-Martin Wagner
eingetragen von Martin Reimers am 27.05.2002 um 19.42
Nanu, Herr Ickler, und ich hatte Ihre kürzlich im Zeitungsbrett erschienene Überschrift "Authentisches Fehlerbekenntnis" schon als Anspielung auf das Vorwort des neuen "Bertelswahrig" verstanden. Kürzlich habe einmal flüchtig hineingeschaut - die bringen es tatsächlich fertig, jetzt auch noch mit dem deskriptiven Ansatz hausieren zu gehen (wobei sie sich freilich immer noch auf die "Empfehlungen" der ZK berufen). Die Berufung auf die "Authentizität" ist bezeichnend; dieser Begriff verweist fast immer darauf, daß der Verdacht der Verzerrung und der bewußten Manipulation im Raume steht.
Einige Wortmonster haben die Zuchtfarm nun doch nicht verlassen dürfen. Für "rechthaben" und "leidtun" haben die Frankensteins der Linguistik schon zuviel öffentliche Prügel bezogen. Bemerkenswert ist die (erstmals) vollständige Rücknahme der vermeintlichen Variantenschreibung "wieder sehen / wiedersehen". Hier wird regelwidrig die Betonung als Kriterium angeführt. Eine Formulierung wie "vollkommen nichts sagend" bleibt amtlich, ist aber neuerdings nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Das Wort "wohlbekannt" bleibt dagegen auf dem Index.
Alles in allem scheinen die Bertelsmänner möglichst wenig Staub aufwirbeln zu wollen. Offenbar will man niemandem Anlaß für eine Rezension bieten. Zu Recht oder zu Unrecht, das wird sich vielleicht erst noch zeigen müssen.
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Martin Reimers
eingetragen von Theodor Ickler am 27.05.2002 um 18.34
Ich habe das neue Wörterbuch ("Wahrig") noch nicht gesehen, werde es mir aber mal ansehen und dann hier berichten. Für den Herbst ist ja eine vollständig neubearbeitete Ausgabe angekündigt. Dann wird eine richtige Rezension fällig. Ich rechne mit ganz deutlichen weiteren Rückbaumaßnahmen, etwa in der von Augst angedeuteten Richtung.
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Th. Ickler
eingetragen von Elke Philburn am 27.05.2002 um 15.52
Nun, man bemüht sich doch zumindest um eine Umsetzung der Regeln. Daß diese sich unterschiedlich auslegen lassen und zu unterschiedlichen Resultaten führen können, ist klar.
Nur mit der Orientierung an der Schreibpraxis ließe sich das kaum vereinbaren.
eingetragen von Karsten Bolz am 27.05.2002 um 15.05
Welches Wörterbuch richtet sich schon strikt nach dem "amtlichen" Regelwerk? Da der Rückbau in vollem Gange ist, unterscheidet sich jede Ausgabe signifikant von der vorhergehenden. In wieweit der Wahrig allerdings die Schreibpraxis dokumentiert, wird zu prüfen sein. Es steht zu vermuten, daß auch dort Belege verfälscht wurden, um bestimmte Schreibungen zu "legitimieren".
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Karsten Bolz
eingetragen von Elke Philburn am 27.05.2002 um 14.51
Heißt das, der Wahrig richtet sich nicht mehr strikt nach dem Regelwerk, sondern nach dem gegenwärtigen schriftsprachlichen Gebrauch? Oder ist das nur ein Werbetrick?
eingetragen von Theodor Ickler am 27.05.2002 um 03.38
Von der Internetseite des Bertelsmann Lexikon Verlags:
WAHRIG. Die deutsche Rechtschreibung ist das erste deutsche Wörterbuch, dessen Stichwörter mit dem WAHRIG TextkorpusDIGITAL, einer digitalen, ca. 500 Mio. Wörter umfassenden aktuellen Dokumentation der deutschen Sprache, empirisch abgeglichen wurden. Dies garantiert Aktualität und Lebensnähe.
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Th. Ickler
eingetragen von Christian Melsa am 08.05.2002 um 15.54
Zitat:Und wie! Aber bitte nicht das schon das Ende verraten!
Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
(Richtig aufregend, nicht wahr?)![]()
eingetragen von Elke Philburn am 08.05.2002 um 09.46
Hätten Sie gewusst, ... ... dass Flussschifffahrt künftig
mit drei „s“ und drei „f“ geschrieben wird? ... dass die E-Mail weiblich ist und sich
groß- und mit Bindestrich schreibt?
(Richtig aufregend, nicht wahr?)
eingetragen von Christian Melsa am 08.05.2002 um 04.03
Da steht also unter http://www.lexikonverlag.de/programm/produkte/deutscherechtschrei.html:
Das Besondere: Er verzeichnet die alten neben den neuen Schreibweisen, so dass klar erkennbar ist, was sich im Zuge der Rechtschreibreform geändert hat.
Was soll daran besonders sein? Ich habe noch kein Neuschrieb-Wörterbuch gesehen, bei dem das nicht der Fall ist.
eingetragen von Elke Philburn am 07.05.2002 um 10.57
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
"Die Bertelsmann Rechtschreibung ist das Standardwerk der Deutschen Presse-Agentur dpa."
Tatsächlich.
Und dann das hier:
Der Bildschirmschoner zur neuen Rechtschreibung
(Woran erinnert mich das nur?)
eingetragen von Theodor Ickler am 07.05.2002 um 02.31
"Die Bertelsmann Rechtschreibung ist das Standardwerk der Deutschen Presse-Agentur dpa." (http://www.lexikonverlag.de/sprachberatung/index.html)
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Th. Ickler
eingetragen von Reinhard Markner am 05.05.2002 um 12.23
bloß retorisch,* denn ich erwarte ja keine Antwort.
*Zu Reto, dem Schweizer Vornamen ; EWBHL lehrt seit geraumer Zeit in Bern.
eingetragen von Theodor Ickler am 05.05.2002 um 02.00
Ist diese Frage ernest gemeint?
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Th. Ickler
eingetragen von Reinhard Markner am 04.05.2002 um 22.41
um Ernest, er ist doch eigentlich ein pfiffiger Kerl, warum tut er sich mit so einem zusammen ?
eingetragen von Theodor Ickler am 04.05.2002 um 12.22
"Seit dem 1. August 1998 gilt für den gesamten deutschsprachigen Bereich eine Reform der Rechtschreibung der deutschen Sprache. (...) Der zeitweise vehemente Streit um das Pro und Contra der Rechtschreibreform ist damit beendet." (Bertelsmann: Grammatik der deutschen Sprache. Sprachsystem und Sprachgebrauch. Von Lutz Götze und Ernest W. B. Hess-Lüttich. Gütersloh, München 1999, S. 665)
- Eine bemerkenswerte Denkweise: Sobald der Staat eine Sprachänderung verordnet, ist der Streit darüber beendet.
Derselbe Hess-Lüttich schreibt auch:
"Die Spirale sprachpuristischer Forderungen drehte sich weiter bis zu den aberwitzigen 'Sprachregelungen' der Nationalsozialisten, die uns noch heute die 'die Sprache verschlagen'." (ebd. S. 661)
Was mag er gelesen haben, das ihm die Sprache verschlagen hat?
Im selben Band schreibt Götze über die neuen Regeln der GZS bei "trennbaren Verben" (Verzusatzkonstruktionen):
"Ist dem Schreibenden nicht klar, ob es sich um eine Zusanmmenschreibung (ein Wort)" [soll wohl heißen "Zusammensetzung"] oder Wortgruppe (zwei Wörter) handelt, bleibt ihm die Freiheit der Entscheidung (Toleranzregel)." (S. 53)
Toleranz ist gut, aber die Begründung ist falsch. Daß der Schreibende es nicht weiß, ist doch gerade der Grund, warum er nachschlägt. In der amtlichen Neuregelung klingt es eher so, als ob die Reformer es nicht wissen - kein Wunder angesichts der verkorksten These von "Wortgruppe vs. Zusammensetzung". In meinem Rechtschreibwörterbuch dagegen ist es die objektive Instanz des schwankenden Usus, auf die sich die fakultative Zusammenschreibung beruft.
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Th. Ickler
eingetragen von Walter Lachenmann am 12.04.2002 um 19.33
Im Börsenblatt vom 12.4.02 prangt eine Anzeige mit der Schlagzeile:
Hier ist ja alles voller
Wahnhinweise!
In der Folge preist Bertelsmann den neuen WAHRIG (»Gewusst wie.«) mit den üblichen banalen Sprüchen (»Bewährt und zuverlässig. - Aktuell und innovativ (sic!) - Benutzerfreundlich und lebensnah.«)
Es sieht so aus, als habe sich Bertelsmann den Werbetexter von der Plattlinger MediaMarkt-Filiale oder dem »Freundlichen Möbelhaus WOHNWAHN auf der grünen Wiese« (Dort wo die Fahnen weh'n) eingekauft. Dämlicher geht es ja kaum noch, selbst ausgewiesenen Intellektuellen mußte ich mühsam erläutern, wo die Scherzvalenz dieses Kalauers, der die Existenzberechtigung dieser rhetorischen Kategorie ernstlich in Frage stellt, nach der vermutlichen Vermutung seines Autors vermutlich liegt. Ich vermute, ich habe sie herausgefunden.
Soeben habe ich der Campingwagenfirma Westfalia den Werbeslogan »Mit Wohnwahn von Westfalia in die Feerien...« für eine WAHN-Erkennungsgebühr von Euro 0,25 abgedrehten.
– geändert durch Walter Lachenmann am 14.04.2002, 01.00 –
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Walter Lachenmann
eingetragen von Theodor Ickler am 10.03.2002 um 13.32
Wie sehr der Bertelsmann-Konzern die Rechtschreibreform als SEINE Sache betrachtet, geht aus der Reformchronik hervor, die man auf der Internetseite des Konzerns findet. Hier noch einmal ein Auszug (für neue Besucher):
April 1996: Die beiden Verlage AOL und Rowohlt schicken an alle 40.000 allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen das Taschenbuch: Die neue deutsche Rechtschreibung. Wörter und Regeln leicht gelernt (Rowohlt Sachbuch 60171, 9,90 DM). Durch diese Privatinitiative werden alle Schulen rechtzeitig über die neuen Schreibweisen und das geänderte Regelwerk informiert. September 1996: In einer gemeinsamen Aktion von bbv (book-byte-vision = AOL, Lichtenau) und Bertelsmann werden 40.000 Exemplare des neuen Wörterbuchs von Bertelsmann Lexikon: Die neue deutsche Rechtschreibung an alle allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen geschickt. In der Folge wird Bertelsmann neben Duden der zweite deutsche Wörterbuchverlag September 1997: In einer gemeinsamen Aktion überreichen die Verlage Shaker (Aachen) und AOL (Lichtenau, Baden) allen 672 Bundestagsabgeordneten die Chronik der Rechtschreibreform (Widerworte. "Lieber Herr Grass, Ihre Aufregung ist unbegründet!" Antworten an Gegner und Kritik der der Rechtschreibreform). Die Chronik wird eingeleitet durch den offenen Brief von Dr. Gerhard Schoebe an die Mitglieder des Deutschen Bundestages. September 1997: In einer gemeinsamen Aktion von bbv und Bertelsmann werden 19.000 Exemplare des neuen Schüler-Bertelsmann an alle weiterführenden Schulen geschickt. Damit steht den Schülern das erste Werk zur Verfügung, das alle Wörter nur in der neuen Rechtschreibung enthält. 14. Juli 2005: Die Internet-Adresse neue-rechtschreibung.de ist 7 Jahre alt. Altbundeskanzler Gerhard Schröder gratuliert in einem offenen Brief und bedankt sich für die unter dieser Adresse entstandene quasi "Zentrale Informationsstelle der deutschen Rechtschreibreform" bei Bettina Bauer, der jugendlichen Chefin des dynamischen Unternehmens book-byte-vision.
(NB! Das ist kein satirischer Text, sondern ein Original! Bemerkenswerterweise rechnet Bertelsmann nicht mit einer Wiederwahl des befreundeten SPD-Kanzlers.)
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Th. Ickler
eingetragen von Theodor Ickler am 22.12.2001 um 16.02
Natalie Angier: Frau. C. Bertelsmann 2000
Hier einige richtige und einige falsche Umsetzungen der RSR:
... nur noch wenige Eier in den Eierstöcken. Die Übrigen sind verschwunden. (19)
als fasse das weibliche Geschlechtsteil alle Leben spendende Kraft der Frau zusammen (22)
"Sie ist echt klasse!" ruft eine der anwesenden Krankenschwestern aus. (26)
das dritte Mal ... zweimal ... jedes Mal (26) ... zum erstenmal (44 - nur "zum ersten Mal"
ist zulässig!)
oder sonst wie beeinträchtigt (29)
eine der wenigen Erfolg versprechenden Verbesserungen (31)
Emb-ryo (35)
In gewisser Hinsicht tut es mir Leid (47)
begriff sie, dass ihr Fall Besorgnis erregend ungewöhnlich war (53)
das fleischgewordene Schönheitsideal (58; ebenso 59 - nur Getrenntschreibung zulässig!)
selbstbeherrschte und selbstbestimmte Frauen (60 - wahrscheinlich getrennt zu schreiben! S. aber unter "Lustgewinn": Duden-Korrektor, Test vom 23. 12. 2001)
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Th. Ickler
eingetragen von Reinhard Markner am 01.12.2001 um 05.08
Für den Fall, daß sich außer mir noch jemand wundert : cælestis oder coelestis, geht beides.
eingetragen von Reinhard Markner am 01.12.2001 um 03.09
Ich nehme an, daß Péter Esterházy selbst sich auskennt, er spricht nämlich gut deutsch, wenn ich mich recht entsinne.
eingetragen von Jörg Metes am 30.11.2001 um 23.29
Der Roman 'Harmonia Caelestis' von Péter Esterházy, aus dem Ungarischen übersetzt von Terézia Mora, ist nun wiederum in herkömmlicher Rechtschreibung erschienen. Und zwar erst dieses Jahr, im September, beim Berlin Verlag. Der Berlin Verlag ist "ein Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH", und 'Harmonia Caelestis' ist sein diesjähriger Spitzentitel (800 Seiten, 68 DM, Platz 303 der Verkaufsrangliste bei amazon.de). Da kenne sich einer noch aus.
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Jörg Metes
eingetragen von Theodor Ickler am 18.10.2001 um 15.46
Tja, heute schreibt man ja keine Bücher mehr, sondern Bestseller: "XY hat einen neuen Bestseller geschrieben" - auch wenn noch kein einziges Exemplar verkauft ist. "XY schreibt an einem neuen Bestseller."
Zu denken, daß dieser ganze Schrott auch noch ins Fernsehen gedrückt und zur Grundversorgung erklärt wird, für die bald jedermann Gebühren zahlen muß, auch der, der überhaupt keinen Fernseher besitzt. Aber man hat ja einen PC und könnte theoretisch ... Daß es hier auf Antrag eine Ausnahmeregelung geben soll, wie Stoiber verspricht, glaube ich nie und nimmer.
Übrigens kommt uns doch die Koalition von Stoiber bis Simonis, die dem Unterhaltungsgewerbe mit diesem schlauen Plan zu Hilfe eilt, doch irgendwie bekannt vor, nicht wahr?
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Th. Ickler
eingetragen von Jörg Metes am 18.10.2001 um 15.06
Die Agentur 'Eggers & Landwehr' hat ihren Sitz in Berlin ("und New York"), handelt mit Buchrechten und vertritt zum Beispiel die Autoren Benjamin von Stuckrad-Barre, Florian Illies, Benjamin Lebert, Frank Schirrmacher und Roger Willemsen. Glaubt man dem 'Spiegel' (Nr. 7/2001), dann erfolgte der Vorabdruck eines Romans des 'Eggers & Landwehr'-Autoren Michael Kumpfmüller in der FAZ auf Betreiben Frank Schirrmachers und gegen den Willen des damaligen Literaturchefs Thomas Steinfeld. Gegen einen anschließend von Steinfeld ins Blatt gehobenen Verriß dieses Romans ließ Schirrmacher in derselben FAZ-Ausgabe eine Lobeshymne stellen, die wiederum von Florian Illies verfaßt worden war. Thomas Steinfeld ging dann zur SZ.
Florian Illies soll - das schreibt jetzt nicht mehr der 'Spiegel', das erzählt mir jemand aus der Branche - für "Anleitung zum Unglücklichsein" einen Vorschuß von einer Million DM bekommen haben, zu einer Zeit, als einer der Geschäftsführer der S.Fischer Verlage (zu denen auch Illies' bisheriger Verlag ARGON gehört) Frank Trümper hieß. Frank Trümper wiederum ist der Lebensgefährte des 'Eggers & Landwehr'-Partners Matthias Landwehr. Frank Trümper verläßt S. Fischer zum Jahresende, und die S.Fischer-Geschäftsführerin Monika Schöller war erst einmal dagegen, der Forderung von 'Eggers & Landwehr' nach wiederum einer Million Mark Vorschuß für das dritte Buch von Florian Illies nachzugeben (von diesem Buch soll noch nicht eine Zeile vorgelegen haben). Also verkaufte 'Eggers & Landwehr' Illies eben an Bertelsmann.
Aber auch vom Kaufmännischen her wären solche Vorschüsse durchaus noch vertretbar und plausibel; von "Generation Golf" sollen 500 000 Exemplare verkauft worden sein, von "Anleitung zum Unglücklichsein" bereits 100 000. Definitiv unbegründet wäre dann allerdings Florian Illies' Kummer, "nicht jedem Obdachlosenzeitungsverkäufer eine Zeitung abkaufen [zu können], sonst werde ich arm."
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Jörg Metes
eingetragen von Theodor Ickler am 17.10.2001 um 19.22
Netzeitung 16. 10. 2001:
Florian Illies jetzt auch bei Bertelsmann
Bestsellerautor Florian Illies wechselt zum Blessing Verlag - angeblich für viel Geld. Außerdem wird der FAZ-Redakteur Beirat des Bertelsmann Clubs.
Von Ulrich Gutmair
Die neuen Popautoren haben nicht nur Debatten in den
Feuilletons ausgelöst, sondern auch den Literaturmarkt
verändert. Die Gagen der jungen Autoren bewegen sich
in Höhen, die man vorher nur aus dem Popgeschäft
kannte. Die Autorin Rebecca Casati hat für ihr eben
erschienenes Buch «Hey Hey Hey» vermutlich 300.000
DM Vorschuss bekommen, und seit einem halben Jahr
wird darüber spekuliert, ob Benjamin Lebert («Crazy»)
gar eine Million Mark erhalten könnte.
Jüngste Gerüchte besagen, dass auch Florian Illies einen
Vorschuss in der selben Höhe erwarten darf. Illies hat
mit «Generation Golf» einen Bestseller geschrieben,
500.000 Kopien des Werks wurden seit seinem
Erscheinen 1999 verkauft. Auch seine im August diesen
Jahres erschienene «Anleitung zum Unschuldigsein»
verkauft sich bereits gut.
Nun wechselt der Autor allerdings von Argon/Fischer
zum Münchener Blessing Verlag, der zum
Bertelsmann-Konzern gehört. Eine Verlagssprecherin
bestätigte der Netzeitung den Wechsel. Blessing habe
Illies einen Vorschuss in gleicher Höhe wie
Argon/Fischer geboten, der Autor sich daraufhin aber für
den Verlagswechsel entschieden. Über die Höhe des
Vorschusses wollte man in München allerdings nichts
sagen.
Verbindungen zu Bertelsmann
Mit Bertelsmann verbindet Illies, verantwortlicher
Redakteur der «Berliner Seiten» der «FAZ» und
Leitender Redakteur des Feuilletons der neuen
«Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung», seit kurzem
bereits anderes: Er ist Mitglied des Literatur-Beirats des
Club Bertelsmann, der sich zur Frankfurter Buchmesse
konstituiert hat.
Neben dem Vorsitzenden Wolfgang Herles sind die
Schriftsteller Gaby Hauptmann, Tanja Kinkel und Walter
Kempowski, der Sachbuchautor Günter Ogger und die
Moderatorin Lea Rosh Mitglieder des Beirats. Er soll
laut Presserklärung «Positionen zu aktuellen Fragen der
Branche» beziehen, etwa bezüglich der Leseförderung
bei Kindern und Jugendlichen.
Beiräte bekommen TV-Plattform
Desweiteren soll der Beirat einen Literaturpreis für das
beste Zweitwerk eines Autors vergeben. Um seine
Funktion als «Impulsgeber für die Kultur- und
Literaturszene» wahrnehmen zu können, werden die
Beiratsmitglieder an einer 2002 startenden
Literatursendung «mit Talkshowcharakter» beteiligt sein.
Die Moderation wird Beiratsmitglied Lea Rosh
übernehmen, die Sendung auf XXP und Vox zu sehen
sein.
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Th. Ickler
eingetragen von Walter Lachenmann am 17.10.2001 um 18.48
In meinem Umkreis habe ich die bestürzende Beobachtung gemacht, daß, meist jüngere, Autoren Wert darauf legen, daß ihre Texte in neuer Rechtschreibung publiziert werden. Es scheint ihnen das Gefühl zu geben, zeitgemäß daherzukommen.
Vielleicht geht es Herrn Illies gegen den Strich, daß er bei der FAZ »althochdeutsch« publizieren muß. Seit einigen Jahren tragen flotte Jungyuppies ja auch so mickrige Brillen, an denen man früher den Sozialhilfeempfänger erkennen konnte. Jetzt ist sowas der letzte Schrei des Brillendesigns - wir scheinen im Zeitalter der schleichenden Verblödung zu leben. Oder war das immer so?
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Walter Lachenmann
eingetragen von Theodor Ickler am 17.10.2001 um 18.30
Was Herr Metes bemerkt, führt keineswegs vom Thema Bertelsmann weg. Wie angedeutet, könnte Illies' Zugehörigkeit zu dem neuen CLUB-Gremium durchaus etwas bewirkt haben. Vielleicht hat man ihm zu verstehen gegeben, die hohe Ehre (mit verkaufsfördernden Folgen durch gesteigerte Prominenz und Medienpräsenz) verpflichte ihn zu einem gewissen Entgegenkommen bei der Rechtschreibung ...
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Th. Ickler
eingetragen von Christian Melsa am 17.10.2001 um 17.35
Leider kenne ich Illies auch noch nicht aus eigener Lektüre, aber es scheint mir nicht so verwunderlich, daß ein Buch namens "Generation Golf" einen passablen Ruf begründen kann. Generationsporträts haben in einer von Marktforschung dominierten Alltagskultur ganz besonderen Wert. Das geht bis hin in die Feuilletons, wo dann lustvoll Thesen über den Zustand und das spezifische Lebensgefühl von dieser und jener Generation entwickelt werden, seien es Blumenkinder, 68er, No-Future-Generation, was auch immer. Und natürlich ragt ein Buch besonders heraus: "Generation X" von Douglas Coupland. Der Titel dieses Buches war eine Zeitlang in aller Munde, als es für Erwachsene darum ging, die Rätsel der Grungekultur in den 90ern zu lösen, die Melancholie der Twentysomethings in einer Welt am Ende des Millenniums, in einem von McJobs geprägten Leben, das keine großen Dinge mehr zu verrichten bereithält usw. usw. usw. "Generation Golf" dürfte allein wegen des ähnlichen Titels sozusagen als deutsche Antwort auf "Generation X" gesehen worden sein. So ist sie, die rezensierende Presse. Meist ist das wundersam elaboriert erscheinende Endurteil schon durch die ersten oberflächlichen kognitiven Impulse bestimmt. Marketing braucht Schubladen.
eingetragen von Jörg Metes am 17.10.2001 um 17.09
Wer unbedingt will, kann bei Holtzbrinck durchaus noch herkömmlich schreiben. Florian Illies war mit 'Generation Golf' ja gerade das Beispiel. Und 'Generation Golf' ist nicht etwa schon 1998 erschienen (wie ich das geschätzt hatte), sondern erst letztes Jahr.
Illies muß seinen Orthographiewechsel aus freien Stücken beschlossen haben. Was er sich von ihm versprochen hat, kann ich mir nicht einmal vorstellen. Doch ich kann in der Tat einmal versuchen, das herauszufinden.
(Und bitte um Verzeihung, daß das hier alles so abführt vom Thema 'Bertelsmann')
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Jörg Metes
eingetragen von Walter Lachenmann am 17.10.2001 um 10.52
Die Lektüre der Buchbesprechung von Herrn Metes ist ein reiner Lesegenuß. Wie wäre es, wenn wir diese Seiten bereichern würden um weitere Buchbesprechungen, sie müssen ja nicht immer so ein köstlicher Verriß sein wie dieser? Man liest ja auch gerne ein Lob.
Bei Holtzbrinck wird Neuschrieb betrieben, die Autoren ordnen sich dem unter oder es ist ihnen egal, vermutlich haben sie gar nicht die Wahl. Daß jeder Text dadurch entwertet wird, nimmt man hin - oft schadet es ja auch nichts sondern entspricht der Dürftigkeit der Aussage. Das scheint überhaupt ein Charakteristikum der neuen Orthographie zu sein: Selbstverstümmelung, diensteifrige Übernahme von Merkmalen der Aktualität, seien sie auch völlig kontraproduktiv (in anderen Bereichen ist das ja ähnlich: man denke an die kaum mehr wahrnehmbaren grauen Telefonzellen der Telekom im Gegensatz zu den alten, weithin sichtbaren gelben Häuschen), Ehrgeizlosigkeit was Form und Inhalt betrifft - Hauptsache: man ist dabei und hat - Spass.
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Walter Lachenmann
eingetragen von Reinhard Markner am 17.10.2001 um 10.21
Zitat:Ich habe selten einen kürzeren und präzisieren Verriß gelesen. Lieber Herr Metes, wollen Sie nicht Herrn Illies mal höflich fragen, wieso für das neue Buch der Neuschrieb gewählt worden ist ?
Ursprünglich eingetragen von Jörg Metes
Florian Illies ist Jahrgang 1971. Davon handelte sein erstes Buch.
eingetragen von Theodor Ickler am 17.10.2001 um 03.29
Den Worten von Jörg Metes kann ich nur zustimmen. Illies kannte ich bisher nur dem Namen nach, aber als die Zeitung einen Text aus dem neuen Buch in voller Länge abdruckte, wunderte ich mich über den weitschweifigen, allen Witz erstickenden Stil. Wegwerfliteratur, das ist es. Daß so etwas heute als gekonnt gilt, wundert einen schon gar nicht mehr.
Wahrscheinlich ist der junge Mann auch gegen die Rechtschreibreform, wenn man ihn danach fragt. Andererseits findet er es wahrscheinlich komisch, daß man dagegen kämpft, wo doch sowieso alles komisch ist und nur dazu taugt, Geld damit zu machen, daß man es komisch findet. Das Ganze geht sogar als Gesellschaftskritik durch und wird gewiß auch noch mit Preisen gekrönt.
Jetzt wollen wir mal sehen, ob Kempowski auch reformiert drucken läßt. Die anderen Mitglieder des neuen Bertelsmann-Club-Beirates sind ja wohl alle dazu bereit bzw. längst eingeschwenkt.
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Th. Ickler
eingetragen von Christian Melsa am 17.10.2001 um 00.53
Vielleicht ist es auch die Reformschreibe, die den Lesegenuß derart verdirbt, daß einem alles bestenfalls lau vorkommt, was darin geschrieben ist. Jedenfalls muß man immer wieder die Augenbrauen heben bei jeder erneuten Dämlichkeitsdemonstration des Neuschriebs in der anspruchsvollen Praxis. Es kann ein Text wohl auch eigentlich noch von moderater Güte sein - wenn die orthographische Tiefe derjenigen eines wild zusammengeschusterten Völkner-Elektronik-Sonderkatalogs von 1983 gleicht, wirkt alles irgendwie doof.
eingetragen von Jörg Metes am 16.10.2001 um 23.29
Florian Illies, als Redakteur verantwortlich für die Berliner Seiten der FAZ und für das Feuilleton der FAS, ist als Buchautor zur Reformschreibung übergegangen. Sein neues Buch heißt "Anleitung zum Unschuldigsein" und ist vor einigen Wochen im Argon Verlag (Holtzbrinck-Gruppe) erschienen. Als Buchautor schreibt Illies jetzt "dass", "deplatziert", "voll gestellt", "bis-schen", "ich sagte Nein" oder "fertig bringen", und der Erfolg gibt ihm zumindest nicht unrecht. In der aktuellen 'Spiegel'-Bestsellerliste steht "Anleitung zum Unschuldigsein" bei den Sachbüchern auf Platz 2.
Florian Illies ist Jahrgang 1971. Davon handelte sein erstes Buch. Auch dieses erste Buch - "Generation Golf" - war (und ist) ein Bestseller. Im Unterschied zu "Anleitung zum Unschuldigsein" folgte es (1998?) aber noch der herkömmlichen Rechtschreibung.
"Anleitung zum Unschuldigsein" ist nicht wirklich ein Sachbuch. Es ist ein Schmunzelbuch. Illies schildert und amüsiert sich über alltägliche kleine Gewissenskonflikte. Er schildert und amüsiert sich freilich nicht gerade glaubwürdig (»Ich fühle mich schlecht, wenn ich dem Obdachlosenzeitungsverkäufer keine Zeitung abkaufe, ich kann aber andererseits auch nicht jedem Obdachlosenzeitungsverkäufer eine Zeitung abkaufen, sonst werde ich arm.« Weder das eine noch das andere dürfte stimmen). Illies ist ein schlechter, aber eben auch populärer Autor.
Illies schreibt umständlich. Sehr schlichte komische Ansätze werden äußerst betulich entwickelt. An Spannungsbögen, die normalerweise kaum eine Zeitungsglosse tragen, hängt er ganze (und dementsprechend dünne) Kapitel auf. Ungleich dichter, intelligenter und pointenreicher hat über ähnliche Themen etwa vor zwanzig Jahren schon Robert Gernhardt geschrieben ("Es gibt kein richtiges Leben im valschen"). Generationen von Humoristen und Satirikern haben dichter, intelligenter und pointenreicher geschrieben. Florian Illies scheint sie alle nicht zu kennen und fängt noch einmal ganz von vorne an.
Und auf diese Ahnungs- und Traditionslosigkeit: Auf die kommt es mir an. Ist sie in der Reformschreibung nicht letztlich viel besser aufgehoben? Offenbart und bekennt sie sich in Reformschreibung nicht sehr viel deutlicher? Ist Reformschreibung für Wegwerfliteratur dieser Art nicht eigentlich sogar angemessener?
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Jörg Metes
eingetragen von Theodor Ickler am 11.10.2001 um 10.30
Pressemitteilung von Bertelsmann Group, 12.10.2001:
Frankfurt am Main (ots) -
Mit der Konstituierung des CLUB-Beirats auf der Buchmesse in
Frankfurt startet DER CLUB BERTELSMANN eine neue Programm- und
Kulturoffensive. Zum CLUB-Beirat gehören die Schriftstellerinnen
Gaby Hauptmann und Dr. Tanja Kinkel, die Kulturkritikerin und
Moderatorin Lea Rosh, der FAZ-Feuilletonist und Autor Florian Illies,
der Sachbuchautor Günter Ogger und der Schriftsteller Walter
Kempowski. Dr. Wolfgang Herles, Journalist, Autor und Leiter des
ZDF-Kulturmagazins "aspekte", wurde zum Vorsitzenden des Club-Beirats
gewählt.
Ziel des Club-Beirats ist es unter anderem das Lesen bei Kindern
und Jugendlichen und den literarischen Wettbewerb zu fördern, wie zum
Beispiel mit einem "Literaturpreis für das beste Zweitwerk" eines
Autors. Der CLUB-Beirat wird zweimal jährlich zu den großen
Buchmessen in Frankfurt und Leipzig zusammentreffen.
Einmal im Monat werden die Beiratsmitglieder gemeinsam mit Gästen
neue Bücher, CLUB-Premieren und Bestseller in einem 60-minütigen
TV-Literaturmagazin präsentieren. Die Sendung soll im Januar 2002
unter der Moderation von Lea Rosh auf XXP und VOX starten.
Ein weiterer Bestandteil der Programmoffensive ist der Start der
ersten exklusiven Premiere in 8 europäischen Clubs. Der Roman "Le lit
d'Aliénor" von der französischen Autorin Mireille Calmel erscheint in
Frankreich, in den Niederlanden, in Portugal, Deutschland, Spanien,
Polen, Italien und Großbritannien. Als Zielauflage haben sich die
Clubs mehr als 1 Mio. verkaufte Exemplare vorgenommen. In den
vergangenen drei Jahren gab es allein bei DER CLUB 21 exklusive
Premieren mit 4,7 Mio. verkauften Exemplaren, wie zum Beispiel "Das
Lazaruskind" von Robert Mawson oder Barbara Woods "Himmelsfeuer". Die
Clubs bilden mit jährlich 170 Millionen verkauften Büchern die größte
Buchgemeinschaft der Welt.
Weitere Highlights der Programmoffensive von DER CLUB Bertelsmann
sind die "EDITION 21" - Romane junger deutscher Autoren in
außergewöhnlicher Ausstattung - das neue multimediale Bertelsmann
Lexikon und ein halbes Jahr vor dem freien Verkauf im Buchhandel
David Baldaccis exklusive Club-Premiere "Das Versprechen".
Die "EDITION 21" startet mit "Wäldchestag" von Andreas Maier und
"Liebediener" von Julia Franck. Jährlich werden fünf bis acht Titel
hinzukommen.
"Das neue Bertelsmann Lexikon multimedial: Das geballte Wissen
unserer Zeit in 24 Bänden" bündelt das Wissen der Menschheit auf
8.400 Seiten, in 150.000 Stichwörtern und 10.000 überwiegend farbigen
Abbildungen, Grafiken, Karten und Tabellen und bietet ab 1. November
2001 einen kostenlosen Stichwort-Aktualisierungsservice im Internet.
"Die Club-Programmoffensive ist nach der im Frühjahr 2001 auf der
Leipziger Buchmesse eröffneten Marketingoffensive mit dem viel
beachteten Internet-Relaunch von DER CLUB (www.derclub.de), der
Einführung einer neuen Betriebssoftware für die internationalen
Clubs, dem Start von 2 Spezialclubs in Deutschland und Frankreich
sowie der Modernisierung von Katalogen und Filialen die konsequente
Fortführung unserer Neuausrichtung des Clubbusiness. Mit dem in
Europa bisher einmaligen Literatur-Beirat unterstreichen wir unseren
Anspruch, unseren weltweit 28 Mio. Mitgliedern ein exzellentes
Medienangebot auszuwählen", betont Bertelsmann-Vorstand und CEO der
DirectGroup Klaus Eierhoff.
"Wir sind stolz, namhafte Persönlichkeiten aus der Literatur- und
Kulturszene für unseren Club-Beirat gewonnen zu haben", sagt
CLUB-Chef Wulf Böttger. "Für unsere Mitglieder bedeutet dies eine
qualitative Erweiterung unserer Beratungs- und Auswahlkompetenz. Die
Kommentare und Empfehlungen unseres Beirates werden maßgeblich den
Meinungsstreit um aktuelle literarische Tendenzen beflügeln und die
Kultur- und Literaturförderung im deutschen Sprachraum anregen."
Die DirectGroup Bertelsmann:
Die DirectGroup Bertelsmann steuert seit Juli 2000 als neuer
Unternehmensbereich die Endkundengeschäfte der Bertelsmann AG. Zur
DirectGroup gehören die weltweiten Buch- und Musikclubs sowie die
globalen E-Commerce-Geschäfte mit zusammen 60 Millionen Kunden und
Mitgliedern. Bei den Medienclubs ist Bertelsmann Weltmarktführer, bei
den Medien-E-Commerce Aktivitäten mit BOL, CDNow und BN.com die
weltweite Nummer 2. Die DirectGroup ist neben Inhalten und Media
Services eine der drei tragenden Säulen der
Bertelsmann-Gesamtstrategie. Dr. Klaus Eierhoff leitet die Gruppe,
deren Gesamtumsatz im Geschäftsjahr 2000/01 bei 3,8 Milliarden Euro
lag. Mit 13.500 Mitarbeitern ist der Bereich in 22 Ländern aktiv und
trägt maßgeblich zur Internationalität des Gesamtunternehmens
Bertelsmann bei.
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Th. Ickler
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