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eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 08.08.2003 um 15.31

»Danke«, sagte Lagutin, »die Dose ist mir bereits aufgefallen, aber zu Hause genießen wir den Tee mit einem Quäntchen Butter, ich war freimütig genug, mich zu bedienen.«
»Kann man das überhaupt trinken?« fragte die Mutter, »Tee mit Butter?«


Siegfried Lenz: Fundbüro, 1.Aufl. 2003, Hoffmann & Campe, S. 122
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Mädchenfüralles am 26.07.2003 um 15.43

NDR-Radio-Sendung vom 07.07.2003
Buch der Woche bei NDR Kultur
Vorgestellt von Hanjo Kesting am 7. Juli 2003
Das Buch bei Hoffmann und Campe

Das Fundbüro
von Siegfried Lenz
Gebundene Ausgabe
336 Seiten
Hoffmann und Campe
Erscheinungsdatum: 1. Juli 2003
ISBN: 3-455-04280-5
Preis: 21,90 Euro

Der neue Roman von Siegfried Lenz „Fundbüro“

Über Verluste und Verlierer



Lenz engagiert sich auch stets politisch. Von 1965 bis zum Beginn der 70er Jahre unterstützte er den Wahlkampf der SPD. Zusammen mit Günter Grass begleitete er im Dezember 1970 Bundeskanzler Willy Brandt zur Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrags nach Warschau. Im Herbst 1996 forderte Lenz eine Volksabstimmung über die Rechtschreibreform, die seiner Meinung nach „die Sprache verflacht“.
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Dominik Schumacher


eingetragen von Walter Lachenmann am 21.10.2001 um 23.04

Ganz ausgelassen lacht er heraus aus der Homepage des Verlags Hoffmann & Campe: Rainer Moritz, der Inbegriff des leidenschaftlichen Lesers, einer, der einfach immerzu alles mit ausgelassener Fröhlichkeit liest, was ihm unter die Augen kommt, egal was, auch die Gebrauchsanweisungen auf dem Abflußreiniger auf seinem Klo. Alles ist toll, was man lesen kann: diese Einstellung erfreut natürlich auch den Verlagsbesitzer des »Verlegers«, denn dann kommt es ja nur noch aufs Printen und aufs Versemmeln an, that's Publishing! Das Leben ist ja auch sowas von lustig für einen, der ein solcher Lesenarr ist, dem es schlichtweg wurscht ist, was er liest. Es ist zwar nicht wurscht, was er »verlegt«, denn der Verlagsbesitzer will Kohle sehen, und da soll's dann schon zumindest publikumswirksam sein, was man in die »Wundertüte« (so nennt Moritz sein diesjähriges Herbstprogramm) packt, aber völlig wurscht ist es, wie man mit der Sprache in diesen Wundertütenwerken umgeht.
Verlagsseitig hat man sich trendig gezeigt: was der Verlag als solcher verlautbart, kommt in einer Rechtschreibung daher, die »modern« aussehen soll, also man schreibt »dass« und »bewusst« und so. Die ganz großen Peinlichkeiten macht man nicht mit, ein orthographisches Regelwerk steht also sicherlich nicht hinter solchem Verlagsgebaren.
Nein, bei Hoffmann & Campe ist man verlegerseits ausgelassen und lacht aus der Homepage wie aus allen Pressefotos vergnügt heraus. Man ist auch gelassen. Man hält es mit der deutschen Sprache ganz liberal. Nicht etwa, jeder wie er will! Neuschrieb ist erstmal Standard. Aber wenn einer partout in alter Rechtschreibung daherkommen will, so wie etwa der steinalte Siegfried Lenz (Arnes Nachlaß), dann tut man ihm den Gefallen und ist ganz hanseatisch großzügig und läßt es halt mal so durchgehen, sowas lesen ja auch wohl eher nur noch die älteren Leute.
Von den sechs neuen Knallern in Rainer Moritz' Wundertüte sind vier Titel in einer Spielart der sogenannten neuen Rechtschreibung gehalten, zwei in der herkömmlichen. Nur diese beiden sind auch inhaltlich überhaupt relevant.
Wen interessiert schon »Madonna. Die Biographie« (sic!, hier wurde wohl schon im Titel geschludert, denn ansonsten ist alles Neuschrieb). Oder »PferdeStärken. Lebensliebe der Clärenore Stinnes. Sachbuch (sic!)«. Oder »So what!« von Marlene Faro, wo diese von »Mut machenden Frauen« erzählt, »die nicht ausschließlich an Push-up-BHs und Ayurveda-Kuren denken«. Ehrlich gesagt klingt dies doch wahnsinnig spannend, wo gibt es noch solche Frauen heut zu Tage: »Ein bisschen sind sie alle Prosecco-Frauen, die Figuren in meinen Romanen. Frauen die ganz schön frech, ironisch aber auch traurig sein können.« Daß dies nur ein Scheiß sein kann, geht schon aus dieser albernen Werbung hervor, das Rezept scheint aber erfolgreich zu sein, denn Marlene Faros Roman »Frauen, die Prosecco trinken« wurde angeblich über 150.000mal verkauft. Dann gibt es noch was von einem Arthur Becker (*1968), dem es aber auf die sprachliche Darstellung seiner Literatur nicht anzukommen scheint, weshalb er keiner weiteren Beachtung wert ist.

Jetzt zu den guten Sachen:

Matthias Politycki: Das Schweigen am andern Ende des Rüssels.
Das lädt ein zum Lesen, die Leseprobe ist störungsfrei, es wäre aber auch zu mühsam, wenn man sich hier der neuen Regeln befleißigt hätte, denn es ist ununterbrochen von »Thunfischen« die Rede. Nach dem fünften Tunfisch hätte der geduldigste Leser das Buch in die Ecke geschmissen.

Stephen Hawking: DAS UNIVERSUM IN DER N U ß S C H A L E.

Jawohl, genau so ist der Titel. Was mag da vorgefallen sein? Es ist ein modernes Buch, ein richtiges Sachbuch, ein tolles außerdem. Was hat den Verlag wohl bewogen, einmal diese seltsame Schreibweise des Titels mit dem innerhalb der Großbuchstaben erst recht auffälligen ß zu wählen und zum andern dieses Buch nun ganz anständig und lesefreundlich in der bewährten Rechtschreibung zu veröffentlichen? Es handelt sich immerhin um eine Übersetzung aus dem Englischen, also kein deutscher Pingelautor kann da solche Wünsche angemeldet haben. Aber vielleicht ein englischer Autor, der über die deutsche Sprache besser Bescheid weiß, als Klein-Moritz? Stephen Hawkings Intelligenz, universale Bildung und Weltoffenheit sind bekannt, wollte er seinen deutschen Lesern nicht nur vermitteln, was es mit dem Universum auf sich hat, sondern auch mit der Sprachkultur? Man kann darüber nur spekulieren, jedenfalls hat man hier im neuerlichen Sprach- und Schreibwirrwarr der deutschen Nach-98er wirklich wieder ein in jeder Hinsicht hocherfreuliches, auch wunderbar gestaltetes Buch, in dem man ohne Verdruß schmökern und enorm viel lernen kann. Einen Scherz hat sich der Lesenarr aber nicht verkneifen können: Das Vorwort beginnt »Nie hätte ich damit gerechnet, dass mein populärwissenschaftliches Buch...«. Ab dann kann man das Buch wunderbar lesen.


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Walter Lachenmann


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