Die Frage dürfte sich in anderen Fächern, wie Mathematik, Physik, Chemie, viel dringender stellen. Wozu muß ich im Alltag etwas übers Periodensystem der Elemente oder Integrale wissen? Die Schriftsprache spielt in unserer Kultur jedoch eine derart zentrale Rolle, daß sie auch eine entsprechend gründliche Behandlung verdient. Rechtschreibung ist in der Schriftsprache in etwa das, was deutliches Sprechen für die Rede ist. Wer dauernd nuschelt, von dem versteht man nur die Hälfte, die Kommunikation ist mühsam und die Wahrscheinlichkeit von Mißverständnissen erhöht. Kindern und Jugendlichen, die zum Nuscheln neigen, sollte man daher auch ein deutliches Sprechen beibringen (Erwachsenen natürlich ebenso). Die Rechtschreibreform ist in diesem Sinne sozusagen verordnetes Lispeln.![]()
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-- Legasthenie und LRS (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=318)
eingetragen von Norbert Schäbler am 21.11.2003 um 02.28
Momentan mache ich so etwas ähnliches wie Inventur; lese alte Gedanken nach – und dabei ist mir der Leitfaden „Legasthenie“ vor Augen gekommen.
Schrecklich habe ich mich gefühlt beim Lesen meines abschließenden Beitrages. Habe ich die Diskussion gar abgewürgt?
Ein solcher Gedanke wäre schlimm für mich!
Aber ich kann sagen, daß genau dieser Beitrag rund drei Monate später erfolgte als der davorstehende. Ich hielt es für angebracht, der Diskussion eine neue Komponente einzuverleiben.
Die Worte ... nun ja.
Bis zum Abwürgen des Leitfadens konnte fast der Eindruck entstehen, daß diejenigen, die der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig sind, in großem Maße schuldig sind; daß jene aufgrund ihres Wissensvorsprungs andere piesacken und verunglimpfen und sie zu Menschen zweiter Klasse verdammen.
Schöne Beiträge gab’s in diesem Leitfaden, und unter anderem wurde Elke Philburn zum rechten Schreiben bekehrt. Die war schon drauf und dran, LegasthenikerIn zu werden.
Selten wurde in diesem Forum so feurig, so emotional, so klar argumentiert.
Frage: Gibt es zu diesem Diskussionsthema noch was zu sagen?
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nos
eingetragen von Norbert Schäbler am 01.04.2002 um 23.54
Ein bißchen Einblick in den Umgang mit Legasthenikern habe ich, denn meine beiden Söhne waren als Legastheniker eingestuft. Der Ältere war neun Jahre alt, als ich ihn kennenlernte; der Jüngere fünf. Der Ältere verbesserte seine Leistungen im Fachbereich Deutsch innerhalb eines halben Jahres von „mangelhaft“ auf „befriedigend“ und mußte den LRS-Kurs nicht mehr besuchen; der Jüngere besuchte den LRS-Kurs ab der ersten Jahrgangsstufe – und ich - eigentlich parteiisch, war sein Lehrer.
Inzwischen bin ich kein Lehrer mehr.
Ich war es bis zum 12.10.2001. Über sieben Jahre hinweg, etwa von 1989 bis 1997, habe ich Legasthenikerkurse geleitet. Danach bin ich in Ungnade gefallen. Dann durfte ich nicht einmal mehr der Stundenplankommission angehören, der ich rund 14 Jahre vorstand.
Die leichten Stunden mit fünf bis acht Hanseln waren ab 1997 für mich tabu.
Will sagen: „Die Bürokratie ist ein tönernes Rohr.“
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nos
eingetragen von Elke Philburn am 25.01.2002 um 15.08
Rechtschreibschwäche und Rechtschreibreform
Erleichtert die neue Rechtschreibung das Lernen?
Der verlinkte Aufsatz untersucht, welche Auswirkungen die Rechtschreibreform auf die Vermittlung und den Erwerb der Rechtschreibung bei Legasthenie haben wird. Dabei werden die einzelnen Teilbereiche auf die Möglichkeit leichterer Lernbarkeit gegenüber der alten Rechtschreibung überprüft.
Die Verfasser kommen zu dem Ergebnis, daß sich lediglich in der Groß- und Kleinschreibung eine Erleichterung erkennen läßt, die dem Legasthenikerunterricht förderlich sein könnte. In allen anderen Teilbereichen ist keine Erleichterung zu erwarten. Stattdessen werden zusätzliche Schwierigkeiten auftreten, wo die Reformschreibung Gesetzmäßigkeiten des alten Rechtschreibsystems aufgehoben hat.
(Der Aufsatz ist nicht mehr ganz neu (1997), wegen seiner Unvoreingenommenheit und Gründlichkeit aber dennoch lesenwert.)
eingetragen von Reinhard Markner am 29.10.2001 um 14.36
Zitat:Und »dass« kam auch nicht von ungefähr.
Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
Als ich diese Beispiele aufgriff, war mir schon klar, dass die nicht von Ihnen kamen.
Was die Fehlerhäufigkeit angeht, so sollte man schon aufpassen, wem man welche Normverstöße nachsieht. Verleger handeln mit Buchstaben, also kommt es auch auf jeden einzelnen an. Ich kann mich erinnern, daß der Spiegel in den 80er Jahren Ausgaben herausbrachte, die praktisch fehlerfrei waren. So etwas ist möglich, es ist alles eine Frage der Organisation. Bei vielen deutschen Tageszeitungen ist in den 90ern das Korrektorat abgeschafft worden, während gleichzeitig die orthographische Kompetenz der Mitarbeiter eine Abwärtstendenz aufwies. Dann kam die Reform und der Absturz auf die von Herrn Wrase eruierten Werte. Das ist keine allzumenschliche Imperfektion, sondern eine mutwillig herbeigeführte Krise.
eingetragen von Theodor Ickler am 29.10.2001 um 02.40
Ja, schon gut, ich wollte es nur noch einmal gegen weitere Mißverständnisse absichern.
Nein, die Reformer kennen oder kannten ihr Werk auch nicht so richtig. Heller war überrascht, als er erfuhr, daß nochmal jetzt getrennt geschrieben werden muß, und Gallmann/Sitta wußten zuerst nicht, daß sogenannt aufgelöst werden muß. Kein einziger Reformer hat daran gedacht, daß man Aufsehen erregend ja auch steigern können muß - als sie es entdeckten oder vielmehr darauf gestoßen wurden, versuchten sie hastig, den ganzen Paragraphen 36 umzubauen - wie in meinem Kommentar zur Mannheimer Anhörung dargelegt. Etwas so Jämmerliches wie diese Reparaturversuche hat es in der ganzen Reformgeschichte noch nie gegeben. Da lobe ich mir die kräftigen Zeiten der Kleinschreibpropaganda.
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Th. Ickler
eingetragen von Elke Philburn am 28.10.2001 um 23.03
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Da ich mir einbilde, das amtliche Regelwerk so gründlich studiert zu haben wie sonst nur wenige, bin ich selbst überrascht, wie oft ich doch schon wieder nachschlagen muß.
Wobei sich mir die Frage stellt, ob denn die Reformer selber ihr Werk auswÄndig kennen.(Vermutlich nicht.)
Zitat:
Tagebuch und Oma - damit das klar ist: diese Beispiele sind nicht von mir ins Feld geführt worden, sondern von Götze und seinen Genossen!
Vielleicht ein Missverständnis: Als ich diese Beispiele aufgriff, war mir schon klar, dass die nicht von Ihnen kamen.
eingetragen von Theodor Ickler am 28.10.2001 um 20.00
Die "Freiheiten" der Neuregelung sind, das habe ich schon oft gesagt, entweder Freiheiten aus Verlegenheit (weil die Kriterien der Reformer selbst nicht so recht passen und daher doch nicht so trennscharf sind, wie es beabsichtigt war), oder sie werden an völlig unvorhersehbaren Stellen eingeführt, so daß man sie sich unmöglich merken kann. Man betrachte unter diesem Gesichtspunkt doch nur einmal den ganzen Haufen von Univerbierungen wie zugrunde/zu Grunde usw.!
Ich erlebe das zur Zeit ganz kraß, denn aus einem bestimmten Grund lese ich den gesamten Rechtschreib-Bertelsmann durch. Da ich mir einbilde, das amtliche Regelwerk so gründlich studiert zu haben wie sonst nur wenige, bin ich selbst überrascht, wie oft ich doch schon wieder nachschlagen muß. Geradezu überwältigend auch, was ich an Änderungen von 1996 bis 1999 feststelle!
Tagebuch und Oma - damit das klar ist: diese Beispiele sind nicht von mir ins Feld geführt worden, sondern von Götze und seinen Genossen! Auch ich kenne Leute mit seltsamen Schreibhemmungen, aber es liegt nicht an der gefürchteten Rechtschreibung, sondern sitzt tiefer. Man findet besonders den Anfang nicht, fühlt sich beim Formulieren von Sätzen und Übergängen irgendwie gehemmt usw. - es ist die unnatürliche Situation selbst.
Wie anderswo schon gezeigt: Die Reformer haben eine Auffassung von Rechtschreibung und haben sie auch in einer solchen Weise ins Regelwerk gegossen, daß Rechtschreibleistung unbedingt mit Intelligenz zusammenhängt, nämlich mit Urteilskraft. Womit sie gar nicht mal so falsch liegen dürften, denn das analogische Wesen der Sprache und Schrift steht auf jeden Fall mit Intelligenz in Verbindung (wie immer man sie definiert). Mich hat das zwar nie interessiert, aber ich glaube Erfahrung genug zu haben, um sagen zu können, daß - abgesehen von jenen pathologischen Fällen - die intelligenteren Menschen auch korrekter schreiben und umgekehrt. Aber das spielt natürlich für die Beurteilung der RSR keine Rolle.
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Th. Ickler
eingetragen von Elke Philburn am 28.10.2001 um 18.29
Zu Christian Melsa:
Wenn Ernst Jandl oder Arno Schmidt Briefe abfassten, die den einen oder anderen Fehler enthielten, dann würde man das natürlich nicht als 'Fehler' interpretieren, sondern als Idiosynkrasien, oder sowas ähnliches, die man den großen Meistern zugesteht.
Macht ein Schulkind das, wird mit dem Rotstift dazwischengegangen.
Die Beispiele mit dem Tagebuch (das man ja eh nur selber liest) oder mit dem Brief an die gestrenge Oma sind denkbar albern.
Andererseits gilt eine einwandfreie Rechtschreibung immer noch als Zeichen der Intelligenz, bzw. Fehler als Zeichen der Dummheit. Und es gibt tatsächlich Leute, die es vermeiden, Briefe an Behörden zu schreiben, weil sie befürchten, sich zu blamieren. Für solche Leute bringt die Rechtschreibreform natürlich nichts, die sind höchstens noch mehr verunsichert. Ebenso bringt sie nichts für Legastheniker, denen man eine Umstellung abverlangt, die selbst durchschnittlich Rechtschreibbegabten schwerfällt. (Ob sie neu lernenden Legasthenikern etwas bringt, wäre allerdings eine andere Frage.)
Ein Schritt vorwärts wäre, zu überlegen, in welchen Bereichen man die Rechtschreibung liberalisieren kann. Und zwar da, wo Variationen keinerlei Probleme beim Leseverstehen bereiten. Einige Ansätze dazu gibt es ja bereits im Regelwerk.
Zitat:
Die Rechtschreibreform ist in diesem Sinne sozusagen verordnetes Lispeln.
Da Sie nun schon die Aussprache ansprechen: Wer sich mit sprecherbedingten phonetischen Variationen befasst, wird bald feststellen, dass auch hier die Sprache sehr flexibel und keineswegs auf strikte Normeinhaltung fixiert ist. Eine Abweichung macht sich als Sprachfehler bemerkbar, wenn sie auffällt, weil das Sprachverständnis darunter leidet. Die allermeisten Variationen dagegen werden gar nicht wahrgenommen.
Das Lispeln entspräche also einer Abweichung vom gewohnten Schriftbild, bei dem der Leser erst rekonstruieren muss, was gemeint ist. Das geschieht bei der Rechtschreibreform jedoch nicht.
Davon abgesehen: Man ist doch auch von Siebs gestelzter Bühnenaussprache als wünschenswerter Norm abgekommen und räumt gewisse Freiheiten ein. Warum sollte das nicht auch in der Rechtschreibung möglich sein?
eingetragen von Theodor Ickler am 28.10.2001 um 17.37
Mich haben nach Vorträgen - zuerst nach der Podiumsdiskussion der Süddeutschen Zeitung 1997 immer wieder Lehrerinnen von Legasthenikern angesprochen und mir ganz im Gegenteil geklagt, daß jetzt alles noch schwieriger geworden sei.
Wenn jemand meint, die Neuregelung sei leichter, kann man ziemlich sicher sein, daß er das Original nicht kennt. Es befinden sich unzählige didaktische Aufbereitungen im Umlauf, alle verfälschen die Reform durch Vereinfachungen. Das Tollste ist jenes AOL-Kärtchen im Format eines Taschenkalenders, aber das bekannte Leporello der GEW ist auch nicht viel besser.
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Th. Ickler
eingetragen von Christian Melsa am 28.10.2001 um 15.40
Aus Angst vor Rechtschreibfehlern kein Tagebuch führen? Ziemlich merkwürdige Vermutung.
Mir wurde jüngst in einem persönlichen Gespräch von einer Lehrerin, die Legastheniker unterrichtet, erzählt, diesen seien Regelbeschreibungen eine besondere Hilfe. Ich erklärte mir das so, daß die pathologische Störung der Legasthenie dann wohl wahrscheinlich das Einprägen der üblichen Schreibweisen erschwert. Allerdings war diese Lehrerin auch sehr bemüht, die Reform zu verteidigen, so daß sie nach jedem Strohhalm griff, an ihr noch irgendetwas Gutes zu finden (auf meine Entgegnung, durch ein beträchtlich angewachsenes Regelwerk würde es den Legasthenikern dann doch auch nicht gerade einfacher gemacht, meinte sie nur, es sei ja wenigstens in den Bereichen, in denen immer so viele Fehler gemacht worden seien - ss/ß-Schreibung und Silbentrennung - einfacher geworden).
eingetragen von Theodor Ickler am 28.10.2001 um 04.10
Es ist allgemein bekannt, daß feste Gewohnheiten eine Entlastungsfunktion haben. Wenn man nicht bei jedem Wort neu nachdenken muß, wie es geschrieben werden könnte - als ob die Verschriftung immer wieder neu erfunden werden müßte -, so ist das natürlich eine Wohltat. Regeln spielen bekanntlich beim richtigen Schreiben kaum eine Rolle, aber das Einprägen der richtigen Schreibweisen wird durch den systematischen Charakter der Orthographie erleichtert, also durch das, was der Orthograph dann auch noch in Regeln fassen kann.
Zu den märchenhaften Einlassungen der Reformer gehört die Geschichte von dem Kind, das bisher aus Angst vor Rechtschreibfehlern kein Tagebuch zu führen oder der Oma einen Brief zu schreiben wagte und durch die Reform von seiner Angst befreit wird. So hat es Lutz Götze des öfteren dargestellt. Das Ganze ist frei erfunden, konkrete Beispiele sind nicht überliefert. Aber solche Geschichten mußten herhalten, die Reform zu begründen, und niemand hat gelacht.
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Th. Ickler
eingetragen von Christian Melsa am 27.10.2001 um 20.04
Zitat:Sprachliche Normen als Korsett anzusehen, halte ich für etwas fragwürdig. Das Bild stimmt nur dann, wenn man davon ausgeht, daß der Körper ohne das Korsett keinen Halt mehr hätte - das Korsett wäre demnach unverzichtbar.
Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
Lernen die Schüler besser, ihre Gedanken in Schrift zu fassen, wenn sie dabei in das Korsett einer einheitlichen Rechtschreibnorm gezwängt werden? Oder ist es nicht eher so, dass die Befürchtung, Rechtschreibfehler zu begehen, vom kreativen, intellektuellen und auch spielerischen Gebrauch der Schriftsprache abhält?
Ein Widerstreit zwischen Rechtschreibungskompetenz und Kreativität besteht in Wirklichkeit nicht. Literarische Exzentriker wie Ernst Jandl oder Arno Schmidt können normalerweise auch den allgemeinen Konventionen gemäß schreiben. Briefe an Behörden haben sie sicherlich in einer anderen Form verfaßt als ihre künstlerischen Werke. Eine umfassende Bildung darf nicht das eine zugunsten des anderen vernachlässigen. Der künstlerische Reiz ergibt sich übrigens oft gerade erst aus der Abweichung von einer Norm. Ohne eine definierte Norm wäre man des Stilmittels der Abweichung beraubt.
Spielerischer Gebrauch der Sprache sollte in der Schule keinesfalls immerzu unterbunden werden. Aber die Schüler müssen auch lernen, wie man die Sprache ernsthaft gebraucht. Zum Spielen braucht man keine Schule. Zum Lernen ist sie da.
Zitat:
Ist die Rechtschreibung dann noch Mittel zum Zweck, nämlich die Schriftsprache für den Leser leicht entschlüsselbar zu machen, oder wird sie um ihrer selbst willen vermittelt?
Zitat:
Im schlimmsten Fall wird sie zum Instrument, an dem sich der vermeintlich Kluge vom vermeintlich Dummen scheidet und durch das der aktive Gebrauch der Schriftsprache zum Privileg derjenigen wird, die die Rechtschreibung einwandfrei beherrschen.
Zitat:
Meiner Ansicht nach wäre es deshalb wünschenswert, darüber nachzudenken, wie man den Schülern den Umgang mit der Schriftsprache nicht nur erleichtert, sondern den Schwerpunkt von formalen zu inhaltlichen Kriterien hin verlagert.
eingetragen von Elke Philburn am 26.10.2001 um 15.36
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Walter Lachenmann
Ich meine, man sollte ihnen im Gegenteil eine ganz besonders hohe Bedeutung zumessen, indem man sich mehr denn je darum bemüht, diese Fähigkeiten bei den Schülern zu entwickeln. Damit wird bekanntlich auch die differenzierte Denkfähigkeit entwickelt, und dies wiederum wirkt sich auf das Begreifen aller Lern- und Lebensgebiete aus.
Zitat:
Mir scheint es überhaupt so zu sein, daß die Pädagogen mit ihren Legasthenie- und sonstigen Lernschwächetheorien schlicht davon ablenken, daß die Schwäche bei ihnen selbst liegt, es ist eine Lehrschwäche der Pädagogen. Warum soll es plötzlich generationenweise lernunfähige oder -behinderte Kinder geben? Das Problem liegt vermutlich ganz woanders.
eingetragen von Walter Lachenmann am 26.10.2001 um 13.30
Zu Frau Philburns Aussage: »Stellt sich die Frage, ob man den schriftssprachlichen Fähigkeiten nicht von vornherein weniger Bedeutung beimessen sollte, als es im Moment zu sein scheint.«
Ich meine, man sollte ihnen im Gegenteil eine ganz besonders hohe Bedeutung zumessen, indem man sich mehr denn je darum bemüht, diese Fähigkeiten bei den Schülern zu entwickeln. Damit wird bekanntlich auch die differenzierte Denkfähigkeit entwickelt, und dies wiederum wirkt sich auf das Begreifen aller Lern- und Lebensgebiete aus. Deutsch- und Sprachunterricht halte ich für das allerwichtigste Lerngebiet überhaupt, weil es einerseits die Grundlage zum Erlernen und Erfahren der Wirklichkeit bereiten könnte und müßte, ebenso wie andererseits die Fähigkeit der sprachlich differenzierten Weitergabe von Wissen und Gedanken, es ist also auch die Grundlage der Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis, was ja eigentlich der Sinn des Lebens ist - das vergißt man leicht vor lauter Bemühungen um Vereinfachung der Lebensumstände.
Etwas anderes wäre die Bewertung sprachlicher Leistungen in Zeugnissen, aber warum eigentlich?
Mir scheint es überhaupt so zu sein, daß die Pädagogen mit ihren Legasthenie- und sonstigen Lernschwächetheorien schlicht davon ablenken, daß die Schwäche bei ihnen selbst liegt, es ist eine Lehrschwäche der Pädagogen. Warum soll es plötzlich generationenweise lernunfähige oder -behinderte Kinder geben? Das Problem liegt vermutlich ganz woanders.
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Walter Lachenmann
eingetragen von Elke Philburn am 26.10.2001 um 12.17
Ganz richtig, Herr Lachenmann.
Was mich etwas misstrauisch macht, ist, dass die 'echte' Legasthenie und die Lese- und Rechtschreibschwäche so behandelt werden, als sei das eine nur eine schwächere - aber nichtsdestoweniger pathologische - Ausprägung des anderen.
Und Sie haben natürlich recht: Warum sollten die Auswirkungen einer psychisch bedingten Lernschwäche in dem einen Fach ernster genommen werden als in dem anderen.
Mir scheint es eher der Fall zu sein, dass man die 'echte' Legasthenie zum Anlass genommen hat, der Lese- und Rechtschreibfähigkeit einen Sonderstatus einzuräumen, den sie nicht verdient. Liegt darin nicht die Gefahr, schlechte schulische Leistungen einer Art 'Krankheit' zuzuschieben, ohne nach anderen Gründen suchen zu müssen? Sicher ist es für Eltern tröstlicher, sagen zu können, ihr Kind habe eine LRS, anstatt eingestehen zu müssen, ihr Kind sei einfach schlecht im Lesen und Schreiben. Stellt sich die Frage, ob man den schriftssprachlichen Fähigkeiten nicht von vornherein weniger Bedeutung beimessen sollte, als es im Moment zu sein scheint.
eingetragen von Walter Lachenmann am 25.10.2001 um 18.03
Es ist erstaunlich, daß seit einiger Zeit die Pädagogen und Psychologen sich so viele Gedanken machen zum Phänomen der Legasthenie. Das mag es als Krankheitsbild durchaus geben, ich sehe mich nicht imstande, darüber ein fundiertes Urteil abzugeben. Auch mag es sein, daß »seelische Krisen« - in denen Heranwachsende eigentlich immerzu sind - sich auf die Leistungen im Lesen und Schreiben negativ auswirken.
Aber wie ist es mit den anderen Bereichen?
Kann sich eine »seelische Krise« - Heranwachsende und auch Erwachsene befinden sich mehr oder weniger permanent darin - nicht auch auf Fächer wie Religion, Biologie, Leibesübungen, Musik oder - Mathematik! - auswirken? Wo ist die Diagnose und die daraus resultierende Milde bei jungen Menschen, die bei »seelischen Krisen« weiterhin fehlerfreie Diktate und Aufsätze schreiben, aber im Turnen, Singen und insbesondere im Rechnen oder in naturwissenschaftlichen Fächern total versagen?
Gibt es einen schulmedizinischen, psychologischen, pädagogischen Befund für Nervenbündel, die vor lauter Streß nicht rechnen können? Oder singen? Oder Gedichte aufsagen? Oder malen? Selbst Geistesgestörte können angeblich malen. Aber nicht, wenn sie müssen, vermute ich.
Wenn der Druck weg ist, können viele Rechenschwache plötzlich rechnen, singen, malen und alles, wo es sonst Probleme gibt, auch z.B. lieben, gemütsmäßig und »technisch«.
Vielleicht ist das Ganze tatsächlich doch ein Problem des Drucks, der mit dem Disziplinierungsinstrument Rechtschreibung und Sprache auf die Schüler (und später auf die Erwachsenen) ausgeübt wird. Rechtschreibfehler, Sprachfehler erkennt man am schnellsten, damit blamiert man sich am leichtesten. Bevor einer erkennt, daß ich nicht rechnen kann, muß er mich erst einmal zum Rechnen bringen. Aber ums Reden und Schreiben herumzukommen, ist viel schwerer.
Es hätte also nicht einer Rechtschreibreform bedurft, sondern einer Reform des Umgangs mit Leistungen, Fehlleistungen und Nichtleistungen.
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Walter Lachenmann
eingetragen von Elke Philburn am 25.10.2001 um 17.10
Zitat:
Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS)
Im Gegensatz zur anhaltenden Lese- und Rechtschreibstörung können Schüler ein vorübergehendes legasthenes Erscheinungsbild aufweisen, das auf unterschiedliche
Ursachen zurückzuführen ist. Ursache dafür kann z.B. eine Erkrankung, eine besondere seelische Belastung oder ein Schulwechsel sein. Rund 7 bis 10 % aller Schüler im Einschulungsalter haben Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens.
eingetragen von Norbert Schäbler am 22.10.2001 um 14.46
VI. Zusätzliche Anmerkungen des Schulamts
An alle Schulen im Bereich des Staatlichen Schulamts im Landkreis Aschaffenburg
Aschaffenburg, 09.03.2000
Nachfolgend wird den Schulleitungen der Inhalt des KMS vom 25.02.2000 Nr. IV/1a-S7306/4/13 627 zur Kenntnis gegeben. (Anmerkung: das KMS datiert vom 16.11.99!)
Die Lehrkräfte werden gebeten, die Zielsetzung des KMS, intentionsgerecht umzusetzen und im Sinne der betroffenen Schüler nachteilsausgleichend tätig zu werden.
Stickler, Schulamtsdirektor
Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens (KMBek. vom 16.11.1999, KWMBI I, S. 379)
Zahlreiche Anfragen von Eltern, Schulen und außerschulischen Fördereinrichtungen belegen das große Interesse, das an der o.g. Bekanntmachung und ihrer Umsetzung im Schulalltag besteht.
Ziel der Bekanntmachung ist es u.a., den betroffenen Schülern Leistungsdruck und Versagensängste zu nehmen, die auf ihre Teilleistungsstörung zurückgehen. Grundsätzlich unterliegen sie den für alle Schüler geltenden Maßstäben der Leistungsbewertung (s. IV/1 KMBek). Die Bekanntmachung ist bewusst offen formuliert, um den Schulen größtmögliche Freiheit in der pädagogischen Umsetzung der Hilfs- und Fördermaßnahmen einzuräumen.
Nachfragen betreffen insbesondere die Modalitäten des Übergangs von den bisherigen Hilfs- und Fördermaßnahmen auf die neuen Bestimmungen. Im Wesentlichen sind die zwei Bereiche: Anerkennung und Gutachten
Die Feststellung, dass Gutachten von Fachärzten der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Schulpsychologen erstellt werden sollen, betrifft ausschließlich Neugutachten. Bereits vorliegende Gutachten werden, wenn sie seitens des Jugendamtes oder des Staatlichen Gesundheitsamtes zur außerschulischen Förderung und Therapie anerkannt sind, von der Schule übernommen, auch wenn nicht ausdrücklich eine Legasthenie bestätigt wird.
Bei der Neuerstellung von Gutachten kann es zu Terminproblemen kommen, wenn die Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht in kurzer Zeit alle in Frage kommenden Kinder untersuchen können. Eine Entspannung der Situation lässt sich dadurch erreichen, dass die Eltern dahingehend beraten werden, ihr Kind nicht zuerst dem Facharzt vorzustellen, sondern mit den Lehrkräften, qualifizierten Beratungslehrern oder Schulpsychologen zunächst zu erörtern, ob ein solches Gutachten im Hinblick auf den erkennbaren Förderbedarf des Kindes erforderlich ist. Zu bedenken ist, dass allenfalls 3 - 4 % aller Kinder tatsächlich Legastheniker sind.
Insgesamt wird darum gebeten, gerade in der Übergangsphase moderat vorzugehen und zunächst die pädagogische Kompetenz der Schulen und der pädagogischen und psychologischen Beratungsdienste einzusetzen.
Gewährung von Nachteilsausgleich
Die Bekanntmachung ist am 16. November 1999 in Kraft getreten. Die Feststellung, dass Leistungen im Lesen und/oder Rechtschreiben nicht oder in geringer Gewichtung in die Zeugnisnote einfließen sollen, gilt bereits für die Erstellung von Zeugnissen im laufenden Schuljahr. Insofern sollen die Intentionen der Bekanntmachung bereits ab Schuljahresbeginn berücksichtigt werden. Bei Leistungsfeststellungen, die bereits vor der Veröffentlichung der Bekanntmachung im erstellt wurden (sic!), kann den betroffenen Schülern in der Weise entgegengekommen werden, dass diese Arbeiten nochmals unter Berücksichtigung der Grundsätze der KMBek überprüft und ggf. besser bewertet werden.
Bei der Gewährung des Nachteilsausgleichs wird insbesondere im laufenden Schuljahr eine moderate Vorgehensweise in enger Abstimmung mit den Erziehungsberechtigten empfohlen. Von "Kann-Bestimmungen" sollte auch dann entsprechend Gebrauch gemacht werden, wenn Gutachten noch nicht vorliegen, ein deutlicher Förderbedarf jedoch erkennbar ist.
Zu beachten ist ausserdem (sic!):
Abgestimmte Fördermaßnahmen
Die differenzierte Förderung von Schülern mit Legasthenie oder einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche erfordert die enge Zusammenarbeit aller Fachkräfte.
· Insbesondere die Förderung von Schülern mit einer gutachterlich festgestellten Legasthenie erfordert eine Abstimmung der schulischen und außerschulischen Fördermöglichkeiten. Die lässt sich nur in enger Zusammenarbeit der Schule mit dem Jugendamt erreichen.
· Die Feststellung einer dauerhaften oder vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche sowie die Planung und Durchführung von Fördermaßnahmen sollen in engem Kontakt mit den Erziehungsberechtigten und den schulischen Beratungsdiensten vorgenommen werden (s. II/3 der KMBek).
Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung
· Lehrkräfte beraten über geeignete Hilfestellungen für Schüler mit Lese und Rechtschreibschwierigkeiten bei der Leistungsfeststellung. Der Schulleiter entscheidet über die Gewährung eines Zeitzuschlags (s. IV/2 der KMBek). Anzustreben ist, dass Hilfestellungen von allen Lehrkräften in einem vergleichbaren Umfang angewandt werden.
· Für die Gewährung eines Zeitzuschlags wird auf die Aussagen in der Allgemeinen Prüfungsordnung hingewiesen, die hier als Richtschnur dienen kann. Gemäß §38 APO soll Schwerbehinderten eine Arbeitszeitverlängerung bis zu einem Viertel der normalen Arbeitszeit gewährt werden, bei besonders schwerer Behinderung bis zur Hälfte.
· Die Erziehungsberechtigten der betroffenen Schüler sind über Hilfestellungen bei der Leistungsfeststellung, über die Regelungen bei der Leistungsbewertung und insbesondere über den erforderlichen Vermerk im Zeugnis frühzeitig zu unterrichten.
Fortbildung
In Dienstbesprechungen auf Schulamtsebene sowie im Rahmen der schulhausinternen Fortbildung sind die neuen Bestimmungen der Bekanntmachung "Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens" vom 16. November 1999 zu thematisieren.
Die Regierungen bzw. die Staatlichen Schulämter werden gebeten, die Schulen umgehend in Kenntnis zu setzen.
I.A.
Dr. Wittmann, Ministerialdirigent
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nos
eingetragen von Norbert Schäbler am 22.10.2001 um 14.44
V. Schlussbestimmungen
Die Bekanntmachung tritt am 16. November 1999 in Kraft. Die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 18. Juni 1980 (KMBI I S.498), geändert mit Bekanntmachung vom 26. September 1980 (KMBI I S. 598) sowie die Bekannmachung des Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 31. August 1990 (KWMBI I S. 319) werden aufgehoben.
I.A. Erhard
(Ministerialdirektor)
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nos
eingetragen von Norbert Schäbler am 22.10.2001 um 14.00
IV. Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung, Zeugnisse
Grundsätzlich unterliegen auch Schüler mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche an allen allgemeinbildenden (sic!) Schulen und beruflichen Schulen den für alle Schüler geltenden Maßstäben der Leistungsbewertung.
Wie bei den Fördermaßnahmen muss auch bei der Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung zwischen Schülern mit dauernder Legasthenie und Schülern mit einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche unterschieden werden. Eine differenzierte Behandlung kann im Sinne der nachfolgenden Regelungen aber nur dann erfolgen, wenn das Vorliegen einer Legasthenie durch ein schriftliches Gutachten bestätigt wird. Bei Vorliegen eines solchen Gutachtens muss die Legasthenie berücksichtigt werden. Als ausreichende Bestätigung für das Vorliegen einer Legasthenie gelten nur Gutachten, die durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Zusammenwirken mit einem im Schuldienst tätigen Schulpsychologen der jeweiligen Schulart erstellt sind. Grundlage für die Erstellung des Gutachtens sind die vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII erstellten Kriterien, Gutachten von Kinderärzten, außerschulischen und psychologischen Beratungskräften, Logopäden und anderen Fachkräften im Bereich der Sprachförderung können Hinweis oder ergänzende Bestätigung sein, sind jedoch allein nicht ausreichend. Die Anerkennung einer Lese- und Rechtschreibschwäche erfolgt durch den örtlich zuständigen Staatlichen Schulpsychologen.
Das Gutachten über das Vorliegen einer Legasthenie ist beim Übertritt von der Grundschule in eine weiterführende Schule (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) neu auszustellen bzw. vom zuständigen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Zusammenwirken mit dem jeweils zuständigen Schulpsychologen zu bestätigen.
Bei Schülern mit einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche sind die durch die Förderung erreichten Verbesserungen im Abstand von höchstens 2 Schuljahren durch den Schulpsychologen zu überprüfen. Die weitere Gewährung von Förderung und Hilfsmaßnahmen sowie die Berücksichtigung bei der Leistungsbewertung sind dem Entwicklungsstand anzupassen. In der Regel endet die Berücksichtigung einer Lese- und Rechtschreibschwäche mit Abschluss der Jahrgangsstufe 10.
Bei schulischen Leistungsfeststellungen und Leistungsbewertungen ist für alle Schüler mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche unter Berücksichtigung der nachfolgenden Regelungen zu gewährleisten, dass sich diese Schwierigkeiten nicht auf andere Lernbereiche auswirken und dort die Leistungsbewertung beeinträchtigen.
1. Form und Inhalt von Leistungsfeststellungen
Schüler mit einer gutachterlich festgestellten Legasthenie sind von der Teilnahme an schriftlichen Leistungserhebungen, die ausschließlich der Feststellung der Rechtschreibkenntnisse dienen, zu befreien. Nehmen sie freiwillig teil, so erfolgt keine ziffernmäßige Leistungsbewertung, sondern eine verbale Beurteilung, die insbesondere feststellbare Lernfortschritte betont und Anregungen für weiterführende Übungen gibt.
Bei Schülern mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche liegt es im pädagogischen Ermessen der Lehrkraft, die Leistungserhebung dem aktuellen Leistungsstand des einzelnen Schülers anzupassen, z.B. durch Verkürzung des Inhalts oder mit der Möglichkeit eines Lückendiktats. Schriftliche Probearbeiten im Rechtschreiben können ohne ziffernmäßige Benotung verbal beurteilt werden.
Zur Feststellung des individuellen Lernfortschritts sind mündliche und schriftliche Übungen, Klassenarbeiten und informelle Verfahren heranzuziehen sowie Beobachtungen zu nutzen, wie sich der Schüler beim Lesen und Schreiben verhält, ob und wie er Hilfsmittel gebraucht und wer er sich in Partner- und Gruppenarbeit zurechtfindet.
2. Hilfen bei Leistungsfeststellungen
Auch in den anderen Fächern außer Deutsch können sich bei allen schriftlich gestellten und/oder schriftlich zu beantwortenden Leistungsfeststellungen die Teilleistungsstörungen im Lesen oder Schreiben zum Nachteil für die betroffenen Schüler auswirken. So brauchen Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen ein Mehrfaches an Zeit, um Fragen und Problemstellungen zu lesen und zu erfassen., Informationen aus Texten aufzunehmen und zu verarbeiten, bevor sei eine Lösung erarbeiten können. Schüler mit Schwierigkeiten beim Schreiben brauchen mehr Zeit, um ihre Lösung zu Papier zu bringen.
Schüler mit gutachterlich festgestellter Legasthenie müssen, Schüler mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche können deshalb bei schriftlichen Leistungsfeststellungen in Proben, Schulaufgaben und Prüfungen in allen Fächern einen Zeitzuschlag bis zur Hälfte der regulären Arbeitszeit erhalten. Die Dauer des Zeitzuschlags richtet sich nach Art und Ausmaß der Störung. Er wird auf Empfehlung der fachlich zuständigen Lehrkräfte vom Schulleiter festgelegt.
Andere Möglichkeiten der Hilfestellung insbesondere bei Stegreifaufgaben bestehen z.B. darin, dem betreffenden Schüler eine schriftlich gestellte Aufgabe zusätzlich vorzulesen oder die Leistungsfeststellung mit dem Schüler mündlich durchzuführen. In geeigneten Fällen und bei entsprechender Ausstattung der Schule können auch technische Hilfsmittel eingesetzt werden.
3. Leistungsbewertung
3.1 Deutsch
Bei Schülern mit einer gutachterlich festgestellten Legasthenie entfällt eine notenmäßige Bewertung des Lesens und Rechtschreibens. Diese Bereiche fließen in die Deutschnote nicht mit ein. In das Zeugnis ist die Bemerkung aufzunehmen: "Aufgrund einer fachärztlich festgestellten Legasthenie wurden Rechtschreibleistungen nicht bewertet." Die Erziehungsberechtigten betroffener Schüler sind bei der Antragsstellung auf Berücksichtigung einer gutachterlich festgestellten Legasthenie auf die Zeugnisbemerkung hinzuweisen.
Bei Schülern mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche können die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben zurückhaltend gewichtet werden. In das Zeugnis ist die Bemerkung aufzunehmen: "Aufgrund einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche wurden die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben zurückhaltend bewertet". Grundsätzlich darf bei diesen Schülern die Rechtschreibleistung nur bei Leistungserhebungen, die der Feststellung der Rechtschreibkenntnisse dienen (z.B. Diktate), notenmäßig bewertet werden. Bei allen anderen Arbeiten, z.B. bei Aufsätzen, Niederschriften, Protokollen, u.a. ist eine fehlerhafte Rechtschreibung zwar zu kennzeichnen, darf aber nicht in die Bewertung einfließen.
3.2 Fremdsprachen
In den weiterführenden Schulen stellen sich für Schüler mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche beim Erlernen einer Fremdsprache die gleichen Probleme wie im Fach Deutsch. Soweit rein rechtschriftliche Leistungen abgeprüft werden, ist bei Schülern mit gutachterlich festgestellter Legasthenie analog zum Fach Deutsch auch in der Fremdsprache von einer ziffernmäßigen Bewertung des Lesens und Rechtschreibens abzusehen. Bei der Festlegung der Zeugnisnote sollen je nach Art und Ausmaß ihrer Teilleistungsstörung die mündlichen Leistungen im Vordergrund stehen. Bei Schülern mit gutachterlich fest gestellter Legasthenie sind schriftliche und mündliche Leistungen im Verhältnis 1:1 zu gewichten. Die Festsetzung der mündlichen Note erfolgt auf der Basis von rein mündlichen Leistungsnachweisen (nicht Stegreifaufgaben), je nach Schulart in angemessener Anzahl. In der Zeugnisbemerkung ist darauf entsprechend einzugehen.
3.3 Andere Fächer
Auch in allen anderen Fächern sind eine Legasthenie bzw. Lese- und Rechtschreibschwäche bei davon betroffenen Schülern zu berücksichtigen. Bei der Bewertung schriftlicher Leistungsfeststellungen darf die mangelnde Rechtschreibleistung nicht in die Notengebung einfließen.
3.4 Vorrücken
Über das Vorrücken von Schülern, deren Leistungsstand im Fach Deutsch, in den weiterführenden Schularten auch in den Fremdsprachen aufgrund ihrer Legasthenie oder Lese- und Rechtschreibschwäche den Anforderungen der Jahrgangsstufe nicht entsprechen, entscheidet die Schule in pädagogischer Verantwortung. Bei Schülern mit gutachterlich festgestellter Legasthenie darf diese Teilleistungsstörung nicht den Ausschlag für das Versagen der Vorrückungserlaubnis geben.
Wechselt ein Schüler nach Beendigung der Grundschule in die Hauptschule, so ist die aufnehmende Schule auf das Vorliegen einer gutachterlich festgestellten Legasthenie bzw. einer festgestellten Lese- und Rechtschreibschwäche sowie auf den individuellen Entwicklungs- und Leistungsstand des Schülers im Lesen und/oder Rechtschreiben hinzuweisen.
3.5 Übertritt
Legasthenie und eine Lese- und Rechtschreibschwäche dürfen bei sonst angemessener Gesamtleistung kein Grund sein, einen Schüler vom Übertritt an das Gymnasium, die Realschule oder die Wirtschaftsschule auszuschließen. Grundsätzlich sollten Schüler mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche jedoch nur dann übertreten, wenn Aussichten bestehen, dass sie an der gewählten Schulart mit Erfolg am Unterricht teilnehmen können.
Bei der Feststellung der Deutschnote im Übertrittszeugnis der Grundschule, zusätzlich bie der Englischnote im Übertrittszeugnis der Hauptschule gelten die in Nrn. 3.1 und 3.2 festgelegten Regelungen. Bei Schülern mit Legasthenie müssen, bei Schülern mit einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche können die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben zurückhaltend gewichtet werden. Die mündlichen Leistungen sollen im Vordergrund stehen.
Die aufnehmende Schule ist durch das pädagogische Wortgutachten auf das Vorliegen einer gutachterlich festgestellten Legasthenie bzw. einer festgestellten Lese- und Rechtschreibschwäche sowie auf den individuellen Entwicklungs- und Leistungsstand des Schülers im Lesen und/oder Rechtschreiben hinzuweisen.
Hat sich der Schüler beim Übertritt an eine Realschule, eine Wirtschaftsschule oder ein Gymnasium einem Probeunterricht zu unterziehen, so sind die unter Nr. 3.1 genannten Regelungen zur Leistungsbewertung im Fach Deutsch sinngemäß anzuwenden.
3.6 Schulabschlüsse
Die Noten für das Abschlusszeugnis einer Schulart werden gemäß den Bestimmungen der jeweiligen Schulordnung nach den für alle Schüler geltenden Bestimmungen festgesetzt. Bei Schülern mit einer gutachterlich festgestellten Legasthenie wird bei der Notenbildung für das Fach Deutsch von einer Bewertung der Rechtschreibleistung abgesehen. Bei Schülern mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche, deren Teilleistungsstörung bis zum Abschluss der Schule nicht vollends behoben werden konnte, können bei der Notenbildung im Fach Deutsch die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben zurückhaltend gewichtet werden. In der Zeugnisbemerkung ist darauf entsprechend einzugehen (siehe Nr. IV. 3.1 bzw. 3.2).
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III. Fördermaßnahmen
1. Fördermaßnahmen im Rahmen des Unterrichts
"Die Grundschule betreut jedes Kind mit dem Ziel seiner allseitigen Förderung. Sie sucht individuelle Begabungen bestmöglich zu entfalten, bemüht sich, Rückstände auzuholen, Schwächen zu beheben oder anderweitig auszugleichen und leitet - wenn dies nicht möglich ist - dazu an, mit ihnen zu leben" (Lehrplan für die Grundschule, KNI I, So.-Nr. 20/1981). Entsprechendes gilt für alle anderen Schularten.
Viele Schüler haben Schwierigkeiten bei der Schriftsprachenentwicklung, bei manchen halten diese Schwierigkeiten an. Die Lernfortschritte eines Schülers sind deshalb von Anfang an sorgfältig zu beobachten. Treten in der Grundschule beim Erlernen des Lesens und/oder Rechtschreibens besondere Schwierigkeiten auf, ist zu versuchen, diese mit geeigneten Fördermaßnahmen im Rahmen der inneren Differenzierung im regulären Unterricht sowie in der Stundentafel für die Grundschule besonders ausgewiesenen Förderstunden zu beheben. Die Fördermaßnahmen werden in der Regel vom Klassenlehrer durchgeführt. Eine Ausgliederung ist dabei in der Jahrgangsstufe 1 zu vermeiden. In den anderen Jahrgangsstufen der Grundschule wie auch in der Hauptschule können klassenübergreifende Stütz- und Förderkurse gebildet werden (Bestimmungen zur Stundentafel, Nr. 4.3). Eine äußere Differenzierung, z.B. in Form sog. Legasthenikerklassen, ist nicht statthaft.
Für Schüler, deren Lese- und Rechtschreibschwäche über die Grundschule hinaus besteht, können geeignete Fördermaßnahmen in den weiterführenden Schularten einschließlich der Jahrgangsstufe 10 ergriffen werden.
2. Besondere Fördermaßnahmen
In Anwendung des § 10 Abs. 4 Nr. 1 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern kann für Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens an Grund- und Hauptschulen besonderer Förderunterricht eingerichtet werden.
In einzelnen Fächern wird es nötig sein, insbesondere zur Unterscheidung von Schülern mit Legasthenie und solchen mit einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche, die Beobachtungen der Schule durch gezielte Untersuchungen zu ergänzen. Soweit nicht eine medizinische Untersuchung angezeigt erscheint, können besonders fachkundige Lehrkräfte (Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen) damit beauftragt werden. Tests sollen dabei jedoch nicht nur der Feststellung von Art und Ausmaß bestimmter Schwächen dienen, sondern in erster Linie geeignete Fördermaßnahmen aufzeigen. Da punktuelle Tests allein nicht aussagekräftig genug sind, sollten sie durch gezielte Langzeitbeobachtungen genutzt werden.
Bei Schülern, deren Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben in Zusammenhang mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf stehen, ist bei Fortdauer erheblicher Schwierigkeiten ggf. zu überprüfen, ob eine weitere Förderung in der Grundschule bzw. in der Hauptschule in angemessener Weise möglich ist.,
3. Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten
Die Erziehungsberechtigten von Schülern mit Legasthenie bzw. mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche sollen frühzeitig über Art und Ausmaß der Teilleistungsstörungen und über die Möglichkeiten, sie zu überwinden bzw. mit ihnen zu leben, informiert werden. Ihnen sind Beobachtungen zu Verhaltensweisen des Schülers beim Lesen und Schreiben mitzuteilen wie umgekehrt auch Beobachtungen der Eltern in die schulische Beurteilung und Förderkonzeption einfließen sollen.
In den Volksschulen unterrichten die Klassenlehrer, in den weiterführenden Schularten die Fachlehrer für Deutsch bzw. für die Fremdsprachen die Erziehungsberechtigten über bestehende oder neu auftretende Schwierigkeiten frühzeitig und ausführlich und versuchen im Gespräch, unnötigen Ängsten vorzubeugen. Darüber hinaus erhalten die Erziehungsberechtigten Hinweise auf die Methode des Schriftsprachenerwerbs bzw. des Erwerbs der Fremdsprache, auf besondere Lehr- und Lernmittel, häusliche Übungs- und Fördermöglichkeiten sowie Verhaltensweisen gegenüber dem Schüler. Wo es erforderlich ist, sollen die Erziehungsberechtigten über die Notwendigkeit der Förderung beraten werden. Sie sind über die beabsichtigten schulischen Fördermaßnahmen zu informieren.
Erziehungsberechtigte von Kindern, bei denen Verdacht auf Legasthenie besteht oder Legasthenie festgestellt wurde, sollen darüber hinaus über weitere außerschulische Fördermöglichkeiten und entsprechende Einrichtungen, z.B. das Jugendamt, beraten werden. Zur Förderung dieser Kinder hält die Schule engen Kontakt mit diesen Einrichtungen und stimmt die eigenen Fördermaßnahmen mit den dort tätigen Fachkräften ab.
Falls von den Erziehungsberechtigten eines Kindes mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche nach Abschluss der Grundschule ein Übertritt des Kindes an das Gymnasium oder die Realschule beabsichtigt ist, sind sie vor einen Entscheidung auf die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Schulart, insbesondere im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen hinzuweisen.
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II. Lesen- und Schreibenlernen als Aufgabe der Schule
Der Beherrschung der Schriftsprache kommt für die Entfaltung der Persönlichkeit, die sprachliche Verständigung, den Erwerb von Wissen und Können, die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen sowie für den Zugang zum Beruf und für das Berufsleben besondere Bedeutung zu. Eine grundlegende Vermittlung von Sprach- und Sprechfertigkeiten sowie eine gewissenhafte Sprachpflege gehören daher zu den Hauptaufgaben der Schule. Insbesondere die Grundschule muss dafür Sorge tragen, dass sich möglichst alle Schüler die grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechtschreiben aneignen. Unbeschadet der hohen Bedeutung sicherer Rechtschreibkenntnisse darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass technische Kommunikationsmittel zunehmend in der Lage sind, diesbezügliche Störungen oder Schwächen teilweise auszugleichen.
Bei einer nicht geringen Zahl von Schülern ist der Schulerfolg durch besondere Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben beeinträchtigt. Davon sind insbesondere Schüler der Grundschule, aber auch Schüler aller anderen Schularten betroffen.
Die nachstehenden Grundsätze und Regelungen sollen dazu beitragen, bei einer vorliegenden Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche angemessene Fördermaßnahmen einzuleiten und durchzuführen, dem Entstehen solcher Teilleistungsstörungen im Rahmen des Möglichen vorzubeugen und auftretende Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens soweit möglich zu überwinden.
1. Voraussetzungen für das Erlernen des Lesens und Rechtschreibens
Das Erlernen des Lesens und Schreibens vollzieht sich in einem sehr differenzierten Prozess, der Sprach- und Sprechfähigkeiten, optische und akustische Wahrnehmung und Differenzierung als Grundlage für phonologische Bewusstheit, rhythmische Gliederungsfähigkeit, Symbolverständnis sowie feinmotorische Fertigkeiten der Hand voraussetzt.
Wichtig sind aber auch allgemeine Lernvoraussetzungen wie Selbstvertrauen, Freude am Lernen, Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit, intellektuelle Neugierde, Denkfähigkeit, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit.
Weil die Schulanfänger unterschiedliche Lernvoraussetzungen mitbringen, hat die Lehrkraft zu Beginn der Jahrgangsstufe 1 die Ausgangslage jedes Schülers durch gezielte Beobachtung festzustellen und zu berücksichtigen. Soweit die Schüler die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Vorschulalter noch nicht erworben haben, müssen diese besonders im Anfangsunterricht systematisch entwickelt werden, bevor mit dem Lese- und Schreiblernprozess begonnen wird.
2. Unterricht
Ein sorgfältig durchgeführter Erstlese- und Erstschreibunterricht berücksichtigt nicht nur die individuellen Lernvoraussetzungen der Schüler, sondern sichert auch die einzelnen Stufen und Phasen des Schriftspracherwerbs. Dabei muss sich der Unterricht an den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen sowie dem individuellen Lernverhalten und Lerntempo der Schüler orientieren. Der verbindliche Übungswortschatz erlaubt zunächst eine Konzentration des Rechtschreibunterrichts auf die intensive Einübung ausgewählter Wörter, bildet aber nur die Grundlage für die Übertragung und Weiterentwicklung rechtschriftlicher Erkenntnisse und Regelungen in alters- und entwicklungsangemessener Weise. Dazu eignen sich auch alle anderen Fächer.
Variierende Übungsformen, die sowohl dem rechtschriftlichen Charakter des Wortes als auch einem kind- und zeitgerecht gestalteten Unterricht Rechnung tragen, sowie häufige Wiederholung tragen dazu bei, erworbene Rechtschreibkenntnisse zu sichern. Auf diese Weise gelingt es, bestehende Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben angemessen zu berücksichtigen, durch geeignete Unterrichtsverfahren und gezielte Fördermaßnahmen entstehenden Schwierigkeiten vorzubeugen und ein Versagen im Lesen und Schreiben und seine negativen Auswirkungen auf das gesamte schulische Lern- und Leistungsverhalten zu verhindern.
Die genannten Hilfen im Fach Deutsch gelten sinngemäß auch beim Erlernen von Fremdsprachen.
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I. Ursachen und Erscheinungsbilder
Zu unterscheiden ist eine Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie, Dyslexie) mit teilweise hirnorganisch bedingten, gravierenden Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen von einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS), die in mehr oder minder starker Ausprägung eine Verzögerung im individuellen Lese- und Schreiblernprozess darstellt. Zu unterscheiden sind zusätzlich Erscheinungsformen der Lese- und Rechtschreibschwäche bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
1. Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie)
Legasthenie ist ein Störung des Lesens und Rechtschreibens, die entwicklungsbiologisch und zentralnervös begründet ist. Die Lernstörung besteht trotz normaler oder auch überdurchschnittlicher Intelligenz und trotz normaler familiärer und schulischer Lernanregungen. Die Beeinträchtigung oder Verzögerung beim Erlernen grundlegender Funktionen, die mit der Reifung des zentralen Nervensystems verbunden ist, hat demnach biologische Ursachen, deren Entwicklung lange vor der Geburt des Kindes angelegt oder durch eine Schädigung im zeitlichen Umkreis der Geburt bedingt ist.
Legasthenie ist eine nur schwer therapierbare Krankheit, die zu teilweise erheblichen Störungen bei der zentralen Aufnahme, Verarbeitung und Wiedergabe von Sprache und Schriftsprache führt. Individuelle Ausprägungen und Schweregrade dieser Lernschwierigkeit ergeben sich durch unterschiedliche Kombination von Teilleistungsschwächen der Wahrnehmung der Motorik und der sensorischen Integration.
Von Legasthenie sind rund 4 % aller Menschen betroffen.
2. Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS)
Im Gegensatz zur anhaltenden Lese- und Rechtschreibstörung können Schüler ein vorübergehendes legasthenes Erscheinungsbild aufweisen, das auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen ist. Ursache dafür kann z.B. eine Erkrankung, eine besondere seelische Belastung oder ein Schulwechsel sein.
Rund 7 bis 10 % aller Schüler im Einschulungsalter haben Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens.
3. Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf
Lese- und Rechtschreibschwächen im Rahmen einer allgemeinen Minderbegabung treten bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf, die aber nicht so schwach begabt sind, dass sie eine Schule zur individuellen Lernförderung besuchen müssten. Diese Schüler haben jedoch in allen Bereichen schulischen Lernens und Arbeitens teilweise erhebliche Schwierigkeiten, die über die gesamte Schulzeit anhalten.
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Im hiermit eröffneten Strang mit dem Titel "Legasthenie und LRS" wird eine Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vorgestellt.
Diese Bekanntmachung erschien jeweils im gleichen Wortlaut im KWMBI I Nr. 23/1999, S. 379 ff. (Datum: 16. November 1999), im Schulanzeiger der Regierung von Unterfranken
Nr. 2/2000, S. 19 ff. und als Anlage einer schulamtsinternen Unterweisung am 09.03.2000.
Das Konzept gliedert sich in folgende Abschnitte:
I. Ursachen und Erscheinungsbilder
II. Lesen- und Schreibenlernen als Aufgabe der Schule
III. Fördermaßnahmen
IV. Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung, Zeugnisse
V. Schlussbestimmungen
VI. Zusätzliche Anmerkungen des Schulamtes
Es empfiehlt sich, zugunsten der Übersichtlichkeit jeden Gliederungspunkt in einem gesonderten Beitrag zu veröffentlichen.
Hier aber zunächst die Quellenangabe und der Bezug auf frühere Verwaltungsmaßnahmen:
223011.124-UK
Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens.
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus
vom 16. November 1999 Nr. IV/1a-S7306/4-4/127883
Auf der Grundlage des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 20. April 1978 (KMBI I 1979 S. 577) hat das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit Bekanntmachung vom 18. Juni 1980 (KMBI S. 498), geändert mit Bekanntmachung vom 26. September 1980 (KMBI I S. 598) Richtlinien zur Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens in den Jahrgangsstufen 5 und 6 des Gymnasiums erlassen. Mit Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 31. August 1990 (KWMBI I S. 319) wurden Grundsätze zur Förderung dieser Schüler an Volksschulen veröffentlicht.
Neuere Erkenntnisse aus Medizin, Psychologie und Pädagogik ermöglichen eine genauere Erklärung der Ursachen und Entstehung sowie der Erscheinungsbilder dieser Teilleistungsstörung und geben konkrete Hinweise für gezielte Fördermaßnahmen, die an den individuellen Schwierigkeiten des einzelnen Schülers orientiert sind.
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Alle angegebenen Zeiten sind MEZ
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