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-- Mass-Frage an Herrn Ickler (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=352)


eingetragen von Karl Eichholz am 27.11.2001 um 15.42

Zitat:
Gleichwohl, die neuen Stammesbrüder blieben, was sie waren, "Bajuwaren!": ein dickes, gefräßiges, sanges- und trinkfreudiges Volk am Rande der Alpen, das nur in einem Falle Sprachkultur annahm, als es darum ging, die Trinkgewohnheit zu verschleiern.

Der Brockhaus, 2. Auflage, von vor 1900 weiß dazu noch genaueres:

Bayern: diebisches Bergvolk am Rande der Alpen.

Dies berichtete mir jemand, der es wissen muß: Herr Meyer, Nachfahr der Begründer des Meyerschen Lexikons.
So, nun wißt Ihr es. Möglich, daß es ja nur ein wenig außerhalb der Verhältnisse betrachtet wurde, denn ein hochgewachsener Mensch dürfte selbstverständlich wohl auch lange Finger sein Eigen nennen?

Nun ja, und was ist daraus für heute die Konsequenz?

Wenden wir uns konsequenterweise geschlossen vom diebischen Bergvolk ab?

Mal anderscht gefraachd: Wenn ein Politticker uns betrüüchd, hören wir dann auf, ihn zu weelen?
Selbstverständlich nich, denn das nächste mal saachd er uns ja effentüll doch wieder vorübergehend de Waaheid.

Also, Bayern, bleibt wie Ihr seid.
Wir wüßten sonß ja überhaup nich meer, ween wir durchn Kakao zien solln. Gnade uns vor diesem Notstand, erspart uns diesen Kopfschmerz.

Klaa, Engelchen, daafsde mich duttzen. Sietzen tun sich nur sitzengebliemne olle Frolleins. Oder geleenklich maln Perfesser oder Persident oder soon Tier.


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mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz


eingetragen von Norbert Schäbler am 27.11.2001 um 11.35

Mitten ins Herz hat er mich getroffen, der Streifschuß, der - abgefeuert auf und aus Bayern - im unterfränkischen Hösbach einschlug.

Jetzt schäumt mein Herzblut auf und patriotischer Urgeist hebt an und spricht:
"Entfernet die von den Geschützen,
die Lunte legen an nasses Pulver und -
bar jeder Ortho- und Geographie -
ihr Rohr ins Niemandsland richten,
nicht ahnend, daß der Schuß sich lösen könnte,
um einzuschlagen im Kernland des Freundes!"

Wie schrecklich unhistorisch ist doch ein Walter Lachenmann, der - umgeben von Hügeln und Bergen (die ihm den Blick versperren) - der Solidarität zum Stammesbruder entbehrt.
186 Jahre fehlen seinem geschichtlichen Horizonte.

Ausgehend vom Jahre 1815, in dem der sog. Wiener Kongreß stattfand - Lachenmann assoziiert dieses Großereignis vermutlich mit einer rauschenden Ballnacht - gibt sich zwischenzeitlich die achte Generation der in der Region Untermain ansässigen Bürger die allergrößte Mühe, den bayerischen Besitz und auch die Kultur des Freistaates zu mehren.
Gleichwohl, die neuen Stammesbrüder blieben, was sie waren, "Bajuwaren!": ein dickes, gefräßiges, sanges- und trinkfreudiges Volk am Rande der Alpen, das nur in einem Falle Sprachkultur annahm, als es darum ging, die Trinkgewohnheit zu verschleiern.
Sie trinken in "Massen" wäre doch zu verräterisch gewesen.

Den Preußen sei's verziehen, wenn sie den Landstrich übersehen, der 1815 verlustig ging.
Und trotzdem wäre es zweckdienlich - im Dienste der Wissenschaft - sein Augenmerk zu richten auf die, die zwar an den Wittelsbacher Nachkommen scheiterten, aber denen es immerhin gelang, den Nassauern was beizubringen.
(Vielleicht war das auch alles umgekehrt. Wer weiß das schon?)
Am unteren Untermain, bis weit hinüber ins Hessische (sowohl nach Darmstadt als auch nach Frankfurt) - also mitten im Herz der Republik (dort, wo Europas Zentralflughafen ist) - gibt es überhaupt kein "-ig".

Lerrischlisch änn Noigeblaggde (in Zentralbajuwarien "a Zuagroastä") werd sisch derard geschdellzd ausdrigge.
Ausschbresche dun mir: geistig = geisdisch, fertig = ferdisch, gräulich = greulisch, möglich = meschlisch, ich = isch, himmlisch = himmlisch, bayrisch = bajuwarisch ...
Mir kenne werrer "-ig", noch "-ich". Alles werrd wie "-isch" gebabbeld.
Mir hawwe üwwerhaubd kä Broblehme, hechsdens die onnern.

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nos


eingetragen von Engel am 27.11.2001 um 11.11

Karl (darf ich "Du" sagen?) Ich bin ein Fan von Dir! ;-)
d'Schdoapfoiz ist die Oberpfalz (viel STeine dort und wenig Brot)

Herr Markner,
das mit der Unterrichtssprache ist weit hergeholt, genhauer gesagt, aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, als manch Österreicher das dringende Bedürfnis hatte, auf Distanz zu gehen zu Deutschland und seinem für Kasernenhöfe hervorragend geeigneten Nordsprech.

So liebe Leut, des wars vo mia,

I hob mei Zeig gsagd und gähn etz hoam. Owa daddds ollawei dro denga:

Wenn da Lachamoa Kare moand, dass s'Owaland und Oidbayern des säiwe is, na hod a se brennd. Z'Bayern kennd a se ned rechd aus.
Pfiads engg Good, olle midananda, und dadds no schee weidaschreim üwa de Rechtschreibreform

Servus


eingetragen von Reinhard Markner am 27.11.2001 um 00.53

Einige nicht preußisch-blaue, sondern preußisch-nüchterne Anmerkungen zu meinen geschätzten Vorrednern :

Sagt der Bayer überhaupt jemals [-ik] ? Doch nur, wenn er vom Blatt liest, oder irre ich mich (ich bin ja nur Viertelbayer) ? Sonst sagt er »freili« statt »freilich« (bzw. statt »allerdings«) und »recht« statt »richtig«.

Die hochartifizielle Standardaussprache sollte man nicht mit dem verwechseln, was die Leute so alles für Hochdeutsch halten. Kommt hinzu, daß immer mehr Menschen ein mehr oder minder regional gefärbtes Hochdeutsch als Muttersprache erlernen. Daß es ein eigenes ORF-Deutsch gibt, soll im übrigen nicht bestritten werden, eher schon, daß es sich dabei um eine österreichische Standardaussprache handele – es ist doch eher domestizierter Wiener Schmäh, gell ? Interessant ist der politische Hintergrund. Reinhard Olt erinnerte kürzlich daran, daß ein SPÖ-Unterrichtsminister das Wort »Deutsch« aus den Curricula strich und durch den Begriff »Unterrichtssprache« ersetzte.

Die relative Nähe der deutschen Orthographie zur standardsprachlichen Aussprache ist tückisch. Aber das g in -ig steht einfach nur da, weil man sonst *richtich, aber richtige schreiben müßte. So wie im Englischen die Vokale dastehen, auch wenn man sie, da unbetont, nicht »eigentlich« ausspricht. Wäre das nicht so, müßte man *phetogrephy und *phoutegraaph schreiben. Sehr umständlich und verwirrend, also macht man es nicht. So wie man in England auch keine Rechtschreibreform mit dem Ergebnis unternimmt, daß es weiterhin »Spaß«, aber fortan »Stuss« heißen soll. Wie kann man sich nur so etwas aneignen und gleichzeitig gegen die Tyrannei der Standardaussprache aufstehen wollen ?

»Der Oralprimat bringt das Erfordernis der Lautungsnormierung mit sich. So kommt auch die Vereinheitlichung der gesprochenen Sprache ins Spiel. Im [amtlichen] Regelwerk [von 1996] heißt es ausdrücklich, die Zuordnung von Lauten und Buchstaben orientiere sich »an der deutschen Standardaussprache«: »Wer schreiben lernt, muss daher manchmal mit der Schreibung auch die Standardaussprache kennen lernen.« Wo das normierte Sprechen Maß des Schreibens ist, muß man also die Standardaussprache entweder bereits kennen oder schleunigst lernen.« (RR u. NS, S. 123)


eingetragen von Karl Eichholz am 27.11.2001 um 00.34

„mäckst däß“ kenn ich von Franken, so in der Gegend von Schweinfurt und etwas östlich. Vielleicht nicht ganz fair, es als südlich der Weißwurscht zu bezeichnen, da sie sich doch mittendurchschlängelt. (hoffentlich ohne Daamverschlingerung)

Immerhin hat mein Zwerchfell bis hier schon ein tüchtiges Training hinter sich.

Daß der Noorden mopsig wäre: dem muß ich zutiefst widersprechen.
Er ist nämich rollmopsich.
Ansonsten: Öd, fad und unaussprechlich langweilig: da gips nix an zu rütteln. Das is ja schließlich n Konschdruckzionsprinziep. Wat mutt, dat mutt. Un denn soll datt ja auch.

Gestern sind wir auch wieder gegen Stoormflut geimfd worden.

Zitat:
Ich selbst habe dieses Experiment im Selbstversuch bereits durchgeführt in Frankfurt, Dresden, Berlin, Hamburg, Köln und auf Amrum, um nur einige Beispiele zu nennen.
mutich, mutich!
Zitat:
Ich konnte die Leute dort verstehen und sie mich.
reiner Zufall. Ein Blindes Huhn findet auch mal einen Korn. Manchma sogar nen doppelten.

Zitat:
»Mäckst däß« sagte man bekanntlich in Atlantis, der Heimat der Mäckis, Mäcki Messers, der urgermanischen Urin-
sel, der urdeutschen Sprachwelt, ...
Ja ja, immer ne Idee unter der Gürtellinie, der Lachi. :-) Was könn wiern dafür, daßass immer so kalt weeet? Da kamman sich schoma die Bluse verküüln. (mein ja nur wegen Gerinsel und so)

Lachi, hasdudich denn mittlerweile erholt vom Inhaliern von die Fischsubbee? Die wo so anne Zähn kleepd, dasse keine Luff nichmeer gekriechd hass?

Außerdem will ich auch ma ungerechtferticht Pattei ergreifen : das Gute wird obsiegen!

¿Schdoapfoiz? Steinpfalz? wassndasfürntier?
(Erläuterungen offensichtlicher Insider stets willkommen: als Fußnote)
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mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz


eingetragen von Engel am 26.11.2001 um 23.09

Ja, genau! Streit ma a weng untaranand!

Und wenn man den Goaßara jetzt fragen tät, obs möglich wär, dass Altbaiern sogar noch übers Oberland hinausgeht, was tät er dann sagen, der Goaßara?

Des "döös" ist auch ein schönes Thema. Und geben tuts des auch. "Döös" sagt man sicherlich in einigen Gegenden. Und schön ist es auch. Und es hat eine Daseinsberechtigung.

Aber hat man zum Beispiel einen Freisinger schon einmal "döös" sagen hören? Einen Ingolstädter? Muaßd amoi lusn, na heasdas, wias schmatzn. Vo Niederbayern und da Schdoapfoiz mog i gor ned ren. In der Oberpfalz und dem Woid würde man auch nicht sagen "wias", sondern "wäis", und nicht "muaßd", sondern "moußd". Dass es "das Bairische" in dem Sinn gar nicht gibt, ist doch eh klar. Eine entzückende Parallele zu "dem Hochdeutschen."

Aber des stimmt auch: Ohne den Norden könnten wir nicht überleben. Wer braucht schon uns? Wir brauchen sie.

Und was ich zur Orthographie noch fragen wollt: Was ist eigentlich genau?


eingetragen von Walter Lachenmann am 26.11.2001 um 22.18

Das Tragische an den Bayern ist, daß sie sich mit sich selbst nicht auskennen. Kennen tut man als Bayer nur den Feind, und der heißt Markner. Der Feind Bayerns hieß schon immer Markner, denn alles Markige ist dem Bayer zwider. Manchmal klingt das vielleicht ein bißchen anders, aber sobald ein Saupreißnmerkmal erkennbar wird, etwa ein Auftreten in der Pose des Wissers, schon gar, wenn der Wisser wirklich was weiß, ist das ein Feind, ein gscherter, denn der Bayer weiß schon aus höherer Klugheit nie nichts. Die Bayern erfüllen aber von alters her das Jesuswort mit mediterraner Grandezza: »Liebet Eure Feinde«. Ohne Markners wären die Bayern völlig haltlos, da kein Feind da, an dem sich aufzurichten. Wie könnte sich der sich sich windend in sich hineinverschraubende Stoiber überhaupt auch schon allein in Bayern bemerkbar machen, hätte er nicht die schlappe Angela zu konterkarieren. Aber jetzt wird's peinlich, Angelo:

»In Bayern würde ein Dialektsprecher sagen: Machsd Du dees? So würde er das im Dialekt sagen.« Meint Angelo.

Mein Freund, der Goaßara, dahd im Viereck springa, miaßadda döös hea'n. Denn der Bayer hier im Oberland, und das ist bekanntlich Altbaiern, sagt in solchem Falle: »Mochsd döös?« Außerdem fragt er sowas nie.

»Mäckst däß« sagte man bekanntlich in Atlantis, der Heimat der Mäckis, Mäcki Messers, der urgermanischen Urinsel, der urdeutschen Sprachwelt, wo die Runen raunen, die zwischen Cuxhaven und Helgoland darauf wartet, endlich von Sprachwahrern aus dem Wattenmeer gehoben zu werden. Vorläufig beschränken sich die Fischkuddels auf das Heben und anschließende Vertilgen von Flundern, das ist auch gescheiter.

»Machschdees« gibt es auch noch in Süddeutschland. Das ist O-Ton, aber weiter links auf der Landkarte.

Die Orthographie an der Aussprache orientieren zu wollen, ist allerdings ein ziemlicher Schmarrn. Eben, wie Angelo richtig sagt, hören wir doch einmal hin, wie die Leute deutsch reden zwischen Swakopmund und Süderlügum oder der Colonia Dignidad und Hamburg (Mississippi), was soll da gelten?
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Walter Lachenmann


eingetragen von Engel am 26.11.2001 um 18.55

Ich finde auch: Eine ungemein bereichernde Diskussion! Es ist der ewige Kampf von Gut gegen Böse, Süd gegen Nord, und letztlich: Bayern gegen den Rest der Welt! (Österreich ausgenommen, denn wir sind Fleisch von einem Fleische). (Wie so oft, gewinnt vermutlich das Böse)

Wir Bayern sind nicht nur Patrioten, wir sind auch Rebellen und überhaupt sehr viel besser als die Markners, und das in jeder denkbaren und sogar undenkbaren Beziehung: Mia san mia, und schreim damma uns uns!
Weil wir hier zufällig das Thema „Bayern“ streifen: „Mäckst däß“ (Machst Du das) – In Bayern würde ein Dialektsprecher sagen: Machsd Du dees? So würde er das im Dialekt sagen. Auf Hochdeutsch würde er sagen: „Machst Du des“, wobei das „a“ ganz dunkel klingen würde (drohend direkt), und dass noch ein „a“ in das „“des“ bzw „das“ gehört: Das würd er glatt vergessen. Wo man „Mäckst däß“ sagt, weiß ich nicht. Vielleicht in Baden? Vielleicht können Sie mir da weiterhelfen.

Zu der nach norddeutschem Vorbild standardisierten Hochsprache als einzig möglichen Kompromiss zur Gewährleistung einer einigermaßen reibungslosen Verständigung zwischen Oberammergau und Flensburg:
Die wird nie geben. Norddeutschland ist grundsätzlich abzulehnen. Es ist öde, fad und mopsig und ausgesprochen langweilig.

Trotzdem schlage ich Ihnen ein Experiment vor: Reisen Sie doch nach Wien und versuchen Sie Hochdeutsch mit den Leuten dort zu sprechen.
Sie werden feststellen: Man wird Sie verstehen.
Sie werden weiterhin feststellen: Sie werden die Menschen dort verstehen.
Und weiterhin werden Sie feststellen: Das Hochdeutsch dort klingt trotzdem anders. Und Sie verstehen es!
Ich selbst habe dieses Experiment im Selbstversuch bereits durchgeführt in Frankfurt, Dresden, Berlin, Hamburg, Köln und auf Amrum, um nur einige Beispiele zu nennen. Ich konnte die Leute dort verstehen und sie mich. Und das, obwohl ich nicht die unter anderem von Herrn Markner zur einzig zulässigen Form der Hochsprache erklärte Form benutze.


Daraus könnte man nun folgern, dass es einer bis ins letzte standardisierten Form der Hochsprache gar nicht bedarf.
Sie ist eh künstlich (Test: Verstehen Sie „eh“? Na also, sehn Se, klappt doch!), weil es in Deutschland nie eine natürliche Entwicklung hin zu dieser von Herrn Markner geschätzten Sprache gegeben hat. Es waren immer Markners, die diese Sprache hochgepäppelt haben. Und sich damit weitestgehend durchgesetzt haben, das will ich gar nicht abstreiten. Andererseits: Wieviel Unsinn hat sich nicht schon durchgesetzt. Scharfer Senf zum Leberkäs zum Beispiel.

Nach Herrn Markners Auffassung wäre die Sprache, die zum Beispiel in österreichischen Nachrichtensendungen zu hören ist, kein reines Hochdeutsch. Das ist lächerlich. Es ist nur eine andere Variante, und zu behaupten, die österreichische Variante sei die einzig gültige, wäre ebenso absurd wie Herrn Markners Ansicht.

Und logisch stelle ich die eigene Haltung über Tatsachen, jederzeit, freilich tu ich das! Ja, warum auch nicht? Wenn man im Süden seit Jahrhunderten –ig als –ig spricht, und zwar auch im Hochdeutschen, dann ist das Hochdeutsch. Und dann ist Tatsache, dass es eben mehrere Varianten von Hochdeutsch gibt. Keine unzulässiger als die Marknersche.

Und natürlich ist das Wörtlein „is“ statt „ist“ eine süddeutsche Schludrigkeit, wenns der Süddeutsche nicht im Dialekt, sondern in der Hochsprache benutzt. Warum sollte ich eine sprachliche Schludrigkeit zur Hochsprache erklären? Bin doch kein Norddeutscher.

Genug gescherzt. Man hat ja auch noch Pflichten. Wo ist der Weltfrieden? Ich werde ihn retten.

Und immer dran denken: SE SAUß WILL REIS AGÄN!


eingetragen von Elke Philburn am 26.11.2001 um 18.17


eingetragen von Reinhard Markner am 26.11.2001 um 17.14

Die reinste Schluderei ! Auch, daß sie "is" sagen statt »ist«, wie es korrekt wäre !


eingetragen von Theodor Ickler am 26.11.2001 um 14.32

Na, und die Engländer erst mit ihrem -ly!
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 26.11.2001 um 11.20

Ein Blick über die Grenzen ist häufig lehrreich. Die Dänen lassen das g im Auslaut ziemlich regelmäßig weg, z. B. in dem Wort »regelmæssig«. Daß es in Südjütland wie im Deutschen gesprochen wird, ist mir neu, klingt aber plausibel. Das g ist natürlich auch im Anlaut ziemlich variabel, gleichfalls grenzüberschreitend. Die Aussprache als [j] findet sich in preußischen Dialekten ebenso wie im Schwedischen.


eingetragen von Karl Eichholz am 25.11.2001 um 23.15

Muß ich mich doch auch ma einschalten. Bin hocherfreut über die konstruktive Diskussion.

Daß allerdings das „-ig“ ledichlich für die Bühne auf „-ich“ getrimmt wurde: das glaub ich schlicht nich. Wer es kann, mag es mir gerne näher belegen. Gerade im Norden Schleswich-Holßdeins wird dieses „-ich“ ja besonders gefleecht, sogar bis ins Dänische hinein. (die Dänen erkennen den dänischen „Südländer“ nahe der deutschen Grenze an diesem -ch, soweit ich weiß)
(Mein Großvater kaufte als Kind „för twee Penning däächliche Bongbongß“ = für zwei Pfennige gewöhnliche Zuckerln)

Und andererseits findet man das Gegenteil südlich der Weißwurscht vor: „das näckste mal“, „Kemie“,„mäckst däß?“ (=machst Du das?)

Ist evtl. die hoochdeutsche Schriftschbraache nix anderes als ein Kunstprodukt: ein Kompromiß, der tatsächlich nirgenz sein rechtes Zuhause hat?

Immerhin taucht sie dazu, daß Nord und Süd „mindeschdenz“ sich gegenseitich schreiben können! :-)

(zum Reden kann man ja seinen Dollmettscher mitnehmen)


– geändert durch Karl Eichholz am 28.11.2001, 01.09 –
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mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz


eingetragen von Reinhard Markner am 25.11.2001 um 18.16

Zitat:
Wobei ich sicher bin, daß selbst ein schludrig sprechender Süddeutscher nicht aus Unachtsamkeit 'ch' für 'k' sprechen würde. Das wäre ja nun doch zu einfach.

Müssen die Leute sich jetzt mit der norddeutschen Aussprache vertrautmachen, um nicht mit der Heyseschen s-Schreibung ins Gehege zu kommen?)
a) Nee, natürlich nich.
b) Exakt, insofern die norddeutsche Aussprache eben die standardsprachliche ist. Pech für die Lederhosen ! (Ob dies unseren bayerischen Patrioten auf den Weg der orthographischen Tugend zurückbringen wird ? Bleiben Sie dran !)


eingetragen von Elke Philburn am 25.11.2001 um 18.08

Zitat:
Mit "Schludrigkeit" hat das überhaupt nichts zu tun. Im übrigen wird das "g" im Auslaut entweder [ç] oder [k] ausgesprochen, nicht[g] (Auslautverhärtung). Schon das sollte jedem deutlich machen, daß die süddeutsche Aussprache nicht "richtig" ist.

Wobei ich sicher bin, daß selbst ein schludrig sprechender Süddeutscher nicht aus Unachtsamkeit 'ch' für 'k' sprechen würde. Das wäre ja nun doch zu einfach.

Zitat:
Mein früherer Lateinlehrer unterschied in der Aussprache
das relative "das" von der Konjunktion "daß", die er uns im Vergleich mit
deutlich längerem Vokal vorsprach.

Unsere Lateinlehrerin machte das auch, die Konjunktion war in ihrem Dialekt daas. Sie kam aus Bayern, ich weiß aber nicht, aus welcher Gegend. (Müssen die Leute sich jetzt mit der norddeutschen Aussprache vertrautmachen, um nicht mit der Heyseschen s-Schreibung ins Gehege zu kommen?)


eingetragen von Reinhard Markner am 25.11.2001 um 12.47

http://www.prophecy-factory.de/dt/rechts.htm


eingetragen von Reinhard Markner am 25.11.2001 um 10.35

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Engel
Die Aussprache der Endung -ig als -ich halte ich für grundsätzlich falsch.
[. . .]
Die fälschliche Annahme, im Norden werde das reinere Deutsch gesprochen, verbunden mit der Annahme, für den Norden typische Sprachschludrigkeiten wie -ich statt -ig seien deshalb reineres Deutsch.
[. . .]
Sie übersehen dabei, dass dieses -ich nur für die Bühne künstlich eingeführt wurde und dass inzwischen das Mikrofon erfunden wurde, das in Radio und TV das "letzte-Reihe-Problem" gar nicht erst entstehen lässt.

Man sollte nicht leichtfertig die eigene »Haltung« über die Tatsachen zu stellen. Das »g« ist seit Jahrhunderten auch ein Zeichen für [ç] und [X], wie sich an der niederländischen Orthographie leicht erkennen läßt. Im 18. Jahrhundert schrieb man noch häufig »Mädgen«, viele Menschen heißen »Böttger« usw. Mit »Schludrigkeit« hat das überhaupt nichts zu tun. Im übrigen wird das »g« im Auslaut entweder [ç] oder [k] ausgesprochen, nicht [g] (Auslautverhärtung). Schon das sollte jedem deutlich machen, daß die süddeutsche Aussprache nicht »richtig« ist.

Die Bühnensprache ist von Theodor Siebs Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund empirischer Untersuchungen an deutschen Theatern von Bremen bis Wien kodifiziert worden. Es handelt sich also nicht um eine Schreibtischgeburt, wie die Rechtschreibreform eine ist.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 25.11.2001 um 10.14

Die weitverbreitete Vorstellung, in Hannover werde das beste Deutsch (was immer das auch sein mag) gesprochen, kann ich nicht bestätigen.

Ich auch nicht, der ich jahrelang die Ansage „Hahnrich-Hahne-Sßtröße" in den öffentlichen Verkehrsmitteln hören mußte. Bekanntlich heißt dort „Schwein" „Schwahn" und „Schwan" „Schwön" („ö" wie in „öffentlich"). Hochdeutsch ist aber in Hannover eine Fremdsprache, denn in der Umgebung wird das ursprüngliche Platt südlich der mi/mek-Grenze gesprochen (Wilhelm Buschs Bauer Mecke: „Wat geit mek dat an.")

Eine andere Frage: Mein früherer Lateinlehrer unterschied in der Aussprache das relative „das" von der Konjunktion „daß", die er uns im Vergleich mit deutlich längerem Vokal vorsprach. Gibt es eine Gegend, in der so etwas üblich ist oder war?

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Engel am 25.11.2001 um 10.14

Die Aussprache der Endung -ig als -ich halte ich für grundsätzlich falsch.

M.E. gibt es zwei Gründe, warum diese Aussprache überhaupt zur "Norm" werden konnte:
- Die fälschliche Annahme, im Norden werde das reinere Deutsch gesprochen, verbunden mit der Annahme, für den Norden typische Sprachschludrigkeiten wie -ich statt -ig seien deshalb reineres Deutsch.
- Der Einfluß der Bühnensprache, in der -ig tatsächlich zu -ich wird, um im Theater ein angenehmeres Hörbild bis in die letzte Reihe zu erreichen. Ein Kunstgriff also zu einem bestimmten Zweck. Sprech-Erzieher geben diese Aussprache natürlich auch an Radio- und TV-Sprecher weiter, weil sie das eben seit Generationen so gelernt haben. Sie übersehen dabei, dass dieses -ich nur für die Bühne künstlich eingeführt wurde und dass inzwischen das Mikrofon erfunden wurde, das in Radio und TV das "letzte-Reihe-Problem" gar nicht erst entstehen lässt.

Interessant wäre hier ein Blick in die deutsche Lyrik: Wurde zum Beispiel auch von norddeutschen Dichtern im 19. oder frühen 20. Jahrhundert ein echtes -ich auf -ig gereimt?

Ich kenne leider nur ein Beispiel eines süddeutschen Dichters, der sogar -ig auf -ik reimt. Christian Morgenstern in einem seiner Korff-Gedichte ("Böhmisches Dorf"), in dem die letzten beiden Zeilen heißen:

Und er schreibt in seine Wochenchronik:
"Wieder ein Erlebnis, voll von Honig!"


eingetragen von Reinhard Markner am 25.11.2001 um 10.09

Ad Ickler (neuer Dings Igler) :
Die Duden-Redaktion hält »bayr.« offenbar für eine passable Abk. für »bayerisch«, oder aber man bevorzugt »bayrisch« gegenüber »bayerisch«. Na ja, Mannheim gehört eben schon seit längerem nicht mehr zu Bayern, und so hat man dann wohl etwas den Kontakt verloren.

Ad Philburn :
Es hat hier, soweit erinnerlich, niemand das alte Ammenmärchen wiederholt, daß der gemeine Hannoveraner die Standardaussprache des Deutschen verinnerlicht habe und zu äußern imstande sei.
Ihre Aufstellung läßt sich beliebig erweitern. Ich sage z. B. »was kost das« und »nix«, ohne daß mich jemand als Dialektsprecher identifizieren würde.
Pferd spricht sich übrigens [fert], weil es als unhöflich gilt, dem Gegenüber ins Gesicht zu spucken.

Ad Engel :
Die amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung sieht ausdrücklich vor, daß zur Beherrschung derselben auch die Beherrschung der Standardaussprache erforderlich sei. Die Änderung der ss/ß-Schreibung verfolgt das Ziel der Anpassung der Schreibung an die Aussprache (»Oralprimat«). Konsequenterweise müßten natürlich auch die Orts- und Familiennamen geändert werden, also Roßlau -> Rosslau, Heß -> Hess usw.


eingetragen von Theodor Ickler am 25.11.2001 um 04.12

Meine Bemerkung über die nördliche Orientierung war nicht allgemein gemeint, sondern bezog sich nur auf die "Maß". Die sogenannte Standard- oder Gemeinsprache ist bekanntlich eine ziemlich künstliche Angelegenheit, und zwar besteht sie im wesentlichen aus süddeutschen (verschobenen) Konsonanten und norddeutschen Vokalen.
Mit Recht wird seit einiger Zeit in Frage gestellt, ob eine Orientierung, die alles Bayerisch-Österreichische als "Dialekt" erscheinen läßt, überhaupt noch zu halten ist.
Es gibt auch weiterhin Verschiebungen der Norm, zum Beispiel wird die Endung -ig meinem Eindruck nach von immer mehr Menschen süddeutsch mit Verschlußlaut gesprochen (auch von mir seit einiger Zeit, allerdings nicht zu Hause).
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Elke Philburn am 25.11.2001 um 01.33

Da ich das Thema der Vokallängen schon einmal früher angeschnitten hatte, ist es interessant, daß sich jemand meldet, der dieses Problem aus eigener Erfahrung kennt.

Eine Schreibung nach Vokalquantität, die sich lediglich an einigen Varianten des Deutschen orientiert, halte ich auch nicht für sinnvoll. Eher für verwirrend.

Die weitverbreitete Vorstellung, in Hannover werde das beste Deutsch (was immer das auch sein mag) gesprochen, kann ich nicht bestätigen. Man spricht z. B. 'gibt', 'Bad' oder 'nach' mit Kurzvokal, wo der Duden Langvokal vorschreibt. (In vielen südlichen Varianten ist das meines Wissens Standard.) Die Aussprache von 'k' als Reibelaut ('wech', 'tach'), der Wegfall von /t/ in 'ist' oder 'nicht', die Homophonie von 'Pferd' und 'fährt' oder die Rundung des /i/ vor /sch/ und /r/ ('Schreibtüsch', 'Glühbürne') sind nur einige Beispiele für Wörter bzw. Lautfolgen, die m. W. in Süddeutschland generell standardnäher ausgesprochen werden.

(Vielleicht richtet sich der Duden weniger nach norddeutschen Varianten, als man annehmen mag.)


eingetragen von Engel am 24.11.2001 um 21.58

Dass die Standardsprache "wohl doch eher" nördlichem Vorbild folgt: Wie darf ich das verstehen? Warum ist das so? Wer entscheidet darüber? Was sind die Kriterien, denen die Entscheider folgen?

Tut mir leid, wenn ich mit diesen Fragen nerve, aber mich interessiert das.

Es ist nämlich in Wahrheit so, dass die Hochsprache "wohl eher doch" südlichem Vorbild folgt. Man muss es nur oft genug behaupten. Andersrum hats ja auch geklappt.

Gedanke, in Richtung eines Kompromisses führend:
Warum ist es eigentlich nicht möglich, zu akzeptieren, dass es "die Standardsprache" gar nicht gibt, außer, man definiert sie relativ willkürlich?
In der englischsprachigen Welt (die Welt ist ja heutzutage ein Dorf, ein globales) hat kein Mensch damit Probleme, dass es amerikanisches und britisches Englisch gibt. Oder dass zum Beispiel österreichische TV-Menschen eindeutig Hochdeutsch sprechen, wenngleich mit österreichischer Färbung und gelegentlich mit Wörtern, die der Norddeutsche nicht kennt. Eine Bereicherung, finde ich.

Warum also Sprache überhaupt standardisieren? Ist das nicht von Haus aus eine unkluge Idee?

PS: Sehr schön der Satz mit dem "Zugeständnis", dem selbstverständlich "verrückten".


eingetragen von Theodor Ickler am 24.11.2001 um 20.50

Der Eintrag im neuesten Duden hat viele überrascht, weil der Reform ja die Standardsprache zugrunde gelegt werden sollte und man die Maß zwar hauptsächlich im Süden kennt, aber die Standardaussprache wohl doch eher nördlichem Vorbild folgt. Aber darüber läßt sich streiten. Übrigens bedeutet die Angabe "bayr." offensichtlich nur das Gebiet, wie auch das gleich danach stehende "österr." zeigt, folglich wäre die Schreibweise "bair." nicht richtig.
Ein - wenn auch verrücktes - Zugeständnis an den deutschen Süden ist ja auch "morgen Früh", das ebenfalls erst im Zuge der Revision hinzugekommen ist und u. a. dadurch auffällt, daß es nur als Variante vorgesehen ist, also inkonsequenterweise anders als das obligatorische "morgen Abend" behandelt wird.
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Th. Ickler


eingetragen von Engel am 24.11.2001 um 20.49

...Und warum erscheint mein schönes Zitat nicht? Schreib i's halt no amal -seufz-:

Dieses Femininum (mhd diu mâße, ahd mâßa) geht in seiner Entwicklung völlig parallel mit Straße, bair. Strass: Da es alte Zweisilber sind, erfolgt keine Dehnung, sondern nur Vokalkürzung vor Fortiskonsonanz. Dagegen erfährt mhd daß mâß - das Maß als Einsilber Dehnung... - Mass ist hinsichtlich Schreibung, Aussprache, Genus und Pluralbildung deutlich unterschieden von Maß, das , -es, -e, hinsichtlich des a-Phonems auch von Masse.

So jetzt hoff ich, dass das klappt ;-)


eingetragen von Engel am 24.11.2001 um 20.42

Zunächst noch einmal ein Grüß Gott.

warum muss es hier "bair." heißen, wenn die Mass nur in der Schweiz feminin ist?

Müsste es dann nicht vielmehr heißen: süddt.?
Und müsste man dann nicht bei so ziemlich jedem Wort vermerken, ob es dem süddeutschen oder norddeutschen Hochdeutsch entstammt?
Und wär das nicht irgendwann albern?

Und ist die Mass nicht grundsätzlich feminin und nicht zu verwechseln mit dem Maß?

"Dieses Femininum
Zehtner, Ludwig, Bairisches Deutsch

Gibt es in Deutschland außerhalb Bayerns Gegenden, in denen ein Maß Bier getrunken wird?


eingetragen von Reinhard Markner am 24.11.2001 um 20.05

Zitat:
Maß, bes. bayr. auch Mass
Es muß hier »bair.« heißen. Daran, daß die Aussprache [mas] ebensowenig hochsprachlich ist wie das rheinische [/pas], ändert im übrigen auch der Eintrag im Duden gar nichts.


eingetragen von Christian Melsa am 24.11.2001 um 18.10

Ich erlaube mal, mich hier Herrn Ickler vorzudrängeln.

Die Kritik ist nur auf den ersten Blick berechtigt. Daraus, daß man nun das bayerische Mass auch so schreiben darf, ist nicht zu folgern, daß dann ebenso auch Spass, Fuss(ball) und Glass eine "Berechtigung" zu dieser Schreibung hätten. Zunächst einmal ist ja gerade ein(e) Mass (in der Schweiz feminin) Bier nicht das gleiche wie ein Maß. An dieser Stelle ist die neue ss/ß-Regel ausnahmsweise mal ganz nützlich, weil sie zufällig auf eine Unterscheidungsschreibung hinausläuft. Spaß bedeutet aber immer das gleiche, egal wie man es ausspricht (oder schreibt); ebenso die anderen Beispielwörter.

Außerdem ist auch die "neue" ss/ß-Regel ja nicht ganz so simpel wie in fast allen Reformwerbebroschüren und Zeitungsartikeln dargestellt ("Nach kurzen Vokalen ss"). Sowohl ss als auch ß stehen nur an Stellen, die in allen Beugungsformen einem scharfen s-Laut entsprechen. Demnach ist weder Glaß noch Glass richtig (obwohl der kurze a-Vokal in gerade diesem Wort sehr häufig ist), da man z.B. am Plural Gläser erkennt, daß das scharfe s in Endposition nur eine Auslautverhärtung ist, ansonsten aber weich und stimmhaft gesprochen wird. Folgt in der Grundform dem s-Laut ein Konsonant, so wird allerdings auch dann kein ss oder ß geschrieben, wenn der s-Laut in allen Beugungen scharf bleibt. Deswegen schreibt man Mist, aber ißt/isst, denn letzteres hat die Grundform essen. Das war bisher schon so, und auch die Reform hat daran nichts geändert - was natürlich das Prinzip vom Vorrang des Stammprinzips nicht ganz konsequent umsetzt, denn zur Ermittlung, ob ein s wirklich scharf ist oder nur am Ende, muß man oft eben gerade nicht die Grundform bemühen (freilich ist das "Prinzip des Stammprinzips" aus der Gesamtheit der Neuregelung ohnehin nicht so klar zu erkennen, Stichwort Ableitungsrichtung usw.).

Bei der herkömmlichen Rechtschreibung kommt eigentlich nur noch die Konvention hinzu, vor t und am Silbenende statt ss ebenfalls ß zu schreiben, was der Herkunft des ß als Ligatur etwas näherkommt und den Vorzug hat, viele Wörter besser lesbar zu machen.

Das große Problem bei der "neuen" ss/ß-Regel ist, daß sie immerzu unvollständig verbreitet wird. Wenn man sie komplett erklären würde, würde sie ja auch nicht mehr so sehr den schönen Duft der griffigen Einfachheit verströmen. Die Reform soll aber gefälligst auf Anhieb fabelhaft einfach wirken, wenigstens dort, wo sich deutliche Änderungen im Schriftbild ergeben, also beläßt man es bei Vereinfachungen in der Regelwiedergabe, seien sie auch noch so irreführend. Weil die meisten Fürstreiter der Reform sie eben auch nur anhand dieser Vereinfachungen kennen, nehmen sie irrtümlich an, die Vereinfachungen lägen tatsächlich in der amtlichen Neuregelung, dabei liegen sie nur in ihrer propagandistisch einseitigen Darstellung all derer, die die Reform fortschrittlich positiv oder aber doch nicht ganz so schlimm wirken lassen wollen ("Es gibt doch auch ein paar Verbesserungen").

Man will den Schulkindern beibringen, jetzt besonders bewußt auf die Vokallänge zu achten. Das ist das Vorzeigestück der Reform, denn es handelt sich um eine verhältnismäßig leichte Übung, und die Folgen dieses Teils der Regelung machen sich in normalen Texten am deutlichsten bemerkbar ("Geßlerhut"). Wegen der Überbetonung dieses Teils schreiben nun die Kinder plötzlich auch Verhältniss, Lasst oder eben Spass und Glass. Früher sind die Fehler in diesem Bereich geringer gewesen, nicht etwa, weil die Kinder oder andere Schreiber die zugrundeliegenden Regeln besser gekannt hätten, sondern weil man intuitiv die Wortbilder mit den gewohnten Gestalten aus der üblichen Lektüre vergleicht. Die ist heutzutage natürlich gerade in diesem Bereich dank der Reform höchst uneinheitlich.


eingetragen von Engel am 24.11.2001 um 15.22

Grüß Gott,

Grad hab ich dieses hier gelesen:

Maß, bes. bayr. auch Mass; 2 Mass Bier“: Hier bekommen die süddeutschen Kritiker also doch noch recht. Allerdings fragt man sich sogleich, warum andere Regionen vernachlässigt werden. Wären nicht Spass, Fussball, ja auch Glass ebenso zu berücksichtigen?

Dazu hätt ich eine Frage: Wie ist dieses denn gemeint?
Ich gehe davon aus, dass
1. nach kurzen Vokalen "ss" steht
2. die Mass kurz gesprochen wird und
3. eine lange Aussprache des a in der Mass falsch wäre, weils eben eine Mass ist und kein Maß.

Ein langes a in der Mass ist ebenso falsch wie ein langes a in dass oder ein kurzes a in Glas oder ein kurzes u in Fußball.

Die Tatsache, dass viele Norddeutsche das a in der Mass lang sprechen, ist kein Beweis dafür, dass das richtig ist, sondern lediglich der Beweis dafür, dass selbst der Norddeutsche hin und wieder sprachlich nicht ganz auf der Höhe ist. Es ist grundsätzlich nicht schön, aus dem süddeutschen Raum ein Wort zu entlehnen, es falsch ausszusprechen und dann mit falscher Schreibweise in das Hochdeutsche einzugliedern.

Das wären in etwa meine Thesen.

Mit besten Grüßen aus dem Süden

Engel


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