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-- Rowohlt (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=374)


eingetragen von Sigmar Salzburg am 07.10.2005 um 20.57

Lesen und spielen: Jonathan Franzen und Ulrich Matthes präsentieren in Stuttgart den Roman "Schweres Beben"

Geld ist ein toller fiktionaler Baustein - und so konkret

So eine lustige Beerdigung. Gelächter bis in die hinterste Reihe. Ulrich Matthes bleibt ernst, Jonathan Franzen schaut kurz auf. Ein Funkeln im Blick und ein Lächeln.

VON NICOLE GOLOMBEK

Es ist Geraldine Briggs Totenrede auf die millionenschwere Rita Damiano Kernaghan in Jonathan Franzens unlängst auf Deutsch erschienenem Roman "Schweres Beben", die Ulrich Matthes so betont salbungsvoll vorträgt. […]

Szenenapplaus, auch von Franzen, der weiß, dass er sich nicht sorgen muss. Wegen ihm sind sie natürlich alle gekommen, dem Autor von "Die Korrekturen". Nun stellt er seinen bereits 1992 erschienenen zweiten Roman "Schweres Beben" in dem Land vor, in dem er zwei Jahre lang studiert hat. "Ich komme aus dem Mittelwesten, und drumherum ist nur noch mehr Amerika", erklärt Franzen. Er spricht bedächtig, mit einer angenehm tiefen Stimme. "Ich wollte ein kultureller Mensch sein", sagt er, und wie oft an dem Abend blitzt es selbstironisch in seinen Augen, und er fügt an, er sei deshalb nach Europa gereist. Und kokettiert weiter mit dem Image seines Heimatlandes. Warum er so gern über Geld schreibe (der Roman handelt unter anderem davon, dass die Mutter des Helden 22 Millionen Dollar erbt), wundert sich der Moderator Denis Scheck. "Ich bin Amerikaner", sagt Franzen, fügt an, Geld sei ein toller fiktionaler Baustein, er wundere sich, warum nicht mehr Autoren darüber schrieben. Franzen liebt das Mehrdeutige und schaut belustigt, scheinbar überrascht ins Publikum, als dort manche melancholisch seufzen. "Worte mit ß" antwortet er auf Frage, welche Worte ihm damals in den frühen 80er Jahren beim Deutschlernen besonders gefallen haben. "Das wirkt irgendwie freundlich", sagt er. "Schloooß und Verdruuuß".

Über die Rechtschreibreform indes will Scheck lieber nicht sprechen,
während Franzen über das Thema Familienroman und was ihn daran derartig fasziniere, nichts sagen mag. Langes Schweigen.[…]


Stuttgarter Nachrichten
vom 07.10.2005

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/1005812?_suchtag=2005-10-07

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Monika Grunert am 17.03.2004 um 00.58

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von gestur

Weil platt "flach" bedeutet und flach steigerbar ist, dann muß auch platt steigerbar sein.


Es versteht sich, daß alle Adjektive, von denen hier die Rede ist, steigerbar sind. Aber die Frage ist, ob sie in dieser Verbindung steigerbar sind, und das bezweifle ich: "breittreten" (bis zum Überdruß bereden) und "plattmachen" (zerstören, vernichten) werden meist, und gerade in besagtem Text, in diesem übertragenen Sinne gebraucht, und da hat die Steigerung keinen Sinn. Deshalb, so vermute ich, gibt der Duden auch "breittreten" (das Wörterverzeichnis nur "breitschlagen", sicher im Sinne von "sich breitschlagen lassen", also auch figurativ). Aber warum dann "platt machen"? Weil man etwas ganz platt machen kann? (Erweiterung) Na, dann könnte man etwas auch vollkommen breit treten, oder?

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m.g.


eingetragen von gestur am 16.03.2004 um 22.49

Laut Duden-Herkunftswörterbuch bedeutet platt "flach" und ist aus dem Niederländischen ins Hochdeutsche gekommen, stammt von mittelniederländisch plat(t), das aus (alt-)französisch plat "flach" entlehnt ist. Quelle des französischen Wortes ist griechisch platys "eben, flach", verwandt mit vulgärlateinisch *plattus, entsprechend italienisch piatto "platt, flach". Ableitung plätten "bügeln" aus mittelniederländisch pletten "platt machen". Es ist also ein ehrwürdiges Wort von vornehmer Abstammung.
Jetzt aber der Schluß: Weil platt "flach" bedeutet und flach steigerbar ist, dann muß auch platt steigerbar sein.


eingetragen von J.-M. Wagner am 16.03.2004 um 22.16

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Monika Grunert
Ich bin allerdings völlig überrascht davon, daß breittreten und fernbleiben "korrekt" im Sinne der Reform sein sollen! Besagter Duden gibt: sich breit machen, aber breitschlagen und breittreten. Bei fern- ist es noch verrückter: fern liegen, (fern liegend), fern halten, fern stehen, aber fernbleiben. Also es soll platt machen und glatt streichen heißen, aber fernbleiben und breittreten? Kann mir jemand erklären, WARUM? (Vielleicht Frau Menges?)
Frau Menges müßte es können, genügt doch in diesem Fall ein Blick in das amtliche Wörterverzeichnis, um den rein formalen Aspekt der Korrektheit dieser Schreibungen nach dem neuen Regelwerk zu klären. Dort wird bei "glatt" und "platt" auf § 34 E3(3) verwiesen (Getrenntschreibung), bei "breit" und "fern" aber auf § 34 (2.2) (Zusammenschreibung).

Andererseits – und hier dürfte Frau Menges überfordert sein –: Diese Zuordnung der Adjektive kann man natürlich hinterfragen, denn man könnte ja durchaus etwas noch breiter treten, nicht aber es noch platter machen. Weil man dabei (auch) an die konkrete Bedeutung, irgendetwas unter der Schuhsohle noch breiter zu treten, denken kann und der Unterschied zwischen konkreter und übertragener Bedeutung vom Regelwerk an anderer Stelle negiert wird ("bekannt machen"), könnte man sagen, daß die im amtlichen Wörterverzeichnis angegebene Zuordnung fragwürdig ist, da nicht zweifelsfrei nachvollziehbar. – Wichtig ist dabei der genaue Wortlaut von § 34 (2.2): Die Erweiterung bzw. Steigerung muß sich allein auf den ersten Bestandteil beziehen.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Jörg Metes am 28.12.2003 um 09.37

Andererseits bringt Rowohlt im Januar 2004 zum Preis von jeweils 6 Euro zehn Taschenbuch-Sonderausgaben moderner Klassiker in herkömmlicher Rechtschreibung heraus: Borchert, Beauvoir, Camus, Hemingway, Kertész, H. Mann, K. Mann, Nabokov, Sartre und Tucholsky (»Rheinsberg, Schloß [!] Gripsholm«).

Die Mühe, diese Texte in reformierte Rechtschreibung zu übertragen, will man sich bei Rowohlt nicht mehr machen. Die reformierte Rechtschreibung ist die Rechtschreibung der Zukunft, doch die Literatur des 20. Jahrhunderts hat eben keine Zukunft mehr. Glaubt jedenfalls der Rowohlt Verlag.
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Jörg Metes


eingetragen von Theodor Ickler am 26.12.2003 um 14.23

Behände springt er auf die Füße und rennt davon.
(Arend Agthe: Flussfahrt mit Huhn. Rowohlt Rotfuchs 2001, S. 83)
Das Buch ist eigens wegen der Rechtschreibreform umgearbeitet worden.
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Th. Ickler


eingetragen von RenateMariaMenges am 13.11.2003 um 18.45

Liebe Frau Grunert!

Sicher ist, dass die Getrenntschreibung wirklich bei der Einführung der Rechtschreibreform nicht ausreichend diskutiert wurde. Die Getrenntschreibung erfordert heute, dass der Schreiber im Buch nachschauen muss, welche Worte nun getrennt geschrieben werden sollen. Sie erfordert ein erhebliches Merkgedächtnis, weil die Getrenntschreibung meist durch Ausnahmen erklärt wird. Ich finde, dass gerade dieser Aspekt noch einmal diskutiert werden müsste. Heute schreiben viele auseinander, was zusammen bleiben sollte. Oder man wählt die Radikallösung der totalen Getrenntschreibung. Ich glaube aber, dass es dazu nicht kommen wird, es müsste aber zu einer Korrektur und Verbesserung der Getrenntschreibung kommen.
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RenateMariaMenges


eingetragen von Monika Grunert am 13.11.2003 um 00.20

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Monika Grunert


Einige sind durch den Konverter geschlüpft, kann sein, es sind noch mehr. Die richtigen (bewährten) Schreibweisen fallen ja naturgemäß nicht so auf:

...das wohlwollende Lächeln der Mutter (S.119)
..., obgleich die Familien nie zusammenkamen...(S.120)
..., wenn er .... fernbliebe. (S.185)
..., um die Töpferei.... weiterzuführen. (S.186)
ein Problem, das ....breitgetreten und zerpflückt werden sollte (S:239)


Man hat mich diskret darauf hingewiesen, daß alle diese Schreibweisen auch nach der Reform richtig sind. Die Sache ist klar bei zusammen- und weiter-, das war ein bißchen provokativ gemeint, da es ja so oft falsch gemacht wird. Aber "wohlwollend" schien mir gar nicht selbstverständlich zu sein, ein Blick in den Duden, 21. Aufl., zeigt: wohl wollen und wohlwollend (neben den bekannten Widersprüchen: wohl situiert, aber wohlproportioniert, wohlbehalten, aber wohl behütet, wohl temperiert, aber das Wohltemperierte Klavier(!) usw. usf.) WARUM? Aufgrund welcher Regel?
Ich bin allerdings völlig überrascht davon, daß breittreten und fernbleiben "korrekt" im Sinne der Reform sein sollen! Besagter Duden gibt: sich breit machen, aber breitschlagen und breittreten. Bei fern- ist es noch verrückter: fern liegen, (fern liegend), fern halten, fern stehen, aber fernbleiben. Also es soll platt machen und glatt streichen heißen, aber fernbleiben und breittreten? Kann mir jemand erklären, WARUM? (Vielleicht Frau Menges?)
Jetzt muß man wohl auch noch bei den Beispielsammlungen höllisch aufpassen, daß man keine "Fehler" macht. Das ist zuviel verlangt, werte Reformer!
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m.g.


eingetragen von Monika Grunert am 04.11.2003 um 12.19

José Saramago "Das Zentrum" , Übersetzung: Marianne Gareis
Rowohlt 2002
In vorgeblich reformierter Schreibe, in Wirklichkeit gehen alle möglichen Schreibweisen (von heute, gestern, vorgestern und Sankt Nimmerlein) bunt durcheinander.
Häufig wird auseinandergerissen, was nur so nach zusammengesetzt aussieht:

..., es war nur so dahin gesagt,...(S.12)
Marta wird mir zustimmen, wenn es so weit ist. (S.17)
...Häuser, die dem Erdboden gleich gemacht werden sollten. (S.17)
...eine fest gefügte funktionierende Struktur...(S.17)
...mit irgendwelchen nichts sagenden Erklärungen..(S..37)
...,das ist am nahe liegendsten,...(S.38)
aber: das Naheliegende (S.42)

...der Dienst habende Wachmann (mehrmals)
..., dem wird es nicht schwer fallen,...(S.119)

...,sich in einem Spiegel wieder zu erkennen. (S.169)
vierzig zufrieden stellende Güsse...(S.184)
... er könne mit zufrieden stellender Regelmäßigkeit....(S.186)
..., wie sie eine Falte ... glatt strich...(S.186)
genau genommen (S.200)
zu einem wenigstens zufrieden stellenden Verständnis...(S.202)
Nicht alle Schöpfer können ihre Geschöpfe allein lassen, ...(S.206)
...er hätte sie (die Tonfiguren) erbarmungslos platt machen können (S.254)
eine allein stehende Frau (S.261)
mit...zwei Schwindel erregenden Fenstern (S.320)
... sie müssten... die Figuren fertig machen... (S.321)
früh morgens (S.329)
kennen gelernt (S.346 und weitere Male )
und uns damit auseinander setzen...(S.390)

Einige sind durch den Konverter geschlüpft, kann sein, es sind noch mehr. Die richtigen (bewährten) Schreibweisen fallen ja naturgemäß nicht so auf:

...das wohlwollende Lächeln der Mutter (S.119)
..., obgleich die Familien nie zusammenkamen...(S.120)
..., wenn er .... fernbliebe. (S.185)
..., um die Töpferei.... weiterzuführen. (S.186)
ein Problem, das ....breitgetreten und zerpflückt werden sollte (S:239)

Es fehlen natürlich nicht die blöden Großschreibungen, die sich sehr häufen und in der Tat auffallen:
heute Morgen, im Allgemeinen, das Gleiche, im Übrigen (vielmals)
dass es ihm Leid tun würde...(S.207)
Es tut mir Leid...(S.121)
..., die ihm Recht gab...(S.209)
..., sie war nicht die Erste gewesen und bestimmt auch nicht die Letzte.(S.39)
Was Ersterer... hatte, hatte Letzterer nun ...(S.215)
Letztere..(S.120)
(Bei den letzten zwei Angaben bin ich mir nicht sicher, ob sie nach Neuschrieb richtig sind oder hier eine "Überinterpretation" vorliegt. Wer kann helfen?)

... und die neuen Schreibweisen:
Zierrat (S.202)
überschwänglich (S.238)

Was wird nun aus meiner Fleißarbeit? Könnte man dem Nobelpreisträger nicht eine Note mit dem Aufruf und der Übersetzerin diese Fehlerliste zukommen lassen?
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m.g.


eingetragen von guest am 16.10.2003 um 16.40

Jetzt wissen wir, warum viele Bücher mit der Euro-Einführung unverschämt teurer wurden: Die Kosten der (unnötigen) Umstellung auf neue Rechtschreibung.


eingetragen von Theodor Ickler am 16.10.2003 um 14.10

Ein neuer Sammelband mit amerikanischen Erzählungen ("Wo liegt Amerika?") ist vollständig in neue Rechtschreibung umgesetzt (was das kostet!). Der Verlag weist wie in seinen anderen Büchern gleich darauf hin. Den Anfang bildet Hemingways "Schnee auf dem Kilimandscharo", und gleich auf der ersten Seite liest man: Es tut mir schrecklich Leid.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 15.10.2003 um 16.02

Hensel, Jana: Zonenkinder. 7. Aufl. 2002. Rowohlt.
"Die Schreibweise entspricht den Regeln der neuen Rechtschreibung" (Impressum)
heute Abend (12)
freue mich, sie wieder zu sehen (21) usw.
Wir hatten uns nach zwölf Jahren nicht in Cottbus wieder gesehen (144)
dass sie die Alufolie wieder verwendeten (129)
jene Hand voll Anekdoten (33)
diese Hand voll prächtiger, frei stehender Bürgerhäuser (161)
Tschechos-lowakei (159)
Desinte-resse (40)
Jan hatte Recht (44) usw.
wüßte (91)
eine selbst gedrehte Zigarette (130) usw.
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Man sieht hier, daß der Rowohlt-Verlag seine Machtposition gegenüber jungen Autoren, die noch keine Bedingungen stellen können, schamlos ausnutzt, indem er ihre Texte so weit wie möglich verhunzt und wie zum Hohn auch noch ausdrücklich darauf hinweist, daß er das tut.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 18.07.2003 um 15.44

Mir liegen zwar die Originaltexte nicht vor, ich bin aber ziemlich sicher, daß sie korrekt wiedergegeben sind. Die Getrenntschreibung war damals noch weiter verbreitet.

Aber der ständige Wechsel zwischen der keineswegs veralteten Originalorthographie und der Rowohltschen Neuschreibung ist schon ziemlich störend, zumal das Buch zur Hälfte aus Zitaten besteht. Man wird so in jedem zweiten Satz penetrant auf die Reform hingewiesen - um jedesmal zu erkennen, wie unnötig und minderwertig sie ist. Übrgens habe ich, weil es nicht zur Sache gehört, gar nicht erwähnt, daß auch reformunabhängige Fehler wie konzidieren vorkommen. Der Altphilologe W. Jens hätte es bemerken müssen.
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Th. Ickler


eingetragen von Monika Grunert am 18.07.2003 um 12.49

Auf ein und derselben Seite (14) wird Katias Abiturzeugnis zitiert: "mit wohlbefriedigendem Erfolg", und dann kommt fünf Zeilen tiefer O-Ton Jens: Katharina Pringsheim war ... für das Studium wohl vorbereitet.
Was meinen die Autoren wohl?
Auf Seite 21 heißt es über die Mutter: Sie war knapp neunzehn Jahre alt und ein "wohl behütetes und ganz unerfahrenes Haustöchterchen",...
Die Anführungszeichen weisen auf ein Zitat, aber man fragt sich, ob es wirklich so bei Alfred Pringsheim stand.
Von diesen Autoren hätte man mehr Sprachgefühl erwartet.
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m.g.


eingetragen von Theodor Ickler am 18.07.2003 um 09.42

Inge und Walter Jens: Frau Thomas Mann. 2. Aufl. Rowohlt 2003.
"Die Schreibweise entspricht den Regeln der neuen Rechtschreibung."
allgemein bildende Vorlesungen (45)
Trotzdem hatte Hedwig Pringsheim Recht. (109) Katia hatte Recht (124) usw.
Abschluß (116), daß (298)
obwohl der Empfang sich nicht sehr viel versprechend angelassen hatte (126)
An beiden Orten waren die materiellen Verhältnisse durchaus zufrieden stellend. (197)
Gustaf Gründgens war übrigens nicht der Einzige aus der Gilde der alten Arcisstraßenbesucher (199)
Quäntchen (205)
fürs Erste (209 u. ö.)
wenn es Not tat (280)
Mir tun die Deutschen kein bißchen Leid. (297)
Besorgnis erregende Erkrankung (326)
bei ihrer schwer kranken Tochter (333)

Die Silbentrennung ist konservativ: Jüng-ste (184) usw.
Bei zeitraubend (144) wäre jetzt eigentlich Getrenntschreibung fällig.
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Th. Ickler


eingetragen von Jörg Metes am 15.10.2002 um 16.56

In der neuen "rowohlt revue" (Heft 74 / Herbst 2002) findet sich auch eine Leseprobe aus Max Goldt, Wenn man einen weißen Anzug anhat. Im Buch hat Goldt die herkömmliche Rechtschreibung gewählt, die Redaktion der "rowohlt revue" (Michael Kunitzsch und Christoph Krämer) hat sich nicht drum geschert und die Leseprobe in Reformschreibung gesetzt. Was die reformierte ss/ß-Schreibung angeht, ist ihr das auch fehlerfrei gelungen, was die Getrennt- und Zusammenschreibung angeht, selbstverständlich nicht: Ein Wort wie späterwacht hätte korrigiert werden müssen zu spät erwacht. Ob der alte Heinrich-Maria Ledig-Rowohlt mit seinem Autoren auch so umgesprungen wäre?

(Wäre das vielleicht eine Definition für die neue Rechtschreibung? "Neue Rechtschreibung ist das, was ein Korrekturprogramm für neue Rechtschreibung aus einem Text in herkömmlicher Rechtschreibung macht"? Also praktisch: "herkömmliche Rechtschreibung plus Zufallsgenerator"?)
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Jörg Metes


eingetragen von Jörg Metes am 15.09.2002 um 08.19

Ganz neu bei Rowohlt und in der herkömmlichen Rechtscheibung:
Max Goldt, Wenn man einen weißen Anzug anhat. Ein Tagebuch- Buch.
(und Goldt ist ein - guter! - Kultautor. In der Amazon-Verkaufsrangliste steht das Buch gerade auf Platz 52)
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Jörg Metes


eingetragen von Jörg Metes am 16.07.2002 um 23.01

"Bookmarks" ist das Monatsmagazin des Rowohlt-Verlags. Der vorige Text stammt aus diesem Magazin und findet sich in der Internetausgabe von "Bookmarks" hier.
- Die Häme, mit der der (nicht genannte) Autor auf den Widerstand gegen die Reform zurückblickt, verrät, daß er sie nicht wirklich so unerheblich findet, wie er es glauben machen möchte. Es gibt ziemlich viele solche Leute, die das Unbehagen, das natürlich auch sie an der Reformschreibung empfinden, gerne endlich los wären. Die Schuld daran, daß sie es überhaupt noch empfinden, geben sie denen, die dieses Unbehagen wachhalten.
- Nicht die Reform selber wird verteidigt, sondern das Sichfügen in sie. Verräterisch ist die Befriedigung, mit der der Autor den Zeitungen ihre Ohnmacht vorhält:
"Als die Hauptzulieferer der Zeitungen, die Nachrichtenagentuuren, am 1. August 1999 auf die neue Rechtschreibung umstellten, sahen sich diese genötigt mitzuziehen."
Es ist die Befriedigung dessen, der sich nicht erst der Nötigung gebeugt hat, sondern von vorneherein fügsam war. Der Klügere gibt nach, und für den Klügsten hält sich derjenige, der es am schnellsten tut.
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Jörg Metes


eingetragen von Reinhard Markner am 16.07.2002 um 20.04

Denk mal! Sechs Jahre ist es mittlerweile her, seit der wackere Deutschlehrer Friedrich Denk aus Weilheim seine große Koalition gegen die neue Rechtschreibbreform mobilisierte: Sie sei inkonsequent und kostspielig, ein Wrack deutschen Regulierungswahns, ein Anschlag auf Tradition und Leselust. Stängel und Gämse, rau und Delfin – welchem kulturbeflissenen Auge wollte man solche Gräuel zumuten?

Wie alle übrigen Verlage, Zeitungen und Zeitschriften stand auch Rowohlt vor der Frage: Was nun – und was tun?
Rechtschreibreform? Neu ist das alles nicht. Schon Klopstock hatte sich 1778 reformerisch heftig ins Zeug gelegt («Di Ortografi, di ich forschlage . . .»), was ihm Herders Spott: «Der alte stolze Narr ist dem delirio nahe.» Auch Lichtenberg hielt mit sarkastischen Kommentaren nicht hinter dem Berg: «Das Buch wird file ferführen, mich ferfürz nicht.» Das liest sich schon fast wie Zé do Rocks «Ultradeutsch», pardon: ultradoitsh: «mit ultradoitsh wer was für di umwelt getan. wenn ma ultradoitsh sraibt, spart ma 10 prozent papir – di regenwelda bedanken sic.»

Im Jahre 1996 fand der erste Sommerloch-Feldzug der deutschen Presse gegen die neue Rechtschreibung statt. Obwohl gekennzeichnet durch profunde Unkenntnis schon bei den simpelsten Sachverhalten, war er ein voller Erfolg: Ein ganzes Land sah eines seiner wichtigsten Kulturgüter in gröblichster Art und Weise verunstaltet. Komischerweise wurden die einschlägigen Wörterbücher zu den neuen Schreibweisen trotz allledem zu Bestsellern – dem Aufschrei folgte mitnichten ein Boykott. Auch nicht bei den Feldherren der Sommerloch-Schlacht: Als die Hauptzulieferer der Zeitungen, die Nachrichtenagentuuren, am 1. August 1999 auf die neue Rechtschreibung umstellten, sahen sich diese genötigt mitzuziehen. Das Resultat war vielfach ein eigenartiges Gemisch von alten und neuen Schreibweisen mit kühn eingestreuten Kreationen, die frühestens bei der übernächsten Rechtschreibreform im Jahre 2054 Eingang finden dürften, wie zum Beispiel wolllüstig.

Klipp? Klar!

Während der Grabenkrieg um Panter und Tunfisch die Republik erschütterte, schlich sich die neue Rechtschreibung im beschaulichen Reinbek eher auf leisen Sohlen in den Rowohlt Verlag ein, genauer in den Rowohlt Taschenbuch Verlag. Die neue Reihe klipp & klar wendete sich an Schüler und musste somit zwingend in der neuen Schreibweise abgefasst werden. Was aber tun, wenn überhaupt noch keine verbindlichen Angaben publiziert sind? Ganz einfach: Man sucht im Verlag nach einem «Kollegen, der die neue deutsche Rechtschreibung perfekt beherrscht» – eine vergebliche Suche, versteht sich. Also werden zwei Korrektoren ausgeguckt, die sich der Sache anzunehmen haben. Vom Rest der Belegschaft wurden die Kollegen mit einer eigenartigen Mischung aus Bedauern (als sollten sie die «Titanic» vor dem Untergang retten) und Bewunderung (als wären sie die Pioniere einer großen und riskanten Landnahme) angeschaut.

Die Interpretationsmöglichkeiten zu den nunmehr allein gültigen, aber eben abstrakt formulierten Regeln sind Legion und die daraus folgenden möglichen Schreib- und Interpunktionsvarianten gar nicht mehr zu überblicken. Was nun im Duden als einzig korrekte Schreibweise angegeben ist, taucht vielleicht im Bertelsmann gar nicht auf, und auch das Aldi-Wörterbuch bringt keine Klärung. Könnte hierin vielleicht der oft gesuchte, aber nie gefundene tiefere Sinn der «Reform» liegen? In der Vergrößerung der Angebotsvielfalt durch Monopolzerschlagung? Ein Hoch auf die freie Marktwirtschaft!

Aus Alt mach Neu

In den Niederungen der alltäglichen Verlagsarbeit entwickelte diese Situation eine unerfreuliche Eigendynamik mit starker Tendenz zur Unübersichtlichkeit. Bis aus einem Manuskript ein gedrucktes Buch wird, verlustieren sich ja allerlei Leute an dem Text: Autor, Übersetzer, Redakteur, Korrektor, Lektor . . .

Und jeder hat so seine eigene Auffassung von Rechtschreibung, ganz besonders von neuer Rechtschreibung. Und das alles manchmal in einem Satz. Nun war des Deutschen Liebstes gefordert – die Sache musste geregelt werden. Mit den «Satz- und Korrekturanweisungen der Rowohlt Verlage» wurde das Problem gelöst. In ihnen ist festgelegt, welche Schreib- und Interpunktionsvarianten jeweils bei Rowohlt verbindlich sind. Leitlinie der Entscheidung zwischen den Varianten war stets die Lesefreundlichkeit. Folgender Satz müsste zum Beispiel rein formal nach neuer Rechtschreibung kein Komma aufweisen: «Gustav liebt Kathrin und Miriam und Felix kann er nicht ausstehen.» Schlägt des armen Gustav Herz nur für Kathrin oder doch für beide Damen? Wir lernen: Nicht nur in Liebesdingen stört ein richtig gesetztes Komma niemanden, ein fehlendes (oder falsch gesetztes) hingegen kann (ver-)störende Folgen nach sich ziehen. Mit einem einfachen Komma bleibt Gustav monogam und seiner Kathrin weiter treu ergeben.


eingetragen von Theodor Ickler am 16.07.2002 um 14.49

http://www.rowohlt.de/sixcms/detail.php?template=navigation_frame_start&_id1=1
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 16.07.2002 um 05.49

Das neueste Kursbuch ist erstmals wieder in bewährter Rechtschreibung gehalten. Hier ein Blick auf den Inhalt.

Neue Zürcher Zeitung, 17. Juli 2002 (Barbara von Reibnitz)

Konjunktur der Biographik

Die Erfahrung des historischen Bruchs von 1989 und die daran anknüpfende Revision der Geschichtsbilder dürfte eine der Ursachen sein für die gegenwärtig zu verzeichnende Hausse der Biographien, Zeitzeugenberichte und Selberlebensbeschreibungen. Das neue «Kursbuch» beleuchtet Hintergründe und Facetten dieses Trends. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der deutschen Zeitgeschichte und ihren (auto)biographischen Spiegelungen in Ost und West. Jens Reich, Gründungsmitglied des «Neuen Forums», fragt im Rückblick auf den eigenen Werdegang, wie sich, quer zum DDR-staatlichen Kontroll- und Normierungsdruck, eigenständige Biographien bilden konnten, wo «selbst erkämpfte Distanz stereotype Züge annahm». Und weiter: Welche Geltung besassen die biographischen Orientierungsmuster nach dem Durchgang durchs «Säurebad der Systemtransformation»? Für die widerständig-klandestin festgehaltenen Koordinaten bürgerlicher Kultur jedenfalls fand sich bei der Ankunft im Westen kein Gegenwartsrückhalt mehr. Ost-Biographien, so Udo Tietz, unterlagen nach der Wende einer doppelten Entwertung, faktisch-beruflich und im normativen Selbstverständnis - «Zusammenbruchsindividualisierung» möchte er diesen Vorgang nennen.

Antonia Grunenberg rekonstruiert die «Verweigerung der Biographie» seitens der 68er Generation und die Kompensation des mit dieser Verweigerung einhergehenden «Vorbildverlusts» durch Ersatzbiographien, die man aus der Lektüre der theoretischen Vordenker konstruierte. Exemplarisch werden die Projektionen, Blindstellen und Wahrnehmungsfraktionierungen benannt, aus denen diese «Biomythen» ihre vermeintliche Eindeutigkeit bezogen. Auf der Seite der «Helden» wird das am Beispiel von Rosa Luxemburg, Walter Benjamin, Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir vorgeführt, auf der Seite der «Antihelden» stehen Heidegger, Jünger, Carl Schmitt und Céline. Hannah Arendt kam im damaligen Denkfeld - bezeichnenderweise - nicht in den Blick. - Alexander von Plato beschäftigt sich mit der «Opferkonkurrenz des Kalten Krieges». Bernd-Ulrich Hergemöller nimmt die derzeit blühende «Biographik des Bösen» in den Blick. Hanna Rheinz untersucht die Mechanismen der erstaunlichen Akzeptanz, die Bruno Doessekkers alias Binjamin Wilkomirskis «Identitätspiraterie» gefunden hat. Klatsch und Tratsch, meint Mario Erdheim, sind gesuchte Ingredienzien jeder Biographie. Ihre lustbringende Funktion ist bekannter als die durch sie erzeugten Denkhemmungen.

Dem gegenstrebigen Bedingungsgefüge gesuchter Authentizität und unhintergehbarer Fiktionalität, in das jedes autobiographische Schreibprojekt eingespannt ist, hat Richard Kämmerlings einen klugen Essay gewidmet. Er konfrontiert die unterschiedlichen Reaktionsformen miteinander, die dieses «ästhetische Grundproblem» in den Versuchen literarischer Selbstvergewisserung von Peter Weiss, Michel Leiris und Elias Canetti hervorgebracht hat. Noch an den jüngsten Lebensgeschichten ostdeutscher Provenienz erweist sich, dass «Authentizität nur in der Erfindung hergestellt werden kann».

Kursbuch 148: «Die Rückkehr der Biographien». Rowohlt-Verlag, Berlin 2002.


eingetragen von Walter Lachenmann am 06.07.2002 um 19.50

Die Sache ist bereits in Arbeit und in den besten Händen. Gegackert wird erst, wenn die Eier gelegt sind.
__________________
Walter Lachenmann


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 06.07.2002 um 19.48

Ich kann mir denken, daß die vielen
einzigartigen Beiträge, die von unseren Protagonisten
im MAZ-Forum wie die Perlen vor die Säue geworfen
worden sind, in ausländischen Zeitungen eine
gewaltige Reaktion hervorrufen würden.

Mit Sicherheit wissen auch nicht die Autoren, was
in deutschen Verlagen mit ihren Werken geschieht.
Gerade die Franzosen haben für Sprache ein
offenes Ohr.

Hier tut Eile wirklich bitter not.

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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Sigmar Salzburg am 06.07.2002 um 18.19

Vor längerer Zeit schon hatte ich hier auf die Notwendigkeit der Information ausländischer Autoren hingewiesen, wobei ich vor allem daran dachte, Herrn Riebe samt VRS auf eine nützliche Spur zu setzen. Leider ist seitdem nicht viel geschehen, außer daß einige Literaturnobelpreisträger mehr in die "neue" Rechtschreibung übersetzt worden sind.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 06.07.2002 um 17.17

Nachtrag zu
Ausländische Autoren

a) Korrektur:
(...) welchen Wert die Franzosen auf
..... legen

b)In der letzten Woche war in einer
Gesprächsrunde zum Problemkreis
Bildung im Fernsehen
Pascale Huygues (?) vom LE POINT,
Paris.
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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 06.07.2002 um 16.25

Ich bin der Meinung, daß überhaupt
das Ausland viel mehr mobilisiert
werden muß.
Warum versuchen wir nicht, in
Zeitungen wie "Le Figaro", "Le Monde",
"L'Express", "Le Point" Beiträge
hineinzubringen? Das geht doch alles ganz
einfach übers Netz.
Die von J. Metes erwähnten ahnungslosen Autoren
sind ein Punkt, die Schulen, die doch gar keine
Ahnung oder Kenntnis von den laufenden Änderungen
haben, ein anderer Punkt.
Ein grundsätzlicher Aspekt natürlich ist das
Übersetzungsdilemma der auseinandergerissenen Wörter,
der grammatische Unsinn, der ausländischen Schülern
beigebracht werden muß. Wie soll das z.B. in
französischen Schulen untergebracht werden; es ist
hinlänglich bekannt, welchen enormen Wert die Franzosen
auf ihre eigene Sprache und deren Vermittlung geht.
Wie sollen die dann mit unserem Unsinn umgehen?
Vielleicht bekommen hier die Verantwortlichen eher
weiche Knie, wenn der Druck aus dem Ausland kommt.
(s. auch Gustav Korlén, Schweden).


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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Jörg Metes am 05.07.2002 um 10.12

Eine Operation, mit der ein großer Kreis von ausländischen Autoren auf einmal angesprochen werden soll, ist bereits in Planung. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, jemandem, der nicht Deutsch spricht, eine Vorstellung vom Inhalt der Reform zu geben. Ich glaube aber, daß es möglich sein wird, ihm eine Vorstellung von der Bedeutung zu geben, die sie für die Kultur in den deutschsprachigen Ländern hat. Ein ausländischer Schriftsteller oder Wissenschaftler, der erfährt, daß Grass, Habermas, Enzensberger, Süskind, Handke und überhaupt alle deutschsprachigen Autoren, von denen er je gehört hat, sich der Reformschreibung verweigern, wird seiner Agentur mit Sicherheit sagen, daß auch er eine Übersetzung in herkömmlicher Rechtschreibung wünscht.
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Jörg Metes


eingetragen von Elke Philburn am 05.07.2002 um 09.33

Eine Kontaktadresse gibt es hier.

Wenn jemand ein paar Vorschläge hat, wie das Schreiben inhaltlich aussehen soll, bin ich gern dabei.


eingetragen von Theodor Ickler am 05.07.2002 um 04.07

Ich habe es bisher noch nicht geschafft, ausländische Autoren darüber ins Bild zu setzen, was man mit ihren Texten anstellt. Man muß sie, auch wenn sie kein Deutsch können, mit Beispielen konfrontieren und ihnen klarmachen, daß sie als Deppen dastehen, wenn sie den Verlag gewähren lassen. Vielleicht kann im vorliegenden Fall mal jemand tätig werden. Von einigen Übersetzern habe ich schon gehört, daß sie mit dem Zwang zur Reformschreibung ganz unglücklich sind. Rowohlt sollte sich schämen. Leider gehen Rezensenten fast nie darauf ein, ebenso wie die Rezensenten von Kinderbüchern. Das liegt an der fatalen Verflechtung unserer heruntergekommenen Literaturkritik mit dem Verlagswesen.
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Th. Ickler


eingetragen von Jörg Metes am 04.07.2002 um 19.21

Soeben bei Rowohlt erschienen ist der Roman "Die Korrekturen" von Jonathan Franzen. Mit Sicherheit hätte der Autor, wenn man ihn über die Situation in Deutschland aufgeklärt hätte, darauf bestanden, daß die deutsche Übersetzung in herkömmlicher Rechtschreibung erscheint. Nach allem, was man hört, ist es ein ganz hervorragender Roman.
So aber ist er in Reformschreibung erschienen. Nach wie vor ist er unter den Neuerscheinungen auf dem Gebiet der anspruchsvollen Literatur damit eine Ausnahme. In der Buchhandlung, in der ich ihn durchgeblättert habe, lagen um ihn herum nur Titel in herkömmlicher Rechtschreibung.
Und weil das so ist, ist den Leuten bei Rowohlt offenbar nicht wohl in ihrer Haut. Auf der Impressumsseite von "Die Korrekturen" findet sich wieder - wie in dem Buch, mit dem Herr Ickler sich am Beginn dieses Strangs befaßt hat - der Satz: 'Die Schreibweise entspricht den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung'.
Das finde ich bemerkenswert. Auf dem Gebiet der anspruchsvollen Literatur hat man als Verleger bzw. Lektor offenbar das Gefühl, sich erklären und rechtfertigen zu müssen, wenn man ein Buch in Reformschreibung herausbringt. In Büchern, die bei der herkömmlichen Rechtschreibung geblieben sind, rechtfertigt sich dafür natürlich niemand.
Das ist ein gutes Zeichen. Es sollte möglich sein, Jonathan Franzen und andere fremdsprachige Autoren vor Abschluß des nächsten Vertrags mit einem deutschen Verlag ins Bild zu setzen.
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Jörg Metes


eingetragen von Christian Melsa am 09.03.2002 um 16.36

Bei 39,90 war ich auch schon kurz davor, einen Brief an Rowohlt zu schreiben. In dem wäre ich wieder etwas pathetisch geworden und hätte darauf hingewiesen, wie absurd es doch angesichts Thema und Aussage des Romans ist, die deutsche Übersetzung ausgerechnet in dieser Plastik-Konsumentenverarschungs-Rechtschreibung zu halten.


eingetragen von Theodor Ickler am 09.03.2002 um 03.39

Frédéric Beigbeder: Neununddreißig neunzig. Rowohlt 2001. (frz. "99 Francs")

werden Sie mein Produkt im Supermarktregal wieder erkennen (17)
wenn wir das in der Endfassung nicht wieder erkennen (97)
Seid ihr sicher, dass sich Madame Michu in ihr wieder erkennt? (99)
seinen Appetit wieder zu finden (115)
Sonst hätte er noch erkennen müssen, wie Recht er hatte. (144)
Wir müssen die ursprüngliche Unschuld wieder finden. (206)


Außerdem findet man noch die unvermeidliche "Hypothenuse", die aber nicht reformbedingt ist.

Übrigens teilte der Verlag, nachdem ich auf die Fehler in Peter Schneiders Buch hingewiesen hatte, folgendes mit:

"Besten Dank für Ihre Hinweise zum Thema und insbesondere zu dem Buch von Peter Schneider. Wir haben diese gern zur Kenntnis genommen und werden die von Ihnen aufgezeigten Fehler bei der nächsten Auflage korrigieren.
Wie Sie beklagen auch wir die mangelhafte Informationspolitik hinsichtlich angeblicher Revisionen und Nachbesserungen bei der neuen deutschen Rechtschreibung. Sollte von offizieller Seite eine Wendung zu grammatisch
sinnvollen Lösungen in einzelnen kritischen Fällen vollzogen werden, tragen wir dies selbstverständlich mit. Bis dahin bemühen wir uns um eine einheitliche Umsetzung der geltenden Regeln."
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Th. Ickler


eingetragen von Jörg Metes am 20.12.2001 um 18.16

Handelt es sich um ein Kinder- oder Jugendbuch? Kinder- und Jugendbücher, die nicht ausdrücklich den neuen Rechtschreibregeln folgen, gelten meines Wissens in der Branche als unverkäuflich (was beispielsweise bei einem Verlag wie Hanser dazu geführt hat, daß Kinderliteratur konsequent in neuer Rechtschreibung herausgegeben wird, Erwachsenenliteratur ebenso konsequent in herkömmlicher). Die Buchbranche glaubt allgemein zu wissen, daß unter den Käufern von Kinder- und Jugendliteratur (also denjenigen Erwachsenen, die Kindern und Jugendlichen Bücher schenken) die Meinung vorherrscht, daß alte Rechtschreibung den Kindern schadet (in dem Sinne, daß sie es den Kindern schwerer macht, in der Schule die neue zu lernen).

Was die Erwachsenenliteratur angeht, so hatte ich gerade erst wieder einen bei Rowohlt 1999 (gebundene Ausgabe) bzw. 2001 (Taschenbuchausgabe) erschienenen Roman in herkömmlicher Rechtschreibung in der Hand: Thomas Pynchon, Mason und Dixon. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die herkömmliche Rechtschreibung nur ausnahmsweise auf ausdrücklichen Wunsch des Autors oder gar des Übersetzers gewählt wurde. Und falls es sich der Verlag, was die Rechtschreibung angeht, zwischen 1999 und 2001 anders überlegt haben sollte, so war ihm die Sache doch zumindest nicht so wichtig, daß er gelegentlich der Taschenbuchausgabe die Übersetzung auf neue Rechtschreibung umgestellt hätte.

Und schließlich studiere ich gerade die Rechtschreibung im neuesten "Kursbuch", das ebenfalls 2001 bei Rowohlt (Rowohlt Berlin) erschienen ist. Hier nun wiederum wurde konsequent zwar die neue ß/ss-Regelung umgesetzt und ebenso konsequent die vermehrte Großschreibung (und beides sogar in nachträglicher Bearbeitung eines Aufsatzes von Robert Musil aus dem Jahr 1937), andererseits die vermehrte Getrenntschreibung aber nur sehr eingeschränkt (einerseits dabei sein, verloren gegangen, ebenso wenig, andererseits leerstehend, wohldurchdacht, heißumstritten und sogar - durchgängig! - sogenannt). Was die Herausgeber (Ingrid Karsunke und Tilmann Spengler) nun genau dazu bewogen hat, versuche ich noch herauszubekommen.
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Jörg Metes


eingetragen von Theodor Ickler am 20.12.2001 um 16.18

Der Verlag Rowohlt setzt die Neuschreibung besonders eifrig um. In diesem Jahr erschien zum Beispiel Peter Schneiders Buch "Und wenn wir nur eine Stunde gewinnen... - Wie ein jüdischer Musiker die Nazi-Jahre überlebte". ("Die Schreibweise entspricht den Regeln der neuen Rechtschreibung.")

Man liest also:

Nur eine Hand voll Länder hatte überhaupt die Bereitschaft signalisiert ... (27)
Konrads Vater hatte Recht ... (39)
Das Schweigen irritierte ihn nicht im Mindesten. (41)
Ihm persönlich tue das Ganze unendlich Leid. (43) [ähnlich mehrmals]
es tue ihm wirklich entsetzlich Leid (49)
Anita und Renate spielten eine Zeit lang die Rolle der Französinnen erfolgreich weiter (53)
dies war Poelchaus wohl überlegter Trick (78)
die Musik liebende Dame (108)
es tut uns allen Leid (141)
Konrad hat seine Eltern nie wieder gesehen. (110) [= Duden 1996]

Vor dem Äußersten schreckt der Verlag allerdings zurück und schreibt regelwidrig klein:

Denn sie wusste noch immer nicht, wie recht Herr Undeutsch hatte (131)

Die "Rehling" wollen wir als Druckfehler durchgehen lassen.

- Was denkt sich ein so bedeutender Verlag dabei, wenn er Bücher in eine Form bringt, von der doch klar ist, daß sie in wenigen Jahren überholt sein wird (abgesehen von der jetzt schon zu rügenden Sprachwidrigkeit)?
– geändert durch Theodor Ickler am 21.12.2001, 21.18 –
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Th. Ickler


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