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-- Allensbach, Befürworter gibt es bis heute kaum (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=458)


eingetragen von J.-M. Wagner am 26.04.2002 um 11.49

(Zuvor: Die PDF-Version des Allensbacher Berichtes findet sich unter http://www.ifd-allensbach.de/pdf/prd_0207.pdf.)

Ich vermisse in dieser Umfrage eine (zumindest ansatzweise) inhaltliche Frage. In der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichtes wird die KMK folgendermaßen zu Inhalt und Ziel der der Rechtschreibreform zitiert:
In der Vergangenheit »sei ein Geflecht von unübersichtlichen Regeln, Ausnahmen und Ausnahmen von Ausnahmen entstanden, das im Interesse der Schüler vereinfacht werden müsse. Der Neuregelung gehe es deshalb vor allem um eine Bereinigung, bessere Systematisierung der Regeln und die Beseitigung von Ausnahmen, ...« (vgl. Absatz 98) (Die Originalfassung einer entsprechenden Erklärung der KMK kenne ich - noch - nicht.)
Wie weit aber kann man mit der Vereinfachung und Systematisierung gehen? Dazu heißt es unmittelbar darauf: »... ohne daß die Tradition des Schriftbilds und die Lesbarkeit von Texten wesentlich beeinträchtigt würden.«

Hm: Was ist unter einer "wesentlichen Beeinträchtigung" zu verstehen, von der das Schriftbild und die Lesbarkeit von Texten betroffen sein können? Die Abschaffung der Substantivgroßschreibung wäre sicherlich eine solche. Die neue ss/ß-Regelung geht zwar in diese Richtung, aber letztlich ist es Geschmackssache, ob man Wörter wie "bisschen" oder "Fresstempel" als eine wesentliche Beeinträchtigung empfindet oder nicht (wobei in gewissem Maße auch Gewöhnung eine Rolle spielt; in der Schweiz wird ja seit 1953 völlig auf das ß verzichtet - ob zur allgemeinen Zufriedenheit, weiß ich zwar nicht, nehme es aber an).
Ich empfinde es als eine solche, und ich weiß nicht, wie vielen anderen es damit ähnlich geht (oder nicht). Wie aber kann das letztlich entschieden werden, ob es sich (quasi absolut gesehen) um eine solche handelt oder nicht? Worauf stützt sich diese Aussage der KMK, wie kann das geprüft werden?

»Wie sehen Sie das, und wurden Sie danach gefragt?« kann man mal in der Öffentlichkeit fragen. Und vor allem sollten mal die Zeitungsleser danach gefragt werden, wie sie die Lesbarkeit ihrer Zeitungen beurteilen, nachdem diese auf die Reformschreibung umgestellt wurden. Oder gibt es dazu schon unabhängige Untersuchungen?

– geändert durch J.-M. Wagner am 27.04.2002, 23.17 –
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Mädchenfüralles am 26.04.2002 um 10.42

 

2002 / Nr. 7


RECHTSCHREIBREFORM

Befürworter gibt es bis heute kaum
   

Allensbach am Bodensee, Mitte April 2002 - Die Rechtschreibreform, die im Juli 1996 offiziell für Deutschland beschlossen wurde, stößt nach wie vor in der Bevölkerung auf Widerstand. Mehr als jeder zweite (56 Prozent) bezeichnet sich in einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach als Gegner dieser Reform. Die Zahl an Befürwortern war von Anfang an minimal (10 Prozent) und hat in den Jahren, die seitdem ins Land gegangen sind, nicht einen einzigen Prozentpunkt hinzugewonnen. Häufiger geworden ist allenfalls das Schulterzucken, mit dem auf die demoskopische Frage nach der Rechtschreibreform reagiert wird. 1997 sagten 20 Prozent der Befragten: "Die Reform ist mir egal", inzwischen sagt das in West und Ost jeder dritte
(33 Prozent).

 

Rechtschreibreform: Immer noch kaum Befürworter

FRAGE: "Einmal ganz allgemein gefragt: Sind Sie für oder gegen die Rechtschreibreform, oder ist Ihnen das egal?"
  Deutsche Bevölkerung
  1997 2002
 
%
insg.
%
West
%
Ost
%
Bin für die Rechtschreibreform 10 10 10 9
Bin dagegen 70 56 56 56
Ist mir egal 20 33 33 33
Habe noch nicht von der Rechtschreibreform gehört x 1 1 2
  100 100 100 100
x = unter 0,5 Prozent
QUELLE: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen, zuletzt 7020, März/April 2002
Basis: Gesamtdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

 

Nur 25 Prozent der Deutschen im Alter ab 16 Jahren haben sich bis heute nach eigenen Angaben auf die neue Rechtschreibung umgestellt. 13 Prozent tragen sich mit der Absicht, das irgendwann künftig zu tun. Aber die große Mehrheit (57 Prozent) sieht keinen Grund, sich in Zukunft auf die neuen Regeln der Rechtschreibung einzustellen.

 

Rechtschreibreform: Wenig Bereitschaft, sich darauf einzustellen

FRAGE: "Haben Sie sich selbst bei der Rechtschreibung umgestellt, oder wollen Sie sich künftig darauf einstellen, oder sehen Sie dafür keinen Grund?"
  Deutsche Bevölkerung
  2000 2002
 
%
insg.
%
West
%
Ost
%
Habe mich umgestellt 13 25 25 23
Will mich künftig darauf einstellen 15 13 14 11
Sehe dafür keinen Grund 64 57 56 60
Unentschieden 8 4 4 4
Habe noch nicht von der Rechtschreibreform gehört x 1 1 2
  100 100 100 100
x = unter 0,5 Prozent
QUELLE: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen, zuletzt 7020, März/April 2002
Basis: Gesamtdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

 

Umgestellt haben sich vor allem die Jüngeren, die zum großen Teil noch in der Schule sind oder in den zurückliegenden Jahren als Schüler mit der neuen Rechtschreibung konfrontiert wurden. Die ältere Generation dagegen denkt gar nicht daran, ihre bisher praktizierte Reformverweigerung aufzugeben.

 

Rechtschreibreform: Wenig Bereitschaft, sich darauf einzustellen

FRAGE: "Haben Sie sich selbst bei der Rechtschreibung umgestellt, oder wollen Sie sich künftig darauf einstellen, oder sehen Sie dafür keinen Grund?"
  Deutsche Bevölkerung
  16 - 29
Jahre
%
30 - 44
Jahre
%
45 - 59
Jahre
%
60 Jahre
und älter
%
Habe mich umgestellt 44 29 25 9
Will mich künftig darauf einstellen 16 18 13 7
Sehe dafür keinen Grund 35 48 58 77
Unentschieden 3 5 3 5
Habe noch nicht von der Rechtschreibreform gehört 2 x 1 2
  100 100 100 100
x = unter 0,5 Prozent
QUELLE: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen, zuletzt 7020, März/April 2002
Basis: Gesamtdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

 

In der Allensbacher Umfrage wurde der Vorschlag zur Debatte gestellt, die Rechtschreibreform wieder rückgängig zu machen. "Sind Sie dafür, daß man zur alten Rechtschreibung zurückkehrt, oder sollte man die neue Rechtschreibung beibehalten?" In West (49 Prozent) und Ost (50 Prozent) plädiert jeder zweite für eine Zurücknahme der Reform, die von oben verordnet worden ist. Nur 29 Prozent haben sich in den vergangenen sechs Jahren mit der neuen Regelung irgendwie abgefunden und meinen, man sollte die neue Rechtschreibung beibehalten.

 

 
TECHNISCHE DATEN FÜR DIE REDAKTION
Anzahl der Befragten:

Repräsentanz:


Zeitraum der Befragung:

Archiv-Nummer der Umfrage:
1073

Gesamtdeutschland,
Bevölkerung ab 16 Jahre

26. März bis 9. April 2002

7020 B
Bei dieser Umfrage waren insgesamt 255 Interviewer eingesetzt.

  


Copyright: Institut für Demoskopie Allensbach


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Dominik Schumacher


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