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-- Was ist ein Wort³? (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=560)
eingetragen von Detlef Lindenthal am 29.09.2003 um 19.02
Zitat:Ist es wirklich schon wieder so weit: Wissenschaftsfreiheit à la DDR? Zitierverbot, weil die Zitierte sonst fuchsteufelswild werden könnte??
Ursprünglich eingetragen von guest
Wesentliche Aussagen zu diesem Thema finden sich in der Magisterarbeit von Ulrike Sell, "Die aktuelle Rechtschreibreform. Ausgewählte Argumente des Für und Wider" ... Ohne Genehmigung der Verfasserin kann ich hier nicht daraus zitieren....
Lieber g.,
natürlich darf in Deutschland jeder jederzeit aus wissenschaftlichen Arbeiten zitieren. (Zitierverbot hätten die „Reformer“ wohl gerne!!!)
Grrrrrrrrrrrr...uß, Detlef Lindenthal
eingetragen von guest am 29.09.2003 um 18.37
Wesentliche Aussagen zu diesem Thema finden sich in der Magisterarbeit von Ulrike Sell, "Die aktuelle Rechtschreibreform. Ausgewählte Argumente des Für und Wider", 1999, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Sprache und Literatur, Gutachter Prof. Dr. Horst-Dieter Schlosser und Prof. Dr. Jakob Ossner.
Ohne Genehmigung der Verfasserin kann ich hier nicht daraus zitieren. Vielleicht könnte eine höher gestellte Persönlichkeit zu diesem Zweck mit ihr Kontakt aufnehmen.
eingetragen von J.-M. Wagner am 29.09.2003 um 17.36
Die folgende Empfehlung von Frau Prof. Dürscheid möchte ich hiermit weitergeben (der Verweis führt direkt zur PDF-Version des Aufsatzes):
Vilmos Ágel, Roland Kehrein: Das Wort Sprech- und/oder Schreibzeichen? Ein empirischer Beitrag zum latenten Gegenstand der Linguistik. In: Vilmos Ágel / Andreas Gardt / Ulrike Haß-Zumkehr / Thorsten Roelcke (Hrsg.): Das Wort. Seine strukturelle und kulturelle Dimension. Festschrift für Oskar Reichmann zum 65. Geburtstag. Tübingen: Niemeyer (2002), S. 328.
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Jan-Martin Wagner
eingetragen von J.-M. Wagner am 23.11.2002 um 18.57
Zu diesem Thema habe ich den Aufsatz von Hartmut Günther (in "Sprache im Fokus", Festschrift für Heinz Vater; 1997) mit Gewinn gelesen. Ich ahnte es nur, wußte aber nicht, daß das Thema so schwierig ist -- man ist doch den Umgang mit Wörtern von klein auf gewöhnt, hat x-mal ein Lexikon aufgeschlagen und und und... und trotzdem weiß man auch/bereits in nicht allzu "exotischen" Fällen nicht ganz genau, was "ein Wort" ist!
Das finde ich spannend und wichtig: Immer wieder wird von "Wörtern" gesprochen, vom "Wortbildungsprozeß" oder vom "zusammengesetzten Wort", aber weiß man eigentlich, was das ist -- "ein Wort"? Wird dieses Wissen quasi als intuitiv gegeben vorausgesetzt?
Recht einleuchtend erschien mir beim ersten Lesen das von Günther gebrachte Zitat aus der Arbeit von Maas (1992): "An syntaktischen 'Sollbruchstellen' wird ein Spatium gesetzt" bzw. "Wo keine syntaktische 'Sollbruchstelle' vorliegt, wird zusammengeschrieben." --
Ist nun der naive Ansatz, dies als Ausgangspunkt für die Beantwortung meiner Frage zu nehmen und zu behaupten, was (zumindest in der jeweiligen Grundform) zusammengeschrieben wird, sei "ein Wort", brauchbar?
Und wie ordnen sich folgende Überlegungen dazu: Setzt eine Analyse der Wortart, d. h. die Einordnung eines Wortes in eine bestimmte Kategorie, die vorherige "Isolierung" (Ausgliederung) des Wortes (bzw. von Wörtern) voraus -- oder setzt eine solche die Existenz von entsprechenden Kategorien voraus, weil diese zur Identifikation von Wörtern benötigt werden?
(Konkret: Kann man sagen, "sogenannt" sei ein Wort, weil es ein [einteiliges, einfaches] Adjektiv ist?)
Oder ist diese Fragestellung in gewisser Weise "ungeschickt", weil sie nicht wirklich zum Ziel führt? Oder ist die Vorstellung, die von der Lexikonbenutzung her motiviert ist, daß sich letztlich jeder Text auf einzelne Wörter zurückführen läßt, nicht gerechtfertigt, weil zu naiv?
Oder anders gefragt: Wie arbeiten Lexikographen, woran orientieren die sich, was sie als "ein Wort" ansehen? Wenn jene sich an geschriebenen Texten orientieren (die sie als Fund- bzw. Belegstellen heranziehen) -- bedeutet das nicht, daß der Bereich der GZS niemals vollständig zu "regeln" sein wird, weil sich hier die Wortneuschöpfung am deutlichsten auswirkt? Denn ist es nicht eher so, daß man umgekehrt (d. h., nicht von der Regel als Grundlage ausgehend) anhand der in der Praxis vorkommenden Verwendung erkennen kann, in welche der von Günther in seinem Aufsatz behandelten Kategorien der GZS eine Substantiv-Verb-Kombination fällt?
(Nur dann, so denke ich, läßt sich auch der Sprachwandel dokumentieren, wenn mit bestimmen "Ausdrücken" anders umgegangen wird und sie in der GZS anders gehandhabt werden.)
Zurück zu Günther: Zwar geht er insgesamt nicht explizit auf meine spezielle Fragestellung ("ein Wort"?) ein, Andeutungen in Richtung Lexikalisierung kommen allerdings vor. Sehr bemerkenswert erscheint mir aber der einleitende Satz des Abschnitts zur Reformregelung:»Im Gegensatz zum wohldokumentierten Trend zur Univerbierung in der gesprochenen und der geschriebenen deutschen Sprache in den letzten 500 Jahren schlägt der Internationale Arbeitskreis für Orthographie (1995) in seiner Vorlage für die neue amtliche Rechtschreibung vor, die Getrenntschreibung systematisch auszuweiten.«Dies in Verbindung mit der Feststellung, daß von den knapp 400 von ihm im Anhang aufgeführten Wörtern -- die ich als "ein Wort" (und nicht zwei) auffasse (Begründung? Tja, das ist gerade die Frage; siehe dazu die syntaktischen und semantischen Überlegungen Günthers!) -- nach der Neuregelung nur noch 45 zusammengeschrieben werden, nun, da ist mir quasi richtig schlecht geworden.
Außerdem hat es Günther m. E. versäumt, in diesem Abschnitt zu den Konsequenzen der Neuregelung explizit darauf einzugehen, daß außer den von ihm behandelten Fällen echter Substantiv-Verb-Verbindungen durch die geänderte Groß-/Kleinschreibung noch -- ich nenne sie einfach mal so -- "Pseudosubstantive" auftauchen, die sich bezüglich der GZS genauso verhalten wie echte Getrenntschreibungen: Auto fahren, Eis laufen, Eis kaufen, Leid tun, Recht haben -- alles orthographisch in einem Topf gelandet! Dies mag zwar unter orthographischen Gesichtspunkten sinnvoll erscheinen, aber ist das wirklich der alleinige Maßstab, wenn man, wie es Günther anführt, darum bemüht sein sollte, »sein wichtigstes Denkzeug ... zweckentsprechend ein[zu]richten«?
Dazu noch ein paar prinzipielle Fragen: Was macht eine sinnvolle Rechtschreibregelung aus? Rechtschreibung als reiner Selbstzweck ist überflüssig, also müssen die entscheidenden Kriterien außerhalb der Rechtschreibung liegen. Welche Kriterien sind an eine sinnvolle Rechtschreibregelung zu stellen? Wofür steht das "recht"="richtig" bei "Rechtschreibung"?
Ich denke, daß es neben der grundlegenden Laut-Buchstaben-Beziehung (was zu "Rechtschreibung" etwa bei Adelung [1808] angeführt wird) darauf ankommt, daß die geschriebenen Sätze semantisch, syntaktisch und grammatisch korrekt sind; ich halte die Grammatik einer Sprache für eine der Rechtschreibung übergeordnete Kategorie. Mit "semantisch korrekt" meine ich, daß es (möglichst) keine inhaltlichen Zweideutigkeiten und vor allem keine Bedeutungsverfälschungen geben darf.
Was ist dann unter einer Rechtschreibreform zu verstehen, genauer: was nicht? Konkret: Darf eine Rechtschreibreform die Grammatik einer Sprache verändern? Darf eine Rechtschreibreform die Bedeutung von Wörtern einer Sprache verändern? Darf eine Rechtschreibreform den Wortschatz einer Sprache verändern? Meines Erachtens muß die Antwort auf diese drei konkreten Fragen "nein" lauten. Ich denke aber, daß sich die 1996er Reform in allen drei konkreten Fragen nicht an das Nein hält, sondern genau das bewirkt, was einer Rechtschreibreform meines Erachtens nicht zusteht.
Mir scheint, daß die Neuregelung der Rechtschreibung bezüglich der GZS daran krankt, daß sie verlangt, daß sprachlich (was immer das genau bedeutet; zunächst "intuitiv" verstanden) "ein Wort" bildende Satzelemente als "zwei Wörter" geschrieben werden müssen, so daß man, um zur richtigen Bedeutung bzw. dem richtigen "Wortlaut" (Betonung, Satzmelodie, mögliche Pausen) zu kommen, diese beim Lesen gedanklich erst wieder zusammenziehen muß -- was ich schlichtweg ein Unding finde. Ich will nicht behaupten, daß vorher der Idealzustand herrschte, aber zu viele Neuerungen führen in meinen Augen davon weg.
Um aber diesem meinem Gedanken Gewicht zu verleihen, muß ich klar sagen können, was "ein Wort" ist, denke ich -- daher meine Frage.
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Jan-Martin Wagner
eingetragen von J.-M. Wagner am 22.09.2002 um 13.29
Dachte ich mir doch, daß das das Detail ist, in welchem der Teufel steckt: "Das literate Wort ist nicht fonografisch [aus oraten Kategorien] ableitbar." Ach so? Natürlich gibt es da Problemfälle, aber so kategorisch, wie diese Aussage klingt, ist es doch nun wirklich nicht -- oder?
Ich habe den Eindruck, daß dieses generelle Statement, ohne weitere Begründung und ohne Untersuchung, inwieweit es in der Praxis Entsprechungen oder Differenzen gibt, als Prämisse plaziert, als "Freibrief" für manche der neuen Getrenntschreibungen herhalten kann -- oder noch für ganz anderes:Während die Duden-Regeln und die amtlichen Regeln auf Wortarten-Differenzierungen Bezug nehmen, ist für diesen Bereich (wie für vergleichbare andere Bereiche) eine Rekonstruktion der Orthografie-Regeln sinnvoller, die nicht von der Markierung von "Wörtern" ausgeht, sondern von der Markierung literat-syntaktischer Einheiten, (...)Außer, daß ich das für ziemlich verquast halte, stellt sich mir in diesem Zusammenhang mal wieder die Frage: Was ist eigentlich "ein Wort"?
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Jan-Martin Wagner
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