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-- "Musik"ins Wörterbuch (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=599)


eingetragen von Norbert Schäbler am 11.01.2003 um 15.05

Nun denn, so mag der Vorhang fallen.
Ich sehe es ja auch ein, daß für Romeo und Julia, Michael Kohlhaas, Don Quichotte oder die königstreue Jeanne nicht in jedem Bühnenstück ein Platz ist; und es ist mir ja auch klar, daß es so viele unterschiedliche Gattungen von Literatur, so viele verschiedene Musikrichtungen und unendlichen Reichtum an Kunst und Kreativität gibt.

Einen neuen Strang „Farbe ins Wörterbuch“ werde ich nicht eröffnen, denn das Wort „Musik“ ist eigentlich ein symbolischer und stellvertretender Begriff.
Irgendwas fehlt im Wörterbuch.
Wenn ich genau wüßte „was“, würde ich es sagen.


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nos


eingetragen von Theodor Ickler am 10.01.2003 um 13.42

Lieber Herr Schäbler, wenn Sie Ihre Liste von Stichpunkten noch einmal durchgehen, werden Sie leicht erkennen, daß ein Vorwort alle Dimensionen sprengen würde, wollte man auch nur kursorisch auf diese Dinge eingehen. Ein Wörterbuch ist ein Nachschlagewerk. Auch ich halte eine neue Rechtschreibdidaktik für wünschenswert, ebenso eine umfassende Dokumentation der Orthographiegeschichte (wozu ja ständig umfangreiche Abhandlungen erscheinen) und natürlich auch der Reformgeschichte. Aber es gibt keinen Grund, alles Wünschbare in ein einziges Buch, und nun gar in ein Wörterbuch, hineinzuzwängen. Also, was mich betrifft: daraus wird nichts, das ist endgültig!
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Th. Ickler


eingetragen von Norbert Schäbler am 10.01.2003 um 12.37

Nie habe ich die Forderung gestellt, das Wörterbuch zu einer Dokumentation ausarten zu lassen, und mit meiner Stichpunktliste (wohl besser als unverbindliche Stoffsammlung anzusehen) wollte ich lediglich auf Themenbereiche hinweisen, die einer Betrachtung unterzogen werden könnten. (könnten!!)
Der Ort für ein „streiflichtartiges“ Behandeln von Randproblemen wäre z.B. das Vorwort.
Jenes – verlängert und konzipiert als Entscheidung zwischen zwei sehr widersprüchlichen Sichtweisen und Methoden der Rechtschreibung – wäre nach meinem Dafürhalten ein feiner Kompromiß.

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nos


eingetragen von Matthias Dräger am 09.01.2003 um 17.36

Ich halte es für sinnvoll, daß man in der erweiterten Fassung des Rechtschreibwörterbuches - z. B. im Anhang - mit ein, zwei Seiten auf die Einstellung der Rechtschreibkorrektur der Schreibprogramme eingeht, mit einer ebenso knappen wie narrensicheren Anleitung, wie man die Schöne-Neue-Welt-Voreinstellung der Schreibprogramme von "neu" auf "normal" bewerkstelligt.


eingetragen von Norbert Schäbler am 09.01.2003 um 01.15

Für Klangwunder bürgt ein „Streichorchester“.

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nos


eingetragen von Theodor Ickler am 08.01.2003 um 18.57

Das soll alles ins Rechtschreibwörterbuch? Dann müßte ich ja den Kritischen Kommentar, die Regelungsgewalt und noch manches andere aufnehmen, also mindestens 1000 Seiten zusätzlich.
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Th. Ickler


eingetragen von Norbert Schäbler am 08.01.2003 um 18.29

Ich kann zunächst nur mit einer unvollständigen Stichpunktsammlung dienen; wissend, daß Sie den Sprachgebrauch nachzeichnen, und eben nicht reformieren oder verändern.
Sie ziehen lediglich Schlußfolgerungen (z.B. in der GZS) und bieten Alternativen an.

Nach meinem Dafürhalten stört er weder Ihre oben skizzierte Arbeitsweise noch die Thematik an sich, wenn Sie in Ihrer bekannt präzisen Art auch Begleiterscheinungen nachzeichnen.

Eine derartige Abhandlung kann beinhalten:
- eine Chronologie der Entwicklung der deutschen Orthographie (von? bis?)
- eine Erfolgsbilanz der Rechtschreibung in den zurückliegenden x Jahren
- eine Beurteilung der Funktion des Rechtschreibens (Schlüsselfunktion??)
- einen Überblick über verschiedene Lehrmethoden der Schule (evtl. korrespondierend zu bestimmten Rechtschreibfällen)
- einen Vergleich der üblichen mit der reformierten Schreibweise
- eine Schlußfolgerung und das Anbieten von Alternativen
- eine beschreibende Gegenüberstellung von Wörterliste und Regelteil
- einen Rückblick über eigene leid- und freudvolle Erfahrungen mit dem Lerngegenstand
- …

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nos


eingetragen von Theodor Ickler am 08.01.2003 um 14.39

Es wäre leichter, lieber Herr Schäbler, über Ihre Anregung zu sprechen, wenn Sie einmal an einem Beispiel zeigen würden, wie Sie sich eine solche Erweiterung eines Rechtschreibwörterbuchs vorstellen. (Daß ich inzwischen Bedeutungsangaben und Artikel, wo erforderlich, nachgetragen habe, wissen Sie ja. Aber es geht ja um eine Erweiterung im echt orthographischen Bereich.)
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Th. Ickler


eingetragen von Norbert Schäbler am 07.01.2003 um 17.40

Den Duden habe ich früher nicht allzu oft benötigt, wobei ich in der Schulstube nahezu ausschließlich das Wörterverzeichnis heranzog.
Zu rund 90 Prozent waren Probleme im Bereich der Mitlautschreibung zu klären, was nicht allzu verwunderlich ist für unsere Region Unterfranken, in der sehr undifferenziert (z.B. „Bargblads“ für „Parkplatz“) gesprochen wird. Das Wörterverzeichnis diente somit in erster Linie als „Dolmetscher“ zwischen Umgangs- und Hochsprache.

Den Regelteil verwendete ich fast ausschließlich beim Schreiben von Zeugnissen. Hierbei leisteten die Dudenbände (1, 7 und 9) wertvolle Hilfe, ging es doch bei der „Kopfbeurteilung“ des Zeugnisses darum, eine individuelle Rückmeldung für den einzelnen Schüler zu erstellen, die notwendigerweise schon deshalb Sprachvariationen aufweisen mußte, weil der Raum für das zu entwerfende individuelle Schülerprofil auf etwa fünf Zeilen begrenzt war. Der Regelteil war für mich somit eine Quelle des alternativen Sprach- und Schreibgebrauchs.

Die Ausgangs- und „Abholsituation“ der Schüler im aktiven Umgang mit der Sprache möchte ich als "erbärmlich" bezeichnen. Viele Schüler bilden subjekt-, objekt- oder prädikatlose Sätze. Meist wird mit Wortruinen und Worthülsen jongliert, und es liegt am Lehrer sprachliche Korrekturen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, was häufig aus Zeitgründen unterbleibt.

Über die Ursachen dieser Wortkargheit und Kommunikationsstörungen wurde schon viel spekuliert: Einmal wird der Erziehungssituation im Elternhaus (Schlüsselkinder) die Schuld zugemessen, ein andermal die Reizüberflutung durch Medien (z.B. Fernsehen als passive Form der Kommunikation) als Ursache benannt und wieder ein andermal ist es die, über die Schüler hereinbrechende, Kenntnisflut (z.B. Informatik als neues Unterrichtsfach), die zu einer Verschiebung oder aber zu einer oberflächlichen Ausbildung der gerade noch so als notwendig erachteten Grundfähigkeiten führt.
An anderer Stelle (hier auf den Internetseiten) habe ich als Ursache für die Sprachlosigkeit unserer Jugend auch die fehlende Übung ausgemacht und über unsere modernen Sprachbücher hergezogen – Sprachbücher, die motivierende Ausgangstexte und Lebenssituationen als Maß aller Dinge betrachten und als Folge den Übungsteil sträflich vernachlässigen. Moderne Lesebücher und Sprachbücher sind für mich ebenfalls schuld an der Sprachmisere!

Zurück zu meiner Bitte an Sie, Herr Ickler.
Ihre Impulse bzgl. der Eigenverwendung des Duden und die Fragen zum derzeitigen Kenntnisstand der Schüler habe ich nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet. Die Pisastudie dürfte darüber hinaus aufschlußreich sein.
Ich kann Sie nur erneut darum bitten, mit Ihrem Wörterbuch einen Schritt weiter zu gehen, auch das aufzuzeichnen, was nach Ihrer Meinung gar nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich gehört – weil es angeblich Sache des Lehrers ist.
Denn, auch das ist eine Fehleinschätzung, weil unser gesamtes Schulwesen derzeit den unterschiedlichsten pädagogischen Modeströmungen, Verordnungen und Vorgaben unterworfen ist, so daß viele Lehrer genauso orientierungslos geworden sind wie ihre Zöglinge.
Geben Sie denen doch eine Orientierungshilfe, eine Bestätigung für ihre rechtschaffenen und rechtmäßigen (manchmal auch recht mäßigen) Bemühungen auf der Ebene sprachlicher Bildung!
Versuchen Sie mit Ihrem Wörterbuch in der Schule zu landen, denn dort herrscht tagtäglich Großalarm.

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nos


eingetragen von Theodor Ickler am 07.01.2003 um 15.07

Lieber Herr Schäbler, alle Meinungen sind willkommen, entschuldigen muß sich niemand.
Was die Rechtschreibung betrifft, so ist sie weitgehend grammatisch geregelt, insbesondere die Zeichensetzung. Das hat ungeheure Vorteile. Gerade heute habe ich in meiner Vorlesung die syntaktische Regelung des Kommas gerühmt. Es geht also nicht um Vortragszeichen und schon gar nicht darum, "Mißverständnisse" zu vermeiden, in dem Sinn nämlich, wie die Reformer es wollen: daß man also in jedem konkreten Fall darüber nachdenkt, ob es möglicherweise ein Mißverständnis geben könnte. Er aß den Hut in der Hand sein Brötchen auf. Bisher galt, daß in solchen Fällen auf jeden Fall Kommas zu setzen waren - eine große Wohltat, nicht in den banalsten Zusammenhängen dauernd nachdenken zu müssen.

Wo man die Schüler abholen soll, weiß man leider nicht im voraus, denn wo stehen sie? Und ich habe außerdem oft gesagt, daß ein Rechtschreibwörterbuch keine Rechtschreibdidaktik ist. Den Unterricht muß der Lehrer dann schon selber machen. Und wenn Sie es gut gemacht haben, lieber Herr Schäbler, woran ich nie gezweifelt habe, dann haben Sie gleichwohl den Duden zur Hand gehabt, nicht wahr?
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Th. Ickler


eingetragen von Norbert Schäbler am 07.01.2003 um 14.06

Ist mein vorhergehender Beitrag ein verbaler Rundumschlag, dumpfe Gefühlsduselei, ein Störmanöver zum denkbar schlechtesten (weil längst überschrittenen) Zeitpunkt?
Gibt es überhaupt noch etwas zu diskutieren bzgl. des Wörterbuchs, und ist es statthaft, sich in die Belange eines Mannes einzumischen, der im Alleingang ein Werk zusammenstellte, zu dem man üblicherweise eine ganze Wörterbuchredaktion benötigen würde; ein Mann, der uns alle in den Sack steckt, was das Wissen sowie die Kürze und Präzision der Äußerungen angeht?
Gibt es angesichts dieser Tatsache überhaupt eine Berechtigung für „dümmliche“ Fragen?

Meine oftmals sprunghaften Gedanken will ich nicht als Respektlosigkeit, Wankelmut, Wichtigtuerei oder Selbstdarstellung verstanden wissen; eher als Ausdruck von Sensibilität und Emotion – darunter auch Wir-Gefühl. (Ich fühle mich nämlich einer bestimmten Gruppe von Rechtschreibern zugehörig; ich weiß sogar sicher, daß es diese Gruppe gibt.)

Oft genug tauchte auf den hiesigen Seiten der Begriff „Sprachgefühl“ auf, und oft genug hatte ich das Empfinden, daß das „Sprachgefühl“ (eine nicht näher definierbare, aber präzise Zielsteuerung) im Vergleich zum „Sprachwissen“ (eine durch Analysen und Definitionen geprägte Zielklarheit) als etwas Minderwertigeres eingeschätzt wurde.
Dagegen stelle ich allerdings fest, daß im Ergebnis ein intuitiv Fühlender gleiche orthographische Sicherheit entwickeln kann wie einer, der mit intellektuellen Fähigkeiten an die Rechtschreibung herangeht.
Und ich behaupte, daß beide Anlagen – die des Gefühls und die der Vernunft – unabhängig voneinander zu einem ähnlich hohen Beherrschungsgrad des Lerngegenstandes (hier als Fähigkeit der getreulichen Reproduktion zu verstehen) führen können.
Gleichzeitig erkenne ich aber an, daß der Einblick in den jeweils anderen Bereich verstärkend wirkt in eine Richtung, die man als Routine, Kompetenz und Kreativität bezeichnen kann.
Bliebe der Hinweis, daß in unseren allgemeinbildenden Schulen meiner Meinung nach der emotionale Weg beschritten wird, der u.a. gekennzeichnet ist, durch die Methoden von Häufigkeit, Analogiebildung, Drill, Automatismen, „allsinnliche“ Wahrnehmung …

In Icklers Wörterbuch vermisse ich die andere Methode, diesen zweiten Lernweg zum guten Rechtschreiber.
Statt dessen wird unter den Überschriften „Kurze Anleitung zum rechten Schreiben“ (S. 14 bis 29) und „Die Hauptregeln der deutschen Orthographie“ (S. 31 bis 64) ein zwiefacher Ratschlag aus dem Lager der Wissenschaft erteilt, wobei sich beide unterscheiden durch die Wahl des Adressatenkreises und durch gemäßigte bzw. gehäufte Terminologie.

Daß die Verständlichkeit und Präzision in allen Teilen gegeben ist, daß es in keinem Wörterbuch der Gegenwart eine kürzere Regelfassung gibt, will ich an dieser Stelle noch einmal unterstreichen. Das ist ein Meisterwerk!

Jedoch liegt meines Erachtens ein gedanklicher Fehler zugrunde, den ich wie folgt einsichtig machen will:
In der Pädagogik herrscht der Lehrsatz vor: „Man muß den Schüler bei dem Wissenstand abholen, auf dem er sich gerade befindet, und man muß als Pädagoge mit kleinen Schritten auf das antizipierte Ziel hinarbeiten.
Das heißt übertragen auf das Wörterbuch:
Der Schreiber befindet sich eigentlich auf der Stufe des „Sprachfühlers“. Er soll hinübergeführt werden in das Lager der Wissenden. Dies kann aber nur geschehen, indem ich als Pädagoge die bisherigen Kenntnisse bestätige und zusammenfasse und dann den Weg weise in eine neue Richtung.
Folgt mir der Schüler, dann ist er bereit, sofort in der Wissenschaft herumzustöbern, vor allem dann, wenn ihm derart reizvolle, sauber durchformulierte und deshalb schnell zu erwerbende Kenntnisse winken, wie sie in den Ickler’schen Hauptregeln zur Orthographie aufgezeichnet sind.
Ein Zwischenlager – ein Wartezimmer, bzw. einen Vorhof zur tatsächlichen Erkenntnis – sprich die Seiten 14 bis 29, halte ich nicht für nötig.

Entschuldigung, wenn ich noch weiterdenke.
Was könnte das Weggelassene ersetzen?
- ein bißchen Bestätigung der bisherigen Lernpraktiken und -erfolge
- ein bißchen Bestätigung begleitender und stützender Unterrichtsmethoden
- ein bißchen Einsichtnehmenlassen in die Begeisterung für die Sprache
- ein bißchen Musik, Feuer, Emotion, Leidenschaft

Sie könnten erklären, lieber Herr Ickler, warum Sie so viel Lebenszeit in dieses Buch investieren, warum Sie so viele Scherereien in Kauf nehmen, und Sie könnten damit diesem Buch seine endgültige Berechtigung verschaffen, indem Sie einfach auf das „Warum?“ eingehen. Das nämlich scheint mir eine sehr tiefe emotionale Bindung zu sein.
Wenn Sie allerdings meinen, das gehöre nicht hierher und schon gar nicht ins Wörterbuch, dann will ich demnächst einfach schweigen.


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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 06.01.2003 um 18.44

Sprache und Musik

Es ist nur eine Vermutung, die ich anstelle; eine Vermutung, die allerdings durch eine Vielzahl von korrigierten Schüleraufsätzen und durch Erkenntnisse aus vielen eigenen Unterrichtsstunden im Fachbereich Deutsch – besonders in den Teildisziplinen „Lesen“ und „Sprachbetrachtung“ – erhärtet wird.
Auch eine These habe ich entwickelt.

Registriert habe ich bei meinen Aufsatzkorrekturen im Grund- und Hauptschulbereich, daß Schüler oft seitenlange – inhaltlich durchaus qualifizierte – individuelle „Kunstwerke“ erstellten, die allerdings jeglicher Satzzeichen entbehrten.
In einigen Fällen war nur ein einziger Punkt vorhanden, derjenige, der die Arbeit abschloß. -
Im Bereich Lesen (Literatur) habe ich festgestellt, daß Schüler fähig sind, die Satzmelodie eines fremden Textes zu erfassen, habe festgestellt, daß im Rollenspiel (z.B. mit der Vorgabe: Stell dir vor, du nimmst an einem Vorlesewettbewerb teil, oder: … du trägst dein Lieblingsgedicht im Kabarett vor …) erstaunliches Einfühlungsvermögen abrufbar war; fast perfekt in der Stimmodulation, dem Gestenreichtum und im Tempowechsel. -
Und auch im Grammatikunterricht war es mir kurzweilig vergönnt, tiefe Besinnlichkeit hervorzurufen, insbesondere mit meinem Motivations-Lieblingsbeispiel (Begnadige … nicht … hängen!). Nach derartigem Impuls fanden meine Schüler heraus, daß ein Komma sogar über Leben und Tod entscheiden könne, und sie gelobten nachhaltige Besserung.
(Bei manchen kam leider Gottes die Nacht dazwischen, und aus der Besserung wurde deshalb nichts.)

Meine These bzgl. der Satzzeichen ist ganz einfach:
„Satzzeichen sind Pausezeichen und melodische Stops.“

Als Beleg für diese These dienen unterschiedliche Lebens- und Lernsituationen, in die man sich intensiv hineinversetzen sollte – rollenspielartig! Satzzeichen kann ich identifizieren:
- wenn ich die Klangfarbenwirkung beliebiger Satzzeichen überzeichne (insbesondere Ausrufezeichen und Fragezeichen unterscheiden sich in der Tonhöhe; Komma und Gedankenstrich unterscheiden sich u.a. durch die Pausenlänge),
- wenn ich bei Vorlesewettbewerben aufmerksam lausche und versuche, eine möglichst neutrale Bewertungsskala aufzustellen, um die bestmögliche Darbietung von denen der Mitbewerber abgrenzen zu können,
- wenn ich geschriebene Sprache phantasievoll intoniere oder gesprochene Sprache – die Gesten reduzierend – kodiere
- wenn ich, den Kopf voller Gedanken, etwas niederschreibe und schon alleine deshalb Zäsuren einbringe, damit der Leser kurzzeitig ein- und ausatmen kann, oder aber, daß er Gleichartiges und Verschiedenes überdenken und auseinanderhalten kann
- …
Mit Hilfe meiner These konnte ich immerhin im Laufe meiner Lehrtätigkeit durch den dreidimensionalen Ansatz „Lesen …Schreiben … Betrachten“ das ein oder andere Satzzeichen etablieren, habe allerdings keinen einzigen Schriftsteller ausgebildet, noch gelang es mir während meiner eigenen Schulzeit, das System der Zeichensetzung annähernd zu erfassen. Trotzdem hat es Freude gemacht, Fortschritte – sowohl bei den Schülern als auch im eigenen Wirken – zu erkennen


Unsere obersten Dienstherren (die Kultusminister), haben jedoch weder aus den Rückmeldungen von der Basis noch aus ihrem eigenen Wirken und Wissen heraus richtige Lehren gezogen. Offensichtlich haben sie eine unzureichende Auffassungs- und Beobachtungsgabe. Man könnte aber ebensogut einseitige Ausrichtung, bewußte Manipulation und Infiltration vermuten.

Letzteres ist sogar naheliegend, denn seit 1996 zerstört man in einer seltsamen pogromähnlichen Stimmung die Satz- und Wortmelodie von Sprachkünstlern und respektierten Vorbildern der heutigen Jugend (z.B. Michael Ende/“Momo“, „Die Unendliche Geschichte“ …).
Ausgerechnet im Bereich des Lesens setzt man den Hebel an, läßt damit das unsägliche Imitationspotential unserer Jugendlichen verkümmern; und noch viel schlimmer: man degradiert unsere Sprachkünstler und Dichter zu Anfängern und Pennern („Pennclub“/Originalton der KMK, 1996).


Um die Dimension der Unfähigkeit und das Moment der völlig geistigen Verblendung und einseitigen Ausrichtung unserer obersten Bildungshüter auf den Punkt zu bringen, entwerfe ich zum Schluß einen Vergleich:
Die geschriebene Sprache unserer qualifiziertesten Dichter ist durchaus zu messen mit Mozarts genialer Komposition „Die kleine Nachtmusik“, die mangels Tonträger in einem abstrakten Linien- und Notenwertsystem (zweifelsfrei an die Liebhaber der Musik) tradiert wurde.
Dabei erwies es sich, daß die Nachlaßempfänger fähig waren zur Entschlüsselung und Umsetzung dieses abstrakten Zeichensystems, hatten sie doch die Liebe, die Nachahmungsbereitschaft und das melodische Grundverständnis, und sie sorgten dafür, daß auch der Nachwelt jener unvergleichliche Genuß erhalten blieb.
Welch tragische Folgen hätte es wohl, wenn die oben beschriebenen Voraussetzungen nicht vorhanden gewesen wären? Welche Auswirkungen hätte es (…), wenn man den ein oder anderen Tonhöhen-, Rhythmus- oder Pausenwert des Mozart’schen Kunstwerks verändert hätte?

Wie sorglos aber sind auf der anderen Seite unsere spießigen Kultusminister-Gesellen, wenn sie in den Kunstwerken der qualifizierten Dichter herumpfuschen lassen, die mit Hilfe alltäglicher Instrumente (vgl. Orff) ebenfalls Symphonien zustandegebracht haben?
Tiefste Dämmerung – ein recht ungeliebtes Zwischenstadium (nicht Tag, noch Nacht; nicht Fisch noch Fleisch) – ist das!
Da lobe ich mir doch Mozarts „kleine Nachtmusik“!

PS: Der Anlaß für obige Ausführungen ist Herrn Icklers heutiger Beitrag mit der Überschrift „Baudusch“. Herr Ickler hat mit diesem Beitrag wieder einmal ein Beispiel der Inkompetenz, Geschäftemacherei und der Willfährigkeit präsentiert.
Ich selbst finde es erschreckend, wenn der Genuß an der Sprache zerredet, verwissenschaftlicht und letztlich entartet wird.
Die Satzzeichenregelung im altbewährten System empfinde ich als angemessen, verständlich und liberal. Es gibt denjenigen, die ein Feingefühl für die Sprache entwickeln, alle Möglichkeiten der Feindifferenzierung und des Auslotens; präsentiert die Möglichkeit, aus dem Bauch heraus zu schreiben und verlangt selbstredend - sowohl vom Schreiber als auch vom Leser - Einfühlungsvermögen und intensive Auseinandersetzung.
Das neue Regelwerk dagegen verlangt lediglich Hörigkeit und vorauseilenden Gehorsam. An solcher Brutstätte kann nichts Wertvolles entstehen.

Der Bezug zum Leitfaden „Wörterbuch“ ist ebenfalls vorhanden, denke ich doch, daß die Basis zum Verständnis der Zeichensetzung tatsächlich im musischen Bereich zu finden ist.
Überhaupt bin ich der Meinung, daß im Wörterbuch die Verwandtschaftsbeziehungen zur Musik: zu "Melodie", "Pausen", "Rhythmik" und "Betonung" etwas zu kurz kommen.
Eigentlich seltsam bei solch einem emotionalem Gegenstand wie unserer Sprache.



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nos


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