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-- Verbindlichkeit der Anwendung der RSR (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=617)


eingetragen von David am 22.10.2004 um 16.37

Gerade ss statt ß macht wissenschaftliche Texte so schlecht lesbar. Haben Sie schon einmal von den Sachsen der Botanik gehört? Den Spros-Sachsen? Ach nein, es sind ja die "Sprossachsen", also die Sproßachsen.
Solcherlei Dinge sind es, die mich davon abhalten, Bücher zu kaufen.
Daß wissenschaftliche Texte den Schein wahren wollen, gerade das disqualifiziert sie doch: Wissenschaft sollte neutral sein und sich nicht staatlichen Diktaten unterwerfen.
Daß es aber vermehrt naturwissenschaftliche Bücher sind, die in den neuesten Auflagen meistens auch nicht nur das Doppel-S zeigen, stimmt einen nachdenklich.
Naturwissenschaft im Sinne des Diktats - hatten wir das nicht schon einmal?


eingetragen von Fritz Koch am 22.10.2004 um 15.20

sich auf ss statt ß beschränken werden, damit der Anschein der Reformschreibung gewahrt wird.


eingetragen von Fritz Koch am 22.10.2004 um 15.11

gemeinsam mit dem Kommunismus?:
Kommunismus ist Armut und Unfreiheit gleichmäßig für alle. - Reformierte Rechtschreibung ist Rechtschreib-Armut und Rechtschreib-Unfreiheit gleichmäßig für alle.

1956, als es noch Schulklassenreisen in die DDR gab, z.B. nach Weimar, sagte ein ostdeutscher Schüler zu uns: "Ihr im Westen seid nicht wirklich frei, sondern von wirtschaftlichen Interessen abhängig." Damals glaubten wir das nicht, heute ist es Tatsache.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 22.10.2004 um 13.49

Ja, David: Wir kämpfen tatsächlich für die Freiheit des Denkens, denn abstraktes Denken ist mit der Schrift untrennbar verbunden. Analphabeten denken anders, sie können nicht abstrahieren. Gerade aber die Fähigkeit zu abstraktem Denken ist die Voraussetzung für wirtschaftliche Prosperität auf dem Weltmarkt. Sie gedeiht allein auf Literalität. Auch das menschliche Gewissen entwickelt sich auf dieser Basis. Das chronologische Denken – das Planen, das Reflektieren, das Aufstellen und Verwerfen von Thesen, das Verifizieren, das Falsifizieren usw. – das ganze Spektrum wissenschaftlichen Denkens also.
Das Schlimmste an dieser „Rechtschreibreform“ ist, daß sie das Ansehen der Schriftsprache, welche die Grundlage für wissenschaftliches Denken bildet, beschädigt. Ein Jugendlicher von heute erlebt laufend Widersprüche im Umgang mit der Schriftsprache. Es beginnt damit, daß er fühlt, wie unsicher seine Lehrer sind. Er merkt, daß er beim Schreiben keine Sorgfalt anwenden muß, denn es bleibt ihm nicht verborgen, daß die Erwachsenen ihm keine Richtung mehr vorgeben können. Er spürt, hier zerfällt ein System. Er hört den Streit darum und weiß natürlich nicht, wem er Glauben schenken soll. Er denkt: Es wird schon war dran sein an der Kritik, die das Lesen und Schreiben als elitär und viel zu schwierig anprangert ... worum sich also um etwas bemühen, was ohnehin unsicher ist.

Und das ist der größte Schaden, den die sogenannte RSR anrichtet: der Imageschaden für die Sprache!

Die Freiheit des Denkens geht verloren, parallel mit dem Verlust der Lesefähigkeit. Erstmals in der Geschichte scheint der Prozeß sich umzukehren: Nicht ein Alphabetisierungsprozeß findet statt, sondern ein „Dealphabetisierungsprozeß“ ist in Gang, gestützt durch eine Allianz von (inzwischen greis gewordenen) Gesellschaftsverbesserern mit der Politik. Dieses verantwortungslose Interessensbündnis ist allein auf Machtgewinn aus, und deshalb trägt es tatsächlich totalitäre Züge.
__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von David am 22.10.2004 um 12.17

Mit jedem neuen Abiturjahrgang, der an die Universitäten kommt, wächst die Zahl derer, die ja überhaupt oder zum größten Teil nur die Reformschreibung "können" (bzw. auch das noch nicht einmal, was sie aber natürlich nicht bemerken). Insofern müssen sie nicht umgeschult werden, sie müssen nur im Rahmen der Behandlung klassischer Texte ein wenig umdenken, weil diese ja (genau so, wie es ja die Reformer wollten) nunmehr ein kleines Kuriosum darstellen, da sie ja im "veralteten" Deutsch geschrieben sind.
Das ist ja das perfide an der ganzen Sache: Jeder Professor, der sich dem Diktat "RSR" auch nur in Teilen beugt (aus welchen Gründen auch immer), wird dem Reformdeutsch (sollten wir nicht besser "Staatsdeutsch" oder "Regierungsdeutsch" sagen?) die Möglichkeit bieten, sich auch an Universitäten zu etablieren; denn zukünftige Studentengenerationen kennen es ja bereits.
Der Punkt, der dem ganzen allerdings gewichtig entgegetritt ist der, daß eben das Reformdeutsch wissenschaftlich absolut nicht haltbar ist. Darauf müßte in Universitäten (am besten in Einführungsveranstaltungen in der Germanistik) explizit und mit Nachdruck aufmerksam gemacht werden!
Die Frage ist allerdings, ob es dann nicht "Abmahnungen" habgelte...

Man kommt sich vor, als kämpfe man mittlerweile in einem totalitären System für die Freiheit des Denkens.


eingetragen von margel am 22.10.2004 um 07.55

Die Studierenden der Germanistik sind ja fast ausschließlich Kandidaten für das Lehramt an Höheren Schulen. So wird verständlich, daß die Kultusminister auch eine Disziplinierung der Hochschullehrer, die in den staatlichen Prüfungsausschüssen sitzen, zu erreichen versuchen werden. Denn sonst müßten sie die künftigen Deutschlehrer selbst "umschulen". - Die Frage ist, ob ein Professor die Berufung in solch einen Prüfungsausschuß ablehnen kann bzw. ob er als Mitglied Anweisungen der KM befolgen muß. Hierzu kann uns sicher Prof. Ickler als Betroffener etwas sagen.


eingetragen von margel am 22.10.2004 um 07.27

In dem fundamental bedeutenden Artkel 5 des Grundgesetzes sind die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Freiheit von Lehre und Forschung versammelt. Ein wichtiger Unterschied besteht in den möglichen Einschränkungen: Meinungs- und Pressefreiheit finden ihre Grenzen in allgemeinen Gesetzen und in gestzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und auch der persönlichen Ehre ("Caroline"!) Forschung und Lehre hingegen müssen sich lediglich im Rahmen der Verfassung, der Treue zu ihr bewegen. Daraus folgt, daß Hochschullehrer frei in der Wahl der von ihnen verwendeten, gelehrten und von den Studenten geforderten Rechtschreibung sind. - Für die Germanistik gilt darüber hinaus, wie es Prof. Ickler bereits angekündigt hat, daß hier die Benutzung der reformierten Schreibung den Studenten als Mangel an wissenschaftlicher Befähigung ausgelegt und benotet werden kann.


eingetragen von J.-M. Wagner am 21.10.2004 um 21.27

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
Falls die neue Rechtschreibung nicht nur für Schulen, sondern auch für Hochschulen, also auch für Universitäten, verbindlich würde, [...]
Nochmal die Frage: Auf welcher Grundlage könnte dies geschehen bzw. könnte versucht werden, das durchzusetzen? Das ist mir immer noch nicht klar.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von J.-M. Wagner am 11.07.2003 um 16.58

Diese Frage wurde kürzlich im Gästebuch diskutiert. Was „die Realität“ betrifft, möchte ich exemplarisch auf Seite 13 des Leitfadens zur Anfertigung von Seminar- und Diplomarbeiten des Seminars für Allgemeine Betriebswirtwschaftslehre, Handel und Distribution der Universität Köln hinweisen.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Elke Philburn am 19.04.2003 um 13.25

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Carsten Zander
Die Rechtschreibreform ist in aller Munde und vom Gesetzgeber beschlossen.

Verstöße gegen die Rechtschreibreform werden mit einer Geldstrafe bis zu ___ Euro geahndet.


eingetragen von Carsten Zander am 17.04.2003 um 10.58

Eine Anzeige im Amtsblatt Delitzsch/Eilenburg vom 17.04.2003

"Volkshochschule Delitzsch
04509 Delitzsch, Karl-Marx-Straße 1
Tel: 034202/ 73941 Fax: 63468

Die Rechtschreibreform ist in aller Munde und vom Gesetzgeber beschlossen. Ab jetzt können wir uns nicht mehr vor der praktischen Umsetzung der Rechtschreibreform drücken. Im Kurs werden in kompakter Form die neuen orthografischen Re-
eln [stand so da] vorgestellt und durch Beispiele veranschaulicht."


eingetragen von Pedro Schwenzer am 17.02.2003 um 13.58

Danke für die Information über den DUDEN-Verlag. Bedauerlich ist nur, daß der DUDEN-Verlag seinem Begründer oder Namensgeber keine Ehre macht, indem er kommerzielle Gesichtspunkte einer korrekten Behandlung der Sprache voranstellt. Daß Bertelsmann sich ganz auf die Seite der Sprachzerstörer stellt, verwundert micht nicht, Bertelsmann hat sich schon immer um die Zerstörung der Buchkunst, der verlegerischen Vielfalt und des Qualitártsniveaus insgesamt bemüht. Dabei überrascht die Verlagspolitik in Spanien und Portugal. In Spanien faßte Bertelsmann mit seinem lesering (Círculo de Lectores) Fuß, der hier ganz nach der Art der Büchergilde Gutenberg arbeitet, diese fast nachahmt. Sowohl in Spanien als auch in Portugal startet Círculo de Lectores / Círculo de Leitores eigene Buchprogramme (gerade in Portugal ist das Buchangebot nicht so üppig, ein Problem der Menge, nehme ich an), Dazu leistet der Lesering in Spanien kulturelle Arbeit und fördert den Vertrieb des Wörterbuchs der Königlichen Sprachakademie.

DUDEN sollte eben nicht ein kommerzieller Betrieb sein, sondern eher eine Stiftung, die die deutsche Sprache ernsthaft pflegt und schützt. Bei mir hat DUDEN jedenfalls keine Punkte mehr, von mir aus sollen sie pleite gehen, eine gerechte Strafe. Hätten sie doch etwas gegen die Reform unternommen. Aber Mut war in Deutschland schon immer eine Sache der Hosentaschen. Am Ende siegt der Obrigkeitsgehorsam, auch wenn die Obrigkeit undemokratisch und entgegen jeder Vernunft vorgeht.

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Pedro Schwenzer


eingetragen von Theodor Ickler am 14.02.2003 um 07.28

Nur in einem Punkt muß man den aufschlußreichen Bericht wohl korrigieren: Der Dudenverlag befand sich in einer wirklich schwierigen Lage. Einerseits war ihm klar, daß die Reform das Hauptziel hatte, ihn zu entmachten und das Geschäft anderen zuzuschieben (Bertelsmann) bzw. selbst zu machen. Hätte er sich der Reform verweigert, so wäre der Anschlag - seiner damaligen Einschätzung nach - vielleicht auch gelungen. Schon 1995 hatte ja eine unheilige Allianz versucht, den Dudenverlag völlig zu ruinieren, denn es war eine unbekannte, aber jedenfalls sehr große Zahl neue Dudenbände schon gedruckt worden, als Minister Zehetmair sich von gewissen Leuten dazu überreden ließ, die ganze Reform wegen rund 35 harmlosen Eindeutschungen und wegen des "heiligen Vaters" zu stoppen. (Später genügten Tausende von Fehlern nicht, das Ganze auch nur eine Sekunde aufzuhalten, aber da hatte "Bertelsmann schon gedruckt".)
Kurzum, der Dudenverlag fand es insgesamt richtig, bei der Reform mitzumachen und seinen Marktanteil zu verteidigen - was logischerweise nach sich zog, daß sich das Unternehmen an die Spitze der Reform stellen und infolgedessen gegen die eigene bessere Einsicht auch die Reformlügenpropaganda mittragen mußte. Das läßt sich am Beispiel der angeblichen Verminderung der Regelzahl auch beweisen. (Das von mir ans Licht gezogene interne Duden-Papier ist wohl noch bekannt genug.)
So nahm das Unheil seinen Lauf, bis hin zu den Textfälschungen im zehnbändigen Dudenwörterbuch. Eine abschüssige Bahn, auf die man sich nach der ursprünglichen Fehlentscheidung begeben hat und auf der es nun immer weiter abwärts geht. Zu entschuldigen gibt es freilich nichts, man kann das Verwerfliche nicht oft genug anprangern. Besonders trübe ist das Kapitel "Schweiz" (Sitta, EDK).
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Th. Ickler


eingetragen von Pedro Schwenzer am 13.02.2003 um 19.20

Als vereidigter Übersetzer für Deutsch in Spanien stehe ich manchmal vor der Frage, wie ich mich gegen die Anwendung der RSR wehren kann. In der Regel verlangt kein Kunde ausdrücklich die neuen Falschschreibungsregeln, aber es kann schon vorkommen, daß andere Übersetzer von einer Agentur gelegentlich einen Text von mir weiterverwenden müssen. Einmal wurde ich dann angepustet, ich würde gar nicht die neue Rechtschreibung verwenden, wo es doch jetzt in Deutschland ein Gesetz gebe, das dazu zwinge ...
[Frage: Bin ich jetzt kriminell? Oder gar dumm und ungebildet?]
Darauf entgegnete ich, daß in Deutschland erlassene Vorschriften einmal nicht im Ausland gelten, zum anderen lehne ich die sinnentstellende Neuregelung völlig ab, denn man verstehe viele Ausdrücke entweder gar nicht mehr oder eher falsch, denn oft muss ich die neue Worttrennung oder -zusammenschreibung mehrmals lesen, um den Sinn zu erkennen.

Nun gibt es wohl gar kein Gesetz (mehr), so daß niemand zur Anwendung der RSR gezwungen ist. Aber: Die Presse (vor allem die linke) ist geradezu begeistert, die Verlage scheinen auch alles auf die amtlich verordnete Falschreibung umzustellen, selbst die¨Neue Zürcher Zeitung beugt sich der Falschschreibung.

Die RSR, die scheinbar und vor allem vom DUDEN-Verlag getragen wird (dessen RS-Wörterbuch auf das niedrigste Niveau seiner geschichte abgesunken ist), verliert umso mehr an Rechtmässigkeit, da es sich ein kommerzieller Betrieb anmaßt, dem Volke etwas aufzuzingen, das von Anfang an infrage gestellt worden ist. Im deutschsprachigen Raum fehlt eine öffentlich-rechtliche Anstalt wie die spanische Königliche Sprach-Akademie, die die einzige ist, die rechtlich bindende Regeln für den Umgang mit der spanischen Sprache aufstellt, in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Sprachakademien in den spanischsprachigen Ländern Südamerikas. Diese Akademien werden von herausragenden Sprachwissenschaftlern, Schriftstellern, Dichtern, Journalisten usw. geführt, die sich um den Gebrauch der spanischen Sprache verdient gemacht haben. Es kann nicht angehen, daß Länder wie die Schweiz, Österreich und Liechtenstein sich auch noch dieser Diktatur des Dudenverlags unterwerfen, der dazu die Eigenheiten dieser Länder ganz unbeachtet läßt.

Und wie verhält man sich, wenn man mit der deutschen Sprache in nicht deutschsprachigen Ländern arbeitet?

Jedenfalls weigere ich mich, sinnentstellende Schreibweisen zu verwenden. Auch versuche ich, keine Anglizismen zu verwenden, wenn ich deutsche Ausdrücke zur Verfügung habe.

Den RS-Duden habe ich inzwischen durch den Ickler ersetzt und in eine dunkle Ecke verbannt. Ein naïverweise gekauftes Korrekturprogramm des Duden gab ich sofort (und problemlos)an den Lieferanten zurück (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), und zwar mit dem Hinweis auf die inhaltliche und technische Unzulänglichkeit.


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Pedro Schwenzer


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