Forum (http://Rechtschreibung.com/Forum/index.php)
- Schule (http://Rechtschreibung.com/Forum/forumdisplay.php?forumid=15)
-- Passiver Widerstand (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=67)


eingetragen von Norbert Schäbler am 06.04.2001 um 09.42

Aus der Schülerzeitung Boh-ey 10, vom 19.06.97, ursprünglich S. 70.
Autor: N. Schäbler, veröffentlicht in "RSR...läuft".

Schlußgedanken

Ein erfolgreiches Jahr für unsere Schülerzeitung neigt sich dem Ende zu.
Wir haben enorme Fortschritte gemacht, vor allem in der Gestaltung.
Wir hatten ein hervorragendes und überaus zuverlässiges Redaktions-team.
Christian Münstermann, Katja Münz, Sabine Lippert, Brigitte Kirsch, Tamara Roth (alle 9 b) und Christiane Warner (7a) gilt mein besonderer Dank.
Insbesondere will ich mich dafür bedanken, daß die jungen Redak-teure mir erlaubt haben, zur Rechtschreibreform so ausführlich Stellung zu nehmen. Sie hätten durchaus die Zeitung ohne meine Texte fertigstellen können.
Doch, ich hielt es für meine Pflicht, über Mißstände zu informieren,
die Hintergründe der Reform anzudeuten. Dabei wäre noch viel zu sagen und zu schreiben gewesen. Sie können aber selbst nachlesen in:
Homepage der Lehrerinitiative und/oder der Universität Würzburg: http://www.raytec.de/rechtschreibreform/
http://www. Wuerzburg.de/spec/rechtschreibreform/ortho98b.html
Daneben sind die bereits erwähnten Broschüren lesenswert.
Ich habe beim Verfassen meiner Texte besonders an die Lehrkräfte und die Eltern gedacht.
Vielleicht könnten wir in Laufach eine Podiumsdiskussion über die Rechtschreibreform mit Landtagsabgeordneten und Sprachwissen-schaftlern organisieren!
Mein Texte, geben ausschließlich meine eigene Meinung, bzw. die Meinung der Lehrerinitiative wieder. Gegendarstellungen und andere Meinungen sollen in der nächsten Ausgabe zu Wort kommen.
Vielleicht habe ich einige Mitstreiter gefunden. Ich schaffe das alles nicht mehr alleine, obwohl ich zäh bin und 1997/98 im achten Jahr eine Schülerzeitung produziere.
Wie sagte Friedrich Roemheld? "Sprache ist nur als eine Beziehung zwischen mehreren möglich." Nehmen wir Beziehungen auf! Sowohl meine Adresse, als auch Telefonnummer wurden bereits genannt.
Ich bitte um Unterstützung bei der Initiative gegen die Rechtschreib-reform. Es gibt viel zu tun. Packen wir`s an!
Lassen Sie sich (mich) nicht hängen!


Abschließender Kommentar:
Zum Ende des Schuljahres 1996/97 legte ich mein Amt als Betreuer der Schülerzeitung nieder. Es fand sich keine Lehrkraft, die das Amt übernehmen wollte. Die Publikation der Schülerzeitung wurde eingestellt.
Im Schuljahr 1999/2000 reichten Schüler einer von mir geführten neunten Jahrgangsstufe bei der Schulleitung den Antrag ein, die Schülerzeitung Boh-ey wieder aufleben zu lassen. Der Antrag wurde abgelehnt.

Eine Podiumsdiskussion über die Rechtschreibreform an meinem Dienstort fand niemals statt. Nur kurzfristig nahmen Eltern Kontakt auf, waren allerdings sehr behilflich bei zwei Unterschriftensammlungen gegen die Rechtschreibreform, die in Aschaffenburg (im Sept. 1997 und im Januar 1999) stattfanden und zusammen rund 5300 Unterschriften gegen die RSR einbrachten.

Der aktive Kampf gegen die RSR hat reichlich Konflikte - aber auch einige Dokumente - eingebracht. Von Anfang an war es das Ziel, angstfrei Gegenargumente zu formulieren und Nachweise zu schaffen! Mitgliedschaften in der Lehrerinitiative und im Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege (VRS) verliehen die nötige Sicherheit.

Dokumente sind und werden in diesem Forum veröffentlicht unter dem Leitfaden "Briefwechsel..."


__________________
nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 04.04.2001 um 11.36

Aus Schülerzeitung Boh-ey 10, vom 19.06.97, ursprünglich vorgesehen als S. 37.
Autor: N. Schäbler, veröffentlicht in "RSR...läuft".


"Preisgabe von Dienstgeheimnissen? Ehrverletzung?"

Was halten Lehrer von der sog. Rechtschreib-Reform?

Oberflächlich betrachtet hält der weitaus größte Teil der bayerischen Lehrer-schaft viel von der "Reform", denn in nahezu allen bayerischen Grundschulen ist die Neuregelung verfrüht angelaufen. Sie sollte ursprünglich erst zum 01.08.1998 in Kraft treten, doch jenen Termin wollte Kultusminister Zehetmair nicht abwarten. Der Reformstart wurde auf den 01.08.1996 vorgezogen.
Ich kann mich dunkel erinnern, daß wir zu Beginn dieses Schuljahres an unserer Schule über die Reform gesprochen haben. Mehrheitlich haben wir der Empfeh-lung des Rektors entsprochen, man solle insbesondere in den ersten Klassen mit der neuen Rechtschreibung beginnen. Die Reform komme so oder so!
Ein Protokoll über diese Konferenz existiert, nicht erfaßt ist das Abstimmungs-ergebnis. Ebensowenig gibt es Aufzeichnungen darüber, ob Personalvertre-tungen, Elternbeiräte oder die Schüler selbst befragt wurden. Es müssen aber Dienstanweisungen an Schulämter und Schulen vorliegen. Sie wären lesenswert.
Fakt ist: Wir befolgten ohne tiefere Kenntnisse die Weisungen. Gegenmeinun-gen wurden nicht sonderlich begrüßt. Es sollte so sein, also wurde es so!
Ich behaupte schlußfolgernd: Lehrer sind zu loyal. Obwohl viele innerlich gegen die Reform sind, tragen sie durch Passivität zur Verwirklichung der Reform bei.
Schlimmer noch! Sie verweigern ihre Eigenbildung, stecken den Kopf in den Sand, um nicht mit dem Dienstherrn in Konflikt zu geraten!!
Man schämt sich, nicht rechtzeitig Einwand erhoben zu haben, und läßt die Entwicklung über sich ergehen!!!
Meine Entgegnung: "Nicht wir müssen uns schämen, sondern die Kultusmini-ster! Die nämlich sind schuld an der Misere, z.B. dem Rechtschreib-Chaos in zehn Wörterbüchern!"
Die Kultusminister haben sich einer Reihe von Amtspflichtverletzungen schuldig gemacht: Sie haben haushaltsrechtliche Grundsätze nicht beachtet, sie haben dringend notwendige Prüfungen unterlassen. Sie haben alle zehn Wörter-bücher ohne das Zulassungsverfahren anerkannt und genehmigt. Sie haben lange Zeit Reformideen verheimlicht. Sie haben Verdunkelung betrieben und sowohl die Parlamente als auch die Lehrerschaft überrumpelt.
Nicht einmal das Allernotwendigste war zu erfahren.
Aber - das Wahrnehmen demokratischer Rechte und verantwortungsvolles Handeln ist nur dort möglich, wo Informationen fließen.
Wir müssen daraus lernen. Wenn Informationen fehlen oder verheimlicht werden, müssen wir künftig unsere Zustimmung verweigern. Wir sollten uns unbedingt mit allen Inhalten der Reform vertraut machen, die Auswirkungen und Motive jenes Zwangseingriffes in unsere Sprache erkennen, vielleicht sogar unsere reichhaltige Sprache von neuem schätzen lernen und versuchen, den Beschluß von damals rückgängig zu machen. Auch an anderer Stelle können wir gegen die Reform antreten.
Es darf nicht sein, daß dieser Fehler, in alle Ewigkeit stehenbleibt. Wir sind Lehrer und kämpfen gegen Fehler an, auch gegen eigene, bitteschön!



__________________
nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 03.04.2001 um 11.13

"Rasenmäherpolitik?!"

Aus Schülerzeitung Boh-ey, vom 19.06.97, ursprünglich: S. 32.
Veröffentlicht in Sonderbeilage "RSR ...läuft". Autor. N. Schäbler

Gedankengänge von Kultusministern
(ein kurzer geschichtlicher Streifzug)
Unsere gegenwärtige Rechtschreibung fußt auf den Ergebnissen zweier Orthographischer Konferenzen in Berlin (1876 und 1901).
1876 bestand echter Handlungsbedarf, denn fünf Jahre zuvor (1871) war der ersehnte Wunsch der Deutschen nach Einheit erfüllt worden - nichts lag also näher als die Vereinheitlichung der Schriftsprache. Der Reichsgründer, Otto von Bismarck, war übrigens ein erbitterter Gegner der Sprachreform.
Konrad Duden, sein Gegenspieler, faßte 1880 und 1902 die Konferenz-Ergeb-nisse zusammen. Sein letztes Buch im Jahre 1902 wurde ein Riesenerfolg, und obwohl es aus politischen Gründen zunächst nur als "vorläufiges Ergebnis" und "Zwischenziel" veröffentlicht wurde, hat dieses Reformwerk schon viele Angriffe überlebt, den ersten im Jahr 1908 - als Reformer unter anderem die Abschaffung der Dehnungszeichen und Großbuchstaben forderten.
In der neueren Zeit wurden die heftigsten Attacken durch Kultusministerien geführt. So in den siebziger Jahren, als im Bundesland Hessen die "Rahmen-richtlinien" und die sogenannte emanzipatorische Pädagogik geschaffen wurden. Man entdeckte die Bildungsreserven der nichtakademischen Bevölkerungs-schicht. Der "Duden" stand deren Selbstverwirklichung im Wege.
Die Kultusminister aller deutsch-sprachigen Länder einigten sich sehr bald auf ein Schlagwort. Weg mit dem "Rohrstockersatz Rechtschreibung" forderten sie und sie fanden im Jahre 1980 - betriebsblind - die Lösung. Sie beauftragten den Internationalen Arbeitskreis für Orthographie, der innerhalb von neun "Tagun-gen" im November 1994 ein "vorläufiges Ergebnis" präsentierte, das das MONOPOL von Konrad Duden abschaffte und dem Großkonzern Bertelsmann gleiche Rechte einräumte wie dem bis dahin einzig gültigen Regelwerk.
Kritiker wiesen seit Frühjahr 1995 der Neuregelung sogleich eine Fülle von Fehlern nach, worauf die Kultusminister inclusive Reformer sogleich mit künstlich erzeugtem Termindruck und Zwängen reagierten.
Das Argument "zu spät" wurde geboren, als im Frühjahr 1996 (Herbst 1996/nachträgliche Änderung) die Schriftsteller, Verleger und Wissenschaftler mit ihrer Frankfurter Erklärung die Reform ablehnten, nachdem sie erstmals vollständige Wörterverzeichnisse in die Hand bekommen hatten.
Ein Zitat des bayerischen Kultusministers Zehetmair mag den geschichtlichen Rückblick abschließen. Im Spiegel vom 11.9.95 antwortete er auf die Frage: "Wissen denn die Deutschen, was auf sie zukommt?" mit folgenden Worten: "Nein überhaupt nicht. Die breite Öffentlichkeit ist so gut wie nicht informiert. Deshalb werden viele erschrecken, wenn es nun zu einer Reform kommt, und zwar auch dann, wenn noch einiges geändert wird...
Man wird uns Kultusminister fragen, was habt ihr denn da angestellt? Es wird große Aufregung und viel Streit, sogar erbitterten Streit geben, und es würde mich nicht wundern, wenn er mit der Schärfe von Glaubenskämpfen ausgetra-gen würde..."
Zum 1.8.96 lief die RS-Reform in Bayern an! Es lebe die Rasenmäherpolitik!!!



__________________
nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 02.04.2001 um 20.58

"Veto der Gesellschaft"

aus: Schülerzeitung Boh-ey, vom 19.06.97.
Ursprünglich vorgesehen auf Seite 29. Wegen Zensur veröffentlicht in Sonderbeilage "Rechtschreibreform life - live - läuft".
Autor: Norbert Schäbler


Wer ist gegen die Reform?
Laut Umfrage von Meinungsforschungsinstituten sind mindestens 75 Prozent bis 90 Prozent der Bevölkerung gegen die Reform.
Aber die Reform ist da. Mehr als 50 Prozent haben folglich kapituliert. "Man kann die Reform nicht aufhalten", sagen sie. Das sagen auch meine Kollegen.

Was sagen die aktiven Gegner?
Wer sind die überhaupt?
Dagegen sind 50 namentlich bekannte Bundestagsabgeordnete, die reklamieren, daß der Bundestag hätte entscheiden müssen.
Dagegen sind ungezählte Lehrer, die sich zur Initiative "Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform & für eine einheitliche, systematische Rechtschreibung" zusammengeschlossen haben (Leitung: Manfred Riebe, Schwaig bei Nürnberg)
Dagegen sind darüber hinaus elf landes- und bundesweite Bürgerinitiativen, die miteinander Kontakt halten (Schüler, Eltern, Juristen...). Adressen der jeweiligen Initiativen können besorgt werden!
Dagegen sind 25 Prozent der Sprachwissenschaftler (Ickler, Veith, Stetter...)
Dagegen sind sogar zwei Reformer, die Mitglieder der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission sind. Sie sollen als erstes zu Wort kommen.
Reformer Prof. Peter Eisenberg (Potsdam) erklärte am 3. Mai in der Talk-Show "Berliner Platz" im Sender Freies Berlin: "Diese Rechtschreibreform gehört sprachwissenschaftlich auf den Müll!"
Reformer Prof. Horst Munske (Erlangen) formuliert in seinem Buch "Orthogra-phie und Sprachkultur", daß dieses Kuckucksei zerstört werden müsse.
Prof. Theodor Ickler (Erlangen) schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (22.05.97) von mafiaähnlichen Verhältnissen, die im Internationalen Arbeits-kreis für Orthographie geherrscht haben müssen und kommt in seiner Broschüre "Die Rechtschreibreform auf dem Prüfstand" zu der Erkenntnis, daß die Reform irreparabel ist.
Zu gleichen Erkenntnissen kommen die Sprachwissenschaftler Prof. Werner Veith (Mainz) und Prof. Christian Stetter (Aachen).
Die Reform ist laut Professor Ickler übersät mit Beliebigkeitsklauseln und angefüllt mit faulen Kompromissen, die sprachlich unannehmbar sind. Bei allen Bereichen
a) Laute und Buchstaben
b) Getrennt-, Zusammen- und Bindestrichschreibung ;
c) Groß- und Kleinschreibung
d) Zeichensetzung
e) Worttrennung (Silbentrennung)
handelt es sich schlichtweg um eine Mogelpackung, bei der die Schreiber nicht weniger, sondern eher mehr Fehler produzieren. Das hat die Lehrerinitiative zwischenzeitlich nachgewiesen, allen voran Studiendirektor Wolfgang Illauer, der Schüleraufsätze getrennt nach neuer und alter Schreibung bewertete.
– geändert durch Norbert Schäbler am 04.04.2001, 13:09 –
__________________
nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 02.04.2001 um 14.13

"Vetogerecht?"

Einzeln sind hier meine Beiträge zur Rechtschreibreform in der Schülerzeitung Boh-ey 10 mit jeweiligem Titel aufgelistet. Artikel, die laut Veto der Schulleitung anrüchig sein könnten, werden auf dieser Internet-Seite im Original veröffentlicht. Selbstverständlich entbehren sämtliche Artikel eines Neuigkeitscharakters. Schließlich entstanden sie im Mai 1997.
Anrüchig oder nicht; fair oder foul - das sind hier die Fragen!

Aus dem Inhalt der Schülerzeitung "Boh-ey" 10

S. 25: Neuregelung auf den Müll! (Anlage zu Folge 5)
S. 27: Was hält die Bevölkerung ...(statistische Erhebungen/verblieben in der Ausgabe)
S. 29: Wer ist gegen die Reform? (Folge 6)
S. 32: Gedankengänge von Kultusministern (Folge 7)
S. 33: Ein bißchen Inhalt (über Etymologie und die neue S-Laute-Regelung)
S. 34: Die Schrift ist nicht zum Schreiben da (Auszüge aus Friedrich Roemheld)
S. 36: Ich wette, daß die neue Schreibweise schwer fällt! (zwei Diktattexte)
S. 37: Was halten Lehrer von der sog. Rechtschreibreform? (Folge 8)
S. 70: Schlußgedanken (Folge 9)

Neuregelung auf den Müll!

Eine Reform ist normalerweise etwas Gutes. Sie dient dem Fortschritt - vor allem im Arbeitsleben. Wer nicht rationalisiert und reformiert, bleibt zurück und kann innerhalb kurzer Zeit seinen Laden dichtmachen. Folglich ist in der freien Wirtschaft nichts schlimmer als die Untätigkeit. Man darf nicht auf der Stelle treten.
Wirtschaftliche Denkgewohnheiten beherrschen unsere Leistungsgesellschaft. Ruhelosigkeit steckt alles und jeden an: sogar die Kultusminister.
Deren Aufgabe ist es, verehrungsvolle Pflege zu betreiben und die geistigen Errungenschaften zu wahren - eigentlich ein stockkonservativer Job! Für Fort-schritt bleibt da wenig Raum.
Trotzdem haben die Kultusminister aller deutschsprachigen Länder versucht, eine Reform auf den Weg zu bringen, die sog. Rechtschreibreform. Ich nenne sie, "den Versuch einer Neuregelung", bzw. "die Deformierung der deutschen Sprache".
Mein Verhältnis zu dieser Neuregelung ist damit geklärt. Ich bin ein erbitterter Gegner dieses Rechtschreibmachwerks. Das will ich im folgenden erläutern.
Vorab vier Thesen:
Die Neuregelung der Rechtschreibung durch die Kultusministerkonferenz ist ein Verstoß:
- gegen sprachliche Grundsätze
- gegen rechtliche und demokratische Grundsätze
- gegen haushaltsrechtliche Grundsätze
- gegen pädagogische Grundsätze
Ich bitte unsere Leser:
- die folgenden Berichte zur Rechtschreibreform zu lesen
- an der Unterschriftenaktion teilzunehmen
- gemeinsam die Neuregelung zu bekämpfen
Ich fordere die Kultusminister auf:
- zu ihrer Hauptaufgabe, der Wahrung des Kulturgutes, zurückzukehren
- die "Rechtschreibreform" zu stoppen
Die Rechtschreibreform ist irreparabel. Sie hat ein sprachliches Chaos angerichtet. Zehn verschiedene Wörterbücher unterscheiden sich in über 1000 Fällen durch widersprüchliche Schreibweisen. Die Neuauflagen von Duden, Bertelsmann, Aldi, Eduscho, Wahrig ... sind jetzt schon überholt und Altpapier. Sie gehören genau wie die Reform auf den Müll!!

Diese und die folgenden Seiten geben die Meinung des Verfassers (Norbert Schäbler, Lehrer in... Tel...) wieder. Sie stimmt weitgehend überein mit der Meinung der bundesweiten Lehrerinitiative "Wir Lehrer gegen die RS-Reform & für eine einheitliche und systematische Rechtschreibung". Wenn Sie in einer Initiative (Schüler, Eltern, Juristen, ...) aktiv mitmachen wollen, rufen Sie mich an!

__________________
nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 01.04.2001 um 17.03

"Veto der Schulleitung"

An die Redaktion
der Schülerzeitung der
Volksschule...

17.06.97 (ausgehändigt am 20.06.97)

Die Herausgabe bzw. Verbreitung der neuesten Ausgabe der Schülerzeitung der Volksschule... wurde untersagt.
Begründung:
Nach Art. 63 (3) des Bay. EuG sind in einer Schülerzeitung die Grundsätze einer fairen Berichterstattung zu beachten; auf den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule ist Rücksicht zu nehmen. Einige der vorgelegten Artikel wurden diesem Anspruch nicht immer gerecht. Zudem wird neben einigen unrichtigen Feststellungen und Anmerkungen, die Fehlverhalten der Schulleitung suggerieren, wiederholt das Recht der persönlichen Ehre verletzt. Schließlich unterliegen Inhalte einer Lehrerkonferenz der Geheimhaltungspflicht.

Ich bitte darum, besagte Ausgabe der Schülerzeitung zu überarbeiten, die vorgelegten Texte, soweit sie zur oben begründeten Ablehnung führten, durch sachgerechte Texte zu ersetzen und vor Veröffentlichung den neuen Entwurf vorzulegen.

Mit freundlichen Grüßen
(der Schulleiter)

__________________
nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 01.04.2001 um 06.51

"Ein Eklat ist unausweichlich"

Der folgende Bericht paßt möglicherweise nicht so ganz in das Leitthema "Passiver Widerstand", denn er handelt von einem sehr aktiven Schlagabtausch. Allerdings kann der Bericht sehr wohl begründen, warum es die meisten Lehrer vorzogen, passiv zu bleiben.

Im Mittelpunkt des Rückblicks steht die Veröffentlichung der Schülerzeitung Boh-ey, Ausgabe 10, die am 19.06.1997 erschien. Eine Chronik der Ereignisse und die bisher aufgezählten Hintergründe (nachzulesen in "Schülerzeitung Folgen 1 und 2" sowie "Briefwechsel mit Schulamt, Regierung und Ministerium") dokumentieren, warum ein Eklat unausweichlich war.

Unbeantwortet bleiben die äußerst wesentlichen Fragen der Schulbehörde:
"Kann und darf eine Schülerzeitung zur Plattform einer politischen Auseinandersetzung (z.B. über das Thema Rechtschreibreform) werden?"
"Ist eine Schülerzeitung ausschließlich den Schülern vorbehalten, oder dürfen hier auch Kommentare schulnaher Personen erscheinen?"
"Inwieweit spielen Abhängigkeit bzw. Hörigkeit eine Rolle, wenn Schüler sich einer Idee der ihre Schülerzeitung betreuenden Lehrkraft anschließen?"
In der Beantwortung obiger Fragen bezogen Behörde und ich gegensätzliche Standpunkte.

Die Chronik der Ereignisse.
März 1997: Redaktioneller Beginn der zweiten Schülerzeitungsausgabe. Ankündigung bei der Schulleitung, daß "Rechtschreibreform" Schwerpunktthema sein würde. Ab April wöchentlich mehrmalige Unterrichtung des Rektors über den Stand der RSR. Teile der späteren Veröffentlichung werden vorgelegt.
09.05.97: Ankündigung von Aktionen gegen die RSR an das Schulamt (bis Mitte Juni ignoriert).
12.05.97: Unterrichtung des Lehrerkollegiums zur RSR in einer Dienstbesprechung (eigener Redebeitrag von 9.20 bis 9.30 Uhr. Vorstellung und Auslage der Peil'schen Liste und T. Icklers Broschüre "Rechtschreibreform auf dem Prüfstand"). Beginn der ständigen Veröffentlichung diverser Zeitungsartikel am Schwarzen Brett.
17.05.97: Beginn der Pfingstferien in Bayern. (Zeit zur Erstellung mehrerer Berichte für die Schülerzeitung/01.06. Ende der Pfingstferien).
31.05.97: Gründung des Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege. Vertiefung der Zusammenarbeit mit Manfred Riebe, der vorgesehene Schülerzeitungsartikel redigiert.
04.06.97, 7.45 bis 17.45 Uhr: Abschlußkonferenz der Schülerzeitung. Erkundigung des Rektors über Berichte zum Thema "Rechtschreibreform". Der Bitte, mich aufgrund des Termindrucks zur Einsichtnahme in den Informatikraum zu begleiten, wird nicht entsprochen.
05.06.97: Übergabe der Manuskripte an Fa. Offset Druck Müller, Aschaffenburg.
Aushang der Petitionsliste an den Deutschen Bundestag.
06.06.97: Unverbindlicher Hinweis des Rektors, Informationen und Unterschriftenlisten gegen die Rechtschreibreform abzuhängen.
09.06.97: Zufällige Anwesenheit des Schulrates. Diskussion über die RSR im Beisein von 20 Lehrern. Die öffentliche Kampfansage gegen die RSR beantwortet der Schulrat mit eigener Loyalitätserklärung.
10.06.97: Ankündigung der Fa. Müller, die Schülerzeitung könne am 13.06.97 ausgeliefert werden.
11.06.97: Rigorose Forderung des Rektors, Petitionslisten abzuhängen. Scharfe Diskussion initiiert die zusätzliche Forderung des Rektors, Manuskripte der Schülerzeitung einsehen zu wollen. Diese werden zusammen mit einem Gesuch, das Aushangverbot schriftlich zu bestätigen, per Fax zugestellt.
12.06.97, 7.45 Uhr: Anruf des Rektors bei Fa. Müller, den Druck der Schülerzeitung sofort anzuhalten.
10.35 Uhr: Eröffnung des Rektors, daß Druck der Schülerzeitung gestoppt sei. Verhandlungen über weiteres Vorgehen: Zur Debatte stand u.a. die Unkenntlichmachung des Textes durch einen sog. Zahlenspiegel. Rektor verlangt schließlich Ersatz durch neue Artikel.
15 Uhr: Einberufung der Schülerzeitungsredakteure (durch mich). Photograph der Süddeutschen Zeitung besucht Schülerzeitungskonferenz. Anschließende Produktion von drei neuen Textseiten. Hinzufügen weiterer drei Seiten aus älteren Schülerzeitungsausgaben. Antrag, das Schulforum wegen der Vorfälle einzuberufen, findet in der Schülerzeitungsredaktion keine Mehrheit.
17.20 Uhr: Aufhebung des Fertigungsstops (durch mich). Aushändigung der Ersatzseiten an Fa. Müller.
13.06.97: Größerer Bericht über meine Aktivitäten gegen die RSR erscheint in der Heimatzeitung, "Main-Echo". Erklärung vor dem Lehrerkollegium zum Thema Pressezensur.
Rechtfertigung der Schulleitung bzgl. ihres Vorgehens vor den neunten Klassen. Forderung der Schüler, Einwände gegen Schülerzeitung schriftlich zu formulieren.
15.06.97: Fax an Schulamt mit der Forderung, das Aushangverbot schriftlich zu bestätigen.
17.06.97: Anweisung der Regierung zu einem Führungsgespräch.
18.06.97: Antritt zum Führungsgespräch in Würzburg.
19.06.97: Bericht in Süddeutscher Zeitung über Schülerzeitung. Beginn des Verkaufs der zensierten Schülerzeitung. Geschäftsinhaber bzw. Inserenten der Schülerzeitung vertreiben eine Sonderbeilage mit Berichten gegen die Rechtschreibreform.
Schriftliche Bestätigung des Schulamts bzgl. Aushangverbot.
20.06.97: Aushändigung der schriftlichen Begründung der Schülerzeitungszensur durch den Rektor.
Schriftliche Rückmeldung über das Führungsgespräch an die Regierung mit Anlage der Schülerzeitung nebst Sonderveröffentlichung.
28.06.97: Bericht in den Nürnberger Nachrichten über Schülerzeitung.
17.07.97: Androhung disziplinärer Verfolgung durch die Regierung von Unterfranken.
24.07.97: Rückmeldung zur Androhung disziplinärer Verfolgung.

__________________
nos


eingetragen von Stephanus Peil am 31.03.2001 um 12.28

Herr Regierungsschuldirektor Knirsch ist der Meinung, daß das Verhalten der Schule von Isabell Lämpel in keiner Weise zu beanstanden sei. Dies widerspricht Vater Lämpels Auffassung, deshalb beantwortet er Knirschs Schreiben wie folgt:

1. April 2001
Aufklärung der Eltern über die geltende Rechtslage in bezug auf die Rechtschreibreform
Ihr Schreiben vom 15.3.2001, Ihre Zeichen 35 - 51 301

Sehr geehrter Herr Regierungsschuldirektor Knirsch,

vielen Dank für Ihre rasche Antwort auf meinen Brief vom 5.3.2001 und Ihre Klarstellung, daß die Verwendung von bisherigen Schreibweisen nicht als Fehler gewertet werden darf. Damit haben Sie indirekt meine Haltung bestätigt, daß eine Vereinbarung zwischen einem Lehrer und Schülern mit dem Ziel, nur noch neue Schreibungen zuzulassen, die Verwaltungsvorschrift nicht außer Kraft setzt und deshalb nichtig ist. Doch darum ging es erst in zweiter Linie.

In erster Linie geht es um die Frage:
Wird an der Schule meiner Tochter gemäß diesen Vorschriften verfahren?

Aus der traurigen Chronik in der Anlage des Briefes lese ich folgendes heraus:

  • Der Lehrer meiner Tochter, Herr Strohkopf, vertritt hinsichtlich der Rechtschreibung eine Position, die nicht mit den geltenden Vorschriften zu vereinbaren ist.
  • Herr Strohkopf glaubte, sich rechtlich abzusichern, indem er Schüler einer 9. Klasse, die über die Notengebung von ihm abhängig sind, in einer "Abstimmung" seine Position bestätigen ließ.
  • Der Schulleiter deckt dieses Vorgehen und wirbt sogar noch dafür, es durchzusetzen und zu akzeptieren.
  • Gleichzeitig weigert er sich, zu Einwänden gegen dieses Vorgehen schriftlich Stellung zu beziehen.

    Meine Bedenken, ob die Verwaltungsvorschrift über die "Neuregelung der deutschen Rechtschreibung" an der Realschule meiner Tochter korrekt angewendet wird, sind alles andere als beseitigt, da die obigen Verhaltensweisen eher darauf abzielen, dies nicht zu tun.
    Das Bekanntmachen der Rechtslage durch einen Elternbrief scheint mir vor diesem Hintergrund nahezu geboten, denn bisher erfolgte eine Klarstellung nur durch Sie (nicht durch die Schule) und nur mir gegenüber (und nicht gegenüber allen Betroffenen). Alle Kinder glauben noch, die "Vereinbarung" befolgen zu müssen. Alle Eltern glauben noch, daß an der Schule ihres Kindes neue Regeln gelten, die sie befolgen müssen, wenn sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, nicht konstruktiv mit der Schule zusammenzuarbeiten. Welche Verunsicherung fürchten Sie? Entweder ist die Rechtslage, wie Sie schreiben, seit Jahren allen bekannt (warum dann eigentlich nicht auch Lehrer Strohkopf?), dann wird eine bekannte Information kaum Verunsicherung verursachen (allenfalls Verwunderung, weshalb sie nochmals erfolgt). Ist sie dagegen nicht bekannt, dann sollte es im Interesse der Verwaltung eines demokratisch verfaßten Staates stehen, seinen Bürgern die geltenden Regeln zu vermitteln. Helfen Sie doch einfach mit, den Eindruck zu vermeiden, dies würde unterlassen, um jene zu unterstützen, die ungestört dagegen verstoßen wollen. In diesem Elternbrief soll doch nur die geltende Rechtslage dargestellt und unmißverständlich klargestellt werden, daß Verstöße, Umgehungen durch scheindemokratische, aber rechtlich wirkungslose Abstimmungen etc. nicht geduldet werden, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

    Ich kann nicht erkennen, daß die Gründe für meine Forderungen an die Schulleitung in meinem Brief vom 7.1.01 entfallen sind:

  • Der Beschluß der Klasse 9 wird in der gleichen Form, also öffentlich vor der Klassengemeinschaft, die ihn faßte, aufgehoben bzw. für unwirksam erklärt, weil ihm die Rechtsgrundlage fehlte.
  • Die geltende Rechtsgrundlage (Wahlfreiheit der Schreibungen bis zunächst 2005) wird den Schülern und ihren Eltern schriftlich mitgeteilt, weil aus den Erzählungen ihrer Kinder ein anderer Eindruck entstanden sein könnte.
  • Eine Benachteiligung von Schülern, die - ihren Überzeugungen folgend - die bisherigen Schreibungen verwenden, wird in einer Erklärung von Herrn Strohkopf vor der Klasse ausgeschlossen.

    Erlauben Sie mir, zum Schluß noch auf einige Ihrer zusätzlichen Bemerkungen eingehen zu dürfen.

    1) Sie erwähnen, daß die Einführung der Neuregelung immerhin schon 6 Jahre zurückläge. In den meisten Schulen des Landes Rheinland-Pfalz wurde im Schuljahr 1996/97 mit der vorzeitigen Erprobung begonnen (ursprünglich war das Schuljahr 1998/99 als Start vorgesehen). Gerechnet ab dem Termin der vorzeitigen Einführung sind vier Jahre vergangen (96/97, 97/98, 98/99, 99/00). Gegenwärtig (Schuljahr 00/01) befinden wir uns im fünften Jahre der Erprobung - andere Schulen sogar erst im dritten Zyklus.
    2) Sie befürchten, daß ein ständiger Wechsel zwischen der alten und neuen Schreibweise pädagogisch in höchstem Maße verwirrend und bedenklich wäre. Dies trifft für absolute Schreibanfänger, also die jüngeren Schüler, sicher zu. Doch über 90 Prozent des Bücherbestandes außerhalb der Schule liegen in traditioneller Schreibung vor. Diese Bücher können doch nicht nur deshalb den Schülern vorenthalten werden, weil sie in "alter" Rechtschreibung verfaßt sind, d.h. lesende Schüler kommen ohnehin mit mehreren Schreibweisen in Berührung. Selbst von der Schule erhält meine Tochter des öfteren Arbeitsblätter in konventioneller Orthographie.
    3) Sie vertreten den Standpunkt, daß es nicht Aufgabe der Schule sei, eine Diskussion über den Sinn einer Neuregelung der Rechtschreibung zu führen. Wer eigentlich dann soll eine Diskussion über den Sinn von Neuregelungen jedweder Art führen, wenn nicht die Betroffenen selbst?
    Mir liegt an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Schule schon im Interesse meiner Tochter. Aber auch die Schule muß ihren Teil beitragen, und dazu gehört die Beachtung der Spielregeln. Dies sicherzustellen, und zwar nicht nur mir gegenüber, sondern auch gegenüber allen anderen, die sich vielleicht nicht so intensiv mit der Materie beschäftigt haben, darum möchte ich Sie bitten. Dazu sehe ich die oben aufgestellten Forderungen an die Schule angesichts der gezeigten Verhaltensweisen als hilfreich und geeignet an.

    Mit freundlichen Grüßen
    Fridulin Lämpel

    Anlage: zusammengefaßte Chronik der Ereignisse

    Chronik der Ereignisse

    8.11.2000: Der Lehrer meiner Tochter, Herr Strohkopf, wird von mir telephonisch auf einen gekennzeichneten und gezählten Fehler aufmerksam gemacht, der laut der Verwaltungsvorschrift vom 16. August 1996 nicht als Fehler gewertet werden darf - an sich eine Nichtigkeit, die zu allem Überfluß nicht mal Auswirkungen auf die Note hatte. Der Lehrer weigert sich, dieses zu korrigieren.
    8.11.2000: Aufgrund dieser Weigerung erfolgt ein Anruf beim Schulleiter, der die Angelegenheit prüfen will.
    9.11.2000: Lehrer Strohkopf führt in der Klasse meiner Tochter eine "Abstimmung" durch, mit der festgelegt werden soll, daß künftig Diktate nur noch nach der neuen Rechtschreibung zu korrigieren sein sollen.
    15.11.2000: In einem Brief an den Schulleiter, Herrn Feigenhansel, erläutere ich ihm den Grund meiner mündlichen Beschwerde vom 8.11.2000. Ich teile ihm auch mit, worüber in diesem Zusammenhang in der Klasse meiner Tochter abgestimmt wurde und stelle die Frage nach der Zulässigkeit.
    20.12.2000: In dem Antwortschreiben des Schulleiters bestätigt er die erfolgte Korrektur der Fehlerzahl, wendet also die Verwaltungsvorschrift korrekt an. Gleichzeitig ergeht folgende Bitte an mich: "Zukünftig bitte ich auch Sie herzlich, uns bei der schulischen Arbeit zu unterstützen und auch bei der Durchsetzung der Vereinbarung mit der Klasse Ihrer Tochter zu helfen. Mit der Lerngruppe wurde vereinbart, dass, nachdem entsprechende Teile des neuen Regelwerks besprochen und geübt wurden, die geänderte Rechtschreibung unbedingt anzuwenden ist." Im zweiten Satz glaubt er also, eben diese Verwaltungsvorschrift durch eine "Abstimmung" in der Klasse aushebeln zu können (und bittet mich noch um Unterstützung dabei). Damit wird durch den Schulleiter die Verletzung dieser Vorschrift nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich gebilligt.
    7.1.2001: In einem Schreiben wird der Schulleiter darauf hingewiesen, daß nur solche Maßnahmen Unterstützung verdienen, die geltenden Gesetzen und Verordnungen entsprechen. Er wird gebeten, die "Abstimmung" für nichtig zu erklären und den Beteiligten (Eltern wie Schüler) die geltende Rechtslage schriftlich mitzuteilen.
    9.1.2001: Die Schulleitung lädt ein "zu einer finalen Aussprache über den Disputgrund und ... die aufgestellten Forderungen".
    11.1.2001: Brief an die Schulleitung mit der Bitte, zuvor eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Dieser Bitte wird auch nach Erinnerungsschreiben vom 4.2. und 18.2.2001 nicht entsprochen.
    19.2.2001: Mündliche Mitteilung an meine Tochter, daß mit einer schriftlichen Reaktion nicht zu rechnen sei. Kurioserweise bezieht sich diese Verweigerung sogar darauf, mir lediglich den Eingang meines Schreibens zu bestätigen.
    5.3.2001: Mein Schreiben an Sie


    – geändert durch Stephanus Peil am 02.04.2001, 13:49 –


    eingetragen von Christian Melsa am 23.03.2001 um 20.12

    Ich würde der Aufsichtsdirektion sinngemäß folgendes antworten:

    "Pädagogisch in höchstem Maße verwirrend und bedenklich ist zudem ein ständiger Wechsel zwischen der alten und neuen Schreibweise"

    Pädagogisch in hohem Maße bedenklich ist die Erziehung der Schüler zu Unmündigkeit und Kadavergehorsam, indem in einem sehr umstrittenen Thema die Entscheidung des individuellen Schülers zur offen vorgetragenen und auch praktizierten Meinung, die nebenbei auch der der Bevölkerungsmehrheit entspricht, faktisch unterdrückt wird. Die alte Rechtschreibung wird offensichtlich gar nicht mehr unterrichtet, so daß sich die Betroffenen nicht nach Abwägung der Tatsachen eigenverantwortlich entscheiden können, ob sie die Reform mitvollziehen wollen. Es mag umständlich sein, die Rechtschreibung in der Schule zweigleisig zu fahren, genau deswegen war es ja so hinterlistig, die Reform dort vorschnell und ohne Duldung von Widerrede einzuführen. Der Konflikt war vorherzusehen, zwar hervorgerufen durch die Reform, doch die wurde ja mit dem Axiom der Irreversibilität etikettiert, es soll also immer wieder gebetsmühlenhaft wiederholt werden, daß an ihrer Einführung und Beibehaltung unter keinen Umständen zu rütteln sei, sie soll so unabwendbar erscheinen wie eine Sonnenfinsternis. Normalerweise würde es sonst ja naheliegen, das Objekt, das eine Störung verursacht, zu entfernen, um somit auch die Störung zu beseitigen. Doch diese Herangehensweise ist für die Schullenker anscheinend viel zu klug.

    "Im übrigen [sic!] ist es nicht Aufgabe der Schule, eine Diskussion über den Sinn einer Neuregelung der Rechtschreibung zu führen. Diese Diskussion muss an anderer Stelle Raum greifen."

    Dieser Mensch scheint nicht zu merken, daß die mit ihm geführte Diskussion ja gar nicht in der Schule stattfindet, sondern außerhalb jedes Unterrichts zwischen einem Elternteil und einem Mitglied der Schulaufsicht. Dieses Thema läßt sich gar nicht völlig unabhängig von Schule anpacken, da diese ja gerade der zentrale Erfüllungsgehilfe des Schriftsprachputsches ist. Von der Anwendung der Neuregelung in der Schule geht schließlich alles andere aus, sie ist der Acker, auf dem die Reform wachsen, der Infektionsherd, von dem aus sie sich ausbreiten soll (neben den aus dieser Lage heraus unterworfenen Medien). Was mit dem zitierten Satz ausgedrückt wird, ist analog zu der Behauptung, man dürfe sich über Kriegsdienstverweigerung bloß nicht mit wehrpflichtigen Einzugskandidaten unterhalten, das könnte sie ja verwirren (ich kann mich übrigens noch gut an die Manipulationsversuche von Bundeswehrmitarbeitern im Kreiswehrersatzamt nach der Musterung erinnern, die mich mehr oder weniger subtil davon abbringen wollten, von meinem Grundrecht der Verweigerung Gebrauch zu machen - ich wurde sogar danach gefragt, was ich von den Grünen hielte, "langhaarige Affen" war die Einschätzung des Gesprächsleiters, der von zwei Beisitzern flankiert mir Einzelnem gegenübersaß; früher waren diese Unterredungen wohl noch um einiges einschüchternder, obwohl das Grundgesetz auch damals schon eindeutig war). Offenbar sollen die Kinder heutzutage wirklich zu Untertanenzombies erzogen werden, Diskussion über gesellschaftliche Themen, die sogar die eigene Situation an der Schule direkt betreffen, sollen unterbunden werden. Das alles trägt die Merkmale eines totalitären Staates, in dem keine freie Meinungsäußerung erwünscht ist und staatliche Indoktrination betrieben wird. Genau diese Situation herrscht in den Schulen Deutschlands zumindest zum Thema Neuschrieb. Die KMK, die sogar Helmut Kohl als "reaktionärste Einrichtung der Bundesrepublik" bezeichnete, scheint mit ihren Methoden nicht mit der geltenden Gesellschaftsordnung in Einklang zu bringen sein. Leider ist sie gerade ausgerechnet für Erziehung und Bildung des Nachwuchses zuständig, kann so also (vielleicht unbewußt), die eigentliche Staatsordnung unterlaufend, Generationen mit letztlich prehumanistischen Werten ausstatten. Diejenigen Schüler, die die Diskrepanz zwischen Grundgesetz und Realität in dieser Sache erkennen, werden andererseits nicht gerade zu Respekt vor einer Autorität ermuntert, wenn die Doppelmoral dieser Autorität deutlich sichtbar ist.


    eingetragen von Norbert Schäbler am 23.03.2001 um 17.10

    Die Weichen werden gestellt

    Turbulent hatte das Schuljahr 1996/97 an unserer Grund- und Hauptschule begonnen. In der Lehrerkonferenz war beschlossen worden, die Einführung der neuen Rechtschreibung um zwei Jahre vorzuziehen.
    Auch auf der rekrutierenden Sitzung des Schülerzeitungsjahrgangs wurde ein Entschluß gefaßt. Und da waren die Schüler einheitlich dafür, vorerst bei der alten Rechtschreibung zu bleiben und sich des Problems Rechtschreibreform ausschließlich in der Berichterstattung anzunehmen. Ausnahmsweise wurden für das laufende Schuljahr zwei Schülerzeitungsausgaben geplant. Das Team (vorwiegend Schüler der 9. Jahrgangsstufe) hatte Ehrgeiz.
    Die erste Ausgabe sollte bereits im Dezember erscheinen mit dem Schwerpunktthema "Religion"; die zweite Ausgabe war für Juni angesagt mit dem Schwerpunkt "Rechtschreibreform".
    Allerdings sollte auch schon die Dezemberausgabe einen Hinweis auf die Neuschreibung enthalten. Deshalb wurde ein Schüler der sechsten Jahrgangsstufe beauftragt, die Einstellung der Lehrer an der Schule zu ergründen.

    Mit der Fragestellung: "Wie stehen Sie zur Rechtschreibreform?" wandte sich unser sachbearbeitender Schüler im Oktober 1996 an 28 Lehrkräfte unserer Schule.
    Ich selbst, als Leiter der Schülerzeitung, hielt mich mit Informationen und Tips zurück, um die Fragestellung, die Durchführung und letztlich auch die Ergebnisse der Umfrage nicht zu beeinflussen. Auch als Interviewpartner trat ich nicht in Erscheinung und äußerte mich auch nicht im Kollegenkreise, so lange die Umfrage lief.
    Mir selbst war das spätere Ergebnis "Wasser auf die Mühle", denn es zeigte ziemlich präzise den damaligen Wissensstand und zudem ein großes Maß an Ablehnung der vorliegenden Schreibreform.
    Die Erkenntnisse, die der Schüler im Laufe der Umfrage gewann, wurden bewußt nicht richtiggestellt, und auch das Nachwort des Schülers, "eine sehr verwaschene eigene Stellungnahme", wurde ohne jegliche Veränderung veröffentlicht.


    Aus der Schülerzeitung "Boh-ey" 9, S. 12/13
    (Die Namen der Lehrkräfte wurden aus Datenschutzgründen durch Buchstaben ersetzt.)

    "Sie kommt, und niemand kann sie vermutlich aufhalten.
    Die Erstkläßler bekommen sie schon gelernt, obwohl die Bücher in manchen Punkten genau das Gegenteil besagen. Die Sprache ist von der neuen Rechtschreibreform.
    Im Jahre 2002 geht's los.
    Was die Lehrer dazu sagen, sieht man an den untenstehenden Aussagen.

    A: Dafür, weil viele unlogische Ausnahmen wegfallen.
    B: Dagegen, zu große Umstellung.
    C: Dafür, z.B. Kommasetzung übersichtlicher, Bereich der "S"-Schreibung besser.
    D: Dafür, wobei viel zu verbessern ist.
    E: Miserabel, Verwirrung bei Schülern und Lehrern.
    F: Nicht so wichtig.
    G: Dagegen, nicht nötig, zu große Umstellung
    H: Nicht gut, zu große Umstellung.
    I: Einstellung wenn nötig, beide Formen sind unlogisch.
    J: Erleichterung für kleinere Kinder.
    K: Teils gut, teils schlecht.
    L: Dafür, aber die ganze Aufregung ist lächerlich.
    M: Viel vereinfacht, aber trotzdem noch viele Ausnahmen.
    N: Dagegen, aber weil er Lehrer ist, ist er dafür.
    O: Dagegen, außer die Trennung und Doppel "S", vieles nicht leichter.
    P: Es gibt noch zu viele Ausnahmeregelungen.
    Q: Gut, ein paar Regeln klarer. Nicht gut, auf zwei Weisen schreiben zu können.
    R: Allgemein ist sie angebracht, hätte aber noch konsequenter durchgeführt werden können.
    S: Schwere Umstellung.
    T: Wenn man Fehler vermeiden kann, ist es gut. Kulturelle gewachsene Regeln sollen bleiben.
    U: Dagegen, einfacher wenn die Rechtschreibung gleich bleibt.
    V: Erleichtert nichts, wird schwerer.
    W: Habe mich schon daran gewöhnt. Die Erwachsenen fühlen sich im Nachteil, weil sie Regeln schwerer zu lernen haben.
    X: Eine Erleichterung für die Kinder.
    Y: Von einer Reform würde ich viel halten, wenn es eine gute Reform wäre.
    Z: Manches ganz gut. Regeln mit dem "SZ" schlecht gelöst. Persönliche Anreden klein - nicht gut.
    Ä: Halbherzig. Dafür, sollte aber noch weitergehen.
    Ö: Für die 1. Klasse eine Erleichterung, kostet aber zuviel Geld.

    Wie man sieht, gibt es Stimmen dafür und dagegen, aber letztendlich solltest Du selbst wissen, was Du am besten findest.
    Ich als Schüler finde die Reform nicht schlecht, da die Sache mit dem "S" eine große Erleichterung ist. Noch profitieren die Schüler davon, da man die alte und die neue Schreibweise verwenden darf."

    __________________
    nos


    eingetragen von Norbert Schäbler am 22.03.2001 um 16.35

    "Es braut sich etwas zusammen"

    Große Ereignisse warfen schon immer ihre Schatten voraus, und da bildete die sogenannte Rechtschreibreform keine Ausnahme. Sie hatte in Bayern ihre eigenen Schicksalskünder: zum einen das "Kruzifix-Urteil", zum anderen die bevorstehende Lehrplanumstellung. Fast versteckt hinkte die RSR hinterher und entfaltete ein ungeahntes Kräftepotential.

    Auch ein leibhaftiger Prophet war aufgetreten: Kultusminister Zehetmair. Er hatte im Spiegelinterview vom 11.09.95 "Glaubenskämpfe" angekündigt.
    Nur, die blieben in Bayern aus - ausgerechnet dort, wo man bislang immer eigene Wege der Kulturpolitik gegangen war, wo man sich niemals hatte ideologische Fesseln anlegen lassen. Ein durchaus seltsamer Tatbestand!

    Ein böser Verdacht drängte sich auf, ein Verdacht, der sich im Rückblick erhärtet, der Verdacht, daß diese Rechtschreibreform ein bis ins kleinste Detail vorbereitetes Unternehmen war.
    Der Kontext der Ereignisse liefert einige Steinchen für das fertige Mosaik.

    Da war zunächst die Bindung entscheidender Kräfte, denn bayernweit herrschte damals Aufruhr über den Antrag eines Vaters aus Bruckmühl (bei Rosenheim), der 1996 die Entfernung eines Schulkreuzes im Klassenzimmer seiner Tochter erwirken wollte und bis vor das Verwaltungsgericht in München gezogen war. Jener Vater führte den "echten" Glaubenskampf - sogar einen Kompromißvorschlag (Versetzung seiner Tochter in eine Parallelklasse ohne Kreuz) hatte er ausgeschlagen. Im Vergleich dazu konnte die RSR in Bayern niemals die Dimension einer Glaubensfrage erreichen. Dieses Thema war besetzt.
    Hinzu kam die Fesselung der Hauptschullehrkräfte, die sich im Schuljahr 1996/97 mit der bevorstehenden Lehrplanänderung befassen mußten. Mehrere Nachmittagsveranstaltungen wurden anberaumt, um die neuen Fächerverbindungen "GSE" (eine Kombination aus Geschichte/Sozialkunde/Erdkunde) und "PCB" (Physik/Chemie/Biologie) kennenzulernen.
    Verwunderlich dabei, daß bis zum heutigen Tage nicht eine einzige Fortbildungsveranstaltung in Sachen Rechtschreibung stattfand.
    Ebenso seltsam, daß die Lehrplanumstellung zwangsläufig zur Anschaffung neuer Bücher führte, die vom Kultusministerium selbstverständlich nur noch in Neuschreibung als lehrmittelfrei erklärt wurden.
    Und merkwürdig auch der Umstand, daß die Stundentafel durch diese Lehrplanänderung für die Klassen 7 bis 9 plötzlich zwei bis drei Stunden weniger aufwies.
    Für die Elternverbände bestand somit eher ein Grund, gegen diese Stundenreduzierung zu kämpfen, als sich gegen den Rechtschreiberlaß zu wenden, der klammheimlich Fakten schuf.

    Und schließlich war ja da noch der Kultusminister selbst, der sich selbstredend in die Presche warf und für "sein Volk" einen Stellvertreterkrieg entfachte, der wieder einmal dem Rest der Republik die bayerische Besonderheit und Lauterkeit vor Augen führte.
    Zehetmair war es, der kurz vor dem Zustandekommen der Wiener Absichtserklärung Veto einlegte und noch einmal 35 Wörter ändern ließ, was den Dudenverlag beinahe in den Ruin trieb, weil hier die Produktion des Wörterbuches bereits vom Stapel gelaufen war.

    Ja, Bayern hat sich gewehrt, bis zur letzten Patrone, mit Mann und Maus, mit Haut und Haar.
    Und Bayern blieb fortschrittlich. Bereits am 2. Juli 1996 unterzogen sich die Hauptschüler im gesamten Freistaat der besonderen Leistungsfeststellung zum Erwerb des qualifizierenden Hauptschulabschlusses im Fachbereich Deutsch. An selbigem Tag schrieben die Entlaßschüler zwischen 8.30 und 9.00 das Diktat mit dem Titel "Teufelskreis Kinderarbeit", und: dieses Diktat wurde - und das dürfte der allererste Fall in der Bundesrepublik gewesen sein - nach den Regeln alter und neuer Rechtschreibung korrigiert. Da lediglich einen Tag zuvor das neue Bertelsmann-Wörterbuch erschienen war, kamen zusätzliche alternative Korrekturhinweise direkt aus München - unvollständig zwar, aber reform- und linientreu.

    Ich leitete damals eine neunte Jahrgangsstufe und hatte meine Schüler seinerzeit über die bevorstehende Reform aufzuklären. Durch ministerielles Rundschreiben war diese Aufgabe für Klassenlehrer der neunten Jahrgangsstufe verpflichtend gemacht worden. Ich hatte aufgeklärt, u.a. in einer kritischen Stunde in Anwesenheit des Schulrates (März 1996), wobei der Schulrat eine Stellungnahme vor der Klasse trotz Aufforderung verweigert und meine Kritik niemals weitergemeldet hatte...
    Ich war also damals persönlich betroffen im doppelten Wortsinne. Ich war fortan auch im Bilde über den aktuellen Stand der Debatte, das Tagesgeschehen und Fragen der Loyalität...

    Die Eröffnungskonferenz des Schuljahres 1996/97 brachte einen weiteren Höhepunkt. Hier stimmten die Lehrer darüber ab, ob an meiner Schule frühzeitig mit dem Unterrichten der Neuschreibung begonnen werden sollte (ursprünglich war ja der Termin 01.08.98 vorgesehen gewesen). Unsere Lehrerkonferenz entschied sich für die vorzeitige Einführung, denn Gegenargumente, daß die neue Rechtschreibung in der Gesellschaft Wirbel auslöse, wurden sehr schnell vom Tisch gewischt.
    Zwei Argumente sorgten statt dessen für satte Mehrheitsverhältnisse. a) In anderen Bundesländern hat man bereits begonnen. b) 1998 kommt die Neuschreibung sowieso. Warum sollten wir also zwei Jahre verschenken?

    Also führten wir ein! In Unkenntnis der Sache! Als Information diente ein zweiseitiger sogenannter Elternbrief (wird demnächst in diesem Forum präsentiert - bis heute ist die Herkunft unklar), der die Reform bagatellisierte und sie anpries wie eine warme Semmel. Das eigentliche Arbeitswerk das "Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums ... (KWMBI I 1996 So-Nr.1/1996)" wurde uns Ende September ausgeteilt. Wenige Tage später kam es auf der Buchmesse zur sogenannten Frankfurter Erklärung der Schriftsteller, Verleger und Wissenschaftler...

    Für einen Großteil der bundesrepublikanischen Lehrerschaft war das tatsächlich "zu spät", hatten sie sich doch selbst ins Netz verstrickt, durch so etwas ähnliches wie ein "Pogrom".
    "Pogrom" deshalb, weil die Meute aus eigenen Stücken wild geworden war - irgendwo saßen auch ein paar Einpeitscher - und weil kein amtlicher Befehl vorlag.

    Welch ein Konflikt? Welch ein politischer Zündstoff? Zeitungen berichteten nahezu täglich in mehrspaltigen Kolumnen.
    Und ich war Leiter einer Schülerzeitung und zwar im verflixten siebten Jahr!


    __________________
    nos


    eingetragen von Manfred Riebe am 21.03.2001 um 13.17

    Stellungnahme zum Schreiben des Regierungsschuldirektors

    1. Recht auf Akteneinsicht

    Herr Lämpel hat Anspruch auf Einblick in die Stellungnahme des Schulleiters der Realschule Feigerhansel sowie auf eine Kopie davon.

    2. Verbot von Information und Diskussion?

    Der Regierungsschuldirektor schreibt: "... ist es nicht Aufgabe der Schule, eine Diskussion über den Sinn einer Neuregelung der Rechtschreibung zu führen." Diese Aussage erweckt den Eindruck, als sei bei dem Herrn Regierungsschuldirektor die Zeit beim Obrigkeitsstaat stehengeblieben und als gelte das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit nicht, weil sich der Schüler in einem besonderen Gewaltverhältnis befinde. Der Regierungsschuldirektor lehnt einen "Elternbrief allen Eltern" ab, da es sich "in diesem Fall um eine seit Jahren eingeführte Rechtslage handelt und Eltern durch eine flächendeckende Information eher verunsichert würden."

    3. Konstruktive Zusammenarbeit mit gehorsamen Untertanen?

    Damit geht der Regierungsschuldirektor vom Bild eines gehorsamen Untertanen und nicht von dem eines mündigen Staatsbürgers aus. Er tut er so, als gelte das Grundrecht auf Informations- und Meinungsfreiheit nicht. Es ist daher scheinheilig, wenn der Regierungsschuldirektor um eine "konstruktive Zusammenarbeit mit der Schule" bittet.

    4. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur neuen Beliebigkeitsschreibung

    Der Regierungsschuldirektor schreibt: "Pädagogisch in höchstem Maße verwirrend und bedenklich ist zudem ein ständiger Wechsel zwischen der alten und neuen Schreibweise. Dann entsteht tatsächlich das von Ihnen in Ihrem Brief am 15.11.2000 beklagte "Rechtschreibechaos"."
    Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtschreibreform vom 14. Juli 1998 heißt es jedoch: "Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben." (Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 14. Juli 1998, Az.: 1 BvR 1640/97, S. 59).
    Das bedeutet, daß 90 Prozent der Bürger die traditionelle Rechtschreibung beibehalten, weil sie die neue fehlerhafte und fehlerträchtige Primitiv- und Beliebigkeitsschreibung ablehnen. Das dadurch ausgelöste Chaos zeigt sich auch in den Zeitungen. Es ist von den Kultusministern und ihren Reformern zu verantworten.

    5. Erziehung zur Demokratiefähigkeit und zur Demokratiebereitschaft

    Man bedenke, daß wir in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat leben und die Lehrer die Schüler zur Demokratiefähigkeit und zur Demokratiebereitschaft erziehen sollen. Dieser Regierungsschuldirektor, der eine Diskussion und eine Information der Eltern als den Erziehungsberechtigten unterdrückt, sollte vom Kultusministerium abgemahnt und zu einer Fortbildung geschickt werden und im Wiederholungsfall dorthin versetzt werden, wo er weniger Schaden anrichten kann.

    6. Das Grundrecht aller Bürger auf Informations- und Meinungsfreiheit

    Herr Lämpel kann den Schriftwechsel dem Elternbeirat, der Schülermitverwaltung, dem Personalrat, dem Förderverein, Elternvereinen und der Presse zukommen lassen.


    eingetragen von Norbert Lindenthal am 21.03.2001 um 12.11

    Lämpel, komm, wir wecken ihn. Er bekommt doch die Kohle, daß er wach ist im Dienst. Wir haben 2001. Vor 4 1/2 Jahren war etwa November 1995. Da sollte noch Apoteke und Packet geschrieben werden. Aber das war nicht in der Schule. Und nicht vor 6 Jahren. Das war beim Duden. Und die mußten eine teure vollständige Auflage zum Papierfritzen bringen.

    Und Lämpel, komm, wir schreiben es auch gleich den Mitschülern Deiner Tochter. Aufwachen ist auch für die gut.

    Und wenn dann die Eltern im Kreis um Dich stehen und meinen, Du sollst den gesunden Schulschlaf nicht stören, dann erzählen wir mal vom Volksentscheid in Schleswig-Holstein. Der war auch nicht vor 6 Jahren, sondern vor 2 1/2.

    Was sagt Deine Tochter dazu?
    __________________
    Norbert Lindenthal


    eingetragen von Stephanus Peil am 21.03.2001 um 11.18

    Wir kommen heute zum vorläufigen Schluß dieser Serie. Regierungsschuldirektor Knirsch antwortete am 15.3.2001:


    Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, Außenstelle Schulaufsicht, 15.03.2001


    Beschwerde über den Schulleiter der Realschule


    Sehr geehrter Herr Lämpel,

    ich bestätige den Erhalt Ihres Schreibens vom 05.03.2001, das mich am 08.03.2001 erreicht hat.

    Um den Sachverhalt umfassend beurteilen zu können, habe ich den Schulleiter der Realschule um eine Stellungnahme gebeten. Nach Kenntnis dieser Stellungnahme möchte ich folgende Vorbemerkungen machen:

    Nach der Verwaltungsvorschrift über die "Neuregelung der deutschen Rechtschreibung" des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung vom 10.07.1996 ist die "Neuregelung für alle Schulen verbindlich".

    Es heißt weiter in der Verwaltungsvorschrift::

    "Alle Lehrkräfte sollen einen raschen sicheren Umgang mit den Neuregelungen anstreben und diese ab Einführung der Neuregelung an der Schule in allen Texten anwenden, die sich an Schülerinnen und Schüler richten".

    Es ist daher völlig im Sinne dieser Vorschrift, wenn immerhin 6 Jahre nach der Einführung der Neuregelung die im Unterricht verwendete Rechtschreibung ausschließlich die der Neuregelung ist. Pädagogisch in höchstem Maße verwirrend und bedenklich ist zudem ein ständiger Wechsel zwischen der alten und neuen Schreibweise. Dann entsteht tatsächlich das von Ihnen in Ihrem Brief am 15.11.2000 beklagte "Rechtschreibechaos".

    Sie haben in der Sache recht, dass "Schreibungen, die nach der Neuregelung nicht mehr zulässig sind, nur als nicht mehr den Regeln entsprechend zu markieren, aber nicht als Fehler zu werten" sind.

    Von daher ist eine Verwendung der alten Schreibweise durch Ihre Tochter von der Schule nicht als Fehler zu werten, sondern nur zu markieren. Nachdem die Schule in ihrer Stellungnahme erklärt und in ihrem Brief am 20.12. 2000 auch Ihnen mitgeteilt hat, dass die fehlerhaft vorgenommene Korrektur zurückgenommen wurde, sehe ich in diesem Punkt Ihre Bedenken als beseitigt an.

    Die zweite von Ihnen gestellte Frage, ob die Rechtslage nicht auch als Elternbrief allen Eltern bekannt gemacht werden müsse, muss man sicherlich unter Abwägung des jeweiligen Zusammenhangs sehen. Da es sich in diesem Fall um eine seit Jahren eingeführte Rechtslage handelt und Eltern durch eine flächendeckende Information eher verunsichert würden, da es sich nach der Erfahrung der Schule auch eher um ein singuläre Erscheinung handelt, ist das Verhalten der Schule in keiner Weise zu beanstanden.

    Im übrigen ist es nicht Aufgabe der Schule, eine Diskussion über den Sinn einer Neuregelung der Rechtschreibung zu führen. Diese Diskussion muss an anderer Stelle Raum greifen.

    Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort gedient zu haben und bitte Sie um eine weitere und konstruktive Zusammenarbeit mit der Schule.

    Mit freundlichen Grüßen
    Im Auftrag

    (Armin Knirsch)


    Eine Antwort von Vater Lämpel an Herrn Knirsch ist in Vorbereitung, aber noch nicht abgeschlossen. Wollen die Leser dieser Seiten sich an der Auseinandersetzung mit der Schulaufsichtsbehörde beteiligen? Hier im Netz haben Sie die Gelegenheit dazu! Gegen sachdienliche Hinweise und Ratschläge aus der Leserschaft hat Lämpel nichts einzuwenden.


    eingetragen von Manfred Riebe am 21.03.2001 um 10.24

    Auszug aus dem Leserbrief eines verzweifelten Lehrers:

    "Als Lehrer in Nordrhein-Westfalen bin ich leider heute schon genötigt, die neue Regelung anzuwenden; ich hoffe auf die baldige Durchsetzung der zweiten Stufe der Rechtschreibreform: ihre Abschaffung."
    (Dr. Olaf Nüsser, Köln: Zeitgeschehen. Dem Leserauge wird mit einem "ß" geholfen. In: FAZ Nr. 215 vom 16.09.1997, S. 16).

    Dr. Olaf Nüsser, Frankfurter Str. 310 b, 51147 Köln, Tel. (02203) 6 54 55


    eingetragen von Stephanus Peil am 20.03.2001 um 18.26

    Lehrerin Hilde Barth klärt die Eninger Bevölkerung über die Hintergründe ihres vorzeitigen Ausscheidens aus dem Schuldienst auf:


    Eninger Heimatbote Nr. 77, 26.09.1997, S. 2


    Offener Brief
    Eningen, 25.09.97

    Sehr geehrte Eltern der
    Achalmschüler aus den
    Klassen 3 und 4 c/d!

    Aus gegebenem Anlaß möchte ich Sie als direkt Betroffene wahrheitsgemäß über mein Fernbleiben vom Unterricht informieren.

    Wenn es mit rechten Dingen zugegangen wäre, hätte ich meine Arbeit nach den Ferien wunschgemäß und meinen gesundheitlichen Möglichkeiten entsprechend als Klassenlehrerin mit allen Fächern außer Sport und TW an einem der vier dritten Schuljahre aufgenommen. Ermutigt durch den Erfolg der beiden letzten Schuljahre und durch den Wunsch mancher Kinder und Eltern, mich als Klassenlehrerin 1997/98 zu haben, wollte ich es trotz meiner Schwerbehinderung noch einmal wagen. Obwohl die Schulleiterin meine Situation seit Jahren genau kennt, hat sie mir ohne die gesetzlich vorgeschriebene Absprache (Fürsorgeerlaß des Schwerbehindertengesetzes) und entgegen meinem Wunsch einen Lehrauftrag zugeteilt, den ich nicht leisten kann. Der Schulamtsleiter hatte seine Zustimmung ebenso unter Mißachtung dieses Gesetzes gegeben. Mein Arzt mußte mich leider dienstunfähig schreiben. Ich bin nicht krank, wie aus der Achalmschule verlautet. Es tut mir leid für alle Kinder und Eltern, die sich auf mich als Lehrerin gefreut haben.

    Seit Anfang Juli laufen Verleumdungskampagnen gegen mich bis auf das Oberschulamt, wie ich erst kurz vor Schuljahrsbeginn erfuhr. Gegen die Initiatoren - es sind dies die Schulleiterin und 10 Klassenelternvertreter und -stellvertreter mit dem Gesamtelternbeiratsvorsitzenden, die ich nicht kenne, und von denen ich noch nie ein Kind unterrichtet habe - behalte ich mir Unterlassungsklagen bzw. Strafanzeigen vor. Alle ihre beleidigenden Vorwürfe kann ich mit Beweisen und Zeugen widerlegen.

    Diese Vorkommnisse haben meinen Gesundheitszustand derart verschlechtert, daß ich mich entschlossen habe, meine vorzeitige Zurruhesetzung zu beantragen.

    Seit meinen Initiativen gegen die sogenannte Rechtschreibrefonn werde ich von der Schulleiterin wegen angeblicher Dienstvergehen über das Staatl. Schulamt beim Oberschulamt angeklagt. Diese Vorwürfe sind inzwischen widerlegt, und die neue Rechtschreibung habe ich weisungsgemäß im letzten Schuljahr eingeführt. - Also stimmt es doch, was man immer wieder gehört und gelesen hat: Lehrer haben mit Repressalien zu rechnen, falls sie sich nicht unter diesen verfassungsrechtlich bedenklichen Erlaß der Kultusminister und daraus folgende Beschlüsse von Lehrerkonferenzen stellen. Einträge in die Personalakte, Androhungen von Disziplinarverfahren, Infragestellung der Weiterverwendung, schlechte Lehraufträge und Stundenpläne sind die Folge. Mit solchen obrigkeitsstaatlichen Methoden also dürfen 16 Kultusminister diese Reform in Deutschland weiterführen, obwohl sie nachweislich unsinnig, total mißlungen, chaotisch und von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt ist. Es ist ein Trauerspiel um unser Kulturgut Sprache und das Demokratieverständnis.

    Zum Schluß danke ich vielen Eltern ehemaliger Schüler, die mich mit Briefen, Anrufen und Bestätigungen meiner Schularbeit aus guter Erfahrung unterstützen gegen die widerwärtigen Angriffe.


    Mit freundlichen Grüßen
    Hilde Barth, Oberlehrerin


    eingetragen von Stephanus Peil am 20.03.2001 um 18.20

    Rektor Feigenhansel läßt die 14-Tage-Frist verstreichen, ohne sich schriftlich zu äußern. Deswegen macht Lämpel nun seine Androhung wahr, die übergeordnete Schulaufsichtsbehörde zu informieren. Er schreibt am 5. März 2001 dem Regierungsschuldirektor:


    Duldung der Mißachtung einer Verwaltungsvorschrift durch Schulleiter


    Sehr geehrter Herr Regierungsschuldirektor Knirsch,

    Auslöser einer in meinen Augen rechtlich unzulässigen Regelung als Ergebnis einer Vorgehensweise von pädagogisch höchst zweifelhafter Qualität war die Wertung eines Fehlers in einem Diktat meiner Tochter Isabell vom 31.10.00. Sie schrieb "daß" statt – wie gefordert – "dass". Nach erfolgloser Intervention beim unterrichtenden Lehrer wurde der "Fehler" aufgrund meines Schreibens vom 15.11.00 an den Schulleiter der Realschule, Herrn U. Feigenhansel, zurückgenommen und damit die Gültigkeit der entsprechenden Verwaltungsvorschrift (Übergangsregelung bis 2005) anerkannt. Gleichzeitig wurde mir jedoch von der Schulleitung schriftlich mitgeteilt, daß der unterrichtende Lehrer mit der Lerngruppe meiner Tochter in einer Mehrheitsabstimmung vereinbart hat, "dass, nachdem entsprechende Teile des neuen Regelwerkes besprochen und geübt wurden, die geänderte Rechtschreibung unbedingt anzuwenden ist", also jene eben noch anerkannte Vorschrift außer Kraft gesetzt wird.

    Diese durch Abstimmung der Schüler herbeigeführte Regelung, daß in der Klasse als Bewertungsmaßstab beim Diktat nur noch die amtliche Neuregelung gelten soll, widerspricht m. E. der Verwaltungsvorschrift vom 16. August 1996, in der es heißt: "Ab dem 1.8.1998 bis zum 31.7.2005 sind für Schülerinnen und Schüler Schreibungen, die nach der Neuregelung nicht mehr zulässig sind, nur als nicht mehr den Regeln entsprechend zu markieren, aber nicht als Fehler zu werten."

    Darauf wandte ich mich am 7.1.01 erneut brieflich an Herrn Feigenhansel und bat ihn um eine schriftliche Stellungnahme zu der von mir behaupteten Unverträglichkeit der Übereinkunft in der Klasse mit der Verwaltungsvorschrift, worauf er mich am 9.1.01 zu einer "finalen Aussprache" einlud. Da ich mich auf eine derartige Aussprache angemessen vorzubereiten gedachte, erbat ich mir am 11.1.01 vom Schulleiter zunächst eine schriftliche Diskussionsgrundlage, auf die ich trotz meiner Erinnerungsschreiben vom 4.2.01 und 18.2.01 noch immer vergeblich warte. Eine am 19.2.01 mündlich ergangene Mitteilung an meine Tochter, sie möge mir ausrichten, daß er keine Lust bzw. Zeit hätte, mein Schreiben zu beantworten, halte ich nicht für eine zufriedenstellende Reaktion.

    Deswegen wende ich mich heute an Sie mit der Bitte um Beantwortung meiner Fragen:

  • Kann die Vereinbarung in der Klasse die Verwaltungsvorschrift vom 16. August 1996 außer Kraft setzen, d. h. dürfen meiner Tochter und den anderen Schülern zukünftig Schreibweisen nach der bewährten traditionellen Orthographie als Fehler gewertet werden?
  • Falls nein, sollte dann nicht die geltende Rechtslage allen Eltern der Klasse per Elternbrief zur Kenntnis gebracht werden, da sie aus den Berichten ihrer Kinder von der Abstimmung einen anderen Eindruck gewonnen haben?

    Sollten Sie meine Auffassung teilen, bitte ich Sie um Mithilfe bei der Beilegung der Angelegenheit, da, wie oben dargelegt, meine Möglichkeiten erschöpft sind, wenn ich nicht einmal Antwort auf meine letzten Schreiben erhalte.

    Mit freundlichen Grüßen
    Fridulin Lämpel

    Anlage: Mein Briefwechsel mit Herrn Rektor Feigenhansel


    – geändert durch Stephanus Peil am 21.03.2001, 19:30 –


    eingetragen von Manfred Riebe am 19.03.2001 um 19.48

    Bundesweite Initiative "Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform"
    OStR Dipl.-Kfm. Manfred Riebe, Max-Reger-Str. 99, D - 90571 Schwaig bei Nürnberg
    Tel. (0911) 50 08 25, Fax: 50 80 07, Internet: http://www.raytec.de/rechtschreibreform/


    Eninger Heimatbote
    Panoramastraße

    72800 Eningen unter Achalm

    Schwaig, den 27.09.1997

    Leserbrief zum Offenen Brief von Oberlehrerin Hilde Barth. In: EH 26.09.97, S. 2

    Die beliebte, unbescholtene schwerbehinderte Lehrerin Hilde Barth informierte die Öffentlichkeit über die Mängel der Rechtschreibreform und gründete Ende Juni die "Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Baden-Württemberg". Und plötzlich entsteht gegen Ende ihrer untadeligen Schullaufbahn eine Disziplinarakte, deren Inhalt ihr wildfremde Menschen mitteilen! Weil ich viele Jahre Personalrat war und seit elf Jahren als Vertrauensmann der Schwerbehinderten tätig bin, nehme ich zu diesem Mobbing-Fall öffentlich Stellung. Immer wieder mißbrauchen manche Schul- und Schulamtsleiter ihre Macht, indem sie Schüler und Eltern zu sich bestellen, hinter dem Rücken der Betroffenen über Lehrer aushorchen, die Eltern mit falschen Informationen füttern und sie konspirativ zu schriftlichen Beschwerden gegen unbequeme Lehrer animieren. Das Beamtengesetz, die Allgemeine Dienstordnung und das Schwerbehindertengesetz werden nicht beachtet. Gerade schwerbehinderte Lehrer werden auf diese üble Weise psychisch fertiggemacht, um sie loszuwerden. Paragraph 25 Absatz 2 Schwerbehindertengesetz lautet: "Die Schwerbehindertenvertretung ist vom Arbeitgeber in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen Schwerbehinderten oder die Schwerbehinderten als Gruppe berühren, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung zu hören; die getroffene Entscheidung ist ihr unverzüglich mitzuteilen." Doch die Schulleitung hat weder die schwerbehinderte Pädagogin noch die Schwerbehindertenvertretung zu ihrem Arbeitseinsatz angehört, sondern den Stundenplan ohne Rücksicht auf die Art der Schwerbehinderung diktatorisch verfügt.
    Übrigens gehen im Fall der Rechtschreibreform die Kultusminister als Verfassungsbrecher und Rechtschreibdiktatoren mit schlechtem Beispiel voran und informieren die Öffentlichkeit falsch. Das Mitglied der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission, Prof. Horst Haider Munske (Erlangen), ist nun endlich aus der Rechtschreibkommission ausgetreten und hat den Rechtschreibschwindel aufgedeckt (SPIEGEL 22.09.97, FAZ 22.09.97, Nürnberger Nachrichten 26.09.97). Er habe nur eine behutsame Sprachpflege, aber keine radikale Sprachplanung gewollt. Er verurteile die "Überrumpelungsaktion" und den "Vereinfachungswahn", d.h. den Irrglauben, daß die Orthographie das "Herrschaftsinstrument" (KM Rolf Wernstedt) einer "elitären Bildungsschicht" sei und daß sich die Orthographie zugunsten einer "Unterschicht" so verändern lasse, daß Rechtschreibschwache weniger Fehler machen. Die Reform sei über die Köpfe des Volkes hinweg erfolgt. Das Ergebnis ist ein Rechtschreibchaos von über tausend Widersprüchen in den zehn verschiedenen Wörterbüchern. Daher forderte auch Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers die Kultusminister auf, sich von den "bildungspolitischen Lebenslügen der 68er" zu verabschieden. Nicht jeder Schüler sei gleich bildungsfähig, richtiges Lernen strenge an, und Schule sei "keine Spaßveranstaltung". Was wir Lehrer nicht begreifen können, ist, daß konservative Kultusminister und Ministerpräsidenten nicht bemerkt haben, daß sie sich vor den Karren gescheiterter, weltfremder Ideologen haben spannen lassen.

    Mit freundlichem Gruß

    Manfred Riebe

    Aus: Riebe, Manfred; Schäbler, Norbert; Loew, Tobias (Hrsg.): Der "stille" Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit, St. Goar: Leibniz-Verlag, 1997, 298 Seiten, S. 155


    eingetragen von Theodor Ickler am 19.03.2001 um 11.27

    Könnte man nicht einmal bei Fernsehsendern vorfühlen, ob sie diesen skandalösen Vorgängen nachgehen wollen? Ich bin zwar kein TV-Teilnehmer, aber ich erinnere mich, daß es früher mal eine ganze Reihe aufklärerischer Magazine gab ("Report" und "Panorama" oder so ähnlich).

    Übrigens wird "Interesse" auch nach der amtlichen Regelung und nach dem Duden von 1991 weiterhin "Inter-esse" getrennt; nur wenn man die Zusammensetzung nicht erkennt (aber wer von uns erkennt sie nicht?), kann man jetzt auch die minderwertige Trennung "Inte-resse" anwenden. Die Dudenredaktion findet sie "besonders sinnvoll", aber das ist ihre Privatmeinung, mit der sie sich vor aller Welt blamiert.
    __________________
    Th. Ickler


    eingetragen von Stephanus Peil am 19.03.2001 um 09.48

    Anlage zum Brief von Frau Hilde Barth, Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Baden-Württemberg, an die FAZ vom 7. August 2000:

    Kultusbehörde in Baden-Württemberg lobt "sehr harmonische" Umsetzung der RSR und verschweigt obrigkeitsstaatliche Disziplinierungsmaßnahmen gegen Tausende von Lehrern

    Die Schulleiterin bestellte sich zwei mir unbekannte Eltern, diktierte ihnen die für das Staatliche Schulamt nötigen "Elternklagen" als üble Verleumdungen, da es bisher keinerlei Beanstandung meiner Arbeit gegeben hatte. Ein durch die Rektorin vorsätzlich gefälschtes Protokoll einer Lehrerkonferenz (Straftatbestand, der nicht verjährt) mußte "Dienstvergehen" vortäuschen, um ein Disziplinarverfahren durch das Oberschulamt zu erwirken. Vorladungen durch den vorgesetzten Schulrat zum Dienstgespräch ohne Angabe von Gründen sollten mich einschüchtern. Mir war klar, daß ich Rechenschaft über meinen Entschluß gegen den kultusministeriellen Erlaß würde ablegen müssen. Davor fürchtete ich mich nicht. Sicherheitshalber nahm ich einen Personalrat mit zum Dienstgespräch. Ich durfte keinerlei Stellungnahme zur RSR abgeben! Der Schulrat erteilte mir zwei widerrechtliche Weisungen:
    => Weisung 1: Sofortige Beendigung meiner öffentlichen Aufklärungsarbeit als Lehrerinitiative. Ansonsten hätte ich mit einem Disziplinarverfahren zu rechnen.
    => Weisung 2: Umgehend sollte ich die RSR "in vollem Umfang" in meinem vierten Schuljahr einführen. Ansonsten sei die Weiterverwendung als Lehrerin im folgenden Schuljahr fraglich. Berufsverbot?
    Von meinem empörten Nein dem Schulrat gegenüber nahm ich per Telefax Abstand, "damit meine Schüler im folgenden Schuljahr keine Nachteile haben sollten". Hintergedanke: Während der letzten sechs Schulwochen gab es täglich eine Rechtschreibstunde. Jeder Schüler erhielt "Die Wörterliste" von Stephanus Peil. So genügte ich der total überzogenen unrechtmäßigen Weisung und konnte wenigstens mindestens 28 Schüler samt ihren Eltern mit den Mängeln der RSR bekanntmachen.

    Ich übergab die Angelegenheit einem Rechtsanwalt. Mit dem Rückhalt bei meiner Elternschaft (Protestbriefe an das Schulamt gegen die von der Schulleiterin im Ort in Umlauf gesetzten ehrabschneidenden Gerüchte) und bei allen vorhergehenden Elterngenerationen meiner Schüler konnte ich mit meinen 57 Jahren, zu 90 Prozent schwerbehindert, mit meinem guten Anwalt und glücklich verheiratet wagen, nicht vor der Kultusbürokratie einzuknicken. Was konnte mir schon Schlimmes passieren außer einer von mir selbst gegebenenfalls gewünschten vorzeitigen Zurruhesetzung aus gesundheitlichen Gründen?
    Auf dem Boden von Grundgesetz und Landesverfassung wollte ich als Bürger eines demokratischen Landes zusammen mit all den anderen Initiativen in Deutschland, in Österreich, in der Schweiz und sogar in Frankreich gegen die RSR weiterkämpfen. Die Aufklärungsarbeit meiner Initiative in vielen Zeitungen fand viel positives Echo enttäuschter Bürger aus allen Landesteilen. Mehrere Initiativen strebten, allerdings erfolglos, einen Volksentscheid an. Bei einer Unterschriftenaktion in Freiburg war ein Junglehrer aus Heilbronn. Er war sehr deprimiert: Er war vom Schulleiter durch karrierebedrohliche Maßnahmen unter Druck gesetzt worden, als er sich weigerte, die "irrsinnige" RSR einzuführen.
    Trotz mehrerer Mahnungen erhielt ich von der Schulleiterin die absichtlich extrem verspätete Zuteilung meines Lehrauftrages für das neue Schuljahr mit nie dagewesenen Schikanen im Stundenplan, Ablehnung des von mir gewünschten Lehrauftrags und das alles gegen den Fürsorge-Erlaß des Schwerbehindertengesetzes. Meine sofortige Dienstunfähigkeit war die Folge. Dies und die vorangegangenen Gemeinheiten hatten meinen Gesundheitszustand wider Erwarten dermaßen verschlechtert, daß ich mich trotz guten Willens und besten Anwalts nicht mehr in der Lage sah, einen Prozeß gegen die Schulverwaltung oder gegen die Verleumdungskampagnen zu führen. Mein Anwalt riet mir aus diesem Grund von einer Strafverfolgung ab, und ich mußte mich von meinem Arzt zum Leidwesen der mich erwartenden Schüler und Eltern dienstunfähig schreiben lassen.
    Aufgrund einer weiteren Diffamierungskampagne von Seiten der Schulleiterin wagte ich gegen den Rat meines Anwalts - solch ein Schritt widerstrebte mir auch zutieftst, aber ich sah keinen anderen Ausweg mehr, - die öffentliche Aufklärung der Eninger Elternschaft im Heimatboten*.
    Unsere christdemokratische Kultusministerin verbreitete Unwahrheiten über Funk und Fernsehen zu jeder sich bietenden Gelegenheit, daß die Lehrerin in Reutlingen Einsicht gezeigt habe, und es im ganzen Land keinen Widerstand gegen die RSR gäbe. Ich erhielt viele empörte Anrufe aus dem ganzen Land, jedoch am selben Tag vom selben "Propaganda"-Sender zwei Mal die Gelegenheit zum Widerspruch. Das ging durch die Presse, die einen großen Teil unseres Landes abdeckt. Mein Widerstand fand Erwähnung in DIE WELT und im SPIEGEL. Ohne Erfolg!
    Eines Samstagabends um dreiviertel acht Uhr erhielt ich einen überraschenden Anruf des o. a. Personalrats: Er informierte mich über die schlimme Neuigkeit, daß kürzlich das Oberschulamt ein Disziplinarverfahren gegen mich eingeleitet habe. Ja und? Was sollte der Anruf zu so ungewöhnlicher Zeit? Er wollte mir helfen, indem er mir einen "deal" mit dem Oberschulamt anbot: Ich sollte meine vorzeitige Zurruhesetzung beantragen, und "das Diszi ist vom Tisch". Daß ich nach Rücksprache mit meinem Schwerbehindertenvertreter aus anderen Gründen genau an diesem Samstag per Fax einen solchen Antrag an das Oberschulamt geschickt hatte, sagte ich dem Personalrat nicht.
    Eigentlich wollte ich noch zwei Jahre Dienst tun. Die durch "Mobbing" erzwungene vorzeitige Zurruhesetzung brachte mir finanzielle Einbußen: zwei Jahre entgangenes volles Gehalt und Verminderung meiner Rente auf Lebenszeit. Wer geht schon so ein Risiko ein?
    Interessante Unterschriftenaktionen aus dem schulischen Bereich:
    => DasKollegium eines Ulmer Gymnasiums hat geschlossen gegen die Reform unterschrieben.
    => Innerhalb von nur drei Tagen hatte in Reutlingen die Initiative "Wir Schüler gegen die Rechtschreibform" 500 Unterschriften von Schülern aller Schularten (Sonderschulen inbegriffen) gesammelt. Über 50 Schüler der Hauptschule in Eningen, darunter sehr viele Türken, hatten - gegen das Verbot ihrer Lehrer! (so werden Demokraten erzogen) - heimlich ihre Unterschrift geleistet. Auf dieselbe Art habe ich zahlreiche Unterschriften von Lehrern aus dem ganzen Land erhalten, die jedoch aus Angst vor einem Karriereknick keinen offenen Widerstand wagen.

    Lehrerdisziplinierung in Rheinland-Pfalz und Bayern:
    Mein Kollege Stephanus Peil ist in ganz Deutschland bekanntgeworden durch die verdienstvolle Gegenüberstellung des alten mit dem neuen Duden in "Die Wörterliste". Dadurch hat man schnell und deutlich einen Überblick über die sprachwissenschaftlich mißlungene sog. Rechtschreibreform. Als er sich weigerte, die Berichte in den Zeugnissen seiner Schüler in "neuer" Orthographie zu verfassen, wurde er von der Schulbehörde unter Druck gesetzt. Er konnte dem nervlich nicht lange standhalten, wurde krank und mußte sich mit 52 Jahren als Familienvater mit zwei Kindern vorzeitig pensionieren lassen. Seine Frau ist nicht berufstätig und hat daher kein Einkommen.
    Der Leiter der Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform in Bayern wurde von seinen Vorgesetzten in Aschaffenburg mit disziplinärer Verfolgung bedroht. Es wurde ihm nahegelegt, den Schuldienst zu verlassen, falls er die RSR nicht beachten wolle. Aber "natürlich ohne Bezüge". Dieser Kollege ist noch jünger als Herr Peil. Seine Zuckerkrankheit verschlechterte sich erheblich. Er nahm die Hilfe eines Anwalts in Anspruch und blieb im Dienst. Zum diesjährigen Schuljahrsende hatte er dem Schulleiter wie immer die Abschlußzeugnisse seiner Hauptschüler zur Unterschrift vorzulegen. Da zerriß dieser ein Zeugnis, weil "lnter-esse" neu "lnte-resse" zu trennen sei. Nach dem neuen Schülerduden sind jedoch im Gegensatz zum reformierten Duden 21. Auflage 9 und zum Praxisduden beide Trennungen wahlweise möglich.
    Der Kollege hat den Mut und die Kraft, den Behörden zu widerstehen, kam aber nicht umhin, gewisse Kompromisse einzugehen aus Rücksicht auf seine Familie.
    So wurden die neuen Regeln an den Schulen ohne Probleme "sehr harmonisch umgesetzt"! Das Schweigen der Lehrer im Lande erscheint jetzt wohl in einem anderen Licht.

    * Siehe nächste Folge.


    eingetragen von Stephanus Peil am 19.03.2001 um 08.43

    Anstelle einer schriftlichen Stellungnahme läßt Rektor Feigenhansel über Lämpels Tochter Isabell ihrem Vater folgendes mündlich ausrichten. Isabell hat ihre Unterredung mit Herrn Feigenhansel in Form eines Protokolls festgehalten:


    19. Februar 2001

    Protokoll über die Unterredung mit Herrn Schulleiter Feigenhansel am heutigen 19.2.01

    Zunächst gab ich, Isabell Lämpel, den Brief, den mein Vater mir zur Schule mitgegeben hatte, in der ersten Pause gegen 9.20 Uhr im Sekretariat ab. Die Sekretärin, Frau Schnut, nahm den Brief entgegen.
    Um ca. 12.20 Uhr teilte mir mein Klassenlehrer Höhne mit, daß ich aufs Sekretariat zu Herrn Feigenhansel kommen solle. Herr Feigenhansel bat mich in sein Büro. Während er an seinem Schreibtisch saß, auf dem der Brief von Papa lag, den ich heute morgen der Sekretärin übergab, teilte er mir folgendes mit, damit ich es meinem Vater ausrichten solle:

    Zunächst bemerkte er, daß die Schule kein Schauplatz für den Rechtschreibkampf sei. Seit 1998 seien rheinland-pfälzische Schulen verpflichtet, die neue Rechtschreibung zu lehren.

    Mein Vater und ich hätten recht bekommen, indem der "Fehler" daß zurückgenommen wurde. Das würde genügen. Aber im übrigen solle ich das in die Wirklichkeit umsetzen, was ich im Unterricht lernen würde. Wenn ich also von Herrn Strohkopf die neue Rechtschreibung beigebracht bekäme, müsse ich sie auch in der Schule anwenden.

    Herr Feigenhansel hätte keine Lust bzw. Zeit zur Beantwortung des Briefes. Er hätte sich ja bereiterklärt, mit dem Papa zu sprechen, aber der hätte wohl keine Zeit gehabt. Der Papa könne sich ruhig an die Schulaufsicht wenden, er würde dort sowieso „abblitzen". Er betonte zum Schluß nochmals, daß die Schule kein Schauplatz für den Rechtschreibkampf wäre.

    Die Auseinandersetzung mit dem Papa hätte im übrigen nichts mit mir zu tun, ich würde deshalb nicht diskriminiert und hätte deswegen auch keine Nachteile in der Schule zu erwarten.


    eingetragen von Stephanus Peil am 18.03.2001 um 18.03

    Da Hilde Barth nicht über die technischen Möglichkeiten verfügt, selbst Artikel ins Netz zu setzen, übernehme ich in ihrem Auftrag die Veröffentlichung ihrer Beiträge:

    Lehrerinitiative gegen die Rechtschreibreform Baden-Württemberg
    Hilde Barth, Markwiesenweg 46, 72800 Eningen unter Achalm
    Tel./Fax: (0 7121) 8 16 06
    den 7. August 2000

    Frankfurter Allgemeine Zeitung
    Herrn Dr. Günther Nonnenmacher
    Hellerhofstr. 2 - 4

    60327 Frankfurt

    Die Rechtschreibreform in Baden-Württemberg wurde von allen Lehrern "sehr harmonisch umgesetzt"* unter Androhung von Disziplinarmaßnahmen durch die Kultusbürokratie

    Sehr geehrter Herr Dr. Nonnenmacher,

    zuerst einmal möchte ich Ihnen von ganzem Herzen danken für Ihr Bekenntnis zu Sprachkultur und Demokratie. Die Rückkehr der F.A.Z. zur bewährten Rechtschreibung bedeutet für meinen Mann und mich eine immer noch unfaßbare Freude. Wir haben sie als einen Akt der Befreiung erlebt und Ihre Zeitung natürlich sofort ab 1. August abonniert.

    Wir hatten uns zähneknirschend schon beinahe damit abgefunden, daß die KMK die von ihr verordnete heillose Zwangsorthographie schließlich doch noch gegen alle Widerstände durchboxen könnte. Sie haben den deutschen Kultusministern dieses Konzept gründlich verdorben. Dafür sind wir unendlich dankbar nach den negativen Erfahrungen mit unserer Kultusministerin.

    Damit Sie verstehen können, was ich mit meiner Kommentierung des Zitats aus der "Welt am Sonntag" ausdrücken will, schulde ich Ihnen eine Erklärung. Ich persönlich empfinde die Behauptung unserer Kultusministerin, Frau Schavan, die Rechtschreibreform sei in Baden-Württemberg von allen Lehrern "sehr harmonisch umgesetzt worden", als einen schlimmen Witz und eine nachträgliche Verhöhnung. Aufgrund meines Widerstands bin ich ein Opfer dieser "harmonischen Umsetzung" geworden:

    Im Frühjahr 97 wurde in unserer Grund- und Hauptschule in Eningen die RSR eingeführt, aus unerfindlichen Gründen eineinhalb Jahre vor dem zwischenstaatlich vereinbarten Termin August 98. Aufgrund dieser Tatsache, und weil ich mein viertes Schuljahr in der Vorbereitung auf die weiter-führenden Schulen nicht mit neuen irrwitzigen Regeln verwirren wollte, verweigerte ich mich diesem Ansinnen und vertiefte stattdessen unter Berufung auf meinen Diensteid (Artikel 48 der Landesverfassung: "... zum Nutzen der Schüler ...") die gelernten Regeln. Einstimmig und dankbar hatte sich auch meine Elternschaft dafür ausgesprochen. Außerdem sollte ja bekanntlich zunächst nur bei Schulanfängern die RSR eingeführt werden.

    Bestätigt fühlte ich mich in meinem Rechtsverständnis durch Artikel 58 unserer Landesverfassung: "Niemand kann zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung gezwungen werden, wenn nicht ein Gesetz oder eine auf Gesetz beruhende Bestimmung es verlangt oder zuläßt." Der kultusministerielle Erlaß hat keine Gesetzesgrundlage.

    Dennoch sah ich mich eines Tages konfrontiert mit dem ganzen Register obrigkeitsstaatlicher Disziplinierungsmaßnahmen der Schulverwaltung. Wie es zur undemokratischen Amtsanmaßung der Kultusbürokratie kam, daß ich aus dem Schuldienst "gemobbt" wurde, möchte ich Ihnen so kurz wie möglich in der Anlage schildern. Wie die Kultusministerin die Landesbevölkerung belog, damit die Reform "sehr harmonische umgesetzt" werden konnte, zeigt die Rückseite des Briefes.

    Mit freundlichen Grüßen
    gez. Hilde Barth

    * WELT am SONNTAG vom 30. Juli 2000, S. 36


    eingetragen von Stephanus Peil am 18.03.2001 um 17.26

    Normalerweise wäre jetzt Rektor Feigenhansel wieder an der Reihe. Doch während er es mit der mündlichen Aussprache verdächtig eilig hatte, läßt er sich mit der schriftlichen Stellungnahme bedenklich viel Zeit, so daß Vater Lämpel sich zu einem Erinnerungsbrief entschließt, den er am 4. Februar 2001 an die Schulleitung schickt:


    Ihr Schreiben vom 9.1.2001
    Mein Schreiben vom 11.1.2001


    Sehr geehrter Herr Rektor Feigenhansel,

    es ist nun eine angemessene Frist zur Beantwortung meines Schreibens vom 11.1.2001 verstrichen, ohne daß ich eine schriftliche Stellungnahme der Schulleitung erhielt. Ich erlaube mir deshalb, meine Angelegenheit in Erinnerung zu rufen und erneut um eine Erklärung zu bitten, wie Sie mit den von mir bemängelten Defiziten in den angesprochenen Bereichen Demokratie und Pädagogik umzugehen gedenken.

    Mit freundlichen Grüßen
    Fridulin Lämpel


    Auch diese Erinnerung vermag Herrn Feigenhansel nicht zu einer schriftlichen Stellungnahme zu bewegen. Die Schulleitung scheint eine schriftliche Formulierung zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Lämpels Geduld geht zu Ende; er startet einen letzten Versuch und schreibt am 18. Februar 2001 der Realschule:


    Ihr Schreiben vom 9.1.2001
    Meine unbeantworteten Schreiben vom 11.1.2001 und 4.2.2001


    Sehr geehrter Herr Rektor Feigenhansel!

    Nachdem mein Schreiben vom 11.1.2001 noch immer - und das bereits seit fünfeinhalb Wochen - einer Antwort harrt, und auch mein Erinnerungsschreiben vom 4.2.2001 ohne Beantwortung blieb, erlaube ich mir, Sie ein drittes Mal um eine Antwort zu ersuchen.

    Mein Interesse an der Klärung der Angelegenheit ist zwischenzeitlich nicht geringer geworden. Für mich ist es weiterhin von grundsätzlicher Bedeutung, ob es rechtens ist, einen Klassenbeschluß herbeizuführen, der sich über Verwaltungsvorschriften hinwegsetzt. Lediglich meine Geduld neigt sich allmählich dem Ende zu.

    Ich darf Sie nunmehr um die Bestätigung des Eingangs meines Schreibens vom 11.1.2001 bitten und Sie sehr dringlich ersuchen, innerhalb der nächsten zwei Wochen schriftlich Stellung zu meinen unbeantworteten Fragen zu nehmen.

    Anderenfalls sähe ich mich dazu veranlaßt, mich mit der Bitte um Beratung an die nächsthöhere Schulaufsichtsbehörde wenden zu müssen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Fridulin Lämpel


    – geändert durch Stephanus Peil am 19.03.2001, 19:07 –


    eingetragen von Stephanus Peil am 17.03.2001 um 12.24

    Nun hat es Rektor Feigenhansel aber eilig! Er schreibt am 9. Januar 2001:


    Sehr geehrter Herr Lämpel,
    ich bestätige den Erhalt Ihres Schreibens vom 7. Januar 2001 und lade Sie zu einer finalen Aussprache über den Disputgrund und die in Ihrem o.a. Schreiben aufgestellten Forderungen ein.
    Als Termin schlage ich vor Montag, 15. Januar 2001, um 8 Uhr, damit auch Herr Strohkopf als betroffener Fachlehrer daran teilnehmen kann.

    Mit freundlichen Grüßen
    U. Feigenhansel


    Gemach! Dieses Tempo war selbst für Vater Lämpel zu höllisch, deshalb antwortete er am 11. Januar 2001:


    Ihr Schreiben vom 9.1.2001


    Sehr geehrter Herr Rektor Feigenhansel,

    vielen Dank für Ihre prompte Antwort, doch ich finde, zu einer „finalen Aussprache", also einem abschließenden Gespräch, ist es noch zu früh. Wenn dieses mehr ergeben soll als den Austausch bekannter Positionen, ist zuvor eine schriftliche Stellungnahme der Schulleitung, also Ihrerseits, erforderlich, wie Sie mit den von mir bemängelten Defiziten in den angesprochenen Bereichen Demokratie und Pädagogik umzugehen gedenken. Ihre Vorschläge können dann Grundlage eines Gespräches sein, zu dem ich mich gern in Ihrer Schule einfinden würde.

    Mit freundlichen Grüßen


    eingetragen von Stephanus Peil am 16.03.2001 um 01.25

    Die von Rektor Feigenhansel geforderte unbedingte Anwendung der Rechtschreibreform ließ Vater Lämpel nicht ruhen. Deshalb verfaßte er am 7. Januar 2001 folgenden Brief an die Schulleitung:


    Ihr Schreiben vom 20.12.2000


    Sehr geehrter Herr Rektor Feigenhansel,

    vielen Dank für Ihre Mithilfe bei der Umsetzung von Verwaltungsvorschriften im Zusammenhang mit der Rechtschreibreform. Natürlich bin auch ich bereit, die Arbeit der Schule zu unterstützen, solange dies Maßnahmen betrifft, die mit den geltenden Gesetzen und Verordnungen vereinbar sind und pädagogischen Grundsätzen genügen. Die von Herrn Strohkopf durchgeführte Abstimmung in der Klasse 9 über die Anwendung der neuen Schreibweisen und daraus abgeleitete Folgerungen können nicht dazugehören.

    1. Die Abstimmung ist unzulässig, das Ergebnis infolgedessen unbeachtlich bzw. rechtswidrig. Wie ich Ihnen bereits in meinem Schreiben vom 15. November 2000 ausführlich dargelegt habe, ist jeder Schüler innerhalb der Übergangsfrist bis zum August 2005 frei, auch die bisherigen Schreibungen anzuwenden, ohne daß ihm daraus Nachteile entstehen. Auf dieses Recht zu verzichten kann nur ein freiwilliger Akt jedes einzelnen Schülers sein. Der Entzug dieses Rechtes durch Mehrheitsentscheid einer Klassengemeinschaft ist unzulässig, weil diese dazu nicht berechtigt ist. Dies zu dulden hieße, den Schülern zu gestatten, die Verwaltungsvorschriften von Rheinland-Pfalz zu modifizieren.

    2. Die Abstimmung offenbart erschreckende Defizite im Verständnis von Pädagogik und Demokratie, und dies bei Personen, die nicht nur für die Ausbildung, sondern auch für die Persönlichkeitsbildung der ihnen anvertrauten Kinder verantwortlich sind. Zu den Aufgaben der Schule gehört es, den Schülern ein Höchstmaß an Urteilskraft zu vermitteln (und ihnen nicht Urteile vorzugeben und deren Übernahme zu fordern) und ihnen die Achtung vor jeder ehrlichen Überzeugung nahezubringen (und nicht solche Schüler auszugrenzen, deren Überzeugung von der des Lehrers abweicht). Zu einer demokratischen Erziehung gehört es, den Schülern vorzuleben, die Regeln der Demokratie anzuwenden (und nicht, sie sich für eigene Zwecke zurechtzubiegen). Daß auch Lehrer selbst die Achtung vor jeder ehrlichen Überzeugung praktizieren, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

    Wenn es Ihnen ernst ist mit all jenen Zielen, die im Schulgesetz unseres Landes festgelegt sind und die oben nur angerissen wurden, sollten folgende Maßnahmen veranlaßt werden:

  • Der Beschluß der Klasse 9 wird in der gleichen Form, also öffentlich vor der Klassengemeinschaft, die ihn faßte, aufgehoben bzw. für unwirksam erklärt, weil ihm die Rechtsgrundlage fehlte.
  • Die geltende Rechtsgrundlage (Wahlfreiheit der Schreibungen bis zunächst 2005) wird den Schülern und ihren Eltern schriftlich mitgeteilt, weil aus den Erzählungen ihrer Kinder ein anderer Eindruck entstanden sein könnte.
  • Eine Benachteiligung von Schülern, die ihren Überzeugungen folgend die bisherigen Schreibungen verwenden, wird in einer Erklärung von Herrn Strohkopf vor der Klasse ausgeschlossen.

    Ich bitte Sie herzlich, mich bei meiner Erziehungsarbeit zu unterstützen: Meine Tochter soll zu einer Persönlichkeit heranwachsen, deren Haltung u. a. bestimmt ist von der Achtung vor jeder ehrlichen Überzeugung, (weil sie ihr selbst entgegengebracht wird) und dem Eintreten für Recht und Demokratie, (weil sie beides als wesentliche Grundlage des friedlichen Zusammenlebens selbst erfährt). Ich bitte um Nachricht, ob Sie den vorgeschlagenen Reparaturmaßnahmen in Sachen Demokratieverständnis zustimmen, und wann diese veranlaßt werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Fridulin Lämpel


    eingetragen von Manfred Riebe am 15.03.2001 um 19.32

    Realschullehrer gegen Rechtschreibreform?

    Der stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundesvorstandes des Verbandes Deutscher Realschullehrer (VDR), Reinhard Labahn, forderte die Bundesvorstandsmitglieder des VDR auf, sich eine Meinung zur Rücknahme der Rechtschreibreform zu bilden und erklärte selbst, daß er jetzt für eine Rückkehr zur traditionellen Rechtschreibung und Grammatik eintrete. Seine private Meinung zur Rücknahme der Rechtschreibreform sei bisher aber nicht die Vorstands- oder gar Verbandsmeinung. Er wolle einer verbandsinternen Auseinandersetzung nicht vorgreifen. VDR-Vorsitzender ist Hans Thielen.

    --- HIER BEGINNT DIE WEITERGELEITETE NACHRICHT ---

    Von: R.Labahn@t-online.de (R.L.)
    Datum: 09.08.00, 14:20:40
    Betreff: Rechtschreibreform

    Schreiben des stellvertretenden Bundesvorsitzenden
    des Bundesvorstandes des Verbandes Deutscher Realschullehrer (VDR) vom 08.08.2000 an die Bundesvorstandsmitglieder des VDR

    "Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    ich habe, obwohl Deutsch nicht mein Fach ist, in letzter Zeit nicht nur die Diskussion über die Rechtschreibreform aufmerksam verfolgt, sondern auch die Auswirkungen dieser Reform auf unsere Schriftsprache. Nachdem ich vor einem dreiviertel Jahr noch der Meinung war, die RSR sei zwar nicht notwendig, aber auch nicht schädlich, und außerdem auch nicht zu verhindern, bin ich inzwischen zu der Ansicht gelangt, daß man doch etwas gegen diese Reform tun muß und daß das auch Aussicht auf Erfolg hat. Ich möchte deshalb anregen, daß der VDR, wenn wir uns darüber einigen können, öffentlich Stellung bezieht und sich für die Rückkehr zur traditionellen Rechtschreibung ausspricht.

    Mit herzlichen Grüßen

    Reinhard Labahn"

    --- ENDE DER WEITERGELEITETEN NACHRICHT ---

    "Es ist nie zu spät, Natur-, Kultur- und Sprachzerstörung, Entdemokratisierung, Korruption und Steuerverschwendung zu stoppen!" (VRS)


    eingetragen von Norbert Schäbler am 15.03.2001 um 17.26

    Eigentlich bin ich ein umgänglicher Mensch und habe Freude an Kommunikation und funktionierenden zwischenmenschlichen Beziehungen.
    Situationsspezifisch kann ich ruhig bleiben (sogar vermitteln), oder auch ausrasten - bis zum Eklat hin. Reagieren oder agieren tu ich so, wie es von außen erforderlich oder von innen her nötig ist, halt so, wie das Leben gerade spielt.

    Ein Lebensspiel erinnere ich besonders nachhaltig: "Die Rechtschreibreform".
    Hier war ich - wie auch sonst - am Anfang sachlich, später energisch, am Ende zynisch, und dann: mochte mich gar keiner mehr von den Kollegen - und die Schuldfrage ist bis heute nicht endgültig geklärt.
    "Sauber" - war ich jedenfalls auch nicht.
    Am Anfang habe ich sehr viel gesprochen mit meinem Rektor. Manchmal war ich sein verlängerter Arm im Kollegium, einer, der den Stundenplan erstellen, das Schulleben ankurbeln, Kontakte zu Eltern herstellen, vermitteln, informieren und weiß Gott noch was sollte.
    Durfte?
    Wenn ich meinem Rektor im Schuljahr 1996/97 die neuesten Kenntnisse über den Stand der Rechtschreibreform im ca. zweiwöchigen Turnus darbot, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen, äußerte sich unmißverständlich und animierte mich zu weiteren Nachforschungen.
    Der Wunsch wurde ihm erfüllt, und ich versprach, einige Erkenntnisse in "meiner" Schülerzeitung zu publizieren. Für den Fortbestand dieser Schülerzeitung - und zwar an einer Hauptschule! - hatte ich sieben Jahre lang Sorge getragen. Heute darf ich das nicht mehr. Die Zeitung existiert nicht mehr.

    Im Schuljahr 1996/97 wurden unter meiner Regie ausnahmsweise zwei Schülerzeitungen veröffentlicht.
    In der ersten Ausgabe nahmen sich die Schüler des Problems "neue Rechtschreibung" an und stellten im Dezember 1996 fest, daß sich die Lehrerschaft recht unentschieden zur Rechtschreibreform stellte (13 pro - 2 Enthaltungen - 13 contra).
    In der zweiten Ausgabe betrieb ich selbst Aufklärung, unter anderem deshalb, weil die damaligen Äußerungen der Lehrer mehr auf emotionalen Beweggründen fußten. (genaue Aussagen demnächst auf dieser Seite unter dem Fortsetzungsthema "Schülerzeitung")
    Hier, das Ergebnis "meiner" Einmischung: Ab diesem Zeitpunkt waren alle meine Kollegen für die Rechtschreibreform! Sie waren PRO Reform - offen bekennend - grüßten mich von da ab etwas seltener, und mein Rektor sowie der Schulrat rieten mir dringend, fortan das Thema RSR nicht mehr im Kollegium zu aktualisieren und verboten mir, das Schwarze Brett zu benutzen.

    Letzteres hat mich dreieinhalb Jahre nicht sonderlich gejuckt. Wiederholt habe ich einige wichtige Aufzeichnungen im Lehrerzimmer auf dem großen Tisch liegenlassen. Manchmal hatte ich auch einen heimlichen Verbündeten, der eine Kopie meiner "vergessenen" Unterlagen am Schwarzen Brett befestigte - manchmal mußte ich das auch selbst tun.
    Mitgenommen aber hat mich die Tatsache, daß selbst heute noch das Thema RSR an meiner Schule tabuisiert ist, daß sich meine heimlichen Mitstreiter in den beiden ersten Jahren nach dem "Eklat Schülerzeitung" nicht zu erkennen gaben, daß ich meiner sämtlichen damals an mich herangetragenen Pflichten postwendend enthoben wurde, und daß sich nicht eine einzige der zahlreichen "Freundschaften" bewährte.

    Das war sicherlich an vielen anderen Schulen anders. Es ist ja auch nicht an jeder Schule ein derartiger Quer- und Sturkopf.


    __________________
    nos


    eingetragen von Theodor Ickler am 15.03.2001 um 13.51

    Diese Berichte aus der Schulpraxis sind sehr interessant und gehören an die Öffentlichkeit. Auch mir ist aus Schulen bekannt geworden, daß übereifrige Lehrer diesen Trick anwenden: "Ich kann euch zwar nicht zwingen, die Neuschreibung zu GEBRAUCHEN, ich kann euch aber zwingen, sie als Unterrichtsgegenstand zu LERNEN. Dann frage ich eure Kenntnis der neuen Regeln ab, indem ich euch ein Diktat oder einen Aufsatz in Neuschreibung schreiben lasse. Das ist eine Lernzielkontrolle, bezogen auf den Unterrichtsgegenstand Reformorthographie, nicht auf den eigenen Gebrauch."

    Glücklicherweise sind die Schulen, die mein jüngsten Töchter zur Zeit besuchen, weit von solcher Niedertracht entfernt. An der Grundschule werden ausschließlich Bücher in "alter" Rechtschreibung benutzt, und am Gymnasium hat meine Tochter nur ein einziges Buch (ausgerechnet eines der langweiligen Sprachbücher von Schoebe) in Neuschreibung. Man schreibt ein bißchen ss und läßt im übrigen Gott einen guten Mann sein.


    eingetragen von Stephanus Peil am 15.03.2001 um 10.54

    Von der Schulleitung erhielt Vater Lämpel am 20.12.2000 folgende Antwort:


    Sehr geehrter Herr Lämpel,

    Ich bestätige Ihr Schreiben vom 15.11. d. J. und möchte Ihnen mitteilen, dass der Fachlehrer bezugnehmend auf die Verwaltungsvorschrift zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung vom 16. August 1996 die Fehlerzahl im Diktat Ihrer Tochter auf 6R/1Z ändert.(*) Eine Auswirkung auf die Note ergibt sich daraus nicht. Zukünftig bitte ich auch Sie herzlich, uns bei der schulischen Arbeit zu unterstützen und auch bei der Durchsetzung der Vereinbarung mit der Klasse Ihrer Tochter zu helfen. Mit der Lerngruppe wurde vereinbart, dass, nachdem entsprechende Teile des neuen Regelwerkes besprochen und geübt wurden, die geänderte Rechtschreibung unbedingt anzuwenden ist.

    Mit freundlichen Grüßen
    U. Feigenhansel



    (*) Anmerkung von Fridulin Lämpel: Der "Fehler" daß wurde zurückgenommen.


    eingetragen von Manfred Riebe am 14.03.2001 um 13.32

    In folgender Dokumentation von 21 Initiativen gegen die Rechtschreibreform findet man auch Dokumente von Lehrern, die aktiven Widerstand gegen die Rechtschreibreform leisteten:

    Riebe, Manfred; Schäbler, Norbert; Loew, Tobias (Hrsg.): Der "stille" Protest. Widerstand gegen die Rechtschreibreform im Schatten der Öffentlichkeit, St. Goar: Leibniz-Verlag, 1997, 298 Seiten.

    Verleger Matthias Dräger wollte bereits im Frühjahr 1998 eine zweite Auflage herausgeben, aber er kam vor lauter Kampf gegen die Rechtschreibreform bisher nicht dazu.


    eingetragen von Stephanus Peil am 14.03.2001 um 11.09

    Die Durchführung der Rechtschreibreform in der Schule stößt nicht nur bei Lehrern auf Widerstand, auch bei den Schülern kann eine Opposition festgestellt werden.

    Lehrer Lämpel hat eine 15jährige Tochter, die die Klasse 9 der Realschule besucht. Die Tochter verließ sich auf die Aussage ihres Vaters: "Wenn Du die bisherige Schreibung, die Du gelernt hast, beibehalten willst, so tue es, Du kannst es noch bis 2005, ohne daß Dir ein Fehler angerechnet werden kann!" Eines Tages kam sie mit einem Diktat nach Hause. Sie hatte "daß" mit Eszett geschrieben. Das Eszett war unterstrichen, der Fehler wurde gezählt. Anlaß genug zu folgendem Schreiben Lämpels an den Rektor:


    15.11.2000

    Wertung eines Wortes in traditioneller Schreibweise als Rechtschreibfehler
    Bitte um schriftliche Stellungnahme

    Sehr geehrter Herr Rektor Feigenhansel,

    wie ich Ihnen am 8.11.00 bereits telephonisch mitteilte, schrieb am 31.10.2000 unsere Tochter Isabell bei ihrem Deutschlehrer Christian Strohkopf ein Diktat, das sie uns am 7.11.00 korrigiert vorlegte.

    Dabei fiel mir die Kennzeichnung und Wertung eines Rechtschreibfehlers auf (die Konjunktion daß wurde von Isabell mit Eszett geschrieben), die m. E. nicht mit dem Amtsblatt Nr. 10 aus dem Jahre 1996 im Einklang steht, zumal Herr Strohkopf im davor geschriebenen Aufsatz das scharfe ß in dem Wort Fluß zwar als Fehler markierte, aber ihn nicht als solchen wertete (das Rechtschreibfehlerzeichen am Heftrand wurde vom Lehrer eingeklammert).

    In der Verwaltungsvorschrift zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung im Amtsblatt der Ministerien für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung und für Kultur, Jugend, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz vom 16. August 1996 heißt es unter Punkt 2: "Ab dem 1.8.1998 bis zum 31.7.2005 sind für Schülerinnen und Schüler Schreibungen, die nach der Neuregelung nicht mehr zulässig sind, nur als nicht mehr den Regeln entsprechend zu markieren, aber nicht als Fehler zu werten."

    Da ich zunächst annahm, daß Herrn Strohkopf der Fehler im Alltagsstreß ohne Absicht unterlaufen sei, rief ich ihn in dieser Angelegenheit am 8.11.2000 an. Er erklärte mir, daß er lt. einer anderen Verwaltungsvorschrift das, was er mit den Schülern eingeübt habe, so auch abfragen könne und dies auch getan habe. Deshalb nehme er die Wertung des Fehlers nicht zurück. Meine Frage, warum im Aufsatz der "Fehler" Fluß nur gekennzeichnet, im Diktat der "Fehler" daß aber gewertet wurde, würde sich durch diese Verwaltungsvorschrift erübrigen. Die von Herrn Strohkopf genannte Vorschrift würde meine oben zitierte überlagern bzw. ihr gegenüber vorrangig sein. Es bestehe deshalb ein Unterschied in der Korrekturhandhabung zwischen Aufsatz und Diktat.
    Eine derartige Vorschrift ist mir nicht bekannt, sie würde ja auch der von mir angeführten Verwaltungsvorschrift vom 16.8.1996 zuwiderlaufen. In der zuletzt genannten wird kein Unterschied gemacht zwischen den Schreibungen innerhalb eines Diktates und eines Aufsatzes, sondern es heißt dort allgemein, daß (alle) Schreibungen, die nicht nach den neuen Regeln abgefaßt wurden, aber den traditionellen Rechtschreibregeln entsprechen, nicht als Fehler zu werten seien.
    Deshalb wäre ich Ihnen zu großem Dank verbunden, sehr verehrter Herr Rektor Feigenhansel, wenn Sie zu dieser Angelegenheit schriftlich Stellung nähmen. Besonderen Wert lege ich auf die Einsichtnahme in die von Herrn Strohkopf angeführte Verwaltungsvorschrift oder in die Rechtsgrundlage, auf der das Handeln des Lehrers fußt.

    In diesem Zusammenhang seien mir zwei längere Zitate aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestattet (verkündet durch den Ersten Senat am 14.7.1998):
    Durch den Erlaß zur Einführung der Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein (der ja inhaltlich mit dem in Rheinland-Pfalz übereinstimmt) werden nach Ansicht des BVerfGs "auch Grundrechte der die Schule besuchenden Kinder berührt. Diese haben nach Art. 2 Abs. 1 GG ein Recht auf eine möglichst ungehinderte Entfaltung ihrer Persönlichkeit auch im Bereich der Schule und damit Anspruch auf eine Entfaltung ihrer Anlagen und Befähigungen im Rahmen schulischer Ausbildung und Erziehung. (...) Außerdem können sie nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verlangen, daß der Staat bei der Festlegung der Unterrichtsinhalte auf ihr Persönlichkeitsrecht Rücksicht nimmt." (S. 52 des Urteils)
    Weiterhin heißt es auf S. 57/58 des Urteils:
    "... der Erlaß vom 5. November 1996 enthält Übergangsregelungen, die den Belangen der Schüler angemessen Rechnung tragen. Danach wird in der Zeit bis zum 31. Juli 1998 die neue Schreibung neben der alten als korrekt akzeptiert und vorrangig verwendet. Die Verwendung bisheriger - im Erlaß als überholt bezeichneter - Schreibweisen wird also nicht untersagt, wenn auch nicht mehr geübt und - so gesehen - nur noch geduldet. Dem entspricht es, daß bei der Beurteilung schriftlicher Leistungsnachweise nur solche Schreibungen als Fehler gewertet werden, die auch nach der Neuregelung nicht zulässig sind. Auch schriftliche Arbeiten in traditioneller Schreibung führen demnach nicht zu Nachteilen für Schülerinnen und Schüler. Im Ergebnis wird daran auch für die Zeit vom 1. August 1998 bis zum 31. Juli 2005 festgehalten, weil der Erlaß für diese zweite Übergangsphase vorsieht, daß bisherige Schreibweisen weiterhin nicht als falsch, sondern lediglich als überholt gekennzeichnet , allerdings nunmehr bei Korrekturen durch die neuen Schreibweisen ergänzt werden. Erst vom 1. August 2005 an sollen danach die neuen Rechtschreibregeln und Schreibweisen in den Schulen in dem Sinne verbindlich werden, daß Abweichungen davon in schriftlichen Leistungsnachweisen sich auf die Benotung negativ auswirken. Doch soll auch dies nur der Fall sein, wenn die Kultusministerkonferenz von der in dem Beschluß vom 30. November/1. Dezember 1995 vorbehaltenen Möglichkeit, die Übergansfrist zu verlängern, keinen Gebrauch macht. Auch diese Regelung zeigt, daß Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein behutsam und schonend in einer langen Phase des durch das Nebeneinander von alter und neuer Schreibung gekennzeichneten Übergangs an die letztere herangeführt werden sollen ." (Zur Verdeutlichung habe ich die mir wichtigen Textstellen durch Fettschrift hervorgehoben.)

    Es ist uns Eltern völlig unverständlich, daß unsere Tochter von der Schule zu einer unüblichen, künstlichen Schreibweise gezwungen werden soll, die weder wir Eltern anwenden noch die Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung, schon gar nicht die bekanntesten Schriftsteller (Günter Grass, Siegfried Lenz, Günter Kunert, Martin Walser, Reiner Kunze u. v. a. m.), Germanisten und Literaturprofessoren (siehe auch die Erklärung in der beigefügten Wörterliste von Stephanus Peil, S. 43). Sogar die angesehene Frankfurter Allgemeine Zeitung kehrte zur traditionellen Schreibweise zurück. Wenn selbst die Kultusminister eine Übergangszeit bis 2005 festlegten, in der beide Orthographien gültig sind, dann frage ich mich, warum bei meiner Tochter dennoch die herkömmliche Schreibweise als Fehler angerechnet wird.
    Für die Berufsbildende Schule, die unser Sohn Bernhard besucht, scheint das Problem "daß/ss" nicht zu bestehen. In der Anmeldung ihres Bruders zur Ski-Freizeit vom 13.11.2000 liest Isabell durchgängig daß mit scharfem s, also die bewährte traditionelle Orthographie! Wie soll unsere Tochter mit diesem Rechtschreibchaos zurechtkommen?

    Und wie verhält es sich mit der Korrekturgrundlage (siehe dazu die Wörterliste S. 35)? Herr Strohkopf teilte mir am Telephon mit, daß er sich an den Rechtschreib-Duden, 21. Auflage (nach eigenen Angaben für mindestens 10 Jahre) halte, die 22. Auflage unterscheidet sich aber in vielen Fällen von diesem und erklärt bisherige Schreibweisen (z. B. wiedersehen [im Sinne von erneut begegnen] statt wieder sehen oder jmdm. spinnefeind sein statt Spinnefeind sein) wieder für gültig!

    Lassen Sie mich zum Schluß noch auf die offene Abstimmung innerhalb der Klasse 9 eingehen, die Herr Strohkopf (wahrscheinlich aufgrund meines Anrufes) am 9.11.2000 durchführte: Die Frage war, ob nach Durchnahme der Rechtschreibreform im Unterricht zukünftig Diktate nur nach dieser korrigiert werden soll. Isabell stimmte als einzige gegen diese Korrektureinschränkung Herrn Strohkopfs.
    Sehr stark zweifle ich an, daß eine derartige Abstimmung innerhalb einer Klasse die amtlichen Korrekturrichtlinien entkräften und ersetzen und auf diesem Wege zur Korrekturgrundlage erhoben werden könne. Dies gilt selbst für den unterstellten Sachverhalt, daß alle Schüler bei einer Abstimmung wünschen würden, daß künftighin ausschließlich eine Korrektur nach den Regeln der neuen Rechtschreibung erfolgen solle. Dann nämlich wäre im umgekehrten Falle (Schüler möchten künftighin nach alter Rechtschreibung korrigiert werden) rechtlich völlige Gleichbehandlung vonnöten.
    Genau gegen derartige Beliebigkeit wenden sich jedoch die amtlichen Korrekturrichtlinien. Ein Sonderrecht für die Klasse meiner Tochter kann somit nicht abgeleitet werden und scheitert nicht zuletzt an meiner Zustimmung.
    Letztlich möchte ich die pädagogische Zielsetzung Herrn Strohkopfs hinterfragen. Auch wenn er ein überzeugter Vertreter und Verfechter der neuen Rechtschreibung sein sollte, ist es ihm nicht gestattet, während des Erprobungszeitraumes bis zum Jahre 2005 Druck und persönliche Zwänge auszuüben, die nicht einmal der Dienstherr in dieser Form genehmigt. Das kommt im Motiv einem vorauseilenden Gehorsam und in der Zielrichtung einer Entmündigung und Einschüchterung des Zöglings gleich. Meine Tochter Isabell fühlte sich nach der Abstimmung am 9.11.2000 diskriminiert und in die Ecke getrieben. Sie hat nun Angst, in Zukunft die bewährten klassischen Rechtschreibregeln anzuwenden.
    Gegen derartige Auswüchse falsch verstandener Pädagogik verwahre ich mich im Namen meiner Tochter mit allem Nachdruck.

    Mit der nochmaligen Bitte um Ihre schriftliche Stellungnahme und um Bekanntgabe der Verwaltungsvorschrift, auf die sich Herr Strohkopf beruft, sowie in der Hoffnung, daß dieses Schreiben keine negativen Auswirkungen auf die Behandlungsweise und Beurteilung meiner Tochter durch Herrn Strohkopf haben wird, verbleibe ich

    mit freundlichem Gruß
    Fridulin Lämpel


    – geändert durch Stephanus Peil am 16.03.2001, 15:59 –


    eingetragen von Norbert Schäbler am 13.03.2001 um 15.33

    Schlimm finde ich, daß niemand die Großtat der Kultusminister so richtig würdigen kann... Und die Minister selbst sind viel zu "bescheiden" für ein Eigenlob - oder aber, sie wissen nicht, was sie da "angerichtet" haben. Das hat ja einmal der Herr Zehetmair (MdL, Bayern) in einem Spiegelinterview halbwegs zugegeben.

    Meine Untersuchungen, die sich eignen, den Nachweis einer Großtat zu dokumentieren - sie sind hier unter dem Stichwort "Vokabelheft" angeführt - basieren nicht auf wissenschaftlichen Methoden.
    Außerdem war das Führen meines Vokabelheftes ursprünglich auch nicht vorgesehen für Zwecke statistischer Erhebungen, sondern lediglich als begleitende Unterrichtsmaßnahme.
    Die Einführung des Vokabelheftes war merk- und denkwürdig, aber von der Idee her absolut integer und ideologisch nicht vorbelastet. Sie datiert aus dem Schuljahr 1994/95, als ich zum vierten Male die Schulart wechselte und von der Grundschule wieder in die Hauptschule zurückkehrte. Zum einen war ich damals noch vollgespickt mit Grundschulmätzchen, zum anderen war die allgemeine Wissensbasis meiner neuen Zöglinge - im Vergleich zu meinen Grundschülern sowie zu den einst an den Arbeitsmarkt abgegebenen Hauptschülern - ziemlich ausgedünnt.
    Das Projekt "Vokabelheft" widmete sich zunächst handlungsorientierten Begriffen, weil die Schüler weniger zu meinem - viel mehr noch zu ihrem eigenen - Leidwesen manche sinnvollen Ratschläge nicht ausführen konnten.
    Parallel dazu tauchten Fachbegriffe aller Unterrichtsfächer und auch die im Unterricht verwendeten Lehn- und Fremdwörter auf, die nicht von allen Schülern verstanden wurden. Die oberste Regel hieß: Alle Schüler sind verpflichtet zur "Wortsammelarbeit".

    Eines der ersten Worte im Vokabelheft war das Wort "Querformat", und nach intensiver, längerer Diskussion des Begriffes entschieden wir uns für die - jedem Schüler zugängliche - Veranschaulichung des Wortes: "Querformat"= "Seite oben dicker" (entsprechend: "Hochformat"= "Seite rechts oder links dicker").
    Das aber waren wohl die einzigen flapsigen Bemerkungen des Vokabelheftes, denn es war wirklich als Arbeitsheft gedacht, das viele Möglichkeiten eröffnete: Im Wochenrückblick konnten Fachtermini wie "Molekül, Modell, Meuterei, Term, Addition..." oder auch häufig verwendete Begriffe wie "Motiv, Literatur, Zentrum, Intelligenz, Routine..." abgerufen werden. Daneben erweiterte es den aktiven Wortschatz, und selbst die alphabetische Auflistung wurde eingeübt.

    1996/97 hätten die Kultusminister um ein Haar mein Projekt "Vokabelheft" gesprengt. Im Prinzip taten sie das auch, denn nun reichte ein Doppelheft nicht mehr aus, und die Schüler mußten sich eine Kladde mit mindestens 60 Einzelblättern anschaffen.
    Bei der Anlegung des Heftes suchten wir im Unterricht gemeinsam die Mitte = Blatt 30 auf, schrieben daselbst mit Kapitälchen das Wort "Deutsch" und dann ebenfalls in Kapitälchen über die linke Spalte "ND" (=Neu-Deutsch) und über die rechte Spalte "BD" (= bisheriges Deutsch).
    Ich muß gestehen, daß ich ein bißchen voreingenommen war, zum einen, weil ich bei der Wortsammelarbeit die ketzerische Peil`sche Wörterliste einsetzte, die sich insbesondere für Hausaufgaben und Analogiebildungen besonders gut eignete, zum anderen, weil ich später eine andere Übersetzung für die "BD-Spalte" anbot. Die frevelnden Worte "bewährtes Deutsch" hatten mir die Schüler allerdings - aufgrund ihrer reifenden Erkenntnisse - vorher in den Mund gelegt.

    Gewundert habe ich mich einmal über die Schlagfertigkeit eines meiner schwächsten Schüler. Bei der Korrektur seines Vokabelheftes fiel mir auf, daß er die linke Spalte mit "DD" überschrieben hatte. Ich stellte ihn zur Rede und bat um eine amtliche Erklärung.
    "Wissen sie das wirklich nicht? Das heißt Dummdeutsch!" frohlockte er. Innerlich mußte ich grinsen, aber ich bin ja auch nicht auf den Mund gefallen und antwortete so "cool" wie möglich: "Dann wäre das ja genau das Richtige für Dich!" "Nee", entgegnete er, "so dumm bin ich auch wieder nicht!"

    Und das ist die eigentliche Großtat der KMK. Sie wurde vollbracht an meinem Christoph.
    Leider habe ich nicht einmal eine Tonbandaufzeichnung als Beleg.



    [Geändert durch Norbert Schäbler am 14.03.2001, 17:05]
    __________________
    nos


    eingetragen von Stephanus Peil am 12.03.2001 um 20.30

    Dieser störrische Kollege Schäbler! Weigert sich doch tatsächlich, Zeugnisse im Neudeutsch abzufassen!

    Das erinnert mich an Lehrer Lämpel, der während der Zeugniskonferenz zur Erstellung der Halbjahreszeugnisse im Januar 1999 darauf hingewiesen wurde, daß die Zeugnisse in Kultusministerschreibweise abzufassen seien. Lämpel gingen ähnliche Gedanken wie dem Kollegen Schäbler durch den Kopf: Man könnte die Rechtschreibreform umschiffen, indem man keine reformrelevanten Wörter benutzte und dafür Synonyme wählte bzw. den Satzbau änderte, also eine Vermeidungsstrategie benutzte. Lehrer Lämpel verwarf jedoch diese Überlegungen und stellte sich stur: Er weigerte sich, die Verbalbeurteilungen der Kopfnoten Verhalten und Mitarbeit in neuer Orthographie abzufassen. Dabei berief er sich auf den Erlaß des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung vom 1.8.96, in dem es heißt, daß die neue Rechtschreibung anzuwenden sei "in allen Texten, die sich an Schülerinnen und Schüler richten". Da nach Auffassung von Lehrer Lämpel Zeugnisse nicht nur für die Grundschulkinder, sondern in erster Linie für die Eltern geschrieben werden, teilte er seine Weigerung schriftlich am 18.1.99 seiner Schulleiterin nach ihrer vorausgegangenen Bitte um Begründung mit. Diese schriftliche Erklärung (siehe unten) reichte die Schulleiterin am 22.1.99 auf dem Dienstweg weiter an die übergeordnete Dienststelle. Einige Tage später teilte die Schulleiterin Herrn Lämpel mündlich einen Termin bei der Bezirksregierung mit. Der sich weigernde Lehrer müsse sich dort vor der Schulrätin und einem Rechtsexperten der Bezirksregierung verantworten. Diesen Termin konnte Lämpel wegen seines Gesundheitszustandes nicht wahrnehmen. Für ihn stellte dieser Konflikt nämlich eine zu große seelische und körperliche Belastung dar, der er nicht gewachsen war, so daß er ab diesem Zeitpunkt auf Dauer krankgeschrieben und in der Folge frühpensioniert wurde.

    ______________


    ERKLÄRUNG vom 18.1.1999

    Da die rechtliche Verbindlichkeit der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung nach dem Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14.7.1998 auf den Bereich der Schule beschränkt ist (vgl. S. 59 des Urteils), so daß Personen außerhalb dieses Bereichs rechtlich nicht gehalten sind, die neuen Schreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden, erhebt sich für mich die Frage, ob Lehrer und Schüler im Staat des Grundgesetzes immer noch Bürger 2. Klasse oder minderen Rechts sind, für die die Grundrechte nicht in vollem Umfang gelten. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts ist in seinem Urteil jedenfalls mit keinem Wort auf die grundrechtliche Situation der Lehrer eingegangen und scheint weiterhin die Auffassung zu vertreten, daß sie noch immer wie im monarchistisch verfaßten Obrigkeitsstaat des 19. Jahrhunderts als in die Staatsgewalt integriert angesehen werden, also auch gegen ihren Willen und Verstand sowie gegen ihr Gewissen tun müssen, was ihnen per Erlaß verordnet wird. Ob dies mit den Bestimmungen der Artikel 2, 3 (3), 4 und 12 GG und 2 LV Rheinland-Pfalz vereinbar ist, wurde im Urteil nicht erörtert.
    Das Gericht hat es noch nicht einmal für nötig befunden, darüber nachzudenken, ob die Reform nicht einen Eingriff in die Grundrechte der Lehrer bedeutet, den sie z. B. gemäß Artikel 2 LV Rhld.-Pf. nicht hinnehmen müssen. Es hat auch nicht ernsthaft genug die grundrechtliche Situation derjenigen Schüler geprüft, die jetzt umlernen sollen und im Unterricht, auch wenn sie bei der alten, bewährten Schreibung bleiben wollen, gar nicht mehr in der alten Orthographie unterrichtet werden. Steht ihnen nicht wie jedem anderen Bürger dieses Staates das Recht zu, frei zu entscheiden, in welcher Orthographie sie sich schriftlich ausdrücken wollen?

    Diese Fragen bedürfen dringend einer rechtlichen Klärung. Deswegen werde ich die neue Orthographie - wie es die Verfassungsrichter allen anderen Bürgern zugestanden haben - bis dahin selbst nicht im Unterricht und im Umgang mit den Behörden verwenden.

    Unter Berücksichtigung der besonderen pädagogischen Situation in der Grundschule erkläre ich mich (allerdings durch das Beamtengesetz erzwungenermaßen und unter größtem Protest) nur zu zwei Ausnahmen bereit, nämlich 1. beim Tafelanschrieb und 2. bei Korrekturen von falsch geschriebenen Schülerwörtern die neue Orthographie anzuwenden. Alle anderen schriftlichen Äußerungen, die ich in der Ausübung meines Dienstes anfertige, insbesondere Zeugnisbeurteilungen und Mitteilungen an die Eltern, belasse ich nach der allgemein üblichen, wissenschaftlich anerkannten und bewährten traditionellen Rechtschreibung, die (auch für den Schulgebrauch) offiziell bis 2005 gültig ist.

    Meine Ablehnung resultiert aus folgenden Gründen:

    1) In der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung vom 5. Juli 1996 (1541 A - Tgb.Nr. 1583/96), veröffentlicht im Amtsblatt des MBWW vom 10. Juli 1996, die am 1. August 1996 in Kraft trat, heißt es in Punkt 13:
    "Alle Lehrkräfte sollen rasch einen sicheren Umgang mit den Neuregelungen anstreben und diese ab Einführung der Neuregelung an der Schule in allen Texten anwenden, die sich an Schülerinnen und Schüler richten."

    2) Die Schüler machen mit dem Neuschrieb mehr Fehler als bisher. Das hat die statistische Auswertung von Deutschaufsätzen durch die bundesweite Lehrerinitiative ergeben.

    3) Es fehlt ein korrektes verbindliches Wörterbuch als Grundlage für den Unterricht und als Korrekturmaßstab. Kein Schulleiter, kein Schulrat, kein Kultusminister kann ein fehlerfreies Wörterbuch nennen.
    4) Die Einheitlichkeit der Rechtschreibung wurde durch das Rechtschreibchaos in 10 verschiedenen einander widersprechenden Wörterbüchern zerstört. Das führt zu einer Beliebigkeitsschreibung, die von Pädagogen nicht akzeptiert werden kann.

    5) Lehrer können nicht verpflichtet werden, "sprachwissenschaftlichen Müll" (Prof. Eisenberg, Potsdam) zu unterrichten. Sie können nur dazu verpflichtet werden, die bisherige wissenschaftlich allgemein anerkannte Schreibweise zu lehren. Die Reform entspricht aber nicht dem Stand sprachwissenschaftlicher Forschung (siehe die auf S. 43 in der beigelegten Wörterliste abgedruckte Erklärung von ca. 600 Sprach- und Literaturprofessoren).

    6) Deshalb können Hochschullehrer und Lehrer von ihrem Grundrecht der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz) Gebrauch machen und es ablehnen, Falsches zu lehren und zu korrigieren, weil das gegen ihre pädagogische Pflicht und ihr pädagogisches Gewissen verstieße. Sie können sich dabei auf das Grundrecht der Gewissensfreiheit in Art. 4 Absatz 1 Grundgesetz berufen, wonach die Freiheit des Gewissens unverletzlich ist. Gemäß Artikel 1 Absatz 3 Grundgesetz binden die Grundrechte die vollziehende Gewalt als unmittelbar geltendes Recht. Das heißt, daß keine Dienstanweisung, kein Erlaß, keine Verordnung und kein Gesetz befolgt werden muß, wenn diese gegen irgendein Grundrecht verstoßen. Gemäß Artikel 20 Absatz 3 GG ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Grundrechte können allenfalls durch ein Gesetz eingeschränkt werden (Art. 19 GG). Und wenn jemand es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, hat jedermann gemäß Artikel 20 Absatz 4 GG ein Widerstandsrecht, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Andere Abhilfe ist der Rechtsweg.

    7) Außerdem können sich Hochschullehrer und die von ihnen ausgebildeten Lehrer auf Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz berufen: "Niemand darf wegen ... seiner Sprache ... benachteiligt oder bevorzugt werden." sowie auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG: "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern ..." Sollten sie dennoch gezwungen werden, die mangelhafte neue Rechtschreibung zu lehren, können sie dagegen Klageverfahren vor Verwaltungsgerichten wegen Verletzung von Grundrechten durchführen. Grundrechte beinhalten zugleich die Grundpflicht, die Grundrechte anderer zu achten. Ein Lehrer darf daher die Schüler nicht zwingen, eine andere Rechtschreibung zu schreiben als die allgemein übliche ihrer Eltern.

    8) Verstoße ich nicht außerdem gegen meinen Beamteneid, wenn ich bewußt Kinder Falsches lehre, sie aber nicht auf die richtige Schreibweise aufmerksam mache? "Wenn aber Lehrer und Behördenmitarbeiter gezwungen werden, ganz bewußt grammatikalischen Unsinn zu schreiben und dies auch anderen beizubringen, dann ist sehr wohl die Menschenwürde betroffen." (Prof. Dr. Theodor Ickler, SZ 19.12.98)

    9) Als Beamter und Vereinsfunktionär befinde ich mich in einer Interessenkollision zwischen dem, was über 600 Sprach- und Literaturwissenschaftler als falsch erkannt haben und auch mir als fehlerhaft erscheint und der Verwaltungsvorschrift.[Geändert durch Stephanus Peil am 13.03.2001, 21:48]


    eingetragen von Norbert Schäbler am 12.03.2001 um 15.39

    Ich kann mich noch recht gut erinnern, als mich mein Rektor im Schuljahr 1997/98 verdonnern wollte und befahl, ich müsse meine Zeugnisse künftig in Neuschrift erstellen.
    "Das werde ich unter keinen Umständen tun", entgegnete ich ihm, und ich sah, wie sich sein Gesicht verfärbte.
    "Aber", so fuhr ich fort, "ich werde dich auch nicht in Konflikte bringen, denn ich werde beim Schreiben der Zeugnisse auf sämtliche Neuregelungen verzichten."
    Als bei ihm der Groschen gefallen war, hätte er sich mir am liebsten an den Hals geworfen. Jedenfalls hat er sich dreimal ganz herzlich für diesen Kompromiß bedankt und erklärt, daß ihm nun ein Stein vom Herzen rutsche.
    Seit diesen Tagen strotzen meine Zeugnisse vor Konjunktiven, weil man damit die Konjunktion "dass" ersetzen kann. Ich liebe den Konjunktiv. Und ich bin verliebt in mein Nachschlagewerk "SAG ES TREFFENDER" (A. M. Textor), denn dort findet man fast alle Wörter des aktiven Sprachgebrauchs in Wortfamilien sortiert.
    Da lassen sich im Handumdrehen Ersatzwörter für das verpönte Dummdeutsch finden.

    Mein Rektor ließ sich die Sache gefallen bis zum Juli 2000. Bis dato war es ihm nicht gelungen, mir ein Zeugnis wegen fehlerhafter Schreibweise zu entwerten.
    Und dann hat er mich erwischt. Ich hatte das Wort Interesse nach herkömmlicher Form ("Inter-esse") getrennt, und trotz Gegenbeweis - durch das neue Wörterbuch von Heyne - hat er auf der Schreibweise des neuen Duden und der Trennform "Inte-resse" bestanden.
    Ein wenig geschämt habe ich mich schon beim Unterschreiben des Zeugnisses - vor allem, weil ich nun einen sichtbaren Beweis meiner Reformtreue abgegeben hatte - aber mehr noch habe ich mich gefreut über das Dokument verbriefter staatlicher Blödheit, das ich an Herrn Professor Icklers Kapriolensammlung weitergereicht habe.
    [Geändert durch Norbert Schäbler am 13.03.2001, 16:46]
    __________________
    nos


    eingetragen von Theodor Ickler am 12.03.2001 um 13.51

    Die Lehrer sind die eigentlichen Opfer der Reform, vor allem wenn sie ihren Beruf ernst nehmen (Berufsethos). Gegen die eigenen Überzeugung und gegen die wissenschaftliche Ausbildung unterrichten zu müssen, das ist wohl nächst der Folter das Schlimmste, was ein Staat seinen Bürgern antun kann. Ein Widerstandsrecht gibt es nicht, andere Versuche der rechtsförmigen Gegenwehr sind offenbar aussichtslos.

    Was die Lehrer (bis auf ein paar Ahnungslose oder Kriechernaturen) von der RR halten, liegt auf der Hand. Ich selbst habe mehrfach auf Einladung von Grundschulen und Gymnasien referiert und bin auf einhellige Ablehnung der Reform gestoßen. Mehr oder weniger erschütternde, manchmal auch erheiternde Geschichten sind mir bekannt. Wir haben seit der Umstellung noch keinen einzigen Elternbrief bekommen, der die Neuregelung korrekt umsetzte; in neuester Zeit wird praktisch nur noch das Doppel-s geschrieben.

    Ich möchte nun vorschlagen, Selbsterlebtes vor allem aus der Lehrersicht zu sammeln und als Buch herauszugeben. Also Leidensgeschichten, aber zur Auflockerung auch Komisches usw. Ein schmissiger Titel würde uns schon noch einfallen. Es müßte so ein Zehn-Mark-Bändchen sein, das man an der Ladenkasse gern mitnimmt. Die Verfasser können anonymisiert werden, damit sie keine Scherereien bekommen.

    Das wäre ein gutes Mittel, die Kultusminister bloßzustellen.


    eingetragen von Stephanus Peil am 12.03.2001 um 12.56

    Im April 1997:

    Lehrer Lämpel kann sich noch allzugut an das "Iiiiieh, wie sieht denn das aus?" erinnern, als er seinen Grundschulkindern das Wort "Nußschokolade" an die Tafel schrieb, anschließend mit den Worten "Nun wird das Wort aber anders geschrieben" das ß wegwischte und durch zwei s ersetzte. Den Ausruf des Mißvergnügens mußte er sich anhören, als vor den Augen der Kinder das Wort "Nussschokolade" entstand. Die Kinder verstanden also, warum sich ihr Lehrer nicht mit der Rechtschreibreform anfreunden konnte. Und so wetterte er bei jeder sich anbietenden Gelegenheit (also meist, wenn er erarbeitete Unterrichtsergebnisse in Schriftform an der Tafel festzuhalten gedachte) gegen diese unübliche, künstliche Schreibweise. Wenn er (reformiert) z. B. anschreiben mußte "Im Umgang mit dem elektrischen Strom muss ich besonders vorsichtig sein", dann schrieb er ein ß über die beiden s im Wort muss, damit die Kinder auch noch etwas von der Schreibwirklichkeit im außerschulischen Leben mitbekommen sollten. Lämpel erinnerte sich nämlich an einen alten lateinischen Spruch, der wohl so lautete: "Non vitae, sed scholae discimus" - oder war es gerade andersherum? Und zu dieser Zeit - 1998 - traf man außerhalb der Schule fast nur muß statt muss an. Das war aber ein gefundenes Fressen für seine Schulleiterin: Als die den staatsfeindlichen Anschrieb am Anfang der Pause entdeckte, wischte sie wutentbrannt das ß weg und rügte vor den noch anwesenden Schülern den Lehrer, der die Kinder nicht zum konsequenten Lernen der neuen Schreibweisen anhielt. Ich glaube, Lehrer Lämpel hat sich den lateinischen Spruch doch wohl so richtig gemerkt.

    Kleine Richtigstellung zu den Worten Norbert Schäblers, die meiner angekratzten Seele wohltaten: Der Umfang der Wörterliste ist auf 60 Seiten gestiegen. Es wurde auch ein Vergleich Duden 1991/1996/2000 angehängt. Das Wörtermaterial stammt übrigens größtenteils von Herrn Ickler, dem ich sein Kompliment "Herr Peil ist ein ausgezeichneter Kenner des Dudens, vielleicht der beste überhaupt" hiermit gerne zurückgebe.


    [Geändert durch Stephanus Peil am 13.03.2001, 21:59]


    eingetragen von Norbert Schäbler am 12.03.2001 um 00.22

    Für jeden Rektor ist es wichtig - nicht zuletzt für sein eigenes Renommee - wenn der Kontakt zwischen Schule und Elternhaus stimmt. Lehrer, die freiwillig Elternabende anberaumen, Lehrer, die Rückmeldungen geben über pädagogische Erfolge oder Fehlschläge, sind im Normalfalle eine Bereicherung der Schule.
    Nur, neuerdings müssen Rückmeldungen in Neuschreibung erstellt werden - und sie müssen über den Schreibtisch des Vorgesetzten wandern. Der direkte Vorgesetzte - hier der Rektor - ist nämlich der Endkorrektor. Er ist sozusagen die Schlußkontrolle im Sinne einer völlig "bekloppten" und hirnrissigen Rechtschreibreform. Der Rektor ist der hauptamtliche Vollstrecker des Rechtschreiberlasses - oft wider Willen, im Konflikt mit eigener Weltanschauung, im Konflikt mit oben beschriebener Zielvorstellung.

    Stephanus Peil hat im vorigen Beitrag die Hirnrissigkeiten beispielhaft dargestellt. Seine Wörterliste, die zwischenzeitlich einen Umfang von 44 Seiten angenommen hat, zeigt abstruse Beispiele auf und offenbart den Widersinn der glorifizierten Rechtschreibreform.
    Stephanus Peil hat diese Reform von allem Anbeginn als Rechtschreib-Deform bezeichnet.

    Für mich, der ich Herrn Peil viel verdanke, war es immer ein Hochgenuß, Elternbriefe zu schreiben. Immer habe ich in diesen Elternbriefen, die SS-Schreibung vermieden, denn darauf waren die Herren Rektoren programmiert. Widersprüche gegen die SS wurden postwendend gebrandmarkt. Derartige Schreiben waren unzustellbar.
    Mit Hilfe der Peil'schen Wörterliste habe ich allerdings ein amüsantes Spielchen betrieben, denn in der Getrennt- und Zusammenschreibung war mein Herr Rektor nicht firm. Kein einziges Schreiben habe ich zurückbekommen, und das werde ich auch in Zukunft nicht, weil sich mittlerweile die Getrennt- und Zusammenschreibung in Staub auflöst, und jedweder Eingriff der Obrigkeit absolut lächerlich ist.
    Mein Tip: Spielen Sie ein wenig mit dem Wissen Ihrer Vorgesetzten. In Bezug auf die Rechtschreibreform ist es gleich null, bzw. es wird egalisiert durch einen Rest von Vernunft.

    Ein bißchen Bescheid wissen, sollte man natürlich schon über mutwillige Lizenzvergabe. Oder aber, man hat einen bärigen Freiheitsdrang.
    [Geändert durch Norbert Schäbler am 13.03.2001, 01:36]
    __________________
    nos


    eingetragen von Stephanus Peil am 11.03.2001 um 23.05

    Im Februar 1997

    Rechtschreibreform treibt Pädagogen an den Rand der Verzweiflung

    Als Lehrer Lämpel zur Weihnachtszeit mit seinen Grundschulkindern "O du fröhliche" sang und immer wieder "gnadenbringende Weihnachtszeit" über die Lippen brachte, ging es ihm durch den Kopf, wie er "gnadenbringende" nach der neuen Rechtschreibung zu schreiben hätte. Es würde wohl hier zu weit führen, die entsprechenden Regeln oder Paragraphen anzuführen, die zu einer Klärung (Verwirrung) unseres Falles beitragen könnten, wer sich jedoch durch den Paragraphendschungel kämpfen will, dem seien im Duden die Seiten 34/35 und 873-876 anempfohlen, jedenfalls kamen folgende Beispiele zum Vorschein: Hilfe bringend, Gefahr bringend, Glück bringend, Unheil bringend, Segen bringend, Trost bringend. Na ja, dachte sich Lehrer Lämpel, dann werde ich wohl zukünftig "Gnaden bringend" schreiben müssen. Aber siehe da: "Gewinn bringend" kann er auch "gewinnbringend" schreiben und "nutzbringend", "todbringend", "fruchtbringend", "heilbringend" muß er sogar nach der "alten" Schreibweise zusammen und klein schreiben!

    Ein Anruf bei der Sprachberatungsstelle der Dudenredaktion in Mannheim zwecks Klärung ist aussichtslos: Dort hört man nur den Besetztton - auch ein deutliches Zeichen dafür, wie die Rechtschreibreform die Orthographie "erleichtert".
    Die schriftliche Klärung eines anderen Rechtschreibfalles hat knapp vier Wochen gedauert!

    Lehrer Lämpel fühlt sich verlassen, verkauft, total verunsichert, der rechtschriftliche Boden unter seinen Füßen wird ihm weggezogen. Wie soll sich da noch jemand auskennen? Wie sollen Kinder mit einem solchen "orthographischen Hü und Hott" zurechtkommen? Schreiben macht keine Freude mehr, denn obwohl der Umfang der Rechtschreibreform nur 0,4 % eines Textes betrifft, steht Lämpel (und bestimmt nicht nur er!) sehr viel häufiger vor der Frage: Hat sich etwas geändert, ist es gleichgeblieben, kann man es jetzt so oder so schreiben (Doppelschreibungen)?

    Wer kann ihm z. B. sagen, warum "hoch begabt" auseinander und "hochgebildet" zusammengeschrieben wird? Und ist ein inhaltlicher Unterschied zwischen "Arbeit suchend" und "arbeitssuchend" feststellbar? Kann ihm jemand erklären, warum er "nahe stehend" und "näher stehend" auseinander, aber "nächststehend" wieder zusammenschreiben soll? Oder das "Mal"-Durcheinander: ein paar Mal, manchmal, jedes Mal, diesmal, etliche Mal, sovielmal... Welch ein Unterschied liegt zwischen "schlecht gelaunt" (auseinander) und "missgelaunt" (zusammen), zwischen "Ekel erregend" und "ekelhaft"? Warum muß "Musik liebend" getrennt, dagegen "tierliebend" zusammengeschrieben werden? Ebenso: "Eis laufen", aber "seiltanzen", "Leben zerstörend", aber "lebenbejahend", "hilferufend", aber "Hilfe suchend". Und wenn "wohltuend" zusammenschrieben wird, dann doch auch "wohltun" - denkste, wird aber auseinander geschrieben: wohl tun! Ebenso "wohlwollend", aber "wohl wollen"! Klein wird geschrieben "pleite werden", groß jedoch: "Pleite gehen". Genau entgegengesetzt wird bald die Schreibung der "goldenen Zwanziger" sein (jetzt klein, künftig groß) oder des "Goldenen Zeitalters" (jetzt groß, künftig klein). Das sind nur einige wenige Beispiele der verwirrungstiftenden (Verwirrung stiftenden?) Neuregelungen.

    Der alte Lateiner (und nicht nur der!) muß sich im Grabe umdrehen, wenn er sähe, wie man jetzt "ext-ra", "Ult-raschall" oder "Demonst- ration" trennen muß oder nach §108 "Obst-ruktion", "Konst-ruktion" oder "Demok-rat" trennen kann. Bis jetzt galt die Trennung nach Vorsilben, also dar-auf, hin-auf, her-an, vor-an, ein-ander, jetzt nach Sprachgefühl (Sprechsilben): da-rauf, hi-nauf, he-ran, vo-ran, ei-nander (das letztere kommt wohl von "Ei"?!). Die Vollendung der neuen Trennungsmöglichkeiten ist jedoch zweifelsohne in "vol-lenden" (Duden, letzte Seite unten) erreicht! Ist aber damit nicht eine äußerste Verunsicherung und der Verfall des Sprachgefühls verbunden? Muß denn das Bildungsniveau eines Analphabeten zum Maßstab für alle anderen gemacht werden?

    Leuchtet einem Kind etwa die Trennung von "Zu-cker" ein, das eingebleut (zukünfig: eingebläut) bekommt, zwischen doppelten Mitlauten zu trennen, nur nicht beim ck, das aber in Wirklichkeit kk ist und bei der Trennung als solches sichtbar werden sollte? Außerdem: Wer spricht schon "Zuuuuuuuu-cker"?
    Und was soll der Unsinn: Einen einzelnen Buchstaben am Anfang eines Wortes darf man abtrennen, am Schluß dagegen nicht?

    Sind das etwa Leseerleichterungen: Zooorchester, Nussschokolade, Bassstimmen?

    Tierkundler, aufgepaßt! Schon mal was von einem "Tätigkeitsfisch" gehört? Nein? Den gibt's auch nicht, aber einen Tunfisch!

    Daß unsere Sprache nicht leicht zu beherrschen ist, steht außer Frage, daß sie aber nicht leichter beherrschbar wird durch die neue Sprachreform, das steht für Lehrer Lämpel ebenfalls fest.

    Derjenige, der sich in seiner Sprache zu Hause fühlt, der sie liebt und für den sie ein hohes Kulturgut darstellt, kann außerdem nur mit Besorgnis und Entsetzen reagieren, wenn zugunsten der Getrenntschreibung unsere Sprache ihrer Differenzierungsmöglichkeiten beraubt wird und nicht mehr deutlich werden kann, was gemeint ist:
    Ist ein "hoch stehender Beamter" ein Beamter auf einer Leiter oder in einer gehobenen Position? Ist ein Kind, das nicht "sitzen geblieben" ist, in die nächsthöhere Klassenstufe versetzt worden oder nur in der Klasse herumgelaufen? Wenn jemand Frau und Kinder hat "sitzen lassen", hat er sie dann im Stich gelassen oder ist er ihnen zuliebe aufgestanden und hat ihnen den Sitzplatz überlassen? (Randbemerkung: "zuliebe" bleibt weiterhin zusammen, "zu Lande" wird dagegen getrennt.)

    Wer Lehrer Lämpel bisher überwiegend zustimmen konnte, wird sich nun fragen, was die ganze Aufregung über die neue Rechtschreibung soll, wo doch "der Zug abgefahren ist". Am 17.01.97 konnte man in der Westerwälder Zeitung lesen: 87 % der Grundschulen in Rheinland-Pfalz haben die neuen Rechtschreibregeln bereits eingeführt. Und "Die Woche" hat sich als erste Zeitschrift dazugesellt. Das freut die Sprachreformer und Kultusminister. Die Einführung der neuen Orthographie soll schnell und diskussionslos geschehen. Ihre Absicht, die Kinder vor dem überflüssigen Erlernen der alten Rechtschreibregeln zu bewahren, wo doch bald nur noch die neuen gelten werden, ist ja auch einsichtig, und nach diesem Grundsatz wurde gleichfalls an Lämpels Schule bei der Einführung der neuen Rechtschreibung verfahren. Nur war zum Zeitpunkt des einführenden Konferenzbeschlusses der Reform-Duden erst wenige Tage auf dem Markt. Man konnte vorher wenig über den Inhalt der Reform erfahren, die ganze Sinnlosigkeit (weil durch die Reform kaum Erleichterungen erzielt, dafür aber um so mehr Verwirrung gestiftet wird) offenbarte sich erst durch das Erscheinen des neuen Duden. Wer ein wenig darin blättert, kann sich selbst von den "Erleichterungen" ein Bild machen - wem das zu mühselig ist, möge einen mit 3 DM frankierten und adressierten Briefumschlag an folgende Adresse schicken: Peil, Stephanus, 56457 Gershasen, damit der Autor ihm eine 12-seitige Zusammenstellung von Rechtschreibfällen zuschicken kann.

    Wenn nun Lehrer Lämpel von der Unsinnigkeit und Überflüssigkeit der Rechtschreibreform überzeugt ist, kann er dann den Kindern die neue Rechtschreibung glaubhaft beibringen? Kann er denn Religionsunterricht erteilen, wenn er selbst keinen Glauben an Gott hat? Überträgt sich nicht die Unsicherheit des Lehrers auf die Kinder?

    Neben dem Gewissenskonflikt beim Vermitteln der neuen Rechtschreibregeln im Unterricht belastet die Rechtschreibreform auch das sonst sehr gute, kollegiale Verhältnis zur Schulleitung. Die möchte nämlich, daß auch die Schreiben an die Eltern (einschließlich der Verbalbeurteilungen auf den Zeugnissen) oder dienstliche Schreiben mit Schulbehörden in der neuen Rechtschreibung abgefaßt werden. Dies sieht Lehrer Lämpel nicht im geringsten ein, und er schreibt außerhalb des Unterrichts (so wie Bundespräsident Herzog) nach der jetzigen, längst noch nicht "alten" Rechtschreibung. Auf welcher Rechtsgrundlage beruht überhaupt die schulleiterliche Anordnung? Nicht schon genug damit, daß sich Lehrer Lämpel im Unterricht als Vollzugsbeamter fühlt, der die Befehle von oben ohne innerliche Zustimmung ausführen muß, was ihn sehr bedrückt und große Gewissenskonflikte in ihm verursacht, nein, jetzt soll er auch noch den Eltern gegenüber, denen er überhaupt nicht weisungsberechtigt ist, die neue Rechtschreibung vertreten, was den Eltern suggerieren würde, daß auch für sie die Reform bereits ab sofort gälte, was aber in keiner Weise zutrifft, denn der Tag der Einführung ist bekanntlich erst der 1.8.98, und sie soll nur für Schulen und Behörden gelten.

    Vernünftiger ist es, auf einem Weg, der nicht zum Ziel führt, umzukehren, statt ihn weiter zu begehen. Oder stürze ich mich vielleicht, wenn ich vor einem Abgrund stehe, willig hinab und rufe: Zu spät, ich kann doch nichts mehr ändern, es tut mir leid (neu: Leid)!?

    Zu solch einer überflüssigen, aber milliardenteuren Reform kann man einfach nicht schweigen und denken: Es geht mich nichts an. Steht Lämpel zur Sprache wie ein Zaungast? Ist die Sprache ein Kulturgut nur für Dichter und Denker? Nein! Solange jemand denkt, denkt er in Sprache, seine Gedanken werden durch die Sprache transportiert, jeder ist also Betroffener!

    Die Rechtschreibreform ist lediglich auf dem Erlaßwege zustande gekommen. Keinerlei Parlamentsdebatte hat Vor- und Nachteile diskutiert, die gesetzgebende Gewalt wurde umgangen. Damit ist sie undemokratisch und - nach Dr. Kopke - verfassungswidrig.

    Es handelt sich z. Zt. lediglich um eine vollkommen unverbindliche Absichtserklärung (also keineswegs um einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag!), die ohne rechtliche Folgen rückgängig gemacht werden kann - und muß.

    In diesem Sinne wünscht Lehrer Lämpel den Bürgerinitiativen in Bayern und Schleswig-Holstein gegen die Rechtschreibreform, den anderen Bürgerprotesten und den anstehenden Gerichtsverfahren viel Glück. Einen kleinen Zwischenerfolg kann der wachsende Widerstand gegen die Reform bereits verbuchen: Nach einer Pressemitteilung vom 22.01.97 soll die Rechtschreibreform geändert werden! Es steht uns also eine Reform der Reform ins Haus! Werden demzufolge in Kürze die 5 Millionen bisher verkauften neuen Wörterbücher (nicht mitgerechnet die neu herausgekommenen Schulbücher etc.) Makulatur sein? Sind mehrere hundert Millionen Mark (für Wörterbücher, Software, veränderte Schulbücher und andere Sprachlehrwerke) zum Fenster hinausgeworfen worden?

    Kann es Lehrer Lämpel guten Gewissens verantworten, die Kinder nach den neuen Rechtschreibregeln zu unterrichten, wenn es nun feststeht, daß sie mit Sicherheit wieder überarbeitet werden?

    Bis zum 01.08.1998 - dem endgültigen Tag der Einführung - verbleibt noch viel Zeit. Wir können also noch hoffen!


    eingetragen von Norbert Schäbler am 11.03.2001 um 19.03

    Wir Lehrer sind versucht, das, was wir nach gründlicher Analyse als sachlich richtig und dauerhaft angesehen haben, wiederzuverwerten.
    Was spricht dagegen?
    Im Grunde kann man, genau wie die Zeitschrift GEO (siehe "altes Forum"), argumentieren, daß man sich am Inhaltlichen messen sollte und eben nicht am Träger des Gedankens - nämlich der Schrift.
    Die Gewichtung (Inhalt/Schrift) bleibt hier jedem selbst überlassen, wobei ich selbst beides gleich stark gewichte, und selbst neue Arbeitsblätter in angemessener Schreibweise herstelle (mit entsprechender Hausaufgabe in Richtung Texttransformation, d.h.: meine Schüler müssen beweisen, daß sie der besseren Schreibweise mächtig sind).
    Ich kenne übrigens eine Menge Kollegen, die sich nicht die Mühe machen, alte und perfekt formulierte Arbeitsblätter umzugestalten. Und deren Motive sind sehr unterschiedlich.
    Hauptsache aber ist, daß der Inhalt in einer verständlichen kommunikativen Weise dargeboten wird, und, wenn das Bundesverfassungsgericht darstellt, daß die Rechtschreibreform die Kommunikation nicht beeinträchtigt, dann gilt das im Umkehrschluß auch für die altbewährte Schreibweise.
    Obiges hat unter anderem ein wenig mit Bekennermut, mit Idealismus und mit Einsatz für eine bestimmte Rechtschreibung zu tun.

    Absolut nicht anecken kann man jedoch mit folgendem Ratschlag:
    Deutschlehrer sollten - falls sie der Tradition (auch der Tradition der Rechtschreibung) - verbunden sind, verstärkt im Literaturunterricht die Poesie jener Schriftsteller einsetzen, die es nicht erlauben, daß man ihre Texte in Neuschrieb veröffentlicht. Diese sind zwar in den modernen Lesebüchern nicht mehr vorhanden (ich halte das für einen außerordentlichen Frevel der Kultusminister), doch kann man mit wenigen Handgriffen jene Texte einscannen, oder sie über das Kopierverfahren alter Lesebücher vervielfältigen.
    Dann nämlich kann nicht einmal mehr der Schulrat oder Herr Oberstudiendirektor etwas einwenden, wenn in den Schülermappen Texte in altbewährter Schreibung auftauchen, denn noch steht das Verfügungsrecht der Autoren über der kultusministeriellen Unverfrorenheit nachträglicher Textveränderung.




    __________________
    nos


    eingetragen von Norbert Schäbler am 11.03.2001 um 12.15

    Ich bin kein Staubsaugervertreter, sondern ich bin Lehrer.
    Als solcher möchte ich wissenschaftlich auf dem laufenden bleiben und meinen Schülern das vermitteln, was von lebenspraktischer Bedeutung ist.
    Den konservativen Lehrsatz: "Wir lernen nicht für die Schule, sondern für das Leben", verstehe ich nicht als Moralvorlesung, sondern als Motivation.

    Alle Fächer, die ich unterrichte, haben mit gesprochener und geschriebener Sprache zu tun, selbst Mathematik und Sport.
    Alle Beurteilungen, Rundschreiben, Arbeitsblätter und dienstnotwendigen Kommunikationen sind mit Sprache verbunden - neuerdings mit einer Schriftsprache, die ich ablehne.
    Meine Ablehnung erreicht die Dimension einer Charakterfrage; Ablehnungsgründe habe ich in diesem und im alten Forum reichlich angeführt.
    Ich bin nicht fähig und auch nicht bereit, wissentlich bei der Ausübung meines Berufes zu lügen.
    Ich kann nicht etwas anpreisen als vollkommen, wenn es daneben etwas Vollkommeneres gibt.
    Ich kann meinen Schülern nicht die neuen Schreibweisen als das Maß aller Dinge empfehlen, wenn ich der unbedingten Auffassung bin, daß die altbewährte Schreibung mit all ihren nichtgenutzten Regelauslegungen das bessere Modell war und ist.
    Mit derartigen inneren Konflikten, die nicht nur ich in mir trage, soll sich der Faden "Passiver Widerstand" auseinandersetzen.
    Es sollen hier Schicksale beschrieben, aber auch Möglichkeiten genannt werden, wie man dem Konflikt stillschweigend begegnen kann.
    Eine andere Form des Widerstandes kann ich nicht anpreisen, auch wenn wir mitten in einer Demokratie leben.
    Den "Alleinunterhalter" möchte ich diesmal nicht spielen und bitte deshalb um Mitwirkung.

    __________________
    nos


    Alle angegebenen Zeiten sind MEZ   

    Rechtschreibung.com – Nachrichten zur Rechtschreibfrage