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eingetragen von Fritz Koch am 04.11.2004 um 17.33

denn Namen unterliegen nicht den (heutigen) Rechtschreibregeln. Fremdsprachen-Vokabeln muß man einmal schreiben, damit sie richtig wiederabrufbar abgespeichert werden und danach beim Wieder-Schreiben "richtig aussehen".


eingetragen von Georg Zemanek am 04.11.2004 um 14.56

Karin Pfeiffer-Stolz schrieb:
Wenn ich einen neuen Namen höre, will ich zuerst immer wissen: „Wie schreibt man das?“ Erst wenn ich das Schriftbild kenne, kann ich mir das Neue einverleiben.
Es wäre interessant zu erfahren, wie andere dazu stehen.


Auch ich brauche, um mir einen Namen zu merken, das Schriftbild. Ganz besonders bei Familiennamen, aber auch bei Vornamen hilft mir die Optik, denn ich bin ein visueller Typ. Wenn mir jemand einen Namen sagt, muß ich irgendwie das Schriftbild erzeugen, sonst ist der Name sehr bald weg.

Ganz anders bei einer mir bekannten Lehrerin: schreibe ich ihr einen Namen auf, dann ist das für sie fast nutzlos. Manchmal fragt sie: wie heißt das/er/sie? Sie bewirkt dadurch, daß man ihr den Ton liefert, was ihr beim Merken dann hilft, denn sie ist ein ausgesprochen auditiver Typ. Die 25 bis 30 Namen in ihrer neuen Klasse kann sie nachgewiesenermaßen nach dem ersten Schultag mit wenigen Ausnahmen. Zwar hat sie die Namen zuvor auch gelesen, aber erst mit dem Hören der Namen aus dem Mund der Schüler wird die Verbindung fix und hält dann für Jahre.

Der dritte kognitive Haupttyp ist der kinästhetische. Diesen Menschen hilft es meist, wenn sie selbst schreiben müssen: das motorische Gedächntnis ist bei ihnen am besten ausgeprägt. Wir reden hier klarerweise über Präferenzen, reinrassige Typen sind selten.

Gibt es für den Rechtschreibunterricht vernünftige Hilfestellung, die auf diese Kognitionstypen je Kind Rücksicht nimmt? Offensichtlich ist ja für einen auditiven Haupttyp der Rat viel zu lesen nicht sehr wirkungsvoll. Der Kognitionstyp des Lehrers ist für den Unterricht nicht unbedingt maßgeblich, der der Schüler eher schon...

Nachbemerkung zum amtlichen Regelwerk: Was macht ein visueller Typ wie ich mit Scheibregeln (§§1-31), die sich ausschließlich an der Phonetik orientieren?


eingetragen von Ursula Morin am 03.11.2004 um 18.47

Daß Sprache - obwohl nicht immer rational zu begründen - sehr viel mit Denken zu tun hat, merkt man ganz besonders beim Übersetzen. Oder anders ausgedrückt, eine schlecht geschriebene Vorlage ist immer auch eine schlecht "gedachte" Vorlage und läßt sich ohne Nachfrage beim Verfasser gar nicht übersetzen.

Dieses Problem ist in den letzten Jahren recht akut geworden und läßt sich in zwei Bereiche unterteilen.
1. Viele Unternehmen haben als "Konzernsprache" Englisch eingeführt und die Mitarbeiter sind dann gehalten, in einer ihnen fremden Sprache zu schreiben. Allerdings kann man hier, falls man die Muttersprache des Verfasser kennt (und kann), dann Rückschlüsse auf das ursprünglich Gedachte ziehen.
2. Den zweiten - und schwierigeren Problembereich - stellen die Leute dar, die nicht mehr schreiben (denken) können, weil sie es nicht gelernt haben. Ich will hier gar keine Diskussion darüber anfangen, ob nun das Denken zuerst kommt, oder die Sprache. Das ist wohl wie mit dem Huhn und dem Ei. Jedenfalls ist beides eng verknüpft. Bei Verfassern dieser Art muß man erst nachhaken, um herauszufinden, was sie sich gedacht hätten, wenn sie es denn hätten können. Dabei muß man sehr diplomatisch vorgehen, denn eine "Sprache" hat ja jeder (und denken kann man natürlich auch).

Meine Tätigkeit hat sich durch diese Dinge in den letzten Jahren zunehmend kompliziert und entscheidend geändert. Während es früher darum ging, die richtigen Begriffe für den jeweiligen Sachbereich zu finden und eine gut lesbare Übersetzung zu produzieren, bin ich heute hauptsächlich damit beschäftigt, die miserabel geschriebenen Vorlagen zu deuten und ihre Verfasser - oft per Handy - zu verfolgen, um Klarheit zu schaffen. Ich hatte eigentlich gedacht, daß Sprache als Kommunikationsmittel solche Umstände entbehrlich machen sollte.

Natürlich bin ich deswegen auch ein entschiedener Reformgegner und finde Hinweise auf den "Kontext", der dann alles klären soll, einfach lachhaft. Diesen kann man oft nur durch mündliches "Verhör" klären. Ein tolles Kommunikationszeitalter, in dem wir inzwischen angekommen sind!


eingetragen von Christoph Kukulies am 03.11.2004 um 14.47

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz
Erst durch das Schreibenkönnen entsteht eine begriffliche Vorstellung.
Dazu eine kleine Episode, die mir aus der Kindheit erinnerlich ist:
Wenn sie wütend über die Widerspenstigkeit ihrer Tochter war, pflegte meine Mutter zu sagen: „Na warte, deiner wird’ ich schon noch Herr werden!“
Für mich war dieser Spruch eine Warnung, die ich auch als Volksschulkind nicht auseinandernehmen konnte in sinnvolle Wortbestandteile. Das „deiner-werd’-ich“ wurde bald klar, aber das, „Herr-werden“ bildete in meinem Kopf einen sinnlosen phonetischen Klumpen: „herwerden“. Was immer auch das heißen sollte, es bedeutete nichts Gutes.
...
Es wäre interessant zu erfahren, wie andere dazu stehen.
Bin gespannt auf Antworten.


Ich erinnere mich an ähnliche Erlebnisse aus meiner Schulzeit. Ich schrieb übrigens gerne Diktate, viel lieber als Aufsätze. Und wenn ich dann mal in einem Aufsatz versuchte, Redensarten der Erwachsenen unterzubringen, dann kam so etwas heraus wie "meinesartens" (meines Erachtens) oder Sawierte (Serviette). Ich glaube, es war im 2. Schuljahr, als ich mit der "Sawierte" beim Lehrer auflief. Und alle lachten, wußten aber wohl auch nicht so genau, wie man es schreibt. Die Erleuchtung, was es mit "meinesartens" auf sich hatte, kam erst in einem Deutschaufsatz in der Untertertia, wenn ich mich recht entsinne. Ein großes rotes Fragezeichen und ein A müssen am Rand gestanden haben.

("meinesartens" bringt immerhin 4 Google, in ein paar Tagen wahrscheinlich 5)
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Christoph Kukulies


eingetragen von Fritz Koch am 03.11.2004 um 11.56

zunächst in den ihnen bekannten Wortschatz einzuordnen versuchen und meinen, ähnlich klingende Wörter müßten verwandt sein.
Auch wenn sie noch nicht lesen und schreiben können, kann man ihnen aber gut erklären, daß z.B. 'Apfel' ganz früher 'Appel' hieß und im Niederdeutschen und Englischen auch noch so heißt und daher nichts mit 'abfallen' zu tun hat, obwohl er vom Baum abfällt, und daß der Pferdeapfel wegen seiner Form so heißt (und ganz früher Perdeappel hieß) und nicht, weil er als Pferdeabfall vom Pferd abfällt, und daß 'Abfall' von 'abfallen' und das wieder von 'fallen' kommt und daß das schon immer so hieß.
– geändert durch Fritz Koch am 03.11.2004, 18.43 –


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 03.11.2004 um 08.50

Erst durch das Schreibenkönnen entsteht eine begriffliche Vorstellung.
Dazu eine kleine Episode, die mir aus der Kindheit erinnerlich ist:
Wenn sie wütend über die Widerspenstigkeit ihrer Tochter war, pflegte meine Mutter zu sagen: „Na warte, deiner wird’ ich schon noch Herr werden!“
Für mich war dieser Spruch eine Warnung, die ich auch als Volksschulkind nicht auseinandernehmen konnte in sinnvolle Wortbestandteile. Das „deiner-werd’-ich“ wurde bald klar, aber das, „Herr-werden“ bildete in meinem Kopf einen sinnlosen phonetischen Klumpen: „herwerden“. Was immer auch das heißen sollte, es bedeutete nichts Gutes.

Irgendwann später, als ich begonnen hatte, Bücher zu verschlingen, wurde mir der „Herr“ klar, der in dieser Wendung steckt. Und es begannen sich die Wörter beim Hören abzusondern in Begriffe, die klar voneinander getrennt in meine Vorstellungswelt eindrangen. Von jetzt an „hörte“ ich diesen Satz anders, der tiefere Sinn erschloß sich mir, das Magische und Unüberwindbare verschwand: Ich begann mich zu wehren! (Meine Mutter ist meiner später nicht mehr „Herr“ geworden.)

Eine zweite Episode drängt sich in mein Bewußtsein:
Eine Schülerin hatte in einer Hausaufgabe einen Satz dieser Art geschrieben:
„Und dann warf ich es in den Apfeleimer.“
„Wohin hast du es geworfen?“ fragte ich bei der Heftrückgabe.
„In den Apfeleimer!“
„Apfeleimer – was ist denn das?“
Das Kind lachte. Die Lehrerin kennt keinen „Apfeleimer“!
Dieses Kind hatte mit Sicherheit andere Assoziationen zum „Abfalleimer“ als ein geübter Rechtschreiber. In diesem Falle harmlos. In anderen Fällen eher nicht. Dramatisch wird es, wenn ein verwaschenes Weltbild bestehen bleibt, weil sich das Denken nicht in einzelne Begriffe der realen Welt formieren kann.

Das geschriebene Wort verändert das Denken. Es gliedert den gehörten Wortstrom in sinnvolle Einheiten. Wer nicht richtig schreiben kann, hört und denkt anders. Bei Kindern kann man beobachten, daß schlechte Rechtschreiber auch oft eine verwaschene Nuschelsprache haben. Das richtige Schreiben fördert wiederum deutliches Sprechen, was sich seinerseits auf klares Denken auswirkt.
Wenn ich einen neuen Namen höre, will ich zuerst immer wissen: „Wie schreibt man das?“ Erst wenn ich das Schriftbild kenne, kann ich mir das Neue einverleiben.

Es wäre interessant zu erfahren, wie andere dazu stehen.
Bin gespannt auf Antworten.
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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Norbert Schäbler am 22.08.2004 um 22.34

Das Problem von Schüttelwörtern und Vokalauslassungen wurde im Leitfaden „Rechtschreibreform – apropos Lesen“ bereits angerissen. Hier wäre evtl. der Ort, die Diskussion auszuweiten und zu ergänzen.

Der Ansatz einer Argumentation ist hier bereits vorhanden. Auch hat T. Ickler ziemlich treffend das Ziel des heimtückischen Angriffs auf die Lesegewohnheit analysiert.



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nos


eingetragen von Horst am 19.01.2004 um 11.33

Wenn es um die Konzentration auf die Konsonanten geht, muß man nicht nach Arabien schauen. Es reicht ein Blick in das schweizerische Idiotikon und dessen Sortierung der Einträge, die an den Konsonanten orientiert ist, da die Vokale regional sehr verschieden sind.


eingetragen von Theodor Ickler am 16.01.2004 um 09.12

Richtig und interessant an dem Experiment ist, daß der Sinn in der Tat mehr vom Konsonantengerüst als von den Vokalen getragen wird. Im großen und ganzen hat ja auch der Vokalwechsel, den man Ablaut nennt, "nur" grammatische Funktion. Noch weiter geht bekanntlich das Arabische mit seiner dreikonsonantigen Wurzel, weshalb man dort auch die Vokale gar nicht schreibt - für anderssprachige Lernende zunächst eine Schwierigkeit.
Das ist gewissermaßen eine Parallele zur Groß- und Kleinschreibung. Es kann ja leicht nachgewiesen werden, daß der Textsinn weitgehend an den groß geschriebenen Wörtern hängt. Läßt man DIESE Unterscheidung UND die Vokale weg, wird es doppelt schwer. Das gilt natürlich auch für die durchgängige Schreibung in Großbuchstaben.
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Th. Ickler


eingetragen von Norbert Schäbler am 15.01.2004 um 18.17

Nutzer Mathias Scheibe hat in seinem Beitrag im Strang „Gästebuch – von den Reizen der neuen Rechtschreibung“ ein Problem eingebracht, dem ich mich hier im Strang Rechtschreibforum „Apropos Lesen“ annehmen möchte.
Vorwiegend widme ich mich dem Inhalt und der Form der Botschaft. Die Absicht des Verfassers und auch die Darstellungsmittel sind für mich völlig untergeordnet.

Zitat: „WSSTN S SCHN DSS TXT HN VKL FSST GNSGT LSBR SND W SLCH MT VKLN ND DSS BWHL HFG DR PLRL NCHT GKNNZCHNT WRDN KNN ND W HR SMTLCH STZZCHN FHLN“

Die Übersetzung: "Wussten Sie schon dass Texte ohne Vokale fasst genausogut lesbar sind wie solche mit Vokalen und dieses obwohl häufig der Plural nicht gekennzeichnet werden kann und wie hier sämtliche Satzzeichen fehlen."

Formal stelle ich fest, daß sich in den Ausgangstext ein Rechtschreibfehler (FSST – es muß FST heißen) eingeschlichen hat. (Das und auch das folgende Rechtschreibproblem sind wohl verursacht durch die Heyse`sche Regel.)
Theoretisch existiert nämlich ein weiterer Rechtschreib- bzw. Grammatikfehler (DSS/1. Zeile und DSS/2. Zeile, das ggf. als DS zu schreiben wäre), doch könnte man ebensogut mit entsprechender Kontext- und Ausschlußarbeit das zweite „DSS“ mit „dieses“ ersetzen.

Bereits diese relativ kurze am Sprachbild haftende Analyse macht schon binnen weniger Zeilen klar, daß es zweifelsfrei möglich ist, den Text zu entschlüsseln, doch zeigt sich ebenso, daß es bei Ausschluß der Vokale aus dem Schriftbild zu einer unendlichen Anhäufung von homonymen Schriftbildern käme.
DSS kann bedeuten: dass, dieses, Dosis, ..
FST kann bedeuten: fast, Fest, fest, ..
SCHLSS kann bedeuten: Schloss, Schluss, ...
Dabei ist es besonders die Gleichheit der Wortbilder, die einen erheblichen Zeitaufwand beim Dekodieren des Textes in Anspruch nimmt.

Inhaltlich stelle ich fest, daß die ersten drei Zeilen ein geistiger Anwurf allererster Güte sind. Es wird nämlich behauptet, daß Texte ohne Vokale „f a s t“ genausogut lesbar seien wie Texte mit Vokalen, und – das ist ja das absolut Gemeine an dieser Verschlüsselungstechnik – es regt sich zu dieser bodenlosen Unverschämtheit kein Widerspruch. Der Geist hat offensichtlich genügend Arbeit zu leisten für die Entschlüsselung. Nach erfolgreicher Übersetzung bleibt die Auseinandersetzung mit dem Inhalt auf der Strecke.
Tatsache jedoch ist, daß selbst ein technisch geschulter „Lückenwortleser“ mindestens das Zehnfache an Zeit benötigt, als er für den entsprechenden Normaltext benötigen würde. In einigen Fällen (bei Anhäufung von zahlreichen Homonymen) wäre eine 1:1-Übersetzung nicht einmal zu gewährleisten.

Solche Spielchen, wie das von Herrn Scheibe eingebrachte, eignen sich durchaus im Leselernprozeß, um besondere Lesetechniken (siehe weiter unten in diesem Strang) zu trainieren.
Dummerweise gibt es aber in der heutigen Zeit eine ganze Menge von Klugscheißern, die eine solche Methode zum Endzweck zu erheben versuchen.




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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 06.08.2003 um 07.05

Leider kann ich derzeit keine Mails empfangen. Mein Rechner (Betriebssystem Windows XP) hat sich nach zahlreichen Vorankündigungen (sog. Crashs, die zuletzt immer häufiger auftraten) total verabschiedet und steht nun schon seit 14 Tagen bei einem diplomierten Administrator. Auch der findet manches seltsam.
Zum Wochenende dürfte ich allerdings wieder über die bekannte e-Mail-Adresse erreichbar sein.

Übrigens ist es höchst interessant, wie schwer sich unsere Deutsche Telekom tut mit dem Lesen von Windows XP. Das Modem Eumex 504 scheint die Befehle nicht zu verstehen. Mein PC-Fachmann sieht die Mängel bei XP. Über 600 Programmierfehler habe es schon gefunden.

Das verlockt mich zu der Meinung, daß Schreiber und Programmierer eine Bringschuld haben. Niemals umgedreht!

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nos


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 05.08.2003 um 19.54

wären Sie so freundlich, mir (wolfgang.scheuermann@alter-ego-verlag.de) eine Mail-Adresse mitzuteilen, über die man Sie erreichen könnte? Bei der hier angegebenen heißt es: "mailbox full" (oder so ähnlich).
Vielen Dank schon im voraus!
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Norbert Schäbler am 05.08.2003 um 15.49

Mit dem grundlegenden Lese- und Schreiblernprozeß kann ich nicht dienen, weil ich als Lehrer nie in den ersten beiden Jahrgangsstufen eingesetzt war.
Erst- und Zweitklaßlehrkräfte habe ich allerdings oft bewundert wegen ihrer Geduld und für das Vollbrachte – letztlich auch für ihre Fähigkeit, zwei z. T. völlig widersprüchliche Methoden (synthetisch und analytisch) unter einen Hut zu bringen.
Die sog. „Ganzwortmethode“ kann ich nicht beurteilen. Darüber weiß ich zu wenig.

Für mich als Dritt- und Viertklaßlehrer (später wechselte ich in die Hauptschule über) bestand keine Notwendigkeit, über den vorherigen Leselernprozeß und dessen Methodik nachzudenken. Meine Schüler kamen an mit Fähigkeiten des Wortzusammenbuchstabierens und des Wort-auf-einen-Blick-Erfassens. Diejenigen mit der Buchstabiertechnik hatten ein Manko in der Schnelligkeit, diejenigen mit der erweiterten Blickspanne hatten vereinzelt Mängel in der Wort- und Sinnerfassung, weil sie sich nicht mehr den Einzelbuchstaben widmeten, sondern Wortbildschemata gleichsetzten. Beide Gruppen benötigten Korrekturen.

Der weitergehende Leselernprozeß hatte vor allem das Ziel, die Fähigkeiten in sog. Lesefertigkeiten überzuführen. D.h. es mußten zum einen vorhandene Mängel (z.B. das Verwenden von Lesekrücken) ausgeschliffen werden, zum anderen galt es, die Lesegeschwindigkeit aus lernhygienischen und lernpsychologischen Gründen heraus zu erhöhen, um schließlich das Endziel zu erreichen: „sinnerfassendes Lesen“.

Hier ein knapper Auszug eingesetzter Lehrmethoden nebst Begründung und methodischer Kniffe:
1. Beseitigung von Lesekrücken: Das Auge ist schneller als die Hand und die Zunge. Deshalb ist es schlecht, die Wörter mit dem Finger abzufahren, oder mit einem Lineal oder einem Papier von Zeile zu Zeile zu rutschen. Auch wird das stille Erlesen verlangsamt, wenn man
völlig unnötig die Zunge bewegt/die Zungenbewegung kann z.B. mit einer Spielkarte im Mund unterbunden bzw. nachgewiesen werden.
2. Blickspannerweiterungsübungen: Selbst das ungeübte Auge erfaßt Wörter von mindestens fünf Zeichen. Diese zu Beginn sehr eingeengte Blickspanne kann selbst in der Grundschule auf Zeilenlänge ausgebaut werden.
Blickspannübungen werden mit Hilfe von kartonierten Spielkarten durchgeführt, mit denen zunächst das zu erlesende Wort völlig verdeckt wird, um es dann (mittels Knicken der Spielkarte – sie federt zurück) für Sekundenbruchteile aufblitzen zu lassen. Übungen können sowohl am Overheadprojektor als auch mit vorbereiteten Arbeitsblättern durchgeführt werden. Der Erfolg stellt sich unwillkürlich ein, insbesondere dann, wenn Eltern an diesem „Lernspiel“ teilnehmen und Wortlisten mit zunehmender Buchstabenfülle zusammenstellen.
Im fortgeschrittenen Stadium bilden Gedichte (wegen ihrer knappen Zeilenführung) hervorragende Lerngrundlagen.
3. Wortruinen: Bei geübten Lesern bewegt sich das Auge sprunghaft über die Zeichenketten. Meist werden Vokale gar nicht gelesen, weil die nachfolgende Konsonantengruppe den Wortsinn einspiegelt.
Hervorragende Wortmuster, die jenes sprunghafte Lesen ermöglichen, sind Wörter mit markanten Buchstaben.
Beispiel für ein Wortquiz: „Wie heißen die Wörter?“
ge..ff..t,; Sch..ß; w.ß..g; Z.s.mm..s.tz..g; Z.st..mm.ng …
Das besondere an diesen Übungen ist, daß neben dem Schnelligkeitserwerb zum einen das Mitdenken geschult wird, daß aber auch darauf verwiesen wird, daß w. z. B. beim mittleren Begriff mehrere Lösungen (‚Schloß“ oder auch „Schluß“) infragekommen. Hier kann u. a. auf differenzierendes Lesen (Sachtexte/unterhaltende Texte) abgehoben werden.

Eines kann ich aus meiner Beobachtung heraus versichern, ohne daß dies durch empirische Untersuchungen nachgewiesen werden könnte.
Selbst die schwächsten Schüler erzielten beim Wortquiz mit Wortruinen viele Trefferpunkte vor allem dann, wenn im Lernspiel besonders viele Wörter mit „ß“ angeboten wurden. Auch darüber sollte man einmal nachdenken.



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nos


eingetragen von margel am 20.07.2003 um 19.57

"Bulle" für Polizist kommt vom französischen "poulet"(=Hühnchen = Hure). Wenn man das zu einem flic sagt, bekommt man, glaube ich, mindestens ein halbes Jahr.
Kann mir mal jemand die Etymologie bestätigen? Danke!
(margel sieht Krimis - sonst nichts)


eingetragen von Norbert Schäbler am 17.07.2003 um 16.40

Apropos Lesen

Nicht nur auf das „Was“ sondern auch auf das „Wie“ kommt es an!

Zum Thema „Was“ kann man allenfalls Lektüreempfehlungen aussprechen und froh darüber sein, wenn Lesemotivation entsteht ...
Eine „Leseratte“ nämlich – (eine/r, die/der sich motivieren ließ) - kommt an tiefsinnigen und anspruchsvollen Texten nicht vorbei, selbst wenn sie/er mit Marie Louise Fischer, Karl May oder Konsalik eingestiegen ist.
Im übrigen findet man auch in der kommerziellen Literatur ordentliche Satzbaumuster, bedingten Wortreichtum und inhaltliche Fülle. Zensur jedenfalls ist zu Beginn einer Leserlaufbahn nicht nötig.

Das „Wie“ ist meiner Meinung nach das wichtigere Kapitel, denn von der Art und Methode des Lesens (auch von der Form und Intensität der Bemühungen) hängt ja ab, ob ich das Gelesene verstehe, und zudem birgt das Leseverständnis zugleich die Motivation, daß ich weiterhin mittels Lesen Informationen in mich einverleibe.

Ich wage es ein letztes Mal, einen neuen Leitfaden zu eröffnen.
Mit dem „Thema Rechtschreibung“ steht das „Thema Lesen“ ja in unbedingter Verbindung.

Es gibt auch die Verbindung zum Pisa-Test, der eine dritte Frage aufdrängt. „Warum?“
Warum sind unsere Schüler so schlecht? Warum hapert es am Leseverständnis? Warum lesen unsere Schüler – wenn sie tatsächlich lesen – angeblich nur Schund, etwas in unseren Augen Minderwertiges …, Schund, der durch die Verwendung des Neuschriebs noch schundiger wird?

Es ist eine breite Palette für eine Diskussion.
Das „Wie“ sollte man aber zumindest im Auge behalten. Die Beschreibung eigener Lesegewohnheiten könnte dabei erhellend wirken, und vielleicht wäre das Vorstellen der eigenen Lesemethodik durchaus für den ein oder anderen nachahmenswert.



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nos


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