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-- Abgeschaffte Wörter (im strengen Sinn) (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=678)


eingetragen von Christian Dörner am 20.08.2004 um 22.52

Kurzer Hinweis: immerwährend soll nach der 23. Auflage wieder erlaubt sein.
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Christian Dörner


eingetragen von Detlef Lindenthal am 20.08.2004 um 22.18

Nach Duden _21 f. ist es verboten; ebenso gemäß Bertelsmann (1996).

Doch welchen Unterschied macht es, wenn es möglicherweise von Duden _23 wieder erlaubt wird? Wenn jemand meine Oma totgeschossen hat, ist es kein überzeugender Trost, wenn danach ein paar Leute kommen, die meine Oma nicht totschießen. 'tschuldigen Sie bitte den Vergleich, es ist schon spät.

Doch um im Bild zu bleiben: Wenn wegen der ersten Schüsse ein allgemeines Gemetzel ausbricht, dann ist mit der Wiederherstellung dieses einen Wortes nicht gar so viel gewonnen; denn es sind sozusagen Treu und Glauben verloren gegangen; Wörterleichen pflastern ihren Weg: siehe Faden „Verbotene Wörter“ sowie Netzseite verbotene-woerter.de.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von J.-M. Wagner am 20.08.2004 um 21.59

Ist dieſes Wort weiterhin abgeſchafft, oder wird es nun rehabilitiert? Ich bin gerade zu faul, das ſelbſt herauszufinden. Außerdem müßte ich mir dann für meine Argumentation „Zur Fehlerhaftigkeit der Rechtſchreibreform“ etwas Neues einfallen laſſen...
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von J.-M. Wagner am 17.08.2004 um 17.29

Ich möchte auf meinen Vorschlag zurückkommen, eine Sammlung der durch die Reformregeln abgeschafften Wörter anzulegen. Die bisherigen Diskussionsbeiträge legen es nahe, die Nebenbedingung "im strengen Sinne" zunächst etwas zu lockern bzw. aufzugeben, damit sich die Sammlung überhaupt füllt – sortieren können wir später.

Mir scheint das Problem, daß "intensiv zur Zeit über die Rechtschreibreform diskutiert wird, ohne daß sich irgend jemand inhaltlich damit befaßt" (aus einem Leserbrief) auch damit zusammenzuhängen, daß die inhaltlichen Aspekte schnell zur Überforderung führen. Also braucht man Argumente, die ohne langes Nachdenken sofort einleuchten und quasi von jedermann nachvollziehbar sind. Es wird zwar immer wieder erwähnt, daß im Zuge der 1996er Reform hunderte oder evtl. tausende Wörter abgeschafft worden sind, aber das wird erst geglaubt werden bzw. sich als Erkenntnis durchsetzen, wenn man diese mal vorführt. Ich will dabei weiterhin von den ursprünglichen Regeln ausgehen; die im Zuge der jetzigen Korrekturen rehabilitierten Schreibweisen könnten entsprechend kenntlich gemacht werden.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Reinhard Markner am 29.06.2004 um 16.12

Wie aus der Duden-Redaktion verlautet, rechnet man dort auch "sogenannt" zu den Wörtern, die durch die Änderungen am § 36 wiederzugelassen werden. Da mir die endgültige Formulierung von § 36 E 2(2) - sie soll im Anschluß an die Verhandlungen mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung gegenüber der Fassung im IV. Kommissionsbericht nochmals geändert worden sein - nicht vorlag, war mir diese Konsequenz nicht bewußt, als ich jüngst in der Jungen Welt schrieb, das Wort stehe noch auf dem Index. Übrigens rechnet man bei der KMK erst im Herbst mit der Vorlage des revidierten Regelwerks samt Wörterverzeichnis.


eingetragen von Reinhard Markner am 09.06.2004 um 16.26

"das wort geht in allen punkten letztlich auf lat. as bzw. assis m. [. . .] zurück." (Grimm-Neubearbeitung Bd. 3, 2001, Sp. 325) Es ist aus dem (römischen) Würfelspiel ins (französische) Kartenspiel übergegangen.


eingetragen von Reinhard Markner am 09.06.2004 um 15.22

Als auf der Orthographischen Konferenz 1876 die fi-Fraktion die Tilgung des zweiten a in "Aas" verlangte, verwies Daniel Sanders naheliegenderweise auf das anderslautende Wort "As". Dabei hatte er nicht nur die Spielkarte im Sinn, sondern auch die römische Kupfermünze. Man könne zwar der Spielkarte ein zweites (langes) s verpassen, nicht aber der Münze, so Sanders.

Die Münze ("der As") stand als As (3) im Duden-Universalwörterbuch von 1989 (S. 144). Aus der Neubearbeitung von 2001 ist sie verschwunden (S. 170).


eingetragen von J.-M. Wagner am 04.04.2004 um 18.49

(Kopie von Teilen meines Beitrages „Betrifft: Wörterverbote“ aus dem Gästebuch „Von den Reizen der neuen Rechtschreibung“, 26.03.2004, 19.22 Uhr)


Erstens ist Ihr Einwand, für die gesprochene Sprache mache es keinen Unterschied, ob ein Ausdruck zusammengeschrieben wird oder nicht, nur für die Abbildungsrichtung von gesprochener zu geschriebener Sprache berechtigt, nicht aber für die andere Richtung: Wenn etwas Zusammengehörendes getrennt geschrieben dasteht, kann daraus sehr wohl etwas getrennt Gesprochenes werden. Im Radio sind mir schon mehrmals deutlich getrennt gesprochene und entsprechend betonte so genannt und tief greifend aufgefallen, wo die Rede von sogenannt und tiefgreifend hätte sein müssen.

Zweitens stellt beispielsweise das Wort sogenannt in der gesprochenen Sprache ein selbständiges Adjektiv dar, das genau eine Valenz aufweist: Es liefert eine nähere Bestimmung des Substantivs (bzw. der nominalen Gruppe), auf das (bzw. die) es sich bezieht. Im Unterschied dazu besitzt die („gesprochensprachliche“) Wortgruppe so genannt drei Valenzen: Zusätzlich zu der qualifizierenden Valenz der Gruppe als ganzer (wie bei sogenannt) treten die Einzelvalenzen der beiden Wörter so – Verweis auf ein aus dem Kontext zu entnehmendes wie? – und genannt – als Verbform: von wem? – hinzu. Nach der von „gestur“ angeführten Beschreibung der Univerbierung durch Munske:

Die Univerbierung ist dadurch gekennzeichnet, daß "ihre syntaktischen Beziehungen versteinert und ihre semantischen Beziehungen häufig so verschoben sind, daß die Konstituenten nicht mehr den Regeln einer Wortgruppe entsprechen, sondern ein idiomatisiertes Ganzes bilden. Dies kommt syntaktisch u. a. in veränderter Valenz oder Attributierbarkeit als Ganzes, morphologisch in der Flektierbarkeit als Ganzes, ... zum Ausdruck."
(Horst Haider Munske, Orthographie als Sprachkultur, 1997)
ist die veränderte Valenz unbedingt zu berücksichtigen. Außerdem trifft die „Versteinerung“ der syntaktischen Beziehungen insofern zu, als daß man bei der echten Wortgruppe so genannt ein und nicht anders einschieben kann, was bei sogenannt ausgeschlossen ist.

Wenn also klar ist, daß in der gesprochenen Sprache sogenannt ein eigenständiges Wort ist, dann steht die Neuregelung mit ihrer Anordnung, es getrennt zu schreiben, im Widerspruch zu dem Grundsatz, daß Wörter zusammengeschrieben werden. Kurz: Das (geschriebene) Wort sogenannt ist nach der Neuregelung – verboten. (Die hier angesprochenen Wörterverbote beziehen sich immer nur auf das Geschriebene!) Man kann zwar einwenden, daß die Verwendung der schriftsprachlichen Wortgruppe so genannt für das gesprochensprachliche Wort sogenannt lediglich den Verlust einer Unterscheidungsschreibung bedeute, weil es syntaktisch möglich ist, die überschüssigen Valenzen von so genannt offen zu lassen; meines Erachtens greift das aber zu kurz, weil es nur den Weg von der gesprochenen zur geschriebenen Sprache berücksichtigt und nicht den Rückweg (siehe oben unter der ersten Erwiderung).

Drittens finde ich es vollkommen inakzeptabel, wenn den Kindern in der Schule von Amts wegen etwas Falsches beigebracht wird. Das Wort sogenannt getrennt zu schreiben, ist ein Fall, wo genau so etwas geschieht (und das sogenannt ist kein Einzelfall: Schauen Sie mal in den Anhang des von mir genannten Aufsatzes von H. Günther*); ein anderer sind die erzwungenen grammatischen Fehler. Daß sich die Reform dessen erdreistet, daß sie diese Grenze überschreitet (und da ist es fast egal, in wie vielen Fällen), ist für mich ein hinreichender Grund, sie komplett abzulehnen – auch wenn es Teile gibt, die einen Fortschritt bedeuten und die nach einer gründlichen Überprüfung auch bestehen bleiben können (was ich befürworte). Letzteres ist aber nachrangig gegenüber den prinzipiellen Erwägungen, was eine Rechtschreibreform darf und was sie nicht darf.


*) H. Günther, „Zur grammatischen Basis der Getrennt-/Zusammenschreibung im Deutschen“. In: Dürscheid/Ramers/Schwarz (Hrsg.): Sprache im Fokus. Festschrift für Heinz Vater zum 65. Geburtstag. Tübingen: Niemeyer, 1997; S. 3–16.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Theodor Ickler am 07.10.2003 um 08.13

Ich weiß nicht auswendig, welche beiden Definitionen Gallmann für "Partizip" kennt, aber ich könnte mir denken, daß einmal der paradigmatische Zusammenhang mit einem Verb zählt ("gekommen"), ein andermal die bloße formale Struktur ("bekannt").
"so genannt" ist zweideutig, weil es sowohl das freie Syntagma als auch die anfangsbetonte idiomatisierte Verbindung sein kann. Solche Phraseologismen müssen ja im Deutschen nicht generell zusammengeschrieben werden (wie mancher wohlmeinende Mitstreiter auch hier im Forum gelegentlich zu glauben scheint). "sogenannt" ist dagegen eindeutig. Also funktioniert die neue Nichtunterscheidung nur in der einen Richtung ...
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Th. Ickler


eingetragen von J.-M. Wagner am 06.10.2003 um 21.30

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Für sogenannt zum Beispiel läßt sich nicht im strengen Sinne nachweisen, daß es ein einziges Wort ist. Daher geht sinnfällig "nur" die Unterscheidungsschreibung verloren.
Wie ist das genau: Woraus besteht der Maßstab, daß etwas „im strengen Sinne ein einziges Wort“ ist? Welche Rolle spielen dabei syntaktische Verknüpfungsmöglichkeiten? Ich phantasiere mal etwas vor mich hin, über Anmerkungen und/oder Berichtigungen würde ich mich freuen. (Für meine chemisch-physikalisch geprägte Ausdrucksweise bitte ich um Nachsicht; sie scheint aber hier sehr gut zu greifen.)

Das Adjektiv sogenannt scheint mir nur genau eine „Valenz“ zu haben: Es kann sich auf das Substantiv beziehen, dessen Eigenschaft es ausdrücken soll – mehr nicht. Sobald es auf ein Substantiv bezogen ist, ist es insofern aus dem Verkehr gezogen, als daß es nur noch mit dem Substantiv zusammen näher bestimmt werden kann. (Daß man zur Unterscheidung eines „neuen kleinen Autos“ von einem „neuen, kleinen Auto“ ein Komma setzen muß, geht m. E. nicht darauf zurück, daß klein eine weitere, offengebliebene Bindungsmöglichkeit hat, sondern daß Substantive mehr als nur eine solche haben und man daher unterscheiden muß, ob man die Erweiterung durch neu an der bereits von klein besetzten Stelle vornehmen will, so daß sich neu auf die Wortgruppe Kleinesauto als Ganzes bezieht [deshalb zusammengeschrieben], oder ob man sich direkt auf Auto beziehen will und also durch das Komma quasi eine neue Bindungsstelle anfordert.)

Dagegen hat die Wortgruppe so genannt, aufgefaßt als aus Adverb und Partizip bestehend, m. E. drei Valenzen: zwei vom Partizip (wer hat was/wen genannt?) und eine durch das Adverb (wie?). Beispiel: Unser Hund heißt Peter; wir haben ihn so genannt, weil unsere Tochter es so wollte. Daher sehe ich ein prinzipielles Problem, wenn man das „einwertige“ sogenannt durch das „dreiwertige“ so genannt ersetzt: Ist das wirklich kompatibel? Was passiert mit den zusätzlichen Bindungen?

Eine Möglichkeit ist, daß sich zwei Bindungen auf das gleiche Wort des Umfeldes beziehen: Die von mir mit Bedacht so genannte Scheinlogik hat sich als Trugschluß erwiesen. Sowohl so als auch genannt beziehen sich auf Scheinlogik. Außerdem kann hier das Subjekt entfallen, so daß diese Bindungsstelle gedanklich zu besetzen bleibt: Die mit Bedacht so genannte Scheinlogik hat [...]. Oder diese Bindungsstelle wurde mit Bedacht unbesetzt gelassen, um eine unklare Aussage zu erzeugen – oder um zu insinuieren, daß, wer auch immer so handele, dies mit Bedacht tue.

Letzteres kann nun der erste Schritt hin zum Verwendungstypus des Adjektivs sogenannt sein. Solange aber eine Erweiterung der Partizipialgruppe (hier: durch mit Bedacht) vorliegt, ist m. E. eine Ersetzung von so genannt durch sogenannt nicht möglich. Die Frage ist nun, ob das Wegfallen der Erweiterung bereits hinreichend dafür ist, zusammenschreiben zu müssen. Letztlich kommen ja alle drei Valenzen vom Partizip, das so besetzt die „wie?“-Position. Die Frage ist, ob dieses so in der Lage ist, diese Bindung zu „sättigen“, d. h. inaktiv zu machen. Dann würde wegen der Weglaßbarkeit des Subjektes nur noch die „was/wen?“-Bindungsstelle übrigbleiben – und dies wäre dann analog zu den Verhältnissen beim Adjektiv.

Fazit: Das ist nicht so einfach, wie ich zunächst dachte...

Zitat:
Anders steht es natürlich mit dem Typ aufsehenerregend, wo wir mehrere grammatische Kriterien für vollständige Univerbierung haben.
Man braucht also mindestens zwei Rubriken: verbotene Wörter und verlorene Unterscheidungsschreibungen. Womit ich aber nicht sagen will, daß die zweite Gruppe leichter zu nehmen wäre als die erste, linguistisch interessantere.
Es macht ja nichts, wenn sich erst im Laufe der Diskussion herausstellt, in welche Kategorie das eine oder andere Beispiel fällt – schließlich ist dieses Leitthema ein Teil des Rechtschreibforums – und nicht der Beispielsammlung. (Deshalb, geehrter "margel", gehört Ihr Beitrag eher in die [dortige] GZS-Sammlung.)

Noch eine andere Frage: Prof. Gallman erwähnte kürzlich, daß es zwei Definitionen dafür gibt, was ein Partizip ist. Eine lief darauf hinaus, daß das Partizip eng mit dem zugrundeliegenden Verb zusammenhängt; die andere ist mir entfallen. Ob sie mir wohl jemand nennen bzw. mir einen Hinweis geben kann, wo man dazu am besten bzw. einfachsten etwas nachlesen kann?
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von margel am 22.08.2003 um 17.03

Heute in einem Leserbrief in meiner zweitliebsten Zeitung: "Toleranz würde man sich wünschen von den Personen, die das Stadtfest jedes Jahr schlecht machen..." - ("Die Rechtschreibreform ist in der Bevölkerung angekommen." G. Augst)


eingetragen von Jörg Metes am 13.08.2003 um 14.10

»Warum brauchst du das Wort 'sogenannt'?«

(Karl May, Osman Pascha, zitiert nach dem Eintrag sogenannt im Wortschatz-Lexikon der Universität Leipzig)
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Jörg Metes


eingetragen von Wolfgang Wrase am 25.07.2003 um 01.44

Einerseits ist die Unterscheidung von grammatisch verschiedenen Konstruktionen und Unterscheidungs-GZS oder -GKS nötig; andererseits ist die Abgrenzung solcher Kategorien wie "grammatisch" und "nur lesepsychologisch o. ä." (sitzenbleiben) in vielen Fällen schwierig bis unmöglich. Und: Was soll eine vollständige Liste sein? Das geht nicht. Wörter vom Typ "aufsehenerregend" gibt es unzählige, kein Wörterverzeichnis kann sie komplett verzeichnen, denn sie lassen sich als Gelegenheitskomposita jederzeit zusammenfügen. Ähnliches gilt für die (hier relevante) fachsprachliche Qualität vieler Ausdrücke (z. B. sporendbildend): Damit sie fachsprachlich sind, müssen sie zwar schon in nennenswertem Umfang eingeführt und gebraucht worden sein, aber wer will sie alle zusammenstellen? Die Idee ist einleuchtend, aber sie läßt sich jedenfalls nicht mit der von Herrn Wagner bekannten Präzision umsetzen. Eine offene Liste von Beispielen genügt! Je nach Fleiß kann sie beliebig lang werden, aber auf das "vollständig" müssen wir verzichten.


eingetragen von Theodor Ickler am 24.07.2003 um 16.22

Für sogenannt zum Beispiel läßt sich nicht im strengen Sinne nachweisen, daß es ein einziges Wort ist. Daher geht sinnfällig "nur" die Unterscheidungsschreibung verloren. Anders steht es natürlich mit dem Typ aufsehenerregend, wo wir mehrere grammatische Kriterien für vollständige Univerbierung haben.
Man braucht also mindestens zwei Rubriken: verbotene Wörter und verlorene Unterscheidungsschreibungen. Womit ich aber nicht sagen will, daß die zweite Gruppe leichter zu nehmen wäre als die erste, linguistisch interessantere.
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Th. Ickler


eingetragen von Martin Reimers am 24.07.2003 um 08.49

Nach längerer Unterbrechung zunächst einen Gruß in die Runde!

Es ist eine ausgezeichnete Idee von Herrn Wagner, die abgeschaften Wörter einmal systematisch zu erfassen. Material hierzu haben wir hierfür gar nicht so wenig, Vorarbeit hierzu wurde sicher auch schon von vielen geleistet.

Ich frage mich, ob man hierbei zwischen grob mißverständlichen Formulierungen ("wohl bekannt") und der Einebnung von Nuancen ("immergleich" = mit negativer Färbung / "immer gleich" = neutral) unterscheiden soll bzw. kann. Sicher ist es sinnvoll, gerade solche nicht für jedermann sofort nachvollziehbaren Unterscheidungen jeweils zu erklären.
Es stellt sich auch die Frage nach der Berücksichtigung der abgeschafften, bzw. unbrauchbaren Wortgruppen. Häufig wird ja (gerade von denen, die von der Reform nur die s-Schreibung übernehmen) übersehen, daß mit dem jeweiligen Wort auch die entsprechende Wortgruppe abgeschafft, bzw. unbrauchbar gemacht wird. Jeder, der sich auf das Experiment auch nur einen Fußbreit einläßt, kann strenggenommen nicht mehr die Wortgruppe "ebenso wenig" (= wenig) gebrauchen, es sei denn (eine absurde Vorstellung!), er verweist in einem Anmerkungsapparat darauf, daß er wirklich "ebenso wenig" meint und nicht
"ebensowenig" (= gar nicht).
Daß übrigens "so genannt" etwas anderes ist als "sogenannt" war zwar immer unstrittig, daß es tatsächlich zu Mißverständnissen führen kann, ist mir erst seit zwei Tagen klar, durch das schöne Beispiel von Herrn Metes aus dem Faden "Sinn und Unsinn" unter "Spiegel".
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Martin Reimers


eingetragen von J.-M. Wagner am 23.07.2003 um 15.25

Ich suche eine Übersicht derjenigen Wörter (möglichst aller), die durch die Reform abgeschafft worden sind, und zwar in folgendem strengen Sinn: Wenn es wie bei Verben mit einem Resultativzusatz auch schon vor der Reform sinnvoll möglich war, etwas immer getrennt zu schreiben, ohne daß es seine Bedeutung einbüßte, dann interessiert mich dieser Fall nicht, denn er gehört in die Kategorie „abgeschaffte Schreibweisen“. Außerdem interessiert mich ein abgeschafftes Wort auch dann nicht, wenn die Bedeutung in einem beliebigen Satzzusammenhang trotz Getrenntschreibung unverändert bleibt, d. h. weder verlorengeht noch modifiziert wird noch eine zusätzliche Bedeutung hinzutritt.

Oder andersherum: Ein abgeschafftes Wort interessiert mich, sobald sich auch nur ein einziger Satzzusammenhang angeben läßt, bei dem sich die Bedeutung geändert hat. Gibt es eine derartige Sammlung schon? Wenn nicht, möchte ich diesen Strang dazu verwendet sehen, daß sie angelegt wird.

Ich will weder darüber diskutieren, wie sinnvoll es ist, Schreibweisen abzuschaffen, noch will ich denjenigen zuarbeiten, die behaupten, die Bedeutung gehe allermeist zweifelsfrei aus dem Satzzusammenhang hervor und daher sei ja alles gar nicht so schlimm. Ich will die ganz schweren Fälle aufstöbern, bei denen selbst der Satzzusammenhang die eigentlich gemeinte Bedeutung nicht rettet – wie es etwa bei auseinander entwickeln passieren kann (siehe die Bilanz, Seite 3).
      Ich denke, daß auch das sogenannt zu diesen ganz schweren Fällen gehört, denn so genannt ist kein Adjektiv mehr, das als Ganzes das Nomen erweitert, auf das es sich bezieht, sondern es stellt den semantischen Anschluß an seine Umgebung allein durch das so her, und damit wird das genannt austauschbar, etwa durch bezeichnet oder tituliert – dies sagt zumindest mein Sprachgefühl. Daher hat so genannt auch nicht die gleiche Bedeutung wie sogenannt.

Es kann sein, daß es von diesen schweren, streng auf Bedeutungsverlust bzw. -veränderung geprüften Fällen gar nicht so viele gibt. Das macht nichts, denn bei diesen Fällen gibt es nichts mehr hin- und herzudiskutieren – so etwas darf es unter keinen Umständen geben. Deshalb spielt die Anzahl keine Rolle, wenn es darum geht, den mit der Reform verbundenen Schaden aufzuzeigen. Es kommt mir darauf an, quasi wirklich einmal die Brille derjenigen aufzusetzen, deren Sprachgefühl von den neuen Getrenntschreibungen nicht oder nur unerheblich geritzt wird, und zu schauen, was dann an unleugbaren Beschädigungen der Schriftsprache wahrgenommen wird.

Hier sind auch und gerade Befürworter der Reform gefragt: Welche Änderungen gehen Ihnen zu weit? Wo sagt Ihnen Ihr Sprachgefühl, daß etwas nicht in Ordnung ist? Tragen Sie es hier ein, auch wenn Sie nicht genau sagen können, warum es nicht in Ordnung ist.

Problematisch wird es, wenn es nicht nur um eine reformierte Getrennt- sondern auch um zusätzliche Großschreibung geht (Bsp.: °Not tun). Diese Fälle können durchaus für Diskussion sorgen; die gehört dann auch hierher.
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Jan-Martin Wagner


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