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eingetragen von Norbert Lindenthal am 21.07.2007 um 18.54

Das zu setzende Buch reicht über drei Jahrhunderte, 1832–2007. Das Thema entstand im 19. Jahrhundert, wurde vom Autor entdeckt und erarbeitet im 20. Jahrhundert, und es wurde geschrieben seit 7 Jahren im 21. Jahrhundert mit Word von Microsoft.

Und nun kam das Manuskript zu mir. Ich habe mich so verhalten, wie Herr Isleif es vorschlägt. Ich setzte sehr viele Zitate und brachte die Zeichen in Ordnung. Erst nach den ersten Probedrucken fragte ich nach der Gleichförmigkeit. Es fiel mir nämlich auf, daß keine entschiedene Schreibweise angewendet wurde. Auch in alten Zitaten drängelte sich Microsoft mit den ss und dem Wortzerfall (Wörterverbot) vor.

„Wir schreiben das Buch, wie wir es gelernt haben“, war dann die knappe Antwort (kürzer als 5 Sekunden). Damit war die Sache entschieden.

Und meine Sehnsucht nach dem Normalfilter, der normalisiert und auflistet, wurde wieder geweckt.
__________________
Norbert Lindenthal


eingetragen von Karl-Heinz Isleif am 21.07.2007 um 13.19

Genau darum geht es (mir).

Die einzige Chance sehe ich (jetzt noch) in vielen Texten jeder Art und überall, die in herkömmlicher Rechtschreibung verfaßt und veröffentlicht werden, OHNE daß jemand das betont. Wenn wir gefragt werden, dumm stellen: "hab' ich was falsch gemacht?"

WEG von der Verteidigungsposition. WEG vom Rechthabenwollen. NICHT auf Diskussionen einlassen. NICHT begründen. Eine Atmosphäre der SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT erzeugen. OHNE es zu sagen, die Stimmung verbreiten, daß gescheite und MODERNE Leute zwangsläufig so schreiben. So, daß die ANDEREN sich aufgerufen fühlen, sich zu wehren.

Mit einem Konsens über solche Fragen muß es meiner Meinung nach anfangen. Wenn wir uns über die Art des Widerstandes, über unsere strategische Ausrichtung im klaren sind, DANN über das Wie nachdenken. Vorher ist es Zeitverschwendung.

Karl-Heinz Isleif


eingetragen von Sigmar Salzburg am 21.07.2007 um 10.25

Nach Meinung vieler Leute wird nur wenig von der „Reform“ übrigbleiben, vielleicht gar nur die „ss“. Wenn aber niemand mehr mit Fingern darauf zeigt, wird sich nichts ändern. Unsere Aufgabe ist also nicht abgeschlossen.

Zu unseren Aufgaben zählt auch, die Erinnerung an die dummdreisten Machenschaften der Politiker wachzuhalten und das Hehlertum ihrer Nachfolger anzuprangern. Damit tun wir auch etwas für die Demokratie.

Eine langwährende Geiselnahme, hier durch die Politik, führt mitunter zu einer gewissen Solidarisierung der Geiseln mit den Geiselnehmern, bekannt als das „Stockholm-Syndrom“. Dem sollten wir widerstehen.

Kompromißbereitschaft, vornehme Zurückhaltung, interne Schuldzuweisungen und esoterische Diskussionsrunden spielen nur den Reformbetreibern in die Hände. Gefragt sind Ideen, mit denen man in der allgemeinen Ermüdung noch sinnvoll nach außen wirken kann.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Detlef Lindenthal am 17.10.2006 um 20.51

Ist dieser Beitrag tatsächlich von Herrn Prof. Ickler, oder haben Spaßvögel das Forum gehackt??

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler

Wie könnte eine fast für jeden akzeptable Lösung der Rechtschreibkrise aussehen?

Auch die Kritiker der Rechtschreibreform wollen mehrheitlich keine Rückkehr zum „Nullpunkt“ (Hans Zehetmair), wenn darunter die Wiedereinsetzung des alten Duden mit allen bekannten Haarspaltereien zu verstehen ist. Andererseits haben die zwar notwendigen, aber nur punktuellen Reparaturen der Neuregelung, wie die Revision vom Juni 2004 und die früheren inoffiziellen Korrekturen zeigen, nur zu neuem Flickwerk und nochmals gesteigerter Verunsicherung geführt. Die Einführung von immer neuen Varianten, mit der sich die Urheber der Reform seit 1996 gegen kritische Einwände abzusichern versuchen, widerspricht dem anerkannten Sinn jeder Orthographie.

Das Hauptziel muß jetzt sein, die Einheitlichkeit der deutschen Orthographie wiederherzustellen. Dabei ist die Sprachrichtigkeit der Regeln und aller Einzelfestlegungen selbstverständliche Voraussetzung.
Alle sechs Bereiche der Orthographie – nicht nur die von der KMK-Präsidentin ausdrücklich erwähnten – müssen ohne Denkverbote neu durchdacht werden. Folgende Aufgaben stellen sich:
1. Welche Formulierungen in Regelwerk und Wörterverzeichnis des alten Duden (1991) waren korrekturbedürftig – insbesondere unter Berücksichtigung der tatsächlichen Schreibpraxis vor der Neuregelung? (Anpassung der Duden-Darstellung an die Schreibwirklichkeit)
2. Welche Teile der Neuregelung sind zweckmäßig und stimmen mit der tatsächlichen Sprachentwicklung überein? Dabei sollte beachtet werden, daß keine Entwertung der vorhandenen Literaturbestände eintritt und kein kostspieliger Neudruck vorhandener Werke erforderlich wird.
Erwägenswert sind zum Beispiel:
- Erhalt von drei gleichen Buchstaben in Zusammensetzungen (Stofffetzen)
- Zulassung schon gebräuchlicher Umlautschreibungen wie Schänke, einbläuen
- Maßvolle Fremdworteindeutschungen wie Jogurt, Känguru
- Zulassung schon gebräuchlicher Univerbierungen wie sodaß, umso, stattdessen
- Zulassung gebräuchlicher Getrenntschreibungen in Fällen wie so viel, zu viel
- Vereinheitlichung bei hungers, rechtens; Zulassung von auf Deutsch usw.
- Klärung undeutlicher Einzelfallregelungen im alten Duden (Rad fahren, aber auch ernstnehmen)
- Trennbarkeit von st (Wes-te, aber nicht in Zusammensetzungen wie In-stitut)
Das Für und Wider dieser und anderer Punkte (auch der „Heyseschen s-Schreibung“) ist unter Heranziehung der besten Fachliteratur objektiv darzulegen und abzuwägen.
3. Künftig keine staatlichen Eingriffe mehr, sondern Genehmigung von Rechtschreibwörterbüchern für den Schulgebrauch auf dem üblichen Wege der Schulbuchzulassung. Einrichtung einer beratenden Instanz zur Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung, vielleicht bei der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Wahrscheinlich ist keine ständige Arbeitsstelle (neben den eigentlichen Wörterbuchredaktionen) erforderlich, sondern nur ein in größeren Abständen tagender Ausschuß, der strittige Fälle und neue Entwicklungen diskutiert und Empfehlungen ausspricht.
4. Der Termindruck muß aufgehoben werden. Der 1. August 2005 wäre nur einzuhalten, wenn eine radikale Lösung angestrebt würde: vollständige Rückkehr zum alten Duden oder stures Festhalten an der jetzt vorliegenden Fassung. Eine dauerhafte Lösung verlangt sorgfältige Arbeit und braucht Zeit.




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Detlef Lindenthal


eingetragen von Theodor Ickler am 17.12.2004 um 17.31

Wie könnte eine fast für jeden akzeptable Lösung der Rechtschreibkrise aussehen?

Auch die Kritiker der Rechtschreibreform wollen mehrheitlich keine Rückkehr zum „Nullpunkt“ (Hans Zehetmair), wenn darunter die Wiedereinsetzung des alten Duden mit allen bekannten Haarspaltereien zu verstehen ist. Andererseits haben die zwar notwendigen, aber nur punktuellen Reparaturen der Neuregelung, wie die Revision vom Juni 2004 und die früheren inoffiziellen Korrekturen zeigen, nur zu neuem Flickwerk und nochmals gesteigerter Verunsicherung geführt. Die Einführung von immer neuen Varianten, mit der sich die Urheber der Reform seit 1996 gegen kritische Einwände abzusichern versuchen, widerspricht dem anerkannten Sinn jeder Orthographie.

Das Hauptziel muß jetzt sein, die Einheitlichkeit der deutschen Orthographie wiederherzustellen. Dabei ist die Sprachrichtigkeit der Regeln und aller Einzelfestlegungen selbstverständliche Voraussetzung.
Alle sechs Bereiche der Orthographie – nicht nur die von der KMK-Präsidentin ausdrücklich erwähnten – müssen ohne Denkverbote neu durchdacht werden. Folgende Aufgaben stellen sich:
1. Welche Formulierungen in Regelwerk und Wörterverzeichnis des alten Duden (1991) waren korrekturbedürftig – insbesondere unter Berücksichtigung der tatsächlichen Schreibpraxis vor der Neuregelung? (Anpassung der Duden-Darstellung an die Schreibwirklichkeit)
2. Welche Teile der Neuregelung sind zweckmäßig und stimmen mit der tatsächlichen Sprachentwicklung überein? Dabei sollte beachtet werden, daß keine Entwertung der vorhandenen Literaturbestände eintritt und kein kostspieliger Neudruck vorhandener Werke erforderlich wird.
Erwägenswert sind zum Beispiel:
- Erhalt von drei gleichen Buchstaben in Zusammensetzungen (Stofffetzen)
- Zulassung schon gebräuchlicher Umlautschreibungen wie Schänke, einbläuen
- Maßvolle Fremdworteindeutschungen wie Jogurt, Känguru
- Zulassung schon gebräuchlicher Univerbierungen wie sodaß, umso, stattdessen
- Zulassung gebräuchlicher Getrenntschreibungen in Fällen wie so viel, zu viel
- Vereinheitlichung bei hungers, rechtens; Zulassung von auf Deutsch usw.
- Klärung undeutlicher Einzelfallregelungen im alten Duden (Rad fahren, aber auch ernstnehmen)
- Trennbarkeit von st (Wes-te, aber nicht in Zusammensetzungen wie In-stitut)
Das Für und Wider dieser und anderer Punkte (auch der „Heyseschen s-Schreibung“) ist unter Heranziehung der besten Fachliteratur objektiv darzulegen und abzuwägen.
3. Künftig keine staatlichen Eingriffe mehr, sondern Genehmigung von Rechtschreibwörterbüchern für den Schulgebrauch auf dem üblichen Wege der Schulbuchzulassung. Einrichtung einer beratenden Instanz zur Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung, vielleicht bei der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Wahrscheinlich ist keine ständige Arbeitsstelle (neben den eigentlichen Wörterbuchredaktionen) erforderlich, sondern nur ein in größeren Abständen tagender Ausschuß, der strittige Fälle und neue Entwicklungen diskutiert und Empfehlungen ausspricht.
4. Der Termindruck muß aufgehoben werden. Der 1. August 2005 wäre nur einzuhalten, wenn eine radikale Lösung angestrebt würde: vollständige Rückkehr zum alten Duden oder stures Festhalten an der jetzt vorliegenden Fassung. Eine dauerhafte Lösung verlangt sorgfältige Arbeit und braucht Zeit.



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Th. Ickler


eingetragen von Fritz Koch am 09.12.2004 um 10.11

"Die Rechtschreibreform zerstört die Lesekompetenz der Schüler."

Quelle: focus.msn.de; 6.12.04

(Dieser Meinung war ich schon immer.)


eingetragen von Fritz Koch am 08.12.2004 um 08.04

Als Schüler waren wir gut drauf im Wörtererfinden:
"Im Sommer gehen wir freibaden und im Winter hallenbaden. Im Sommer haben wir freigebadet und im Winter hallengebadet."
Solche (damals) unüblichen Wortbildungen fanden wir "in".


eingetragen von Dr. Konrad Schultz am 07.12.2004 um 22.21

"sonnengebadet" steht im Duden (auch im neuen, nicht etwa "Sonnen gebadet"), "ich habe sonnengebadet" ist also anerkannt, und "ich bade(te) Sonne" ist zumindest regional nicht ungewöhnlich.


eingetragen von Bernhard Schühly am 07.12.2004 um 22.03

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch In der Sonne liegen, das In-der-Sonne-Liegen;

Ich gehe (das) Holz hacken, zum Holzhacken, aber (das) Holzhacken ist anstrengend, und (das) Holz (zu) hacken ist anstrengend.
Wir möchten in der Sonne liegen, aber vom In-der-Sonne-Liegen bekommt man einen Sonnenbrand.

Man kann sich die Unterscheidung erleichtern, wenn man Vergangenheitsformen bildet:
Ich gehe zum/bin am Holzhacken - Ich habe (das) Holz gehackt, aber nicht: Ich habe geholzhackt.
Daran erkennt man dann, daß hier Substantiv und Verb keine feste Einheit bilden.
Analog:
Ich bin Rad gefahren - Ich habe (das) Radfahren gelernt.
Ich habe (einen) Walzer getanzt - Das Walzertanzen/Walzer-Tanzen hat mir meine Freundin beigebracht.
Aber Formen wie "geradfahrt" und "gewalzertanzt" gibt es nicht.
Bei manchen Verben ist allerdings unsicher, wie man sie überhaupt in eine Vergangenheitsform bringen kann, Beispiel sonnenbaden: Ich habe Sonne(-n) gebadet ist zweideutig (Motto: "Ja, sind die denn nicht ertrunken..?); und die Versionen Ich habe gesonnenbadet oder Ich badete Sonne gehen schon gar nicht. Als einzige Lösung bleibt, Formen mit gewesen zu bilden - und dabei wieder den substantivierten Infinitiv einzusetzen, womit wir wieder dort währen, wo wir herkamen und was wir letztlich zeigen wollten.
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Bernhard Schühly


eingetragen von Georg Zemanek am 07.12.2004 um 08.52

Ursprünglich von Fritz Koch:
Zur Groß- und Zusammenschreibung bei substantivierten Infinitiven mit Akkusativobjekt und zur Groß- und Bindestrichschreibung bei substantivierten Infinitiven mit Ergänzungswortgruppen hat Herr Prof. Ickler sich mal eingehend geäußert. Vielleicht könnte er das wiederholen.

Ja, das ist ja gerade das Problem. Wie bringe ich Drittklässlern bei, was Ickler da so schreibt? In der Grundschule werden genau die Grundlagen dafür gelegt, daß man im Erwachsenenalter nicht mehr nachdenken muß, wenn man trotzdem richtig schreibt!

Kein Mensch schreibt nach expliziten Regeln, nur in schwierigen Zweifelsfällen grift man zum Wörterbuch. Im allgemeinen schreibt man nach den internalisierten Regeln, die man sich fast wie einen unbewußten Reflex in den ersten Grundschuljahren angeeignet hat. Jeder Mensch trägt sein eigenes Sprachverständnis mit sich herum, und es stimmt zu 99% mit der (klassischen) Sprachtheorie überein, weil die klassische Sprachtheorie die Ergebnisse eines klassischen Unterrichts in der Erwachsenenwelt beobachtet und beschreibt. Die reformierte Sprachtheorie versucht, den Sprechern des Deutschen die Sschreibung nach dem Muster einer künstlichen, z.B. regelbasierten Programmiersprache, vorzugeben. Deutsch ist also nicht nur die einzige Sprache der Welt, in der es Großschreibung der Substantive gibt, sondern auch die einzige Sprache der Welt, in der die Sprecher staatliche Bevormundung zum Schreiben ihrer Sprache benötigen?

Übrigens danke, die Anregungen mit den vergleichenden Beispielen zum Holzhacken und Zwiebelschneiden waren OK.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 07.12.2004 um 06.27

Beitrag von mir gelöscht.
S.F.
– geändert durch Stephan Fleischhauer am 07.12.2004, 19.45 –


eingetragen von Theodor Ickler am 07.12.2004 um 04.18

Herr Bolz und Herr Jochems haben sich große Verdienste erworben durch die Kommentierung der unübersichtlichen Neubearbeitung. Für mich eine große Hilfe.
Leider weiß die interessierte Öffentlichkeit bei weitem nicht, wie da herumgemurkst wird, bevor die Reformer abtreten und überhaupt nicht mehr für ihr Erzeugnis verantwortlich gemacht werden können. An wen soll sich der "Rat" überhaupt wenden? Es muß doch ein neuer Redaktionsstab geschaffen werden, der die künftige Arbeit dann auch wirklich tut.
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Th. Ickler


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 06.12.2004 um 18.29

Beitrag von mir gelöscht.
S.F.
– geändert durch Stephan Fleischhauer am 07.12.2004, 19.45 –


eingetragen von Fritz Koch am 06.12.2004 um 11.26

in der Sonne liegen, das In-der-Sonne-Liegen;

Ich gehe (das) Holz hacken, zum Holzhacken, aber (das) Holzhacken ist anstrengend, und (das) Holz (zu) hacken ist anstrengend.
Wir möchten in der Sonne liegen, aber vom In-der-Sonne-Liegen bekommt man einen Sonnenbrand.

Zur Groß- und Zusammenschreibung bei substantivierten Infinitiven mit Akkusativobjekt und zur Groß- und Bindestrichschreibung bei substantivierten Infinitiven mit Ergänzungswortgruppen hat Herr Prof. Ickler sich mal eingehend geäußert. Vielleicht könnte er das wiederholen.

Für Grundschulkinder ist es zunächst schwierig, in "beim oder zum Holzhacken" den versteckten Artikel (Begleiter) (beim, zum = bei dem, zu dem) zu erkennen und ihn gar in "Holzhacken ist anstrengend" erst in Gedanken ergänzen zu müssen. (Wenn man einen Artikel ergänzen kann, ist es ein Substantiv. Aber das gilt so allgemein gar nicht.)
Manchmal könnte man auch "zu" ergänzen. Dann gibt es Streit mit dem Lehrer: Richtig schwierig sind Fälle wie "Schwimmen macht Spaß", wo man "das Schwimmen ..." oder "zu schwimmen ..." ergänzen kann.
Eindeutiger ist: "(Das) Schwimmen im See macht Spaß." und "Im See (zu) schwimmen macht Spaß."
– geändert durch Fritz Koch am 06.12.2004, 18.37 –


eingetragen von Detlef Lindenthal am 06.12.2004 um 09.48

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
Durch meine provozierenden Beispiele wollte ich grammatische Probleme aufzeigen.
Ich bin auch für die "Anglisierung" durch Unterscheidung zwischen "beruflicher" und "vorübergehender" Tätigkeit. Die vorübergehende Tätigkeit, die in der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft liegen kann, wird deutlicher durch die "westfälische Dauerform" ausgedrückt: "ich bin am (oder beim) + Verbalsubstantiv (substantivierter Infinitiv)".
Die Frage ist nur, ob ein Schüler sich damit vor der Entscheidung zwischen Groß- oder Kleinschreibung der finiten Formen von verbalen Kompositionen aus Substantiv als Erstglied plus Verb drücken kann oder dafür einen "Ausdrucksfehler" angestrichen bekommt, weil der Lehrer das nicht für "hochdeutsch genug" hält.
Bekanntlich entstehen sprachliche Weiterentwicklungen oft zuerst in den Mundarten oder in der Umgangssprache, weil die Hochsprache zuwenig Freiheiten für Experimente bietet, aber erprobte Entwicklungen aus der Umgangssprache übernimmt.
Lieber Herr Koch,

wenn Sie Beispiele bringen (z.B. dafür, was Sie mit „Anglisierung“ meinen, und für die anderen nichtalltäglichen Begriffe), kann auch ich als kleiner Handwerker Sie verstehen.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Detlef Lindenthal am 06.12.2004 um 09.42

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Georg Zemanek
Aus aktuellem Anlaß:

Aus Schüleraufsätzen, 3. Schuljahr:
- Mutter war gerade beim Zwiebeln schneiden.
- Jedesmal beim zwiebel schneiden tränten ihr die Augen.
und:
- Sie wollte aber keine Zwiebelnschneiden.

Im letzten Beispiel sind die getrennte Schreibung und der Grund dafür klar. Was aber ist in den ersteren Fällen zu tun? Beim Zwiebeln Schneiden? Oder doch beim Zwiebelnschneiden? Oder Zwiebelschneiden? Und wie lautet eine Begründung, die auf allgemeine Fälle angewendet werden kann und im 3. Schuljahr auch ankommt?
Für richtig halte ich nur
- Mutter war gerade beim Zwiebelnschneiden.
- Jedesmal beim Zwiebelnschneiden [oder: Zwiebelschneiden] tränten ihr die Augen.
und:
- Sie wollte aber keine Zwiebeln schneiden.

Den Nachweis versuche ich durch Vergleiche zu führen:
beim Staubsaugen, beim Rasenmähen, beim Auswendiglernen, beim Kinder-nach-Hause-Bringen, beim Blumenzwiebelnpflanzen [oder Blumenzwiebeln-Pflanzen] ... es entstehen also flugs neue Wörter.
Erbitte ggf. Widerspruch.

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Detlef Lindenthal


eingetragen von Georg Zemanek am 06.12.2004 um 09.28

Aus aktuellem Anlaß:

Aus Schüleraufsätzen, 3. Schuljahr:
- Mutter war gerade beim Zwiebeln schneiden.
- Jedesmal beim zwiebel schneiden tränten ihr die Augen.
und:
- Sie wollte aber keine Zwiebelnschneiden.

Im letzten Beispiel sind die getrennte Schreibung und der Grund dafür klar. Was aber ist in den ersteren Fällen zu tun? Beim Zwiebeln Schneiden? Oder doch beim Zwiebelnschneiden? Oder Zwiebelschneiden? Und wie lautet eine Begründung, die auf allgemeine Fälle angewendet werden kann und im 3. Schuljahr auch ankommt?


eingetragen von Fritz Koch am 05.12.2004 um 18.08

Durch meine provozierenden Beispiele wollte ich grammatische Probleme aufzeigen.
Ich bin auch für die "Anglisierung" durch Unterscheidung zwischen "beruflicher" und "vorübergehender" Tätigkeit. Die vorübergehende Tätigkeit, die in der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft liegen kann, wird deutlicher durch die "westfälische Dauerform" ausgedrückt: "ich bin am (oder beim) + Verbalsubstantiv (substantivierter Infinitiv)".
Die Frage ist nur, ob ein Schüler sich damit vor der Entscheidung zwischen Groß- oder Kleinschreibung der finiten Formen von verbalen Kompositionen aus Substantiv als Erstglied plus Verb drücken kann oder dafür einen "Ausdrucksfehler" angestrichen bekommt, weil der Lehrer das nicht für "hochdeutsch genug" hält.
Bekanntlich entstehen sprachliche Weiterentwicklungen oft zuerst in den Mundarten oder in der Umgangssprache, weil die Hochsprache zuwenig Freiheiten für Experimente bietet, aber erprobte Entwicklungen aus der Umgangssprache übernimmt.


eingetragen von Bernhard Schühly am 04.12.2004 um 22.50

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
kopfstehen – er steht kopf oder Kopf?
seiltanzen – er tanzt seil oder Seil?
schlangestehen – er steht schlange oder Schlange?
brustschwimmen- er schwimmt brust oder Brust?
rückenschwimmen er schwimmt rücken oder Rücken?
bergsteigen – er steigt berg oder Berg?
radfahren – er fährt rad oder Rad?
standhalten – er hält stand oder Stand?
kegelschieben – er schiebt kegel oder Kegel?
haltmachen – er macht halt oder Halt?
u. v. a.

Eigentlich ganz einfach – weil man sich darum überhaupt keine Gedanken zu machen braucht. Denn – seien Sie mal ehrlich – wann haben Sie diese bzw. analog zusammengesetzte Verben zum letzten Mal in dieser Form verwenden wollen und sich gefragt, wie Sie das machen sollen?? Haben Sie vor der RSR eigentlich jemals solche Konstruktionen in Erwägung gezogen??
Hätten Sie nicht vielmehr ebenfalls spontan gesagt oder geschrieben: „Er tanzt gerade auf dem Seil.“; „Er ist beim Bergsteigen.“; „Er ist zum Kegeln (gegangen).“; „Er muß schlangestehen.“ u.s.w.
Das birgt auch noch die Möglichkeit der Differenzierung in sich, die bei den meisten Ihrer Beispiele fehlt, sie lassen sich nämlich auch anders verstehen: „Er ist Seiltänzer“; „Er ist Bergsteiger.“; „Er ist Kegler, ein Kegelbruder.“ u.s.w.
Also die Unterscheidung zwischen gerade ablaufender Tätigkeit und quasi „Beruf“. Und außerdem hört es sich noch schöner und flüssiger an.
Und Sie wollen wahrhaftig die von Ihnen oben beschriebenen Konstruktionen gebrauchen???



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Bernhard Schühly


eingetragen von Fritz Koch am 03.12.2004 um 17.13

kopfstehen - er steht kopf oder Kopf?
seiltanzen - er tanzt seil oder Seil?
schlangestehen - er steht schlange oder Schlange?
brustschwimmen- er schwimmt brust oder Brust?
rückenschwimmen er schwimmt rücken oder Rücken?
bergsteigen - er steigt berg oder Berg?
radfahren - er fährt rad oder Rad?
standhalten - er hält stand oder Stand?
kegelschieben - er schiebt kegel oder Kegel?
haltmachen - er macht halt oder Halt?
u. v. a.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 03.12.2004 um 14.32

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Bernhard Schühly
...
Noch eine weitere „Zurück-" Regel:...
Beispiele: Rad fahren, hell sehen, klein schreiben...

Ich wollte mit einem Minimum an „Zurück“-Regeln auskommen. „Furcht erregend“ ist schon mit „Grauen erregend“ erschlagen.

Zu „radfahren“ fand ich im Duden 1926 „ich fahre rad“, 1961 „ ich fahre Rad“, wohl nach dem allgemeinen Gebrauch, der das kleine „rad“ nur ungern angenommen hat.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Fritz Koch am 02.12.2004 um 20.54

Herr Zehetmair wird gebeten, das "Leid"-Tun als Tätigkeitswort nicht mehr so groß zu schreiben.


eingetragen von Bernhard Schühly am 02.12.2004 um 18.49

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Sigmar Salzburg
machen Sie doch noch Verbesserungsvorschläge!
Noch eine weitere „Zurück-" Regel:
Keine irreführenden Trennungen von Adjektiven, Verben u.a. mit unsinniger Substantivierung von Wortbestandteilen, die oft so garnicht existieren!
Beispiele: Rad fahren, hell sehen, klein schreiben, Furcht erregend, Recht haben – aber: rechthaberisch, Haar sträubend u.s.w.
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Bernhard Schühly


eingetragen von Sigmar Salzburg am 02.12.2004 um 11.14

machen Sie doch noch Verbesserungsvorschläge! Dann können wir die Forderungen an die zuständigen Leute weiterverbreiten.

Meine Email-Anschrift lautet:

salz.burg@kielnet.net

(Im hiesigen Forum mußte ich sie wieder fälschen, weil ich die automatische Mitteilungswut des Systems nicht anders abstellen konnte)
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Sigmar Salzburg


eingetragen von Karsten Bolz am 02.12.2004 um 09.29

Danke, Sie haben mir vorgegriffen. Ich bin gestern nicht mehr dazu gekommen, einen fast identischen Text zu verfassen. Ich hätte noch die "Verhandlungsmasse" an die Reformbefürworter eingefügt: die Schreibweisen "Zähheit" und "Rohheit". Aber nur nach zähem Ringen! ;-)
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Karsten Bolz


eingetragen von Sigmar Salzburg am 02.12.2004 um 08.06

Zehetmair will schnelle Korrektur der Rechtschreibreform

…Die Einsetzung des neues Rates ist eine Reaktion der Kultusminister auf die anhaltende Kritik an den neuen Schreibweisen. Das Gremium soll „die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum bewahren“ und das orthografische Regelwerk weiterentwickeln.
(faz.net 30.11.04)

Dazu ein führt ein ganz einfacher Weg:

„Das Salzburger Sechs-Punkte-Programm“
zur Wiederherstellung der einheitlichen deutschen Rechtschreibung

1. Beseitigung aller grammatischen Fehler der Neuregelung, wie „Leid tun“.

2. Wiederherstellung des alten ß-Gebrauchs. Fortfall der „neuen“ ss-Regel: Sie war seit Entstehung des „ß“ vor 600 Jahren entbehrlich und ist es auch weiterhin.

Für 90 Prozent aller Kurztexte ist damit die Einheit in der Rechtschreibung wiederhergestellt.

3. Verzicht auf die neue –ck-Silbenabtrennung, auf die „…-Jährigen“, die „so genannten“ , „aufwändig“, „zurzeit“, „fertig stellen“ und „kennen lernen“. Weiter verstärkte Stammschreibung („ein-ander“, „hin-aus“, „dümm-ste“, „der flach-ste“, „er flachs-te“).

Damit würden 90 Prozent der Zeitungstexte wieder zur gewesenen Einheit in der deutschen Rechtschreibung zurückkehren.

4. Erleichterungen für die Schüler: Gleichbehandlung von Wörtern wie „bahnbrechend“ und „grauenerregend“ (statt neu „Grauen erregend“), „zusammensetzen“ und „auseinandersetzen“ (statt neu „auseinander setzen“). Übernahme der Zeichensetzung der Nachrichtenagenturen: Dadurch keine Prüfung der Texte mehr zur Vermeidung von Sinnentstellungen wie in „Er empfahl dem Lehrer nicht zu widersprechen“.

Schüler können wieder gefahrlos Bücher der Erwachsenen lesen. Die Schulen könnten sich wieder auf die 90 Prozent der Fehler konzentrieren, die nicht von der „Rechtschreibreform“ erfaßt wurden.

5. Fortfall der neuen Albernheiten: der künstlichen Volksetümologien („Tollpatsch“, „verbläuen“, „belämmert“, „Quäntchen“), der künstlich belebten oder unterdrückten Etymologien („behände“, „rau“) und der kleckerweisen Verstümmelung antiker Wörter („Delfin“, „Tunfisch“, „Orthografie“, „Fantasie“). Fortfall der Großschreibung bei Verdacht auf Substantivierung („des Öfteren“). Fortfall der Tripelbuchstaben bei einfachen, gängigen Wörtern („Schifffahrt“, „Brennnessel“ wie „Mittag“, „dennoch“).

6. Grundsätzlich muß gelten: Die Einheitsrechtschreibung von 1902 darf in den Schulen niemals als falsch gewertet werden.

Diese Maßnahmen sind wir unserer kulturellen und sprachlichen Identität schuldig und würden binnen kurzem wieder zu einer Einheit der Rechtschreibung führen.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Fritz Koch am 16.11.2004 um 10.51

Die Leute, die am meisten davon verstehen, dürfen nicht mitentscheiden oder nur als Alibi-Personen ohne Chance auf eine Mehrheit. Entschieden wird von Leuten, die sich mit Einzelheiten gar nicht befassen wollen. Deren Ziel ist nicht die beste Lösung, sondern nur irgendein "tragfähiger" Kompromiß. So werden in Wirklichkeit Reformen gemacht. Kein Wunder, daß die Bürger nicht viel von Reformen und den Reformern halten.


eingetragen von Fritz Koch am 15.11.2004 um 09.29

Er ist in München als Sturkopf bekannt, der sich nicht einschüchtern läßt, wenn er von einer Sache überzeugt ist, und der auch vor "hohen Tieren" Standfestigkeit und Mut bewiesen hat, unbequem zu sein. Pflegeleicht ist er nicht. Das ist sein Markenzeichen. Eine Rückgratverbiegung kann ich bei ihm nicht feststellen. Als Rechtsanwalt wird er wissen, wo die neue Rechtschreibung für das Rechtswesen unbrauchbar ist. (Ich bin kein Parteifreund vom ihm.)


eingetragen von Matthias Dräger am 15.11.2004 um 09.03

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von margel
Leider haben all die fundierten Kritiken von sprachwissenschaftlicher Warte aus die Verantwortlichen überhaupt nicht beeindruckt. Eine Wende zum besseren kann wohl nach den bisherigen Erfahrungen nur von den Schreibenden selbst (den "Praktikern") kommen: durch Verweigerung und Festhalten an der bewährten Rechtschreibung. - Theorie ist etwas sehr Schönes und sicher nicht überflüssig. Man sagt ja auch, nichts sei praktischer als eine gute Theorie.

Lieber Herr Margel,
Ihr Einwand bringt für mich die gegenwärtige Situation auf den Punkt: Die fundierten Kritiken von sprachwissenschaftlicher Seite konnten die Verantwortlichen überhaupt nicht nachhaltig beeindrucken, da sie von der Materie, von den Feinheiten der Rechtschreibung, nicht genug verstehen, um die Problematik in der ganzen Tragweite zu erkennen.
Welcher Politiker schreibt denn heutzutage überhaupt noch selbst? Auch der Fraktionschef einer Oppositionspartei in einem Landtag schreibt nicht mehr, sondern läßt schreiben, „diktiert in neuer Rechtschreibung“ (so Martin Kayenburg, CDU S.H. 1999).

Wer nicht berufsmäßig mit Schreiben und Orthographie zu tun hat kann bestenfalls erkennen, daß da etwas nicht stimmt, auch, daß man die Rechtschreibreform wohl nicht hätte machen sollen. Um den entscheidenden Schritt zu machen fehlt ihm aber der Rückhalt, den nur eine feste innere Überzeugung geben kann.
Das beste Beispiel hierfür ist Christian Wulff: Er hat durchaus bewiesen, daß er bereit ist, etwas zu machen. Für den wirklich entscheidenden Schritt, Niedersachsen wieder normal schreiben zu lassen, fehlt ihm aber offensichtlich der Mut - eben weil er nicht überzeugt ist. Ich halte Wulff nicht für einen Hasenfuß.

Bezeichnend ist auch, daß der jüngste Anstoß zur Besserung der Verhältnisse nicht von einem Politiker kam, sondern von Dr. Mathias Döpfner, dessen Beruf ja nun wirklich etwas mit Schreiben und Othographie zu tun hat.



Zur Ergänzung hier noch eine Kopie meines Beitrages aus dem Nachrichtenbrett (vor einigen Tagen dort eingestellt):



Halbherziges Blah Blah

Wann immer sich Politiker sich mit der Rechtschreibreform eingelassen haben, es kam zum Versagen. Die Liste beginnt nicht bei

Herzog
Kohl
Schäuble
Stoiber
Zehetmair
Koch
Beck
Müntefering
Simonis

und endet noch nicht bei
Rühe
Schily
Ahnen
Schavan
Wulff und
Merkel

Dabei ist es eigentlich unerheblich, ob ein Politiker (wie hier in der Liste) für oder gegen die Reform ist - entscheidend ist allein die völlige Wirkungslosigkeit, ja Harmlosigkeit der Äußerung.
Als Politiker kann ich sehr wohl offiziell oder auch privat, was ebenfalls sehr wirkungsvoll sein kann, Stellung beziehen, wenn man gleichzeitig dafür sorgt, daß die Äußerung ohne Konsequenzen bleibt.
Manche waren vielleicht auch auf Effekt oder gar Wirkung bedacht, aber keiner, auch Wulff nicht, war von der Sache wirklich überzeugt und hat seine Möglichkeiten voll ausgeschöpft - keiner!

Peter Gauweiler habe ich vorsichtshalber nicht in die Liste aufgenommen, hier spürt man wirkliches Engagement, das kann also noch etwas werden...


Nachtrag: Wenn es jemanden gibt, der seine Möglichkeiten nur zu einem Bruchteil genutzt hat, weil er entweder von der Sache nicht überzeugt, ein Trottel oder ein Hasenfuß ist, dann fällt mir dazu vor allem ein Name ein: Christian Wulff, auch so einer der zukünftigen Hoffnungsversager Deutschlands.


eingetragen von Karsten Bolz am 17.10.2004 um 13.24

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von margel
Was macht eigentlich der Deutsche Sprachrat? Existiert er noch, und wenn ja, was gedenkt er dagegen zu tun?
Der verleiht den Preis für das schönste deutsche Wort. Gehen Sie mal auf deren Internet-Neite. (Noch besser: Lassen Sie es bleiben. Absolut uninteressant!)
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Karsten Bolz


eingetragen von margel am 17.10.2004 um 12.31

Was macht eigentlich der Deutsche Sprachrat? Existiert er noch, und wenn ja, was gedenkt er dagegen zu tun?


eingetragen von margel am 17.10.2004 um 08.58

Die Reformer samt ihren Gefolgsleuten, ganz besonders aber die KMK, sind in der Defensive, die Kritiker und Gegner treiben sie vor sich her. Darum auch das "faire Angebot" einer Doris Ahnen. Also: Seid munter und wachet!


eingetragen von Fritz Koch am 17.10.2004 um 08.11

Was man in TELEPOLIS im heutigen hochinteressanten Bericht "Die Rückkehr der kalten Fusion" über das Verhalten der wissenschaftlichen Gutachter und der wissenschaftlichen Zeitschriften liest, drängt einem sofort den Vergleich mit der Durchsetzung der Rechtschreibreform und dem Verhalten der Politiker und der Zeitungen auf, wenn man die heiße Fusion mit der neuen und die kalte Fusion mit der Weiterentwicklung der alten Rechtschreibung vertauscht.


eingetragen von Theodor Ickler am 17.10.2004 um 07.55

Wenn man sich die Pressemitteilungen der KMK ansieht (www.kmk.org), stellt man mit Genugtuung fest, daß sich dieses Gremium ununterbrochen mit der Rechtschreibreform beschäftigen muß, und das nun schon seit mindestens acht Jahren. "Wichtigere" Themen gibt es, aber man kann sich ihnen nicht recht widmen, solange das "unwichtige" nicht erledigt ist. Und erledigt wird es nie sein, solange die KMK die Reform nicht aufgibt.

Man kann sich vorstellen, wie die Damen und Herren fluchen, wenn sie schon wieder ganze Nachmittage mit der Rechtschreibreform verbringen müssen, von der sie allesamt wissen, daß sie ein großer Mist ist, und die sie trotzdem wie eine höchst wertvolle Errungenschaft verkaufen müssen. Von dieser Stimmung in der KMK hat mir schon vor längerer Zeit ein Mitarbeiter des Generalsekretärs vertraulich berichtet.

Schön ist auch, daß wir Kritiker so ernst genommen werden. Anfang des Jahres haben die Reformer viel Aufwand getrieben, um herauszufinden, wo ich immer die Berichte der Kommission und die Beschlußvorlagen herhabe. Bis auf vier mögliche undichte Stellen sollen sie ihrem Ziel schon nahegekommen sein! Mein PC ist auch schon ausspioniert worden; mir macht das nicht viel aus, Spardorf ist ja nicht St. Pölten.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 17.10.2004 um 03.28

"Wann hätte je eine amtliche, halb- oder dreiviertelamtliche orthographische Konferenz etwas Vernünftiges zuwege gebracht!" (Friedrich Roemheld: Die Schrift ist nicht zum Schreiben da. Eschwege 1969, S. 23).
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Th. Ickler


eingetragen von David am 16.10.2004 um 11.16

Ich finde diese Idee nicht hinterhältig, ich finde sie gut!!
Meine Nichte ist zwar erst ein Jahr alt, aber ich versuche mich daran zu erinnern, wenn es für sie soweit ist.

Zu Herrn Schühlys Bemerkung: Nein, McDonalds schmeckt nicht besser, sondern überhaupt nicht! Da ist die Konkurrenz (die ich mal ganz unverfroren mit "Frikadellen-König" übersetzen möchte) um Längen besser. Der klare Favorit in diesem Sektor - überdies mit Abstand! - ist und bleibt allerdings der Dönerladen!


eingetragen von Fritz Koch am 16.10.2004 um 10.28

Wenn man seinem Enkel- oder Patenkind, das zur Schule geht, bei einer offiziellen Feier (Geburtstag, Weihnachten oder ...) den neuen "Ickler, Normale deutsche Rechtschreibung" schenkt mit einer hineingeschriebenen großen und ganz persönlichen Widmung mit Anrede und mit dem hineingeschriebenen Zusatz: "damit Du die Bücher Deiner Eltern und Großeltern auch lesen und verstehen kannst", am besten innen in den Buchdeckel, damit man die Seite nicht herausreißen kann,
könnten die dann das Buch zurückweisen oder in den Müll werfen oder auf dem Flohmarkt verkaufen?


eingetragen von Detlef Lindenthal am 14.10.2004 um 21.28

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Bernhard Schühly
Zitat:
Coca Cola, McDonald und KMK haben weder großartige Ideen noch begnadete oder fleißige Oberhäupter, sind jedoch ungeahnt erfolgreich – in ihrem jeweiligen Feld haben sie Narren- und Handlungsfreiheit. Und das liegt im wesentlichen daran, daß sie eine eingespielte Zusammenarbeit mittelmäßiger Leute haben.


Deren „Narrenfreiheit“ kommt nicht von „eingespielter Zusammenarbeit...“, sondern davon, daß alle drei es verstanden, rechtzeitig jede Konkurrenz auszuschalten – deshalb können sie sich jetzt „mittelmäßige Geister“ erlauben.

Aber was ist der Unterschied? McDonald schmeckt besser...
Nein, lieber Herr Schühly, die KMK hat, so meine ich, ebensowenig Konkurrenz ausgeschaltet wie McD oder Coca Cola – weder 1948 noch später; es hat niemanden gegeben, der sich mit ausreichendem Fleiß die Mühe gemacht hätte, ihnen nachhaltig Konkurrenz zu machen.
Und Frau Ahnen bettelt doch darum, daß man mit ihr in die Sacherörterung eintritt. Es muß doch wohl möglich sein, daß sich 6 Leute zusammenfinden, die Frau Ahnen das mal alles genau erklären, oder?
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Bernhard Schühly am 14.10.2004 um 21.12

Zitat:
Coca Cola, McDonald und KMK haben weder großartige Ideen noch begnadete oder fleißige Oberhäupter, sind jedoch ungeahnt erfolgreich – in ihrem jeweiligen Feld haben sie Narren- und Handlungsfreiheit. Und das liegt im wesentlichen daran, daß sie eine eingespielte Zusammenarbeit mittelmäßiger Leute haben.

Deren „Narrenfreiheit“ kommt nicht von „eingespielter Zusammenarbeit...“, sondern davon, daß alle drei es verstanden, rechtzeitig jede Konkurrenz auszuschalten – deshalb können sie sich jetzt „mittelmäßige Geister“ erlauben.

Aber was ist der Unterschied? McDonald schmeckt besser...
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Bernhard Schühly


eingetragen von margel am 14.10.2004 um 18.27

...wußten Sie denn nicht, daß ein Beamter nichts annehmen darf, auch nicht Vernunft???


eingetragen von David am 14.10.2004 um 18.21

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von margel
Die Mehrzahl bildet das Team und einer macht das Work.

Dazu fällt mir gerade ein, wofür "Team" stehen kann (bzw. leider sehr oft auch tatsächlich steht): Toll Ein Anderer Macht's.


eingetragen von Fritz Koch am 14.10.2004 um 16.49

die sich nach deren eigener Aussage für die Sachfragen der Rechtschreibung überhaupt nicht interessieren, über eben diese Sachfragen im Rat mit abstimmen zu lassen? Dann werden doch wieder wirtschaftliche Interessen mit Rechtschreib-Sachfragen gemischt und die Sachfragen-Ergebnisse verfälscht. Angenommen, die Schulbuchverlage bilden das Zünglein an der Waage und entscheiden, daß wegen ihrer wirtschaftlichen Interessen nichts geändert wird oder erst in zehn Jahren.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 14.10.2004 um 11.53

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz
... So ist das nun einmal.
Dem zu widersprechen traue ich mich. Coca Cola, McDonald und KMK haben weder großartige Ideen noch begnadete oder fleißige Oberhäupter, sind jedoch ungeahnt erfolgreich – in ihrem jeweiligen Feld haben sie Narren- und Handlungsfreiheit. Und das liegt im wesentlichen daran, daß sie eine eingespielte Zusammenarbeit mittelmäßiger Leute haben. Solchen Bockmist wie von Duden, KMK und ZwstK könnten einzelne Genies gar nicht zuwege bringen.

Umgekehrt ist es hier auf den RS-Seiten: Viel genialer Geister, aber kaum Zusammenarbeit.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von margel am 14.10.2004 um 11.33

Genau, Frau Pfeiffer-Stolz. Darum habe ich in meiner aktiven Zeit als Lehrer auch immer einen großen Bogen um alle Arbeitskreise, Arbeitsgruppen, Planungsteams, Ausschüsse gemacht. "Teamwork" heißt nämlich in diesem Zusammenhang: Die Mehrzahl bildet das Team und einer macht das Work.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 14.10.2004 um 09.18

Genau aus diesem Grunde habe ich schon von Kindesbeinen an eine unverhohlene Abneigung gegen alles, was „Gruppenarbeit“ heißt. In der Schule kann man beobachten, daß gute Gruppen stets nur aus einem guten Gruppenmitglied bestehen, das sich durchsetzt oder gar die ganze Arbeit macht, während die anderen davon profitieren. Ist ein solch starkes, denkendes und fleißiges „Oberhaupt“ in einer Gruppe nicht vorhanden, dann geht die gutgemeinte Gruppenarbeit im Chaos der Nichtigkeiten unter.
Denken kann man am besten allein. So ist das nun einmal.
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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Matthias Dräger am 14.10.2004 um 08.10

Wenn sich einzelne des Themas Rechtschreibung annehmen, und hier, wohlinformiert, ebenso behutsam wie entschlossen etwas voranbringen, dann wird in aller Regel auch etwas daraus.

Wenn aber größere Gremien sich mit der Angelegenheit befassen, oder gar politische Konferenzen, ist die Pleite für die Sache vorprogrammiert: in einer Mischung aus Trotz, Rücksichtnahmen, Unkenntnis, Halbwahrheiten und Lobbyarbeit der Schulbuchverbände bleiben die notwendigen Entscheidungen auf der Srecke. Es erfordert eben doch einen gewissen Aufwand, sich in die Materie einzuarbeiten, und politische Gremien scheinen dazu wenig geeignet zu sein. Sie haben ihre Meinung, und wollen in ihren Kreisen nicht gestört werden.
Wie anders soll man es interpretieren, daß vom Berliner Senat keine der zur MPK übersandten Unterlagen der Konferenz vorgelegt, ja, noch nicht einmal inhaltlich geprüft wurden? Eine Rücksendung der Unterlagen aus „dienstrechtlichen Gründen, da man keine Geschenke annehmen dürfe“, ist ja wohl nichts als ein schlechter Witz.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 09.10.2004 um 19.11

Herr Denk, Herr Krieger,

herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Erfolg, von den Ministerpräsidenten der 16 Länder einstimmig dazu ernannt worden zu sein, mit Ihrem Rat für deutsche Rechtschreibung nun die Rechtschreibung durchzukämmen. Bei den Lehrern höre ich geradezu tiefes Aufatmen. Wurde Frau Jelinek schon Mitglied?
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Norbert Lindenthal


eingetragen von Detlef Lindenthal am 09.10.2004 um 16.37

– Fremde Federn –

Von Rupert Scholz

Die Rechtschreibreform ist gescheitert. Am grünen Tisch produziert oder diktiert, hat sie der Sprache buchstäblich Gewalt angetan und - folgerichtig - nicht die allseitige Akzeptanz gefunden, deren die Sprache als wichtigstes Mittel gesellschaftlicher Kommunikation bedarf. Und dies schon im sogenannten Erprobungsstadium. Deshalb bedarf es dringend der Revision, zumindest einer grundlegenden Reparatur. Aber wer sorgt dafür? Die Ministerpräsidenten der Länder sind gespalten, die eigentlich verantwortlichen Kultusminister zaudern oder suchen Zeit zu gewinnen, die Bundesregierung äußert sich zwiespältig oder gar nicht -- und für die Apologeten der Rechtschreibreform halten die inzwischen auf der Grundlage der neuen Rechtsprechung ausgebildeten Schulkinder als Ausrede für den begangenen Fehler her. Manche Verteidiger der Rechtschreibreform sprechen sogar davon, daß es doch „nur“ um die Orthographie, also nicht um die Sprache als Ganzes gehe. Dies ist grundfalsch. Denn die Rechtschreibung ist ein wesentlicher, ein grundlegender Teil jeder Sprache und Sprachkultur. Dies leugnet jetzt aber sogar der Vorsitzende der Zwischenstaatlichen Kommission für die Rechtschreibung, Blüml. Die Voraussage fällt nicht schwer, daß auch diese Kommission nichts anderes sein wird als ein Alibiunternehmen. Deshalb ist und bleibt die Politik gefordert.

Wenn man sich nicht rasch auf eine Rücknahme oder Reparatur der neuen Rechtschreibung einigt, dann droht ein Verfassungsproblem. In seiner Entscheidung vom 14. Juli 1998 hatte das Bundesverfassungsgericht die Rechtschreibreform allerdings - noch - nicht beanstandet. Damals ging es nur um die Frage, ob die schulische Umsetzung einer neuen Rechtschreibung der Gesetzesform bedarf. Dies hat das Bundesverfassungsgericht verneint. Aber es hat klare Maßstäbe für eine rechtmäßige Änderung der Rechtschreibung benannt. So hat das Bundesverfassungsgericht in aller Deutlichkeit festgestellt, daß „der Staat die Sprache nicht beliebig regeln kann“, daß „regulierende Eingriffe“ ihm, dem Staat, in der Regel oder grundsätzlich nur dann erlaubt sind, wenn es darum geht, „Vereinfachungen“ vorzunehmen oder „Widersprüche im Schreibusus und Zweifel an der richtigen Schreibung zu beseitigen“. Ebendiesen Maßstäben wird die Rechtschreibreform jedoch nicht gerecht. Sie verändert die Sprache, sie läßt diese sogar in ihrer bisherigen Mannigfaltigkeit verkümmern. Dies hat mit „Vereinfachung“ oder „Beseitigung von Widersprüchen oder Zweifeln“ nichts mehr zu tun. Dies ist vielmehr pure Willkür, geht an der Pflege gegebener Sprachkultur vorbei und ist damit - in den Worten des Bundesverfassungsgerichts - „beliebig“ und also verfassungswidrig. Deshalb fordert auch die Verfassung - und hier vor allem die Grundrechte von Schülern wie Eltern - die rasche Revision.

Zuständig hierfür sind zunächst die Länder: Sie sind für die schulische Ausbildung verantwortlich. Aber auch der Bund ist gefordert, stellt die Sprache doch als Grundelement nationaler Identität einen Grundtatbestand von gesamtstaatlicher Bedeutung dar. Einen verfahrensrechtlich tragfähigen Weg zur Lösung weist die Regelung des Artikels 91 b Grundgesetz, auf die auch das Bundesverfassungsgericht in seiner genannten Entscheidung hingewiesen hat.

Danach fällt der Komplex der „Bildungsplanung“, zu der naturgemäß die Pflege von Sprache und Rechtschreibung gehört, in die gemeinschaftliche Verantwortung von Bund und Ländern. Die Pflege der Rechtschreibung stellt sich also als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern dar, weshalb die Bundesregierung nicht länger schweigen darf. Abgesehen davon, daß die Rechtschreibreform auch einen außenpolitischen Regelungsgegenstand im Verhältnis zu den anderen deutschsprachigen Ländern darstellt, muß die Bundesregierung sich ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung für das aufgetretene Problem besinnen. Bundesregierung und Länder sind deshalb aufgefordert, die Rechtschreibreform umgehend im Wege einer Vereinbarung gemäß Artikel 91 b Grundgesetz zurückzunehmen oder von Grund auf neu zu konzipieren. Zunächst sind jedoch die Länder selbst gefordert. Die Kultusminister stehen nicht nur vor einem sprachkulturellen Scherbenhaufen, sondern auch vor dem drohenden Verdikt eines evidenten Verfassungsverstoßes.

Der Verfasser lehrt Verfassungsrecht und war [Verfassungsrichter und] Bundesminister der Verteidigung. <<

Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 235 vom 8. Oktober 2004, S. 10

(übernommen von: http://www.vrs-ev.de/forum/viewtopic.php?p=2327&highlight=#2327 ;
Dank an Herrn Eicheler für den Hinweis!)
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Detlef Lindenthal am 09.10.2004 um 15.17

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christoph Kukulies
... 5 € extra im Monat ...
Ja, das stimmt. Rasterkasten (scanner) und Lesemaschine (Finereader, Omnipage, ...) haben Sie? Mit letzteren könnte ich .gif- oder .tiff-Aufnahmen verarbeiten.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Christoph Kukulies am 09.10.2004 um 14.52

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christoph Kukulies
... sonst hätte ich noch schnell den Artikel von Rupert Scholz in der FAZ vom Freitag abgetippt und in das Nachrichtenbrett gestellt ...
Wer F.A.Z. abonniert, sollte auch Zugriff haben auf die vollständige Netzausgabe, so daß nicht getippt werden muß.
Zitat:
das letzte Mittel ..., das es noch gibt, um die RS"R" zu Fall zu bringen: Den abermaligen Gang vor das Bundesverfassungsgericht.
Das BVerfG hat zu oft versagt, als daß man sich auf es verlassen könnte.
Ich glaube, das kostet 5 € extra im Monat, wenn man die Online-Ausgabe der FAZ nutzen will. Dieses sog. e-Paper Abonnement habe ich nicht.
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Christoph Kukulies


eingetragen von Detlef Lindenthal am 09.10.2004 um 08.02

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christoph Kukulies
... sonst hätte ich noch schnell den Artikel von Rupert Scholz in der FAZ vom Freitag abgetippt und in das Nachrichtenbrett gestellt ...
Wer F.A.Z. abonniert, sollte auch Zugriff haben auf die vollständige Netzausgabe, so daß nicht getippt werden muß.

Zitat:
das letzte Mittel ..., das es noch gibt, um die RS"R" zu Fall zu bringen: Den abermaligen Gang vor das Bundesverfassungsgericht.
Das BVerfG hat zu oft versagt, als daß man sich auf es verlassen könnte.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Christoph Kukulies am 09.10.2004 um 07.41

Leider bin ich auf dem Sprung, sonst hätte ich noch schnell den Artikel von Rupert Scholz in der FAZ vom Freitag abgetippt und in das Nachrichtenbrett gestellt.

Diesen Artikel halte ich für sehr wichtig, und ich wundere mich, daß bisher noch niemand hier darauf Bezug genommen hat, weil er im Grunde das letzte Mittel vorzeichnet, das es noch gibt, um die RS"R" zu Fall zu bringen: Den abermaligen Gang vor das Bundesverfassungsgericht.
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Christoph Kukulies


eingetragen von margel am 04.10.2004 um 08.05

Lieber Herr Dräger, der mit den Löchern ist der Emmentaler...


eingetragen von Matthias Dräger am 03.10.2004 um 21.03

Über die Haltung bei der SZ, daß man dort keine Leserbriefe mehr zum Thema Rechtschreibreform drucken wolle, kann ich nur schmunzeln. Wir erleben dieser Tage geradezu tektonische Verschiebungen in Sachen Rechtschreibung, und die Rechtschreibung, die mit jeder Zeitung verbunden ist wie die Löcher mit dem Käs' - die besten Löcher im Emmentaler sind übrigens die, wo wirklich nichts drin ist! - geht die SZ nichts mehr an? Will die SZ von ihren Lesern nichts mehr wissen?

Ich habe auch einmal einen Leserbrief geschrieben zur Rechtschreibreform. Ich erhielt dann eine freundliche Antwort, mit einem abschlägigen Bescheid. Das Thema sei durch.
Mein Leserbrief ging an die FAZ, das war im ... November 1995!

Bei der SZ will man ja jetzt erst einmal, so Sebastian Berger, Sprecher der SZ, die Entscheidungen der Ministerpräsidenten und der KMK abwarten. Abwarten ist immer gut. Wenn man lange genug wartet, kommt die Apokalypse.
Dann weiß man: Das Warten hat sich gelohnt!


eingetragen von Fritz Koch am 03.10.2004 um 17.50

skandalöserweise.

Es hat folglich keinen Sinn, die Politiker mit logischen Argumenten zu bearbeiten. Vernunft hat in Deutschland keine Mehrheit in der Politik.

Einzig sinnvoll ist es, die Zeitungsverlage zu bearbeiten. Allerdings bewirken Leserbriefe nicht viel. Die süddeutsche Zeitung z. B. hat gedruckt, keine weiteren Leserbriefe zu diesem Thema zu veröffentlichen. Vermutlich muß man Schreiben nicht als Leserbriefe, sondern als Briefe an die Redakteure selbst kennzeichnen.


eingetragen von Fritz Koch am 26.08.2004 um 09.28

Nachdem alle Schriftsteller und Dichter von den Reformern pauschal als "Rechtschreibchaoten" diffamiert worden sind,
ist es nötig, daß als glaubwürdig anerkannte Sprachwissenschaftler die Standard-Behauptung der Reformer untersuchen, die Schreibung sei nicht die Sprache und Änderungen der Schreibung veränderten nicht die Sprache.


eingetragen von Dominik Schumacher am 23.08.2004 um 16.50

Doris Ahnen war doch als Vorsitzende der Kultusministerinnenkonferenz klar zu verstehen, daß Kritiker mit im Boot sein sollen. Daraus schließe ich eine gewisse Selbstverständlichkeit, die Damen und Herren Ministerinnen und Minister in den nun lebenden Rat für deutsche Rechtschreibung einzuladen. Als Namen, verehrter Herr Koch, können wir uns vielleicht auf den einen „lebendigen Rat für deutsche Rechtschreibung (kurz RfdR)“ einigen. Zwei Namen brauchen wir nicht.
__________________
Dominik Schumacher

übrigens heiße ich wirklich Norbert Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 23.08.2004 um 16.13

Unabhängigen Sprachrat (USR)
und dem
Kultusministeriellen Sprachrat (KSR)
unterscheiden müssen.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 23.08.2004 um 15.43


Norbert Schäbler schrieb:
Dieser Deutsche Sprachrat für Rechtschreibung ist der alleinige, konkurrenzlose und einzig kompetente Rat
Sowas freut einen doch zu hören; einzig kompetent und außerdem oder deshalb konkurrenzlos!
Doch wer ist dieser Sprachrat, von welcher bewährten Mannschaft wird er gemacht? Oder ist es ein Kosename für einen bereits bestehenden Rat?
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Norbert Schäbler am 23.08.2004 um 15.21

Dem "Chapeau" von Herrn Scheuermann will ich ein "Credo" hinzufügen.

Dieser Deutsche Sprachrat für Rechtschreibung ist der alleinige, konkurrenzlose und einzig kompetente Rat, der den Weg aus der "Sackgasse Rechtschreibreform" finden kann.
Kein von welcher Institution und Vereinigung auch immer eingesetzter Gegenrat könnte dieser versammelten Sprachnutzerweisheit das Wasser reichen.

“Credo in unam … “

__________________
nos


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 23.08.2004 um 13.01

..."Rates für deutsche Rechtschreibung" am Wochenende in München ist ein feiner Schachzug - chapeau!
__________________
Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Detlef Lindenthal am 17.08.2004 um 19.56

Zitat:
Klaus Malorny schrieb:... vermutlich befindet er sich einfach nur im wohlverdienten Urlaub.
Wie man hört, ist es genau so. Muß mit seinen Kindern tauchen üben, Sandburgen bauen und Drachen basteln, hat keine Zeit für unz.


eingetragen von Klaus Malorny am 17.08.2004 um 18.39

Question

Ich muß mal dumm nachfragen, auch auf die Gefahr hin, in ein Fettnäpfchen zu treten. In den letzten Tagen vermisse ich die sonst nicht seltenen Beiträge von Prof. Ickler. Hoffentlich hat es nichts mit der Trennung rr.com und FDS zu tun. Das wäre wirklich schade. Aber vermutlich befindet er sich einfach nur im wohlverdienten Urlaub. Und falls es so ist, wünsche ich gute Erholung!

mfg.

Klaus Malorny


eingetragen von Detlef Lindenthal am 17.08.2004 um 15.40

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karsten Bolz
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
...Hat denn keiner der angeführten Verfasser sich kraft Amtsrichter dagegen verwahrt,..
Tote können schlecht klagen.
Was hier auch niemand behauptet hat. Viele der (im doppelten Sinne) angeführten Verfasser freuen sich ihres Lebens, bei den schon dahingeschiedenen sind deren Familien befugt und berufen, das Werk gegen Mißbrauch zu schützen.
So tot sind die Toten nicht, daß jeder Ihr Erbe verfälschen und verunstalten dürfte.
In diesem Sinne könnte man sich von Ihnen, lieber Herr Bolz, doch etwas mehr Verteidigungsfreudigkeit wünschen. :-)
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 17.08.2004 um 14.54

Polemik und Beleidigungen sind, so paradox es klingt, zu begrüßen. Mich haben solche Anwürfe geweckt. Es könnte auch noch anderen so gehen, daß sie sich abgestoßen fühlen und nachzudenken beginnen. Wichtig ist immer wieder, daß wir, mag es auch noch so schwerfallen, gelassen bleiben. Die Sachkritik muß wiederholt werden nach dem „Prinzip der zerbrochenen Schallplatte.“
Am Ende hat die Gerechtigkeit noch immer den längeren Atem gehabt, auch wenn sie zwischendurch halb erdrosselt worden ist.
__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Karsten Bolz am 17.08.2004 um 09.39

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
...Hat denn keiner der angeführten Verfasser sich kraft Amtsrichter dagegen verwahrt,...
Tote können schlecht klagen.
__________________
Karsten Bolz


eingetragen von Detlef Lindenthal am 16.08.2004 um 20.59

Diesen Aufsatz habe ich mir in Ruhe durchgelesen. Ein großes Wörterbuch hat sich selbst zur Karikatur verzerrt – es ist unglaublich!

Ein Gedanke dazu: Hat denn keiner der angeführten Verfasser sich kraft Amtsrichter dagegen verwahrt, falsch (und damit ehrabschneidend) zitiert zu werden, so daß das Wörterbuch zurückgezogen werden muß?
Da könnten unsere 70 Juristen ihr Können beweisen.
Ich verstehe nicht, wie jetzt schon durch über 8 Jahre die Duden-Leute ungeschoren davonkommen.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von J.-M. Wagner am 16.08.2004 um 18.40

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karsten Bolz
Dann lesen Sie mal auf diesen Seiten unter der Rubrik Aufsätze "Fälscher Duden - Eine Warnung". Da sind einige Beispiele drin. Danach können wir gerne weiterdiskutieren.
Der Aufsatz "Fälscher Duden - Eine Warnung" ist übrigens unter http://rechtschreibreform.com/Seiten2/Wissenschaft/979IcklerFaelscherDuden.html zu finden.
__________________
Jan-Martin Wagner


eingetragen von J.-M. Wagner am 16.08.2004 um 18.17

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Peter Könnecke
Weiter lese ich hier ständig, insbesondere von Ihnen, die Sprache müsse sich von selbst weiter entwickeln und würde dies auch tun. Die reformierte Schreibweise lässt dies nun aber eher zu, als die herkömmliche, häufig sind jetzt beide Schreibweisen parallel "erlaubt". Folgte man Ihrer Logik, müssten Sie doch eigentlich für die Abschaffung sämtlicher Rechtschreibregeln sein, damit sich die Sprache ungehindert weiter entwickeln kann, eine Weiterentwicklung innerhalb der überkommenen Rechtschreibung kann ja nur bedeuten, das alles so bleibt, wie es ist.
Das kann ich nicht nachvollziehen. Bitte begründen Sie, warum die reformierte Schreibweise eine selbständige Weiterentwicklung der (Schrift-)Sprache eher zuläßt als die herkömmliche Rechtschreibung.

Warum müßten sämtliche Rechtschreibregeln als Hindernis einer Weiterentwicklung der Sprache abgeschafft werden? Warum kann eine Weiterentwicklung innerhalb der herkömmlichen Rechtschreibung nur bedeuten, daß alles so bleibt, wie es ist? Bitte erklären Sie auch das etwas näher.
__________________
Jan-Martin Wagner


eingetragen von J.-M. Wagner am 16.08.2004 um 18.04

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Peter Könnecke
Nun wird ja schnäuzen üblicherweise und auch nach Duden mit Nase putzen "übersetzt", im neuen Ickler konnte ich bisher noch nicht nachsehen. Allerdings konnte ich nicht sicher feststellen, ob dieser Einwurf tatsächlich eine Antwort darstellen sollte oder mir möglicherweise aufgrund jahrelanger Knechtschaft nur die Fähigkeit zu sachlicher Debatte abhanden gekommen ist.
Die Rechtschreibkommission führt die "sachliche Debatte" zu diesem Punkt folgendermaßen. In ihrem 3. Bericht führt sie auf der Seite 117 als "Falschmeldung" an:
„[...] der Staat [...] überschreitet seine Kompetenz, [...] indem er meint, diktieren zu können, [...] daß Schneuzen von Schnauze kommt.“

(Appell der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, FAZ vom 4.8.2000)
Als "Richtigstellung" wird dem von der Kommission entgegengehalten:
Ein Blick in die einschlägigen etymologischen Wörterbücher belegt die Verwandtschaft von Schnauze und schnäuzen.

Vgl. Kluge, 23. Aufl. 1995, S. 735 ff., und Pfeifer (Hrsg.), München 1997, S. 1228 ff.
Mehr steht da nicht.

Es besteht in der Tat eine Verwandtschaft von Schnauze und schnäuzen, diese Verwandtschaft bedeutet jedoch nicht, daß das Wort schneuzen wirklich von Schnauze abgeleitet ist (das geht auch aus der von der Kommission angegebenen Quelle [Kluge] hervor!). Nur gegen letzteres hatte sich die DASD gewandt: Die Ableitungsrichtung wird durch die Reform verfälscht – aber dem hat die Kommission nichts entgegengehalten.

Der Einwand der DASD ist zudem berechtigt: Die hier relevante Regel, § 13, lautet:
§ 13: Für kurzes [ε] schreibt man ä statt e, wenn es eine Grundform mit a gibt.
Weil hier von einer "Grundform" die Rede ist, wird bei der Schreibung von schnäuzen (statt schneuzen) in Anlehnung an Schnauze ersteres als Ableitung von letzterem aufgefaßt – wider besseres etymologisches Wissen.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von J.-M. Wagner am 16.08.2004 um 17.20

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christoph Kukulies
Aber wer will schon ein Remis? Im Schach freut man sich natürlich, wenn man gegen einen starken Gegner das Remis schon in der Tasche hat, aber jetzt heißt es auch, den Gegner mattzusetzen, will sagen, die vollständige Rückkehr zur klassischen, bewährten, guten Rechtschreibung durchzusetzen.
Ohne einem Kompromiß das Wort reden zu wollen – die Idee dabei scheint zu sein, es manchen Leuten schmackhaft zu machen, sich überhaupt zu bewegen; mitzuspielen, anstatt als Spielverderber zu fungieren –: Es geht dabei wohl darum, die (psychologisch relevante) Hürde zu überwinden, daß einem die Einsicht zwar sagt, daß an der Reform zwar vieles geändert werden muß, aber ein Zurück zur alten Regelung kommt einfach nicht in Frage

Dann sollte man sich aber bitte etwas anderes ausgucken, was als Kompromißangebot unterbreitet werden kann. Wie wäre es z. B. mit der st-Trennbarkeit? Also würde der Kompromißvorschlag lauten: Rücknahme der Reform (und insbesondere der Heyseschen s-Schreibung), aber Beibehaltung der Trennbarkeit von st. Also: Wenn, dann nicht "ss-Kompromiss", sondern "st-Kompromiß".
__________________
Jan-Martin Wagner


eingetragen von Peter Könnecke am 16.08.2004 um 16.37

Aus dem Text herausgerissen werden Sie immer zweideutig zitieren können, mit welchem Regelwerk auch immer. Schauen Sie doch mal in den Spiegel. Welche Ausgabe, welche Seite, im Bad oder im Schlafzimmer?


eingetragen von Peter Könnecke am 16.08.2004 um 16.32

...geschrieben steht, im Anfang war das Wort, hier stock ich schon, wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, ich muss es anders übersetzen...

Sicher darf in der Schule auch weiterhin gelehrt werden, dass gräulich früher auch greulich geschrieben wurde, warum nicht?


eingetragen von Dr. Konrad Schultz am 16.08.2004 um 16.31

... habe ich Ihnen schon einmal geschrieben. Hätten Sie wirklich meinen Hinweis befolgt, so hätten Sie auch bemerkt, daß die einen 2500 Fundstellen eine näherungsweise graue Farbe betreffen, die anderen etwas mit Grauen zu tun haben. Statt dessen lassen Sie sich grauenvoll über Haarfarben in der Klassik und ihre Wirkungen aus und wiederholen falsche Behauptungen trotz Belehrung. Sie werden Ihre Tochter auch nicht für dümmer halten als die Millionen, die mit der Rechtschreibung "greulich" nie Schwierigkeiten hatten. Die literarische Stelle habe ich hier gefunden, aber jetzt nicht bei der Hand, aber was halten Sie von dem Beitrag vom 14. 7. 2004 von Herrn Salzburg hier in Forum > Beispielsammlung über Sinn und Unsinn > Die Welt, wo von den _gräulichen_ Betonstelen im Holocaustdenkmal die Rede ist.


eingetragen von Karsten Bolz am 16.08.2004 um 16.15

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Peter Könnecke
...ihr oder unser aller greulich will ja niemand abschaffen,...
Ja wie denn nun? Soll es das Wort geben, aber an der Schule darf es nicht gelehrt werden?
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Karsten Bolz


eingetragen von Karsten Bolz am 16.08.2004 um 15.49

Dann lesen Sie mal auf diesen Seiten unter der Rubrik Aufsätze "Fälscher Duden - Eine Warnung". Da sind einige Beispiele drin. Danach können wir gerne weiterdiskutieren.
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Karsten Bolz


eingetragen von Peter Könnecke am 16.08.2004 um 15.47

Sehr geehrter Herr Bolz,
ihr oder unser aller greulich will ja niemand abschaffen, ich werde dies weiter lesen und verstehen, wenn es schon mal irgendwo vorkommen sollte. Da es aber kaum vorkommt und es nun mal sinnvoll ist, von einem Wortstamm oder Stammwort auszugehen, halte ich es nicht weiter für erforderlich, dass meine Tochter die Ausnahme lernen muss, dass es vorliegend Grauen, aber greulich heissen soll.
Auch der Rechenschieber war seinerzeit eine nützliche Sache, warum lernen die Kinder heute nicht mehr, hiermit zu rechnen? Wenn Sie nun schreiben, es käme nicht darauf an, ob ein "abgeschafftes" Wort noch verwandt wird, oder nicht, deckt sich dies sicher nicht mit der "Lehre" einer lebendigen Sprache, sondern scheint mir weiter eine Prinzipienreiterei zu bleiben.


eingetragen von Peter Könnecke am 16.08.2004 um 15.33

Seien Sie doch einmal so freundlich, und nennen Sie einen dieser belletristischen Sätze nebst Quelle, da Sie diese Mühen wohl schon auf sich genommen haben. Ich wäre Ihnen sehr verbunden.
Der Umstand, dass sich ggf. 2500 oder mehr Verfechter dieser oder jener Schreibweise hiermit auseinandersetzten, überzeugt mich nicht. Im Übrigen dürfte es auch ein Unterschied, sich unter Beschäftigung mit der Reform Sätze auszudenken, welche dann zu Missdeutungen führen könnten und dem tatsächlichen Sprachgebrauch liegen.
Dem Gretchen graute es seinerzeit vor ihrem Heinrich, gleichwohl hatte Faust wohl derzeit weder graue Schläfen, noch Gretchen grauen Star. Hatte sie überhaut einen Star oder einen anderen Vogel?
Man sieht also, selbst Goethe lässt Raum für Missdeutungen, so man sich nur gehörig müht.


eingetragen von Karsten Bolz am 16.08.2004 um 15.16

Ad 1: Die Häufigkeit der Benutzung eines Wortes in der Sprache kann ja wohl keine Begründung sein, es abschaffen oder seine Bedeutung einebnen zu wollen. Ad 2: Mit welcher Legitimation werden Konverterprogramme über Leserbriefe gejagt, deren Schreiber sich klar gegen eine reformierte Schreibung aussprechen? Mit welcher Legitimation werden Quellen gefälscht um zu „belegen“, daß es diese Wörter (z. B. Handbreit, sogenannt, wohlbekannt, gräulich usw. usw.) nie gegeben hat? Orwell läßt grüßen! Die von Ihnen so begrüßten „Freiheiten“ sind nicht existent, da die Reformer immer noch ihr „amtliches Regelwerk“ hochhalten, welches die Grenzen festschreibt. Die sogenannte „Variantenführung“ ist ein Notnagel, an dem sich die Reformer aus dem Sumpf zu ziehen versuchen. Ad 3: Es geht nicht um die Abschaffung sämtlicher Rechtschreibregeln. Ohne Konventionen ist Kommunikation nun einmal nicht möglich. Diese Konventionen existierten bis heute fort und der Duden hat sie bis 1996 auch ganz passabel beschrieben.
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Karsten Bolz


eingetragen von Dr. Konrad Schultz am 16.08.2004 um 15.02

Wenn Sie mal unter den Begriffen "gräuliche" und "greuliche" googeln, stellen Sie fest, daß beide je etwa 2500 Mal nachgewiesen werden. Sie hätten auch einen konkreten Nachweis (_ich_ suche ihn jetzt nicht vor) dafür finden können, daß die Identifizierung beider Begriffe die Deutung eines realen belletristischen Satzes unklar werden läßt.


eingetragen von Christian Melsa am 16.08.2004 um 14.52

Um noch einen Kümmel aus dem Käse zu picken bzw. Herrn Könnecke einen weiteren Steinwurf im Glashaus vorwegzunehmen: Autorennacht - Autorenn-Nacht oder Autoren-Nacht? Sehr praxisrelevant!


eingetragen von Peter Könnecke am 16.08.2004 um 14.27

Im Übrigen wäre es durchaus möglich, eine adäquate Anzahl von Begriffen herauszusuchen, welche nunmehr eine genauere Beschreibung gestatten, das Betttuch läßt nun keine Verwechslung mehr mit einem Tuch zu, welches die Oma sonntags umbindet, wenn sie zum Gottesdienst geht, man muss kein musikalisches Ass sein, um den halben Ton zum a herauszuhören und anderes.


eingetragen von Peter Könnecke am 16.08.2004 um 14.17

Wie oft in den letzten 100 Jahren wird der Begriff gräulich wohl als Farbdifferenzierung benutzt worden sein?
Genau das zeigt wohl wieder die Haltlosigkeit Ihrer Diskussion.
Sie picken faktisch den Kümmel aus dem Käse, indem Sie sich derartige Begriffe heraussuchen und letztlich einen Verlust beklagen, welcher dann lediglich theoretisch besteht, obgleich es Ihnen selbstverständlich weiter gestattet sein wird, greulich zu schreiben. Aus dem schulpflichtigen Alter sind Sie doch sicher bereits raus.
Weiter lese ich hier ständig, insbesondere von Ihnen, die Sprache müsse sich von selbst weiter entwickeln und würde dies auch tun. Die reformierte Schreibweise lässt dies nun aber eher zu, als die herkömmliche, häufig sind jetzt beide Schreibweisen parallel "erlaubt". Folgte man Ihrer Logik, müssten Sie doch eigentlich für die Abschaffung sämtlicher Rechtschreibregeln sein, damit sich die Sprache ungehindert weiter entwickeln kann, eine Weiterentwicklung innerhalb der überkommenen Rechtschreibung kann ja nur bedeuten, das alles so bleibt, wie es ist.


eingetragen von margel am 16.08.2004 um 12.47

Die Reformer lassen nur noch "Gräuel"/"gräulich" zu, die mit "Grauen" zusammenhängen. Hier ist also keine falsche Etymologie am Werke, sondern es wird "nur" die bisher gültige und nützliche Unterscheidungsschreibung "gräulich" (Farbadjektiv)/ "greulich" ohne Not aufgegeben. Das hat nachteilige Folgen für die rasche und richtige Erfassung des Gelesenen. - Der schwerste Vorwurf gegen die Reform ist überhaupt der, daß sie zu einer Entdifferenzierung führt und die Rechtschreibung hinter einen bereits erreichten Entwicklungsstand zurückwirft. Sie ist ein verordneter Primitivismus.


eingetragen von Peter Könnecke am 16.08.2004 um 11.10

Soll gräulich dann etwa vom Grauen abgeleitet worden sein, wie kann man nur so kaltschnäuzig mit der Volksseele umgehen.


eingetragen von Christoph Kukulies am 16.08.2004 um 08.41

Aber wer will schon ein Remis? Im Schach freut man sich natürlich, wenn man gegen einen starken Gegner das Remis schon in der Tasche hat, aber jetzt heißt es auch, den Gegner mattzusetzen, will sagen, die vollständige Rückkehr zur klassischen, bewährten, guten Rechtschreibung durchzusetzen.

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Christoph Kukulies


eingetragen von Fritz Koch am 16.08.2004 um 08.37

sollte man die vieln überflüssign e weglassn, die man sowieso nicht spricht. Dann könntn die Kindr so schreibn, wie sie sprechn, und jedr würde s verstehn. Nur noch wirklich gesprochene e, z.B bei dr Kennzeichnung dr Mehrzahl und dr Länge des i, müßtn geschriebn werdn.
Meintwegn könnte s auch zunächst nur als süddeutsche Variante zugelassn werdn.


eingetragen von margel am 16.08.2004 um 07.36

Es geht um die rechte Schreibung. Bei "schneuzen"/"schnäuzen" sollen wir nach dem Willen der Reformer an die Schnauze denken. So wie bei "belemmert"/belämmert" an das Lamm usw. Das sind die abseitigsten Macken der Reform.


eingetragen von Peter Könnecke am 16.08.2004 um 06.41

Nun wird ja schnäuzen üblicherweise und auch nach Duden mit Nase putzen "übersetzt", im neuen Ickler konnte ich bisher noch nicht nachsehen. Allerdings konnte ich nicht sicher feststellen, ob dieser Einwurf tatsächlich eine Antwort darstellen sollte oder mir möglicherweise aufgrund jahrelanger Knechtschaft nur die Fähigkeit zu sachlicher Debatte abhanden gekommen ist.


eingetragen von margel am 15.08.2004 um 11.21

Vielleicht mal kurz und kräftig schnäuzen = die Schnauze putzen (sagen die Reformer).


eingetragen von Peter Könnecke am 15.08.2004 um 11.08

Weg mit diesen Reformen, stopt das Radfahren, dar-auf (nun soll das plötzlich da-rauf heissen) kommt es jetzt an.
Früher war alles ganz leicht und jeder, zumindest im deutschsprachigen Raum konnte fehlerfrei schreiben und sich dabei auf sein Sprachgefühl verlassen.
Nun soll dies bald alles vorbei sein, nehmt dies nicht länger hin. Beschriftet Pappplakate und geht auf die Straße - die Macht geht vom Volke aus.
Pappplakate waren übrigens schon immer eine wirksame Waffe gegen die Willkür des Staates, nun soll jedoch plötzlich plazieren mit tz und Schiffahrt mit drei f geschrieben werden, unglaublich.
Selbst das radfahren soll zukünftig verboten werden, ja kann denn das wahr sein, dürfen wir hinnehmen, dass das Abendland so einfach vernichtet wird und wehrlos dem Untergang entgegen geht?
Ist diese sogenannte Reform möglicherweise eine besonders perfide Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Deutschlehrer?

Erinnern Sie sich: Früher war das Erlernen der Schriftsprache so einfach, dass der Deutschunterricht eigentlich fast überflüssig war, man musste sich nur auf sein Sprachgefühl verlassen und alles war gut. Fehler waren so gar nicht erst möglich, die Deutschlehrer fürchteten daraufhin um ihre Arbeitsplätze.

Da kommt doch so eine "Reform" gerade zur richtigen Zeit.

Vor allem auch alte Leute sind nun derart verunsichert, wie soll meine Oma nun zum Bäcker kommen, wo sie nicht mehr radfahren darf und die Beine nicht mehr so wollen? Tandem fahren mit dem Opa - wer deckt dann aber den Frühstückstisch? Mofa fahren - darf sie das denn auf Radwegen? Kann mir einer einen Rat geben?


eingetragen von margel am 14.08.2004 um 11.23

Bei den Journalisten, die sich jetzt so staatstreu, schülerfreundlich und was sonst noch alles geben, kommt noch hinzu, daß kaum einer die reformierte Schreibung aus Überzeugung praktiziert hat. Sie haben heimlich immer gespürt, daß sie sich erniedrigt haben und haben gängeln lassen. Wenn man sich in einer Lebenslüge eingerichtet hat, dann läßt einen die plötzliche Konfrontation mit der Wahrheit doppelt frösteln. Daher auch diese Unfähigkeit zu sachlicher Debatte bei denen, die lautstark nach "Versachlichung" rufen. Daher all der Geifer und Haß auf diejenigen, die ihre Fesseln abgestreift haben. Es ist der Haß der Rechtgläubigen auf die Ketzer, der Knechte auf die Freien. Wie der bayerische Kultusminister schon früh vorausgesehen hat, hat das ganze deutliche Züge eines Glaubenskampfes.


eingetragen von Reinhard Markner am 14.08.2004 um 10.52

Die große Mehrheit der veröffentlichten Reaktionen auf die Springer-Spiegel-Erklärung war negativ. Dafür gibt es mehrere Erklärungen :
1. Ebenso wie die Lehrer haben die Journalisten in die Umstellung Zeit und Mühe investiert. Es kränkt sie, wenn jetzt alles umsonst war.
2. Die Mängel der GZS sind zwar allen bekannt. Andere Mängel (Fremdworteindeutschung, Zeichensetzung) sind jedoch schon durch die Agenturenvorgaben weitgehend neutralisiert worden. Und die Mängel der Heyseschen ss-Schreibung wollen viele nicht sehen.
3. FAZ und Bild sind bei den Kollegen nicht populär, der Springer-Konzern insgesamt ist es auch nicht. Anders die SZ, weshalb ihre unklare Haltung bedauerlich ist.


eingetragen von Fritz Koch am 14.08.2004 um 10.50

Deshalb ist die neue Diskussion kein Sommerloch-Thema.
Heimat ist altmodisch, denn der neue Mensch soll ein mobiler Wanderarbeiter sein, ohne hinderliche Familie, ohne Eigenheim, jederzeit überall einsetzbar, jederzeit kündbar und auf jeden anderen Beruf umschulbar. Nomadentum ist angesagt. Festhalten an der gewohnten Schreibweise ist ein negatives Merkmal bei den neuen Tugenden.


eingetragen von margel am 14.08.2004 um 09.26

Dieses Gerede von der "Weiterentwicklung der Sprache" hört man sehr oft von den Reformern und ihren Nachbetern. Es soll Veralterung, Neuerungsbedarf, eben Reformbedarf suggerieren. Worin soll denn diese Weiterentwicklung bestanden haben? Es gibt sie nicht, wie Prof Ickler an verschiedenen Stellen dargelegt hat. Darum kann man heute noch mühelos ohne das geringste Befremden Texte, die 50 Jahre und älter sind, lesen und verstehen. Daß ständig neue Vokabeln einfließen, kann man nicht "Entwicklung" nennen. Entwicklung gibt es , aber sie betrifft nicht den Wortschatz, sondern die Struktur. Man kann die neuen Wörter in den aktuellen Rechtschreibwörterbüchern berücksichtigen, obwohl sie vielfach keine orthographischen Probleme bieten. Viele bleiben ja auch nicht. Für den Duden ist diese groß herausgestellte Neuaufnahme natürlich ein erstrangiges Werbeargument, denn warum sollten die Leute sonst alle paar Jahre eine Neuauflage erwerben?


eingetragen von Elke Philburn am 14.08.2004 um 07.59

Haben Sie denn den Eindruck, Ihre Wörterbücher aus der Zeit vor der Reform seien inzwischen veraltet? Natürlich entstehen ständig neue Wörter (Anglizismen, neue Zusammensetzungen usw.) und werden in Umlauf gebracht. Und bekanntermaßen hat die Orthographie in den letzten Jahren Blessuren erlitten. Nur gibt es kein Wörterbuch, das in der Lage wäre, alle aktuellen Neuentwicklungen widerzuspiegeln. Das soll es auch gar nicht. Der durchschnittliche Wörterbuchbenutzer ist auf das aus, was sich etabliert hat und von gewisser Dauer ist. Daß die herkömmliche Rechtschreibung nicht mehr brauchbar sei, weil sich die Sprache geändert habe, ist nicht ernst zu nehmen. Ein reiner Propagandatrick der Reformfreunde.
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http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von Fritz Koch am 14.08.2004 um 06.56

Es wird jetzt wiederholt gesagt, der Duden von vor der Reform sei veraltet, weil die Sprache sich inzwischen weiterentwickelt habe.
Ist diese Weiterentwicklung im neuen "Ickler" berücksichtigt? Entspricht er stärker dem heutigen Deutsch als der letzte vorreformatorische Duden?


eingetragen von Karsten Bolz am 13.08.2004 um 13.34

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
Es ist in einigen Fällen weiter als der Duden von vor 1996 und enthält einige Varianten. Ist es jetzt zu modern?


Es hat sich natürlich nicht erledigt. Es ist rein orthographisches Wörterbuch und eine Diskussionsgrundlage, wie Ickler selbst im Vorwort sagt: "Auch sonst mag vieles verbesserungsbedürftig sein; für entsprechende Hinweise [...] bin ich dankbar." In Kürze erscheint übrigens das neue, welches hierauf fußt, das bisherige aber nicht obsolet werden läßt.
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Karsten Bolz


eingetragen von Fritz Koch am 13.08.2004 um 12.58

Es ist in einigen Fällen weiter als der Duden von vor 1996 und enthält einige Varianten. Ist es jetzt zu modern?


eingetragen von Christian Melsa am 12.08.2004 um 15.11

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch

die Großschreibung von Pleite gehen, Not tun, Leid tun,

Hier fehlt noch Recht haben; es gibt da, glaube ich, auch noch ein paar mehr ähnliche Fälle. Das kann man aber auch alles unter dem Stichwort "Pseudosubstantivierungen" zusammenfassen.

Davon abgesehen möchte ich noch hinzufügen:

- die "Volksetymogeleien" mit Ergebnissen wie Quäntchen, Tollpatsch, Zierrat usw.,

- außerdem die weiteren e-ä-Verschiebungen, die ohnehin nicht konsequent durchgeführt sind und daher nur für Verwirrung sorgen (Gräuel, Stängel, behände, schnäuzen usw.)

- die "neuen" ss/ß-Regeln, die zwar fälschlicherweise als sinnvoll verschrien sind, aber genau besehen eher Nachteile bringen

- Alberne und inkonsequente Eindeutschungen (Orthografie, Ketschup, Tunfisch, Potenzial, Portmonee) sowie Fälle wie Känguru, Delfin, rau sollten höchstens als Varianten verbleiben, ähnlich wie bisher schon Foto/Photo oder Grafik/Graphik. In den meisten Fällen handelt es sich ohnehin schon in der Reformrechtschreibung um Varianten, die wahrscheinlich auch schnell wieder aus der Mode kommen, wenn man in allen anderen Bereichen wieder so schreibt wie vor der Reform.

Was aus meiner Sicht noch tolerabel wäre, weil es keine großen Nachteile bringt:

- Dreibuchstabenregel

- Trennbarkeit von st

Tja, das war's auch schon. Alles andere ist leider ziemlich daneben. Ob es sich allerdings dann überhaupt noch lohnt, diesen mageren Rest zu behalten? Sehr viel klarer wäre doch, einfach wieder an den Punkt der Weggabelung zurückzukehren (um einen der wenigen gelungenen Aussprüche Herrn Noacks aus gestriger NDR-Redezeit zu zitieren).


eingetragen von Fritz Koch am 12.08.2004 um 10.55

Die Steigerbarkeitsprobe für die Getrennt- oder Zusammenschreibung,
die grundsätzliche Getrenntschreibung bei Zusammensetzungen mit "einander",
die grundsätzliche Getrenntschreibung bei -ig, -isch, -lich,
die grundsätzliche Getrenntschreibung von Partizipien und Verben,
die Großschreibung von Pleite gehen, Not tun, Leid tun,
die grundsätzliche Getrenntschreibung von Verben mit Verben,
die grundsätzliche Getrenntschreibung bei "sein" und "bleiben"
die grundsätzliche Getrenntschreibung bei "halb-" und "rein-", "neu-", "selbst-",
die grundsätzliche Getrenntschreibung von "Zeitlang", "Handvoll", "Mundvoll" u. a.,
die Großschreibung von Pseudosubstantivierungen,
die sinnentstellende Freiheit bei der Kommasetzung,
die Trennung "Zu-cker", "ba-cken", weil es im Deutschen keine offenen Silben mit kurzem Vokal gibt,
die lächerlichsten Silbentrennungen,

Quelle: Theodor Ickler, Die sogenannte Rechtschreibreform


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 11.08.2004 um 22.18

Wir sollten die sofortige Offenlegung oder Rücknahme der am 3./4. Juni beschlossenen Änderungen fordern. Es liegen nur unklare Formulierungen vor, und es gibt mit Ausnahme der Wörterbuchstrecke d kein Wörterverzeichnis. Es ist wurde nicht gesagt, welche neuerdings obligatorisch (!) zusammenzuschreibenen Verbzusätze duch die Beispielliste §34(1) abgedeckt sein sollen. Laut viertem Bericht soll z.B. gelten: durcheinanderredend, andererseits unverändert gemäß §34E3: durcheinander bringen (reden, sein). Vieles bleibt unklar: hochempfindlich? schlechtmachen? wohltun? wiedergutmachen? übrigbleiben? lästigfallen? richtigstellen? Erfahrungsgemäß sind nur die Mitglieder der ehemaligen Zwischenstaatlichen Kommission und wenige Wörterbuchverlage über die genauen Regelauslegungen informiert, die ohne Grund geheimgehalten werden. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß ein privater Verlag darüber entscheidet, zu welchem Zeitpunkt amtliche Schreibungen bekanntgegeben werden. Inzwischen gab es bereits eine Telefonkonferenz der Kultusminister, ohne daß diese überhaupt den Stand der ihrer Rechtschreibung kennen! Noch im August wollen sich die deutschsprachigen Kultusminister (einschließlich Österreich und Schweiz) treffen, es soll ein "Rat für deutsche Rechtschreibung" rekrutiert werden - und keiner weiß, wovon eigentlich die Rede ist.

Einige Dinge scheinen festzustehen. Es heißt weiterhin: Acht geben, sehr Not tun, völlig Pleite gehen, ganz Recht haben, Unrecht bekommen, zum Besten geben, jedes Mal, das Nächste, auf Seiten, zu Gunsten, in Sonderheit, gestern Abend, ganz die Alte, ich bin ihr Feind, Kuss, Brennnessel, 20-Jährige, 90-er, rau, behände, Tollpatsch, Tipp, Stopp, Karamell, frittieren, platzieren , die Kommaregeln bleiben (entgegen allen Verlagen), Grammatikfehler der Art ziemlich nichts sagend bleiben zulässig (gemäß KMK-Mitteilung: außer im Bereich der VZ-Konstruktionen wird nichts falsch, was vorher richtig war).

– geändert durch Stephan Fleischhauer am 12.08.2004, 07.31 –


eingetragen von Fritz Koch am 11.08.2004 um 20.43

und a jeda schreibm derf, wia er wui,
nacha schreib i a, wia i mog.
I hob koa Problem net damit,
nur die andern, die des lesn müaßn.


eingetragen von Rolf Genzmann am 11.08.2004 um 17.42

„Überflüssig wie ein Sonnenstudio in der Wüste“, das scheinen langsam ein paar „Reformer“
zu begreifen. Große Hoffnungen setzt indes die originale Kommission auf ihre Nachfolgekommission, einen „Sprachrat“, zu gut sowjetisch auf den Deutschen Sprachsowjet.
Die Kosten darf wie immer der Steuerzahler tragen.
Aus geheimen Quellen wurde bekannt:
Nach dem Scheitern des Sonnenstudios plant man nun einen Eißschrank im Nordpol daselbst.

Heißes müsse ja weiter mit ß geschrieben werden, jetzt also entsprechend auch Eiß mit ß, wegen des Eißes und die Eiße, - wie ja auch bei Aß, wegen des Aßes, was nun endlich seine zielführende Variante erhalten soll.
Bis 2005 gelte aber noch Ass wegen Asses, obwohl manche ewiggestrigen Skatspieler nur As sagen und lesen können. Bei dem Alter dieser Leute zeichne sich die biologische Lösung ab.
Mehrere Mitglieder des noch zu gründenden Deutschen Sprachsowjets widersprachen bereits diesem neuen Regelplan, denn Ass sei österreichisch Abzess, eine Eiterbeule, und daran wolle man feßthalten.
Feßthalten entspreche dem neuesten Stand der Sprachforschung, eben wie Eißschrank, welche Schreibungen ferner in den Grundschulen weithin angemessen seien und die Fehlerquote noch einmal senken werden.
Obwohl schon jetzt in der Grundschule dank der „Reform“ so gut wie keine Fehler mehr gemacht werden, begrüßte die Sprecherin der KMK die neuerlichen Reformgedanken. Sie kenne keine bessere Rechtschreibung als die „reformierte“ und nehme demnächst sogar selbst an einem Kurs teil, um sie kennenzulernen.



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Rolf Genzmann


eingetragen von Fritz Koch am 11.08.2004 um 16.30

sondern geschriebene Umgangssprache. Ihre Formen sind ein Ventil für das Bedürfnis, einfach so zu schreiben, wie man spricht, ohne die strengen Regeln der Standard- oder Hochsprache einhalten zu müssen. Man kann diese Form in Analogie zum Englischen als Slang bezeichnen: sprachliches Experimentierfeld, Freude am sprachlichen Spiel, sprachschöpferischer Akt, Sprache in statu nascendi.


eingetragen von Fritz Koch am 11.08.2004 um 16.13

wenn nur noch die Schule an der Reformschreibung festhält. Die Schule wird Thema für Kabarettstücke. Dann werden auch die Lehrer und sogar die Schulleiter aufwachen.


eingetragen von J.-M. Wagner am 11.08.2004 um 14.50

Worum geht es bei der Abkehr von der Reformschreibung: um eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung bzw. den alten Regeln – oder um eine Weiterentwicklung der Schriftsprache von ihrem Stand vor der Reform aus?!

(Lieber Herr Schäbler, was halten Sie von letzterer Parole?)
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 11.08.2004 um 14.37

Wahrscheinlich glaubt die SZ, daß Missstand und schusssicher nur wegen der neuen Drei-Konsonanten-Regel so geschrieben werde und daß man ohne diese Misstand und schussicher schreiben würde. Man sollte die Zeitung über den Irrtum aufklären.


eingetragen von Fritz Koch am 11.08.2004 um 13.26

Richtiges Hochdeutsch nach der Schrift sprechen die wenigsten. Nur die Fernseh- und Rundfunksprecher und die Politiker in öffentlichen Reden müssen es. Die meisten Bürger benutzen Hochdeutsch nur, wenn sie sich schriftlich ausdrücken müssen und weil es keine einheitliche niederdeutsche oder oberdeutsche Schriftsprache gibt. Auch wenn man Dialekt spricht, muß man Hochdeutsch schreiben. Deshalb stimmt es in der Praxis nicht, zu sagen, die Schriftsprache sei nur eine Teilmenge der Hochsprache. Sie ist die Hochsprache.
In MANZ-Lernhilfe Deutsch, Grammatik üben - 5. Schuljahr, steht:
"Das Perfekt
Wenn du aus dem süddeutschen Raum stammst und Dialekt sprichst, verwendest du statt der Form des Präteritums, in der du Aufsätze schreibst oder die du aus Büchern kennst, eine andere Form der Vergangenheit: Du sagst im mündlichen Sprachgebrauch nicht: 'Am Dienstag besuchte ich Oma.' 'Gestern ging ich in die Stadt.' Du sagst vielmehr: 'Am Dienstag habe ich Oma besucht.' 'Gestern bin ich in die Stadt gegangen.'
Viele Süddeutsche würden nie eine Form des Präteritums in gesprochener Sprache verwenden, weil es für sie unnatürlich klingt. Das hat damit zu tun, dass in der Sprachgeschichte im süddeutschen Raum das Präteritum ausgestorben ist und erst aus dem Hochdeutschen wieder eingeführt wurde.
Daher verwenden Süddeutsche das Präteritum zwar in der Schriftsprache, aber selten im mündlichen Sprachgebrauch."


eingetragen von margel am 11.08.2004 um 13.19

Gut, daß Sie noch einmal an einen Tiefschlag für die Demokratie in diesem Lande erinnern, verehrter Herr Dräger. Daraus wäre zu lernen, daß plebiszitäre Elemente, die in Zukunft in Verfassungen aufgenommen sollten, gegen solche Gewaltakte immunisiert weden müssen. Die Mächtigen freilich hätten wohl lieber eine "gelenkte Demokratie". - Was eine freie Presse wert ist, sieht man in diesen Tagen besonders deutlich. Die Pressefreiheit besteht also nicht nur darin, worüber die Zeitungen schreiben, sondern auch, in welcher Orthographie sie dies tun. Wenn wir uns auch über diesen Befreiungsschlag freuen, sollten wir nicht vergessen, daß Pressemacht, wie jede Macht, auch mißbraucht werden kann.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 11.08.2004 um 12.57

Sehr geehrter Herr Steinfeld,
liebe Redaktionsmitglieder der SZ,

einerseits freue ich mich mit Tausenden von Lesern über Ihre Zeilen, andererseits frage ich mich, weshalb Sie einerseits – völlig zurecht – kritisieren, daß „das Lesen von Wörtern wie Missstand und schusssicher“ erschwert werde, andererseits die SZ „vernünftige Neuerungen – etwa die ß- und ss-Schreibweise“ übernehmen wollen.

Bitte bedenken Sie, daß

- die ss-Schreibweise vor allem auch für die Kinder eine Erschwernis darstellt, auch wenn vordergründig „Kuss – Küsse“ logisch erscheint. Sie werden selbst feststellen, daß bei der ss-Schreibung heute mehr Fehler gemacht werden als früher, die Unsicherheit wird weiter zunehmen. Die Gründe hierfür kann ich Ihnen auf Nachfrage darlegen. Ich bin Pädagogin.

- durch die ss-Schreibung die Bestände der Bibliotheken künstlich veralten, also ein Bruch mit der Lesetradition erfolgt. Kürzlich sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, bei einem Interview im DL, daß es in der Bibliothek seiner Schule 40.000 Bücher gebe, davon 35.000 nach den früheren Regeln geschrieben. (Fragen Sie ihn selbst: josef.kraus@Landshut.org)

Weiters bitte ich zu bedenken, daß jede Änderung der Rechtschreibung Kosten verursacht, egal ob es eine große Änderung ist oder eine kleine, gleichgültig ob wir das ss behalten oder nicht: Kosten entstehen in jedem Fall. Umstellungen und Unruhe gehen mit jeder Änderung einher. Und Änderungen sind, wie wir alle wissen, nötig. Wollen wir die Unruhe für die nächsten Jahrzehnte zementieren?

Weshalb ändern wir nicht gleich vernünftig?
Weshalb nehmen wir nicht die „Maschine“, von der wir wissen, daß sie fliegen kann? Weshalb müssen wir eine reparieren, die sich danach mühsam in der Luft hält und garantiert für neuen Ärger sorgen wird?
Wenn das Fahrzeug nicht funktioniert, kann man nicht darüber sprechen, welche Ziele man ansteuern will. Als erstes muß dafür gesorgt werden, daß die Maschine wieder arbeitet.

Ich bin weder ewiggestrig, noch streitbar. Ich habe mich nie um Politik gekümmert. Auch ist es mir zuwider, den ganzen Sommer über die Zeit verplempern zu müssen mit dem Thema Rechtschreibung – die Rechtschreibung, die sich vor 1996 nie in den Vordergrund gedrängt hatte, weil sie zwar eine wichtige, aber still-zurückhaltende Dienerin der schriftlichen Kommunikation war. Dieser Status ist ihr 1996 überraschend geraubt worden. Seither gibt es Aufruhr. Und dieser wird sich auch nicht legen, ehe die Orthographie nicht wieder funktioniert und damit wieder bescheiden in den Hintergrund treten kann, wohin sie gehört.

Sie können mir also glauben, daß mir das keine Freude macht. Doch wenn ich sehe, was sich nun aus machtpolitischem Kalkül anbahnt, frage ich mich: Weshalb müssen wir eine Schreibweise behalten, die uns außer Leseerschwernis keine Verbesserung bringt? Logisch ist nicht identisch mit gut und besser. Und nicht alles Neue bewährt sich auf Dauer.

Wollen wir denn ewig weiterwursteln?
Wie lange soll uns die Diskussion über die Rechtschreibung noch begleiten?

Mir ist durchaus bewußt, wie schwierig die Lage der Presse und aller Buchverlage ist. Trotzdem:
Ich bin sicher, im Namen der Mehrheit aller Leser und Schreiber zu sprechen, wenn ich Sie herzlich bitte, von dem angestrebten „Kompromiß“ abzurücken, der allein dazu gut ist, den in die Angelegenheit verwickelten Personen zu helfen, das Gesicht zu wahren, der Sache selbst jedoch langfristig Schaden zufügt. Ein „Kompromiß“ löst das Problem nicht, denn es gibt kein kostenneutrales oder für die Öffentlichkeit unbemerktes Abrücken von der Reform. Mit Flickschusterei lösen wir keine Probleme, haben wir das noch immer nicht an vielen gesellschaftspolitischen Vorgängen aus der jüngsten Vergangenheit gelernt?

Karin Pfeiffer-Stolz
-Autorin-


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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Christoph Kukulies am 11.08.2004 um 12.10

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Lieber Herr Kukulies,

etwas ausführlicher zitiert liest sich das noch wieder anders:

Die SZ-Redaktion unterstützt jede Initiative, die zu einem möglichst einheitlichen Erscheinungsbild der deutschen Schriftsprache führt. Das hat die Reform nicht erreicht. Nach sechs Jahren der Erprobung ist festzustellen, dass die neue Rechtschreibung viele Menschen verwirrt, weil sie zu immer neuen Fehlern und Mischformen der Schreibweisen führt. Das Lesen von Wörtern wie Missstand und schusssicher wird erschwert. Rechtschreibschwächen, die überwunden werden sollten, haben zugenommen. Sinnentstellende Getrenntschreibung, kuriose Zeilentrennungen sowie eine verwirrende Groß- und Kleinschreibung haben ein Gefühl der Unsicherheit erzeugt. Es besteht die Gefahr, dass die Orthografie generell nicht mehr ernst genommen wird.
Deshalb strebt die Süddeutsche Zeitung eine Regelung an, die vernünftige Neuerungen - etwa die ß- und ss-Schreibweise - übernimmt, es andererseits aber bei wesentlichen Teilen der alten Rechtschreibung belässt. SZ [Hervorhebgungen durch mich, D.L.]"
Die „Reform“ bedeutet derart viel Verwirrung und Sand im Getriebe, daß dieser arme Südeutsche-Redakteur gar nicht merkt, was er seinen Lesern für Widersprüchlichkeiten zumutet.

Danke, Herr Lindenthal,

ich hatte dieselbe Erkenntnis auch schon gewonnen und in einem Beitrag im Forum der SZ verarbeitet.

Das neu eingerichtete Forum "Fass oder doch wieder Faß.." ist im Moment Spitzenreiter aller SZ-Foren, was die Beteiligung betrifft.

Ich hatte, um nicht immer wieder neue Fässer aufmachen zu müssen, meinen Beitrag in den von Herrn Riebe eröffneten Strang "Zur Rücknahme der Rechtschreibreform" gestellt. Dieser Strang ist auch der meistbesuchte derzeit. Aber Herr Riebe empfahl, die "ß"-Debatte im Strang "Zur ss/ß-Schreibung, dem Silikonbusen der Rechtschreibreform" fortzusetzen.

Ich möchte dazu ermuntern, sich dort mit Beiträgen zu beteiligen. Gerade die Generation, die jetzt mit der Neuschreibung aufgewachsen ist, gilt es zu überzeugen, daß Ihnen etwas vorenthalten wurde.

Siehe auch:
http://www.sueddeutsche.de/app/service/forum/showflat.php?Cat=&Board=Diskussionsforum&Number=22483&page=0&view=collapsed&sb=5&o=&fpart=7&vc=1

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Christoph Kukulies


eingetragen von Matthias Dräger am 11.08.2004 um 11.48



Die Rechtschreibreform hat noch weit mehr zerstört: Den Glauben an die Funktionsfähigkeit der Demokratie. Die Aufhebung eines Volksentscheides trägt nicht unbedingt dazu bei, das Vertrauen in die Vertreter unserer Verfassung zu bestärken.

Die Entscheidung großer Verlagshäuser, zur bewährten Rechtschreibung zurückzukehren und sich dem bürokratischen Diktat eben nicht blind auszuliefern, stärkt wieder den Glauben in das Funktionieren der verschiedenen Gewalten im Staat und hat - endlich - einen Heilungsprozeß eingeleitet, nicht nur für die Einheitlichkeit unserer Sprache.

Die Presse ist eine 4. Gewalt, ein Mitglied innerhalb der Gewaltenteilung Legislative, Exekutive, Jurisprudenz. Hat man das vergessen?


eingetragen von margel am 11.08.2004 um 10.06

Frau Ahnen und Konsorten haben sich auf die Hörigkeit und Folgsamkeit der Presse und anderer Medien verlassen, zu Unrecht, wie sich jetzt spät, aber nicht zu spät zeigt. Ja, wo kommen wir denn da hin, wenn die Herrschenden sich nicht einmal mehr auf den Unterwerfungswillen ihre Untertanen verlassen können?!


eingetragen von Detlef Lindenthal am 11.08.2004 um 10.04


Fritz Koch schrieb::
Die Reformschreibung hat die Verläßlichkeit sehr vieler Wortbedeutungen zerstört, speziell durch die neuen Getrenntschreibungen.
Lieber Herr Koch,

in Ihrer Aufzählung vermisse ich folgenden Anklagepunkt:
– Die RS„R“ hat die Benutzung althergebrachter deutscher Wörter  v e r b o t e n ;  sowas hat es nicht mal in der DDR und im 3.R gegeben.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 11.08.2004 um 09.52

wurde von Frau Ahnen, der Vorsitzenden der deutschen Kultusministerkonferenz, in den Ring geworfen.
Er verdient genauere Betrachtung.
Die Reformschreibung hat die Verläßlichkeit sehr vieler Wortbedeutungen zerstört, speziell durch die neuen Getrenntschreibungen.
Die Reform hat die Verläßlichkeit der Bedeutung des Buchstabens ß zerstört.
Die Reform hat die Verläßlichkeit der Satzzeichen, besonders des Kommas, zerstört.
Die Reform hat die Verläßlichkeit der Wortarten, speziell der Substantive, durch die vermehrten Großschreibungen zerstört.
Die Reform hat die Verläßlichkeit der Grammatikregeln zerstört, weil jetzt Grammatikfehler richtige Rechtschreibungen sein sollen.
Die Reform hat die Verläßlichkeit der Worttrennung zerstört, weil sie sinnentstellende Trennungen erlaubt.
Die Reform hat die Verläßlichkeit auf die Qualität der Rechtschreibung als Dokumentation der Sprache zerstört.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 11.08.2004 um 09.51

Lieber Herr Kukulies,

etwas ausführlicher zitiert liest sich das noch wieder anders:


Die SZ-Redaktion unterstützt jede Initiative, die zu einem möglichst einheitlichen Erscheinungsbild der deutschen Schriftsprache führt. Das hat die Reform nicht erreicht. Nach sechs Jahren der Erprobung ist festzustellen, dass die neue Rechtschreibung viele Menschen verwirrt, weil sie zu immer neuen Fehlern und Mischformen der Schreibweisen führt. Das Lesen von Wörtern wie Missstand und schusssicher wird erschwert. Rechtschreibschwächen, die überwunden werden sollten, haben zugenommen. Sinnentstellende Getrenntschreibung, kuriose Zeilentrennungen sowie eine verwirrende Groß- und Kleinschreibung haben ein Gefühl der Unsicherheit erzeugt. Es besteht die Gefahr, dass die Orthografie generell nicht mehr ernst genommen wird.
Deshalb strebt die Süddeutsche Zeitung eine Regelung an, die vernünftige Neuerungen - etwa die ß- und ss-Schreibweise - übernimmt, es andererseits aber bei wesentlichen Teilen der alten Rechtschreibung belässt. SZ [Hervorhebgungen durch mich, D.L.]"
Die „Reform“ bedeutet derart viel Verwirrung und Sand im Getriebe, daß dieser arme Südeutsche-Redakteur gar nicht merkt, was er seinen Lesern für Widersprüchlichkeiten zumutet.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Detlef Lindenthal am 11.08.2004 um 09.41

Das Wörtchen „daß“ mit Scharf-s ist in einem Wortlaut ein Hinweis dafür,
– daß der Schreiber es mit Rechtschreibung und Lesefreundlichkeit genau nimmt,
– daß der Schreiber Bürgermut und Weitsicht besitzt.

Nun ja, auch ein flaches Herumgeeiere ist Bewegung, mit welcher der Reform-Beton nicht hart werden kann.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 11.08.2004 um 09.17

ist genau das, was ich unter Verläßlichkeit verstehe:
Verläßlichkeit nicht nur auf die Bedeutung der Worte, sondern auch auf die Bedeutung der Buchstaben.


eingetragen von Christoph Kukulies am 11.08.2004 um 08.05


...die vernünftige Neuerungen - etwa die ß- und ss-Schreibweise - übernimmt, es andererseits aber bei wesentlichen Teilen der alten Rechtschreibung belässt.

http://www.sueddeutsche.de/app/service/forum/showthreaded.php?Cat=&Board=Diskussionsforum&Number=23523&page=0&view=expanded&sb=5&o=&fpart=1

Da ist es wieder, das Gespenst der "vernünftigen ss-Regel". Ich glaube, das werden wir nicht los.

Leider konnte Wolf Schneider dies sich auch gestern in der Bildzeitung (S. 2, "Die Reform ist kaputt") wieder nicht verkneifen, davon zu reden, daß er diese Regel noch am ehesten akzeptiere, weil sie ihm "sinnvoll" erscheine.

Man muß einfach klarmachen, daß, solange es das "ß" im Deutschen gibt, es auch seine Funktion voll erfüllen sollte.

Gute Lesbarkeit.

"Kompatibilität" mit der bestehendem Schrifttum.


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Christoph Kukulies


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 11.08.2004 um 07.39

... läßt sich die Ahnensche These auf den Punkt bringen - Frau Pfeiffer-Stolz hat soeben die Richtung gewiesen:

Wenn wir von einem Schüler ausgehen, der die Rechtschreibreform einigermaßen beherrscht (incl. der ss/ß-Regel nach Heyse), dann könnte er im wesentlichen 99,9% des Gelernten beibehalten.

(Denn die Umstellung von Heyse auf Adelung* ist so einfach [nicht-trennbares ss? >> ß], daß man sie kaum als Umlernaufwand werten kann.)


* Umgekehrt ist es durchschnittlich etwas schwieriger: Für den, der die Adelungsche Schreibweise beherrschte, mußte nun die vorstehende (regional unterschiedliche) Vokallänge geprüft werden; angesichts sich generell verkürzender Vokallängen eine kontinuierlich schwieriger werdende Aufgabe (heiß/Hass).

(Für den, der weder Heyse noch Adelung bereits intus hat, bietet das Ersterlernen von Heyse mehr Schwierigkeiten als das von Adelung - wie auch die Praxis ja zeigt [Verständniss].)
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 10.08.2004 um 12.11

Als Newcomer in diesem Forum sei Ihnen mitgeteilt, daß die Mehrzahl der hier Diskutierenden die Rechtschreibreform allgemein und in vielen Einzelaspekten sehr detailliert untersucht hat. Es wurde aber wenig gefunden, das eine Verbesserung darstellte. (Mehrfach erwähnt wurde die Zusammenschreibung von "statt dessen".) Dabei ist allerdings folgende Prämisse grundlegend: Texte sollen in erster Linie gelesen werden. Unter dieser Prämisse ist die Erleichterung des Lesens wichtiger als die des Schreibens.

Wer diese Prämisse nicht teilt, mag u.U. zu anderen Schlußfolgerungen gelangen.

Zu der Akzeptanz: In allen mir bekannten Umfragen zur Rechtschreibreform hat bis heute nur eine kleine Minorität der Befragten für ihre Beibehaltung plädiert. Meines Wissens hat auch keine einzige Zeitung des deutschen Sprachraums je die Rechtschreibreform, wie sie an den Schulen gelehrt werden soll, übernommen. Die Zeitungen haben sich entweder eine Hausorthographie zusammengestrickt oder die sogenannte "Agenturenschreibweise" übernommen - in jedem Falle sind sie deutlich von der dekretierten Reform abgewichen. Wenn jetzt zusätzlich zur FAZ die Süddeutsche, der Spiegel und der Axel-Springer-Verlag zur bewährten Rechtschreibung zurückkehren, kann man nicht mehr von einer allgemeinen Akzeptanz der Reform sprechen.

Damit ergibt sich m.E. auch Ihre Anmerkung zum Umlernen. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung hat die neue "Orthografie" vermittelt bekommen - einige Schülerjahrgänge. Warum sollte der weitaus größere Teil der Bevölkerung eine Rechtschreibung erlernen, die man selbst und der überwiegende Teil der Fachleute (seien es Künstler oder Germanisten ... oder die Akademien) als minderwertig einstuft?

Ihr Umfeld mag anders aussehen; das bestreite ich in keiner Weise.
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Fritz Koch am 10.08.2004 um 12.06

Das Dänische hat ziemlich feste Regeln für die Wortstellung im Satz.
Während im Deutschen Prädikative, Präpositionalobjekte und der infinite Teil des mehrteiligen Prädikats im Hauptsatz immer am Ende stehen, können diese Satzglieder im Dänischen höchstens durch ein Adverb vom finiten Verb getrennt stehen.
Der Nebensatz hat anders als im Deutschen dieselbe Wortstellung wie der Hauptsatz
Die Abfolge der Objekte und Adverbiale im Nebensatz ist dieselbe wie im Hauptsatz, von den Satzadverbien abgesehen.

Alle Sprachen mit Kleinschreibung der Substantive haben eine ziemlich feste Wortstellung im Satz und im Nebensatz dieselbe Wortstellung wie im Hauptsatz.
Der krasseste Fall ist das Englische, wo die Wortart und die syntaktische Funktion eines Wortes von seiner Wortstellung im Satz abhängt, denn dasselbe Wort kann Substantiv, Verb, Partizip oder Adjektiv sein.


eingetragen von Fritz Koch am 10.08.2004 um 11.20

1. Sollen unsere Kinder die beste oder die billigste Rechtschreibung lernen?
2. Wird die Werbung sich wieder wie früher nach dem Empfinden der Mehrheit ihrer Adressaten richten? Oder wird es getrennte Werbeschreibweisen je nach Zielgruppe geben?
3. Gibt es denn jetzt eine Übereinstimmung zwischen der in den Schulen gelehrten und der in den Zeitungen gedruckten Rechtschreibung?
4. Werden die bei der Reformschreibung bleibenden Zeitungen ab 2005 die Reformschreibung vollständig übernehmen, auch bei der Zeichensetzung, und auf ihre Hausorthographien ganz verzichten?


eingetragen von Marco Brüders am 10.08.2004 um 11.08

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Wolfgang Scheuermann
... hat in der gestrigen Christiansen-Sendung hervorgehoben, daß die Rechtschreibreform nur 2% der deutschen Wörter betreffe, und in 95% seien dies Veränderungen von ß zu ss.
Wenn wir dies einmal ernst nehmen und (relativ großzügig) von einem Schülerwortschatz von 25.000 Wörtern ausgehen, wären dies also 500 Wörter, von denen nur 25 nicht mit der Heyse-Regel zu tun hätten. Adelung ist praktisch sehr leicht und sehr schnell lernbar ("Eszett ist zu schreiben, wenn ss nicht getrennt werden kann") - und für die übrigen 25 Wörter sollte man auch nicht länger als einen Nachmittag brauchen.

Frau Ahnen hat also de facto gesagt, daß der Umlern-Aufwand für die Schüler vernachlässigenswert klein ist - 98% von dem, was sie gelernt haben, bleiben ihnen unverändert erhalten - das ist doch schlicht nicht der Rede wert!


Na, das gilt doch dann aber auch umgekehrt: Ist ja wirklich nicht schwer, nach der neuen RS zu schreiben, auch wenn man nach der alten gelernt hat...

Ich persönlich glaube jedenfalls nicht, dass ich in der neuen RS mehr Fehler mache als in der alten.


eingetragen von Marco Brüders am 10.08.2004 um 11.02

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Wir müssen überall darauf hinweisen, daß von jetzt an die Unterweisung der Schüler in der Reformschreibung verfassungswidrig ist. Denn die Akzeptanz, die das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zum Kriterium ihrer Legitimität gemacht hat, ist offenkundig nicht gegeben.

Dieses harte Wort kann auch den sogenannten Kultusministern und den Ministerpräsidenten eine Brücke zum Nachgeben bauen.


Um Ihrem Aufruf eine solide (und rechtlich haltbare) Basis zu verschaffen, müsste Sie bitte die von Ihnen offenbar vorausgesetzte Offenkundigkeit der mangelnden Akzeptanz der RSR belegen. Ich für meinen Teil halte die RSR sowohl in meinem privaten als auch beruflichen Umfeld für voll akzeptiert.

Soweit mir bekannt, ist die Amtsbezeichnung "Kultusminister" im Rahmen unserer Rechtsordnung legitimiert. Insofern bitte ich um Aufklärung, welcher Sinn dem Zusatz "sogenannte" in Ihrem Artikel beizumessen ist.


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 10.08.2004 um 07.02

... möglicherweise an einem Mangel an Vorstellungskraft? Laut der Titelgeschichte der heutigen FAZ sprach sie sich gegen eine Volksabstimmung zur Rechtschreibreform aus, weil sie sich die Frage stelle:

"Worüber genau soll man da abstimmen lassen?"

Schon der Titel ihrer Doktorarbeit ("Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzung, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung") läßt es als naheliegend erscheinen, daß Frau Dr. Schavan sich sehr gründlich selbst erforscht hat, bevor sie, quasi als Quintessenz dieser Selbstrecherche, die obige Frage hat formulieren können (oder gar müssen). Schlichteren Gemüts als die Frau Ministerin, dachte ich mir die Sache sehr einfach:

"Ich stimme für die Aufhebung der Rechtschreibreform und die Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung." Ja/Nein
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Christoph Kukulies am 09.08.2004 um 15.49

Für keine gute Sache halte ich die Verlängerung der Übergangsfrist. Dies würde weiter zwei Rechtschreibungen nebeneinander nähren, und welche Rechtschreibung sollte dann unterrichtet werden?

Nein, die Rechtschreibreform ist tot. Es ist nur die Frage, wie schnell wir ihren Kadaver loswerden.


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Christoph Kukulies


eingetragen von Detlef Lindenthal am 09.08.2004 um 15.16

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Wolfgang Scheuermann
... hat in der gestrigen Christiansen-Sendung hervorgehoben, daß die Rechtschreibreform nur 2% der deutschen Wörter betreffe, und in 95% seien dies Veränderungen von ß zu ss.
Wenn wir dies einmal ernst nehmen und (relativ großzügig) von einem Schülerwortschatz von 25.000 Wörtern ausgehen, wären dies also 500 Wörter, von denen nur 25 nicht mit der Heyse-Regel zu tun hätten. Adelung ist praktisch sehr leicht und sehr schnell lernbar ("Eszett ist zu schreiben, wenn ss nicht getrennt werden kann") - und für die übrigen 25 Wörter sollte man auch nicht länger als einen Nachmittag brauchen.

Frau Ahnen hat also de facto gesagt, daß der Umlern-Aufwand für die Schüler vernachlässigenswert klein ist - 98% von dem, was sie gelernt haben, bleiben ihnen unverändert erhalten - das ist doch schlicht nicht der Rede wert!
Kann mir jemand erläutern, wo bei dieser Zahlen-Grundlage die angegebenen 50 % Fehlereinsparungen entstehen?
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 09.08.2004 um 11.40

... hat in der gestrigen Christiansen-Sendung hervorgehoben, daß die Rechtschreibreform nur 2% der deutschen Wörter betreffe, und in 95% seien dies Veränderungen von ß zu ss.
Wenn wir dies einmal ernst nehmen und (relativ großzügig) von einem Schülerwortschatz von 25.000 Wörtern ausgehen, wären dies also 500 Wörter, von denen nur 25 nicht mit der Heyse-Regel zu tun hätten. Adelung ist praktisch sehr leicht und sehr schnell lernbar ("Eszett ist zu schreiben, wenn ss nicht getrennt werden kann") - und für die übrigen 25 Wörter sollte man auch nicht länger als einen Nachmittag brauchen.

Frau Ahnen hat also de facto gesagt, daß der Umlern-Aufwand für die Schüler vernachlässigenswert klein ist - 98% von dem, was sie gelernt haben, bleiben ihnen unverändert erhalten - das ist doch schlicht nicht der Rede wert!
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von margel am 08.08.2004 um 12.02

Bei NWZ online ist ein Interview mit Augst nachzulesen: Die Kommission klappt die Aktendeckel zu. Augst müde, milde, altersweise, wieder ganz und nur Wissenschaftler: Was jetzt politisch ausgefochten wird, verstehen wir nicht. Das ist eine andere Liga. - So spricht derjenige, der eine Hauptverantwortung für das herrschende Chaos trägt und die Kultusbürokraten mit äußerstem Geschick benutzt hat, um seine ehrgeizigen Pläne zu verwirklichen.


eingetragen von Matthias Dräger am 08.08.2004 um 11.31

Für die Vertonung steht die Form wohl fest:

Kurzes Hörspiel a´la Stenkelfeld-CD.

Wir müssen aber noch etwas abwarten. Da kommt bestimmt noch etwas.

Z. B. wenn die Rechtschreibreform von der Kumiko oder den Ministerpräsidenten auch an den Schulen wieder aufgehoben wird.

Heller:
Akt ministerieller Willkür über die Köpfe der hoffnungsvollen Jugend hinweg.

Augst:
Deutschland hat sich vom Fortschritt verabschiedet. Jetzt ist keine Reform mehr durchsetzbar. Deutschland wird sprachlich eine Kolonie Österreichs. Er (Augst) übernehme jetzt keine Verantwortung mehr für das Schicksal Deutschlands, das nur noch steuerlos im Meer der Weltgeschichte herumtreibt., etc.


eingetragen von margel am 08.08.2004 um 11.14

...wenn K.Heller die Aktion der Zeitungen "unmoralisch" nennt und wenn G. Augst im Augenblick der Niederlage "Verhandlungen" anbietet. Eines Tage muß die Posse "Rechtschreibreform" unbedingt ihre gebührende literarische Form finden. Difficile est...


eingetragen von Ulrich Morgenstern am 08.08.2004 um 09.04

Vielleicht sollte man politische Talk-Sendungen nicht zu ernst nehmen, aber würde die Diskussionsrunde durch Ihre Teilnahme, lieber Herr Ickler, nicht deutlich gewinnen? Ich schreibe Ihnen das nur deswegen an dieser Stelle, weil ich sicher nicht der einzige Forumsteilnehmer bin, der Sie heute abend gerne bei Sabine C. gesehen hätte.

PS
Apropos Forumsteilnehmer. Ich muß hiermit bekanntgeben, daß sich Martin Reimers unwiderruflich aus unserer Runde verabschiedet. Ich meinerseits danke Herrn Reimers dafür, daß er mir all die Jahre über treu und unauffällig als Pseudonym gedient hat. Es gibt in Hamburg tatsächlich einen Martin Reimers, aber der gute Mann hat, soweit ich weiß, nichts mit unserer Sache zu tun.

Um die Sache kurz zu machen - wegen Rücksichten gegenüber anderen, aber auch in eigenem Interesse, habe ich es bisher vermieden, mich öffentlich zur RSR zu äußern, auch wenn meine persönliche Haltung niemandem verborgen blieb. Ich hoffe auf das Verständnis der Mitstreiter, wenn ich diese Umstände, die sich nun erledigt haben, nicht näher erläutere.

Trotzdem möchte ich mich bei allen entschuldigen, die ich so lange an der Nase herumgeführt habe.

Gruß in die Runde

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Ulrich Morgenstern


eingetragen von Fritz Koch am 08.08.2004 um 08.53

Wer Kindern erzählt, es gäbe gar keinen Osterhasen, Nikolaus, Weihnachtsmann usw., handelt verantwortungslos!


eingetragen von Theodor Ickler am 08.08.2004 um 01.51

Wenn die Landesregierungen jetzt beteuern, sie wollten bei der Reform bleiben, so liegt das daran, daß dort immer noch die eigentlichen Drahtzieher, also die Ministerialräte sitzen. Was wird denn aus ihnen, wenn die Reform kippt?

Wir werden schon sehr bald die Pflicht haben, diese eigentlich Schuldigen namentlich zu erwähnen. Sie müssen zur Verantwortung gezogen werden. Zwar sind politisch-rechtlich ihre Dienstherren verantwortlich, aber was verstehen denn Hohlmeier, Beck usw. von Sprache? Stichwortgeber sind Lipowsky, Krimm usw.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 08.08.2004 um 01.47

Frau Ahnen regt sich mächtig auf, ebenso Herr Augst. Dabei ist doch zu unserer Beruhigung jahrelang behauptet worden, die Neuregelung sei nur für die Schule verbindlich. Wenn nun jemand das Recht beansprucht, anders zu schreiben, als die KMK es wünscht, wird er als verantwortungslos gebrandmarkt.
Bei Sabine Christiansen war ich eingeladen, habe aber abgesagt. Wolf Schneider wird es schon machen, man darf solche Sendungen aber auch nicht zu wichtig nehmen. Die Ahnen erledigt sich selbst. Seltsam ist, daß ihr törichte Spontanreaktion vom Freitag als aktuelle Mitteilung der KMK auf deren Homepage (kmk.org) prangt. Dort hat man bisher noch nie etwas Ironisch-Polemisches gelesen. Der Stilbruch deutet auf Panik hin.
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Th. Ickler


eingetragen von Christoph Kukulies am 07.08.2004 um 16.31

Am Sonntag wird es bei Sabine Christianen um die Rechtschreibreform gehen und die Gäste sind

Jürgen Rüttgers
Stellv. CDU-Vorsitzender

Doris Ahnen
Vors. Kultusminister-Konferenz, SPD

Claus Strunz
Chefredakteur Bild am Sonntag

Wolf Schneider
Journalist und Buchautor

Fritz von Bernuth
Geschäftsführer Cornelsen Verlagsgruppe

Karl Blüml
Vorsitzender der Rechtschreibkommission



Ich hoffe, es sind auch Experten geladen.
http://www.sabine-christiansen.de/

Im Moment feuern die Befürworter in den Medien offenbar aus allen Rohren. Weiß jemand, wie die weitere Besetzung aussieht? Sind auch aus den Reihen der Reformkritiker Experten geladen?

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Christoph Kukulies


eingetragen von Christian Dörner am 07.08.2004 um 16.17

»Willkommen im Sommertheater
Verwirrung um die Rechtschreibreform - Ging die "Bombe" zu früh hoch?

[...]

Bündnis geschmiedet

Mehrfach hatte Döpfner in den vergangenen Monaten Vertreter anderer Verlage nach Hamburg geladen, um ein möglichst breites Medien-Bündnis gegen die seit 1998 an den Schulen eingeführten neuen Schreibregeln zu schmieden. Ursprünglich - so ist aus mehreren Verlagen zu hören - sollte die "Bombe" pünktlich zur Frankfurter Buchmesse am 5. Oktober platzen. Das hätte dann verstärkten Druck auf die Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin (7./8. Oktober) und auch auf die Kultusminister ausüben sollen, die sich anschließend im Saarland treffen (14./15. Oktober).
Doch bis Freitag blieb es nur beim Schulterschluss von Springer und Spiegel. Focus-Chefredakteur Helmut Markwort, dem bei der Aktion die weitere Schlüsselrolle zugedacht war - gab Döpfner unmissverständlich einen Korb: "Deutschland hat derzeit wichtigere Probleme als den neuen Streit um die Rechtschreibrefom."« (Nürnberger Nachrichten, 07. 08. 2004, S. 2)


Durch die vielleicht zu frühe Umstellung bekommt der Duden nun die Gelegenheit, seine Neuauflage am 28. August als Kompromiß zu präsentieren, während im anderen Fall die neuerlichen Schreibänderungen als endgültiger Anlaß für die Rückumstellung hätten dienen können.
Auch der Druck auf die Ministerpräsidentenkonferenz wird 9 Wochen nach der Umstellung nicht mehr so groß sein wie jetzt.

Was ist da schiefgelaufen? Hoffentlich weiß Döpfner, welche Strategie er verfolgt ...
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Christian Dörner


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 07.08.2004 um 15.07

... müssen wir jede Möglichkeit nutzen, zu verdeutlichen, daß es für irgendeine Zwischenlösung (à la Stoiber) nicht ein einziges überzeugendes Argument gibt. Gerade, wenn jetzt allüberall wieder (in Ermangelung besserer Argumente) der "Kostenknüppel" geschwungen wird, dann verbietet sich jeder Kompromiß - nur für die klassische Rechtschreibung gibt es z.B. einigermaßen verläßliche Rechtschreib-Prüfprogramme (und sie sind in allen Textverarbeitungen bereits enthalten).
Die Fa. Sun teilte mir z.B. vor einiger Zeit mit, ihre Rechtschreibprüfung des Reform-Deutschen reiche bei weitem nicht an die Qualität der früheren Versionen (für zeitgemäßes Deutsch) heran. Mein Eindruck ist, daß dies bei anderen Anbietern nicht anders aussieht.
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Theodor Ickler am 07.08.2004 um 03.14

Wir müssen überall darauf hinweisen, daß von jetzt an die Unterweisung der Schüler in der Reformschreibung verfassungswidrig ist. Denn die Akzeptanz, die das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zum Kriterium ihrer Legitimität gemacht hat, ist offenkundig nicht gegeben.

Dieses harte Wort kann auch den sogenannten Kultusministern und den Ministerpräsidenten eine Brücke zum Nachgeben bauen.
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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 06.08.2004 um 12.55

... den neuen Ickler noch VOR dem Duden in großer Auflage ("Schreiben, wie die Presse schreibt!") in die Buchhandlungen zu bringen - das wäre doch eine feine Sache!
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Klaus Malorny am 03.08.2004 um 18.51

Danke für die nützlichen Hinweise -- ich werde versuchen, mich im Zaum zu halten. Das Einfügen von Zwischenüberschriften ist sicherlich eine gute Idee, um Einstiegspunkte für potentielle Querleser in dem naturgemäß länglichen Text zu bilden.

Gruß

Klaus Malorny


eingetragen von margel am 03.08.2004 um 12.18

Verehrter Herr Dräger, mit "Entwicklung" meine ich eben das genaue Gegenteil vom Diktat einer Expertengruppe. Ich sehe die Rechtschreibung als etwas von Menschen Gemachtes, aber nicht Geplantes. Sie ist wie andere (quasi-) evolutionäre Vorgänge auf ständige Selbstkorrektur und Selbsoptimierung angelegt. M.a.W.: Man kann sie getrost "sich selbst" überlassen. Sie ist reine Praxis und bedarf nicht irgendeiner Theorie als Leitbild.


eingetragen von Matthias Dräger am 03.08.2004 um 10.59

In einer lebenden Sprache kann es doch Fehlentwicklungen geben: Wenn z. B. eine Gruppe selbsternannter „Experten“ versucht, mit aller Macht die Entwicklung der Schriftsprache um 200 Jahre zurückzudrehen.

Die Fehlentwicklung besteht in diesem Fall aus der faktischen Anwendung einer künstlichen Orthographie über die Schaltstellen dpa und Microsoft, die nicht nur die bisherige Einheit der Orthographie aufheben, sondern beim Leser-Schreiber eine Fülle neuer, bisher nicht bekannter „Falschschreibungen“ (bestenfalls: seltenster Varianten) induzieren, die den Lesefluß stören und das Verständnis des Textes erschweren.

„Verständigung“ würde auch mit Rechtschreibreform „möglich bleiben“ (so das Urteil des BVerfG), die Frage ist nur: mit welchem zeitlichen und finanziellen Aufwand, mit welchem „Theater“, das mit weiteren notwendigen Anpassungen an die Normalität der Schreibgemeinschaft verbunden ist.
Ein richtiges Schreiben nach einer amtlichen Norm wird auch in Zukunft eine Illusion bleiben, da kein normaler Mensch die Zeit hat, die dem üblicherweise gemäß erworbenen Sprachgefühl geläufige Schreibung - jetzt aber: „neu“, und nicht selten anders! - im jeweils gültigen Wörterbuch nachzuschlagen.


eingetragen von margel am 03.08.2004 um 09.21

In einer lebenden Sprache gibt es überhaupt keine "Fehlentwicklungen". Oder: Die Sprachteilhaber sind von vornherein weiser und kompetenter als jede Expertengruppe. Das schließt eine abgestufte Kompetenz inklusive Vorbilder nicht aus.


eingetragen von Carsten Zander am 03.08.2004 um 09.17

Meiner Meinung nach kann es nicht schaden, wenn man mitunter etwas Überzeugungsmaterial beilegt, damit der Empfänger erst einmal versteht, worum es überhaupt geht.

Beispiele:
http://rechtschreibreform.com/Woerterliste/peiliste.htm
(Insbesondere das Kapitel zur Zusammen- und Getrenntschreibung hat schon manchem die Augen geöffnet.)

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,310599,00.html


Auch wenn man davon ausginge, daß der Empfänger diese Argumente kennt, kann die Beilage des Materials nicht schaden, erstens brächte man den Adressaten in eine gewisse Verlegenheit, und zweitens würde man einer falschen Gegenargumentation, z.B. die neue Rechtschreibung sei leicht zu erlernen, von vornherein den Wind aus den Segeln nehmen.


eingetragen von Fritz Koch am 03.08.2004 um 08.52

Herr Prof. Augst behauptet das, erkennt aber nicht, daß das dann bei den zusammengesetzten Substantiven noch viel stärker der Fall wäre: Schweineschnitzel - Jägerschnitzel, Baumwollzelt - Bierzelt, Eisenbahn - Autobahn, usw. Gerade hier braucht man Hintergrundwissen, um in Gedanken die richtigen Präpositionen "aus", "für", "nach Art von" usw. ergänzen zu können.
Man muß doch fragen, warum diese Zusammenfügungen entstanden sind. Um Wörter einzusparen, nicht nur bei Substantiven, sondern auch bei Adjektiven, Partizipien (Mittelwörtern zwischen Adjektiv und Verb), Verben, Adverbien, Präpositionen, das heißt, bei allen Wortarten. Das ist ein wichtiger Unterschied zu anderen Sprachen, z.B. den romanischen Sprachen und deswegen ein besonderes Merkmal der hochdeutschen Sprache, aber kein Fehler und keine Fehlentwicklung, wie die Reformer behaupten. Um diese angebliche "semantische Überfrachtung" zurückzudrehen, müßte man bis zum Althochdeutschen zurückgehen, als sich die hochdeutsche Sprache gerade von den anderen westgermanischen absonderte (vom Niederdeutschen, Niederländischen, Friesischen). Aber auch im Altenglischen finden sich viele Zusammensetzungen von Wörtern. Nur ist diese Entwicklung beim Mittel- und Neuenglischen (vielleicht durch den Einfluß des Französischen) nicht wieder aufgenommen worden.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 03.08.2004 um 08.24

Frage in die Runde:
Die sog. Rechtschreibreform von 1996 segelte unter der Flagge „Schreiberleichterung für Schulkinder“, was ihr sofort die Sympathie der zwanghaft sich "kinderfreundlich" gebenden Verbände einbrachte.

Mit welchen Argumenten arbeiteten Reformer bei den verschiedenen zeitlich zurückliegenden Vorstößen?
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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 03.08.2004 um 07.15

An Herrn Malorny:
Persönlich glaube ich, daß sowohl Inhalt als auch die Menge der Zuschriften zu beeindrucken vermögen. Am besten ist es, den Text deutlich in kleine Abschnitte zu gliedern, so daß der Blick des Lesers beim Überfliegen an Überschriften und kurzen Sätzen „hängenbleibt“.
Man sollte jedoch nicht glauben, daß der Inhalt eines Schreibens nur deshalb nicht registriert worden sei, weil man „nichts erreicht hat“. Manche Dinge brauchen eben länger, ehe sie ins Bewußtsein gelangen. Nichts ist im Leben umsonst, davon bin ich überzeugt. Vom Ton her tendiere ich zu sachlich-kritischer Verbindlichkeit. Wen man überzeugen möchte, den sollte man nicht verprügeln.
Und wenn es schon eine Million Mal gesagt worden ist, wir sagen es immer wieder: die sogenannte Rechtschreibreform muß zurückgenommen werden!
„Nichts ist erbärmlicher als die Resignation, die zu früh kommt.“ (Marie von Ebner-Eschenbach)



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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Christoph Kukulies am 03.08.2004 um 06.51

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Auf der Homepage der bayerischen Staatskanzlei findet man folgende Auskunft über die MPK. Daraus geht klar hervor, daß die MPK mitsamt ihrem Einstimmigkeitsprinzip keinerlei rechtliche Grundlage hat.

...
zwischen A- und B-Ländern unterschieden ...
...

In der MPK hat jedes Land eine Stimme, während im Bundesrat die Stimmen der Länder entsprechend ihrer Einwohnerzahl unterschiedlich gewichtet sind (maximal 6, mindestens 3 Stimmen).

Die Beschlüsse der MPK erfolgen nach dem Konsensprinzip, so dass stets Einstimmigkeit unter den Ländern erforderlich ist. Der Bundesrat fasst dagegen Mehrheitsbeschlüsse, je nach Thema mit einfacher oder 2/3-Mehrheit (zum Beispiel bei Verfassungsänderungen)."


Das liest sich wie die Beschreibung eines Verfassungsorgans. In der freien Wirtschaft würden die Damen und Herren gleich eingelocht wegen kartellähnlicher Machenschaften.



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Christoph Kukulies


eingetragen von Theodor Ickler am 03.08.2004 um 06.39

Auf der Homepage der bayerischen Staatskanzlei findet man folgende Auskunft über die MPK. Daraus geht klar hervor, daß die MPK mitsamt ihrem Einstimmigkeitsprinzip keinerlei rechtliche Grundlage hat. Sie ist wie die KMK ein Symptom des Verbändestaates, der in obskuren Gremien an den Verfassungsorganen vorbei die Geschicke des Gemeinwesens leitet. Eine demokratische Kontrolle dieser sonderbaren Machtausübung ist nicht möglich.



"Die Bedeutung der Ministerpräsidentenkonferenz

Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ist Ausdruck eines gelebten Föderalismus. Sie ist ein Gremium der Selbstkoordination der Länder, die auf diese Weise ihre Interessen gegenüber dem Bund vertreten. Sie hat sich aus dem Bedürfnis der Länder heraus entwickelt, außerhalb des formalen Gesetzgebungsverfahrens im Bundesrat ein weiteres Gremium zur Diskussion und Beschlussfassung bei länderspezifischen Themen zu schaffen.

Die Ministerpräsidenten der Länder treffen sich in der Regel vier Mal im Jahr zur MPK. In besonderen Fällen berufen sie kurzfristig Sonderkonferenzen ein. Die Jahreskonferenz der Ministerpräsidenten findet jeweils im Herbst statt und
geht über mehrere Tage.

Die Ministerpräsidentenkonferenzen werden jeweils durch Konferenzen der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder, deren Vorsitz bis Herbst 2004 der Amtschef in der Bayerischen Staatskanzlei, Ministerialdirektor Dr. Walter Schön, übernimmt, inhaltlich vorbereitet und vorberaten.

Jährlicher Wechsel des Vorsitzlandes

Der Vorsitz der MPK wird nicht gewählt, sondern wechselt jährlich im Herbst in einer festgelegten Reihenfolge. Bayern hat im November 2003 den Vorsitz von Hamburg übernommen und übergibt ihn im Herbst 2004 an Berlin. Zweimal jährlich finden unmittelbar im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenzen Gespräche der Länderchefs mit dem Bundeskanzler statt.

Traditionell wird im Sprachgebrauch zwischen A- und B-Ländern unterschieden. Als A-Länder werden SPD-geführte Länder bezeichnet. Als B-Länder versteht man Länder mit unionsgeführter Regierung. Im Vorfeld der Sitzungen aller Ministerpräsidenten finden in der Regel getrennte Sitzungen
der A- und B-Länder statt.

Unterschiede zwischen Bundesrat und MPK

In folgenden Punkten unterscheiden sich Arbeit, Funktion und Beschlussfassung der MPK von der des Bundesrates:

Über den Bundesrat wirken die Länder an der Gesetzgebung des Bundes mit. Der Bundesrat ist ein Verfassungsorgan des Bundes, das heißt seine Funktion, Organisation und Rechte sind im Grundgesetz geregelt. Für die MPK gibt es solche rechtlichen Grundlagen nicht.

In der MPK hat jedes Land eine Stimme, während im Bundesrat die Stimmen der Länder entsprechend ihrer Einwohnerzahl unterschiedlich gewichtet sind (maximal 6, mindestens 3 Stimmen).

Die Beschlüsse der MPK erfolgen nach dem Konsensprinzip, so dass stets Einstimmigkeit unter den Ländern erforderlich ist. Der Bundesrat fasst dagegen Mehrheitsbeschlüsse, je nach Thema mit einfacher oder 2/3-Mehrheit (zum Beispiel bei Verfassungsänderungen)."

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Th. Ickler


eingetragen von Matthias Dräger am 03.08.2004 um 06.36

Sehr geehrter Herr Malorny,

die wirkungsvollste Waffe gegen die Rechtschreibreform ist – die Rechtschreibreform! Greifen Sie einfach ein paar hübsche Beispiele heraus, z. B. den Wechsel in der Schreibweise bei „Besorgnis erregend“ wenn eine weitere Steigerung nicht mehr möglich ist (höchst besorgniserregend), einige Einträge im DUDEN bei „wohl“, vielleicht fügen Sie auch eine Kopie aus dem amtlichen Regelwerk bei, gut geeignet sind die § 34 bis § 36.
Wer sich das ansieht, weiß, daß die Rechtschreibreform sich selbst im Wege steht und und bei Leuten von nur durchschnittlicher Intelligenz, wie wir es sind, keine Chance hat.

Eine Reihe von guten Argumenten für die Beibehaltung der normalen, bewährten (und ungeteilten) Rechtschreibung, wie Sie sie hier reichlich finden können, wäre auch nicht verkehrt. Der sachliche Ton kommt, so glaube ich, am besten an.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr M. Dräger


eingetragen von Klaus Malorny am 02.08.2004 um 21.17

Da der "Faden" hier Strategie heißt, möchte ich eine Frage stellen, auch wenn sie etwas außerhalb der hier diskutierten Themen liegt: Nachdem ich letztens Briefe an vier Ministerpräsidenten geschrieben habe, will ich noch einen weiteren Brief entwerfen, den ich den anderen widerspenstigen MPen und Politikern schicken möchte. Ich schwanke bei jedem Brief an Politikern zwischen einer harmlosen, weichgespülten Version und einer harten Version, in der ich ihnen vorwerfe, was man Politikern so vorwerfen kann (etwa aus dem Bereich Unwissenheit, Unfähigkeit, Machtmißbrauch, Bestechlichkeit, antidemokratisches Verhalten, Verlogenheit, ideologische Verbohrtheit, Blindheit, Weltfremdheit) -- natürlich im begründbaren Rahmen. Was besitzt mehr Wirkung? Wenn ich sehe, wie die Politiker alle bisherigen öffentlichen Beschwörungen von Dichtern, Juristen, Wissenschaftlern und anderen ignorieren, wenn nicht sogar sich darüber lustig gemacht haben, frage ich mich, ob ein harter Schuß vor den Bug nicht geeigneter ist. Jedoch besteht dabei die Gefahr, daß man gleich als "Querkopf", "Idiot" oder "Anarchist" eingestuft wird und damit die Wirkung verpufft. Kann mir jemand einen Rat geben?

Aber vermutlich ist der Inhalt eh egal. Da die Post von Mitarbeitern vorgekaut wird, zählt, wenn überhaupt, nur die das Verhältnis Pro- zu Contra-Zuschriften.

Klaus Malorny



eingetragen von Norbert Lindenthal am 02.08.2004 um 20.24

Guten Tag, Herr Koch, in vergangenen Tagen haben sie Ihren gestur-Markenmantel und Ihren histj-Schal an der Garderobe abgegeben. Nun erheben Sie sich vom kartoffelförmigen Chaiselongue, um hier im Strategiethema frischen Wind mitzubringen.

Melden Sie sich doch bitte mal bei mir per Elektrobrief. Eine schnelle Verbindung wäre Redaktion@Rechtschreibung.com oder natürlich auch das Telefon: 02603 2415.

Für Ihre Verkleidung habe gerade ich übrigens eher größeres Verständnis. Hier firmiere ich selbst beispielsweise, weil ich mich auch um diesen Kleinkram kümmern muß, als Mädchenfüralles. Oder auch Dominik Schumacher ist mein Künstlername. Sie dürfen versichert sein, ich behalte Ihre Identität geschützt. Das können mehrere gutgelaunte Menschen hier an diesem Treffpunkt bestätigen.

Schnelle Sprüche sollen nicht Ihre Leistung bleiben. Sie haben viel Zeit. Vielleicht übernehmen Sie bald auch Teile der Moderation und technische Weiterentwicklung. Strategieüberlegungen wollen auch umgesetzt werden. Bei dem hier zu bewältigenden täglichen Pensum muß die Datenbank hier logistisch aufgerüstet werden.

Wir können mal über Struktur nachdenken und dann bald schnell handeln. Erst einmal warte ich aber ab, ob Sie zu sich und uns stehen. Öffentlich. Per Netzbrief privat hatte ich es ja auch schon versucht.

Herzliche Grüße, Ihr
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Norbert Lindenthal


eingetragen von Martin Reimers am 02.08.2004 um 17.28

Es ist viel schlimmer, als Herr Koch schreibt. Heller und seine Clique bestreiten überhaupt nicht die durch die Reform "verloren gehenden" semantischen Unterschiede, sie stehen nur auf dem Standpunkt, daß "schwer zu handhabende Kriterien" wie Wortbedeutung und auch -akzent den "Normal- und Wenigschreibern" nicht zugemutet werden können. (In der modernen Pädagogik nennt man so etwas wohl Schülerorientierung.)
Kürzlich hat es Augst ja einmal wieder auf genial-unverschämte Weise auf den Punkt gebracht: die "alte" Rechtschreibung war "semantisch überfrachtet". Dieser militant asemantische Ansatz ist doch der - noch dazu ungebrochen stolze - Vater allen Unsinns.
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Martin Reimers


eingetragen von Fritz Koch am 02.08.2004 um 16.49

leugnen grundsätzlich, daß zwischen zusammengeschriebenen und getrennt geschriebenen Wörtern Bedeutungsunterschiede bestehen. Die Existenz dieser Bedeutungsunterschiede wurde zwar immer wieder nicht nur hier, sondern überall bewiesen, aber es wäre zu befürchten, daß die Richter des Bundesverfassungsgerichtes als sprachwissenschaftliche Laien Herrn Heller glauben würden. Das Problem sind nicht die jeweils neu zu verfassenden Schulaufsätze, und nur die kann Herr Heller meinen, sondern die von der alten auf die neue Schreibweise umgestellten Texte und die in diesen Texten entstehenden Bedeutungsänderungen.

Zum Beispiel erscheint vor meinem geistigen Auge bei dem Eigenschaftswort "weiter gehend" immer Sokrates mit seinen Schülern Platon und anderen, die bekanntlich im Umhergehen die Probleme der Menscheit diskutierten, weil da das Gehirn am besten arbeitet.


eingetragen von Carsten Zander am 02.08.2004 um 12.39

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Die Staats- und sonstigen Rechtsgelehrten könnten dann auch gleich darüber nachdenken, ob der Staat und seine Beamten Wörter verbieten dürfen. Da Sprache vom GG geschützt wird, sind Wörterverbote nicht zulässig; aber sicherlich sagen dazu die Bundesverfassungskasper, daß ein so geringer Prozentsatz von verbotenen Wörtern unerheblich und nicht klagewichtig sei.

Es ginge allerdings nicht nur um die Wörterverbote. Im Artikel 3 des Grundgesetzes steht: "Niemand darf wegen ... seiner Sprache ... benachteiligt oder bevorzugt werden."

Ab 2005 dürfen die Kinder in der Schule nur die neue deutsche Schriftsprache benutzen. Dies stünde im Widerspruch zur Kultur, zum in den Büchern gespeicherten Wissen, zur Sprache der Eltern und zum sonstigen allgemeinen Sprachgebrauch.

Das wäre eindeutig eine Benachteiligung der Kinder. Aber uns hier im Forum ist das sicher klar, und das Thema wurde sicherlich bereits diskutiert.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 02.08.2004 um 11.21


margel schrieb::
Wie schon dargelegt, sind weder die KMK noch die MPK Rechtsssubjekte. Sie kommen nicht in der Verfassung vor. Sie können beschließen, so viel sie wollen, einstimmig oder mit Mehrheit – Rechtskraft erlangen alle diese Beschlüsse erst durch Gesetz und Verordnung der einzelnen Länder. Das war auch bei der Einführung der RSR so. Jedes einzelne Kultusministerium hat entschieden, die Reform an den Schulen einzuführen. Das kann man in den Gesetzes- und Verordnungsblättern und den Schulverwaltungsblättern nachlesen. – Darum ist die Behauptung von der notwendigen Einstimmigkeit eine Zwecklüge. Sie soll Politikern wie Chr. Wulff u.a., die es natürlich besser wissen, den Schneid abkaufen und den neue Hoffnung schöpfenden Reformgegnern die Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen aufzeigen. Es ist an der Zeit, daß einmal ein kompetenter Staatsrechtler dazu Stellung bezieht.
Die Staats- und sonstigen Rechtsgelehrten könnten dann auch gleich darüber nachdenken, ob der Staat und seine Beamten Wörter verbieten dürfen. Da Sprache vom GG geschützt wird, sind Wörterverbote nicht zulässig; aber sicherlich sagen dazu die Bundesverfassungskasper, daß ein so geringer Prozentsatz von verbotenen Wörtern unerheblich und nicht klagewichtig sei.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von margel am 02.08.2004 um 10.31

Wie schon dargelegt, sind weder die KMK noch die MPK Rechtsssubjekte. Sie kommen nicht in der Verfassung vor. Sie können beschließen, so viel sie wollen, einstimmig oder mit Mehrheit - Rechtskraft erlangen alle diese Beschlüsse erst durch Gesetz und Verordnung der einzelnen Länder. Das war auch bei der Einführung der RSR so. Jedes einzelne Kultusministerium hat entschieden, die Reform an den Schulen einzuführen. Das kann man in den Gesetzes- und Verordnungsblättern und den Schulverwaltungsblättern nachlesen. - Darum ist die Behauptung von der notwendigen Einstimmigkeit eine Zwecklüge. Sie soll Politikern wie Chr. Wulff u.a., die es natürlich besser wissen, den Schneid abkaufen und den neue Hoffnung schöpfenden Reformgegnern die Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen aufzeigen. Es ist an der Zeit, daß einmal ein kompetenter Staatsrechtler dazu Stellung bezieht.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 02.08.2004 um 09.04

Schulunterricht ist Ländersache; mit dieser Einteilung wollten die Mütter und Väter des Grundgesetzes eine HJ-mäßige Gleichschaltung der Jugend erschweren.

Daß S.-H. am 1.8.1998 und 17.9.1999 zum Gleichschritt gezwungen wurde, zeigt, daß unsere Machthaber sich auch andere Wege und Verpackungsformen einfallen lassen, um in wichtigen Fragen die gewünschte Gleichschaltung zu erreichen und das unbotmäßige Volk zu zügeln.

Demokratie und parlamentarische Demokratie verhalten sich zueinander ungefähr so wie Geld und Falschgeld; und eine Schlüsselstellung haben dabei die sogenannten Gerichte (BVerfG und OVerwG für S.-H.).
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Fritz Koch am 02.08.2004 um 08.08

Anscheinend kann in einem einzelnen Bundesland ein Volksentscheid die Rechtschreibreform aufheben, denn sonst wäre er unzulässig.

Anscheinend kann ein einzelner Ministerpräsident für sein Bundesland die Reform nicht aufheben. Oder wird das nur behauptet?

Immerhin tröstlich, daß das Volk mehr kann als die Regierung.


eingetragen von Christoph Kukulies am 02.08.2004 um 07.18

Ich bin kein Verwaltungsrechtler, aber ich würde mir gerne mal erklären lassen, welche Bindung ein "gemeinsamer Beschluß" der sog. Kultusministerkonferenz hat, die Rechtschreibreform 2005 an den Schulen "und in der Verwaltung" verbindlich werden zu lassen.

Wieso kann dieser Beschluß eines in unserem Demokratiegefüge nicht etablierten Organs, der "KMK", nur einstimmig von der Ministerpräsidentenkonferenz aufgehoben werden? Hat nicht jeder einzelne Ministerpräsident Weisungsbefugnis für seine Ministerien und damit für sein jeweiliges Bundesland?
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Christoph Kukulies


eingetragen von J.-M. Wagner am 02.08.2004 um 02.53

Vom Nachrichtenbrett hierherkopiert: Auszug aus einem Artikel der Potsdamer Neuesten Nachrichten:

Das Brandenburger Bildungsministerium lehnt eine Rücknahme der Rechtschreibreform ab. „Das Land schließt sich den populistischen Forderungen nach einer Rückkehr zur alten Rechtschreibung nicht an“, sagte der Sprecher des Bildungsministeriums, Thomas Hainz in Potsdam. Eine Reform der Reform sei der falsche Weg. [...] Hainz fügte hinzu, die Kultusministerkonferenz werde sich im Herbst ohnehin noch einmal mit der Rechtschreibreform befassen. Dabei könnte eine „behutsame Korrektur“ erfolgen.
Dazu der Kommentar von Christian Melsa:
Behutsame Rücknahme

Da ist es wieder, das magische Wort: „behutsam“! Diesmal aus dem Munde von Thomas Hainz, Sprecher des brandenburgischen Bildungsministeriums. Man hat sie direkt vor Augen, die lieben Freunde der Reform, wie sie sanft und vorsichtig ihr zartes Pflänzlein streicheln, während ihre bösen Feinde mit der Axt kommen. Hach, was sind sie rührende Gutmenschen, diese Reformbefürworter! Und ihre Gegner, was für scheußliche Grobiane!

Um diesem altbekannten Trick endlich einmal die Grundlage zu entziehen, sollten wir Widerständler jetzt in öffentlichen Stellungnahmen ausdrücklich die „behutsame Rücknahme“ der Reform fordern. Entwinden wir das kleine Wörtlein „behutsam“ dem Monopol der Reformpropagandisten!

Und unsere Forderung ist sogar tatsächlich eine behutsame: Wie schon gesagt wurde, soll schließlich eine hinreichend lange Übergangsphase eingerichtet werden, in der die Schulbehörden noch die Neuanschaffung von Lehrmaterial gestatten, das in reformierter Rechtschreibung gehalten ist.
(Siehe dazu auch den vorangehenden Beitrag.)
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von J.-M. Wagner am 02.08.2004 um 02.09

Vom Nachrichtenbrett hierherkopiert: Auszug aus einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:

Die Verleger schwächen damit das Argument des Verbandes der Schulbuchverlage (VdS Bildungsmedien) ab, der vor den Kosten der Rücknahme der Reform gewarnt hatte. Nach seinen Berechnungen würden sie zunächst bei etwa 250 Millionen Euro liegen. Geschäftsführer Andreas Baer rechnet so: In den „rechtschreibsensiblen Fächern“, also in allen Klassen der Grundschule und im Deutschunterricht der weiterführenden Schulen, seien etwa tausend Buchtitel in Umlauf, wobei die Umstellungskosten für einen Titel rund 6000 Euro betrügen. Zu diesen 60 Millionen Euro kommen nach seinen Angaben 190 Millionen Euro hinzu, welche die noch nicht verkauften Bücher in den Lagern wert seien.
Dazu der Kommentar von Fritz Koch:
Die noch nicht verkauften Bücher in den Lagern können nur für das nächste Schuljahr vorgesehen sein, also für ein Schuljahr im voraus. Längerfristig zu bevorraten ist wegen der häufigen Lehrplanänderungen viel zu riskant.

Bei einer vernünftigen Übergangsfrist für alte und neue Schreibweisen können die Lagerbestände aufgebraucht werden. Die Schulbehörden dürfen nur nicht wieder verlangen, daß sofort alle Schulbücher in der geänderten Schreibweise vorliegen müssen, wie sie es bei der politisch gewollt überstürzten Einführung der reformierten Schreibweise verlangt hatten.
(Im übrigen schließe ich mich Reinhard Markners Rat zur Mäßigung an; wer die besseren Argumente hat, braucht nicht hitzig oder polemisch zu werden.)
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Matthias Dräger am 31.07.2004 um 18.24

Prof. Augst hat leider seinen Beruf verfehlt: Einpeitscher auf einer Galeere.
Da heute nur noch die wenigsten Reedereien Galeeren fahren lassen, wählte er halt das „nächst Liegende“: Rechtschreibreformer. Auch damit kann man die Leute tüchtig zwiebeln. Und die Sache hat noch einen ungeahnten Vorteil: Mit der Rechtschreibreform kann man zwar nicht den Körper, aber den Geist der ihm ausgelieferten Bürgerinnen und Bürger traktieren. Und das sogar, ohne daß jemand viel sagen kann. Wir leben ja schließlich in einer Demokratie, und den Persilschein gibt’s umsonst von den Papiertigern des BVerfG. Niemand ist gezwungen, Zeitungen zu lesen oder seinen Kindern die Hausaufgaben nachzusehen. Wer das macht, ist selbst „Schuld“!

Augst möchte die Politiker gern in Kollektivhaft nehmen: „Wenn ihr mir meine Rechtschreibreform kaputtmacht, dann mache ich auch eure Reformen kaputt. Und den Euro nehme ich euch auch wieder weg!“ Ich glaube, Augst überschätzt sich etwas, auch wenn er, was den angerichteten Schaden angeht, längst Ehrenmitglied im Dr.-Schneider-Club geworden ist und sich da sicher fühlt...

Leute, macht mal ’nen Punkt. Augst wird sowieso bald pensioniert. Von mir aus kann er dann eine Gras-Reform machen und das Gras dann per Dekret von oben nach unten wachsen lassen - wenn es auf ihn hört.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 31.07.2004 um 07.56

Das Märchen vom Volksunwillen 1901
Auch in Umfragen zeige sich, dass vor allem die Jüngeren die neuen Regeln befürworteten und mit diesen gut zurecht kämen. Die älteren Menschen hingegen hingen an den alten Regeln – wohl aus Gewohnheit. „Das war auch schon bei der ersten Festlegung der Rechtschreibung im Jahr 1901 so.“

Wo kommt das her? Wie belegt?
Und wieder einmal die armen „Alten“, die als „Einzige“ wollen, daß alles beim „Alten“ bleibt.
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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 31.07.2004 um 07.54

Ein neues Argument verbreitet sich wie ein Flächenbrand:

«Wenn Politiker sagen, dass die Rechtschreibreform zurückgenommen werden muss, weil sie beim Volk nicht beliebt ist, dann bleibt keine einzige Reform der letzten drei, vier Jahre übrig«, sagte Augst.

Der Staat hat immer recht und Recht. Basta.
Wir können doch nicht zulassen, daß unsere Demokratie durch das Volk erpreßbar wird!
(Kabarettisten hergehört, auf diesen Seiten gibt es Stoff für die nächsten zehn Bühnenjahre!)

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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Christoph Kukulies am 31.07.2004 um 07.03

Ein weiteres Argument, das jetzt gerne von Seiten der Reformer ins Feld geführt wird, ist die Behauptung, die derzeitige Diskussion sei "typisch deutsch" (Heller). Und typisch deutsch dürfen wir ja nicht mehr sein.


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Christoph Kukulies


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 30.07.2004 um 10.47

Ich erlaube mir, einen Kommentar vom Nachrichtenbrett, der aber dort zusammenhanglos herumvagabundiert, hier noch einmal einzustellen:

Wenn ich könnte wie ich wollte, dann würde ich jeden die Reform verteidigenden Ministerpräsidenten nötigen, zu dem heutigen Artikel von Professor Ickler in der FAZ Punkt für Punkt Stellung zu beziehen.

Würden sie dies nämlich tun, müßten sie dann nicht ihre Befürwortung aufgeben - und wir hätten die Chose vom Tisch?

Es sind doch alles keineswegs Dummköpfe - aber an diesem Punkt wollen sie mit höchster Konsequenz an der Wahrheit vorbeischauen. Dagegen könnten sie argumentieren: Gibt es das denn - DIE Wahrheit? Kommt es nicht ganz darauf an, von welcher Seite man die Angelegenheit betrachtet? Ist es denn etwa nicht wahr, daß die Rechtschreibreform vor Jahren an den Schulen eingeführt wurde und „der Zug deshalb abgefahren“ ist?
Natürlich ist das wahr, aber es ist eine sehr platte Wahrheit. Es gibt nämlich eine hierarchische Abstufung der Wirklichkeit, z.B. so: Realität I > Realität II > Realität III.
Zu Realität I gehört, daß wir ein Geoid (angenähert ein Rotationsellipsoid) bewohnen, auf dem Gesetze gelten, die vorgegeben (und nach unseren Maßstäben konstant) sind. Zu Realität II zählen Tatsachen (oder lat. Fakten) - da ist etwas getan (oder unterlassen) worden, das für sich (oder in seiner Auswirkung) Konsequenzen hat (und sei es nur die, daß man sich an das Getane erinnert). Realität III ist die Welt der Vorstellungen oder Ideen (die - wie wir alle wissen - äußerst wirkungsmächtig werden können, z.B. der Weihnachtsmann oder der Kommunismus).

Die Sprachen haben eine starke Affinität zu Realität I: Sie sind auf uns als Gegebenes gekommen; sie beinhalten Gesetzmäßigkeiten, die wir nicht einfach willkürlich ändern können und die über lange Zeiträume gelten (wenngleich sie sich, wie das Leben selbst, weiterentwickeln).

Die Rechtschreibreform ist ein Systembruch. Entstanden aus Realität III (der Vorstellung, es müßten dekretierbare Regeln entwickelt werden können, die die Sprache - besonders die geschriebene Sprache - für Schüler einfach, klar und wahr machen würden), gehört sie klar der Realität II an und pfuscht (daher naturgemäß erfolglos) an der Sprache herum, die an Realität I angedockt ist.

Das hat das Bundesverfassungsgericht nicht verstanden (fast ist man versucht zu fragen: woher auch?), aber auch der KMK-Riege und den die RSR befürwortenden Ministerpräsidenten kann man - so man sie entschuldigen will (oder auch gerade nicht) - unterstellen, daß in ihrer Sicht dieser Systembruch eine quasi „unschuldige Tat“ darstelle. Die Gegner der Rechtschreibreform (z.B. insbesondere die Dichter) haben viel besser verstanden (oder spüren es zumindest), daß hier tatsächlich Welten aufeinanderprallen. Die Dichter könnten es vielleicht so ausdrücken, daß sie das Kulturgefäß Sprache, das sie nur für begrenzte Zeit in der Hand halten dürfen (bevor sie es an die nächste Generation weiterreichen), als gegenwärtiges und lebendiges Zeugnis unserer Kultur mit Bewunderung und Ehrfurcht behandeln. (Oder so ähnlich. Da ich kein Dichter bin, geht mir das nicht so locker von der Tastatur.)

Diese Ehrfurcht, diese dienende Funktion (die dabei durchaus auch Stolz kennt), fehlen den Reformern und der sie stützenden Bürokratie leider völlig. Dichter und Sprachwissenschaftler unterscheiden sich darin nicht: beide versuchen nicht, der Sprache etwas aufzuzwingen, sie dienen ihr vielmehr. (Sie untersuchen z.B., ob die Reform der Sprache entspricht - oder sie vielleicht gar verletzt. So kann man durchaus überprüfen, was stimmt und was nicht, und sogar das, was gut ist und was nicht so gut ist.) Die Reformer erweisen sich bei einer solchen Prüfung als schlechte Wissenschaftler. Und so sehen auch alle, die ihnen folgen, an der Wahrheit vorbei. (Schlimmer noch: Sie nehmen gar nicht wahr, daß sie es tun.)


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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Klaus Eicheler am 28.07.2004 um 19.48


Das Argument, eine Rücknahme der Reform stiftete Verwirrung bei den Schülern, führt zu einem komplexen Argumentationsnetz mit verschiedenen Konsequenzen und Resultaten. Ich habe versucht, diese Verflechtungen in einem Diagramm sichtbar zu machen. Anregungen, Tips, Erweiterungen sind gerne willkommen!

Argumentationsdiagramm.pdf drucken (48K)

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Klaus Eicheler


eingetragen von Reinhard Markner am 28.07.2004 um 14.29

Kann nicht schaden.

Hingegen möchte ich bei dieser Gelegenheit noch einmal davon abraten, einen hitzigen, kämpferischen Ton anzuschlagen.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 28.07.2004 um 13.38

Strategische Frage
Ist es sinnvoll, jeden Leserbrief gegen die Reformschreibung zugleich an die Herausgeber der Zeitung zu schreiben?


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 28.07.2004 um 06.15

Wie an anderer Stelle hier schon berichtet, ist meine gestrige Aussage, alle derzeitigen Kultusminister stützten die Rechtschreibreform, ein wenig zu modifizieren.
Der am ursprünglichen Beschluß nicht beteiligte saarländische Kultusminister Jürgen Schreier (erst am 29.9.99 vereidigt als Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft) hat seine Haltung erfreulicherweise revidiert.

Wackelkandidaten sind sicher auch die Damen Hohlmeier und Schavan. Kann aus diesem Gremium doch noch ein vernünftiger Gedanke kommen? Da ist jeder Optimismus natürlich sehr gedämpft.

Meine gestrige Frage bleibt bestehen: Was sind in dieser Sache vorstellbare Triebfedern für sich sonst so volksnah gebende Leute wie Herrn Beck, Herrn von Beust, Herrn Scherf? Kann sich jemand vorstellen, was in deren Köpfen vorgeht? Haben die allesamt nicht gelesen, was Herr Wulff geschrieben hat? Und wenn sie es gelesen hätten, würden sie das tatsächlich ohne jedes ernsthafte Gegenargument in Bausch und Bogen verdammen? Was diese Herren vorgebracht haben (oder auch Frau Simonis oder Herr Steinbrück) - das können sie doch selbst nicht wirklich ernst nehmen. Haben Herr Milbradt oder Herr Althaus denn gar keine Angst, sich lächerlich zu machen?

(Bei den Herren Wowereit und Koch gehe ich davon aus, daß sie über solche Bedenken weit hinaus sind.)
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 27.07.2004 um 10.23

Nachdem Wulff sich zu schnell Friedrich Merz' Initiative angeschlossen hat, kann er in Sachen Rechtschreibung auch kaum mehr auf kräftige Unterstützung von Dr. Angela D. Merkel rechnen (der das Thema allerdings auch wenig mehr als einen lockeren Spruch wert zu sein scheint); ebenso ist der durch die nicht einmal richtig überstandene Hohlmeier-Affäre geschwächte Dr. Edmund Stoiber derzeit nicht zu einem unionserschütternden Machtwort in der Lage. Und daß Franz Müntefering (ohne den erwarteten "Münte-Effekt") Wowereit und Beck und Simonis und Scherf zugleich schultern könnte (wenn er es denn tatsächlich wollte) erscheint ausgeschlossen.

Diese Pferde müssen gewechselt werden.
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von murmel am 27.07.2004 um 09.06

wenn über Kultur - zu der auch die Schriftsprache gehört - nicht die entscheiden dürfen, die bewiesen haben, daß sie tatsächlich etwas davon verstehen, sondern Ministerialbeamte und Politiker, die fachliche Laien sind. Deutschland ist keine Kulturnation (mehr) wie z.B. Frankreich.


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 27.07.2004 um 08.36

... das vor unseren Augen abläuft. Ein nur durch eine singuläre Koinzidenz ermöglichtes, höchst fehlerhaftes Produkt wird der am weitesten verbreiteten Sprache der EU unter Verzicht auf jegliche vorherige Testung mit staatlicher Brachialgewalt übergestülpt - und nun sieht die Staatsgewalt sich gezwungen, auf dem einmal eingeschlagenen Irrweg immer so weiterzumachen. Das ist zugleich das einzige Argument: numquam retrorsum (nie zurück, oder: "... der Zug ist abgefahren.")!

Es ist schon eine erstaunliche Galerie, die sich diesem (offensichtlich beschränkten) Leitsatz unterwirft - ALLE amtierenden Kultusminister (und die meisten ihrer Vorgänger), unter den Ministerpräsidenten Heide Simonis, Klaus Wowereit, Dr. Henning Scherf, Carl-Friedrich Arp Freiherr von Beust, Kurt Beck, Roland Koch, Dieter Althaus und Dr. ("summa cum laude"!) Georg Milbradt. Von diesen ist allenfalls Dieter Althaus, wenn man unbedingt will, schuldfrei zu sprechen (da er als Erfurter Kultusminister seinerzeit für die Reform gestimmt hat).

Bei diesem Stand ist die Initiative von Christian Wulff bereits gescheitert. Nur, warum engagiert sich diese parteienübergreifende Althaus-Beck-von Beust-Koch-Milbradt-Scherf-Simonis-Wowereit-Gegeninitiative tatsächlich wider Wahrheit und Vernunft?

Ein Indiz ist vielleicht die Abfolge von Maßregelungen der Christina Weiss. Hatte sie ihre Kritik an der Rechtschreibreform (die auch sie mitzuverantworten hat) zunächst noch ziemlich unverhohlen formuliert, wich sie dann gelenk aus: es seien nur ein paar Zweifelsfälle durch die KMK (!) zu klären. Gestern wurde sei vollends abgestraft. Ein Berufspressesprecher seit 16 Jahren, knapp zwei Jahre nun in der Funktion des stellvertretenden Sprechers der Bundesregierung, ein Dr. Thomas Steg, durfte die Kulturstaatsministerin öffentlich zurückpfeifen. Es sei ja auch alles in bester Ordnung. Welche Chuzpe!

Haben die o.g. Ministerpräsidenten und die Staatsministerin Angst vor Mittelkürzungen? Was sonst treibt sie an? Wer von ihnen könnte sich u.U. doch besserer Einsicht beugen? (Wowereit, Koch oder Simonis sicher nicht - oder doch?)

ergänzt, um 15:20 Uhr: Es soll keine sonderliche Geringschätzung ausdrücken, daß ich Peer Steinbrück zu nennen vergessen habe - auch für ihn gilt: besser mit fest zugekniffenen Augen voran ... als zu erkennen, daß das Volk nicht folgt.
– geändert durch Wolfgang Scheuermann am 27.07.2004, 15.25 –
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Carsten Zander am 27.07.2004 um 07.33

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von David

Und nun die erschreckende Schlußfolgerung:
In diesem unseren Lande sind Eltern dazu verpflichtet, ihren Kindern offensichtlichen Unsinn beibringen zu lassen. Dagegen können sie sich nicht wehren.
Und vor allem: Dieser offensichtliche Unsinn ist staatlich verordnet!!

Au weia... wo gibt's denn so was??



Vor 2005 galten in der Schule beide Rechtschreibungen nebeneinander. Möglicherweise haben wir ab 2005 rechtlich gesehen eine andere Situation als vorher, denn die Kinder werden dann in einer wesentlichen(!) Sache gezwungen, etwas zu lernen, was nicht mit dem Leben außerhalb der Schule übereinstimmt:

- Eltern und die meisten anderen Erwachsenen nutzen eine andere Rechtschreibung (durch Umfragen belegbar).
- Der größte Teil des Wissens und der Kultur ist in der bisherigen Rechtschreibung gespeichert.


Gibt es denn kein Gesetz, in welchem der Bildungsauftrag der Schule als Vorbereitung auf das Leben festgelegt ist?

Falls es solch ein Gesetz gibt, was könnte man dann unternehmen, damit an den Schulen ab 2005 die bewährte Rechtschreibung weiterhin zumindest toleriert wird? Unterlassungsklage zur Vermeidung von Unrecht einreichen? Strafanzeige stellen?


eingetragen von Detlef Lindenthal am 27.07.2004 um 07.05

Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet. – Römer 13.1

Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand. – Volksmund

(Wobei freilich zu fragen ist, ob die Unterrichtsbehörden ihr Amt von Gott erhalten haben und ob sie Obrigkeiten oder nur eine Möchtegernobrigkeiten sind und ob sie wirkliche Gewalt über die Menschen haben.
Gandhi und Solschenizyn haben der obrigkeitlichen Gewalt auf selber Höhe ins Auge gesehen und Obrigkeiten zu Fall gebracht.)
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Detlef Lindenthal


eingetragen von murmel am 27.07.2004 um 05.45

Das ist doch nur ein Erbstück aus der DDR. Manche Leute regen sich vielleicht deswegen überhaupt nicht auf, weil sie es früher immer so gewohnt waren, auch Unsinn lernen zu müssen, wenn es verlangt wurde.


eingetragen von David am 26.07.2004 um 21.22

Heute abend dachte ich mal folgenden Gedankengang:
(Okay, so neu ist er nicht, aber ich wollte ihn doch mal hier veröffentlichen, vielleicht taugt er ja zur strategischen Verwendung.)


Wir haben in diesem unseren Lande die Schulpflicht. Das heißt, daß jedes Kind zur Schule gehen muß.

In der Schule wird nach amtlichen Richtlinien unterrichtet. Wenn eine Schule nicht nach diesen Richtlinien unterrichten will (wenn es sich beispielsweise um eine Privatschule handelt), dann ist sie nicht staatlich anerkannt.

Wenn eine Schule nicht staatlich anerkannt ist, dann ist ein auf ihr erlangter Abschluß ebenso nicht anerkannt, also quasi in diesem unseren Lande wertlos (ganz grob gesagt).

Wenn die Richtlinien amtlich sind, dann werden sie sozusagen von Staats wegen vorgegeben.

Wenn jetzt in den Richtlinien von Staats wegen etwas vorgegeben wird, was offensichtlicher Unsinn ist, dann ist es also Schulen nicht gestattet, dagegen zu unterrichten, weil die Richtlinien damit nicht befolgt würden.

Und weil alle Kinder schulpflichtig sind, kann so staatlich diktierter Unsinn in die Gesellschaft implantiert werden.

Eltern können ihr Kind dem nicht entziehen, weil es die Schulpflicht gibt.



Dieser Überlegung folgten dann prompt diese Feststellungen:



Daß das Wort "Quentchen" mit ä geschrieben werden muß, weil es sich von "quantum" ableitet, ist nachweisbar falsch, also offensichtlicher Unsinn.

Daß im Deutschen eine Vokalkürze durch einen nachfolgenden Doppelkonsonanten gekennzeichnet wird, ist nachweisbar falsch, also offensichtlicher Unsinn.

Daß das Wort "sitzenbleiben" mit dem Ausdruck "sitzen bleiben" bedeutungsgleich ist, ist nachweisbar falsch, also offensichtlicher Unsinn.

Daß das Adjektiv in dem Satz "Ein furchterregender Löwe griff mich an" durch eine Konstruktion ersetzt werden muß, die aus einem Substantiv und einem Partizip besteht, um dadurch den Satz leichter verständlich zu machen (= "Ein Furcht erregender Löwe"), ist nachweisbar falsch, also offensichtlicher Unsinn.

Daß ein Satz, in dem ein Satzzeichen weggelassen wird, und der damit rein formal bis zu drei verschiedene Bedeutungen annehmen kann, nun eindeutiger und leichter zu verstehen ist, ist nachweisbar falsch, also offensichtlicher Unsinn.



Und nun die erschreckende Schlußfolgerung:



In diesem unseren Lande sind Eltern dazu verpflichtet, ihren Kindern offensichtlichen Unsinn beibringen zu lassen. Dagegen können sie sich nicht wehren.
Und vor allem: Dieser offensichtliche Unsinn ist staatlich verordnet!!


Au weia... wo gibt's denn so was??


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 26.07.2004 um 10.39

Wenn Frau Merkel es ernst meinte damit, daß Frau Staatsministerin Dr. Weiss sich mit den Ministerpräsidenten über die Rechtschreibreform einigen sollte, so hätte sie von der Problematik nicht viel verstanden.

In jedem Falle kann es nicht schaden, die langjährige Kultursenatorin Hamburgs kurz unter die Lupe zu nehmen.
Sie wurde am Heiligen Abend 1953 in St. Ingbert an der Saar geboren und hat in Saarbrücken vergleichende Literaturwissenschaft, Germanistik, Italienisch und Kunstgeschichte studiert und schließlich 1982 über "Seh-Texte. Zur Erweiterung des Textbegriffes in konkreten und nachkonkreten visuellen Texten" promoviert.
Sie wurde vielfältig publizistisch tätig und moderierte im Fernsehen das "Café Größenwahn", als sie 1991 von Henning Voscherau zur Kultursenatorin berufen wurde, was sie, ab 1993 zusätzlich mit dem Senatsamt für Gleichstellung betraut, bis zum Herbst 2001 blieb.

Bei der 274. Plenarsitzung der KMK am 30.11./1.12.1995 in Mainz, bei der der "Beschluß zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung" getroffen wurde, vertrat sie die Freie und Hansestadt Hamburg neben Senatorin Rosemarie Raab (die das Präsidium innehatte) und Senator Professor Dr. Leonhard Hajen.

Wenn Frau Dr. Weiss jetzt also forderte, einige Zweifelsfälle erneut durch die KMK abklären zu lassen, so will sie die Herde, die das Unglück unter ihrer Mitwirkung beschlossen hat, einfach weitergrasen lassen.


(Das tut einem Rasen doch gut - da wird er stark, klar, wahr ... wer hatte das gleich mit der deutschen Sprache schon einmal vor?)

PS: Wer kann mir sagen, was "nachkonkrete visuelle Texte" sind?
__________________
Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 22.07.2004 um 07.08

3. Schließlich eines der primitivsten, aber leider häufigsten „Argumente“, die Basta-Deutung:
„Das ist jetzt so beschlossen worden, da muß man sich dran halt halten bzw. da gibt es nichts mehr zu ändern!“


Lieber Herr Schühly, das genau ist der Punkt, der mich auch auf die höchsten Barrikaden treibt.

In andere Bereiche übersetzt, wirkt der Spruch lächerlich, vielleicht kann man damit kontern:

Die Krankenhausärzte zu einem Angehörigen:
„Wir haben beim Patienten eine falsche Behandlung vorgeschlagen. Sein Gesundheitszustand ist bedenklich. Aber wir können das nicht mehr ändern, es ist nun mal von uns allen so beschlossen worden. Also werden wir ihn genauso weiterbehandeln. Gut ist das nicht, aber unumgänglich.“

Der Wanderführer zur Wandergruppe:
„Wir haben einen schlechten Weg eingeschlagen. Möglicherweise führt der gar nicht zum Gipfel, sondern in einen Steinbruch. Aber Sie haben ja auch bei der letzten Weggabelung nichts gesagt, also waren Sie damit einverstanden, daß wir hier gehen. Wir gehen weiter, keine Rückkehr!“
(Außerdem ist das auch unzumutbar, einen solch schlechten Weg zurückgehen zu wollen, wie würden uns da die Füße wehtun! Nein, unmöglich!)

Der Bauer:
„Auf diesem Feld gedeiht kein Weizen. Er wächst einfach nicht. Es gibt eine totale Mißernte. Aber meine Frau und ich hatten im letzten Herbst beschlossen, hier Weizen anzubauen. Deshalb werde ich auch im nächsten Jahr wieder hier Weizen anbauen. Ich habe ihn ja auch schon bestellt. Was soll ich denn machen?“

Der Forschungsleiter zu seinem Assistenten:
„Wir haben die Versuchsreihe falsch aufgebaut. Es wird nicht viel dabei herauskommen. Aber die Universitätsleitung ist dagegen, daß wir die Bedingungen ändern. Wir werden also weitermachen.“

Wir haben also eine schlechtere Rechtschreibung. Die haben wir, das ist einfach so. Wir haben die gute zwar auch noch, aber die zurückzufordern ist Schwachsinn. Einmal schlecht, immer schlecht. Basta.

Und so weiter und so fort.

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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Bernhard Schühly am 21.07.2004 um 22.04

Ihre Idee, Entgegnungsstrategieen zu sammeln, sozusagen um sich scharf zu machen, ist im Prinzip gut. Nur ein Haken ist dabei: Da die Befürworter der Reform sich meistens sowieso nicht auf qualifiziertere Debatten einlassen, rennt man auf diese Weise oft gegen die Wand.
Ein paar Argumente gibt es allerdings, die meistens aus den Fehlern der Reform oder ihrer Einführung selbst resultieren:

1. „Das kann man jetzt nicht mehr (rückgängig) machen, das kostet doch die Verlage zuviel!“
Auf folgendes ist hier hinzuweisen: Die RSR war anfangs als „kostenneutral“ versprochen worden und die Menschen, die sie zuerst ausarbeiteten, bekamen dafür tatsächlich nichts. Diejenigen aber, die letztlich darüber entschieden haben, standen oft in direkter Verbindung (oder zumindest unter Druck) mit eben diesen Verlagen (Wörterbücher, Lexikas etc.), die dabei mächtig verdient haben. Diese Chance bestünde bei Rücknahme der RSR ein weiteres Mal.

2. „Das tut ja die armen Kinderlein jetzt nur umso mehr verwirren!“
a) Das hatte man aber nicht bedacht, als man die RSR einführte, oder gab es da keine Verwirrung?
b) Die wirklich irritierenden Veränderungen treten noch nicht in der Grundschule hervor. Richtig schätzen lernt man die „Alte Version“ erst bei der Beschäftigung mit anderer Literatur als Schul- und Sachbüchern.

3. Schließlich eines der primitivsten, aber leider häufigsten „Argumente“, die Basta-Deutung:
„Das ist jetzt so beschlossen worden, da muß man sich dran halt halten bzw. da gibt es nichts mehr zu ändern!“
Und ob!
Diese Leute haben sich nur selbst nie richtig mit der RSR oder gar ihrer Geschichte auseinandergesetzt. Die einzigen Informationen darüber entnehmen sie aus den Schlagzeilen der Medien.
Man muß hier versuchen, ihnen klarzumachen, warum man jetzt durchaus noch das „Recht“ hat, „alt“ zu schreiben:
a) Weil jetzt ersteinmal beschlossen wurde, sie Juli nächsten Jahres für verbindlich zu erklären,
b) Weil selbst dieser Zeitplan von der KMK absichtlich vorgezogen wurde, die Kommission hatte sich die „Erprobung“ ganz anders vorgestellt. (siehe Beitrag „Ein Reformer packt aus“ mit Zitaten von Hr.Munske in Foren/ Dokumente)
c) Als man die Einführung offiziell beschloß, ist diese Übergangszeit (egal wie lange) gleichzeitig auch ausdrücklich als Probezeit festgelegt worden, nach der es immer noch die Option geben sollte, zurückzukehren.

4. Zuletzt bleibt noch ein Problem, aber da gibt es kaum eine greifende Strategie dagegen, das sind nämlich die Medien selbst. Bis auf wenige verzichten sie auf sachliche, neutrale und informative Artikel/ Beiträge, die einem z. B. etwas über die ursprünglichen Hintergedanken der RSR, die ja ganz anders aussahen, sachlich berichtet. Stattdessen war neulich überall zu lesen:
„Neue Rechtschreibung jetzt verbindlich“, "... endgültig beschlossen“ oder ähnliches – womit die (vorgesehene!) Gesetztlichkeit der RSR im nächsten Jahr schon vorweggenommen wurde. Solche Medienarbeit hatte auch ja dazu geführt, daß die Reform schon viel früher (und überstürzter), als von der Kommission geplant, eingeführt wurde (siehe auch o. g. Beitrag von Hr. Munske!). Auch Duden und die Schulbuchverlage sind dafür verantwortlich.
Hier ist noch viel dringende Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung gefragt, die sich wegen dieser einseitigen Informationen oft kein richtiges Bild machen kann.

Aber dann geht es wie bei mir, und sicherlich geht es jedem hier so:
Früher lief die Deutsche Sprache bei mir sozusagen von selbst, aber jetzt, da ich, um sie zu verteidigen, gezwungen bin, mich mit ihr wirklich intensiv zu beschäftigen, mache ich fast jeden Tag neue Entdeckungen. Ich schätzte sie schon immer, weil ich damit so gut spielen konnte, jetzt sehe ich, warum das geht und wann es nicht mehr so gehen würde.
Ich liebe meine Sprache jetzt nicht nur, jetzt weiß ich auch warum.

Bernhard Schühly

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Bernhard Schühly


eingetragen von Christoph Kukulies am 21.07.2004 um 06.24

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von J.-M. Wagner
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von J.-M. Wagner
Welche Argumente bzw. Behauptungen werden in der gegenwärtig öffentlich ausgetragenen Diskussion eigentlich gegen eine Rücknahme der Reform angeführt? Lassen sich die nicht leicht widerlegen? Ich schlage vor, hier solche Argumente und Behauptungen zu sammeln und ebenso die Widerlegungen. Worauf muß ein Politiker vorbereitet sein, und was entgegenet er dann?
Mit diesem Vorschlag wollte ich weg von der Detaildiskussion der s-Schreibung und hin zu einer allgemeineren Strategiediskussion. Nicht, daß ich etwas gegen erstere hätte, ich finde aber, sie wäre in einem eigenen Leitthema „S-Schreibung und Logik“ besser aufgehoben als hier im „Strategie“-Strang.


Einige der häufigsten "Argumente" sind z.B. Äußerungen wie die von von Frau Ahnen: "Eine Rücknahme sei nicht sinnvoll" oder "den Schülern nicht zuzumuten".

Eine solche "Argumentation" - "nicht sinnvoll" - disqualifiziert sich selbst.

Auch muß wohl noch einmal nachdrücklich unterstrichen werden, daß ein weiterer Verbleib der Zuständigkeit bei den Kultusministern geradezu paradox wäre (Bock-Gärtner-Syndrom).
Die Kultusminister habe uns die Suppe doch eingebrockt.
Ach so, dann sollen sie sie auch auslöffeln?

Nein danke. Sie würden sie nur noch mehr versalzen.



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Christoph Kukulies


eingetragen von J.-M. Wagner am 20.07.2004 um 11.03

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von J.-M. Wagner
Welche Argumente bzw. Behauptungen werden in der gegenwärtig öffentlich ausgetragenen Diskussion eigentlich gegen eine Rücknahme der Reform angeführt? Lassen sich die nicht leicht widerlegen? Ich schlage vor, hier solche Argumente und Behauptungen zu sammeln und ebenso die Widerlegungen. Worauf muß ein Politiker vorbereitet sein, und was entgegenet er dann?
Mit diesem Vorschlag wollte ich weg von der Detaildiskussion der s-Schreibung und hin zu einer allgemeineren Strategiediskussion. Nicht, daß ich etwas gegen erstere hätte, ich finde aber, sie wäre in einem eigenen Leitthema „S-Schreibung und Logik“ besser aufgehoben als hier im „Strategie“-Strang.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Sofa Batata am 19.07.2004 um 21.28

wurde im Neuhochdeutschen ein wichtiges Stück Logik eingeführt, das im Mittelhochdeutschen noch nicht selbstverständlich war und in den slawischen Sprache (und im Bairischen) noch heute nicht gilt.


eingetragen von Klaus Eicheler am 19.07.2004 um 19.35

Zitat:
(Karin Pfeiffer-Stolz:) „Ist also „logisch“ gleich „gut“? Hat „Logik“ einen immanenten Wert?“

Als Beispiel fällt mir die Flurbereinigung ein. Schnurgerade Straßen und Kanäle, glatt betoniert, keine unordentlich wachsenden Bäume und Hecken dazwischen – so sah schon einmal das Ideal der industriellen Landwirtschaft aus, und dieses Ideal führte zur Zerstörung der Kulturlandschaft. Inzwischen haben die Leute erkannt, daß mäandrierende Bäche ihren Wert haben: Zum Anschauen, zum Wohlfühlen, für die Tiere, die in Betonrinnen keinen Lebensraum finden. Heute weiß man, daß diese Logik keinen Fortschritt brachte.

Wir erleben gerade eine orthographische Flurbereinigung. Die späte Erkenntnis – da bin ich sicher – wird die gleiche sein: Eine Programmiersprache ist nicht die Sprache, in der sich Menschen verständigen wollen und können.

Wenn die Ebene der praktischen Erfahrung verlassen wird, indem man versucht, die Logik höher zu bewerten als jene, verselbständigt sich die Logik – man betreibt sie, ohne den praktischen Nutzen zu beachten, schließlich als Selbstzweck. Dann ist es nur noch wichtig, ob die Regel stimmt, aber die Inhalte sind leer.

Das hat bereits Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ beschrieben.
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Klaus Eicheler


eingetragen von Christoph Kukulies am 19.07.2004 um 19.17

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz
Wie kann man nur begreiflich machen, daß die ss-Schreibung viele Nachteile hat?
...

Welche Argumente haben wir also? Wir brauchen Politiker, die das begreifen!


Vielen Dank, Frau Pfeiffer-Stolz, daß Sie den Faden wieder aufgreifen, der hier schon wieder fast verschüttet wurde durch überflüssige Heyse-Schwelgereien.

Wesentliche Argumente meines Erachtens:

Wer keinen Eingriff der Politik will, muß auch gegen diesen Eingriff sein.

Wir brauchen keinen Bruch in unserer Schriftsprache. Es ist überhaupt keine Not, dies zu tun.

Welche andere große europäische Kulturnation würde einfach Buchstaben oder Zeichen ihrer schriftlichen Ausdrucksform streichen. Würden die Franzosen auch auf nur einen ihrer Akzente Akut oder Gravis, Cedille, Zirkumflex verzichten, weil etwas angeblich logischer wäre? Oder gar weil auf Computertastaturen dafür kein Platz mehr ist?

Über je mehr Zeichen eine Sprache verfügt, desto höher wird die begriffliche Denkleistung, die aus ihr erwächst.

Gerade heute fiel mir wieder das Buch eines deutsch-ungarischen Juden, Prof. David L. Szekely in die Hände: "Unicode, ein Verfahren zur Erhöhung der begrifflichen Denkleistung" (in deutsch). Szekely
erweitert das deutsche Alphabet noch um weitere Akzente.

Warum also ohne Not die Qualität der Sprache verschlechtern?

Dann war da noch die einfache Vermittelbarkeit der Schluß-Verdruß-Regel, Silbengelenk etc.

Millionen in bester Qualität gedruckte Bücher sind als Lesestoff vorhanden.
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Christoph Kukulies


eingetragen von Sofa Batata am 19.07.2004 um 18.45

"Viertens würde ich die Geschlechter reorganisieren und sie nach dem Willen des Schöpfers verteilen. Dies als Ehrfurchtsbeweis, wenn schon als nichts anderes."

"Fünftens würde ich diese großmächtigen, langen, zusammengesetzten Wörter beseitigen oder den Sprecher auffordern, sie abschnittsweise vorzutragen, mit Pausen zum Einnehmen von Erfrischungen. Das beste wäre, sie gänzlich abzuschaffen, denn Ideen werden leichter aufgenommen und verdaut, wenn sie einzeln kommen, als wenn sie in einem Haufen anrücken. Geistige Speise ist wie jede andere; es ist angenehmer und bekömmlicher, sie mit einem Löffel einzunehmen statt mit einer Schaufel."


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 19.07.2004 um 18.00

Wie kann man nur begreiflich machen, daß die ss-Schreibung viele Nachteile hat? Die meisten (übrigens jetzt sehr häufig so geschrieben: meissten/meißten) Personen wollen daran festhalten, weil sie die Regel als „logisch“ empfinden.
Doch was bedeutet das: logisch? Ist „Logik“ nicht werteneutral? Etwas Logisches ist nicht gleichzeitig von Natur aus gut. Der Logik der Natur folgt zum Beispiel, daß ein Mensch, den man enthauptet, stirbt. Man verzeihe mir dieses drastische Beispiel, es gibt bestimmt bessere, um zu verdeutlichen, was ich meine.
Es gibt vieles, was man nach logisch nachvollziehbaren Gesetzen ändern könnte. Eine Rechtschreibregel: Schreibe jedes dritte Wort groß, alle anderen klein!, wäre zum Beispiel als Regel absolut logisch. Auch hätte man das ß konsequent durch pf ersetzen können. Wäre ebenso logisch gewesen.
Ist also „logisch“ gleich „gut“? Hat „Logik“ einen immanenten Wert?

Die Verteidigungsstrategie zugunsten des ss geht aus von logisch = gut.

Noch etwas kommt dazu. Das ss ist neu. Es ist „modern“. In unserer Zeit mögen die Menschen alles, was „neu“ und „modern“ ist. Wir wissen aber, daß neue Geräte (z.B. digitale Bedienungselemente in Autos oder anderen technischen Geräten) oft alles andere als anwenderfreundlich sind, trotzdem „verlangt“ der Markt anscheinend diese Neuigkeiten. Wenn junge Menschen heute mit Hosen herumlaufen, deren Schritt bis zum Knie herunterfällt, wobei das Gehen behindert und der verlängerte Rücken entblößt wird, so ist das eine Entscheidung, die unbequem, unpraktisch, töricht, häßlich aber trotzdem beliebt – weil „modern“ ist und den Träger optisch von den „langweiligen Normalhosennutzern“ unterscheiden! Man kann solche Modetorheiten (wie z.B. Piercing in Lippen oder Zunge) gelassen hinnehmen, denn sie verschwinden, wenn sie den Reiz des Neuen verloren haben und Unbequemlichkeiten wie Schmerzen in das Bewußtsein der Modebewußten treten.

Bei der Sprache sind Modetorheiten gefährlich. Hüfthosenträger mit „Knieschritt“ unterscheiden sich im Grunde nicht von begeisterten ss-Schreibern. Auch sie wollen sich damit von der Masse der „lächerlichen Altschreiber“ abgrenzen. Man darf sicher sein, daß letztere auch noch irgendwann erkennen, daß die Heysesche s-Schreibung eine Erschwernis beim Schreiben und Lesen mit sich gebracht hat. Aber Schreibregeln kann man, wie wir seit Jahren erleben, nicht wie vergammelte Hosen ablegen.

Es ist also das vermeintlich Fortschrittliche und Moderne, das es vielen „ss-Schriftlern“ so schwer macht zu erkennen, welche Nachteile sie sich eingehandelt haben. Persönlich kann ich diese Argumente gut nachvollziehen. Gerade das aber macht das Argumentieren so schwer. Der Nachteil der ss-Schreibung wird erst nach langer Zeit deutlich. Sie richtet Schaden an. Das möchten wir unserer Sprache ersparen!
Aufklärung ist nötig, aber sehr schwierig. Wir wissen, daß sich kein Jugendlicher aufgrund von Vernunftsgründen von seiner geliebten Hose trennen wird. Wir können niemanden davon abhalten, sich mit Piercing Schmerzen oder Krankheiten einzuhandeln. Kuriert wird man erst, wenn die Nachteile den Reiz des Neuen verdrängt haben.

Welche Argumente haben wir also? Wir brauchen Politiker, die das begreifen!

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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Sofa Batata am 19.07.2004 um 17.50


eingetragen von Theodor Ickler am 19.07.2004 um 17.05

Man müßte den Leuten konkrete Beispiele vorlegen und sie fragen, was ihnen besser gefällt: Nussschokolade oder Nußschokolade usw.
Unter Spatien darf man doch Wortzwischenräume verstehen, oder? Es gibt ja nicht bloß die Terminologie der Schriftsetzer.
Im nächsten Jahr wird ein sehr interessantes Buch mit dem Titel "Spatien" erscheinen; es handelt von der GZS.
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 19.07.2004 um 16.04

Danke, Herr Upmeyer. Wußte ich auch schon.


eingetragen von Sofa Batata am 19.07.2004 um 15.30

wurde ich mal von einem Schriftsetzer belehrt.
Ein Leerzeichen, engl. blank, steht für einen ausgelassenen Buchstaben,
ein Spatium, engl. space, ist laut Duden und Englischwörterbuch drucktechnisch ein schmales Anschlußstück.


eingetragen von Reinhard Markner am 19.07.2004 um 14.44

Typomanen wie ich bestehen auf Spatien vor : ; ? und ! -- sogar in einem Forum wie diesem. In diesem Zusammenhang ein Lektürehinweis :
http://www.lesetypografie.de/


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 19.07.2004 um 14.35

Einheitlichkeit ist ein sehr gutes Argument gegen das Eisenberg-Fleischhauersche ss/ß-Chaos, überhaupt gegen jeden Wandel der Normen, auch den Icklerschen. Man muß abwägen, wie immer (abwägen!!!, deshalb werfe ich meine persönlichen Gedankenspielereien überhaupt in die große Runde), in unserem Fall: Geht es um Kontinuität, um Gleichheit, um Liberalisierung, um Demokratie? Muß man den Ruf nach Abschaffung des ß ernstnehmen? Eine Zeitung, die auf "alte" Rechtschreibung mit Schweizer s umstellt, könnte unserem Anliegen durchaus behilflich sein, ganz wie man's nimmt. Natürlich würde dies zu Verunsicherungen bei Schülern und auch Erwachsenen führen. Allerdings haben sogar die besten Schreiber Schwierigkeiten mit dem "technischen" Bereich der Orthographie, etwa Bindestrichsetzung und Komma. Herr Markner weiß z.B. nicht, daß man vor das ! kein Leerzeichen setzt. Wäre eine Freigabe der s-Schreibung wirklich ein großer Verlust? Ich weiß es nicht, werde es aber in Zukunft mit anderen Leuten diskutieren, versprochen.


eingetragen von Reinhard Markner am 19.07.2004 um 12.23

Ich schlage vor, fortan nicht mehr von der Heyseschen ss-Schreibung zu sprechen, sondern von der Eisenberg-Fleischhauer'schen.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 19.07.2004 um 11.17


Stephan Fleischhauer schrieb::
Die s-Regelung ist wirklich ein schwieriges Thema – ein echtes Problem für uns Reformgegner.
Lieber Stephan,

Rechtschreib„reformer“ und -schützer verlangen gleichermaßen die Einheitlichkeit der Rechtschreibung. Diese Einheitlichkeit jedoch ist nur möglich mit der bewährten ß-Schreibung, weil man nicht 10 Milliarden Buchexemplare neudrucken und die bisherigen Exemplare verbrennen oder anderweitig vernichten kann.

Das Problem haben nicht die Rechtschreibschützer, sondern die Reformer, weil die ss-Schreibung überaus fehlerträchtig ist.

Das ß in daß wird immer mehr zum Markenzeichen für sorgfältige, lesefreundliche Rechtschreibung.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 19.07.2004 um 10.48

Die s-Regelung ist wirklich ein schwieriges Thema - ein echtes Problem für uns Reformgegner. Das meiste der Reform kann sicherlich sang- und klanglos zurückgenommen werden. Doch mit dem Heyse-s haben die Reformer ein Tor aufgestoßen. Das wollen viele von uns nicht wahrhaben. Es ist überhaupt nicht abzusehen, wohihn eine öffentliche Debatte führen würde. Kulturstaatsministerin Christina Weiss, auch Reformgegnerin, ist für die Abschaffung des ß. Ich hatte nach dem Munske-Artikel einen Leserbrief an die FAZ gesandt, sinngemäß: Man sollte grundsätzlich offen sein für die drei bestehenden s-Regelungen, die Verlage sollten ihre Leser befragen. Solange die Umfragen nicht weiter ausdifferenziert werden, müsse man aber davon ausgehen, daß die Reform als Ganzes abgelehnt wird, einschließlich Heyse-s.
Vielleicht ist es schon verkehrt, sich zum Thema s öffentlich zu äußern. Wir können eigentlich nur hoffen, daß es keine differenzierteren Umfragen - wie oben angedeutet - geben wird. Ich glaube jedenfalls nicht, daß man mit 87% Zustimmung zum Adelung-ß rechnen kann.


eingetragen von Sofa Batata am 18.07.2004 um 09.25

These 1: Auch wenn die Reform gültig wird, werden trotzdem alle paar Jahre Nachbesserungen nötig. Das wurde schon amtlich angekündigt.
These 2: Wenn die Schüler korrekte Lehrbücher haben sollen, müssen diese bei jeder Rechtschreib-Nachbesserung neu gedruckt werden.
These 3: Wenn die bisherigen Bücher weitergelten sollen, aber die Rechtschreibung nachgebessert wird, steigt die Unsicherheit bei Schülern und Lehrern ins Unermeßliche.
These 4: Das Gleiche gilt, wenn die Reform nur teilweise zurückgenommen wird, weil dann trotzdem immer wieder Nachbesserungen nötig werden.
These 5: Die bisherige Rechtschreibung ist vollständig erprobt und allgemein bestens bekannt und kann sofort wieder angewandt werden.
These 6: Bisherige Weiterentwicklungen haben bei der bisherigen Rechtschreibung keine Probleme und Zusatzkosten verursacht.
These 7: Auch die Schüler, die in der Schule nur die reformierte Rechtschreibung gelernt haben, kennen natürlich die bisherige Rechtschreibung und können sie auch sehr bald selbst anwenden. Es würde ihnen sehr nützen, zu diesem Zweck mehr klassische Literatur zu lesen.
Fazit: Von der Kostenseite her ist die vollständige Wiederanwendung der bisherigen Rechtschreibung mit Abstand die billigste Lösung.
Für die Schüler ist es eine Erleichterung, nur noch eine und nicht weiter zwei verschiedene Rechtschreibungen beherrschen zu müssen: Die eine nur speziell für die Schule und die andere für das Verstehen der ganzen klassischen Literatur.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 18.07.2004 um 05.59

Immer wieder wird das „ss“ gehandelt als mögliche sanfte Alternative zur „radikalen“ Umkehr:

Gegen die Beibehaltung der Regel „ss statt ß nach kurzem Vokal“ spricht auch und vor allem folgendes:

Würde man die übrigen Regeln bis auf die ss-Regel zurücknehmen, müßten die EDV-Korrekturprogramme neu gestaltet werden, was wiederum Arbeit und Kosten verursacht.

Kehrt man jedoch ohne Abstriche zur bewährten Rechtschreibung zurück, kann man auf bereits vorhandene Korrekturprogramme und archivierte Texte zurückgreifen.
Es entstehen so gut wie keine Kosten.

Nicht zuletzt ist es gerade die ss-Regel, welche die meisten Fehler verursacht und durch schlechtere Lesbarkeit das Fehlerkarussell antreibt (schlechte optische Unterscheidbarkeit von dass und das, „Schreib wie du sprichst“ funktioniert nicht). Es könnte bei vielen Leuten der Eindruck entstehen, die Reform habe sich durchgesetzt. Doch das ist schon oft genug gesagt worden.

Als Pädagogin bin ich mir sicher, daß auch die Lehrer entdecken würden, wie schwierig die ss-Schreibung ist (und sie nicht lieben werden), wenn nur genug Zeit ins Land gegangen ist. Dazu genügen offenbar sieben Jahre nicht.

Das Herzstück einer Reform zu übernehmen heißt, die Reform zu akzeptieren. Wenn auch nicht jedem einleuchtet, daß die ss-Regel ihre Tücken hat: Allein die Fehlerträchtigkeit müßte als Beweggrund für die Abschaffung genügen.
In diesem Fall ist Kompromißlosigkeit angebracht: ein bißchen „tot“ geht nicht.

– geändert durch Karin Pfeiffer-Stolz am 18.07.2004, 19.38 –
__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Theodor Ickler am 17.07.2004 um 17.10

Viele fordern jetzt "Änderungen" der Reform und noch nicht ihre Rücknahme. Das ist aber auch schon ein Fortschritt. Das Durchziehen der falschen Reform von 1996 verlangt niemand mehr. Sobald man sich näher auf die Sache einläßt, wird man unfehlbar erkennen, daß eine Rücknahme die einfachere Lösung wäre. Wir können ein wenig aufklärend nachhelfen.

Die Forderung nach Korrektur hat außerdem die erwünschte Nebenwirkung, daß der neue Duden praktisch unverkäuflich sein wird. Dies könnte den Verlag zur Besinnung bringen.
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Th. Ickler


eingetragen von Sofa Potato am 17.07.2004 um 16.01

und die ihn unterstützenden Ministerpräsidenten
z.B. "für die Rettung der deutschen Schriftsprache" oder so.
Was würde stärker wirken:
Den Orden fest zusichern für den Fall, daß die Reform gekippt wird?
Oder:
Den Orden jetzt verleihen, damit sie verpflichtet werden, die Reform zu kippen?


eingetragen von J.-M. Wagner am 16.07.2004 um 21.22

Welche Argumente bzw. Behauptungen werden in der gegenwärtig öffentlich ausgetragenen Diskussion eigentlich gegen eine Rücknahme der Reform angeführt? Lassen sich die nicht leicht widerlegen? Ich schlage vor, hier solche Argumente und Behauptungen zu sammeln und ebenso die Widerlegungen. Worauf muß ein Politiker vorbereitet sein, und was entgegenet er dann?

Mir fallen zwei Stichworte ein: Die verwirrten Kinder und die horrenden Kosten – salopp formuliert. Zu den Kindern: Dieses Argument war genausogut bei der Einführung der Reform gültig, und es läßt den Kern des Problems außer acht: Die Kinder bekommen etwas Schlechte(re)s, ja zum Teil Falsches beigebracht, und das muß geändert werden. Zu den Kosten: Es wurde ja bereits an anderer Stelle im Forum erörtert, daß es sich bei den genannten Kosten um eine fiktive Größe handelt, und außerdem können die Kosten durch eine großzügig bemessene Übergangszeit niedrig gehalten werden. (Das ist jetzt war kein neues Argument, gehört aber trotzdem in diese Sammlung.)

Bitte fortsetzen!
__________________
Jan-Martin Wagner


eingetragen von J.-M. Wagner am 16.07.2004 um 21.07

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz
Zur Erinnerung an den Eintrag vom 7.7.04.
Thema s-Schreibung.
Eintrag durch Herrn Fleischhauer:

Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
die Diskussion auf diesen Seiten war schon einmal viel weiter. Um hier andere nicht zu belästigen, verweise ich nur auf den Thread „ss/ß-Schreibung und die Problematik der Vokallänge …"

Stephan Fleischhauer


07.07.2004 11:54 Rechtschreibforum > Strategie Beitrag einzeln
Herr Fleischhauer hat ein anderes, besonders wichtiges Leitthema nicht benannt: „Sammlung: Probleme der ss/ß-Schreibung“, wo sich einige besonders inhaltsreiche Beiträge finden. Ich bin so frei und weise hier explizit auf meine eigenen hin, was nun dank der neuen Sprungtechnik ganz einfach ist: Antiqua versus Fraktur (Version mit Lang-s), Kritik auf zwei Ebenen, Nachtrag zu »Kritik auf zwei Ebenen« und Nachtrag zum Nachtrag zu »Kritik auf zwei Ebenen«.
__________________
Jan-Martin Wagner


eingetragen von gestur am 11.07.2004 um 09.06

die verfügbaren Buchstaben vorschreiben lassen, wo die doch selber gar keine Rechtschreibung haben. Andere Völker haben da mehr Nationalstolz. Wenn jetzt wieder öffentlich klargestellt wird, daß die deutsche Sprache lebt und nicht eingefroren werden kann, sondern sich weiterentwickelt, ist auch ihr Zeichenvorrat nicht einfrierbar. Die Umlaute haben auch als diakritische Zeichen oder Akzente angefangen. Gegen den Satz "es ist zu spät" bin ich schon allergisch. Nur tote Sprachen können nur noch konserviert und nicht mehr weiterentwickelt werden.

Gestern habe ich wieder den Filmklassiker "Die Reifeprüfung" gesehen (mit der wunderbaren Filmmusik von Simon & Garfunkel), in dem am Schluß die Brautmutter sagt "zu spät" und die frischvermählte Braut "nicht für mich" und davonläuft.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 11.07.2004 um 08.44

Liste von Argumenten

- Die Heyse-Schreibung bringt keinen Gewinn (allenfalls bei der Fremdwortschreibung, eine Internationalisierung des Deutschen würde jedoch eher die Abschaffung des ß nahelegen)
- Die s-Verdreifachung finden viele häßlich und unleserlich
- Es ist nicht abzusehen, zu welchen dauerhaften Schreibunsicherheiten das Nebeneinander der Heyseschen und Adelungschen Schreibung führen könnte
- Alle Argumente die auch ganz allgemein gegen die Reform sprechen (Sie ist nicht demokratisch legitimiert, wurde auf geradezu empörende Weise gegen den Willen der Mehrheit durchgesetzt, lieber sofortige Rücknahme als ewige Korrekturen usw.)


eingetragen von Theodor Ickler am 11.07.2004 um 08.07

In meinen allerersten Schriften zur RSR hatte ich beiläufig bemerkt, daß wir für das [s] gewissermaßen einen Buchstaben zuviel und einen zuwenig haben.
Zur Geschichte: Manchmal werden bloße Varianten nachträglich funktionalisiert. Aus dem typographischen Schnörkel kann ein neuer orthographischer Buchstabe werden. Genau wie in der Lautlehre: Der Umlaut war zunächst ein Allophon, dann wurde er Phonem und dient nun zur Unterscheidung von Wörtern. Erst wenn man solche Vorgänge beobachtet, wird es richtig "interessant" (falls das ein Kriterium ist).
Für eine s-Reform - so rational sie wäre - ist es zu spät. Gleichwohl darf man festhalten, daß unsere s-Schreibung nicht vollkommen ist, auch wenn manche das zäh behaupten.
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 11.07.2004 um 07.52

Zur Erinnerung an den Eintrag vom 7.7.04.
Thema s-Schreibung.
Eintrag durch Herrn Fleischhauer:

Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
die Diskussion auf diesen Seiten war schon einmal viel weiter. Um hier andere nicht zu belästigen, verweise ich nur auf den Thread „ss/ß-Schreibung und die Problematik der Vokallänge …"

Stephan Fleischhauer


07.07.2004 11:54 Rechtschreibforum > Strategie Beitrag einzeln

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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von gestur am 11.07.2004 um 07.37

Die Frakturschreiber müssen sich doch etwas dabei gedacht haben, daß sie zwei verschiedene Buchstaben für den gleichen Laut erfanden: Lang-s und Schluß-s.

In anderen Sprachen müssen sich die Schreiber doch etwas dabei gedacht haben, daß sie für das stimmhafte s einen eigenen Buchstaben reservierten: das z.

Was können wir dafür, daß die Römer mit so wenigen Buchstaben auskamen? Vielleicht hatten sie auch Probleme mit der Aussprache. Müssen wir jetzt auf ewig darunter leiden? Für griechische Fremdworte wurde das k wieder nötig. Die Germanen haben das w erfunden. Alle brauchten zusätzlich das u.

Jammern hilft nicht. Man muß etwas tun:

Wir müssen den Mut aufbringen, ein paar dringend notwendige zusätzliche Buchstaben oder Sonderzeichen oder diakritische Zeichen zu erfinden:
Ein Zeichen für das stimmhafte s,
ein Zeichen für das stimmhafte ch,
ein Zeichen für das stimmlose ch,
ein Zeichen für sch,
ein Zeichen für ng,
ein Zeichen für das stimmlose s am Silben-Ende.


eingetragen von Theodor Ickler am 11.07.2004 um 07.23

Den einen interessiert dies, den anderen das, und wer sich irgendwo langweilt, muß ja nicht dabeibleiben. Wo käme man hin, wenn man in alle Diskussionsrunden, die einen nicht interessieren, hineinrufen wollte "Das interessiert mich nicht!"? Wollen wir sein wie die Banausen, die sich nicht nur für das ss, sondern für die ganze Rechtschreibung überhaupt nicht interessieren und manchmal auch noch stolz darauf sind?
Und wer hier mitdiskutiert, muß deshalb nicht auf anderen Gebieten untätig sein. Auch aus meiner bescheidenen Werkstatt geht manches Sendschreiben in die Welt hinaus, allerdings fände ich es nicht besonders geschickt, jeden Brief durch Anschlagen an die Internettore gleichsam zum Offenen Brief zu machen. Manchem Adressaten erspart das nämlich die Antwort.
Und noch was ganz Praktisches: Es läßt sich leider nicht bestreiten, daß viele Streitschriften gegen die RSR sachlich fehlerhaft sind. Die Reformer mögen in vieler Hinsicht Nieten sein, aber so etwas merken sie natürlich sehr wohl und ziehen ihren Vorteil daraus. Richtig machen es jene, die (wie jetzt gerade wieder) ihre Texte noch einmal von einem Linguisten überprüfen lassen, damit diese unnötigen Fehler vermieden werden. Vor der Behandlung in Parlamenten usw. ist das besonders dringend anzuraten. Der gute Wille und polemische Schwung reicht eben nicht immer aus.
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Th. Ickler


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 11.07.2004 um 06.58

Allmählich frage ich mich, was dies soll: Man fährt Karussell mit Heyse und Adelung, und kein Ende abzusehen.

Wozu?

Gibt es denn hinter den Kulissen eine Entscheidung zu treffen, von der wir nicht wissen? Will vielleicht die Presse zurückrudern und scheut sich davor, auch dem Heyse einen Tritt zu verpassen?

Die wissenschaftlichen Argumente der s-Schreibung sind hier im Forum ausgiebig aufgearbeitet worden, darauf wies mich Herr Fleischhauer neulich betont dreifach hin.

Sollte man die Zeit nicht strategisch besser nutzen: Stärken wir doch Stoiber, Wulff und Müller den Rücken! Jeder auf seine Weise!

Ansonsten: ssssssssssssssssss-ödet wirklich allmählich an.
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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Sigmar Salzburg am 11.07.2004 um 06.46

... Hauptgründe für Adelung:

Die Ästhetik, die angenehme Schreib- und Lesbarkeit

Die historische Kontinuität

(In älteren Büchern, bei mir der Musikgeschichte bis ins 16. Jhdt., begegnen mir immer wieder die vertrauten Buchstabenfolgen)

... und gegen Heyse:

Systemgründe
(„ß“ wird ein singulärer, aber notwendiger Sonderbuchstabe zur Darstellung von manchen scharfen „s“ hinter langen Vokalen; das System ist an sich nicht mehr austauschbar gegen die ß-lose Schreibung)

Fraktur ist nicht mehr stilgerecht darstellbar

Die Rolle als „Geßlerhut“ finde ich ebenfalls sehr schlimm. Das kann aber von den Heyse-Freunden kaum nachempfunden werden.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 11.07.2004 um 06.15

Hallo gestur,
wir sind hier doch nicht beim Fernsehen. Schreiben Sie doch mal etwas Spannendes!


eingetragen von Theodor Ickler am 11.07.2004 um 04.11

Selbstverständlich hat auch die Heysesche s-Schreibung etwas für sich. Die Reformer haben sie ja nicht für sich gepachtet, sondern sind erst ziemlich spät darauf gekommen. Man verzichtet auf die angenehme Schlußbuchstabigkeit (einschließlich dreifachem s in ziemlich vielen Zusammensetzungen) und gewinnt eine bessere Charakterisierung der Vokallänge, das ist so ziemlich das wichtigste, und ich sehe nicht ein, warum man sich solchen einfachen Einsichten verschließen soll, nur um nicht von der falschen Seite vereinnahmt zu werden. Das haben wir doch gar nicht nötig. Es ist eben mehr oder weniger Zufall, daß sich die Adelungsche Schreibweise durchgesetzt hat. Wäre es andersherum verlaufen, dann erhöbe sich jetzt ein großes Geschrei mit umgekehrter Zielsetzung.
"Husten" und ein paar andere Wörter ("Bart") sind die bekannten Ausnahmen von der Regel, daß Vokale vor zwei Konsonanten kurz gesprochen werden. Damit muß auch Adelung fertigwerden.
Der wichtigste Einwand gegen einen Kompromiß, der die Heysesche Regelung einführt bzw. beibehält, ist gegenwärtig, daß es sich schon wieder um eine Reform handeln würde und daß die Bevölkerung in der ss-Schreibung mit Recht den Geßlerhut sieht (oder das rote Tuch). Dieser Einwand ist gut, während die linguistischen Einwände auf schwachen Füßen stehen. Mehr habe ich nicht sagen wollen.
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Th. Ickler


eingetragen von gestur am 10.07.2004 um 23.31


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 10.07.2004 um 21.38

„… [Heyse] will das Zeichen [gemeint: ß] nach einem langen Vokal geschrieben haben, während nach kurzen betonten Vokalen „ss“ eintreten soll. Dieses eingängige, scheinbar leicht lernbare Prinzip ist aber erst mit zahlreichen Zusatzregeln anwendbar: Das s in einem Stamm-st wird auch nach kurzem Vokal nicht verdoppelt (nicht „Masstschwein“) und nach einem langen Vokal nicht als „ß“ geschrieben, trotz neuer s-t-Trennung (nicht „Huß-ten“). Bei kurzem, unbetontem Vokal soll ebenfalls nicht verdoppelt werden (nicht „Wildniss“). Wenn der Stamm in anderen Formen ein stimmhaftes „s“ enthält, soll auch nach einem Langvokal nur „s“ geschrieben werden (nicht „Muß“), es soll kein „ss“ gesetzt werden, auch wenn die neue Silbentrennung das nahelegt (nicht „Diss-tanz“, „rass-ten“) oder ähnlich klingende Wörter dazu anregen (nicht „Nazissmus“ wegen „Narzissmus“).“

Vor einer solchen Argumentation, lieber Herr Salzburg, kann ich nur warnen! Man kann damit bestenfalls Leute abschrecken, die nicht die geringste Vorstellung vom Heyse-s haben, aber die gibt es wohl inzwischen nicht mehr (oder vielleicht doch – unter Reformgegnern?) Wer eine gewisse Schreiberfahrung mit dem neuen ss hat, wird sich nicht die Mühe machen, Ihrer ja nicht gerade einfachen Argumentation zu folgen, zumal er weiß, daß Heyse „funktioniert“. Oder glauben Sie, ihr virtueller Gesprächspartner ist mit ebensolchen Ausführungen zu Heyse bekehrt worden? Würde man die Adelungsche Schreibung ebenso darstellen – wir würden den Betrug sofort merken. Beide Regelungen, die Heysesche und die Adelungsche, sind im Zusammenhang der Ersatzschreibung ß für [s], der Auslautverhärtung, der Konsonantenverdoppelung, der Stammschreibung und den speziellen Ausnahmen von der Stammschreibung zu sehen, ein nicht leicht nachvollziehbares Geflecht (siehe „Buchstaben und Laute“, die ersten Beiträge – aus diesem Grunde fällt es ja auch schwer, unseren Gegnern die „Einfachheit“ Adelungs vorzuführen). Wenn man Ihren Darstellungen folgt, könnte man meinen, vor allem die Wörter der Art Husten, Rispe, Mastschwein, Distanz, Mus, Wildnis seien nun besonders fehlerträchtig geworden. Das ist aber gerade nicht der Fall.

„[Bei Heyse] darf auch nicht ausgenutzt werden, daß nun die Längenmarkierung des „ie“ überflüssig ist (nicht „sie lißen“), oder daß nun das „ß“ als Längenhinweis entbehrlich ist (schweizerisch „sie liessen“). […] In Großbuchstaben scheitert das phonetische System, wenn man nicht das kleine „ß“ in ihre Reihe einschleust – ein ziemlich häßlicher Einfall.“

Wen wollen Sie damit bloß überzeugen?


eingetragen von Sigmar Salzburg am 10.07.2004 um 20.53

Etwa am 28.3.03 brachte die „Ostseezeitung“ einen Leserbrief von mir:
Feuerwehrleute üben viel und sind frustriert, wenn kein Einsatz kommt. Manche werden deswegen zu Brandstiftern. Die Schreibreformer üben seit mehr als hundert Jahren. Deshalb ist für sie die Versuchung groß, bei einer größeren Ansammlung von Strohköpfen in der Politik die Lunte anzulegen. Prof. Nerius hat mitgemacht und findet es nun „sehr spannend", wie alles abbrennt – und vor allem, wie sich die Kinder da herausretten…

Auch für unsere Seite gilt: Vorsicht im Umgang mit Feuerlöschflaschen. Es kommt auf die Inhalte an.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Gerit Fischer am 10.07.2004 um 20.27

Darf ich mir als Neuling die Frage erlauben, ob das hier ein Rechtschreibe- oder ein Rechthabeforum ist?
Insbesondere das Beharren von Herrn Fleischhauer darauf, daß auch die Heysesche Schreibung etwas für sich hätte, wenn es die Adelungsche halt nicht schon gäbe, wirkt ausgerechnet hier und jetzt doch recht befremdlich.

Sehr schön finde ich die Darstellung von Herrn Salzburg.


eingetragen von gestur am 10.07.2004 um 15.19

von Schriftarten und Wortbildern kam hier viel zu kurz. Dabei ist es gerade dasjenige, das Lust am Lesen und Schreiben unterstützt.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 10.07.2004 um 15.05

Entschuldigung Sie bitte vielmals, daß ich den Weg verstellte - aber ich dachte, Sie hätten mein neuestes Fabrikat gesehen, das ich ja die ganze Zeit hochhalte. Es löscht zwar nur mit Wasser, steht dafür aber unter vollem Saft!
Der teure Trockeneislöscher von Herrn Salzburg ist gerade die Treppe heruntergepurzelt - Was stehe ich bloß herum! Ich will versuchen, ihn notdürftig zu reparieren, so hoffe ich, die gnadenlosen Historiker der Nachwelt mögen mir die verplemperte Zeit nachsehen. Ach was, es eilt, ich schenke ihm einfach meinen:

Schleuden Sie, lieber Herr Salzburg, ihrem brennenden Zeitgenossen lauter Verschlusssachen, Missstände und bassstimmige Hasssaxophonisten und nassschleimige VerdrusssopranistInnen entgegen.
Werfen sie helllichte Tage und Donaudampfschifffahrtskapitäne hinterher. Vergessen Sie die Teeeier mit Brennnesseln nicht!
Und hoffen Sie, daß das Feuer langsam niederbrennt.
Wenn nicht, kann man nichts machen, Kabelbrand.

Ich weiß, Sie setzen auf den Entnervungseffekt. Ihre geschichtliche Abhandlung von Heyse ist ja beinahe so ermüdend wie alle meine letzten Beiträge zusammen. Aber so lange können wir nicht warten.
– geändert durch Stephan Fleischhauer am 10.07.2004, 20.56 –


eingetragen von Norbert Schäbler am 10.07.2004 um 14.51

Die Feinanalyse der Vokallängen mag durchaus interessant sein, doch für das „gemeine“ Volk – das redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und das schreibt, wie es die Norm vorgibt –
ist das weitestgehend „heiße Luft“.
Denn, es ist nicht das Klangbild, was die richtige Schreibung der Wörter ausmacht, sondern das Wortbild selbst – meinetwegen auch das Gesicht oder die Struktur eines Wortes, das sich vorwiegend dann im Gedächtnis abspeichert, wenn es mit verschiedenen Sinnen (insbesondere visuell) wahrgenommen, zu ähnlichen Begriffen abgegrenzt und somit verstanden worden ist.
Sinne, die bei der Wortspeicherung eingesetzt werden, sind der Sehsinn, der Hörsinn, der Fühlsinn sowie Denkvorgänge und Bestrebungen, etwas zu systematisieren (z.B. mit Hilfe leicht einprägsamer Regeln oder mit Hilfe von Zusammenstellungen gleicher Wortbausteine/Endungen, Vorsilben, Wortstämme etc.).
Zum wiederholten Male wende ich mich gegen den Anspruch der Phonetiker, eine dominante Rolle in Sachen Rechtschreibung ausüben zu wollen. Allenfalls haben sie dienende Funktion, zumal der visuelle Sinn in der Schulpraxis – ja im gesamten menschlichen Leben – dem akustischen Sinn weitaus überlegen ist. Bilder wirken nachhaltiger als Höreindrücke. Wortbilder werden vorwiegend über das Lesen eingeprägt. Lesen fördert das Schreiben!

Argumente zu Wortklängen, Vokalklängen und Vokallängen werden hier immer wieder überaus nachhaltig, ausufernd, ja bis zum Erbrechen vorgetragen, wobei keinerlei Notiz davon genommen wird, daß in anderen Sprachen die lauttreue Schreibung noch viel weniger angewandt wird (zuletzt wurde über Russisch und Englisch berichtet) ...

Und deshalb bezeichne ich das ewige Beharren auf irgendwelchen fachidiotischen Erkenntnissen als grenzenlose Arroganz. Sprache und insbesondere Schriftsprache sind nicht ausschließlich akustische Wahrnehmbarkeiten.
Die Schriftzeichen auf der einen Seite sowie der sich dahinter verbergende Klang sind nicht „eins zu eins“ abzubilden.
Wann hört man endlich mit dieser perfektionistischen Idiotie auf?

Akzeptiert unsere deutsche Schriftsprache als ein System, das mit 26 Schriftzeichen auskommt, keinerlei zusätzliche Betonungszeichen oder Aussprachesignale verwendet und solange im gesamten Sprachraum funktionierte, bis es von einigen Reformneurotikern in Frage gestellt und verpfuscht wurde!

Was man dem Volke beibringen könnte – damit zum Brückenschlag von der Vokalllänge zur Strategie – ist das Wort „Buh“, mit einem ewig lang gezogenen „uuu“ (jedoch nach deutschen Schriftsprachenverständnis geschrieben mit Dehnungs-h).
Das Volk müßte das so lange skandieren, bis in den Kultusministerien die Wände wackeln!
Hat man eigentlich jemals in diesen Kreisen über Demonstrationen nachgedacht?


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nos


eingetragen von Reinhard Markner am 10.07.2004 um 13.20

Zitat:
Nach Herrn Markner dürfte derjenige, der schreibt Ich habe mich hier z. B. von der größeren Logik der neuen „ss“-Regel überzeugen lassen,… nur durch Zwang, nichts als bloßen Zwang, "überzeugt" worden sein.
Ich hatte (wenn ich daran erinnern darf) geschrieben, daß die Neuschreiber die Neuschreibung "hauptsächlich deshalb für richtig halten, weil der Staat dies vorgibt".


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 10.07.2004 um 11.59

Stephan Fleischhauser besetzt hartnäckig über Tage und Seiten das Thema ssssss.

Pardon, es kommt mir spontan ein Vergleich in den Sinn:
Mein Haus brennt lichterloh. Ich aber sitze mit ein paar anderen
Hausbewohnern in der unteren Etage, und wir fachsimpeln
darüber, welchen Feuerlöscher wir nehmen sollen.
Da die Entscheidung schwerfällt, schauen wir in aller
Ruhe mal bei Stiftung WARENTEST nach.

Meiner Meinung nach hat Frau Karin Pfeiffer Stolz in ihrem
Beitrag " Argumente gegen die ss-Schreibung" in bester
Weise alles gesagt, was zu sagen ist. Brillanter geht
es nicht. Abgesehen davon, daß Prof. Ickler genügend
einschlägige professionelle Literatur über die ss-Schreibung erstellt hat.

Rechtschreibreform.de muß endlich zu Aktionen übergehen.
Man nehme sich ein Beispiel an Frau Pfeiffer-Stolz und
ihren Brief an unseren neuen Bundespräsidenten.

Nichts für ungut!



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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 10.07.2004 um 11.29

Die Heysesche Schreibung wurde wohl von denen, die sie erlernt hatten, wohl einfach deshalb aufgegeben, weil sie nicht üblich war. Ich selbst gab schon in meiner Schulzeit die merkwürdigen Schreibschriftbuchstaben auf, die ich eigentlich gelernt hatte. Man kann wohl auch nicht das damalige österreichische Experiment mit dem heutigen vergleichen. Gerade wir würden das nicht tun.
Ich möchte hier nicht die Heysesche Schreibung befürworten. Man darf aber nicht übersehen (auch wenn nichts befriedigender ist!), daß inzwischen Fakten geschaffen sind.
Nach Herrn Markner dürfte derjenige, der schreibt Ich habe mich hier z.B. von der größeren Logik der neuen „ss“-Regel überzeugen lassen,… nur durch Zwang, nichts als bloßen Zwang, "überzeugt" worden sein.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 10.07.2004 um 11.09

Ich möchte, bevor Herr Ickler und ich völlig abdrehen, einmal etwas Konkretes dazwischenwerfen. Es geht schließlich immer noch um das Heyse-s.

Beim Schreibenlernen macht ein Kind vielleicht irgendwann die Entdeckung, daß das Wort Glas deshalb anders als Maß geschrieben wird, weil gebeugte Formen des ersteren ein stimmhaftes s haben. (Die Intuition dafür hat es möglicherweise vorher schon entwickelt. Es wurde vielleicht auch angeleitet, aber es stellt sich die Frage, ob es das Kind sofort begriffen hat.) Das Phänomen der Auslautverhärtung funktioniert in anderen Fällen ganz analog: Rad, Rades, aber Rat, Rates usw. Die Entdeckung wird nicht jedesmal auf die gleiche Weise zufällig sein, sondern das Kind wird schließlich diese Analogie entdecken oder zumindest eine Intuition erwerben. Nun gibt es aber die regionale Aussprache Glas mit kurzem Vokal (übrigens auch bei Rad). Da Glases jedoch trotzdem mit langem Vokal und stimmhaften s gesprochen wird, wird das Kind auch in diesem Fall vielleicht ganz sicher Glas schreiben lernen. Es könnte aber auch sein, daß es intuitiv der Konsonantenverdoppelung eine höhere Priorität einräumt als der Stammschreibung, daß es also Glaß – oder neuerdings Glass – schreibt. Immerhin ist ja auch bei den Verben die Konsonantenverdoppelung vorrangig: wir fallen, wir fielen. Dieses muß also gelernt werden, und dies ist auch gelernt worden, denn sonst hätten wir immer wieder Glaß lesen müssen. Nun zu Heyse: Das Kind und der Erwachsene, die Fuß mit kurzem, Fußes jedoch mit langem u sprechen, lernen vielleicht ganz mühelos, Fuß zu schreiben. Sie könnten aber auch – aus oben genannten Gründen – darauf verfallen, Fuss zu schreiben (so wie ich schoss), und müßten in diesem Fall nun das Richtige üben. Aber es gibt keinen Grund dafür anzunehmen, daß sie in dieser Hinsicht denjenigen, die Glass und Ratt sprechen (aber nicht schreiben!), unterlegen sein sollten.

Wenn der Rheinländer Fussball schreibt , beweist das nicht, daß er überfordert ist mit der Beurteilung von Vokallängen – ob er sich nun seines Dialektes bewußt ist oder nicht -, sondern mit dem Zurückdrängen der phonetischen Schreibung (die er ja ganz richtig anwendet) zugunsten einer Stammschreibung. Aber dies ist ein reines Problem der Umstellung, selbst dann, wenn im Rheinland dieser Fehler besonders häufig auftreten und lange fortbestehen sollte.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 10.07.2004 um 10.31

Ich möchte hier nicht die etwas ermüdende Diskussion um Feinheiten der Heyse-Schreibung vermehren, will aber doch einen (gering veränderten) Text zur Diskussion stellen, den ich ins SPIEGEL-Forum gesetzt habe, um die angeblich größere Logik der Heyse-Regel etwas in Frage zu stellen.

[Zitat:] Ich habe mich hier z.B. von der größeren Logik der neuen "ss"-Regel überzeugen lassen,…

Es ist nicht möglich, die „Logik“ des „neuen“ ss-Systems von 1829 nach Heyse mit derjenigen der seit sechshundert Jahren gebräuchlichen, von Adelung um 1780 geringfügig modifizierten Darstellungsweise zu vergleichen, denn diese Systeme wirken in unterschiedlichen Ebenen. Letztlich zählt das Ergebnis.

Das „ß“ wurde vor 1400 entwickelt zur graphischen Markierung eines scharfen „s“ am Wort- oder Silbenende.¹ Innerhalb eines Wortstammes wurde dagegen zweimal lang „ss“ geschrieben. Seit Adelung wird das „ß“ auch dann gesetzt, wenn der s-Laut nur der zweiten Silbe angehört: „Ma-ße“ gegenüber „Mas-se“. Bei stimmhaften „s“ in tonloser Endstellung und unbetonten Endsilben wird nur ein einfaches „s“ geschrieben: „Mus“ wegen „Gemüse, Muse“ und „Erlebnis“.

Insgesamt ergibt sich ein leicht lernbares und lesefreundliches Schriftbild.

Die phonetische „Umfunktionierung“ des „ß“ nach dem Gymnasiallehrer Heyse (gest. 1829) nimmt auf seinen eigentlichen Entstehungsgrund, die Ästhetik und Lesefreundlichkeit, keine Rücksicht, sondern will das Zeichen nach einem langen Vokal geschrieben haben, während nach kurzen betonten Vokalen „ss“ eintreten soll. Dieses eingängige, scheinbar leicht lernbare Prinzip ist aber erst mit zahlreichen Zusatzregeln anwendbar:

Das s in einem Stamm-st wird auch nach kurzem Vokal nicht verdoppelt (nicht „Masstschwein“) und nach einem langen Vokal nicht als „ß“ geschrieben, trotz neuer s-t-Trennung (nicht „Huß-ten“). Bei kurzem, unbetontem Vokal soll ebenfalls nicht verdoppelt werden (nicht „Wildniss“). Wenn der Stamm in anderen Formen ein stimmhaftes „s“ enthält, soll auch nach einem Langvokal nur „s“ geschrieben werden (nicht „Muß“), es soll kein „ss“ gesetzt werden, auch wenn die neue Silbentrennung das nahelegt (nicht „Diss-tanz“, „rass-ten“) oder ähnlich klingende Wörter dazu anregen (nicht „Nazissmus“ wegen „Narzissmus“). Es darf auch nicht ausgenutzt werden, daß nun die Längenmarkierung des „ie“ überflüssig ist (nicht „sie lißen“), oder daß nun das „ß“ als Längenhinweis entbehrlich ist (schweizerisch „sie liessen“). Gerade letzteres führt, in Konkurrenz zur parallel weithin gebräuchlichen ß-losen (Schweizer) Schreibung, zu einer großen Unsicherheit, wie auch, daß Vokallängen landschaftlich unterschiedlich sind und von vielen nicht sicher erkannt werden. In Großbuchstaben scheitert das phonetische System, wenn man nicht das kleine „ß“ in ihre Reihe einschleust – ein ziemlich häßlicher Einfall.

Die Heyse-Schreibung ist nur kurze Zeit vor 1900 in Österreich experimentell erprobt worden. Den Teilnehmern der orthographischen Konferenz von 1901 war sie durchaus bekannt. Aber schon auf der Ersten Orthographischen Konferenz 1876 wurde gesagt, es könne der „Redner bezeugen, daß auch wer danach unterrichtet werde, die Heysesche Regel später wieder aufzugeben pflege.“ Ein wichtiger Grund für die allgemeine Ablehnung dürfte aber auch die Tatsache gewesen sein, daß sich die damals überwiegend übliche Frakturschrift im Heyse-System nicht mehr stilrichtig schreiben läßt. Seit Hitlers Abschaffung der Fraktur an den Schulen 1941 ist ihr Gebrauch stark zurückgegangen. Die „Rechtschreibreform“ wird dieser aussterbenden Kulturtradition den Todesstoß versetzen. Dank unserer heutigen Wegwerfkultur werden viele das sogar gut finden und manche andere überhaupt nicht bemerken. Zu denen zählen wohl die meisten unserer Politiker.

Übrig bleibt, daß die „neue“ ss-Schreibung als das leicht kontrollierbare Zeichen der Unterwerfung unter das Diktat der Kulturbürokraten wirkt, während das eigentliche Ziel der „Reform“, das leichtere, fehlerfreiere Schreiben, ins Gegenteil umgeschlagen ist. Schließlich muß alle Literatur, die seit 1900 gedruckt vorliegt, in Zukunft für den Schulgebrauch konvertiert werden und ebenso für die breite Masse. Dies verlockt zu weiteren Eingriffen, so daß wir nie sicher darüber sein können, was der ursprüngliche Ausdruckswille des Verfassers war – ein Zustand, den wir seit 1900 beendet glaubten. Wir sollten uns nicht ohne Not auf diese neue „Missschreibung“ einlassen.

Anmerkung:
¹) Das „ß“ entstand aus mittelalterlichen Kürzeln und ist seit 600 Jahren untrennbar mit der „deutschen“ Frakturschrift verbunden. In der italienischen Antiqua tritt es vor 1500 als Ligatur von lang und rund „s“ auf, naturgemäß nicht am Ende. Im Deutschen werden beide ß-Formen gleichwertig verwendet, sichtbar im Wort „GeneralBaß“ in beiderlei Schriftarten bei Michael Prätorius (1619). Durchgängige Antiquatexte auf deutsch werden allerdings erst um 1800 häufiger. Das „ß“ ist also keineswegs „Fraktur in meiner Buchstabensuppe“, wie ein Titel der FAZ vom 6.11.2002 suggeriert.

(Korrekturen und Anregungen sind erwünscht.)

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 10.07.2004 um 07.27

Ich hatte das Wort "Bedeutungsträger" benutzt, weil ich dachte, es wäre im Zusammenhang mit Minimalpaaren üblich; es ging mir nicht um eine "Bedeutung" von [a:], aber sei's drum. Ich bin auf diesem Gebiet ganz unsicher.
Was die "Artikulation" anbelangt: Ich sehe da keinen grundsätzlichen Widerspruch. Betrachten wir den Ausdruck "langer Vokal" als Metapher ("lang" ist natürlich schon eine, da sich das Wort hier auf zeitliche Vorgänge bezieht). Leute sagen immer genau dann "langer Vokal", wenn bestimmte Gegebenheiten der Artikulation vorliegen. Und das wiederum tun sie mit einer - in Anbetracht der Kompilziertheit dieser Zusammenhänge - mit geradezu bewundernswerter Sicherheit.


eingetragen von gestur am 10.07.2004 um 07.19

steht für den Laut "je", nur nach Konsonant für den Laut "e".

Das russische Zeichen für den Laut "e" ist ein gespiegeltes griechisches Epsilon.

Bei Übertragungen ins Deutsche wird oft übersehen, daß das russische Zeichen "e mit zwei Umlautpünktchen darüber" für den Laut "jo" steht, nach Zischlaut-Konsonanten für den Laut "o".

Das unbetonte Zeichen "o" steht für den Laut "a".

Bekanntestes Beispiel: Das russische Wort "Potemkin" muß richtig als "Patjomkin" übertragen werden.

Die Aussprache der russischen Vokalzeichen ist also von den benachbarten Zeichen oder von der Wortbetonung abhängig.


eingetragen von Matthias Dräger am 10.07.2004 um 04.43

In Rußland beonders extrem:
Die Verschriftung eines Wortes hat nicht selten erhebliche Unterschiede von der Aussprache, d. h. wenn man das Wort so aussprechen würde, wie es geschrieben wird, würden die Leute bestenfalls schmunzeln über die komische Aussprache, wenn man überhaupt noch verstanden würde.

Daher bin ich der Ansicht, daß insbesondere die russische Sprache nur von einem native speaker gelernt werden kann, und zwar am besten im Land selbst.
Die korrekte Aussprache macht einen großen Unterschied. Z. B. das russische "hallo": priviet!

Wenn man es rein von der Verschriftung ausspricht, würde man als Deutscher wohl sagen: priwiet. Das hat emotional etwa den gleichen Stellenwert, als wenn ein Amerikaner uns eines der beiden Wörter sagt, die er kennt, wie "auf Wiedersehen", oder "Helmut Kohl".

Ganz anders dagegen, wenn man den (melodischen)Tonfall exakt trifft: privijet! Das kommt gleich ganz anders an, der andere merkt, daß man sich verdammte Mühe gibt, auch wenn schon beim nächsten "Satz" klar ist, daß man mit dem Verständnis noch ganz am Anfang steht.

Was die Abbildungstreue der Phonetik angeht, ist die deutsche Orthographie Gold gegen die russische. Dennoch bin ich auch für unsere Sprache überzeugt: man kann die einwandfreie Aussprache nur bei uns lernen.
Im Deutsch-Kurs der Uni Tver sind mir 2 oder 3 Studentinnen begegnet, die fast akzentfrei sprachen, obwohl sie nie in Deutschland waren. Aber die hatten an der Universität gelernt, mit allermodernsten Methoden auf hohem Niveau, die im normalen Schulbetrieb wohl noch nicht üblich sind.


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Übrigens hatte ich nach einiger Zeit in Rußland einen kurzen Traum, der vielleicht hierher paßt, ihn mag deuten, wer will:
Auf einem Dach saßen zwei Vögel und unterhielten sich. Einer der Vögel erzählte davon - und, wenn er es gekonnt hätte, hätte er dabei seine Flügelspitzen in die "Hüften" gestemmt - daß ihn doch neulich jemand tatsächlich mit "Djewuschka" angeredet hätte. (Djewuschka heißt soviel wie "Mädchen", "Fräulein", man sagt das auch zur Kellnerin, zur Bedienung.)
Dabei war das Wort Djewuschka (die Russen sagen verkürzt meist nur: joschka) vom Vogel so kristallklar ausgesprochen (als ob hier die Sprache selber spricht), daß ich im Traum zu mir sagte: Vom Tonband lernen (was ich gar nicht gemacht hatte) hat doch gar keinen Sinn, Russisch muß man von den Vögeln lernen!
Der zweite Vogel hatte dem ersten Vogel zugehört, dann aber las er meine Gedanken, daß ich seine Kollegin nämlich sehr wohl verstanden hatte (womit die Vögel natürlich nicht gerechnet hatten). Das paßte ihm nicht, und die Vögel flogen davon.


eingetragen von Theodor Ickler am 10.07.2004 um 02.35

a: und a sind nicht Bedeutungsträger, sondern herausanalysierte (abstrahierte) Unterscheidungsmerkmale von Wörtern, und diese Wörter sind dann Bedeutungsträger. Wie Sie wissen, lieber Herr Fleischhauer, läßt sich der Unterschied der Quantität nicht isoliert von der Artikulationsart (gespannt vs. ungespannt) beschreiben, und manche sehen in letzterem sogar das Entscheidende, in der Quantität nur eine kollaterale Erscheinung. Wir lernen verschiedene Wörter aussprechen, weil sie in verschiedenen funktionalen Zusammenhängen differentiell bekräftigt werden. Zum Zwecke der Verschriftung können wir diese Wortgestalten segmentieren und die so herausabstrahierten Abschnitte phonologisch analysieren. Phoneme sind also ziemlich abstrakt.
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Th. Ickler


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 09.07.2004 um 21.58

„Es ist wichtig, auf welchen Grad von Genauigkeit eine bestimmte bekräftigende Gemeinschaft Wert legt. Im allgemeinen tut der Sprecher nicht mehr, als von ihm verlangt wird."
Ich hatte es zwar schon zitiert, aber es trifft sich hier noch einmal besonders gut. Warum kann man überhaupt von Langvokalen reden? Doch sicher weil bestimmte Vokale lang gesprochen werden, was auch immer sich physikalisch dahinter verbirgt. Das wäre aber nicht plausibel, wenn es nicht auch irgendwie die Garantie einer Verhaltenssteuerung, eines Hörerverhaltens, eben der Wahrnehmung dieser langen Aussprache gäbe. Der Bewußtheitsgrad des ganzen steht eigentlich nicht zur Debatte, eventuelle Verständnisprobleme durch Verschiedenheit der Dialekte auch nicht.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 09.07.2004 um 19.05

Lieber Herr Ickler,
ich muß nochmal nachhaken, denn Ihre Position ist mir einfach nicht klargeworden. ['ma:se] und ['mase] ([e] soll Schwa sein) sind doch gewiß ein Minimalpaar, [a:] und [a] demnach Bedeutungsträger. Da muß es doch ein Gespür für die Ausspracheunterschiede geben, der Kontext kann ja nicht weiterhelfen.


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 09.07.2004 um 15.29

Besonders gelungen ist die
Aussage R. Kochs:

"Koch wies auf den langen
Prozeß hin, in welchem
die Rechtschreibreform
schließlich gebilligt (sic) worden sei.

Gebilligt vom Volk?
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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 09.07.2004 um 15.14

FAZ online 09.07.04 - POLITIK

"Stoiber setzt Rechtschreibreform auf die Tagesordnung"
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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Theodor Ickler am 09.07.2004 um 13.55

Wer sich über Skinner informieren will, sollte seine Bücher lesen, zur Sprache insbesondere das Hauptwerk "Verbal Behavior". Ein Spielfilm wie "Einer flog über das Kuckucksnest" ist dazu nicht geeignet. Vorgestern schrieb Dietmar Dath in der FAZ, Skinner stelle den Menschen als einen Organismus dar, der als tabula rasa auf die Welt komme usw., tausendmal zu lesen gewesen in allen erdenklichen Quellen. Man liest eben nicht das Original. Ich habe dies getan und einen halbsatirischen Aufsatz in "Sprache & Kognition" veröffentlicht, der übrigens auch in der FAZ mal vorgestellt wurde: "Skinner und 'Skinner' - ein Theorienvergleich" (S&K 13, 1994, S. 221ff.). Meiner Ansicht nach, die ich in den letzten zwanzig Jahren niemals zu revidieren brauchte, ist "Verbal Behavior" das beste Buch, das je über Sprache geschrieben wurde, zugleich das ungelesenste und dennoch überaus häufig "zitierte" - und verurteilte, von Ignoranten wie Chomsky (und, komisches Zusammentreffen, Konrad Adam, als er noch in der FAZ schrieb). Möge man es mir nicht verdenken, daß ich nicht die mindeste Lust habe, hier noch einmal sämtliche Vorurteile über B. F. S. richtigzustellen.
Sobald der Rechtschreibspuk vorbei ist, hoffe ich meine eigentliche Arbeit, die genau diesem Gegenstand, der Naturalisierung der Sprache nämlich, gilt, fertigstellen zu können.
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Th. Ickler


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 09.07.2004 um 13.11

"Gegen wen soll man noch angehen?"
Wie wir alle wissen, ist der Weg über die
Politik unüberwindbar steinig.

Auch ist uns klar, daß ein Umschwenken der (großen)
Zeitungen von heute auf morgen die glatteste und
beste Lösung sein würde.

Karin Pfeiffer-Stolz hat einen hervorragenden
Brief an Horst Köhler geschickt - ein Bravourstück,
dem größte Hochachtung gebührt.

Warum schreiben nicht Aktive hier aus der Runde
z.B. die Chefredakteure unserer (großen) Zeitungen
an, etwa Stefan Aust von SPIEGEL, etc. und
versäumt dabei nicht die Ausschmückung mit
aus der jeweiligen Zeitschrift gesammelten authentischen
Blüten. Daran soll es uns doch nicht
mangeln.
- Nur so eine Idee.


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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 09.07.2004 um 11.34

Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
ich hatte schon von einem - natürlich vorübergehenden - Zustand der Orientierungslosigkeit gesprochen, durch die selbst in einem völlig vertrauten System wie der Konsonantenverdoppelung Fehler gemacht werden. Die Umstellung verlangt jedem einzelnen eine gewisse Disziplin ab. Gewissenhafte Schreiber "bestrafen" sich selbst, indem sie ihre Texte Korrektur lesen, sich über Fehler ärgern usw. Wenn wir "gedankenlos" sind, machen wir mehr Fehler, als wenn wir uns konzentrieren. Ein Neuschreiber muß also, um erfolgreich zu sein, den Neuschrieb auch wirklich wollen - aus tiefstem Herzen sozusagen. Und er muß auf seine Fehler achten. Hier könnte ein erstes Problem liegen. Zudem ist es ja nicht so, daß wir bewußt und zugleich "in Echtzeit" während des Schreibens Regeln anwenden. Viele schreiben, wenn sie unsicher sind, ein Wort zunächst probehalber auf, um es sich zunächst anzusehen. (Meistens können wir schreiben, ohne dabei das Geschriebene zu sehen. Ein ähnliches Phänomen ist es, wenn jemand Noten liest und dabei, um die Richtigkeit der Vorstellung zu kontrollieren, mitsummt.) Dieser Kontrollmechanismus ist aber dadurch außer Kraft gesetzt, daß "ausserdem" und "Grüsse" ja richtige Schreibungen sind, wenn auch in einem anderem, dem "Schweizer" System. Es muß also tatsächlich bewußt eine Regel angewandt werden. (Insofern würde mir ein Nebeneinander der drei Schreibweisen etwas Bauchschmerzen bereiten. Allerdings gab es hier immer schon eine gewisse Verwirrung.) Wir in diesem Forum beherrschen die Heyse-Schreibung aus dem Effeff - so gut, daß uns jeder Schnitzer sofort "ins Auge springt" - der eigentlich beste Beweis für die Lernbarkeit dieser Schreibung. Der Umstellungsprozeß (Heyse: Umstellungsprozess - ohne das deutsche Sonderzeichen) ist erst dann abgeschlossen, wenn das Schreiben automatisiert ist, wenn man also auch bei Abwesenheit jeglicher Rechtschreibgedanken halbwegs richtig schreibt. Der Fairneß halber (Heyse: Fairness - dito) sollte man genauer untersuchen, ob die Fehlerzahlen konstant bleiben oder rückläufig sind.
Noch etwas: Ich habe in diesem Forum eine Zeitlang die "Schweizer" Schreibung benutzt. Es war nicht leicht, meine Motorik umzustellen. Andererseits fällt es mir nicht schwer, "Schweizer" Texte (mit ihren Basssaxophonisten) zu lesen. Ich habe eben das eine gelernt und das andere nicht. Wäre was für die Skinner-Box, nicht wahr?


eingetragen von David am 09.07.2004 um 11.30

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Rolf Genzmann
In der Skinnerbox
Dem Fischer-Lexikon der Psychologie A-Z konnte man betreffend Lernen, Reiz-Reaktion entnehmen:
„Es scheint, daß die Ausbildung von Assoziationen dieses Typus schon bei einzelligen Lebewesen möglich ist,
sehr gut belegt ist sie bei Regenwürmern,
sogar nach Zerstörung des Kopfganglions.“


Bei den Protozoa kann so etwas selbstverständlich vorkommen, nur dann wohl kaum neurophysiologisch zu bergünden, sondern wohl eher rein chemisch zu erklären. Vgl. Zell-Zell-Interaktionen. Natürlich kann ich das Ganze dann als "Ausbildung von Assoziationen" bezeichnen. Mich interessiert, wie das genau gemeint ist. Denn wo noch nicht mal ein ZNS ist, da kann es auch schwerlich Assoziationsfelder geben.
Ein Regenwurm besitz nicht nur ein Kopfganglion, er besitzt auch eine ventrale Ganglienkette mit einem Ganglienpaar pro Segment. Ich vermute, daß die bei Zerstörung des Oberschlundganglions dieses ersetzen können.

Zitat:
Die modernen Lehrpläne basieren auf einem „Rattenmodell der Lernpersönlichkeit.“ (Nicklis) Sie sind „ein Kind moderner Naturwissenschaft, an der Ratte abgelesen, nicht am Menschen.“ (Wirz)


Dazu etwas Interessantes: Ich hatte im Rahmen meines Studiums vor knapp vier Semestern ein erziehungswissenschaftliches Proseminar besucht, in dem die Dozentin versuchte zu erklären, daß man die Begriffe der operanten und der klassischen Konditionierung ohne weiteres auf das menschliche Lernverhalten anwenden kann. Ganz großer Fehler! Besonders dann, wenn schön verschwiegen wird, daß jede Konditionierung reversibel ist.

Zitat:
Kein geringerer Vorwurf wird erhoben als der, daß die gesamte Tendenz der amerikanischen Erforschung und Theorie des Lernens von einer falschen Voraussetzung ausgeht, - daß nämlich die wichtigen Züge des menschlichen Lernens bei Tieren zu finden sind.

Genau das ist der Punkt!

Zitat:
Tatsächlich ist es die wichtigste Tatsache, daß das menschliche Lernen das tierische übertroffen hat. Für diesen Schluß gibt es keinen geringeren Beweis als die ganze Geschichte der Zivilisation!

Und das ist mir, mit Verlaub, viel zu platt! Das müßte mit zumindest noch dem Anschneiden der adaptiven Radiation im Rahmen der Säuger- und vor allem der Primatenevolution erklärt werden.

Zitat:
Im Grunde wichtiger als Skinners ausgezeichnete Forschung auf dem Gebiet des tierischen Lernens ist vielleicht die fast vergessene Feststellung von Kellogg und von Cathy Hayes, daß ein Affe, auch wenn er wie ein Kind im eigenen Hause aufgezogen wird, niemals sprechen lernen kann.


Was an seiner Kehlkopfkonstruktion liegt. Man kann höheren Primaten erstaunlich gut Gebärdensprache beibringen. Und damit sind sie auch in der Lage, ziemlich differenziert zu kommunizieren.

Zitat:
Weit bemerkenswerter als Skinners Tauben, die Pingpong spielen, ist der Durchschnittsmensch, der seine Zeitung überfliegt - der Stoff finden will, der ihn interessiert, der beurteilt, der verallgemeinert, der deutet, und das alles still lesend, ohne ein von außen bemerkbares Verhalten
oder Verstärkung.“


Es gibt auch Tiere, die still sitzend, vor sich hin schnurchelnd und dösend ihre Umwelt aber ganz genau wahrnehmen und "analysieren" i.w.S.: schon einmal erlebt, wie im Zoo ein Raubtier aus scheinbarem Tiefschlaf mit einem Satz Richtung Gitter springt, wenn dem jemand zu nahe kam? Kognitive Prozesse muß man doch nicht immer sehen können!

Zitat:

Was wußte Skinner über Sprache und deren Elementarteilchen? Nichts!
Was wußte er vom menschlichen Lernen? Nichts.
Was wußte er von der Psychologie, fast nichts.
Kannte er die weit fundierteren Ergebnisse des Tierverhaltensforschers Konrad Lorenz? Nein.
Kannte er die Ergebnisse der deutschen Gestaltpsychologie oder Ganzheitspsychologie? Nein.


Mit Skinner kann man menschliches Lernen natürlich nicht ausreichend beschreiben! Behauptet auch niemand ernsthaft!
Und daß Konrad Lorenz zum Teil ganz gravierende auch methodische Fehler beging, weiß man. Man muß ihn sehr differenziert betrachten, denn er ist oft genug widerlegt worden (Stichwort "Kampfverhalten bei Fischen").


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 09.07.2004 um 10.47

Hab mir übrigens gerade einen Käfig voller Ratten aufschwatzen lassen. Ich habe sie schon soweit, daß sie beim Laufen über den Schreibtisch den Weg gezielt über die Tastatur nehmen. Vielleicht werden sie zur Verteidigung von Skinner demnächst hier etwas veröffentlichen.


eingetragen von Rolf Genzmann am 09.07.2004 um 10.12

Dem Fischer-Lexikon der Psychologie A-Z konnte man betreffend Lernen, Reiz-Reaktion entnehmen:
„Es scheint, daß die Ausbildung von Assoziationen dieses Typus schon bei einzelligen Lebewesen möglich ist,
sehr gut belegt ist sie bei Regenwürmern,
sogar nach Zerstörung des Kopfganglions.“
Die modernen Lehrpläne basieren auf einem „Rattenmodell der Lernpersönlichkeit.“ (Nicklis) Sie sind „ein Kind moderner Naturwissenschaft, an der Ratte abgelesen, nicht am Menschen.“ (Wirz)
„Die Progressiven produzieren Richtlinien, die Bildungsschrotthaufen gleichkommen“.(Nicklis).
Skinner, der Papst der amerikanischen Rattenlernforschung, schreibt, Freiheit und Würde des Menschen sind Produkte einer verantwortungslosen Freiheitsliteratur. Darunter verstand er wohl die auf unseren Gymnasien bereits weithin abgeschafften Goethe, Schiller, van Beethoven usw., vorausgesetzt, Skinner kannte die überhaupt.
Der ehemalige SPD-Kultusminister Fritz Holthoff: „und in solchen Skinnerboxes für Menschen bleibt dann freilich wenig Platz für die individuelle Aktivität und Produktivität des Schülers... Und in der Tat ist eine behavioristische Lernapparatur ein hervorragendes Instrumentarium für die Konditionierung des Menschen nach den Mustern der Neuen Linken.“
Nicklis meint, das neue Curriculum „erzieht Emanzipationsschwätzer und -gernegroße, die bei der erstbesten Gelegenheit Mitläufer neuer wohlklingender Doktrinen und Ideologen werden, die Emanzipationssurrogate zu verbilligten Preisen wohlfeil halten.“
Emil Bölte berichtete aus Amerika, daß die Abgänger der höheren Schule in gar nicht seltenen Fällen noch nicht einmal mehr richtig lesen gelernt haben. (Gen.-Anz. v. 21. 6. 77)
Sidney L. Pressey, 1962:

„Lehrmaschinen und programmiertes Lernmaterial werden gegenwärtig im ganzen Land in Schulen und Universitäten, bei der industriellen und militärischen Ausbildung verwendet. Herstellung und Verkauf solcher Produkte machen einen großen Teil des Geschäftes vieler Verleger und Instrumentenbauer aus. Ehrgeizige junge Leute haben ihr berufliches Fortkommen an diese Arbeit gebunden. Der ganze Fragenkreis wurde ein akzeptiertes Thema alltäglicher Gespräche. .......
Zum Erzschurken, der so viele Leute irreführt, wird die Lerntheorie erklärt.
Kein geringerer Vorwurf wird erhoben als der, daß die gesamte Tendenz der amerikanischen Erforschung und Theorie des Lernens von einer falschen Voraussetzung ausgeht, - daß nämlich die wichtigen Züge des menschlichen Lernens bei Tieren zu finden sind.
Tatsächlich ist es die wichtigste Tatsache, daß das menschliche Lernen das tierische übertroffen hat. Für diesen Schluß gibt es keinen geringeren Beweis als die ganze Geschichte der Zivilisation!
Im Grunde wichtiger als Skinners ausgezeichnete Forschung auf dem Gebiet des tierischen Lernens ist vielleicht die fast vergessene Feststellung von Kellogg und von Cathy Hayes, daß ein Affe, auch wenn er wie ein Kind im eigenen Hause aufgezogen wird, niemals sprechen lernen kann.
Weit bemerkenswerter als Skinners Tauben, die Pingpong spielen, ist der Durchschnittsmensch, der seine Zeitung überfliegt - der Stoff finden will, der ihn interessiert, der beurteilt, der verallgemeinert, der deutet, und das alles still lesend, ohne ein von außen bemerkbares Verhalten
oder Verstärkung.“
Was wußte Skinner über Sprache und deren Elementarteilchen? Nichts!
Was wußte er vom menschlichen Lernen? Nichts.
Was wußte er von der Psychologie, fast nichts.
Kannte er die weit fundierteren Ergebnisse des Tierverhaltensforschers Konrad Lorenz? Nein.
Kannte er die Ergebnisse der deutschen Gestaltpsychologie oder Ganzheitspsychologie? Nein.

Gerade im Erscheinen begriffen ist eine DVD des Films „Einer flog über das Kuckucksnest“.
Die Vertreterin Skinners, Mrs. Ratched, (ratschen, den Auslöser betätigen) kommt mit Verstärkungen nicht aus, nein, es müssen Elektroschocks eingesetzt werden gegen McMurphy, den Vertreter der Gestalten, - u. a. war Goethe Morphologe.
Das Drehbuch, herausgeschmuggelt aus der CSSR, wo Pawlows Sabberhund herrschte, wurde Kirk Douglas angeboten in den USA, wo konditionierte Mäuse, Ratten und Tauben herrschten.
Erst sein Sohn wagte es, den Film zu machen: Die Welt, ein Irrenhaus.


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Rolf Genzmann


eingetragen von Detlef Lindenthal am 09.07.2004 um 08.57


Theodor Ickler schrieb:
Bei Herrn Lindenthal, dessen wohltönendes Organ ich im Ohr zu haben glaube, kommt vielleicht noch was Nordisch-Mundartliches hinzu?
Klar rede ich norddeutsch; und meine entsprechenden Klanggestalter sind in der rechten Gehirnhälfte ziemlich fest verdrahtet. Ebenso klar ist, daß ich beim Wort „Seejle“ vor allem an Menschen aus Ostpreußen denke – das j ist landschaftlich unterschiedlich ausgeprägt.
Gleichwohl hat jener Amerikaner recht, daß auch die übrigen Deutschen der Seele ein j einhauchen; täten sie es nicht, würden sie sprechen wie Russisch- oder Polnisch-Muttersprachliche, die diese Doppellaute nicht kennen. Sämtliche deutschen Dialekte unterscheiden in der von mir genannten Weise oder ähnlich zwischen kurzen und „langen“ Selbstlauten, nicht nur in meiner norddeutschen Aussprache.

Norddeutsch ist, jenen bekannten Brotaufschnitt „Kejse“ zu nennen (statt, z. B. sauerländisch, „Kääse“); dennoch wird im Sauerland die Küche mit dem Bejsen ausgefegt, und nicht etwa mit Beesen oder Bääsen.

Auf ein sprachvergleichendes Wiedersehen anläßlich einer Siegesfeier freue ich mich; vorher benötigen wir noch ein gerüttelt Maß an Strategie.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Theodor Ickler am 09.07.2004 um 08.19

An der Phonologie ist selbstverständlich vieles konstruiert, und die Linguistik befaßt sich nur am Rande mit der naturwissenschaftlichen Beschreibung der Artikulation bzw. Akustik der Sprachlaute. Schon wenn wir Minimalpaare bilden, um die Phoneme festzustellen (rund 40 im Gegensatz zu Milliarden von phonetischen Möglichkeiten), tun wir etwas, was man wohl Konstruieren nennen muß.
Die Behauptung, daß Langvokale eigentlich diphthongisch auslaufen, sozusagen in einen Halbvokal münden, ist m. W. sehr umstritten. Fürs Englische scheint es zuzutreffen, und nicht zufällig hat ein amerikanischer Linguist (G. L. Trager war es, glaube ich) diese Beschreibung aufs Deutsche übertragen. Er glaubte, in "Seele" eine Art "Seejle" zu hören, eben nach amerikanischer Art ...
Ich bin kein Phonetiker, deshalb kann ich hier nur Vermutungen anstellen. Es gibt natürlich, wie zwischen allen Lauten in der gesprochenen Kette, Überlappungserscheinungen, Koartikulation, und wenn wir einen Vokal angefangen haben, dann müssen wir ihn auch wieder zu Ende führen, um den nächsten Laut auszusprechen (wobei ich aber nicht einmal glaube, daß unsere Wörter aus Lauten zusammengesetzt sind - aber das ist eine andere Geschichte). Diese Ende wird sich in vielen Fällen als gleitendes Schließen der vokalischen Öffnung darstellen. Bei Herrn Lindenthal, dessen wohltönendes Organ ich im Ohr zu haben glaube, kommt vielleicht noch was Nordisch-Mundartliches hinzu? Wir müßten uns mal alle treffen, vielleicht um das Ende der RSR zu feiern, und dann vergleichen wir mal unsere Aussprachegewohnheiten...
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Detlef Lindenthal am 09.07.2004 um 07.04


Stephan Fleischhauer schrieb::
Mit der Vokallänge geht im Deutschen auch eine ganz leichte Diphthonguierung einher. Darauf hat uns Detlef Lindenthal schon hingewiesen
Die Doppellautfolge bei sogenannten langen Selbstlauten ist nicht „ganz leicht“, sondern knüppeldicke:
Wenn Kinder nachdrücklich betteln, versuchen sie es zuweilen mit
    „Biiitte!“
Dies hat dann ein (zeitlich) langes i, das sich ganz anders anhört als das (doppelklang-)lange i in
    bieten.
Wenn sich bei letzterem das i nicht zum j verengen würde (und zwar recht kräftig), wäre bitten von bieten nicht zu unterscheiden; Duden- und Deutschfachleute (die nicht eben die Weltmeister im Zuhören und Mitdenken sind) verkennen das nach meiner Erfahrung durchweg.

Die sogenannte Längung geht, wenn ich es richtig sehe,
beim a durch größeren Mundraum,
beim e wie beim i als Doppellaut durch Verengung zum j,
beim o als Doppellaut durch Verengung zum u,
beim u durch anders geformten Mundraum.

Man vergleiche:
Falle und Fahne,
nennen und nehmen,
Mitte und Miete,
rott und rot,
Mutter und Mut.

Längungen gehen auch einher mit mehr oder weniger kräftiger Formung der Silbenmelodie, z.B. –– :
Wenn der Antwort „Ja!“ oder „Ja, ...“ keine Melodie aufmoduliert wird, hört sich das beleidigend-beleidigt-eingeschnappt oder einfach nur bescheuert an.


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 09.07.2004 um 06.58

Lieber Herr Ickler,
ich bitte Sie da doch noch um eine Präzisierung (weil ich es einfach nicht weiß). Ich hatte hier doch gestern eine Lexikon-Definition (Brockhaus) von Linguistik abgetippt. Danach lege die Linguistik allerhöchsten Wert auf quasi naturwissenschaftlich exakte Beschreibungsmethoden und definiere sich gleichsam aus dieser Präzision.
Dem entspricht die Heyse-Regel absolut nicht, weil sie die Realität des ß nach kurzem Vokal nicht nur nicht präzise beschreibt, sondern einfach ausblendet.
Sie sprechen jetzt von einem eingeschränkten, gleichwohl üblichen Verständnis von Linguistik, nach dem die Heyse-Regel linguistisch doch irgendwie hinnehmbar wäre.
Das müßte eine nicht-beschreibende Linguistik sein; Sie deuten mit dem Wort "Reißbrett" ja an, daß dies eine Art von konstruierender Linguistik sein müßte, die ihre Regeln nicht aus der Sprache ableitet, sondern irgendwie aus sich selbst heraus entwickelt. Ist das so?

(Dann wäre die Brockhaus-Definition allerdings ziemlich falsch, zumindest in frappanter Weise unvollständig.)
__________________
Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Theodor Ickler am 09.07.2004 um 06.23

Lieber Herr Scheuermann,
ich habe, wenn ich mich recht erinnere, nur die linguistischen Argumente gegen Heyse "nicht stark" o. ä. genannt. Wenn es darum geht, daß Rechtschreibung nicht nur linguistisch (am vielzitierten Reißbrett) in Ordnung sein sollte, dann bin ich der erste, der zustimmt. (Natürlich ist "linguistisch" hier auch in einem eingeschränkten, allerdings üblichen Sinn gebraucht.) Und wie gesagt: Niemand hier braucht zu befürchten, daß ich etwa in meinem Wörterbuch (das übrigens gerade wieder im Druck ist) auf Heyse umschwenke oder ihn auch nur als Variante vorsehe.
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 09.07.2004 um 06.22

Weshalb, aber zum Teufel nochmal, schreiben die Leute dann trotzdem falsch, sehr geehrter Herr Fleischhauer?

__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von David am 09.07.2004 um 02.48

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Stephan Fleischhauer
Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
der handschriftliche Fehler Aussland (nicht Außland, lieber David!)...


Halt! Habe niemals von dem Wort in Catos Brief gesprochen, meinte etwas ganz anderes! Mir ist das Wort "Außland" schriftlich aus der "Feder" eines Jugendlichen begegnet. Und zwar in einem ganz, ganz anderen Zusammenhang. Deswegen komme ich überhaupt darauf, daß dies ein gut nachzuvollziehbarer Fehler ist, besonders vor dem Hintergrund der "Reformregelungen". Hoffe, ich irre mich da nicht.

Zitat:
Ursprünglich eingetragen Reinhard Markner
Richtig, aber man darf nicht außer acht lassen, daß sie es hauptsächlich deshalb für richtig halten, weil der Staat dies vorgibt.


Dazu nur kurz: Ich habe bislang sehr oft die Erfahrung gemacht, daß viele Leute gar nicht wußten, daß die RSR eigentlich nur für Schulen bzw. Behörden gilt.
Und an diesem Punkt des Unwissens anzusetzen und aufzuklären, das kann meiner Ansicht nach eine ganze Menge bewegen.
Auf der Seite von Hans-Jürgen Martin habe ich etwas sehr Deutliches diesbezüglich gelesen, am Beispiel der verordneten Schreibweise des Anredepronomens "Du":
"Die Bedeutung eines Wortes (hier: du) per Erlaß ändern zu wollen, ist eine bestenfalls naive, schlimmstenfalls aber totalitäre, orwellsche¹ Vorstellung..."
(http://www.schriftdeutsch.de/ortr-gro.htm)

Selbes gilt für "Leid tun" als verordnete Form für "leid tun" (was ja mittlerweile wieder zum Teil zurückgenommen wurde).

Meiner Erfahrung nach werden auch große (meistens nur groß auftretene) Verfechter bzw. Sympathisanten der RSR bei dieser Argumentation ein wenig nachdenklicher.
(Ist übrigens ein herrliches Gefühl, das dann während einer Diskussion auch im Gesicht des anderen geradezu sehen zu können. Das nur am Rande. )

Noch kräftiger kann man dann ans demokratische Selbstverständnis appellieren, wenn man der Haltung, die Herr Markner beschrieb, die Überschrift gibt: "Was der Führer sagte, war immer richtig."


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 09.07.2004 um 01.02

Mit Vokallänge und –kürze sind auch andere Eigenschaften fest verbunden, die die Identifizierung zusätzlich erleichtern. Ich meine, daß sich diese dazugehörigen Eigenschaften deshalb überhaupt erst entwickelt haben. Die Vokalqualität hatte ich in dieser Hinsicht schon angesprochen (kurze Vokale sind anders "gefärbt" als ihre lange Entsprechung, so jedenfalls im Deutschen). Man kann auch die Silbengelenkhaftigkeit dazurechnen. Dadurch daß man die erste Silbe bei Hammer geschlossen spricht, wird die Vokalkürze noch deutlicher wahrnehmbar. Ich hatte dazu einmal etwas im „Ickler Wörterbuch“-Forum unter „Buchstaben und Laute“ geschrieben. Dagegen wurde eingewendet, daß ich bereits durch die Zerlegung in Einzellaute einen methodischen Fehler begangen habe. Würde man aber einer Versuchsperson das Wort Tinnel diktieren, und diese Person würde, obwohl sie dieses Wort nie zuvor gesehen oder gehört hat, tatsächlich Tinnel schreiben, warum sollte man ihr dann eine lautliche Unterscheidungsfähigleit absprechen? Wir werden zu sorgfältigem Sprechen und Zuhören durch unsere Umwelt gezwungen (waren da nicht die beiden berühmten Beispiele „in Massen“ und „in Maßen“, die exakt im gleichen Kontext vorkommen und sich nur durch Vokallänge unterscheiden?), und beim Schreibenlernen ergibt sich der Zwang zum genauen Zuhören und Vorsprechen (Sich-selbst-Vorsprechen) – zum „Rastern“ der Laute – gleich noch einmal. Skinner begreift den einzelnen Laut als kleinste sprachliche Verhaltenseinheit (auch die Pause zwischen Wörtern könnte man wohl dazu zählen). Ich zitiere ein wenig - zur Erklärung vorweg: Operant ist eine durch Konditionierung erworbene Verhaltenseinheit, Echo bedeutet etwa "Nachahmung" (das Verhalten ähnelt dem stimulierenden Reiz).

"Was ist die kleinste Einheit des Sprachverhaltens? Es geht hier nicht um die Frage, was die kleinste akustische oder geometrische Einheit ist, mit der wir das Reden oder Schreiben als physische Ereignisse beschreiben. Vielmehr geht es um die kleinste Reaktion, die unter der funktionalen Steuerung einer einzigen Variablen steht. Für die Beantwortung dieser Frage bietet das Echoverhalten einen besonders günstigen Ausgangspunkt, denn hier kann die formale Entsprechung zwischen Reiz und Reaktionsprodukt auf der Ebene der „Sprachlaute“ oder akustischen Eigenschaften aufgewiesen werden."

"Man ermuntert das Kind, solche Laute wie ä, sp usw. zu wiederholen. … Das Kind kann Reaktionen vom Umfang einer Silbe, eines Wortes oder sogar eines Satzes als einheitliche Echo-Operanten hervorbringen. Um aber einen neuen Reiz echohaft nachzuahmen, wird es auf das Repertoire einzelner Laute zurückgreifen."

„… , wollen wir dies durch Bekräftigung der Reaktion Alligator in Gegenwart des Alligators tun. Aber wir können nicht warten, bis eine solche Reaktion zufällig einmal auftritt, und das Verfahren der allmählichen Herausformung könnte ebenfalls zu lange dauern. Können wir hingegen die Reaktion als Verbindung kleiner Echo-Einheiten hervorrufen, die zuvor noch nie in dieser Reihenfolge verbunden worden sind …"

"Kleinste Echo-Operanten scheinen natürlicherweise funktional zu werden, wenn ausgedehntere Operanten aufgebaut worden sind. Hat das Kind ein Dutzend komplexe sprachliche Reaktionen erworben, die alle mit dem Laut b beginnen, wird es mit Erfolg ein dreizehntes Muster echoen, das ebenfalls mit b beginnt, und damit auch die umfangreichere Reaktion mit b am Anfang. Wenn dies geschieht, müssen wir die funktionale Unabhängigkeit eines Echo-Operanten anerkennen, der nicht größer als b ist."

"Wie groß ist die kleinste auf diese Weise erreichbare Einheit? Wenn ein Echo-repertoire Stück für Stück aufgebaut wird, wie es durch pädagogische Bekräftigungen geschieht, dann werden die einander entsprechenden Einheiten je für sich bekräftigt, aber es ist nicht klar, worin das endgültige Repertoire größerer Operanten oder auch nur kleiner pädagogischer Operanten besteht. (Es geht hier nicht um die Dimensionen, die man für die wissenschaftliche Aufzeichnung der Rede benötigt, denn diese können für das wirkliche Sprachverhalten funktionslos sein.) Der Sprachlaut – das „Phonem“ des Sprachwissenschaftlers – ist nicht notwendigerweise die kleinste Einheit. Ein geschickter Stimmenimitator verfügt über eine Art „feinkörniges“ Repertoire, das ihn in die Lage versetzt, neue Lautmuster genau zu echoen. Es erlaubt ihm auch, Intonationen, Akzente und persönliche Eigenheiten der Stimme nachzuahmen, ebenso wie nichtsprachliche Laute: Vogelstimmen und andere Tierlaute oder Maschinengeräusche."

"Es ist wichtig, auf welchen Grad von Genauigkeit eine bestimmte bekräftigende Gemeinschaft Wert legt. Im allgemeinen tut der Sprecher nicht mehr, als von ihm verlangt wird. In einer Sprachgemeinschaft, die nicht auf genauer Entsprechung besteht, kann ein Echorepertoire unpräzise bleiben …"

(Skinner, Sprachverhalten, Kap. 4, dort „Der kleinste Echo-Operant“, Übers. Th. Ickler, vielen Dank noch einmal!)
Mit der Vokallänge geht im Deutschen auch eine ganz leichte Diphthonguierung einher. Darauf hat uns Detlef Lindenthal schon hingewiesen (Die Schreibung ie macht das noch deutlich). Und ist nicht gerade der sprachgeschichtliche Lautwandel zwischen Langvokal und Diphthong besonders typisch?

Vokallänge und –kürze sind also mehrfach gegen Verwechselung abgesichert! Und selbst wenn sich der Diphthong aus den offenen – „kurzen“ – Vokalqualitäten zusammensetzt, so sollte doch zumindest der Diphthong als Zwielaut wahrnehmbar sein. Die Nähe der Langvokale zum Diphthong (z.B. beim affektierten Sprechen) läßt sich vielleicht sogar besser belegen als dessen eingeschränkte Dehnbarkeit. Zudem folgt dem Diphthong nie ein Silbengelenk.

Es mag nicht immer klar zu entscheiden sein, ob ein Vokal kurz oder lang ist; wie steht es z.B. mit dem a in folgsamer? (Gibt es hier vielleicht ein Silbengelenk?) Für Fremdwörter gelten ohnehin andere Regeln (Kamera). Aber dort, wo es um das Heysesche ss geht, ist es immer völlig unzweifelhaft. Es handelt sich hier immer um betonte Stämme.

Die üblichen phonetischen Transskriptionen geben sicherlich nur die „Oberfläche“ des normalen, unaffektierten, deutlichen aber nicht „überdeutlichen“, „neutralen“ Sprechens wieder. Das ist aber nicht die gesamte Sprachwirklichkeit. Vielleicht kommt unter bestimmten Umständen auch Kind oder Brigg mit stimmhaftem Auslaut vor, ohne daß dies gleich eine Aussprache „nach der Schrift“ wäre. Durch den Besitz des Aussprache-Dudens werden wir nicht zu Phonetikern. Der Umkehrschluß kann aber nicht sein, daß der Sprecher von Aussprache nichts versteht.


eingetragen von Rolf Genzmann am 08.07.2004 um 21.59

Zum ß



Habt guten Abend Alt u. Jung
Bin allen wohl bekannt genung.
Von drauß,’ vom Walde komm ich
........................................her,
Ich muß euch sagen es weihnachtet sehr.

Theodor Woldsen Storm schreibt mit ß, drauß’,muß, Nuß etc.

Quelle: Landesbibliothek Kiel, Signatur Cb 50. 24:09

Theodor Fontane, Von Zwanzig bis Dreißig, Insel Taschenbuch 2101, schreibt über Storm,
u. a. „... mich mehr als einmal ausrufen ließen:

„Ja, wenn wir doch die gleiche, jedes Wort zur Rechenschaft ziehende Gewissenhaftigkeit hätten.“ In der Tat, wir haben nur ganz wenige Schriftsteller, die wie die Brüder Goncourts verfahren, und unter diesen Wenigen steht Storm oben an.“


__________________
Rolf Genzmann


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 08.07.2004 um 20.34

... mein Beitrag von kurz vor fünf heute nachmittag erfülle zumindest insofern eine wichtige Anforderung in bezug auf Wissenschaftlichkeit, als er im Sinne Poppers klar falsifizierbar sein müßte.
Leider kann man aber daraus, daß sich hier keiner die Mühe der Falsifizierung gemacht hat, noch nicht im Umkehrschluß folgern, daß er nicht falsifizierbar wäre; er könnte ja auch schlicht gelangweilt (oder genervt) haben.
Nachdem es niemand sonst getan hat, will ich zumindest anmerken, daß die Linguistik-Definition meines Lexikons den Heyses (ich vermute, man muß sie hierin als Einheit sehen) nicht bekannt sein konnte.
Sie verstanden sich wahrscheinlich auch überhaupt nicht als Wissenschaftler, sondern mehr oder minder als "Schulleute", die ihnen einfach erscheinende Regeln für Schüler entwickeln wollten. (Das wäre, nebenbei, eine bemerkenswerte Parallele zu den heutigen Reformern.)
Insofern würde meine deutliche Kritik den Heyses gegenüber ungerecht sein.
Das gilt aber nicht für die heutigen Reformer, die sich ja z.T. offenbar als Wissenschaftler sehen. Ihnen kann man diesen Bonus keineswegs zubilligen. Wenn man daher die Leistung der Heyses nach dem heutigen Verständnis als verzeihlichen Irrtum werten kann, so kann man diejenigen, die diesen Irrtum heute noch einmal (mit massiver Unterstützung der Obrigkeit) aufgewärmt haben, nicht mehr exkulpieren.
Mich erstaunt besonders die hier kundgetane Ansicht von Professor Ickler, er sei zwar nach wie vor gegen die Heyse-Schreibung, daß er aber dennoch der Wertung von Herrn Fleischhauer "nachdrücklich" zustimme, die Argumente gegen die Heyse-Schreibung seien alle nicht "stark".
Ich pflichte ihm zwar gerne bei, daß vieles andere an der Reform noch viel schlimmer ist, aber es ist schon von besonderer Qualität, einen selbst "seriösen" Irrtum (dabei unterstellend, daß die Heyses nicht mit heutigen Kriterien von Wissenschaftlichkeit beurteilt werden dürfen) heute erneut zu propagieren (da die für die Heyses noch einzuräumenden Entschuldigungsgründe nicht mehr gelten).
Die aus heutiger Sicht unwissenschaftliche Vorgehensweise der Heyses (das Ausblenden der Realität des ß nach kurzem Vokal) - die man ihnen u.a. aus zeitbedingten Gründen noch verzeihen mag - kann man den heutigen Reformern nicht mehr nachsehen - und das ist ein ausgesprochen starkes Argument!

(Bei Licht besehen, ist das allein ein "Killer-Argument" gegen die Reform! Und es handelt sich hier - wir alle wissen es - um das quantitativ bedeutendste Element der Reform. Wenn wir uns hier einigen könnten, so könnten wir die Reform allein an diesem Punkt aus den Angeln heben. Gerade hierin auf eine Kompromißlinie einzuschwenken, hielte ich jedenfalls für sehr kritisch.)
__________________
Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Reinhard Markner am 08.07.2004 um 19.35

Zitat:
Mit dem schlichten Satz „Das sss ist so häßlich, daß wir und bis heute nicht daran gewöhnen können“ werden wir mehr Erfolg haben, als wenn wir den Leuten vermittels feinster Analysen nachzuweisen versuchen, daß sie Texte nach Heysescher Art weder flüssig lesen noch schreiben können.
Ich meine das ganz strategisch.
"Basssaxofon" ist nicht schön, und es ist nicht gut lesbar. Das ist beides gleich einleuchtend, und es bedarf auch keiner "feinsten Analysen", um es jemandem deutlich zu machen. Wenn Sie ästhetische Überlegungen an die Stelle von linguistischen stellen möchten, halte ich das nicht für erfolgversprechend. Interessanter ist doch eine andere außerlinguistische Frage. Nämlich : Warum sollte es Aufgabe des Staates sein, die Ersetzung des einen Systems der ss/ß-Schreibung durch ein anderes zu betreiben ?

Zitat:
Wir können jedenfalls nicht den Fehler der Reformer wiederholen und den Leuten das untersagen, was sie inzwischen für richtig halten – auch wenn’s der böse Heyse ist.
Richtig, aber man darf nicht außer acht lassen, daß sie es hauptsächlich deshalb für richtig halten, weil der Staat dies vorgibt.


eingetragen von Reinhard Markner am 08.07.2004 um 19.27

Sie schreibt in lateinischer Schrift, daher nur mit ss. Das war damals ganz normal, mit Heyse hat es nichts zu tun.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 08.07.2004 um 17.37

Was ich als „Aussland“ gelesen hatte, soll wohl „Russland“ heißen.

Doch sonst: ss-Schreibung.
Leider kein Wort mit ß dabei, oder habe ich etwas übersehen?

Ich suche gerade in alten Korrespondenzen meiner Eltern aus den Kriegsjahren nach. Vielleicht werde ich da fündig.

Was mir Kopfzerbrechen macht, ist die Umsetzung in der Schule. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß zwei konkurrierende s-Systeme zugelassen werden könnten. Wir haben sie zwar de facto, doch eher ungewollt.

Priorität sollte halt doch immer wieder die Ökonomie haben: gute Lesbarkeit, wenig Verwechslungsmöglichkeiten.

Aber welche Chance haben wir denn überhaupt mit solchen Wünschen? Finden hinter den Kulissen Beratungen statt?
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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Mädchenfüralles am 08.07.2004 um 16.55

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz
… würde ich die Seite scannen und ins Forum stellen …



Catos Brief


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 08.07.2004 um 16.34

Das Beispiel des FaS-Buchs zeigt immerhin, daß der Verfasser wußte, daß er ein "Schwa" spricht. Übrigens gibt es nicht nur bei den Diphtongen Unterschiede in der Transskription. In vielen Umschriften wird eine zwischen Kurz- und Langvokal differierende Aussprache nur für e und o angegeben. Ich sehe das aber eher als eine Art "ökonomische Nachlässigkeit".


eingetragen von Theodor Ickler am 08.07.2004 um 16.13

Wie Sie wissen, ist auch bei den Qualitäten besonders der Diphthonge kaum Einigkeit zu erzielen. Daher die unterschiedlichen Transkriptionen etwa von ei/ai in die IPA-Umschrift. Schmunzeln mußte ich über das dicke Wörterbuch Deutsch als Fremdsprache, das kürzlich im Verlag deGruyter erschienen ist. Die Verbpräfixe er- usw. sind stets mit dem Schwa-Zeichen transkribiert, weil der Hauptverfasser sächsisch spricht ...
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 08.07.2004 um 16.02

Lieber Herr Ickler,
haben wir denn wenigstens ein sicheres Gefühl für Vokalqualitäten? Immerhin sind Vokalqualität und -quantität eng miteinander verbunden.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 08.07.2004 um 15.54

Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
der handschriftliche Fehler Aussland (nicht Außland, lieber David!) ist bemerkenswert, das muß ich zugeben. Man kann aber nicht jeden Fehler immer auch erklären. (Nur um einen Einwand Herrn Icklers und Herrn Markners aufzugreifen: Sollte der Brief tatsächlich in Schweizer Schreibung, d.h. immer ss statt ß, abgefaßt sein, ließe sich der Fehler auch als „irreguläre Stammschreibung“ erklären: auss wie aussen.)
Lieber Herr Markner,
ich bin erfreut, daß Sie mir nun doch zustimmen. Vielleicht kann ich meinen Standpunkt noch einmal so zusammenfassen:
Mit dem schlichten Satz „Das sss ist so häßlich, daß wir und bis heute nicht daran gewöhnen können“ werden wir mehr Erfolg haben, als wenn wir den Leuten vermittels feinster Analysen nachzuweisen versuchen, daß sie Texte nach Heysescher Art weder flüssig lesen noch schreiben können.
Ich meine das ganz strategisch.
Es gibt vielleicht auch andere wissenschaftliche Ansätze, nach denen man vorgehen könnte, die aber deshalb nicht leichter zu vermitteln sind. Es wurde hier gern davon gesprochen, daß man bei Heyse durch vermehrte „Wahlmöglichkeit“ verunsichert würde. Ich hatte mich gegen diese Vorstellung des „Wählens“ immer gewehrt, aber vielleicht ist sie auf einer sehr niedrigen Ebene der zerebralen Informationsverarbeitung zutreffend. Nun stellt sich die Frage, welche „Spuren im neuronalen Netzwerk“ das Lernen einer bestimmten Schreibweise hinterläßt, ob und bis zu welchem Alter diese wieder „löschbar“ sind. Es könnte sich dabei herausstellen, daß nichts schädlicher wäre, als das Heyse-s auch nur einen Tag länger als nötig zuzulassen. Oder das Gegenteil.
Wir können jedenfalls nicht den Fehler der Reformer wiederholen und den Leuten das untersagen, was sie inzwischen für richtig halten – auch wenn’s der böse Heyse ist.
Noch einmal zur Erinnerung, obwohl ich es schon mal erwähnt hatte: An den Unterschriften-Ständen 97/98 hörte ich des öfteren: „Das einzige, was von der Reform bleiben wird, ist das ss.“ – natürlich von Reformgegnern.


eingetragen von margel am 08.07.2004 um 15.52

Wie hier schon öfter dargelegt, führen Sprechproben nicht verläßlich zur richtigen Schreibung, z.B. wegen unterschiedlicher landsmannschaftlicher Aussprache, zweifelhafter Zuordnung der Diphthonge u.a. Auch ist die gesprochene Sprache ein Kontinuum, während die geschriebene aus diskreten Einheiten besteht. Vgl. hierzu den "Kritischen Kommentar" von Prof. Ickler. Der Königsweg zum rechten Schreiben führt über das Lesen des Richtigen. Daraus erwachsen das Sprachgefühl und die Schreibgewohnheiten, die wichtiger und nützlicher als alle Regeln sind. (Die gescheiterte Reform belegt dies aufs deutlichste).


eingetragen von Mädchenfüralles am 08.07.2004 um 15.09

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz
… würde ich die Seite scannen und ins Forum stellen …

Das neue Nachrichtenbrett könnte auch Bilder hochgeladen bekommen, hier geht der Weg bisher per email über die Redaktion@rechtschreibreform.com. Ich lade ein Bild hoch und verknüpfe es.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 08.07.2004 um 15.06

Cato schreibt per Hand. Und sie schreibt auch „dass“ und „Russland“.
__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von gestur am 08.07.2004 um 15.02

und auf früheren Computertastaturen gab es jahrzehntelang kein ß und keine Umlaute, nicht einmal Kleinbuchstaben. Trotzdem mußten damit Texte ausgegeben werden. Es sah schrecklich aus. Aber man gewöhnte sich mit der Zeit daran.


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 08.07.2004 um 14.44

Google unterscheidet zunächst ss und ß nicht. Sucht man auf den "Seiten aus Deutschland" nach "Außland" liefert Google 13.400 Fundstellen, die meisten davon sind aber "Aussland", wie die Suche "Aussland -Außland" zeigt, die 12.500 Fundstellen liefert. Aussland zu Außland steht also etwa im Verhältnis 15 zu 1.
Die Schreibweise von Cato ist also wahrscheinlich nicht heyselesk.
Aber was ist sie dann? "Wissenschaftlich einwandfrei" wurde erkannt, daß es sich um ein stimmloses s handelt, das durch ss oder ß eindeutig kodiert wird. Ich vermute, daß Cato von Heyse nie etwas gehört hat, dazu war die Kopfgeburt von Vater Heyse (Johann Christian August Heyse, der 1829 starb) oder seinem Sohn (Karl Wilhelm Ludwig Heyse) oder von beiden - ich weiß es nicht* - zumindest außerhalb von Germanistenkreisen viel zu unbekannt geblieben. Vielleicht wollte Cato tatsächlich (halb unbewußt) nur die Stimmlosigkeit betonen. Dafür wurden lange Zeit beide Varianten eingesetzt, ss oder ß, auf den ersten Blick ziemlich regellos erscheinend. Was sich meinem laienhaften Eindruck nach nicht nachweisen läßt, ist eine gesetzmäßige Koppelung an die Aussprachelänge des vorstehenden Vokals (Herr Salzburg hat dafür schöne Beispiele aus dem 17. Jahrhundert).

Ich bestreite im übrigen, daß die Heyse-Regel linguistisch einwandfrei wäre. Jedenfalls, wenn es stimmte, was in meinem Lexikon steht: "... Die heutige Linguistik erhebt den Anspruch, eine Grundlagenwissenschaft für die Geisteswissenschaften zu sein; sie leitet ihn aus der Exaktheit ihrer von den Naturwissenschaften entlehnten Beschreibungsmethoden ab."
Die Heyse-Schreibung gehörte demnach weder zur Linguistik - noch wäre sie überhaupt irgendwie wissenschaftlich (und wenn doch, dann ist sie ein wissenschaftlicher Irrtum - das wäre immerhin legitim). Sie ist eine Regel, die mutmaßlich aus der Beobachtung abgeleitet wurde, daß in Grüße das ü lang und in Küsse kurz gesprochen wird. Daraus haben die Heyses eine unzulässige Übergeneralisierung abgeleitet, die nicht auf exakter Beobachtung beruhte, sondern im Gegenteil auf einer schlicht falschen. (Der entscheidende Unterschied zwischen Grüße und Küsse ist nämlich nicht die Vokallänge, sondern die alleinige Zugehörigkeit des ß in Grüße zur zweiten Silbe - und die Auftrennbarkeit des ss in Küsse auf beide Silben.) Sie wollten die vielen Belege für ß nach kurzem Vokal, die es 1829 schon überreichlich gab, einfach nicht wahrnehmen, und haben ihre Regel gegen die Schreibwirklichkeit formuliert. Das ist aber nach der Lexikon-Definition keine Linguistik. (Schreibregeln setzen kann jeder - auch anscheinend logische - ob sie der Sprache entsprechen, ist eine völlig andere Frage.)

* Ich lasse mich sehr gerne belehren, auch zu allen anderen Punkten.
__________________
Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Theodor Ickler am 08.07.2004 um 14.33

Ich kenne keinen Text, der in Heysescher s-Schreibung gedruckt ist (vor der Reform, meine ich). Herr Denk hat mal einen gefunden, Rilke oder so was. Ich kenne aber unzählige Texte ohne ß, auch und gerade außerhalb der Schweiz gedruckte. War das schwachsinnig? Man könnte es meinen, wenn man die hier geäußerten Übertreibungen liest.
Natürlich verfolgen wir alle dasselbe Ziel, wieso denn nicht? Wenn es nicht dennoch verschiedene Meinungen zu Einzelheiten gäbe, brauchten wir kein Forum, sondern könnten uns mit Dokumentation begnügen. Denkverbote sind mir unsympathisch. Soweit ich weiß, will nicht einmal Herr Fleischhauer eine Rechtschreibreform. Ich bleibe dabei, daß seine Gedanken bisher immer beachtenswert waren. Übrigens widerspreche ich ihm gleich noch einmal, wenn er meint, wir hätten eine sichere Intuition für die Quantität von Diphthongen. Aber das ist ja ein alter Hut.

Mir ist noch eingefallen, daß es vor einiger Zeit mal eine Kleinschreibwelle gab. Alles, was links und fortschrittlich war (GEW usw.), schrieb radikal klein, manche auch nur gemäßigt klein (Frankfurter Kongreß "vernünftiger schreiben", von dem sich einige Leute bis heute nicht erholt haben). Soviel ich weiß, wurde das auch bei Schülern, die solcherart verführt waren, nicht als Fehler angestrichen, erst recht nicht von Lehrern, die den bekannten roten Lehrerkalender herausholten und vor sich hinlegten (was mir noch in meiner Referendarzeit als Provokation erschien und es auch sein sollte). Das war also eine geduldete Variante. Nun, wo ist sie geblieben? Sie hat in der freien Konkurrenz der Systeme verloren. Daran könnte man denken. Sobald die Heysesche Schreibung (die ich nicht will!!) bloß als zugelassene Variante ins Rennen geschickt würde, wäre sie wahrscheinlich schon erledigt. Aber besser wäre es natürlich, sie gar nicht erst in Betracht zu ziehen.

Hoffentlich habe ich nicht wieder etwas ganz und gar Unerlaubtes gedacht.
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 08.07.2004 um 12.25

Zitat:
Soweit ich weiß, wurde in den Vierzigerjahren der Hitlerdiktatur auch viel Heyse praktiziert.
Herr Riebe verbreitet das, ebenso Guido Knopp, der in seinen Büchern historische Zitate umschreibt. Tatsächlich aber hat man damals häufig auf Schreibmaschinen geschrieben, die keine ß-Taste hatten.


eingetragen von Reinhard Markner am 08.07.2004 um 12.19

Zitat:
Die Heyse-Schreibung ist, wissenschaftlich gesehen, „einwandfrei“, aber man muß ja nicht ausschließlich linguistisch argumentieren.
Genau ! Man muß nicht, man sollte nicht, ja man darf nicht.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 08.07.2004 um 11.50

Lieber Herr Fleischhauer,
der Brief ist abgelichtet und im Original vorgestellt.
Wenn ich wüßte, wie man das macht, würde ich die Seite scannen und ins Forum stellen.

Soweit ich weiß, wurde in den Vierzigerjahren der Hitlerdiktatur auch viel Heyse praktiziert.
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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von David am 08.07.2004 um 11.30

Da der Reformschrieb ja auch in erster Linie (eigentlich ausschließlich) für die Schule gedacht (bzw. nicht gedacht, sondern blind verordnet, aber egal) ist, ist es doch sinnvoll, sich die Fehler mal genauer bezüglich ihrer eventuellen Nachvollziehbarkeit anzusehen, was ja Rückschlüsse auf die Qualität der Lehrmethode erlaubt.
Ich beziehe mich jetzt auf das von mir weiter unten einmal angegebene Wort "Außland".

Die Schüler kriegen beigebracht: Nach langem Vokal und Diphtong steht ß.

Jetzt kommen die Beispiele: Schließlich, ich weiß, das Maß, Außerdem, außerhalb, außen.

Und jetzt kommt die Konsequenz: "Außland".

Irre ich mich, oder läßt sich dieser Fehler nicht hervorragend nachvollziehen? Gerade weil die "Regel" eine Pseudoregel ist und nur scheinbar die Sprachwirklichkeit widerspiegelt?
Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, woher sich denn Ausland nun ableitet, wer es wann wie geschrieben hat usw.
Aber Faktum ist, daß selbst die Reform das Wort "Außland" nicht vorsieht. Ihrer Regel nach spricht aber nichts dagegen, daß es dieses Wort so gibt.
Und das erzähle mal einer dann jemandem, der sich doch nur die vorgesetzten Regeln eingebleut hat, und der obendrein auch noch erzählt bekommt, nur mit dem Beherrschen dieser Regeln könne man richtig schreiben lernen!

Also schließe ich jetzt mal messerscharf: Die Regel ist komplett schwachsinnig, weil sie der Sprache nicht gerecht wird. Und man kann mit ihrer Hilfe niemandem das Schreiben beibringen (das Rechtschreiben, wohlgemerkt).

Und darum geht es doch eigentlich, wenn ich mich recht erinnere: wir (ich spreche mal im Plural, denke, das ist gerechtfertigt) machen uns hier die ganze Mühe doch zum Großteil nur deswegen, weil wir nachweisen wollen, wie sehr diese sogenannte Reform im höchsten Grade kontraproduktiv ist. Denn sie schafft keine Klarheit beim Schreiben, sondern nur Verwirrung.

Ich bitte die eventuelle Redundanz dieses Beitrages zu entschuldigen, aber ich mußte mich ernsthaft fragen, ob wir hier alle überhaupt noch dasselbe Ziel verfolgen.

Nachtrag: Mit Ziel meinte ich das Ziel in dieser Diskussion (in diesem Thread eben), genau diese Beweise gegen die vollkommen verhunzte (ich nenne sie mal so) Doppel-S-Regelung und anderer innerhalb der RSR vorzulegen. Bzw. vorzustellen. Und darüber zu diskutieren.
Ach, ich bitte die letzten drei Zeilen, in denen ich eventuelle Zweifel geäußert habe, getrost zu vergessen. Danke.
– geändert durch David am 08.07.2004, 16.59 –


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 08.07.2004 um 11.11

Lieber Herr Schäbler,
ich hatte von Argumenten gesprochen, die Ästhetik betreffen.
Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
ist der Brief im Faksimile abgedruckt?


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 08.07.2004 um 10.22

Cato tippte nicht, sie schrieb mit der Hand.
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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Norbert Schäbler am 08.07.2004 um 10.10

Zitat: Fleischhauer: „Man kann auch ästhetische Argumente ins Spiel bringen, die in dem Moment zu `starken` Argumenten werden, wenn sie allgemein Widerhall finden.“

Wenn ich das richtig verstehe, werden Argumente erst dann stark, wenn sie sich als öffentliche Meinung etabliert haben.
Und wenn ich das schlußfolgernd durchdenke, so hängt es in erster Linie von der Gnade der Uniformierungskünstler ab, damit ein Argument als solches zugelassen wird.
Mir fällt dazu ein serbisches Sprichwort ein: „Wenn alle hinken, meint jeder, er gehe richtig.“

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nos


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 08.07.2004 um 10.02

Wahrscheinlich findet man auch irgendwo den Fehler "Außland". Weil wir keine Probleme mit "Traumland", "Rheinland" usw. haben, weil wir also ein sicheres Gespür für Vokallängen haben, kann ein Fehler wie "Aussland" nicht systembegründet sein. Zunächst vermute ich hier einen reinen Tippfehler. Aber auf das Hier und Jetzt bezogen: aufgrund der Umstellung entsteht auch ein Zustand von Orientierungslosigkeit, so daß Fehler auch in einem eigentlich vertrautem System (der Buchstabenverdoppelung nach kurzem Vokal) gemacht werden. An eine mangelnde visuelle Unterscheidbarkeit kann ich ebenfalls nicht glauben. Wir können doch "Spann" und "Span" ganz gut auseinanderhalten.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 08.07.2004 um 09.47

Gerade habe ich die Lektüre des sehr lesenswerten Buches Cato Bontjes van Beek. "Ich habe nicht um mein Leben gebettelt". Ein Portät (Autor: Hermann Vinke, Arche Verlag) abgeschlossen. (Klassische Rechtschreibung!)
Erzählt wird die Geschichte von Cato, die wie Sophie Scholl wegen ihres Widerstands gegen das Regime 1943 mit 22 Jahren zum Tode verurteilt wird.
Aus ihrer Zelle schreibt die gebildete, sehr belesene junge Frau zahlreiche Briefe. Im Original, das auf Seite 159 zu sehen ist, kann man erkennen, daß Cato die Heysesche s-Schreibung benutzte. Allerdings unterlief ihr in den wenigen Zeilen ein Fehler. Sie schreibt:
"... mit meinen Gedanken bei Dir zu weilen, bei Tim im Aussland ...“

Aussland ist m.E. ein typischer „Heyse-Fehler“. Liest man doch auch oft „ausser“, weil das au kurz gesprochen wird. Von „ausser“ zum „Aussland“ ist ein kurzer Schritt.

Ist, was wissenschaftlich einwandfrei ist, immer praktikabel und gut? Ich denke, da gibt es zahlreiche Beispiele in der Geschichte, die das Gegenteil belegen können.

Ich stelle fest:

1. Verstöße gegen die s-Schreibung mehren sich. (Anregung: empirische Untersuchung!)

2. Die wissenschaftlich einwandreie Lehre führt nicht zur praktisch korrekten Umsetzung, wie häufige Regelverstöße beweisen.

3. Die Regeln in den Schulbüchern zur s-Schreibung sind allesamt verkürzt und deshalb falsch. Die Kinder geraten in die „Logikfalle“ (C. Ludwig).

4. Die Regel des Adelung, auf die man sich zu 100 % verlassen konnte (ss am Schluß bringt Verdruß), kann im Unterricht nicht mehr verwendet werden. Die Heysesche s-Schreibung ist für Kinder schwerer zu erlernen, sie können sich nicht auf "kurz" oder "lang" verlassen und müssen wesentlich mehr Einzelwörter "pauken" Der Übungs- und Arbeitsaufwand erhöht sich, da eindeutige Regeln fehlen. (s.o.)

Meine Einwände mache ich hier als erfahrene Pädagogin. Die überall auftauchenden unterschiedlichen Schreibweisen des s tun ihr übriges. Wenn wir uns damit abfinden können, daß die Buchstaben s/ss/ß künftig der Beliebigkeit preisgegeben werden, ist nichts weiter zu sagen. Dann frage ich mich allerdings, weshalb wir nicht gleich die Schweizer Schreibung einführen (was sicher nützlich wäre, aber aus ästhetischen Gründen abzulehnen ist),

Heyse als drittes System neben Adelung und Schweizer Schreibweise halte ich für eine mittelgroße Katastrophe.
__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 08.07.2004 um 08.40

Die Heyse-Schreibung ist, wissenschaftlich gesehen, „einwandfrei“, aber man muß ja nicht ausschließlich linguistisch argumentieren. Gibt es nicht Hinweise darauf, daß die neue s-Regelung zwar von vielen für gut befunden wird, daß es aber doch eine Abneigung gegen die Dreifachkonsonanten (von denen uns die Reform eine Schwemme beschert) gibt? Man kann auch ästhetische Argumente ins Spiel bringen, die in dem Moment zu „starken“ Argumenten werden, wenn sie allgemein Widerhall finden.
Ich könnte mir vorstellen, daß bei Freistellung aller drei s-Schreibungen die Adelungsche und die schweizerische die Nase vorn haben (die Schweizer haben allerdings noch viel mehr sss: Massstab u.a.), ich könnte mir auch vorstellen, daß viele bei Heyse, den sie logisch finden, bleiben wollen. Nicht vorstellen kann ich mir, daß sich Politik und Presse auf ein Experiment einlassen würden. Man erwartet immer gleich Ergebnisse.
Mir kam bei unserem Streit auch die damalige Diskussion um Icklers Bögen in den Sinn. Was ist eigentlich, wenn die Reform tatsächlich zurückgenommen wird? Kommt dann wieder ein Duden mit Einzelfallfestlegungen?


eingetragen von Detlef Lindenthal am 08.07.2004 um 06.20

Lieber Stephan,

nach wedischer Anschauung ist das gesamte Leben Therapie; ich muß meinen eigenen Therapie-Zoo auch wieder überprüfen; eine Blattlauskolonie ist dafür einfach unzureichend.
Gemeinsam mit den anderen hartnäckigen (und hartneckigen) Fällen sollte man eine Selbsthilfegruppe beginnen; die anderen können sie dann weitermachen.
Ruf doch mal an zwecks Ideenaustausch. (Viele Menschen tauschen gerne anderen Menschen die Ideen aus ;-) )
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Norbert Schäbler am 07.07.2004 um 22.23

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Stephan Fleischhauer
High Detly,
den Gullideckel hole ich noch nicht von den Schienen; muß unbedingt sehen, ob er plattgemacht wird. (Meine gebügelten Groschen aus dem guten, alten Hamburg-Volksdorf habe ich auch noch irgendwo.) Wie Du siehst, habe ich meine Therapie abgebrochen, es kann also nur schlechter werden, woraus wiederum folgt, daß es mir nicht so schlecht geht, wie man es zunächst denken könnte, wenn Du es auch nicht offen aussprichst. Mit der Erkenntnis dagegen steht es ganz anders, dafür aber wie immer: Sie könnte besser sein. Vom Studium rede ich erst gar nicht. Unter welchem Strang (würg!) treffen wir uns demnächst?
Gruß, S.

Finde ich kopierwürdig, nachts um 00:16 Uhr -
"muß" und "daß" mit Buckel-ß!

__________________
nos


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 07.07.2004 um 22.16

High Detly,
den Gullydeckel hole ich noch nicht von den Schienen; muß unbedingt sehen, ob er plattgemacht wird. (Meine gebügelten Groschen aus dem guten, alten Hamburg-Volksdorf habe ich auch noch irgendwo.) Wie Du siehst, habe ich meine Therapie abgebrochen, es kann also nur schlechter werden, woraus wiederum folgt, daß es mir nicht so schlecht geht, wie man es zunächst denken könnte, wenn Du es auch nicht offen aussprichst. Mit der Erkenntnis dagegen steht es ganz anders, dafür aber wie immer: Sie könnte besser sein. Vom Studium rede ich erst gar nicht. Unter welchem Strang (würg!) treffen wir uns demnächst?
Gruß, S.


eingetragen von Klaus Eicheler am 07.07.2004 um 20.19

Ich glaube nicht, daß es etwas mit der logischen, historischen oder phonetischen Herleitung der richtigen Schreibung zu tun hat. Das Doppel-s, vor allem bei „daß“/„dass“, ist ein Symbol. Wer Texte in bewährter Rechtschreibung sucht, überfliegt den Text und prüft das „daß“. Die Reformisten-Beckmesser finden darin auf einfachste Weise das Erfolgserlebnis: „Ha! Falsch! Das schreibt man jetzt aber mit Doppel-s!“

Ich stelle die These auf, daß der Großteil der „ss“-Benutzer dies aus Gleichgültigkeit, Opportunismus oder Microsoftismus tut (nur 13 % als Befürworter der Reform). So sehr die Diskussion um die richtige Schreibweise der akademischen Erkenntnis nützt -- die „schweigende Mehrheit“ wird sich nicht damit befassen.

Wenn „dass“ den offiziellen Anstrich hat, wird „dass“ benutzt. Die Reformisten glauben, sie haben Recht, während die anderen recht haben. Bei einer Rücknahme der Reform (wahrscheinlich reicht eine Pressenotiz aus irgendeinem Ministerium: „Ab morgen wieder ‚daß‘ – Grüße, Ihr Landwirtschaftsminister“) wird die Masse wieder bereitwillig umschwenken. Argumente haben darauf keinen Einfluß. Die Personen, die sich mit Hintergründen befassen, haben sich bereits entschieden. Aber das ist nicht die Masse.

Zitat:
Und auf vorgeschriebnen Bahnen
Zieht die Menge durch die Flur;
Den entrollten Lügenfahnen
Folgen alle. – Schafsnatur!

Goethe

__________________
Klaus Eicheler


eingetragen von gestur am 07.07.2004 um 14.37

Bis zum Verbot der Frakturschrift wurden am Silbenende ß und ss durch ß oder durch Lang-s plus Schluß-s gekennzeichnet. Mit beiden Fraktur-Schreibweisen wurde das Silbenende deutlich gekennzeichnet, viel deutlicher als in der Antiqua-Schrift. Deshalb ist die Frage der besseren Kennzeichnung des Silbenendes erst mit der Einführung der Antiqua-Schrift akut geworden.


eingetragen von Theodor Ickler am 07.07.2004 um 13.51

"Wenn die Freigabe der s-Schreibung zunächst zu einem mittelschweren Durcheinander führt, kann man es uns zumindest nicht anlasten. Wir haben das Tor ja nicht aufgestoßen... Mir ging es aber vor allem um eine Diskussion ganz unter uns. In diesem Sinne hatte ich den Vorschlag "ernstgemeint". Mir wäre schon wohler, wenn wir unsere Argumente sorgfältig gewichten würden. Es kommt doch nicht auf deren Masse an! Natürlich gibt es einiges gegen das Heyse-ss einzuwenden. Nur sind das alles keine wirklich starken Argumente."

Diesen Worten von Hern Fleischhauer möchte ich nachdrücklich zustimmen. Meiner Ansicht nach sind manche Reaktionen auf seine und meine Gedanken (die ich bei aller Verschiedenheit mal zusammenfasse) überraschend heftig ausgefallen. Auch ich will - noch mal sei es gesagt - die Heysesche s-Schreibung nicht wiedereinführen. Sie ist aber nicht in derselben Hinsicht falsch und abzulehnen wie andere Teile der Neuregelung, und sie darf keinesfalls verbindlich vorgeschrieben werden. Sie ist immerhin, ich wiederhole mich, "seriös". Manche Diskussionsteilnehmer scheinen vergessen zu haben, daß die gewohnte Adelungsche Schreibweise nicht am Berge Sinai verkündet wurde, sondern verhältnismäßig jung und ein bißchen zufällig ist. Und was die Schweizer Schreibweise betrifft, lieber Herr Lindenthal, so wird sie nie aufgegeben werden, so daß wir auf jeden Fall mit zwei Systemen der s-Schreibung rechnen müssen.
Der breite Widerstand gegen die Heysesche s-Schreibung ist eine Tatsache, aber er ist linguistisch nicht in derselben Weise begründet wie die Ablehnung der GZS und der GKS (die viel weniger Gemüter bewegt, uns Linguisten aber so richtig auf die Palme bringen kann).
Mir geht es darum (und darin bin ich mit Herrn Fleischhauer einig, dem wir alle und besonders ich viele wertvolle Überlegungen verdanken), daß wir unsere Position nicht durch haltlose Übertreibungen schwächen sollten. Natürlich sind diejenigen begründungspflichtig, die etwas ändern wollen, aber hier in diesem Kreise darf man offene und redliche Gedankenäußerungen erwarten. (In E-Mails ist mir sogar nahegelegt worden, in Herrn Fleischhauer einen Agenten der Reformer zu sehen ...) Wenn man Herrn Fleischhauers Gedanken genau verfolgt hat und sine ira et studio betrachtet, wird man finden, daß er lauter vernünftige Dinge gesagt hat. Die meisten von uns wollen die Heysesche Schreibung nicht, auch wenn wir noch eine Weile mit ihr leben müssen. Herr Fleischhauer könnte sich mit ihrer Wiedereinführung abfinden. Wir ziehen also aus einem komplizierten Geflecht von Argumenten verschiedene Folgerungen. Das ist aber doch kein Grund, übereinander herzufallen. Zumal Herr Fleischhauer selbst überhaupt kein Eiferer ist.

Ich erinnere mich an länger zurückliegende Debatten. Damals wurde mir mit furchtbarer Energie vorgehalten, daß ich in einigen Punkten von der Dudenrechtschreibung abweiche. Es half mir wenig, daß ich nachweisen konnte, wie wenig die Dudenrechtschreibung mit der Schreibwirklichkeit und auch mit der eigenen Schreibpraxis meiner Kritiker übereinstimmte. Ein paar Rundbögen brachten mir die Klage ein, ich wollte die Rechtschreibung der "Beliebigkeit" opfern usw. Die Vorwürfe waren so heftig, daß sie sich zum Teil hinter Pseudonymen versteckten. Inzwischen hat sich die Aufregung gelegt, die Praxis in meinem Wörterbuch hat viele überzeugt, daß es so ganz gut geht. (Nur Herr Kürschner und wohl ein gewisser Herr Schoebe kreiden mir noch an, daß mein Wörterbuch keine genaue Abschrift des Duden ist.) Verständnis braucht eben seine Zeit. Jede s-Schreibung hat was Behelfsmäßiges, das habe ich schon in meinen allerersten Schriften gezeigt. Vor diesem Hintergrund könnte sich die Diskussion etwas beruhigen.
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Th. Ickler


eingetragen von Detlef Lindenthal am 07.07.2004 um 13.04


Stephan Fleischhauer schrieb::
die Diskussion auf diesen Seiten war schon einmal viel weiter. Um hier andere nicht zu belästigen, verweise ich nur auf den Thread "ss/ß-Schreibung und die Problematik der Vokallänge …"
Lieber Stephan,

habe ich denn mal wieder den Sprachwandel nicht mitbekommen? Ist Thread inzwischen ein deutsches Wort? Aufgrund Großschreibung sieht es danach aus. Wie wird es ausgesprochen? Und sicherlich hat es Dudens Rechtschreibreform von 1901 verschlafen; diese nachholend sollte man doch lieber Tread schreiben.

Hatten wir uns nicht mal überlegt, Rechtschreibreformen in alle möglichen Länder zu exportieren?

Früher, als Schulbuben, haben wir an der Privateisenbahn Kiel–Schönberg Schottersteine und Pfennige auf die Schienen gelegt und uns gefreut, wenn der Zug sie flachgemacht hat (bis ein Erwachsener uns fürchterlich angemuckt und diesen Spaß nicht gegönnt hat).
Inzwischen bin ich selbst Erwachsener, habe erwachsene Kinder und gönne den Halbwüchsigen manchen Spaß nicht; die jeweiligen Gründe bin ich bereit zu erörtern.
Je nach Gegenstandsgröße kann man die Erwachsenen ganz gut in Trab halten, wenn man Dinge auf die Schienen legt. Ab einer gewissen Größe findet man damit sogar Erwähnung in den Nachrichten.

Und sonst so? Nach dem Stand von Studium, Erkenntnis und Wohlbefinden möchte ich mich hiermit erkundigt haben.

In alter Verbundenheit
Detlef


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 07.07.2004 um 12.53

Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
ich antworte gern direkt auf Ihre Fragen, aber machen Sie doch bitte ein neues Thema auf mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß man dort auch Kritik der von unserer Seite immer wieder vorgebrachten Argumente findet. Am besten ein Warnhinweis schon im Titel des Threads, damit man es auch auf der Seite "neueste Beiträge" sofort "überblättern" kann.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 07.07.2004 um 11.48

Sehr geehrter Herr Fleischhauer,
danke für Ihre dreifache Belehrung.
Das nächste Mal werde ich zuerst das ganze Forum durchblättern (wird mich Tage kosten), ehe ich etwas zu schreiben wage.

Solches „Miteinander“ habe ich in anderen Foren kennengelernt. Hier ist es mir neu. Schade.

__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von gestur am 07.07.2004 um 10.44

"Ausland" ist kein Land, das aus, sondern das außen ist.
"Ausländer" sind nicht solche, die hinausgegangen, sondern die von außen hereingekommen sind.

Es wundert mich sehr, daß die Rechtschreibkommission das übersehen hat.

Im Niederdeutschen ist es klarer: binnen und buten, folglich Binnenländer und Butenländer.


eingetragen von Matthias Dräger am 07.07.2004 um 10.17

Lieber Herr Fleischhauer,

ich denke, wir sind nicht dazu befugt, uns Gedanken zu machen über eine mögliche zukünftige Architektur einer neuen Rechtschreibung, gewissermaßen „post Rechtschreibreform“. Wenn wir das beginnen, reihen wir uns in die Reformer ein.
Ein endgültiges Aus der Rechtschreibreform berechtigt uns keineswegs, eigene Spekulationen anzustellen.

Meine Aufgabe sehe ich darin, eine Plattform zu schaffen, um Nachrichten über die Folgen der Rechtschreibreform zu bündeln und zugänglich zu machen. Das bedeutet mittelfristig das Ende des Reformexperimentes, wenn man Erkenntnissen die Ehre gibt.

Über Übergangslösungen für die Schulen kann man sich gerne unterhalten, wir müssen aber erst einmal wieder festen Boden unter den Füßen gewinnen. Dafür ist der Text, wie er für den Volksentscheid in Schleswig-Holstein zur Anwendung kam, geeignet wie kein anderer, er ist zigmal von Gremien geprüft worden und war Grundlage einiger Volksinitiativen (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen, Bayern).
Der Text des Gesetzesentwurfes führt übrigens auch automatisch zu der Rechtschreibung, in deren Schoß die FAZ reumütig zurückgekehrt ist.
Die allgemeine Meinung der Leser zu diesem Schritt dürfte sich auch in Kiel herumgesprochen haben.

Vielleicht bewerben Sie sich einmal beim IDS? Die suchen immer Leute, die Wörter neu erfinden wollen.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 07.07.2004 um 09.54

Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
die Diskussion auf diesen Seiten war schon einmal viel weiter. Um hier andere nicht zu belästigen, verweise ich nur auf den Thread "ss/ß-Schreibung und die Problematik der Vokallänge …"


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 07.07.2004 um 09.53

gelöscht - Tschuldigung, wollte nur ändern.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 07.07.2004 um 09.51

gelöscht


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 07.07.2004 um 09.45

David bringt es auf den Punkt:

„Entweder liegt es daran, daß der Reformschrieb nicht richtig unterrichtet/an die Masse gebracht wird, oder daß er überhaupt nicht richtig unterrichtet/an die Masse gebracht werden kann, weil seine in Teilen scheinbare Logik sich in der Praxis als Blindgänger erweist.
Ich persönlich denke (und bin damit auch bestimmt nicht allein), es ist wohl klar, was der Fall ist: Ein nicht zu unterrichtendes System wird eben deshalb nicht richtig unterrichtet.“


Seit der Reform kursieren Millionen von Sprachbüchern mit falschen Reformregeln in den Schulen. Es sind Regeln, wie ich sie bereits am Beispiel eines Buches von Menze/Menze ins Forum gestellt habe.
Der Fehler der Reformer - und ich glaube fast, die kapieren das wirklich nicht - ist, daß sie die „Umlernregel“, also eine Teilregel, für das Ganze setzen:

Teilregel: ss nach kurzem Vokal
So steht es in allen Schulbüchern. So lernen es die Schüler. (Man will ja so tun, als sei die NR logisch und leicht.)
Um zu einer praktikablen Regel zu werden, bedarf es jedoch eines Nachsatzes:

ss nach kurzem Vokal statt ß

So kann man die Regel erst richtig anwenden. Aber dann müßte man den Schülern vorher beibringen, wie wir bis 1996 geschrieben haben.
Die Teilregel: „ss nach kurzem Vokal“ ist schlicht und einfach falsch und daher eine Zumutung für jeden Lernenden!

Genauso verhält es sich umgekehrt mit ß:

Teilregel: ß nach langem Vokal
Führt ebenso in die Falle, weil das so nicht stimmt! Es kann auch s stehen!
Die Regel mußte deshalb lauten:

ß nach langem Vokal, wo kein s geschrieben wird

Was für seinen Sinn aber macht so eine "Regel"?
Das ist keine Regel, sondern eine Möchtegernregel.

Das Problem besteht einfach darin, daß der ß-Laut in der klassischen RS nicht dazu da war, Längen von Vokalen zu kennzeichnen, sondern zwecks besserer Lesbarkeit das Wort- oder Silbenende markierte. Und daraus macht man jetzt eine Regel, die auf Aussprache basiert. Das geht nicht. Man hat die Funktion des ß verändert und setzt ihm gleich einen neuen Hut auf. Mir scheint, viele Schulbuchmacher und auch Lehrer haben das noch gar nicht begriffen.

Eigentlich kann man die s-Schreibung kaum mir Regeln unterrichten. Sie ist einzig durch Auswendiglernen zu beherrschen.
Früher hatte man noch eine wirkliche Regel, die half immer: ss am Schluß gibt Verdruß. Das war eine gute Regel, die half. Heute gibt es für das Lernen der s-Schreibung keine seriösen Regeln mehr. Denn die oben genannten sind keine.
__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Matthias Dräger am 07.07.2004 um 09.41

Lieber Herr Fleischhauer,

Sie haben doch tüchtig in der Volksinitiative mitgeholfen. Von daher ist uns allen auch wohl klar, für wen wir das machen.

Vielleicht kann man die Diskussion auch einmal vereinfachen mit der Gretchenfrage:

Was will die Bevölkerung?
Will die Bevölkerung ein Durcheinander in der Schule, oder will sie das nicht?
Wollen die Leute eine Einheit von Schule und Gesellschaft (Eltern), oder wollen sie diese Einheit nicht?


Was ein Herr Fleischhauer aus Kiel auch noch für möglich hält, steht auf einem anderen Blatt.


eingetragen von Matthias Dräger am 07.07.2004 um 09.32

http://www.rechtschreibreform.com/Seiten2/Wissenschaft/032WraseZahlen/032WraseZahlenUe.html


http://www.rechtschreibreform.com/Seiten2/Wissenschaft/032WraseZahlen/032Wrase2FII.html


Wrase schreibt.
LBZ (2) zeigt, daß sich im Berich ss/ß-Neuregelung fast nur neue Fehler entstanden sind. 1998 waren es 3, davon einmal Fairness und einmal krass; letzteres wurde zufällig in einer Zwischenüberschrift zitiert und damit verdoppelt. Fairness gehörte 1998 selbstverständlich zur allgemein üblichen Schreibung: Kein Fitness-Center schrieb sich mit ß; neben Wellness wurde Fitness sowieso englisch belassen.; in Fällen wie Uniqueness verbietet sich die Eindeutschung.
(...)
Dagegen stehen 9 Fehler von 2000: 4 x Typ Schluß, 1 x Typ Zeugniss, 1 x Typ Fussball und 3 x dass statt des Relativpronoms das. Damit spiegelt sich auf statisch niedrigem Niveau die allgemein Erfahrung wieder, daß durch die Reform falsche ss-Schreibungen multipliziert werden.
(...)






eingetragen von Stephan Fleischhauer am 07.07.2004 um 09.25

Solange hier niemand anders Heyse verteidigt, wird man auch die 1000. Verteidigung von mir lesen. Aber zum Glück ist dieses Forum so gut geordnet, daß man sich sogar das ersparen kann. Ein Tip zur Verbesserung: Je zwei gesonderte Threads pro und kontra Heyse. Dann kann man noch besser vorsortieren, was man lesen will.


eingetragen von David am 07.07.2004 um 09.20

Es sind viele ziemlich "seltsame" Fehler, die die Heysesche S-Schreibung nach sich zieht, und die sich meiner Ansicht nach häufen:

Vor kurzem las ich das Wort "Außländer". Ebenso wurde ich mit dem Satz "ich kenne mich nicht auß" konfrontiert. Alles aus der Feder bzw. aus den Tasten von Jugendlichen, die mit der Reformschreibung aufgewachsen sind.
Zuzüglich dazu kommt die schon erwähnte und stark auffällige Fehlerhäufung bei dass/das und bei Wörtern wie beispielsweise Ergebnis/Zeugnis usw. (die mir immer wieder als "Ergebniss" und "Zeugniss" unterkommen).
Wenn die Heysesche Schreibung doch so logisch ist, dann dürften solche Fehler doch bei Menschen, die mit ihr schreiben gelernt haben, gar nicht vorkommen!

Andere, unter anderem auch Studenten, die schon seit Jahren der Schule entwachsen sind, also den Reformschrieb gar nicht mehr dort mitbekommen haben, schreiben auffällig oft Wörter wie "heiss", "weiss" oder das berühmte "Scheisse".
Diejenigen, die dann ganz schlau sein wollen, fabrizieren mitunter dann solche "Wörter" wie "weiß machen", wenn sie "weismachen" meinen.

Das alles sind doch höchst aussagekräftige Fehler. Entweder liegt es daran, daß der Reformschrieb nicht richtig unterrichtet/an die Masse gebracht wird, oder daß er überhaupt nicht richtig unterrichtet/an die Masse gebracht werden kann, weil seine in Teilen scheinbare Logik sich in der Praxis als Blindgänger erweist.
Ich persönlich denke (und bin damit auch bestimmt nicht allein), es ist wohl klar, was der Fall ist: Ein nicht zu unterrichtendes System wird eben deshalb nicht richtig unterrichtet.


eingetragen von Reinhard Markner am 07.07.2004 um 09.18

Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich möchte nicht zum 1000. Mal eine Heyse-Verteidigung von Herrn Fleischhauer lesen.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 07.07.2004 um 09.04

Es gibt beim Heyse-s eine Leseerschwernis, aber die ist geringfügig.
Wenn mich mein Gefühl nicht täuscht, waren die Fehlerzahlen, was das Heyse-s betrifft, kurz nach der Umstellung 1998 wesentlich höher als jetzt (das würde ich z.B. bei der neuen GZS so nicht sagen).


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 07.07.2004 um 08.51

Herr Fleischhauer,
das verstehe, wer will.
Als ob in diesem Forum nicht seitenweise Beispiele dafür erbracht worden seien, daß die Heysesche s-Laut-Schreibung erstens das Lesen bei bestimmten Wörtern erschwert und zweitens massenhaft Fehler nach sich zieht.
Und Sie meinen, die Fehler haben im s-Bereich abgenommen? Das möchte ich doch genauer wissen.
Roß und Reiter bitte!
__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von gestur am 07.07.2004 um 07.43

von seiner Abstammung her Rusland geschrieben werden. Er kommt von der Kiewer und danach Moskauer Rus. Rus war der finnische Name für die schwedischen Wikinger und danach die Bezeichnung für die Herrscherfamilie, die dieses Land eroberte und bis zum Mongolen-Einfall beherrschte. (Nachzulesen in Gottfried Schramm, Altrusslands Anfang, Rombach Verlag, 2002)

Aber die heutigen Sachsen und Franken benennen sich ja auch nur nach ihren früheren Herrschern (sächsische und fränkische Grafen), die diese Länder eroberten, und sind keine wirklichen Sachsen und Franken.


eingetragen von Matthias Dräger am 07.07.2004 um 07.35

Die Abgeordneten des schleswig-holsteinischen Landtages haben sich von ihrem Hausjuristen, der übrigens auch im Landeshaus sitzt, eine knapp einseitige Stellungnahme eingeholt, ob der Volksentscheid aufgehoben werden darf.
- Dr. Horst Wuttke, Schreiben vom 14. Juli 1999 (sehr komisch), Zeichen L 230-398/14 -

Dr. Wuttke macht sich die Sache denkbar einfach, er sagt (sinngemäß): „Die Landesverfassung stellt Gesetze, die durch einen Beschluß des Landtages zustande gekommen sind und ein volksbeschlossenes Gesetz auf eine Stufe.“
Also kann, seiner Meinung nach, der Landtag ein volksbeschlossenes Gesetz auch wieder aufheben.

Der Artikel 2 - Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Das Volk bekundet seinen Willen in Wahlen und Abstimmungen. - kommt in der Stellungnahme gar nicht vor.

-----------
Natürlich hat die Initiative versucht, gegen die Aufhebung des Volksentscheides mit juristischen Mitteln vorzugehen. Dr. Ullrich Kliegis/Kiel, Vorsitzender eines Elternvereins, hat sich die Mühe gemacht, die Sache mit einem engagierten Anwalt in Angriff zu nehmen.
Nach einer ersten Abweisung beim Kieler Gericht ging, da Schleswig-Holstein kein eigenes Verfassungsgericht besitzt, die Sache an das zuständige Bundesverfassungsgericht.

Nun, dreimal darf man raten:
Die Klage wurde vom BVerfG gar nicht erst angenommen.


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 07.07.2004 um 07.34

Man kann nicht ernsthaft behaupten, daß die Heysesche Schreibung "schwer lesbar" ist. Natürlich ist jede Art von Ausdifferenzierung der Schrift eine Lesehilfe. Aber da wir gerade beim Thema "Strategie" sind - wollen wir uns in unseren Leserbriefen wirklich für die Schlußbuchstabigkeit ins Zeug legen?
Ich habe übrigens das Gefühl, daß die Fehlerzahl bezüglich der s-Schreibung seit Einführung der Reform schon abgenommen hat.


eingetragen von gestur am 07.07.2004 um 07.23

also in finiten Formen (Endungen) von Verben mit ss im Stamm, könnte auch das Stamm-ss stehen bleiben. Bei sst als Silbenende erhöht ßt die Lesbarkeit nicht. Oder ist die Meinung der Mehrheit anders?


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 07.07.2004 um 07.22

Wenn die Freigabe der s-Schreibung zunächst zu einem mittelschweren Durcheinander führt, kann man es uns zumindest nicht anlasten. Wir haben das Tor ja nicht aufgestoßen... Mir ging es aber vor allem um eine Diskussion ganz unter uns. In diesem Sinne hatte ich den Vorschlag "ernstgemeint".
Mir wäre schon wohler, wenn wir unsere Argumente sorgfältig gewichten würden. Es kommt doch nicht auf deren Masse an! Natürlich gibt es einiges gegen das Heyse-ss einzuwenden. Nur sind das alles keine wirklich starken Argumente. Ich füge gern noch etwas hinzu: Die bestehenden Eigennamen vertragen sich schlecht mit Heyse ("Russland" oder "Rußland"? "Litfaßsäule"), der Ligaturcharakter des ß geht verloren.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 07.07.2004 um 07.10


Theodor Ickler schrieb::
Es geht bei unserem Vorschlag nur darum, statt zweier Systeme künftig drei gelten zu lassen ...
Wenn die eidgenössischen Rechtschreiber einen Funken Wahrheitsliebe besitzen, werden sie sich daran erinnern, daß sie gemeinsam mit ihren berg- und flachlanddeutschen Kollegen angetreten waren, eine einheitliche deutsche Rechtschreibung zu verwirklichen. Und das bedeutet für die Schweizer: Angleichung der Schweizer Schul- und Zeitungsschreibung an die Schreibweise in Schweizer Büchern, also entsprechend dem Duden _20 vv.
Dazu zitiere ich aus der Wiener Absichtserklärung der Kultusminister vom 1.6.1996:
„Die zuständigen staatlichen Stellen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz werden Experten in eine Kommission für die deutsche Rechtschreibung entsenden, deren Geschäftsstelle beim Institut für Deutsche Sprache in Mannheim eingerichtet wird.
Die Kommission wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hin.“
Außerdem:
„Die Kultusministerkonferenz hat auf ihrer 278. Plenarsitzung am 27./28.02.1997 in Bonn eine
Erklärung zur Neuregelung der Rechtschreibung verabschiedet“, in der sie „zur Klärung noch einmal fest[stellt]":
Erklärung der Kultusministerkonferenz zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung ...

"1. Die Neuregelung der Rechtschreibung ist in der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern und in Abstimmung mit den anderen deutschsprachigen Staaten in einem langjährigen Beratungsprozess erarbeitet und von den dazu legitimierten politischen Instanzen beschlossen worden. Die politischen Entscheidungsträger haben durch ihren gemeinsamen Beschluss zur Einführung der Neuregelung in allen Schulen und Behörden im gesamten deutschen Sprachraum dabei auch ihre Verantwortung und Verpflichtung wahrgenommen, die notwendige Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung sicherzustellen. Die Kultusminister betonen, dass es für die Rechtschreibung nur eine gemeinsame Regelung in allen Ländern geben kann. Die Einheitlichkeit des Sprachraums in Frage zu stellen, wie es die genannten Initiativen tun, ist für die Kultusministerkonferenz inakzeptabel. [Hervorhebungen durch mich, D.L.]
Diese erfrischend klaren Aussagen können folgerichtig nur bedeuten, daß die Schweiz
a.) ihre innere Rechtschreibspaltung (Bücher einerseits, Zeitungen und Schulen andererseits) aufgeben will, und auch
b.) ihren Sonderweg gegenüber dem übrigen deutschen Sprachraum verlassen will.

Demzufolge geht es nicht darum, „statt zweier Systeme künftig drei gelten zu lassen“ (Th. Ickler), sondern darum, daß die leichtlernliche Einheitlichkeit wiederhergestellt wird.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Klaus Malorny am 07.07.2004 um 07.07

Zitat:
Aber wie gesagt, wenn sich zu wenige Mitstreiter damit einverstanden erklären können, will ich es im Augenblick nicht weiterverfolgen.

Meiner Laienmeinung nach hat die Heysesche s-Schreibung doch einen ganzen Rattenschwanz nach sich gezogen - die Dreifachkonsonantenschreibung und die wiederum die Binde-Strich-Manie. Alle drei sind Lesehürden und sollten daher, mit Verlaub, auf den Müll.

mfg.

Klaus Malorny


eingetragen von Reinhard Markner am 07.07.2004 um 06.51

Das Argument von Herrn Reimers ist sehr wichtig. Schon mit den im Regelwerk eingeführten Varianten haben sich die Reformer nicht beliebt gemacht, und sie haben ihnen auch in praktischer Hinsicht viel Ärger bereitet, man denke nur an die Darstellung der Silbentrennung in den Wörterbüchern oder den Duden-Versuch, mit dem Praxiswörterbuch Vorzugsvarianten zu propagieren.

In einigen weniger herausstechenden Fällen sollten wir aber unsere Toleranz unter Beweis stellen. Ich nenne mal ein paar Beispiele, die auch schon im Ickler stehen, aber eben verstreut unter den vielen Lemmata.

Albtraum*
außer Acht lassen
im Dunkeln tappen
Schänke
so viel (wenn nicht Konjunktion)
überschwänglich**

*So immer schon in der FAZ.
**So immer schon in der NZZ.


eingetragen von Christoph Kukulies am 07.07.2004 um 06.45

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Matthias Dräger
Die Heysesche ss-Regelung hat Nachteile ohne Ende, daher möchte ich hier nur ganz kurz darauf eingehen:

...

Frau Pfeiffer-Stolz hat für die Grundschule klare Verhältnisse gefordert. Ich denke, die beste Schreibung sollte für alle Klassen gelten.

...

Übrigens haben die meisten Kinder auch Eltern. Die Eltern helfen ihren Kindern bei den Hausaufgaben auch lieber, wenn sie deren Rechtschreibung beurteilen und hier helfend eingreifen, kontrollieren können.



Das nächste Argument wird ja dann das sein, daß wir den Kindern und "ganzen Schülergenerationen" ein Umlernen nicht zumuten können.

Gut, was mutet man derzeit der Majorität der Bevölkerung alles zu und die Kultusminister haben in der Vergangenheit nie Rücksicht auf mögliche Schäden bei Ihren Massenexperimenten an Schulkindern - man denke nur an die Mengenlehre, Ganzheitsmethode - genommen.
Zitat:



Ach ja, dann kann ich mich noch an eine Geschichte in Schleswig-Holstein erinnern. Das Mandat, das wir Reformgegner von den Schleswig-Holsteinern bekommen haben und das meiner Ansicht nach immer noch gültig ist, da eine Aufhebung eines Volksentscheides verfassungswidrig* ist, lautet:

Gestzentwurf der Volksinitiatie „WIR gegen die Rechtschreibreform“: Folgender § 4 Abs. 10 wird in das Landesschulgesetz aufgenommen:
„In den Schulen wird die allgemein übliche Rechtschreibung unterrichtet. Als allgemein üblich gilt die Rechtschreibung, wie sie in der Bevölkerung seit langem anerkannt ist und in der Mehrzahl der lieferbaren Bücher verwendet wrid.“


---------------------------------------------
* Die Verfassungswidrigkeit ergibt sich aus der schleswig-Holsteinischen Verfassung:

Artikel 2
Demokratie, Funktionstrennung

(1) Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus.
(2) Das Volk bekundet seinen Willen durch Wahlen und Abstimmungen. Es handelt durch seine gewählten Vertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie durch Abstimmungen.
(3) Die Verwaltung wird durch die gesetzmäßig bestellten Organe, die Rechtsprechung durch unabhängige Gerichte ausgeübt.




Haben Sie seinerzeit eigentlich die Aushebelung des Volksentscheids durch das schleswig-holsteinische Landesparlament auf den Prüfstand der Verfassungsmäßigkeit gestellt? Wenn nicht, könnte man es heute noch tun?

Auch eine andere Frage, die Herr Prof. Ickler jüngst noch einmal aufwarf, verdient Beachtung: wie ist es mit der derzeitigen Verfassungsmäßigkeit der Kultusministerverordnung - etwas anderes ist die "RSR" ja nicht - bestellt? Stichwort: Ausrichtung des Lehrinhalts an den tatsächlichen Gegebenheiten.


__________________
Christoph Kukulies


eingetragen von Matthias Dräger am 07.07.2004 um 04.50

Die Heysesche ss-Regelung hat Nachteile ohne Ende, daher möchte ich hier nur ganz kurz darauf eingehen:

Wie Detlef Lindenthal bemerkt hat, ist diese Regelung im Massenexperiment gescheitert - gescheitert vor allem auch deswegen, da sie zu einer erhöhten Fehlerhäufigkeit geführt hat.
Es gab überhaupt keinen vernünftigen Grund, unsere bestens bewährte Rechtschreibung gerade in diesem Bereich zu torpedieren.

Von Prof. Ickler ist mir ferner eine Bemerkung über die ss-Regelung der RSR in Erinnerung: „Ein gravierender Nachteil ist, daß sie überhaupt eine Änderung ist.“ Dieser Nachteil kommt noch hinzu: Jede Änderung, die ohne Not von oben verordnet wird, führt zur Spaltung, zerstört bestehende Einheit.

Frau Pfeiffer-Stolz hat für die Grundschule klare Verhältnisse gefordert. Ich denke, die beste Schreibung sollte für alle Klassen gelten.
Wir müssen auch an die Lehrer denken: Auch für den Lehrer ist es einfacher, wenn er bei der Korrektur nur nach einer Rechtschreibung zu korrigieren hat. Ein Umschalten zwischen verschiedenen Orthographien, von Heft zu Heft, das kann man an einem Nachmittag einmal machen, aber auf die Dauer wäre es eine ziemliche Zumutung, vor allem eine Zumutung, für die es überhaupt keine Notwendigkeit gäbe.

Übrigens haben die meisten Kinder auch Eltern. Die Eltern helfen ihren Kindern bei den Hausaufgaben auch lieber, wenn sie deren Rechtschreibung beurteilen und hier helfend eingreifen, kontrollieren können.

Ach ja, dann kann ich mich noch an eine Geschichte in Schleswig-Holstein erinnern. Das Mandat, das wir Reformgegner von den Schleswig-Holsteinern bekommen haben und das meiner Ansicht nach immer noch gültig ist, da eine Aufhebung eines Volksentscheides verfassungswidrig* ist, lautet:

Gestzentwurf der Volksinitiatie „WIR gegen die Rechtschreibreform“: Folgender § 4 Abs. 10 wird in das Landesschulgesetz aufgenommen:
„In den Schulen wird die allgemein übliche Rechtschreibung unterrichtet. Als allgemein üblich gilt die Rechtschreibung, wie sie in der Bevölkerung seit langem anerkannt ist und in der Mehrzahl der lieferbaren Bücher verwendet wrid.“


---------------------------------------------
* Die Verfassungswidrigkeit ergibt sich aus der schleswig-Holsteinischen Verfassung:

Artikel 2
Demokratie, Funktionstrennung

(1) Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus.
(2) Das Volk bekundet seinen Willen durch Wahlen und Abstimmungen. Es handelt durch seine gewählten Vertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie durch Abstimmungen.
(3) Die Verwaltung wird durch die gesetzmäßig bestellten Organe, die Rechtsprechung durch unabhängige Gerichte ausgeübt.



eingetragen von Theodor Ickler am 07.07.2004 um 03.44

Vielleicht ist es wirklich nicht so geschickt, ausgerechnet jetzt so etwas vorzuschlagen, wo es gar nicht mehr nötig sein dürfte. Es trifft auch zu, daß die reformierte ss-Schreibe der Geßlerhut ist und man gerade deshalb hier hart bleiben sollte.
Allerdings bleibe ich dabei, daß von "völliger Freigabe" oder "Beliebigkeit" keine Rede sein kann. Es geht bei unserem Vorschlag nur darum, statt zweier Systeme künftig drei gelten zu lassen, die aber alle drei in sich stimmig sind. Und es geht auch darum, nicht mit Argumenten aufzutreten, die übertrieben bzw. unhaltbar sind. Unter unseren Mitstreitern sind so bedeutende Köpfe wie Jean Marie Zemb, der die Reform insgesamt strikt ablehnt, der Heyseschen s-Schreibung aber etwas abgewinnen kann, vor allem weil aus der Ausländerperspektive die eindeutigere Markierung der Vokallänge attraktiv ist.
Und dann ist es eben ein Riesenunterschied, ob man eine solche Schreibmöglichkeit anordnet oder zuläßt.
Aber wie gesagt, wenn sich zu wenige Mitstreiter damit einverstanden erklären können, will ich es im Augenblick nicht weiterverfolgen.
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Martin Reimers am 06.07.2004 um 22.48

Wir müssen bei den Überlegungen zm Vorschlag von Herrn Fleischhauer die politische Stimmungslage mitberücksichtigen. Das populärste Gegenargument gegen die RSR ist doch sicherlich (durch eine etwas einseitige Betrachtung) das der Beliebigkeit. Ich denke nicht, daß wir uns durch eine solche völlige Freigabe der s-Schreibung viele Freunde schaffen würden. Sie liefe auf ein - möglicherweise erfolgreiches - Experiment hinaus, dessen Kosten jedoch einfach zu hoch wären, vor allem in pädagogischer Hinsicht.

Übrigens möchte ich den neun sehr guten Argumenten von Frau Pfeiffer-Stolz gegen die Heyse-Schreibung noch ein zehntes hinzufügen: An der klassischen s-Schreibung erkennt man in jedem Text auf Anhieb erstens den Willen des Verfassers zu einer differenzierten Ausdrucksweise, zweitens muß man in solchen Texten niemals rätseln, ob ein "wohl bekannt", "ebenso wenig" etc. wirklich so gemeint ist, wie es geschrieben ist.
__________________
Martin Reimers


eingetragen von gestur am 06.07.2004 um 21.54

Wir (jedenfalls ich) schreiben, weil wir gelesen werden möchten. Das ß als Marke für das Silbenende ist leichter erkennbar als das ss, besonders wenn ein weiteres s als Silbenanfang folgt. Auch wenn ss und sss leichter zu schreiben sind als ß und ßs, muß man diese Mühe auf sich nehmen, um dem Leser die Arbeit zu erleichtern.
Für die Schule ist das nur insoweit wichtig, als gedruckte Texte mit ß statt ss für die Schüler leichter lesbar sind und deshalb lieber gelesen werden.
Ob das, was die Schüler schreiben, mit ß oder ss für den Lehrer leichter zu lesen ist, ist unwichtig, denn der muß es lesen.
Außer es kommt eine neue Note für gute Lesbarkeit. Das würde alles ändern.
Weil Deutschlehrer damit gestraft sind, dauernd Aufsätze lesen, korrigieren und benoten zu müssen, sollten sie eine neue Note für gute Lesbarkeit einführen, damit sie es leichter haben.
Aber wenn die Schule wirklich für das Leben vorbereiten soll, muß sie die Schüler lehren, ihre Bewerbungen so zu schreiben, daß sie leicht und gerne gelesen werden können.
Den Zeitungen kann man auch nur raten, lieber so zu schreiben, wie es am leichtesten lesbar ist, damit die Leser diese Zeitung gerne lesen.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 06.07.2004 um 19.08


Theodor Ickler schrieb::
Heyse war auch kein Schwachkopf.
Nein, sicherlich war er das nicht. Aber er war nur ein Theoretiker, der die Praxistauglichkeit seines Schreibvorschlages im 3. Jahrtausend unserer Zeitrechnung (in welchem die Kinder zunehmend durch Instantmedien statt durch Bücherlesen ihr Sprachwissen vertiefen) weder nachgeprüft hat noch nachprüfen konnte.

Die Praxis(un)tauglichkeit nachgeprüft haben nun im Großversuch Zigmillionen Schüler und Tausende von Redakteuren, und damit dürften die Tauglichkeitsmängel von Heyses ss-Schreibung bestätigt sein. Auch wenn Heyse kein Schwachkopf war, hatte sein Vorschlag keine gute Alltagstauglichkeit. Oder?
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 06.07.2004 um 18.57

Sehr geehrter Herr Ickler,
mir geht es um die praktische Seite. Von der Schule aus gedacht – in höheren Klassen – ist Ihr Vorschlag durchaus praktikabel und vielleicht sogar produktiv-anregend. Doch für die Grundschule scheidet so ein Vorgehen aus. Und gerade in der Grundschule werden die Grundlagen zur Rechtschreibung gelegt: in der Hauptsache die Einstellung zur ihr (Sorgfalt, Bemühen ...). Und die Grundschullehrer sind meiner Kenntnis nach nicht flexibel. Beispiel: Die meisten halten sich mit schon gerade peinlicher Ängstlichkeit an den kultusministeriell empfohlenen „Grundwortschatz“. So etwas habe ich nie nachvollziehen können. Aber das nur am Rande.
Die Vielfalt konkurrierender Systeme wird an den Verlagen selbst scheitern. Der Kuchen ist zu klein, als daß hier noch weitere Aufspaltungen möglich sind. In den letzten Jahren haben Änderungen der Richtlinien dafür gesorgt, daß immer mehr regionale Ausgaben gedruckt werden mußten. Auch die verschiedenen Schriften (Lateinische Ausgangsschrift, Vereinfachte Ausgangsschrift, noch eine weitere Sonderschrift in den neuen Bundesländern, Druckschrift Nord, Druckschrift Süd) verlangten den Druck von Kleinstauflagen, die sich kaum noch rentieren. Wenn jetzt auch noch verschiedene Systeme der s-Schreibung hinzukämen ...
Aber vielleicht habe ich Sie mißverstanden.
Man erreicht Ziele ja oft auch auf Umwegen, das weiß ich. Geradezu auf etwas zuzugehen kann unter Umständen kontraproduktiv sein.
Es ist halt ein Ärgernis, wenn man aus unbedarftem Lehrermund immer wieder hört: Aber die neue s-Schreibung, die ist doch gut, weil sie so logisch ist ...
__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Theodor Ickler am 06.07.2004 um 18.32

Daß ich kein Befürworter der Heyseschen s-Schreibung bin, ist wohl klar genug, ich habe seit nunmehr fast zehn Jahren nie etwas anderes gesagt. Aber unsinnig ist sie nicht. Ihre praktischen Fehler liegen auf einer anderen Ebene. Ich nehme natürlich an und hoffe, daß die bessere s-Schreibung (im wesentlichen auf Schlußbuchstabigkeit hinauslaufende und damit eigentlich typographische, nicht orthographische s-Schreibung) sich wieder durchsetzen wird. Wie Herr Markner schon sagt, werden wir ohnehin für die nächsten Jahre mit allen erdenklichen s-Schreibungen zu rechnen haebn und wollen sie ja den Schülern ausdrücklich nicht als Fehler anrechnen. Man könnte also zum Beispiel einem Schüler sagen: Sieh da, du hast dich für die Heysesche Schreibweise entschieden. Schauen wir doch mal, ob du sie beherrschst usw.
Das Gegenargument: Geben wir doch alles frei, dann werden überhaupt keine Fehler mehr gemacht - kann ich nicht anerkennen. Es geht um eine genau abgegrenzte, von Grund auf seriöse Schreibmöglichkeit - Heyse war auch kein Schwachkopf.
Es ist möglich, daß sich der Streit um das s in Kürze erledigt, aber damit fertigwerden müssen wir selbst dann noch für geraume Zeit. Was ich bestechend fand und immer noch finde, ist die Idee, den Kultusministern das Zwangsmittel aus der Hand zu nehmen. Wenn man die alte Heyse-Schreibung aus freien Stücken verwenden "darf", aber nicht muß - was wird dann aus ihr?
__________________
Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 06.07.2004 um 17.01

Sie haben richtig gerechnet und ich falsch. Ich weiß auch nicht wieso, aber ich habe dazu den Windows-"Taschenrechner" verwendet, dessen Existenz ich eigentlich fast schon vergessen hatte. Dabei habe ich mich offenbar vertippt und das Ergebnis dann gleich in die Welt posaunt - mehr als peinlich!
Deshalb sollte ich zumindest für heute wohl am besten schweigen, aber durch Ihren Vorschlag (und die spontane Zustimmung von Professor Ickler) fühle ich mich doch noch einmal herausgefordert.

Sie schrieben: "Ich fürchte, wir haben kaum Argumente gegen die ss-Regelung, und dies aus einem einfachen Grund: Sie ist gar nicht so unsinnig.

Dies ist eine höchst erstaunliche Feststellung, da ja gerade eine Fülle von ernsthaften Argumenten vorgebracht worden waren. Das m.E. wichtigste ist auch wiederholt genannt worden - der Grund für die Existenz dieses Sonderzeichens für ss. Die Heyse-Regelung hebt diesen Grund schlicht auf, regelt also etwas, dem just zuvor der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Wenn die Existenz des Eszett durch irgendetwas überzeugend begründet wird, dann dadurch, daß es für zwei "verbackene", nicht trennbare s steht. Damit sind auch praktisch alle Regeln zu ss und ß im alten Duden überflüssig, weil implizit bereits erklärt.

Herr Professor Ickler, so verstehe ich ihn - stimmt Ihnen auch nicht deshalb zu, weil er die Heyse-Regel auf einmal nicht mehr für mangelhaft hielte. Er will den Initiatoren und Anhängern der Heyse-Regel vielmehr etwas anbieten, das sie akzeptieren müßten (da es analog zu ihrem bisherigen "Nachbessern" aussähe). Das ist sicher dann bedenkenswert, wenn die triftigere Lösung als nicht durchsetzbar erschiene. (Und die Entscheidung träfe ohnehin die zukünftige Entwicklung.)

Noch eine letzte Anmerkung zum Gewicht auf den ersten Blick vielleicht schwach erscheinender Argumente.
Ligaturen haben doch zweifellos etwas mit Ästhetik zu tun, und zwar einer funktionalen Ästhetik, bei der die Form der Funktion nachfolgt. Man folgt dem Prinzip des sparsamen Einsatzes von Mitteln zur nur um so sicheren Erhaltung der Funktion. Das ist Schönheit durch Ökonomie. Zusätzliche Zeichen zu setzen, die keine Information tragen (Nussschale oder Nuss-Schale), zusätzlichen Raum zu beanspruchen ohne klar erkennbaren Nutzen, das widerstrebt diesem Ideal (dem Nußschale klar erkennbar am nächsten kommt: beste Funktionalität bei sparsamsten Einsatz von Mitteln). Ästhetik und Ökonomie gehen hier also Hand in Hand.
__________________
Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 06.07.2004 um 16.56

Die Freigabe der s-Schreibung bedeutet an sich nur einen geringen Eingriff in die Orthographie. Schwierigkeiten könnte es bei der Automatisierung der Schreibweisen - dem Schreibenlernen - geben. An den Schulen müßten dann drei Schreibweisen unterrichtet werden. Ist das vorstellbar?? Ja, wenn es tatsächlich drei Schreibweisen gibt. Darum sind auch nicht die Schulen oder die Ministerien das eigentliche Problem, sondern die Verlage, die "freie Presse" (am meisten nervt mich die taz, die einmal radikal klein schrieb), Stumpfsinn und Desinteresse in der Bevölkerung.
Da passen nur zwei Dinge: Entweder die neue Rechtschreibung oder der alte Duden mit seinen Einzelfallfestlegungen. Etwas anderes hat keine Chance!


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 06.07.2004 um 16.36

Noch etwas fiel mir ein, als ich eben ein bißchen zum Luftschnappen draußen war:
Die Schulbuchverlage können einen solchen Vorschlag nicht mittragen. Es ist ziemlich illusorisch zu glauben, die Schulen würden sich auf ein Sowohl / Als-auch in der s-Schreibung einlassen. Genausowenig die Schul- und Kinderbuchverlage. Sie können es auch gar nicht. Hier wird immer Einheitlichkeit angestrebt werden, und sie ist m. E. aus pädagogischen Gründen auch dringend nötig.

Herrn Icklers Meinung kann ich in dieser Sache nicht zur Gänze teilen: Die Heysesche s-Laut-Schreibung mag logisch sein wie sie will. Allein, daß sie nicht praktikabel ist im Sinne einer größtmöglichen Fehlerfreiheit, zeigt ihre Schwächen, welche Ursachen diese auch immer haben mögen. Es wäre dies nicht das erste System, das formal durch Logik besticht, in der Praxis jedoch nicht nicht so gut funktioniert wie zu erwarten wäre. Allein die vielen Fehler, die heute in der s-Schreibung gemacht werden, beweisen für sich allein die Untauglichkeit der ss-Schreibung. Nicht alles läßt sich technisch erklären.
Sollte man sich nun wirklich zu einem solchen Kniefall vor Reformern und Kapital hinreißen (hinreissen) lassen, nachdem die praktischen (nicht wissenschaftsbezogenen!) Nachteile so deutlich auf der Hand liegen? Vielleicht angesichts der „machtpolitischen“ Verhältnisse?
Ist das wirklich ernst gemeint?

Vorstellen könnte ich mir etwas anderes: eine Übergangsfrist, die großzügig bemessen ist.
Eine Übergangsfrist, die auch staatlich gestützt ist, damit nicht einzelne clevere „Gewinnler“ vorpreschen und wie 1996 die übrigen Verlage in unheilvollen Zugzwang bringen.
__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Reinhard Markner am 06.07.2004 um 16.16

Eine Freigabe in diesem Punkt ist einerseits unrealistisch, andererseits muß man realistischerweise damit rechnen, daß sich alle drei Systeme auf unbestimmte Zeit nebeneinander halten werden.

Unrealistisch jedenfalls auf längere Sicht ist die Freigabe an den Schulen, weil sie bedeuten würde, daß die Lehrer beide oder alle drei Systeme vorstellen müßten und die Schüler dann unter ihnen auszuwählen hätten. In der gymnasialen Oberstufe könnte man so etwas vielleicht machen, aber für den gemeinen Rechtschreibunterricht wäre diese Methode kaum tauglich. Die Einprägung der korrekten Wortbilder fiele als Unterstützung weg.

Realistisch ist die Annahme, daß wir nicht nur die drei Systeme in Reinkultur, sondern auch mancherlei Mischformen noch geraume Zeit nebeneinander beobachten werden. Denn die Durchsetzung des Adelungschen System ist ja noch nicht alt. Auf deutschen Schreibmaschinen wurde noch in den 60er Jahren häufig auf das ß verzichtet, und in der Frühzeit der Datenverarbeitung war das auch nötig. Hinzu kommt die ss-Schreibung bei Versalien. Andererseits hat die NZZ das ß erst 1973 aufgegeben, und die schweizerischen Buchverlage benutzen es bis heute. Die Wiedererweckung des Heyseschen Systems hat eine ohnehin schwierige Situation geradezu ausweglos kompliziert.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 06.07.2004 um 15.32

Ist das wirklich eine gute Lösung?
Ich befürchte, dann wird sich das Chaos auch in anderen Bereichen fortschreiben. Die meisten Leute verbinden ja gerade das ss mit der Reform. Und seit wir die „Reform“ haben, ist alles erlaubt, sozusagen. Für die Pädagogik ist das nicht akzeptabel.
Haben die Leute schon nicht mitbekommen, daß die Reform sich nicht nur auf den Ersatz von ß durch ss nach kurzem Vokal bezieht, wird man erst recht nicht verstehen, daß die anderen Tollheiten nicht mehr erlaubt sein sollen. Außerdem (Ausserdem) wird das ß zur Zeit ohnehin endgültig zu Grabe getragen. Es gibt immer noch sehr viele Personen, die glauben, es sei schon lange abgeschafft.
Damit kann ich mich nicht anfreunden, weil das ß auch in der Schule gute Dienste geleistet hat – sowohl was die Unterrichtbarkeit, als auch was die Lesbarkeit betrifft. Die Unterrichtbarkeit des ss nach kurzem Vokal mit all seinen Ausnahmen und Möglichkeiten ist eine fast nicht zu bewältigende Aufgabe. Aus all diesen Gründen kann ich die ss-Schreibung der klassischen s-Schreibung keinesfalls als ebenbürtig empfinden.
Ich bleibe dabei, daß die ss-Schreibung größere Nachteile hat als sie Vorteile birgt. Und die Verlage, die bis jetzt bei der traditionellen s-Schreibung geblieben sind, werden sich wahrscheinlich dann auch auf ss umstellen. Der Triumph, die Reform durchgeboxt zu haben, wird unsere Sozialideologen anspornen, noch weitere schädliche Eingriffe in die Pädagogik vorzunehmen.
Zum jetzigen Zeitpunkt einen Vorschlag in Richtung Heysesche s-Schreibung als Kompromiß zu unterbreiten, halte ich für einen Fehler.

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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Detlef Lindenthal am 06.07.2004 um 15.19

Man könnte noch weitere Schreibungen freigeben, so daß die Fehler weniger werden. Am wenigsten Fehler werden gemacht, wenn die Rechtschreibung insgesamt freigegeben wird. Überhaupt sollte dieser ganze Schulzwang auf den Prüfstand.

Ich habe mich sowieso gewundert, warum bei der Mofaführerscheinprüfung den Kindern Verkehrspilotenwissen abverlangt wird einschließlich Instrumenten-Blindflug, ausführlicher Wetterkunde und Dreipunkt-Landung.

Dennoch bin ich nach wie vor dafür, daß man den Verkehrspiloten ihr Fachwissen läßt und statt dessen ein paar Verkehrsminister und TÜV-Ingenieure zum Spargelstechen schickt. (Oder habe ich da etwas verwechselt?)
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 06.07.2004 um 13.44

Ich hatte meinen Vorschlag tatsächlich ernst gemeint, bin aber etwas überrascht über die spontane Zustimmung. Leider bin ich ein schlechter (etwas "trockener") und vor allem sehr langsamer Schreiber. Allerdings habe ich den Vorschlag auch nicht für mich gepachtet. Aber wie und vor allem in welchem Namen sollte man es öffentlich machen? Da muß doch wohl erst ein wenig diskutiert werden.


eingetragen von Theodor Ickler am 06.07.2004 um 13.40

Ich finde den Vorschlag von Herrn Fleischhauer gut, ja geradezu genial. Dabei hat sich meine Meinung zur s-Schreibung nicht geändert. Die Heysesche Schreibung ist nicht unsinnig, aber sie hat Mängel, m. E. nicht nur bei der Umstellung und wegen der Gewohnheit. Die anderen beiden Schreibungen haben auch Mängel, aber alle drei sind gewissermaßen "historisch" geadelt. Zwei davon gelten ohnehin nebeneinander, warum nicht auch die dritte? Vielleicht bewährt sich eine tatsächlich nicht, dann werden wir weitersehen.
Das Geniale liegt in der Strategie. Die Kultuspolitiker können damit leben, die Schulbuchverleger und wir auch. Es darf nur keinen Zwang in der einen oder anderen Richtung geben. Der Versuch, die Heysesche Schreibung doch noch durchzusetzen, ruft augenblicklich geballten Widerstand hervor, auch von Personen, die in unseren Augen vielleicht nicht die besten Argumente haben.
Wollen wir diese Lösung öffentlich vorschlagen? Herr Fleischhauer, schreiben Sie was für die Zeitung?
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Th. Ickler


eingetragen von Stephan Fleischhauer am 06.07.2004 um 12.50

Lieber Herr Scheuermann,
ich weiß nicht, wie Sie gerechnet haben, aber ich komme auf 1,7 Promille zusätzlicher Zeichen. Aber dies scheint mir unter unserer Masse von Argumenten (gegen die Reform allgemein, nicht gegen die ss-Regelung) ohnehin das schlechteste zu sein.
Zur Frage von Herrn Kukulies:
Ich fürchte, wir haben kaum Argumente gegen die ss-Regelung, und dies aus einem einfachen Grund: Sie ist gar nicht so unsinnig. Allerdings bringt sie auch nicht viel, und die Umstellungsprobleme sind viel größer als erwartet.
Unsere starke Abneigung gegen das ss hat meines Erachtens etwas mit unserer Gewohnheit zu tun, auch mit Stigmatisierung. Allerdings habe ich das Gefühl, daß nur hartgesottene Chatter die Verdreifachung sss ertragen. Es würde mich einmal interessieren, was z.B. Schüler dazu sagen. Der Akademie-Kompromißvorschlag sah ja immerhin Schlossplatz/Schloßstraße vor. Hier liegt meines Erachtens das größte Übel der Heyse-Schreibung.
Wie wäre es, wenn man die Wahl zwischen herkömmlicher, reformierter und Schweizer s-Schreibung freiließe?


eingetragen von gestur am 06.07.2004 um 09.30

Also nicht mehr in die USA reisen, denn dort gibt es noch die Todesstrafe!

Aus so prominentem Munde ist das ganz sicher ein sehr wirkungsvoller Boykott-Aufruf.
– geändert durch gestur am 06.07.2004, 15.07 –


eingetragen von Reinhard Markner am 06.07.2004 um 09.14

Einen Buchstaben können auch Sie noch einsparen !


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 06.07.2004 um 09.00

... wurde ihrer wenig formelhaften Formulierung wegen gerühmt. Sie umfaßte 3.891 Wörter mit 26.242 Zeichen (incl. Leerzeichen).
Nach Korrektur der Heyseschen Fehlschreibung reduzierte sich die Zahl der Zeichen auf 26.201 - mit Heyse waren das also 1,6% Zeichen mehr. Die Korrektur der übrigen reformbedingten Abweichungen von der Rechtschreibung führte netto zu lediglich drei weiteren Zeichen weniger (weil Reformdeutsch teilweise auch kürzer ist: 1x Biografie, 2x umso), aber zu nur noch 3.887 Wörtern.
Insgesamt wurde die geschriebene Präsidentenrede durch die Reform 1,7% länger und um einen Verstoß gegen die Grammatik und einige Skurrilitäten (der Weltmeisterschaftsfußball von 1954 war voll gesogen; braunsche Röhre; wichtig ist, sich nicht hängen zu lassen*) reicher. (Die - etwas eigenwillige - Zeichensetzung wurde hier nicht berücksichtigt.)

* Wem diese Wahl in einer solchen Situation noch bleibt, sollte diesen Präsidentenratschlag unbedingt befolgen!
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Matthias Dräger am 06.07.2004 um 01.26

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil:
Die Texte und damit auch die Bücher werden vielleicht nur um 0,1 bis 0,3 Prozent länger - denn auch die vermehrte Getrenntschreibung wirkt sich aus! -, im Endeffekt aber werden jedes Jahr zig Sattelschlepper mit bedrucktem Papier eingespart, weil die Leute wegen der Rechtschreibreform (vgl. Umfrage des Börsenblattes, 18 % der Buchhändler nannten die Rechtschreibreform an erster Stelle als Grund für die Kaufzurückhaltung) nicht mehr so viele Bücher kaufen.


eingetragen von Klaus Eicheler am 05.07.2004 um 21.20

... leider nicht ganz, weil 1,2 Prozent der Wörter betroffen sind, aber die Texte dadurch nicht um 1,2 Prozent länger werden.
Natürlich kann man Papierverschwendung nicht als „das“ Argument gegen die ss-Schreibung anführen, mir ist der zusätzliche Platzbedarf nur als Ergänzung eingefallen.
Die Neuschreibung hilft mir sogar, Papier zu sparen: Wenn sich bei Amazon bestellte Bücher als blabegraphisch (von griechisch: blabe = Panne, Unfall) herausstellen, schicke ich sie zurück. Oder ich kaufe das englische Original, das ist sowieso kürzer.

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Klaus Eicheler


eingetragen von Matthias Dräger am 05.07.2004 um 20.07

Ein paar Zahlen:
Im deutschen Sprachraum erscheinen pro Jahr rund (abgerundet)
60.000 Neuerscheinungen.

Nehmen wir pro Neuerscheinung einmal einen Umfang von durchschnittlich ca. 200 Seiten an, so ergibt sich als Mehrumfang der deutschen Buchproduktion:

200 mal 1,2 Prozent = 2,4 Seiten

2,4 Seiten mal 60.000 = 144 Tsd.

144 Tsd. mal durchschnittliche Auflagenhöhe von 2 Tsd. =
288.000.000 zusätzliche Buchseiten.

Bei etwa 3 Gramm pro DIN-A-5-Seite ergibt das:

288 Millionen mal 3 = 864.000.000 Gramm = 864 Tonnen Papier.
Das sind etwa 40 Sattelschlepper voll.
Das ist allerdings nur für die Buchproduktion. Und dann gibt’s da noch Zeitungen...


eingetragen von gestur am 05.07.2004 um 20.06

verdienten die Drucker mehr, wenn sie mehr Buchstaben setzten.
Vielleicht sollte ein Rationalisierungspreis ausgesetzt werden, wie man die deutsche Sprache kürzer machen kann. (Vergleichen Sie mal Filmsynchronisierungen in verschiedene Sprachen.)


eingetragen von Matthias Dräger am 05.07.2004 um 19.35

Nur 1,2 Prozent? Das ist doch fast nichts, oder?
Bei einem Buch von 300 Seiten sind es doch nur 1,2 mal 3 = 3,6, also 4 Seiten.
Schluck!


eingetragen von Klaus Eicheler am 05.07.2004 um 19.10

Ein Argument gegen die ss-Schreibung für Erbsenzähler: etwa 1,2 Prozent der Wörter werden um einen Buchstaben länger, der Umfang der Druckwerke steigt bzw. der Schriftgrad wird kleiner.

Quelle, nicht repräsentativ: Auszählung der „ß“ im Johannesevangelium, Einheitsübersetzung: 342; in Neuschreibung: 124 => 218 weniger (Annahme: in „ss“ geändert), bei 18589 Wörtern => ca. 1,2 % der Wörter sind betroffen, d. h. länger.
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Klaus Eicheler


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 05.07.2004 um 18.26

Vor einiger Zeit habe ich ein Thesenpapier u.a. entworfen, das ich sämtlichen Ministerpräsidenten und auch einigen Pressestellen zugeschickt habe.

Mir liegt auch sehr daran, daß die ss-Schreibung nicht als Feigenblatt übrigbleibt. Hier meine Argumente:

Neun Argumente
gegen die Beibehaltung der Heyseschen s-Laut-Schreibung


Die eigentliche Aufgabe des Sonderbuchstabens ß war es, den Silben- und Wortschluß zu kennzeichnen. Dies diente der leichten Lesbarkeit. Die Funktion „ß nach langem Vokal“ ist wesensfremd, unhistorisch und daher falsch. Dies ist der Hauptgrund für die Fehleranfälligkeit.
Die Regel „ss nach kurzem Vokal“ besticht vordergründig durch ihre Logik. Sie ist jedoch schwer anzuwenden, erzeugt viele Fehler und ist daher ebenfalls praxisuntauglich:

1. Die Regel ist lediglich eine verkürzte „Umlern-Regel“, die allein auf der Basis der „alten“ Rechtschreibung zu verstehen und anzuwenden ist. („ss nach kurzem Vokal“ ist unvollständig, da folgen muß „... wo vorher ß geschreiben wurde.“ Ist in allen Lehrbüchern verkürzt und daher falsch dargestellt.)

2. Durch ihre verkürzte Darstellung in Lehrbüchern führt die „Pseudoregel“ zu Übergeneralisierungen. (Zeugniss, Buss, aussen, lusstig)

3. Das Schreiben nach der Aussprache funktioniert nicht. Daher schreiben selbst gebildete Personen nicht richtig. (Grüsse, Fussball, grösser)

4. Sie erschwert das Lesen, weil die Wortfugen verschleiert werden. (bisschen, Flussaue)

5. Sie erzeugt unästhetische und schwer lesbare Wortgebilde mit Dreifach-s. (Missstand, Schlusssatz)

6. Die geringe optische Unterscheidbarkeit von das / dass führt zu vermehrten Verwechslungen.
Die vorherige Schreibung das / daß war optisch besser zu differenzieren und verhalf zu einem besseren grammatischen Verständnis. (ss-s erzeugt die sog. Ranschburg-Hemmung, eine Ähnlichkeitshemmung, die dem Lernen abträglich ist)

7. Die Ausspracheformel stimmt gerade im Fall das / dass nicht. Beide Wörter werden gleich ausgesprochen. Der Ersatz von daß durch dass erregt den Verdacht reiner Willkür.

8. Das angepriesene Stammprinzip wird durch die s-Laut-Schreibung nicht gestärkt, wie folgende Beispiele beweisen: fließen – floss, schießen – schoss und so weiter. Es hat lediglich eine Verschiebung der s-Laut-Problematik stattgefunden.

9. Die ss-Schreibung kommt im Gewand der Fortschrittlichkeit und Beliebigkeit daher. Wer sie nicht abschafft, wird auch das Schreibchaos nicht in den Griff bekommen. Denn ss-Schreibung und Reform sind enger verkoppelt als die anderen (Unsinn)-Regeln.

Die Heysesche s-Laut-Schreibung ist übrigens nichts Neues. Sie wurde nach einer mehrjährigen Probezeit in Österreich im Jahre 1902 wegen der oben geschilderten Nachteile wieder abgeschafft. Im Bereich der s-Laut-Schreibung werden die meisten Fehler gemacht. Das verwundert nicht. Weshalb sollten wir beibehalten, was selbst von Prof. Eisenberg, Mitglied der Kommission, als „die schlechteste überhaupt denkbare Lösung“ bezeichnet worden ist? Die Beibehaltung dieser s-Schreibung wäre nichts als ein Kniefall vor einer der größten sprachlichen Verirrungen an der Wende zum 21. Jahrhundert.

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Außerdem verfaßte ich für die Ministerpräsidenten einen ausführlicheren Text, in dem ich versuchte, die Probleme für Laien deutlich zu beschreiben. Dieser Text folgt hier:

Von Missthaufen, Fussbällen und vielen freundlichen Grüssen


Die neue s-Regel ist nicht neu. Sie galt von 1879 an in Österreich und wurde im Jahr 1902 wieder aufgegeben, aus gutem Grund. Das ß ist ein typographisches Element. Es dient der Unterscheidungsschreibung. Das ß wurde nicht dazu erfunden, die Länge eines Vokals anzuzeigen. Es sollte vielmehr optisch den Schluß einer Silbe kennzeichnen, um so das Lesen zu erleichtern. Daher der Schulmeistersatz: ss am Schluß bringt Verdruß.
Während früher die Schüler am Wortende nur zwischen zwei Schreibweisen zu unterscheiden hatten (s oder ß), können sie heute unter drei Möglichkeiten wählen: s, ss oder ß.
Dadurch vermehrt sich die Möglichkeit, Fehler zu machen, um ein Drittel.

Die vor 1996 dudengerechte s-Laut-Schreibung war in mehrfacher Hinsicht praktisch und gut. Sie war logisch und lesefreundlich. Wer „das“ und „daß“ damals nicht auseinanderhalten konnte, kann es auch heute nicht mit „das“ und „dass“.
Was die übrigen Reformwirkungen betrifft, lassen sich heute signifikant mehr Fehler beobachten als vor der Reform. Allein dieser Tatbestand reichte schon als Begründung dafür aus, die Reform komplett rückgängig zu machen.

Wie kommt es zu den Fehlerhäufungen?

1. Rechtschreibung erfolgt durch Intuition
Regeln bewirken beim Schreibenlernen wesentlich weniger, als man allgemein annimmt. Durch das Lesen gleicher Wortbilder erwirbt der Schreiber eine intuitive Sicherheit.
Die heute üblichen kreativen Schreibweisen behindern das Lernen. Es gibt keine einheitlichen Schriftbilder, die als Vorbild dienen können. Gewohnheiten entlasten. Wer beim Schreiben ständig darüber nachdenken muß, wie er schreiben soll, verbraucht unnötige Energie und verliert in der Folge die Freude am Lesen und Schreiben.

2. Unterscheidungsmerkmale
Je stärker die optisch wahrnehmbaren Unterscheidungsmerkmale von Buchstaben sind, desto besser können wir sie beim Lesen auseinanderhalten. Das scharfe ß ragte durch seine Oberlänge deutlich aus dem Text heraus. Es wurde deshalb auch dort verwendet, wo es das Ende eines Wortes kennzeichnete, in der Wort- oder Silbenfuge. Die „Erfindung“ des ß diente allein der besseren Lesbarkeit:

Baßsänger – Basssänger
Flußschiffahrt – Flussschifffahrt
Gußstahl – Gussstahl
Imbißstube – Imbissstube
Mißstand – Missstand
Preßsaft – Presssaft
Schlußstrich – Schlussstrich
Nußschokolade – Nussschokolade



Auch folgende Wörter sind mit ss schwerer zu lesen:

Meßergebnis – Messergebnis (Messer-?)
kußecht – kussecht (kusse-?)
Paßamt – Passamt (Passa-?)
Prozeßakte – Prozessakte (Prozessa-?)
Gebißanprobe – Gebissanprobe (Gebissan-?)
Schloßinnenhof – Schlossinnenhof (Schlossinnen-?)
Nußecke – Nussecke (Nusse-?)
Flußauen – Flussauen (Flussa-?)

Das scharfe ß ist also in höchstem Maße lesefreundlich, denn es gliedert Wörter optisch in Sinneinheiten, die sich dem Leser sofort erschließen.


3. Feinmotorik
Auch motorisch unterscheidet sich das Schreiben von ß und ss. Die Hand führt beim Schreiben des ß eine andere, weiter schwingende Bewegung aus als beim s. Beim Tippen ebnet sich der Unterschied ein, denn für ss tippen wir statt einmal zweimal auf dieselbe Taste. Für das ß müssen wir woanders hingreifen, auch hier wirkt die Motorik beim Einprägen mit. Klar unterscheidbare Bewegungsabläufe erleichtern das Lernen. Ähnliche Bewegungsabläufe behindern es.

4. Die Unterscheidung von das und daß
Seit wir die Heysesche s-Schreibung eingeführt haben und die Konjunktion „daß“ mit Doppel-s schreiben, hat sich die Problematik für die Schreibenden verschärft. Beim Sprechen hören wir zwischen „das“ und „dass“ keinen Unterschied. Und anders, als manche glauben, haben wir es hier nicht, wie kurioserweise anfänglich sogar von Lehrern verbreitet, mit einem orthographischen Problem zu tun, sondern mit einem rein grammatischen.
Die Ähnlichkeitshemmung, auch Ranschburg-Phänomen genannt, bewirkt nun zusätzlich, daß Lernende bei der Wahl von „das“ und „dass“ mehr Fehler machen.

s – ss – ß
das – dass – daß

Wir meinen, daß das besser lesbar ist.
Wir meinen, dass das besser lesbar ist.


Die Abschaffung von „dass“ zugunsten von „das“ würde das Lesen noch einmal zusätzlich erschweren und ist daher nicht anzuraten. Es geht darum, daß Geschriebenes möglichst rasch und eindeutig erkannt werden kann. Es wird nämlich geschrieben, damit gelesen werden kann – und nicht umgekehrt!
Fazit: Die richtige das/daß-Schreibung ist schwierig. Man lernt die sichere Unterscheidung auch weniger durch Regeln, sondern durch fleißiges Lesen und Schreiben, wobei klare optische Unterscheidungsmerkmale von Vorteil sind.
Professor Peter Eisenberg kritisierte bereits im März 1995 die ss-Regelung als die ‚schlechteste überhaupt denkbare Lösung’. (Peter Eisenberg: Die deutsche Sprache und die Reform ihrer Orthographie. In: Praxis Deutsch, Heft 130, März 1995, S. 3-6)

Zum Vergleich für den Leser:

es ist – es isst es ist – es ißt
ist – isst ist – ißt
bisschen (bischen) bißchen
dass daß

Die s-Schreibung mißbraucht das ß und entfernt es dort, wo es seinen besonderen Sinn entfaltete: am Silben- und Wortende. Durch die Reform ist das ß nicht mehr von Nutzen, was die Schreiber damit quittieren, daß sie überhaupt nicht regelkonform schreiben:
„wir haben grossen Wert darauf gelegt ...“ (Doris Ahnen)
„bin ausser Dienst“ (pensionierte Lehrerin)
„mit herzlichen Grüssen“ (ein Verlagsmitarbeiter mit Doktortitel)

Die neue (alte) s-Regel schafft eine Lese- und Schreiberschwernis für den Großteil der Bevölkerung – und vor allem für die Kinder.
Aus pädagogischer Sicht ist die Heysesche s-Schreibung völlig abzulehnen.

Karin Pfeiffer-Stolz
Juni 2004

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Vielleicht kann das beim Argumentieren helfen.

– geändert durch Karin Pfeiffer-Stolz am 06.07.2004, 15.57 –
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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Sigmar Salzburg am 05.07.2004 um 16.19

Das neue ss/ß-System kappt eine 600jährige Tradition
Es macht die stilrichtige Verwendung der Fraktur unmöglich
Es erzeugt Verwirrung mit ungeänderten Eigennamen „Haß", „Voß", „Litfaßsäule" ...
Es erzwingt die Konvertierung aller im 20. Jhdt. erschienenen Literatur, soweit noch von Interesse, weil die kommende Generation sich anders irritiert fühlt.
Es ist nicht dialektneutral.
Es ist nicht lesefreundlich und ästhetisch.

Gerade die Ästhetik spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung dieses Graphiksystems. Man stelle sich die arabische Schrift ohne die Endungsformen ihrer Buchstaben vor.

Das Heyse-ss-System wird auch durch das Englische unterminiert. Gerade lese ich:
Benefiz-Konzert der Philharmonic Brass Dresden
Kieler/Eckernförder Nachrichten 3.7.04

Nebenbei bitte ich nochmals, daß sich jemand meiner Frage aus der amtlichen Wörterliste annimmt.
„Hohn lachen“ ╪ „hohnlachen“: warum das Ungleichheitszeichen?

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Sigmar Salzburg


eingetragen von gestur am 05.07.2004 um 16.16

in seinem amüsanten Buch "Die schreckliche deutsche Sprache", in dem er die schrecklichen Schwierigkeiten von Ausländern beschreibt, die deutsche Sprache in erträglicher Zeit zu erlernen, und in dem er acht Vorschläge macht, sie zu reformieren, am ß in irgendeiner Weise Anstoß nimmt, kann es nicht so schwierig zu gebrauchen sein, wie manchmal behauptet wird.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 05.07.2004 um 15.12

– ist unnötig,
– stiftet keinen Nutzen,
– ist überaus fehlerträchtig, für Schreibanfänger noch mehr als für Berufsschreiber,
– ist Unterscheidungsmerkmal dafür, daß es auch mit der sonstigen Rechtschreibung nicht genau genommen wird.
– Ihre „Regeln“ stimmen nicht: Nach kurzem Selbstlaut steht oftmals kein ss: Bus (trotz Busse), des (trotz dessen), Hindernis (trotz Hindernisse); die s/ß/ss-„Reform“-Regelung könnte nur jemand anwenden, der die s/ß-Schreibung beherrscht.
Die Regeln für ß sind einfacher und leichter (intuitiver) anwendbar.
daß hat ein eigenes, deutlicheres Wortbild als dass. Schloßstraße läßt sich leichter lesen als Schlossstraße. Passersatz ist nicht eindeutig; Messergebnis enthält eine Lesefalle, Meßergebnis hingegen nicht.


Dies fällt mir auf die Schnelle zur ss-Frage ein.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Christoph Kukulies am 05.07.2004 um 13.08

Daß nun offener und vorbehaltloser die vollständige Rücknahme der sog. "RSR" auch von Politikern in Erwägung gezogen wird und Berichte darüber in der Presse auch schon weniger unterschlagen werden als noch vor ein paar Wochen, ist zwar begrüßenswert, aber es birgt auch die Gefahr, daß damit die neue ss-Regelung, sozusagen als "Kompromiß" überlebt. Deshalb erachte ich es als eine wichtige Aufgabe, gleich von Anfang an gerade gegen die "dass"-Schreibweise und die vermeintlich logische Vokallängenregel die Argumentation zu schärfen.

Ich suche eine kurze und prägnante Begründung, warum die neue ss-Regelung unsinnig ist und eine vollständige, ausnahmslose Rückkehr zur bewährten Schreibung nötig ist.

Stellen Sie sich vor, Sie treffen Herrn Wulff und möchten ihn mit wenigen Sätzen davon überzeugen, daß nur eine vollständige Rückkehr zur bewährten Schreibung die einzig richtige Lösung ist.

Wahrscheinlich wäre die kürzeste Antwort, die herkömmliche Rechtschreibung habe sich bewährt.

Ich bitte um weitere Argumente.

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Christoph Kukulies


eingetragen von Christoph Kukulies am 30.06.2004 um 05.42

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller
Das Gästebuch der
Staatskanzlei Niedersachsen
wurde seit dem 18.06. nicht
mehr besucht.
Sollte man es beleben oder nicht?


Zumal es schon wieder Sperrfeuer aus Hessen gibt. CDU-Sprecher Metz habe gesagt, man sei in Hessen gegen eine Rücknahme der "RSR"; der "Zug sei abgefahren". Da sieht Koch offenbar Profilierungskonkurrenz aus Niedersachsen aufkeimen. Man sollte Wulff weiter den Rücken (das "Rückrad", mit dem man zurückdreht) stärken, wenn so etwas überhaupt möglich ist.

Wahrscheinlich ist aber in dem Forum ansonsten ohnehin nicht viel los, so daß vielleicht eher eine konzertierte Aktion in Form von Schreiben an die Ministerpräsidenten, besser wäre.

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Christoph Kukulies


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 29.06.2004 um 20.11

Das Gästebuch der
Staatskanzlei Niedersachsen
wurde seit dem 18.06. nicht
mehr besucht.
Sollte man es beleben oder nicht?

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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Christoph Kukulies am 29.06.2004 um 18.54

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Matthias Dräger
FAZ, 28. 6. 2004:

Die Ministerpräsidenten müssen reden

...


Mein Kommentar:

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf die gewachsene Struktur der Rechtschreibung? Nein

Hat die Rechtschreibeform Rücksicht genommen auf die in der Bevölkerung seit langem eingebürgerten Schreibweisen, auf das, was die Menschen bereits in der Schule gelernt haben? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf die Kenntnisse, die sich Korrektoren und Lektoren in jahrzehntelanger Arbeit erworben haben? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf den Stand der heutigen Germanistik, daß eine deskriptive Darstellung der Rechtschreibung einem präskriptiven Vorgehen auf diesem Gebiet vorzuziehen ist? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf den Gruppenantrag von über 50 Abgeordneten des Deutschen Bundestages und den Geist des Beschlusses des Deutschen Bundestages - „Die Sprache gehört dem Volk “- ? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf den zwei Jahre währenden Prozeß der Meinungsbildung in Schleswig-Holstein, der dann zum repräsentativen Volksentscheid über die Rechtschreibreform geführt hat? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf die in Bibliotheken und gutbürgerlichen Haushalten millionen- und abermillionenfach vorhandenen Bücher und die Arbeit, die notwendig war, diese oft sorgfältigst gemachten Bücher zu erstellen? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf die Schüler, die noch zur Schule gingen und bereits eine richtige, auch in der Gesellschaft akzeptierte Rechtschreibung gelernt haben? Nein.





Ich finde Ihre 8 Todsünden der Rechtschreibreform ganz ausgezeichnet formuliert, lieber Herr Dräger.
Man sollte sie an die Pforten des Reichstagsgebäudes nageln.

Oder den Bundestagsabgeordneten an ihren Platz legen, sofern sie diesen überhaupt einnehmen.

Wie geht es nun weiter? Die Händler und Gaukler sind noch nicht vertrieben; wer schützt uns davor, daß sie den Tempel wieder belagern und die Politiker bequatschen, doch wenigstens die so logische ss-Regelung zu übernehmen? Wer informiert den Bundestag dann wieder? Bitte kein Gremium. Keine Kommission. Keine Ausschüsse.

Nur die Rückkehr zum status quo ante ist die einzig richtige Lösung. Ein Wörterbuch hierfür liegt auch schon vor.




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Christoph Kukulies


eingetragen von margel am 29.06.2004 um 07.15

Der niedersächsische Ministerpräsident spricht mit bewundernswerter Klarheit und Deutlichkeit, wie sie heutzutage höchst selten in Politikerworten erscheinen, das Urteil über die Reform. Er beschämt mit seinem Urteil, das von wirklicher Einsicht und intensiver Beschäftigung mit der Materie zeugt, die Laienspielschar, genannt KMK. Eigentlich sollte mit der Rechtschreibreform auch dieses dubiose Gremium verschwinden. Als Ironie der Geschichte erscheint nun die Tatsache, daß mit der "endgültigen" Einführung der Reform auch ihr Untergang besiegelt ist. Die Reformer und ihre willigen Vollstrecker haben sich totgesiegt. - Ein Alleingang eines Bundeslandes ist wohl nicht zu erwarten. Ich denke aber, daß Chr. Wulff Verbündete finden wird. Entscheidend wird die Unterstützung durch die Presse sein. Jedenfalls sollten alle verantwortungsbewußten Kritiker den mutigen Poltiker ermuntern. Die Reform kam von oben, sie muß auch wieder von oben beseitigt werden.


eingetragen von Matthias Dräger am 29.06.2004 um 03.13

FAZ, 28. 6. 2004:

Die Ministerpräsidenten müssen reden

Ein Gespräch mit Niedersachsens Regierungs-Chef Christian Wulff über die Rechtschreibreform


Herr Wulff, Sie haben die Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung gefordert. Seit 1995 opponieren Sie gegen die Rechtschreibreform, zum Teil gemeinsam mit den sogenannten „Jungen Wilden“ Ihrer Partei. Was ist aus Ihren Mitstreitern von damals geworden, stehen Sie auch jetzt an Ihrer Seite?
Ich war ja, wie der Spargel, lange unter der Erde. Natürlich habe ich auch schon als Bundesvorstandsmitglied der CDU, gemeinsam mit den „Jungen Wilden“, mit der Fraktion darüber gesprochen. Damals sagten alle, das sehen wir genauso: Diese Reform ist ein Fehler. Zwischen 1995 und 2003 habe ich als Oppositionsführer 25 Pressemitteilungen gegen die Rechtschreibreform verfaßt.
Ist das alles wirkungslos verpufft?
Weitgehend, leider. Jetzt habe ich der Kommission noch einmal einen Brief geschrieben, einige meiner Vorschläge zur Getrennt- und Zusammenschreibung scheinen sogar Gehör gefunden zu haben. Die Kommission hat mir aber nie geantwortet. Das ist schon erstaunlich. Für mich ist die Entstehungsgeschichte der Rechtschreibreform mit der Sorge um eine Eigenentwicklung der DDR in der deutschen Sprache in den neunziger Jahren verbunden. Dieser Grund ist 1989/90 weggefallen, und man hätte das ganze Projekt beenden können. Ideologen haben dann diese Kommission in Gang gehalten, die sich verselbständigte und nie wieder einzufangen war. Warum sich viele Kultusminister die Argumente dieser Kommission zu eigen machten, habe ich nie begriffen. Aber ich weiß, daß von der Kultusministerkonferenz schon seit Mitte der neunziger Jahre keine Einsicht oder gar Umkehr mehr zu erwarten ist.
Aber als Niedersachsens Ministerpräsident können Sie doch Einfluß nehmen. Wäre der Mainzer Beschluß zustande gekommen, wenn Sie dafür gesorgt hätten, daß Ihr Kultusminister Busemann ein Veto einlegt?
Das ist eine berechtigte Frage. Ich glaube nicht, daß man im Bereich der Kultusministerkonferenz des Themas Herr werden kann. Nachdem die Rechtschreibreform sich verselbständigt hat und lange Jahre von der Kultusministerkonferenz gedeckt wurde, ist das entweder hinzunehmen oder auf höchster Ebene zwischen Bundesregierung und vor allem den Ministerpräsidenten noch einmal grundsätzlich in Frage zu stellen. Ich war beim „Großen Deutschtest“ bei RTL, daran haben 50 000 Fernsehzuschauer teilgenommen. Das Ausmaß der Fehlerquoten war unendlich. Dieses Erlebnis hat mich noch einmal zu einer intensiveren Beschäftigung mit der neuen Rechtschreibung geführt. Was ist aus der Reform geworden? Doppelzulässigkeiten, gleichberechtigte Varianten, Beliebigkeit. Ich werde in diesem Leben Briefe, an meine Frau, an meine Freunde, bei der Anrede groß schreiben. „Dir“ und „Euch“ werde ich niemals klein schreiben. Der Beliebigkeit ist aber inzwischen Tür und Tor geöffnet, alles ist zulässig. Es geht getrennt und zusammen, groß und klein. Das darf und kann sich eine Sprache nicht leisten, schon gar nicht, wenn sie sich im internationalen Vergleich behaupten muß. Ich erwähne nur das Stichwort „Denglish“. Wer sich differenziert ausdrücken kann, der kann auch differenzierter denken. Und wer es auf Vereinfachung anlegt, der macht es den Leuten nicht unbedingt einfacher, sondern unter Umständen schwerer, weil sie komplexere Vorgänge nicht mehr entsprechend verarbeiten können. Es gibt ja Untersuchungen, die besagen, daß die Zahl derer ständig wächst, die Sätze mit mehr als zwölf Wörtern schlicht nicht mehr begreifen können. Wir geraten zunehmend in einen Zustand der Verhunzung unserer Sprache. Das alles ist erschreckend und traurig.
Was wollen Sie dagegen tun?
Die Lage ist doch sehr überschaubar. Entweder wir haben die nächsten fünf Jahre diese als verheerend und diffus eingeschätzte Situation, um dann mit einem nächsten Reformakt neue Verunsicherung zu schaffen und womöglich noch mehr Beliebigkeit zu ermöglichen. Oder es gibt ein Echo. Ich will mich nicht überschätzen, aber nach der zustimmenden Reaktion meines saarländischen Kollegen Peter Müller stehen wir nun vor der Frage, wie wir in der Runde der Ministerpräsidenten noch mehr Kollegen dazu bewegen, sich der Sache anzunehmen. Die Ministerpräsidentenkonferenz sollte jetzt endlich über die mißlungene Rechtschreibreform reden. Und wenn ein sozialdemokratischer Ministerpräsident, Steinbrück oder Beck oder Simonis oder Scherf, morgen erklären würde, daß er die Sache genauso sieht, dann würde ich sofort eine parteiübergreifende Initiative noch für die nächste Ministerpräsidentenkonferenz starten.
Also wollen Sie endlich die Kultusministerkonferenz von einer Last befreien, der sie nie gewachsen war?
Aber dazu bedarf es notwendigerweise eines breiteren Fundaments, das Sie, Ihre Kollegen und viele andere ja vielleicht zur Zeit herstellen. Sie haben mich ja zu Recht gefragt, was ich vor und während meiner Amtszeit in der Sache unternommen habe. Vielen Kollegen, die länger als ich im Amt sind, stellt sich diese Frage ungleich drängender. Es gibt den alten Satz: Die Regierungen wechseln, und die Beamtenschaft bleibt die gleiche. Ich glaube nicht, daß man das auf der Ebene der Kultusminister retten kann. Das geht wirklich nur in der Ministerpräsidentenkonferenz, im Grunde genommen auch nur mit der Rückendeckung der Bundesregierung, weil wir die Schweiz und Österreich in ihrer Souveränität respektieren müssen.
Was dürfen Sie von der Bundesregierung erwarten?
Ach, manchmal denke ich, die Rechtschreibreform sei nur für Gerhard Schröder und Frau Bulmahn gemacht worden. Schröder hat sich wohl nie intensiv damit beschäftigt. Dieses Desinteresse macht ihn bei vielen populär. Frau Bulmahn kenne ich lange und gut. Bei aller Wertschätzung: Ich wäre nie darauf gekommen, sie zur Bildungsministerin zu machen.
Und wie sieht es in Ihrer Partei, der CDU, aus? Warum interessiert sich die Spitzenpolitik im allgemeinen so wenig für dieses Thema?
Annette Schavan hatte sich als KMK-Präsidentin vermeintlich schülerfreundlich verhalten. Irgendwie hat hier auf breiter Ebene eine Generalkapitulation vor den vermeintlichen Fachleuten stattgefunden.
Aber die vermeintlichen Fachleute waren ein paar Ministeriale, denen die Kultusministerkonferenz fahrlässigerweise die Rechtschreibreform überlassen hat.
Und ein paar Professoren, die den Eindruck erweckten, sie könnten das Rad neu erfinden. Natürlich entwickelt und verändert sich die deutsche Sprache. Sie lebt und atmet. Das wurde alles von der Mannheimer Duden-Redaktion beobachtet. Aber das ganze Vorhaben, die Vorstellung, daß man sich des Kulturguts Sprache in einer Kommission am grünen Tisch bemächtigen könnte, das war Irrsinn. Die Rechtschreibreform war abwegig und ist gescheitert. Wir reden über ein Kind, das im Brunnen liegt, und die Wiederbelebungsversuche sind relativ aussichtslos.
Die Reform ist wohl nicht zu retten, aber ist ihre Rücknahme überhaupt möglich? Wie wollen Sie Ihre Mitstreiter organisieren?
Es mag sich komisch anhören, aber ich glaube, es bedarf einer gewissen Bewegung in der Bevölkerung.
Die gibt es doch. Allensbach hat die prägnanteste Zahl gerade genannt: Die Reform hat eine Zustimmungsrate von dreizehn Prozent. Da müßte doch jeder Politiker hellhörig werden.
Einen Regierungswechsel wird man über ein Thema wie die Rechtschreibreform nicht herbeiführen können. Der Zustand unseres Landes läßt sich vielleicht an der deutschen Nationalmannschaft ablesen. Womöglich verrät die lange Debatte über die mißglückte Rechtschreibreform auch etwas über den gesamten Zustand unserer politischen Eliten.
Politiker meiden unbequeme Themen. Wenn Sie Mitstreiter finden, werden sich die Ministerpräsidenten den Vorwurf einhandeln, verantwortungslos mit den Schulkindern umzugehen, die jetzt schon nach der Neuschreibung gelernt haben.
Ich räume gern ein, daß es einer gewissen Nachschulung bedarf bei den Jahrgängen, die jetzt mit der neuen Rechtschreibung groß geworden sind. Das ist aber eine überschaubare Zahl von Jahrgängen.
Die in fünf Jahren natürlich größer ist.
Innerhalb von fünf Jahren verdoppelt sich diese Zahl. Da ich selbst eine zehnjährige Tochter habe, die betroffen wäre, bin ich mir der Tragweite bewußt. Aber wenn die deutsche Literatur danach wieder unverfälscht gedruckt werden könnte und wir den Streit mit den vielen Schriftstellern, die man nie angemessen einbezogen hat, beenden könnten, wäre es mir das wert. Ich sehe die Debatte über die deutsche Sprache als ausgesprochene Chance. In Niedersachsen haben wir den Deutschunterricht gestärkt und sind zu der alten Philologenweisheit zurückkehrt, daß Deutsch eigentlich in jedem Fach, zu jeder Zeit unterrichtet wird, daß auch jede Mathematikstunde eine Deutschstunde ist. Seit ich im Amt bin, haben wir zwei Tests eingeführt. Die Sprachtests im Kindergarten haben katastrophale Ergebnisse. Und wir haben in den dritten Klassen Mathematiktests gemacht. Wir stellen fest, daß Kinder, die die deutsche Sprache unzureichend beherrschen, im Schnitt mindestens eine Note schlechter abschneiden in Mathematik als jene Kinder, die die deutsche Sprache gut beherrschen. Offenkundig ist es diesen Kindern nicht möglich, die Aufgabenstellung sprachlich zu verarbeiten. Die zentrale Funktion von Sprache für Bildungschancen, für Lebenschancen in einer Welt mit gestiegenen Anforderungen an Sozialverhalten, Kommunikations- und Teamfähigkeit ist über viele Jahre einfach unterschätzt worden. Wir müssen diese Debatte jetzt führen, denn sie ist wichtig. Die Leute wollen schon richtig schreiben und sich richtig ausdrücken können.




Mein Kommentar:

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf die gewachsene Struktur der Rechtschreibung? Nein

Hat die Rechtschreibeform Rücksicht genommen auf die in der Bevölkerung seit langem eingebürgerten Schreibweisen, auf das, was die Menschen bereits in der Schule gelernt haben? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf die Kenntnisse, die sich Korrektoren und Lektoren in jahrzehntelanger Arbeit erworben haben? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf den Stand der heutigen Germanistik, daß eine deskriptive Darstellung der Rechtschreibung einem präskriptiven Vorgehen auf diesem Gebiet vorzuziehen ist? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf den Gruppenantrag von über 50 Abgeordneten des Deutschen Bundestages und den Geist des Beschlusses des Deutschen Bundestages - „Die Sprache gehört dem Volk “- ? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf den zwei Jahre währenden Prozeß der Meinungsbildung in Schleswig-Holstein, der dann zum repräsentativen Volksentscheid über die Rechtschreibreform geführt hat? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf die in Bibliotheken und gutbürgerlichen Haushalten millionen- und abermillionenfach vorhandenen Bücher und die Arbeit, die notwendig war, diese oft sorgfältigst gemachten Bücher zu erstellen? Nein.

Hat die Rechtschreibreform Rücksicht genommen auf die Schüler, die noch zur Schule gingen und bereits eine richtige, auch in der Gesellschaft akzeptierte Rechtschreibung gelernt haben? Nein.



Die Rechtschreibreform hat sich längst als eine Hydra entpuppt: Versucht man, ihr einen Kopf abzuschlagen, mißlingt dies in aller Regel, stattdessen kommen zwei neue Köpfe bzw. Varianten.
Es hat wahscheinlich nur wenig Sinn, ein Gremium einzuschalten und diesem die Frage vorzulegen, wie man der Hydra vielleicht den nächsten Kopf abschlagen kann, und sei dies die Runde der Ministerpräsidenten. Man erwarte jedenfalls nicht unbedingt, daß ein solcher Schritt allein eine befriedigende Lösung bringen wird.
Dann kommen nämlich doch wieder die alten Seilschaften angekrochen, schieben Staatstreue vor, man müsse Rücksicht nehmen auf die anderen Länder, Deutschland müsse doch ein verläßlicher Partner sein (indem dieser Staat alle, die im Ausland Deutsch lernen, vor den Kopf stößt). Die Bundesregierung wird hinzugezogen, Hardliner wie Schily, die von der Thematik keinen blassen Schimmer haben und für „Politik nach Gutsherrenart“ hinlänglich bekannt sind, werden aufs Parkett gebeten. Dann ist alles zu spät.

Hier ist wohl eher eine „einsame“ Entscheidung gefragt, die einen weisen und entschiedenen Weg findet, den ganzen Zirkus mittelfristig auslaufen zu lassen, eine Entscheidung, z. B. e i n e s Ministerpräsidenten, die von der tatsächlichen Sachlage ausgeht, und keine falschen Rücksichten auf irgendwelche internationalen Absprachen mit anderen Ländern nimmt. Man frage doch einmal die Leute auf der Straße in Österreich und der Schweiz, was diese von der Rechtschreibreform halten. Das Ergebnis dürfte kaum anders ausfallen als bei uns (Allensbach, nur 13 Prozent Zustimmung zur Rechtschreibreform).

Die Rechtschreibreform ist dabei, wie eine Dampfwalze rücksichtslos (siehe oben) alle bisherige Ordnung und gewachsene Struktur unserer Rechtschreibung plattzumachen und damit ihre Einheitlichkeit zu zerstören, auch das Lernen in der Schule zu behindern und die Schüler zu verunsichern. Gegenüber einer solchen Dampfwalze ist übertriebenes Zartgefühl fehl am Platze.


eingetragen von Matthias Dräger am 29.06.2004 um 02.27

Wulff hält Rechtschreibreform für gescheitert


Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hält die Rechtschreibreform für gescheitert. Sie sei abwegig, sagte Wulff der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (Dienstagausgabe).
Frankfurt/Main (ddp). Die Reform habe der Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet. Das dürfe sich eine Sprache jedoch nicht leisten, wenn sie sich im internationalen Vergleich behaupten müsse. Deutschland gerate zunehmend in einen Zustand der »Sprachverhunzung«.
Wulff sprach sich dafür aus, dass sich die Ministerpräsidenten mit der Rechtschreibreform befassen. Auf kultusministerieller Ebene sei die Rechtschreibreform nicht mehr zu bewältigen. Die Kultusministerkonferenz habe das Projekt jahrelang unkritisch gedeckt und ihren eigenen Ministerialbeamten sowie der Rechtschreibkommission blind vertraut. Von ihr sei schon seit Mitte der neunziger Jahre keine Einsicht oder gar eine Rücknahme zu erwarten. Dennoch wollte Wulff nicht von seiner Weisungsbefugnis gegenüber dem eigenen Kultusminister Gebrauch machen, der in Mainz durch sein Veto einen anderen Beschluß hätte herbeiführen können.

----------------------
Mein Kommentar zur Weisungsbefugnis:
Wenn der niedersächsische Kultusminister bei der Mainzer Beschlußvorlage seine Zustimmung verweigert hätte, wäre etwa folgendes passiert: nichts.
Mit anderen Worten: Die Rechtschreibreform wäre unverändert weitergelaufen.
Wollte Wulff das?


eingetragen von Detlef Lindenthal am 06.05.2004 um 15.17


Christoph Kukulies schrieb:
In Diskussionen mit Bekannten, Kollegen etc. stelle ich immer wieder fest, gegen welche Vorurteile und Fehlauffassungen man anrennen muß.

Was mir immer wieder begegnet: "Ab 2005 wird die neue Rechtschreibung doch Gesetz". Oder: "Eines finde ich ja logisch, die Regel beim 'ss' nach kurzem Vokal". Und ein drittes: "In ein paar Jahrzehnten ist unsere Generation sowieso nicht mehr da und für die Schulkinder, die es heute lernen, wird das gar kein Problem sein" und ich stelle auch fest, ich bin einfach nicht gut genug trainiert, um mit wenigen Worten diese Vorurteile zu entkräften.

Mir gelingt es zwar, einen Moment des Erstaunens und Innehaltens zu erzeugen, aber zu überzeugen und zur Umkehr zu bewegen gelingt mir nicht. Immerhin stelle ich eine gewisse Aufweichung der Positionen anfänglich überzeugter Befürworter in meinem Umfeld fest, aber ob das zum Überlaufen ausreicht?

Eine weitere typische Antwort ist: "Es gibt weiß Gott Wichtigeres".

Trainieren wir uns doch mal gegenseitig.
Gerne versuche ich Antworten auf Argumenten-Versuche, wenn Sie dafür einen neuen Faden namens „Strategische Argumente“ o.ä. beginnen.

Bitte bedenken Sie aber auch, damit diese Übung auch wirklich lehrreich wird, daß es allgemein und auch bei uns viel weniger um Argumente als um Herdenzugehörigkeitsgefühle geht.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Christoph Kukulies am 06.05.2004 um 14.32

In Diskussionen mit Bekannten, Kollegen etc. stelle ich immer wieder fest, gegen welche Vorurteile und Fehlauffassungen man anrennen muß.

Was mir immer wieder begegnet: "Ab 2005 wird die neue Rechtschreibung doch Gesetz". Oder: "Eines finde ich ja logisch, die Regel beim 'ss' nach kurzem Vokal". Und ein drittes: "In ein paar Jahrzehnten ist unsere Generation sowieso nicht mehr da und für die Schulkinder, die es heute lernen, wird das gar kein Problem sein" und ich stelle auch fest, ich bin einfach nicht gut genug trainiert, um mit wenigen Worten diese Vorurteile zu entkräften.

Mir gelingt es zwar, einen Moment des Erstaunens und Innehaltens zu erzeugen, aber zu überzeugen und zur Umkehr zu bewegen gelingt mir nicht. Immerhin stelle ich eine gewisse Aufweichung der Positionen anfänglich überzeugter Befürworter in meinem Umfeld fest, aber ob das zum Überlaufen ausreicht?

Eine weitere typische Antwort ist: "Es gibt weiß Gott Wichtigeres".

Trainieren wir uns doch mal gegenseitig.





__________________
Christoph Kukulies


eingetragen von Elke Philburn am 24.02.2004 um 13.50

Zitat:
Alle Diktatoren wollen das Beste für ihre Untertanen.

Angeblich - diesen Zusatz vermisse ich hier ein wenig. Dann wird auch die Sache mit den 'edlen Motiven' klarer.
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http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von margel am 24.02.2004 um 13.31

Darum habe ich ja auch mit Bedacht "aus der Sicht der Urheber" hinzugefügt, verehrte Frau Philburn. Alle Diktatoren wollen das Beste für ihre Untertanen. Der Haken dabei ist, daß letztere nie gefragt werden. Die Reformer haben es allerdings verstanden, ihre Motive zu verschleiern, wie sie seither immer mit Lügen und Schönfärberei gearbeitet haben. Ganz besonders wichtig war auf allen Seiten eine Vorgehensweise, die H. Kuhlmann meiner Ansicht nach treffend als "Entpolitisierung" bezeichnet.


eingetragen von Elke Philburn am 24.02.2004 um 13.21

An diese vermeintlich 'edlen' Grundgedanken mag ich nicht so recht glauben. Die Reformbewegung der frühen Siebziger, die Heide Kuhlmann im betreffenden Kapitel beschreibt, war doch hochideologisiert. Da ging's wohl mehr um Einflußnahme als um das Wohl der breiten Masse.
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http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von margel am 24.02.2004 um 10.57

Es ist alles viel schlimmer: Hinter der Reform stecken keine Bösewichte, keine finsteren Mächte, keine Verschwörung, auch nicht pure Dummheit. Dies alles und noch mehr läßt sich allenfalls erst im Vollzug der Rechtschreibreform dingfest machen. Am Anfang stehen lauter edle Motive - jedenfalls aus der Sicht der Urheber. "Schlimmer" ist das deswegen, weil die Beseitigung dieser Ruine dadurch so unendlich schwer wird. Abfall entsorgt man bedenkenloser als "Wertstoffe" (die immer noch Abfall sind). - Über die guten Absichten am Ursprung der Reform informiere man sich in den einschlägigen Schriften von Prof. Ickler und ganz besonders auch H. Kuhlmann (hier in den Kapiteln: "Reform als Selbstzweck" und "Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik")


eingetragen von Walter Lachenmann am 24.02.2004 um 09.38

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
Zitat:
Ich frage mich immer wieder, ob dahinter nun tatsächlich eine dämonisch-böse, demokratiefeindliche Staatsmacht steckt, die sich mit Möchtegerngeldverdienern verbündet hat, oder ob wir es hier nicht mit einem Exempel schierer allumfassender Spießerdummheit zu tun haben.

Das ist m. E. keine reine Dummheit. Wir haben es doch bei Politikern nicht mit Leuten zu tun, denen man aufgrund mangelnder schulischer Voraussetzungen die Befassung mit einem Thema wie der Rechtschreibreform nicht zumuten könnte.


"Ein Ministerpräsident, den ich nach seiner Meinung über die Rechtschreibreform fragte, sagte mit sympathischer Offenheit: 'Herr Kunze, ich habe keine Ahnung, worum es da geht!'[...]
Wenige Tage später ließ unser Gesprächspartner vor den Mikrophonen der Ministerpräsidentenkonferenz keinen Zweifel daran, daß die von den Kultusministern beschlossene Rechtschreibreform allen Einwänden standhalte.
Wer vom Staat getragen wird, der trägt den Staat."

(Reiner Kunze in: Deutsch. Eine Sprache wird beschädigt. S. 17/18)


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Walter Lachenmann


eingetragen von Elke Philburn am 24.02.2004 um 04.10

Zitat:
Ich frage mich immer wieder, ob dahinter nun tatsächlich eine dämonisch-böse, demokratiefeindliche Staatsmacht steckt, die sich mit Möchtegerngeldverdienern verbündet hat, oder ob wir es hier nicht mit einem Exempel schierer allumfassender Spießerdummheit zu tun haben.

Das ist m. E. keine reine Dummheit. Wir haben es doch bei Politikern nicht mit Leuten zu tun, denen man aufgrund mangelnder schulischer Voraussetzungen die Befassung mit einem Thema wie der Rechtschreibreform nicht zumuten könnte. Wenn es also schon nicht für nötig gehalten wird, sich in so trivialen Dingen wie einer Rechtschreibreform Gewißheit zu verschaffen, bevor man eine Mehrheitsentscheidung in die Tonne stampft, wie will man dann von solchen Leuten erwarten, daß sie sich in anderen Angelegenheiten hinter die Interessen derer stellen, von denen sie gewählt wurden? Die Bereitschaft, sich aus Überzeugung hinter eine Sache zu stellen und für sie einzutreten, ohne ihren Wahrheitsgehalt auch nur im Ansatz überprüft zu haben, halte ich sogar für ausgesprochen gefährlich.

Zumindest kann ich die Empörung Herrn Drägers absolut verstehen, auch wenn die Sache schon ein Weilchen zurückliegt.
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http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von Wolfgang Wrase am 24.02.2004 um 03.13

Wenn man ss-Knechte statt SS-Knechte schreibt, ist das schon mal deutlich entschärft und eine witzige Lösung. Aber selbst dann muß man aufpassen. Das Nazi-Thema ist dermaßen vergiftet und vergiftend, daß auch eine feine Anspielung (bei maximaler gleichzeitiger Abgrenzung beziehungsweise trotz an sich klarer Ironie) zu der stereotypen Reaktion führen kann: "Diese Durchgedrehten vergleichen doch tatsächlich die Rechtschreibreform mit dem Nazi-Terror." Wenn man dieses Totschlagargument vermeiden will, dann muß man wohl weitestgehend auf derartige Anspielungen verzichten (konkret: auch mit ss statt SS). Obwohl sie von der Sache her durchaus angebracht sind, so wie ich das im letzten Beitrag als "ein Körnchen Wahrheit" bezeichnet habe; denn eine wehrhafte Demokratie mit funktionierender Machtkontrolle würde einerseits ein Terrorregime im Vorfeld abblocken können, andererseits auch ein schwachsinniges, ideologisch motiviertes, autoritär durchgeboxtes Projekt wie die Rechtschreibreform.

Dasselbe Problem gibt es auch mit dem bei ideologisch motivierten Reformfreunden beliebten Totschlagargument: "Die Gegner der Reform beschwören immer den Untergang des Abendlandes." Damit sollen wir lächerlich gemacht werden. Zum einen muß man darauf antworten, daß wohl kein Gegner der Rechtschreibreform tatsächlich den Untergang des Abendlandes beschwört. Es handelt sich so gesehen einfach um eine dumme, unfaire Polemik. Etwas anderes ist es, wenn damit eigentlich nur gesagt werden soll, daß das Engagement der Reformgegner als völlig übertrieben wahrgenommen wird, weil der Betreffende die Reform entweder gut oder belanglos findet, und das kommt ja häufig vor.

Auf dieser Ebene müßte man meiner Meinung nach folgendes antworten: Hier wird in der Argumentation ein Symptom mit der Ursache verwechselt. Wir behaupten nicht, daß die Rechtschreibreform als Ursache zum Untergang der europäischen oder der deutschen Kultur führt. Aber wir stellen die Frage: Wenn nicht einmal ein so vollkommen unsinniges Projekt wie die Rechtschreibreform verhindert werden kann, wenn sich alle möglichen Instanzen der Gesellschaft (Politiker, Verfassungsgericht, Medien, alle möglichen Verbände, die Wirtschaft) gegen jede Vernunft und eine überwältigende Mehrheit a) der Bevölkerung, b) der Schriftsteller, c) der Wissenschaftler stellen - wie will Deutschland, wie will Europa dann seine noch viel größeren Zukunftsprobleme lösen?! Der organisierte Unsinn der Rechtschreibreform kann also sehr wohl zu der bangen Frage führen, ob die abendländischen Errungenschaften, unter anderem eine vernunftbestimmte Politik, noch eine Zukunft haben. So wie es auch viele andere Symptome eines bedrohlichen Werte- und Strukturverfalls gibt, von denen auch ständig die Rede ist.

Als eines von vielen Symptomen, als deutliches Warnzeichen - so verstanden ist es durchaus berechtigt, einen Zusammenhang mit dem "Untergang des Abendlandes" herzustellen. Aber weil es sich hier ebenfalls um ein Totschlagargument handelt, ist es vielleicht angebracht, mit einem schlichten Dementi zu antworten, das der einfachen Struktur des Vorwurfs besser entspricht.


eingetragen von Rainer Gerlach am 23.02.2004 um 19.14

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Walter Lachenmann
Lieber Herr Dräger,

Auch die Polemik gegen harmlose „dass“-Schreiber ist ungerecht und albern.


Nun muß ich noch einmal den Strang verschandeln,
der für Strategien reserviert ist, wurden mir doch hier
Absichten unterstellt, die mir nicht am Herzen lagen.

Vor allem habe ich nun gelernt, ss-Büttel oder
-Schergen klein zu schreiben, damit die Assoziation mit dem
Dritten Reich dem Leser überlassen bleibt.

Harmlose ss-Schreiber sind für mich Opfer der
Desinformation, keine Mörder. In meiner Familie
gibt es auch mindestens ein Beispiel dafür.

Die Umbenennung von Saßnitz war schon nicht mehr
ganz so harmlos, hat aber auch keinen Menschen das
Leben, sondern nur eine Menge Geld gekostet.
Gleiches gilt für die Vernichtung alter Buchbestände.


Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Walter Lachenmann
Man soll nachhelfen, dann geht’s schneller, und das Zuschauen beim Zusammenkrachen der Fehlkonstruktion macht diebischen Spaß. Für Schweißperlen des Zornes auf der Stirn oder Schaum vor dem Mund gibt es keinen Grund mehr.


Hier gebe ich Ihnen völlig recht und nehme in der
ersten Reihe Platz.

[stark gekürzt]
– geändert durch Rainer Gerlach am 25.02.2004, 08.48 –


eingetragen von Walter Lachenmann am 23.02.2004 um 13.17

Lieber Herr Dräger,

Ihr Zorn ist berechtigt und verständlich. Die gesamten Begleiterscheinungen der Durchsetzung der Rechtschreibreform waren skandalös und müssen, insbesondere für diejenigen, die sich für ihre Verhinderung seinerzeit so leidenschaftlich eingesetzt haben wie Sie und Ihre Mitstreiter, deprimierend und empörend gewesen sein. Nicht weniger ärgerlich ist die Art und Weise, wie heute immer noch an dem objektiv mißlungenen Projekt festgehalten wird und jegliche Kritik, und sei so kompetent und hochrangig wie die der deutschen Akademien oder der Rechtsprofessoren, unter den Teppich gekehrt werden soll.

Ich frage mich immer wieder, ob dahinter nun tatsächlich eine dämonisch-böse, demokratiefeindliche Staatsmacht steckt, die sich mit Möchtegerngeldverdienern verbündet hat, oder ob wir es hier nicht mit einem Exempel schierer allumfassender Spießerdummheit zu tun haben. Der nackte Kaiser, der sich vom Volk für seine schönen Gewänder bejubeln ließ, muß kein Bösewicht gewesen sein; es soll ja auch gutmütige Monarchen gegeben haben, denen das Wohl ihrer Untertanen ein Herzensanliegen war. Daß dies in der Regel die dümmeren waren, paßt durchaus ins Bild.

So könnte ich mir denken, daß der Boykott Ihrer Bemühungen damals von Ihren widerspenstigen Gesprächspartnern durchaus im guten – bzw. schlechten – Glauben stattgefunden hat, die Rechtschreibreform sei eben doch eine gute Sache, der man zum Erfolg verhelfen müsse, und bei deren Gegnern handle es sich um ein paar irrationale Eiferer, die sich dem Fortschritt entgegenstellen wollten. Leider war und ist die Artikulation mancher Reformgegner eben auch immer wieder der Art, daß man sich über eine solche Beurteilung durch weniger involvierte Beobachter nicht wundern muß.

Natürlich hätten die Verantwortlichen sich über die Berechtigung des Protests sehr schnell Klarheit verschaffen können, wenn sie sich mit dem Inhalt der Reform so befaßt hätten, wie es ihrer Verantwortung entsprochen hätte. Aber so läuft nun einmal der Amtsschimmel. Ist die Parole ausgegeben, „die Reform muß durch“ – und hierin waren sich die Parteien eben leider einig – dann bemüht sich jeder Beamte oder Parteifunktionär, diese Zielsetzung zu unterstützen. Wer schon einmal Mitglied einer demokratischen Partei war, kann von höchst wundersamen Damaskus-Ereignissen berichten, wie profunde Überzeugungen auf neu ausgegebene Marschrichtungen hin in ihr Gegenteil verkehrt werden können. Umso leichter im Fall der Rechtschreibreform, wo von einer Überzeugung mangels Kenntnis der Sache bei den politisch Handelnden gar keine Rede sein konnte.

Worauf ich hinaus will: Empörung und Zorn sind, wie Angst, schlechte Ratgeber. Ein empörter Mensch wirkt überzeugend bestenfalls auf seinesgleichen. Polemiken, in denen Parallelen zur Nazi-Vergangenheit herangezogen werden, wirken nicht nur völlig überzogen und geschmacklos, sondern sind es auch, und müssen auf besonnene Beobachter abstoßend wirken. Auch die Polemik gegen harmlose „dass“-Schreiber ist ungerecht und albern. Die Sachargumente gegen die Reform hingegen sind so stark, daß wir uns in aller Ruhe auf diese konzentrieren können. Die Reaktionen auf die jüngsten Ereignisse in der Presse bis hin zu den Leserbriefen zeigen, daß die Reform, an ihrer Zielsetzung gemessen, bereits gescheitert ist. Niemand hält sie mehr für einen Erfolg. Die Frage ist nur noch, was man mit der Bauruine anfangen soll. Ob man noch ein bißchen dran herumkleistern soll, ob sie von alleine einstürzt oder ob man dabei nachhelfen sollte.

Man soll nachhelfen, dann geht’s schneller, und das Zuschauen beim Zusammenkrachen der Fehlkonstruktion macht diebischen Spaß. Für Schweißperlen des Zornes auf der Stirn oder Schaum vor dem Mund gibt es keinen Grund mehr.

Ich wünsche Ihnen eine entspannte Faschingszeit und einen glücklichen Griff nach der Flasche mit dem richtigen Zielwasser.

Helau!

__________________
Walter Lachenmann


eingetragen von margel am 23.02.2004 um 12.42

Dringend warnen möchte ich davor, die Reformer und ihre politischen Handlanger in die Nähe der Mörderbanden des 3. Reichs zu rücken. Erstens ist das trotz der undemokratischen Art und Weise der Durchsetzung der Reform doch völlig unangemessen. Und zweitens ist der Vergleich auch im Hinblick auf die Opfer des Naziregimes leichtfertig. Im Dienste der Glaubwürdigkeit und Seriosität der Refomgegner sollte jede übertriebene Polemik unterbleiben. Sonst gerät man am Ende noch zu Recht in den Geruch der Hysterie und des Fanatismus. Dem Dogmatismus und der Scharlatanerie der Reformer muß mit ruhiger Überlegenheit entgegengetreten werden. Das schließt nicht aus, daß man auch die Lächerlichkeit des ganzen Unternehmens samt seiner Urheber immer wieder ins rechte Licht rückt.


eingetragen von Matthias Dräger am 23.02.2004 um 11.09

Lieber Herr Wrase, Ihrer Meinung möchte ich mich anschließen. Nicht jeder durfte, wie eine handvoll Aktiver, aus nächster Nähe erleben - mit allen Menschlichkeiten, Lügen, Propagandamärchen, Dummheiten, Kommerzinteressen, usw. - von welchen Trotteln wir in uns in diesem Land herumschubsen lassen müssen. Wer das nicht erlebt hat, nicht den blanken Hohn bei den Verantwortlichen* gesehen hat, wenn man sich für die berechtigten Belange vieler einsetzt, der bekommt die Anspielung auf die SS sicher in den falschen Hals.


------------------------------

* Nur ein Beispiel dazu: Nachdem die Volksinitiative am 14. Dezember 1996 mit der Sammlung von Unterschriften für den Zulassungsantrag des Volksbegehrens begonnen hatte und innerhalb von 3 (!) Tagen die erforderlichen 20.000 Unterschriften beisammen hatte, hielt ich es für angebracht, die Landesregierung zu einem Gespräch zu bitten, damit so rasch wie möglich eine einvernehmliche Lösung für ein Problem gefunden wird, das den Leuten offensichtlich unter den Nägeln brennt - sonst hätten sich ja in der Vorweihnachtszeit kaum so viele daran beteiligt.
Das Gespräch kam auch zustande, und zwar erklärte sich der Geschäftsführer der SPD-Fraktion dazu bereit, Herr Holger Astrup. Für das Gespräch (Februar 1997) in Kiel konnte ich, trotz der langen Anreise, Herrn Prof. Ickler gewinnen. Es verlief folgendermaßen:

Guten Tag.
Möchten Sie einen Kaffee?

Frau Sabine Schröder (SPD), Realschullehrerin, war von Herrn Astrup zu dem Gespräch dazugeben worden. Frau Schörder nannte ein Beispiel, bei dem durch die Rechtschreibreform eine Vereinfachung erfolgt sei.
Prof. Ickler widersprach dem und nannte daraufhin drei Beispiele, bei der die Reform bei ähnlichen Wortbildungen zu fehlerhaften und mißverständlichen Schreibungen führt.

Damit - man stelle sich das bitte einmal vor - war der fachliche Teil unseres Gespräches bereits beendet!

Denn Herr Astrup sagte zu mir dann nur noch wortlich: „Aber Herr Dräger, Sie glauben doch nicht im ernst, daß Sie für dieses Thema 100.000 Unterschriften zusammenbekommen!“
Mit anderen Worten: Wir hatten keine Chance, darum brauchte man sich auch mit den Inhalten nicht weiter zu beschäftigen. Die Reform war von der SPD-Kultusministrin beschlossen, also war sie gut, hatte ganz einfach gut zu sein.
(Zum Zeitpunkt, als Herr Astrup dies äußerte, hatten wir allein für den Zulassungantrag statt der erforderlichen 20.000 schon über 70.000 Unterschriften erhalten, die Sammlung ließ sich kaum noch stoppen. Im Zulassungsverfahren haben wir dann nicht nur die benötigten 100.000, sondern gleich über 300.000 Unterschriften gegen die Rechtschreibreform erhalten, obwohl die Sammlung nicht frei war, also die Eintragung nur an behördlich genehmigten Stellen erfolgen konnte!)

Nach wenigen Sätzen war also unser Gespräch, bei dem es - nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal - um die zukünftige Gestalt der deutschen Rechtschreibung ging, beendet. Ich nahm mir noch einen Keks, dann konnten Herr Prof. Ickler und ich wieder unsere Heimreise nach Erlangen bzw. St. Goar antreten.


Ein weiteres Gespräch, im Frühjahr 1999, zu der ich die Spitzen der im Landtag vertretenen Parteien eingeladen hatte und das in meinem Elternhaus staffand, scheiterte, weil - der Referent des SPD-Fraktionsvorsitzenden Lothar Hay den von mir langfristig vorbereiteten Termin zwar zugesagt hatte, anläßlich der Übermittlung der Anfahrtskizze aber wieder absagte, da, so Hays Referent, „der Termin von mir zwischenzeitlich nicht bestätigt worden sei.“
Daraufhin, da Hay nicht kam, schickten auch die anderen Parteien nur ihre zweite Garnitur, wohl nur, um zu sehen, was da geplant werde, aber ohne die Möglichkeit, daß entscheidende Leute überzeut werden konnten.

Was zu Anfang ein Viergspräch nicht vermochte, gelang später auch nicht einem größeren Kreis in mehrstündiger Debatte. Später traten in gemeinsamer Aktion - einmalig in der deutschen Geschichte - die Präsidenten von nicht weniger als acht deutschen Akademien auf den Plan und forderten, ebenso „radikal“ wie auch Siegmar Salzburg, die Rücknahme der Rechtschreibrform.
Und das war noch nicht alles. Die Rechtschreibreform wird weiterlaufen, bis auch der letzte Pimpf hier in Deutschland begriffen hat, von welchen Hampelmännern die Reform durchgesetzt werden soll. Dann wird es aber wirklich zu spät, das Gefüge der Rechtschreibung nachhaltig gestört sein, und die Schüler werden kaum noch ein sicheres Sprachgefühhl ausbilden können.
Pandora hat uns mal wieder eingeschenkt, nun will der Kelch, der samt Sud doch so teuer war, auch geleert werden.
Prosit! Auf den Untergang von Anstand, Geist und Wahrheit!
Trink, Bürgerchen, trink!


eingetragen von Wolfgang Wrase am 23.02.2004 um 09.23

Der Boykott in verschiedenen Formen gehört sicherlich mit zur "Strategie" beim Widerstand gegen diese autoritäre und sinnlose Reform; sogar als wichtiger Bestandteil, wenn auch nicht unbedingt bei Brühwürfeln und Biersorten. Die Bezeichnung "SS-Schergen" begreife ich als bewußte, sprachspielerisch motivierte Übertreibung, in der immerhin ein Körnchen Wahrheit steckt (unterwürfige Befolgung destruktiver Vorgaben von oben in beiden Fällen). Der Sprung von "ss" zu "SS" liegt ja auch mehr als nahe. Trotzdem greift man mit den Parallelen zum Nazi-Regime schnell ins Fettnäpfchen, wenn der Leser die in vielerlei Hinsicht höchst undemokratische Durchführung der Reform noch nicht durchschaut hat. Zumindest sind solche Anspielungen im Effekt zweischneidig. Deshalb würde ich solche Beiträge zwar nicht ablehnen, aber einen Durchbruch im Rahmen der Strategiediskussion kann man damit nicht erzielen. Deshalb vielleicht lieber an anderer Stelle.


eingetragen von Jörg Metes am 23.02.2004 um 08.40

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Rainer Gerlach
Bei Brühwürfeln und ähnlichen Artikeln des täglichen Bedarfs kann man jedoch nicht immer darauf achten, ob die SS-Schergen gewütet haben, da die Auswahl an Artikeln mit unvollstreckter Strafschreibung nicht groß genug ist.
Da dieser Strang ja mit »Strategie« überschrieben ist: Gehört das zu der Strategie, die Ihnen vorschwebt, Herr Gerlach? Dass-Schreiber als SS-Schergen zu bezeichnen?

- Ja toll.
Ich hätte nichts dagegen, wenn solche Beiträge gelöscht würden.
__________________
Jörg Metes


eingetragen von Norbert Schäbler am 23.02.2004 um 03.31

Lieber Herr Gerlach!

Den "Aufbau Ost" halte ich für äußerst sinnvoll.
Die Biersorten "Radeberger, Hasseröder und Wernesgrüner" haben was.
Und was die Demokraten dort angeht: Hut ab!
Die sind gewachsen und haben nicht so dicke Wohlstandsbäuche - trotz des guten Bieres!


__________________
nos


eingetragen von Rainer Gerlach am 22.02.2004 um 20.19

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Norbert Schäbler
Inzwischen kann man nicht einmal mehr auf der Straße Kaffee genießen, denn in diesem Monat hat „Melitta“ seine Fernsehwerbung umgestellt. Dort heißt es neuerdings wie bei allen anderen Kaffeesorten „Genuss“.


Bei Bier gestaltet sich das (zur Zeit noch) etwas
einfacher. Soeben habe ich ein schon der Kühlvitrine
bei Aral entnommenes Sechserpack Bitburger
(Bitte ein Bit, ein vollendeter Genuss ...) mit einigem
Kraftaufwand die geneigte Ebene hinauf zurückgestopft und
statt dessen Hasseröder für diesen Abend erworben
(Harzhaft frischer Biergenuß).

[mißglücktes Wortspiel gelöscht]

Gruß

– geändert durch Rainer Gerlach am 23.02.2004, 12.14 –


eingetragen von Reinhard Markner am 18.02.2004 um 15.11

Wem sich dazu Gelegenheit bietet, sollte Sigmar Salzburgs köstlichen Scherz, der das Toll-Collect-Debakel mit dem Toll-Patsch-Debakel in Verbindung bringt, unter die Leute bringen.


eingetragen von Theodor Ickler am 12.02.2004 um 14.50

Soweit ich erfahren konnte, ist die Rechtschreibung mit der Annahme der Änderungsvorschläge durch die Amtschefskommission abschließend geregelt. Das heißt, es wird keine nochmalige Behandlung durch die Kultusministerkonferenz geben.

Die KMK wird uns also nicht den Gefallen tun, einen Anlaß zur abermaligen Thematisierung der Reform in der Presse zu liefern. Wir müssen uns schon selbst darum bemühen. Das ist auch wiederum nicht so schwer, weil die KMK ein außerordentlich kritikwürdiges Machwerk gebilligt hat, dessen Schwächen wir mit den geeigneten Mitteln bloßstellen müssen.
__________________
Th. Ickler


eingetragen von J.-M. Wagner am 07.12.2003 um 23.10

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von J.-M. Wagner
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von margel
Wie kommt der Text von Frau Hanika in die gedruckte Zeitung?
Schreiben Sie ihr doch einfach einen Brief, margel, worin Sie sie für ihren Kolumnenbeitrag loben und darin bestärken, sich weiter in jenem Sinne zu engagieren. Und dann fragen Sie ganz beiläufig, wie man eigentlich in der Redaktion der WELT darüber denkt...
Offenbar erübrigt sich das: »[...] mein Kontakt zur „Welt“ [beschränkt sich] auf das wöchentliche Hinschicken der Kolumne [...]« (Iris Hanika im VRS-Forum, Beitrag vom 03.12.2003)
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von J.-M. Wagner am 04.12.2003 um 14.35

Warum bleibt Prof. Munske bei der chronologischen Auflistung der Verfahrensfehler bei der verfrühten Einführung der Reform stehen (und fügt nur noch zwei prinzipielle Mängel – Unterfinanzierung und Hauptzuständigkeit der KMK – an)? Warum geht er nicht auf die „Zwischenstaatliche Kommission ...“ ein? Jetzt, da er ihr nicht mehr angehört (und er zudem emeritiert ist), könnte er doch ganz klar sagen, was von der Kommission in ihrer jetzigen Besetzung zu erwarten ist.

Außerdem habe ich auch sonst den Eindruck, daß er sich insgesamt eher zurückgehalten hat; als Beteiligter hätte er sicherlich noch mehr (und gezielt!) aus dem Nähkästchen plaudern können. Wie ernst ist es ihm wirklich damit, eine umfassende Revision der Reform zu erreichen?
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Theodor Ickler am 25.11.2003 um 11.21

Wie ich gerade sehe, habe ich vor Jahren mal den alten Duden (1991) kommentiert, im selben Stil und Format wie die Neuregelung. Wer den Text (ca. 95 Seiten) haben will, kann ihn als Mail-Anhang bekommen. Bitte einfach melden.
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Th. Ickler


eingetragen von J.-M. Wagner am 24.11.2003 um 16.18

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von margel
Wie kommt der Text von Frau Hanika in die gedruckte Zeitung? Da gibt es doch sicher Instanzen, Auswahl und Genehmigung? Ich weiß nicht viel übers Zeitungmachen, aber daß Frau H. einfach so, an der Redaktion vorbei, ihre Kolumne in eine freigehaltene Spalte der „Welt“ setzt, erscheint mir doch etwas unrealistisch.
Jörg Metes schrieb dazu:
Frau Hanika hat sich bei der „Welt“ als Kolumnistin verpflichtet unter der Bedingung, daß ihre Kolumne in der bewährten Rechtschreibung erscheint. In der Wahl ihrer Themen dürfte sie frei sein (das ist bei Kolumnisten normal).
Schreiben Sie ihr doch einfach einen Brief, margel, worin Sie sie für ihren Kolumnenbeitrag loben und darin bestärken, sich weiter in jenem Sinne zu engagieren. Und dann fragen Sie ganz beiläufig, wie man eigentlich in der Redaktion der WELT darüber denkt...
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von J.-M. Wagner am 24.11.2003 um 16.08

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Matthias Dräger
Mit dem Volksentscheid ist der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Urteils des BVerfG der Boden entzogen, da die zentrale These der Akzeptanzprognose des Gerichts sich in zeitlicher Nähe des Urteils bei amtlicher Nachprüfung per Abstimmung über den Gegenstand als grobe Fehleinschätzung erwiesen hat.
Ganz meine Meinung, sehr geehrter Herr Dräger! Ich wollte nur darauf hinweisen, daß das BVerfG-Urteil so lange noch als „Legitimation“ für dpa (und andere) herhalten kann, wie es offiziell nicht revidiert worden ist. Haben Sie deswegen z. B. mal bei Prof. Gröschner nachgefragt, ob (und ggfs. wie) da etwas zu machen wäre?

Das mindeste, was man tun kann, ist, in der Öffentlichkeit vermehrt darauf hinzuweisen, daß das BVerfG-Urteil auf genau diesen „äußerst wackeligen“ Beinen steht – ja, daß es in Anbetracht des Volksentscheides (und weiterer deutlicher Ablehnungsbekundungen) quasi als Urteil gegen die Reform verstanden werden kann.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Matthias Dräger am 23.11.2003 um 07.31

Sehr geehrter Herr Wagner,
eine mögliche Prognose der Kultusverwaltung, die Rechtschreibreform werde schon allgemeine Akzeptanz finden, ist spätestens seit dem Volksentscheid eines Bundeslandes gegen die Einführung der Rechtschreibreform an den Schulen nicht mehr haltbar. Damit ist auch dieser Passus im Urteil nicht mehr haltbar, das Urteil selbst damit ÜBERHOLT, Geschichte.
Ich sehe den Volksentscheid als repräsentiv an für alle übrigen Bundesländer, da in diesen die gleichen Verhältnisse vorliegen. Der Volksentscheid von Schleswig-Holstein ist auch deshalb so hoch zu bewerten, da er unter enormem Druck zustande kam: Die Schulbuchverlage hatten angekündigt, keine extra Schulbücher drucken zu wollen, das Kultusministerium verkündete den Eltern, die Schüler würden in anderen Bundesländern nicht mehr studieren können, etc., etc. Und dann trotzdem diese eindeutige Entscheidung!

Mit dem Volksentscheid ist der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Urteils des BVerfG der Boden entzogen, da die zentrale These der Akzeptanzprognose des Gerichts sich in zeitlicher Nähe des Urteils bei amtlicher Nachprüfung per Abstimmung über den Gegenstand als grobe Fehleinschätzung erwiesen hat.


eingetragen von J.-M. Wagner am 22.11.2003 um 19.16

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Matthias Dräger
– gelöscht –
Haben Sie ihm wenigstens erklärt bzw. gezeigt, wie man in WORD die Rechtschreibprüfung umstellt?
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von J.-M. Wagner am 22.11.2003 um 19.14

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Matthias Dräger
Es ist nicht Aufgabe der dpa, und auch nicht von Microsoft, die Bevölkerung auf eine andere Orthographie umzustellen. Die dpa hat kein Mandat, in Deutschland Bildungspolitik zu betreiben. Das Vorgehen von dpa ist ein Fall von Machtmißbrauch, der in der Geschichte dieses Hauses einmalig dasteht. Wer gibt der deutschen presse agentur das verdammte Recht, oder wohl richtiger die Macht, von vornherein zu beurteilen, ob die Rechtschreibreform von der Bevölkerung und erst recht den Zeitungslesern gewünscht wird oder nicht?
Haben Sie das Urteil des BVerfG vergessen? Demnach ist ja die Begründung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichtes, die Prognose der Kultusverwaltung (daß die Rechtschreibreform die für eine Sprachgeltung notwendige allgemeine Akzeptanz finden werde) sei nicht zu beanstanden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden...

Die Frage muß also lauten, wie anfechtbar das BVerfG-Urteil ist, da es offenbar mit der für eine Sprachgeltung notwendigen allgemeinen Akzeptanz hapert.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Jörg Metes am 22.11.2003 um 19.07

Frau Hanika hat sich bei der "Welt" als Kolumnistin verpflichtet unter der Bedingung, daß ihre Kolumne in der bewährten Rechtschreibung erscheint. In der Wahl ihrer Themen dürfte sie frei sein (das ist bei Kolumnisten normal).
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Jörg Metes


eingetragen von margel am 22.11.2003 um 18.12

Nun ja, Herr Markner, wie soll man sich das denn vorstellen?Wie kommt der Text von Frau Hanika in die gedruckte Zeitung? Da gibt es doch sicher Instanzen, Auswahl und Genehmigung? Ich weiß nicht viel übers Zeitungmachen, aber daß Frau H. einfach so, an der Redaktion vorbei, ihre Kolumne in eine freigehaltene Spalte der "Welt" setzt, erscheint mir doch etwas unrealistisch.


eingetragen von Matthias Dräger am 22.11.2003 um 17.39




eingetragen von Reinhard Markner am 22.11.2003 um 17.38

Frau Hanika schreibt eine wöchentliche Kolumne, mit anderen Worten, sie schreibt, was ihr gerade in den Sinn kommt. Sehr wahrscheinlich hat es da überhaupt keine Abstimmung mit der Redaktion gegeben.


eingetragen von Matthias Dräger am 22.11.2003 um 17.28

Die Rechtschreibreform hielt ihren Einzug im Alltag erst mit der Umstellung der Zeitungen und der Umstellung der Voreinstellung bei den Microsoft-Korrekturpgrammen (Auslieferung der Programme mit Häckchen bei "neuer Rechtschreibung").

Die gesellschaftlich spür- und sichtbare Rechtschreibreform hat also nicht in der Schule ihren Anfang genommen, sondern ist die einsame Entscheidung von zwei oder drei Herren bei dpa und Microsoft, die für ihre Maßnahme keinerlei politisches Mandat vorweisen können.
Es ist nicht Aufgabe der dpa, und auch nicht von Microsoft, die Bevölkerung auf eine andere Orthographie umzustellen. Die dpa hat kein Mandat, in Deutschland Bildungspolitik zu betreiben. Das Vorgehen von dpa ist ein Fall von Machtmißbrauch, der in der Geschichte dieses Hauses einmalig dasteht. Wer gibt der deutschen presse agentur das verdammte Recht, oder wohl richtiger die Macht, von vornherein zu beurteilen, ob die Rechtschreibreform von der Bevölkerung und erst recht den Zeitungslesern gewünscht wird oder nicht?

Ohne die von dpa und Microsoft getroffenen Entscheidungen wäre die Rechtschreibreform längst Geschichte, sie hätte die Schule nie verlassen. Sie wäre als Experiment längst gescheitert und in der Versenkung verschwunden. Stattedessen wird sie jetzt klammheimlich, Wörtchen für Wörtchen, zurückgenommen, damit ja niemand etwas davon merkt, erst recht nicht die Eltern, welcher Mist da auf ihre Kinder losgelassen wurde.

Die dpa beruft sich zur Legitimation für die Umstellung ihrer Agenturtexte gern auf eine Umfrage aus dem Jahr 1996 bei den Beziehern des Basisdienstes. In dieser Umfrage mit beigefügtem Fragebogen (dessen Aushändigung durch die dpa verweigert wurde!!) finden sich Formulierungen wie: „Unserer Ansicht nach ist eine Umstellung auf die neue Rechtschreibung letztlich unvermeidlich - vor allem, weil die nachwachsende Lesergeneration andernfalls den Printmedien verlorengehen könnte.“ (Ickler, Regelungsgewalt, S. 224 ff)
Der Fragebogen der dpa samt Anschreiben taugt also bestenfalls als Unterrichtsmaterial in Sozialkunde ab Unterprima, etwa zum Thema: Manipulation, Selbstbetrug und die Folgen.
Die dpa stützte sich bei Nachfragen zur Legitimation gern auf die berühmte Umfrage - nach Beschaffung der Unterlagen ist das Alibi aber leider geplatzt.

Jetzt sind vor allem die Verlage und die Autoren gefragt, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das in den zurückliegenden Jahrzehnten bestens bewährte Handwerkszeug sollte nicht leichtfertig über Bord geworfen werden - vor allem dann nicht, wenn man nichts Besseres hat.


eingetragen von margel am 22.11.2003 um 11.09

Bedeuten die Beiträge von I. Hanika nun die Morgenröte am dunklen Rechtschreibhimmel oder sind sie nur ein Ventil für den Unmut der Welt-Redakteure? Immerhin kann man doch vermuten, daß die "Welt" noch ein Fünkchen Verstand inmitten all der sonstigen Verwirrung der Zeitungsschreiber und -macher am Glimmen hält. Das ist im Augenblick besser als nichts.


eingetragen von Theodor Ickler am 22.11.2003 um 05.20

Iris Hanika spricht als freie Mitarbeiterin aus, was in der Redaktion der WELT jeder denkt, aber auch dort keiner mehr sagen darf. Ob in den Arbeitsvertrag der Springer-Journalisten bald die Verpflichtung aufgenommen wird, die Rechtschreibreform schweigend hinzunehmen?

Ein Hintertürchen hält man sich offen, indem man Frau Hanika diese Kolumne einräumt.
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 22.11.2003 um 01.57

Gerade überlegte ich, ob ich nicht das Stichwort »Anglisierung« ansprechen sollte, das im Text des Aufrufs einen (aus linguistischer Sicht) schwachen Punkt der Argumentation bedeutet. Da sehe ich, daß es von Iris Hanika mit Verve aufgegriffen wird. Bitte schön ! Ich würde zwar immer noch behaupten, daß eine Anglisierung weit eher im Widerstand gegen Durchkoppelungen sichtbar wird (Ernst von Siemens Stiftung oder dergleichen), aber wenn's wirkt . . .


eingetragen von Theodor Ickler am 21.11.2003 um 15.20

Ich bin nach all den Erfahrungen vorsichtig geworden. Politikern ist es ohne weiteres möglich, das Offensichtliche mit eiserner Stirn zu leugnen oder einfach zu ignorieren. Es kommt auf die Interessenlage an und darauf, ob die Verantwortlichen sie erkennen. Schon jetzt sehen wir, wie manche Zeitungen diese peinliche Sache totzuschweigen versuchen. Die Zwischenstaatliche Kommission wird wahrscheinlich auf Tauchstation bleiben oder ein "falsches Beispiel" entdecken, das irgendein Akademiepräsident sich zuschulden kommen läßt.
Sicher ist, daß die Kultusministerien, wo ja ganz gescheite Beamte sitzen (wenn auch meist keine übermäßig begabten Minister), überhaupt nichts von der Zwischenstaatlichen Kommission halten und sie am liebsten zum Teufel jagen würden. Das weiß die Kommission natürlich auch. Sie wird sich also tunlichst als diejenige Instanz empfehlen, die allein den Kultusministern bei der Wahrung ihres Gesichtes helfen kann. Bisher hat das geklappt.
Und dann darf man nicht vergessen, daß die Bertelsmänner wahrscheinlich alle Hebel in Bewegung setzen werden, um den Rückbau oder gar die Rücknahme der Reform zu verhindern.

Übrigens finde ich "Rückkehr zum Duden" nicht optimal formuliert, "zur bewährten Rechtschreibung" wäre besser, damit man das endlich mal von der Dudenprivilegierung abkoppelt. Dieses Junktim, seinerzeit von Dieter E. Zimmer konstruiert, ist ein großes Hindernis auf dem Weg zur besten Lösung.

Aber selbstverständlich ist der Akademie-Vorstoß eine großartige Sache, und man kann sie gar nicht genug rühmen. Wir müssen aber dranbleiben, bevor sie wieder in Vergessenheit gerät.
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Th. Ickler


eingetragen von Monika Grunert am 21.11.2003 um 13.44

Ich vermisse den Jubelschrei der Mitstreiter über den Vorstoß der Akademien! An diesem wird die Kultusministerkonferenz nicht einfach vorbeikommen, denke ich. Man kann ihn nicht so höhnisch vom Tisch wischen, wie das mit dem Kompromißvorschlag des DASD geschehen ist. Oder sehe ich das aus meiner Entfernung zu optimistisch?
Den Vorschlag zur Rückkehr zum alten Duden finde ich nicht so glücklich, aber er ist sicher wohlüberlegt, um die "goldenen Brücken" so einladend und kostengüstig wie möglich erscheinen zu lassen. (Außerdem wurde ja auf die problematischen Einzelfallfestlegungen des Dudens hingewiesen.)
Mehrfach ist vom "Experiment" und "Großversuch" die Rede, man ergänzt in Gedanken: "...an der lebendigen Sprache," und wird an Biermann erinnert. (Irgendwo habe ich das auch gelesen.)
Was wird jetzt passieren?


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m.g.


eingetragen von Theodor Ickler am 21.11.2003 um 08.14

Es ist interessant, wie knapp "Welt" und "Süddeutsche" über den Appell der Akademien berichten. Sonst würdigen sie jeden Furz, den ein Schlagersternchen fahren läßt, ausführlicher Darstellung.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 20.11.2003 um 15.26

Zu dem Geplänkel auf der Nachrichtenseite, wo Herr Lachenmann ja alles Nötige gesagt hat, möchte ich noch bemerken, daß der Beitrag von Reiner Kunze ja nicht der Zensur zum Opfer gefallen ist, sondern in Kürze wieder dort erscheinen wird. Man muß der Redaktion doch zugestehen, daß sie ihre Seiten nach bestem Wissen selbst gestaltet und dabei auch gewisse Überlegungen, die Außenstehenden nicht bekannt zu sein brauchen, einfließen läßt. Es gibt also keinen Grund zur Aufregung, die mir in diesem Fall auch ziemlich künstlich zu sein scheint.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 19.11.2003 um 15.47

Zur Strategie gehört auch, das Nachrichtenbrett attraktiv zu halten und nicht mit sinnlosem Gezänk zuzuschmieren. Ich hätte nichts dagegen, daß die Redaktion ab und zu von ihrem Hausrecht Gebrauch macht und Schmierereien einfach entfernt. Die Zuschriften auf mein "Angebot" haben mir noch einmal sehr deutlich gezeigt, daß unsere Rechtschreibseiten von sehr vielen ernsthaft interessierten Menschen aus dem In- und Ausland besucht werden, ganz erstaunlich! Daran sollte jeder denken, der etwas auf der Nachrichtenseite hinterläßt.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 15.11.2003 um 16.19

Wer sich für meine knapp 50seitige kommentierte Dokumentation "Folgen der Rechtschreibreform in Texten deutscher Sprache" interessiert, kann mir eine Mail schicken und bekommt den Text dann als Mail-Anhang.
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Th. Ickler


eingetragen von Norbert Schäbler am 12.11.2003 um 13.38

Viel liegt mir daran, die unterbrochene Diskussion auf dem Leitfaden „Strategie“ wieder in Gang zu bringen, und ich verspreche auch tatkräftigen Einsatz.

Dazu gehört auch eine Wiedergutmachung, denn falls ich durch eine persönliche Entgleisung (durch meine sehr anzüglichen Bemerkungen gegenüber Herrn Lindenthal hier auf diesem Leitfaden) gar selbst zur Unterbrechung des Gedankenflusses gesorgt habe, dann bitte ich hiermit die Öffentlichkeit und insbesondere den betroffenen Herrn Lindenthal um Entschuldigung.

Zum Thema „Strategie“:
Eine Strategie in Sachen Rechtschreibreform kann sich nur nach vorne richten, wobei aus Fehlern der Vergangenheit Lehren zu ziehen sind.
In diesem Themenstrang wurden eine Weile lang „Schlagworte“ gesucht, die sich ähnlich vehement ausbreiten könnten, wie die kultusministerielle Losung „zu spät!“ Gleichermaßen wurde nach Worten gerungen, die sich annähernd positiv assoziieren lassen wie der Begriff „Reform“.
Daneben wurden viele Fragen nur angedeutet:
Wer und wie viele nehmen an dem strategischen Konzept denkend und handelnd teil?
Wo findet man Verbündete?
Wen gilt es konkret auszuschalten?
Welches eindeutige Ziel gilt es bei welchem zu erwartenden Widerstand anzustreben?

Ein weiteres Mal will ich daran appellieren, daß wir die Bevölkerung (die Gesamtheit der Sprachnutzer) informieren und aufklären müßten über den gegenwärtigen Stand der Dinge. Diejenigen, die wir so gerne im Zusammenhang mit Meinungsumfragen als unsere stärksten Verbündeten benennen; diejenigen, für die wir im eigentlichen Sinne kämpfen, sollten unbedingt Rückmeldung erhalten, denn sonst bricht uns noch die letzte Bastion weg.

Mit welchen Schlagworten das geschieht, wäre u.a. in diesem Strang zu diskutieren. Die letztendliche Auswahl wäre dann allerdings in Arbeitsgruppen zu tätigen.

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nos


eingetragen von J.-M. Wagner am 05.11.2003 um 15.35

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Wolfgang Wrase
[...] Und dann ist die Frage: Verfügen diese Gutmenschen über die Fähigkeit, ihren Irrtum einzusehen und möglichst tatkräftig an seiner Bereinigung mitzuwirken? Das ist hier nicht der Fall. Die Folgen einer guten, ja harmlosen Idee können in der Tat dämonisch sein, wenn diese entscheidende Fähigkeit bei denjenigen fehlt, die an den Hebeln sitzen.

[...]

Allerdings: Der freundliche Plan, die Rechtschreibregeln zu vereinfachen, war eingebettet in eine maßlos überhebliche linksradikale Vorstellung, die Gesellschaft müsse von falscher Autorität und Zwängen befreit werden. Maßlos überheblich waren und sind die Reformer deshalb, weil diese paar Leutchen es sich anmaßen, für die ganze Gesellschaft zu beurteilen, was für diese gut und notwendig sein soll, auch wenn die ganze Gesellschaft mit großer Mehrheit das Gegenteil will. [...]

Meine Anmerkung: »Nichts ist gefährlicher als eine Idee, wenn sie die einzige ist, die man hat.« (Emile Chartier)
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von guest am 05.11.2003 um 13.30


Liebe Frau Grunert, Sie werden vielleicht bemerkt haben, daß meine Texte
länger als die anderer sind. Ich versuche, mich unmißverständlich und auf
einem relativ hohem Niveau auszudrücken. Ich wüßte nicht, in welchen Passagen
meiner Texte Sie eine ''unangemessene Dämonisierung'' wahrgenommen haben
könnten.

Zitat aus dem Eintrag von Monika Grunert vom 03.11.2003, 13.27:

''Was aber guest meinte, ist ein Verändern der ''Sprache an sich'' und ich
verstehe darunter einen Eingriff in ihre Struktur, ihr Regelwerk. Ich kann
nicht glauben, daß so etwas in der Absicht irgendwelcher Reformer,
Weltverbesserer, wie auch immer, gelegen haben könnte. Ich bestehe deshalb
so sehr auf Klärung dieses Sachverhaltes, weil mit so einer Behauptung eine
unangemessene Dämonisierung unseres ''Gegners'' (immerhin nur einiger
durchgeknallter Reformer) einhergeht, und Dämonisierung bedeutet unter anderem,
daß ihnen eine Macht zugesprochen wird, die sie in Wirklichkeit gar nicht
haben.''

Was anderes ist die Rechtschreibreform als ein Eingriff in die Struktur und
das Regelwerk der Sprache?

Daß die Rechtschreibreform in die Struktur der Sprache eingreift,
das haben schon andere Reformgegner vor mir festgestellt.
Beispiel: Die vermehrten Getrenntschreibungen, obwohl im Deutschen doch
eine Tendenz zur Zusammenschreibung besteht.
Der Eingriff in das Regelwerk ist offensichtlich, wurde doch das eine
abgeschafft und durch ein anderes ersetzt.

Ein Weltverbesserer will die Welt so gestalten, wie er sie für ''besser''
erachtet. Ob andere das auch als besser empfinden, darauf achtet er nicht.
Der Begriff ''Weltverbesserer'' hat einen ziemlich negativen Touch, wissen
Sie das nicht?

Dämonisierung

Eine ähnliche Diskussion hatten wir schon mal in den Kommentaren im
Zeitungsarchiv im Zusammenhang mit den Verschwörungstheorien. Ich habe damals
dieses Wort nicht benutzt. Ich habe auch nicht von Dämonisierung gesprochen.
Ich ziehe nur Schlußfolgerungen aus offensichtlichen Tatsachen, ohne daß ich
mir die Scheuklappen der Angst vor Verschwörungstheorien oder der Dämonisierung
aufsetze. Diese Begriffe sind hier scheinbar Totschlagargumente, mit denen
verhindert werden soll, daß die Diskussion ein eine entsprechende Richtung
verläuft. Dies widerspricht dem Recht auf freie Meinungsäußerung.

Wenn man überall nur Dämonen vermutet und die Augen zumacht, dann kann man
nicht erkennen, daß der vermeintliche Dämon nur ein Schatten im Mondlicht war.
Um dies aber zu erkennen muß man den Mut haben, die Effekte der Nacht und des
vermeintlich Dämonischen auch einmal auf sich einwirken zu lassen.
Vielleicht sollten Sie sich mal zu Nachtspaziergängen durchringen!

Ich habe eher den Eindruck, daß gewisse Argumentationen hier in diesem
Forum nicht erwünscht sind und daß man sie mit dem Vorwurf der
Verschwörungstheorien oder der Dämonisierung zu unterbinden sucht.
Vielleicht gerade deswegen, weil diese Argumentationen in die richtige
Richtung weisen?

Wenn Christian Melsa in seinem Beitrag ''Götterdämmerung'' vom 20.10.2003,
03.40 einwendet, daß kaum jemand anzweifeln dürfte, daß Verschwörungen,
oder milder formuliert: heimliche Absprachen tatsächlich stattfinden und daß
es nicht unseriös sein muß, darüber Theorien aufzustellen, und wenn Sie
jetzt zwar nicht mit Verschwörungstheorien, dafür aber mit den vom Prinzip
her ähnlichen Dämonisierungstheorien kommen, dann muß man sich doch fragen,
inwieweit die Leute hier nicht aneinander vorbeireden. Sie belegen tatsächliche
und naheliegende Sachverhalte mit abschreckenden Begriffen und erwarten von
anderen, daß diese sie nicht diskutieren, weil Sie sie für dämonisch halten und
Angst davor haben.

Ich habe mich auch nicht kulturpessimistisch geäußert, soweit ich überhaupt
verstehe, was Sie mit diesem Begriff meinen.

Für die Zwecke der Reformer genügt es vollkommen, wenn sie nur die Macht
über einen Teil der Sprache haben. Und den haben sie! Dies ist ihnen mit der
vorzeitigen Einführung der Rechtschreibreform an den Schulen gelungen.
Gesellschaftliche und sprachliche Veränderungen sind nicht von heute auf
morgen möglich, daran sind die Terroristen der 70er Jahre gescheitert.
Wie Missionare gehen die Reformer vornehmlich an die Kinder, weil diese
noch nicht ermessen können, was es mit einer neuen Schreibung auf sich hat.
Die gezielte ideologische Beeinflussung von Kindern an den Schulen gibt es
mindestens schon seit den 70er Jahren. Da man Erwachsenen den Blödsinn, den
man Schülern heute auftischt, nicht zumuten kann, ohne Protest zu provozieren,
gibt es für diese die milderen Hausorthographien! So wird der maximal mögliche
Effekt erzielt!

Wie kommen Sie dazu, von ''durchgeknallten'' Reformern zu sprechen, wenn
diese doch -- laut Herrn Wrase -- sogar nette Menschen sind, die nur die
komplizierten Regeln vereinfachen wollten und damit ... das Erlernen des
Schreibens erleichtern wollten.

Wenn Sie keine Reformerin sind, woher wollen Sie dann wissen, wieviel Macht
die Reformer wirklich haben?

Wie kommen -- Ihrer Meinung nach -- Staat und Medien dazu, das Projekt
einiger durchgeknallter Reformer mit ihrer Macht zu unterstützen?
Haben wir in unserem Staate nicht viel ernsthaftere Probleme, als
durchgeknallten Reformern den Hof zu machen? Ist es denn schon normal,
wenn Verrückte die Macht über das zentrale Kommunikationsmittel eines
Staates bekommen?


eingetragen von Wolfgang Wrase am 05.11.2003 um 02.21

Finde ich auch. Ursprünglich, von ihrer Absicht her, sind die Reformer sogar nette Menschen: Sie wollten komplizierte Regeln vereinfachen und damit den Schreibern, insbesondere den Kindern, das Schreiben und das Erlernen des Schreibens erleichtern. Daran ist nichts Dämonisches. Daß aber eine gute Idee in der Verwirklichung ins genaue Gegenteil umschlagen kann, wenn die Realität allzusehr ignoriert wird, dafür gibt es unzählige Beispiele. Und dann ist die Frage: Verfügen diese Gutmenschen über die Fähigkeit, ihren Irrtum einzusehen und möglichst tatkräftig an seiner Bereinigung mitzuwirken? Das ist hier nicht der Fall. Die Folgen einer guten, ja harmlosen Idee können in der Tat dämonisch sein, wenn diese entscheidende Fähigkeit bei denjenigen fehlt, die an den Hebeln sitzen.

Wenn überhaupt, dann können wir die Bösartigkeit auf der menschlichen Ebene dort ansiedeln, wo zugunsten dieses Festhaltens am Mißlungenen bewußt in Kauf genommen wird, daß die anderen beliebig viel Schaden haben. Aber die Behauptung ist falsch, es habe sich von vornherein um eine bösartige Absicht gehandelt.

Allerdings: Der freundliche Plan, die Rechtschreibregeln zu vereinfachen, war eingebettet in eine maßlos überhebliche linksradikale Vorstellung, die Gesellschaft müsse von falscher Autorität und Zwängen befreit werden. Maßlos überheblich waren und sind die Reformer deshalb, weil diese paar Leutchen es sich anmaßen, für die ganze Gesellschaft zu beurteilen, was für diese gut und notwendig sein soll, auch wenn die ganze Gesellschaft mit großer Mehrheit das Gegenteil will. Diese besserwisserische Ideologie und die Erlöser-Pose der Reformer sind schon zu kritisieren, unter anderem auch deshalb, weil die maßlose Arroganz natürlich genau den Persönlichkeitsdefekt der Reformer mit sich bringt, daß sie uns lieber bis in alle Ewigkeit mit der Reform belästigen und ihren Mitmenschen das Schreiben erschweren, als ihr persönliches Scheitern einzugestehen.


eingetragen von Monika Grunert am 03.11.2003 um 12.27

Einen Gedanken aus dem Strang "Radio und Fernsehen" würde ich gern hier weiterführen, da er mit diesem Titel nichts zu tun hat.

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Rolf Genzmann
Zu S. 152, Das wahre System des L. M. Deschamps, (Benediktinermönch und großer Theoretiker des Sozialismus um 1770): „Die Sprache werde viel einfacher und weit weniger schmuckvoll sein. Alle Menschen würden eine einzige Sprache sprechen, die stabil und keinen Änderungen unterworfen sein werde. Die Literatur werde verschwinden, und die ermüdende Arbeit, lesen und schreiben zu lernen, werde entfallen. Die Kinder würden überhaupt nicht unterrichtet werden, sondern sich alles Notwendige aneignen, indem sie die Älteren nachahmten.
Alle Bücher werden vernichtet. Man werde sie nur zu dem einzigen Zweck benutzen, zu dem sie im Grunde taugten - dem Anheizen der Öfen. Alle bisher geschriebenen Bücher hätten das Ziel, das eine Werk notwendig zu machen und vorzubereiten, das ihre Entbehrlichkeit beweise: das Buch Deschamps’. Es werde sie alle überleben, doch am Ende ebenfalls, als letztes aller Bücher, verbrannt werden.“


usw. usf....(s. "Radio und Fernsehen")

Ich wollte nicht leugnen, daß es zu allen Zeiten Herrscher gab, die die Verbreitung unliebsamen Gedankengutes durch Verbieten von Büchern und Vernichtung von Schriftgelehrten zu unterbinden suchten. Es gab sogar Versuche, das Sprechen von Sprachen zu verbieten. Waren nicht in Spanien unter Franco alle Sprachen außer Castellano verboten? Und hat es was genutzt?
Auch gewisse Sprachregelungen, mit denen unsere Obrigkeit das Volk regelmäßig beglückt, werden "unten" fast nie angenommen, oder wenn, dann ironisch verfremdet. Man denke nur an die Doppelbezeichnungen (Typ: "Kursteilnehmer und Kursteilnehmerinnen"). Außer ein paar beflissenen Hochschullehrern macht das doch sowieso keiner in der Alltagssprache, und auch die vergessen es jedes zweite Mal.
Was aber guest meinte, ist ein Verändern der "Sprache an sich", und ich verstehe darunter einen Eingriff in ihre Struktur, in ihr Regelwerk. Ich kann nicht glauben, daß so etwas in der Absicht irgendwelcher Reformer, Weltverbesserer, wie auch immer, gelegen haben könnte. Ich bestehe deshalb so sehr auf Klärung dieses Sachverhaltes, weil mit so einer Behauptung eine unangemessene Dämonisierung unseres "Gegners" (immerhin nur einiger durchknallter Reformer) einhergeht, und Dämonisierung bedeutet unter anderem, daß ihnen eine Macht zugesprochen wird, die sie in Wirklichkeit gar nicht haben. Durch diese vermeindliche Macht, die hier von etwas Unbekanntem, Dunklen, Bösen (womöglich in Orwell'scher Manier) auszugehen scheint, lassen sich einige Mitstreiter zu einem meiner Ansicht nach übertriebenen Kulturpessimismus verleiten.
Es ist unstrittig, daß die Reformer im Moment die staatliche Macht und die der Medien hinter sich haben, aber das heißt nicht, daß sie die Macht über "die Sprache an sich" haben.
(Liebes Mädchenfüralles, die Schnuten stammen nicht von mir!)


– geändert durch Monika Grunert am 03.11.2003, 19.08 –
__________________
m.g.


eingetragen von J.-M. Wagner am 24.10.2003 um 16.20

Der Artikel auf dem Nachrichtenbrett von Stefan Krieg aus dem Schweriner Kurier zeigte noch einmal, wie selbstgefällig, überheblich, arrogant und ignorant manche Zeitungsleute sein können. Ich halte so etwas weder für ein lautstarkes Pfeifen im Dunkeln noch für eine extreme Erscheinungsform des „wer A sagt, muß auch B sagen“; ich befürchte vielmehr, daß das ernst gemeint ist. Die Scheuklappen, die manche Leute tragen, sind auf der Innenseite verspiegelt; sie blicken nach links und rechts und stellen fest, daß doch alles in Ordnung ist.

Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob sich Lothar Müller in seinem bereits diskutierten Kommentar wirklich auf seinen eigenen Text bezieht. Genausogut könnte er den Aufruf der Schriftsteller meinen – denn (ich übertreibe) wer schwachsinnigerweise behauptet, die neuen Regeln seien „minderwertig“ und erschwerten den „präzisen sprachlichen Ausdruck“, ist ganz offenbar bescheuert, so daß sich der Kommentator jedes weitere Wort sparen kann; diese Behauptungen sprechen sich ihr eigenes Urteil.

Eine worauf auch immer abzielende Strategie muß – wie immer – berücksichtigen, welches Problembewußtsein bei den Angesprochenen vorhanden ist. Man kann sich zum Beispiel fragen, als was für ein Problem – wenn überhaupt – die Rechtschreibreform von wem angesehen wird. Ist sie ein innenpolitisches, ein bildungspolitisches, ein unpolitisches, ein kulturelles, ein soziales Thema?

Was denkt etwa der sprichwörtliche Kleine Mann auf der Straße, wenn er nicht zu den Reformverweigerern gehört? Vermutlich, daß es um orthographische Probleme wie "dass" statt "daß" geht, daß die Reform das Schreiben vereinfacht, so daß die Kritik also letztlich bloß aus Spitzfindigkeiten besteht; und wer bei der alten Rechtschreibung bleibt, ist bloß zu faul zum Umlernen. Daher ist es mit der Einheitlichkeit der Rechtschreibung kein Problem, denn die Anhänger der alten Schreibweisen sterben irgendwann aus. – Fazit: Die Reform ist ein eher unpolitisches, eventuell ein bildungspolitisches und vielleicht noch ein soziales Thema.

Es mag ja sein, daß es stimmt und eine Wiederherstellung der größtmöglichen Einheitlichkeit der Rechtschreibung wirklich nur durch die Abkehr von der Neuregelung zu erreichen ist. Aber wer bringt das nötige Problembewußtsein mit, um das einzusehen?

Mir scheint, daß man, um dem oben betrachteten Kleinen Mann die Abkehr von der Neuregelung schmackhaft zu machen, auf jeden Fall auf eine für ihn überzeugende Weise darlegen können muß, warum die herkömmliche ss/ß-Schreibung besser ist als die reformierte. Vielleicht ist das dann ja auch bereits hinreichend dafür, daß er die Neuregelung als Ganzes anzweifelt und fallenläßt, denn wenn sich schon das Aushängeschild der Reform als etwas Untaugliches herausstellt...

Andererseits frage ich mich, wie sehr die Reform bereits als ein auf der Bundesebene angesiedeltes innenpolitisches Thema wahrgenommen wurde. Das Bundesinnenministrium hängt zwar als Mitbetreiber bei der Reform drin, aber außer der Anfrage von Frau Niemann weiß ich von keiner Aktivität, die an die Verantwortung des BMI erinnert. (Es gab zwar vor einigen Jahren im Bundestag eine Debatte über die Reform, aber um was ging es da letztendlich? Innenpolitik??) Wäre das vielleicht ein Ansatzpunkt?

Und wer nimmt die Reform eigentlich als rein sachbezogenes Problem wahr, so daß man ihm gegenüber ganz nüchtern inhaltsbezogen argumentieren kann? Viele Journalisten tun dies offenbar nicht. Der sprichwörtliche Kleine Mann wird das Sachliche an der Reform für ein sehr untergeordnetes, unwichtiges Problem halten (wenn überhaupt). Und die Kommissionsmitglieder sehen in der Reform letztlich ein rein politisches Problem, kein wissenschaftliches: Im 4. Bericht werden nur Änderungsvorschläge gemacht werden, die auch Aussicht auf Umsetzbarkeit haben.

Es mag ja sein, daß, wenn etwas sachlich falsch ist, es nicht hilft, politisch zu argumentieren und, wie in der Politik üblich, nach Kompromissen zu suchen – falsch bleibt falsch, ganz egal, wie lange das Thema bereits diskutiert wurde. Aber wer bringt das nötige Problembewußtsein mit, um das einzusehen?
__________________
Jan-Martin Wagner


eingetragen von ghest am 22.10.2003 um 12.04

Diesmal anhand des Buches "Deutsch. Eine Sprache wird beschädigt":
Wiederherstellung der Ausdrucksvielfalt der Schriftsprache,
Wiederherstellung der Ausdrucksgenauigkeit der Schriftsprache,
Anpassung an die natürliche Entwicklung der Schriftsprache,
Anpassung an das Präzisierungsbedürfnis der Schreiber,
Wiederherstellung der grammatisch richtigen Schriftsprache,
Wiederherstellung der natürlich gewachsenen Schriftsprache
usw.

Das Wort "zurück-" ist ebenfalls ein Reizwort und sollte daher vermieden werden.
Auch wenn es angeblich kein "zurück" mehr gibt, gibt es immer noch ein "wieder".

– geändert durch ghest am 22.10.2003, 18.21 –


eingetragen von ghest am 21.10.2003 um 21.31

Weil auch das Wort "Rechtschreibung" zum Reizwort geworden ist, das bei Politikern die Rolläden herunterrasseln läßt, sollten wir stattdessen das Wort "Schriftsprache" verwenden. Die Schulkinder lernen ja die Schriftsprache.
Deshalb die verbesserten Schlagworte, die die Kultusminister das Gesicht behalten lassen:
Wiedervereinheitlichung der Schriftsprache,
Wiederherstellung der Qualität der Schriftsprache,
Wiederherstellung der bestmöglichen Verständlichkeit der Schriftsprache,
Beseitigung des Zerfalls der Schriftsprache,
Beseitigung der Qualitätsverluste der Schriftsprache
usw.


eingetragen von Norbert Schäbler am 21.10.2003 um 13.36

Laßt uns lieber "leichtfüßig" zurück- als "behände" vorwärtseilen.
– geändert durch Norbert Schäbler am 22.10.2003, 13.35 –
__________________
nos


eingetragen von ghest am 21.10.2003 um 12.42

Das paßt auch auf die Durchsetzung der Rechtschreibreform.
Gefunden in der Südd. Zeitg. v. 21.10.03, Literatur, "Heimat in der Fremde", Gregor Thums Studie über Breslau / Von Wolfgang Thierse: Gregor Thum charakterisiert als "Gedächtnispolitik" die polnische "Repolonisierung" der "wiedergewonnenen Gebiete"
"Gedächtnispolitik" ist auch die Behandlung der alten und der neuen Rechtschreibung durch die Politiker.


eingetragen von ghest am 21.10.2003 um 10.24

Ohne Gesichtsverlust für die Kultusminister sind geeignet:
Wiedervereinheitlichung der Rechtschreibung,
Wiederqualifizierung der Rechtschreibung,
Wiederherstellung der Rechtschreibungsqualität,
Beseitigung der Qualitätsverluste der Rechtschreibung
usw.
Das Wort Reform wird so vermieden, weil es ein Reizwort ist.


eingetragen von ghest am 20.10.2003 um 16.18

Eigenschaften eines Produktes zum Zeitpunkt seiner Herstellung: Qualität
(Einhaltung der Eigenschaften: Zuverlässigkeit)
Maßnahmen zur Erreichung der gewünschten Eigenschaften: Qualifizierung
Maßnahmen zur Einhaltung der Eigenschaften: Qualitätssicherung, Qualitätsüberwachung
Wiederherstellung der früher vorhandenen Eigenschaften: Wiederqualifizierung, Wiederherstellung der Qualität
Verbesserung der Eigenschaften: Qualitätssteigerung
Verschlechterung der Eigenschaften: Qualitätsminderung, Qualitätsverlust
(Für Qualität muß man sich schon quälen, ohne etwas Qual keine Qualität)
Richtige Fertigungsfachleute wissen vielleicht noch griffigere Bezeichnungen.


eingetragen von C.Lu. am 20.10.2003 um 15.41

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Die Bedeutung eines solchen Schlagwortes ist in der Tat nicht gering zu veranschlagen. „Rückkehr“ geht nicht. Wir haben gelegentlich schon mit „Wiederherstellung einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung“ gearbeitet.
Vor einiger Zeit hörte ich die Forderung von der
„ W i e d e r v e r e i n h e i t l i c h u n g  der deutschen Rechtschreibung“.


eingetragen von Christoph Kukulies am 20.10.2003 um 14.27

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Die Bedeutung eines solchen Schlagwortes ist in der Tat nicht gering zu veranschlagen. "Rückkehr" geht nicht. Wir haben gelegentlich schon mit "Wiederherstellung einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung" gearbeitet.
Dabei fällt mir ein Zitat ein - ich weiß im Moment nur nicht, von wem es stammt. Es lautet dem Sinn nach:
„Man bekommt die Menschen nicht dahin, etwas zu lassen, sondern nur etwas zu tun.”

Also müßte es etwas sein, was man aktiv betreiben kann. Wiederherstellen ist so etwas wie Wiederaufbau.

Wenn ich dann allerdings wieder daran denke, daß man bei der Rücknahme der Maßnahmen zur Begradigung von Bächen und Flüssen offen von Rückbau spricht, dann kann ich mir doch wiederum vorstellen, daß auch die Silbe „Rück” in unserem gesuchten Strategiebegriff vorkommen kann.
__________________
Christoph Kukulies


eingetragen von Christian Melsa am 20.10.2003 um 13.59

Wahrscheinlich ist der noch am ehesten herbeiführbare Dammbruch die Rückumstellung einer weiteren renommierten Zeitung oder Zeitschrift. Welche käme dafür denn am ehesten in Betracht? Die Welt hat zwar schon oft kritisch über die Reform berichtet, andererseits ist Auflehnung gegen die Staatsautorität von einem Springerblatt kaum vorstellbar. Die Süddeutsche hat sich wiederum gelegentlich schon derart weit aus dem Fenster gelehnt, daß ein Vorpreschen sie ebenfalls gigantische Überwindung kosten müßte. Die vielen konzernabhängigen Publikationen, zu denen auch der Spiegel oder die ZEIT gehören, sind leider stark durch die Trägheit ihrer Konzerne gehindert. Einzelkämpfer wie die taz hätten die nötige Freiheit, aber die taz ist wiederum wahrscheinlich zu stolz, als daß sie sich von außen zu einem solchen Schritt überreden lassen würde - zumal wenn es um den Verrat an einer Reform ginge, die so sehr im Ruf steht, linke Ideale zu vertreten (konkret und junge Welt hingegen können unmöglich rückumstellen, weil sie die alte Rechtschreibung nie aufgegeben haben - aber gegenüber denen ist ohnehin kein besonders großer Nachahmungsdrang in der ganzen Presse zu erwarten). Sogar die Märkische Allgemeine ließ sich in einem günstigen Augenblick nicht zur Rückumstellung überreden, obwohl sie eine Schwesterzeitung der FAZ ist. Allerdings hätte letzterer Umstand wahrscheinlich auch den gewünschten Dominoeffekt ausbleiben lassen.

Also, ich will hier keinen Pessimismus verbreiten, man sollte über diese Stoßrichtung weiter gründlich nachdenken, dabei ist aber eben die Frage, welchem prominenten Periodikum am ehesten Einsicht, Mut und Fähigkeit zu solch ausnahmehafter Vernunft zuzutrauen wäre. Wie schätzen die werten Mitstreiter das ein?


eingetragen von Theodor Ickler am 20.10.2003 um 13.43

Die Bedeutung eines solchen Schlagwortes ist in der Tat nicht gering zu veranschlagen. "Rückkehr" geht nicht. Wir haben gelegentlich schon mit "Wiederherstellung einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung" gearbeitet.
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Th. Ickler


eingetragen von ghest am 20.10.2003 um 09.37

Zu allererst muß ein eingängiger Name für die Korrektur, Änderung, Verbesserung, Rücknahme, Reform usw. einer Reform gefunden werden. Mit diesem Schlagwort kann dann losgeschlagen werden. Aufruf an alle: Phantasie einschalten, Gehirn durchbluten, alle Gehirnschubladen durchwühlen!


eingetragen von Christian Melsa am 20.10.2003 um 01.40

Nun, Verschwörungstheorien stehen im Mißkredit der wirklich arg zu abwegigen unter ihnen. Aber daß Verschwörungen, oder milder formuliert: heimliche Absprachen tatsächlich stattfinden, dürfte kaum jemand anzweifeln. Und darüber Theorien anzustellen, muß nicht unseriös sein, solange man nicht vorgibt zu wissen, was man nur vermuten kann. Daß Bertelsmann das Reformprojekt aktiv gefördert habe, weil sich der Konzern Profite und erweiterte Marktmacht (Wörterbücher) davon versprach, ist auch nicht mehr als eine Verschwörungstheorie, die natürlich durch viele Anhaltspunkte gestützt ist.

Protestierende Leserbriefe können zwar wirklich auch schlichter gefaßt sein, wenn dafür mehr von ihnen geschrieben werden, aber irgendwie sollten sie - klar - schon einigermaßen triftig auf den Artikel eingehen, auf den sie sich beziehen, mit überzeugenden Argumenten und korrekt wiedergegebenen Fakten. So verbreitet der Mißmut über die Rechtschreibreform in der Bevölkerung ist, so verbreitet scheinen allerdings auch gewisse Legenden zu sein. Die meisten Leute sind mit der Materie nicht so gut vertraut, daß sie auf der linguistischen Ebene fundierte Kritik üben können. Da tauchen dann oft falsche Beispiele für Reformunsinn auf. Zwar kennen sich die meisten Journalisten selber nicht so gut mit den Reformänderungen aus, daß sie das in jedem Fall sofort erkennen würden, aber dennoch können die gewieften Reformbefürworter so doch zutreffend behaupten, all diese Kritik ginge an der wahren Reform vorbei.

Worauf sollte also am besten in Leserbriefen abgezielt werden? Es ist immerhin ein gutes Ergebnis vor allem auch der Aufklärungsbemühungen der Reformgegner, daß eigentlich kaum noch jemand ernsthaft die Rechtschreibreform als gelungene, willkommene und fortschrittliche Maßnahme bezeichnen kann, ohne korrupt zu wirken. Es ist praktisch Konses, daß die Reform ein ärgerlicher Mißgriff war, den man am liebsten wieder los wäre, das ist mittlerweile auch schon zum Tenor der Medien geworden. Andererseits wird in den Medien seit längerem die unbedingte Notwendigkeit von Reformen in unserem Lande beschworen mit Schlagwörtern wie "Reformstau" usw., und das in einer bemerkenswert undifferenzierten Art und Weise, als ob es nur darauf ankäme, daß überhaupt irgendwas geändert wird, egal wie oder was. Die Maßnahmen können anscheinend noch so unverschämt und ärgerlich sein, sie brauchen nur als Reform bezeichnet zu werden, schon wird es als zwar bittere, aber aus irgendwelchen geheimnisvollen Gründen angeblich zwingend und dringend notwendige, alternativlose Medizin erachtet. Eine Reform rückgängig zu machen muß vor diesem Hintergrund wie ein Sakrileg erscheinen, wie metternichsche Restauration geradezu. Diese Denke ist in die Köpfe einfach so tief eingebrannt, Reform = es geht voran, daß zumindest bei den Meinungsführern die Möglichkeit, eine Reform wieder zu beseitigen, einfach nicht existiert. Das geht nicht. Die Rechtschreibreform ist jetzt eingeführt, also kann keine Macht der Welt daran mehr etwas ändern. Daß gerade die Reform selbst eine Änderung ist und dadurch diese Annahme deutlich widerlegt, diese Überlegung ist viel zu logisch und rational, um aufregend genug zu sein, in den Medien eine Rolle zu spielen.

Immerhin haben die Medien irgendwann auch doch noch gemerkt, daß der New-Economy-Hype hauptsächlich heiße Luft war und sind dementsprechend von Aktienspekulationstips für den verschuldeten Normalverbraucher wieder auf etwas kritischere Berichterstattung eingeschwenkt, jedoch war das viel unauffälliger möglich als es ein Bruch mit einer bereits eingeführten reformorientierten Hausorthographie wäre (die FAZ war klug genug, früh die Reißleine zu ziehen). Außerdem wurde der "Neue Markt" nicht als Reform bezeichnet, also stand er gar nicht erst unter dem mächtigen Schutzbann dieses Begriffs. Grundsätzlich müßte die ganze Medienöffentlichkeit wieder etwas mehr weg von der überwiegend bestürzend unreflektierten Vergötterung all dessen, was irgendwer als Reform bezeichnet. Genau das könnte ein Bruch mit der gerade im Printgewerbe so relevanten Paradereform der Rechtschreibung bewirken, nur dummerweise wäre der Mut zu diesem Bruch wiederum nur zu erwarten, wenn die Reformvergötterung schon nachgelassen hätte. Da ist wieder das Henne-Ei-Problem, durchaus auch passend zur vorigen Verwendung von Geflügelmetaphern in diesem Forumsstrang. Und nicht zuletzt darf man bei der Medieninszenierung des Reformgötzenglaubens von knallharten Kapitalinteressen getriebene "Verschwörungen" beileibe nicht für abwegig halten.

Der Ansatz "Gesichtsverlust" scheint mir am aussichtsreichsten. Es ist interessant, daß es mit Geschichten wie Elchtest oder jetzt "toll collect" so gut klappt. Der Medienbetrieb schüttet schon gerne Häme aus, dumm ist nur, daß sie sich mit allzu deutlicher Häme über die Rechtschreibreform selber ins Bein schießen würde, da dabei fast alle irgendwie mitmachen. Die Inkonsequenz des Mitmachens (Agenturorthographie usw.) macht die Sache nur noch peinlicher für die beteiligten Medien. Und dann haben sie sich auch noch freiwillig zum Mitmachen entschieden! Das macht die Findung eines überzeugenden Sündenbocks ziemlich schwierig. Wenn man den Kultusministern eine Gelegenheit geben möchte, die Reform ohne Gesichtsverlust loszuwerden, kommen auch die nicht so gut als Träger der Schande in Betracht. Ziemlich vertrackte Lage.


eingetragen von Jörg Metes am 19.10.2003 um 21.15

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller
Zumindest hätten die Zeitungen, die auf den Schriftstelleraufruf reagiert haben, mit Leserbriefen überhäuft werden müssen.
Frau Salber-Buchmüller hat recht. Leserbriefe sind nützlich und bewirken etwas. Es schadet nichts, wenn sie gedanklich etwas einfacher gehalten sind als der eine oder andere staatsphilosophische Exkurs hier im Forum.

Wer - wie offenbar die Herren D. Lindenthal und R. Genzmann - insbesondere eine Ader für Verschwörungstheorien hat, der möge diese Ader doch bitte dazu nutzen, um unter Verschwörungstheoretikern (Zweitausendeins Verlag u.a.) für die richtige Rechtschreibung zu werben, aber nicht dazu, hier im Rechtschreibforum Verschwörungstheorien zu verbreiten.
__________________
Jörg Metes


eingetragen von ghest am 19.10.2003 um 21.03

Weil sie verständlicher geschrieben waren als die BRD-Fachbücher, denn sie sollten für alle verständlich sein.
Unbegreiflich war nur, daß jährlich nur für einen festen Gesamtbetrag Fachbücher aus der DDR importiert werden konnten.


eingetragen von Rolf Genzmann am 19.10.2003 um 19.49

„ ... über die geschlußfolgerte Versenkung der „Estonia“ am 28.9.1994 mit 852 Todesopfern; damit könnte Ihr Optimismus bezüglich Pressefreiheit und Demokratie eine gewisse Ernüchterung erfahren.“

Anderes vom Stasi per „Schlußfolgerung“.
Manche schieben das ganze Unding Rechtschreibreform wohl den Systemveränderern, den alten 68ern, in die Schuhe. Wer waren schon die 68er, diese von Stasi und KGB ausgehaltenen nützlichen Idioten, die in den USA, in Paris, in London und in Berlin, Frankfurt und Bonn auftragsgemäß Unruhen anzettelten. Warum besonders gerade im Frühjahr 68?
Na, deshalb, weil man im Sommer in aller Ruhe und ungestört mit Panzern brüderlich nach Prag fahren wollte, da sollte der Westen beschäftigt sein mit sogenannten Studentenunruhen und -aufständen.
Insofern würden wir die Rechtschreibreform letztlich den Bemühungen des Stasi verdanken, dem Herrn Mielke Erich, einem ehemaligen Mörder, der uns alle so liebte, und dem KGB, per Langzeitwirkung, nach dem Marsch durch die Institutionen.
Vielleicht gab es nach dem Vorbild Hitler-Stalin Pakt einen BRD-Mielke Pakt. Dafür sprechen zum Beispiel Hitlers Tagebücher und ähnliche gar wunderlich bunte Vorgänge.
Alte Seilschaften. Da erzählte 1981 N. Tolstoy in seinem Buch Stalin’s Secret War einiges, und Wladimir Bukowski folgte der Darstellung in „Pazifisten gegen den Frieden“, SOI Bern, 1982. So „sollte Chruschtschow sich erinnern, dass Stalin ihm ‚einst erzählte, Hitler habe über Geheimkanäle um eine Gefälligkeit gebeten: Er wünschte, dass Stalin als der Mann mit höchster Autorität und grösstem Prestige in der kommunistischen Welt die französischen Kommunisten überrede, keinen Widerstand gegen die deutsche Besetzung Frankreichs zu leisten’. Offenbar wurde Hitlers Bitte nicht abgeschlagen.“
Etwas vorher auf der gleichen Seite (10): „Als kommunistische Publikationen in Frankreich per Dekret verboten wurden, veröffentlichte die Partei ihre Propaganda fortan über deutsche Druckereien.“ -
Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört. - Einiges war wohl auch schon vor dem „Jetzt“ zusammengewachsen.
Zum Beispiel im Unterricht der ersten Klasse Mathematik, da lernen die Wessikinder genau vier Zeichen gemäß dem didaktiklosen DDR-Mathematikbuch: +, -, >, <. Und nachplappern müssen sie auch genau so plus und minus. Und auch der Zahlenbereich von 1 bis 20 wird vorgegeben, genau wie im DDR-Buch.
Verglichen mit dem vor 1968 im Westen möglichen Stoff, vgl. Klett, Neues Rechnen 1960 bis 1969, Zahlenbereich bis 100 bei Einführung aller 5 Rechenoperationen, lernen die Erstklässler heuer in einem Fünftel des Bereichs nur 2 von 5 möglichen Operationen, das sind 2/25 oder gerade mal 8% des ehemals nach dem alten Klett-Buch Möglichen.
Offenbar gibt es weniger ein Zusammenwachsen mit als ein Nachäffen von völlig rückständigen DDR-Verfahren auf Mielkeniveau.

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Rolf Genzmann


eingetragen von Reinhard Markner am 19.10.2003 um 09.40

Der nächste Bericht sollte, sobald wir ihn in Händen haben, in einer handlicheren Form dargeboten werden.


eingetragen von Dominik Schumacher am 19.10.2003 um 08.57

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Wolfgang Wrase
Daß null Beiträge in diesem Forumsbereich zustande kamen, liegt an der absolut unbrauchbaren Aufmachung. …

Denkt man so über sichtbare Schritte hin zu unserer Forumstechnik der Zukunft? Und gibt man sich mit diesem Urteil zufrieden?
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Dominik Schumacher

übrigens heiße ich wirklich Norbert Lindenthal


eingetragen von Detlef Lindenthal am 19.10.2003 um 04.14

Lieber Herr Schäbler,

vielleicht ist folgender Kultusministerinnen-Erfahrungsbericht hilfreich:

1998, als unser Gesetz zum Abschuß ausersehen war, habe ich zur Eröffnung einer Ausbildungs-Messe in Husum unserer Kultusministerin, Frau Erdsiek-Rave, aufgelauert, die, nachdem sie mit einigen ermutigenden Worten die Messe eröffnet und sich einige Stände angeschaut hatte, nun gelangweilt auf einem Stand herumstand. Ich also, ganz mutig und wohlvorbereitet, sprach sie an, sagte artig meinen Namen und fragte, ob ich ich sie etwas fragen dürfe. Sie, ungefähr in meinem Alter und in ihrem dunklen, halbdurchscheinenden Kostüm knusprig zurechtgemacht, lächelte mich an und flötete „Ja, natürlich!“ und blickte mir erwartungsfroh in die Augen. So überreichte ich ihr eine gegenüberstellende Wörter- und Argumenteliste zur Rechtschreibung und fragte sie, welche der beiden Seiten sie dort denn besser fände. Ihr Lächeln machte eine harte Landung, sie wendete sich zu ihrem Referenten oder Fahrer um und polterte: „Fängt der jetzt mit der Rechtschreibreform an!“ – Nein, wendete ich ein, keinesfalls fange ich mit der Rechtschreibreform an, im Gegenteil, ich möchte sie beenden. – „Das ist doch längst kein Thema mehr. Wir haben jetzt auch keine Zeit mehr“; sie zögerte etwas und wendete sich halb zu ihrem Begleiter um: „Nicht, wir sollten doch schon los?“ und dann irgendwie halblaut: „Das ist nicht gelogen.“ Es gelang mir nicht wieder, den Gesprächsfaden anzuknüpfen.

Seit diesem und etlichen weiteren Erlebnissen habe ich für mich mir die Meinung gebildet, daß die große Politik im kleinen gemacht wird, und mühe mich, meine eigenen Schul- und Hausarbeiten zu machen. – Wenn jemand von Ihnen turnusmäßig Frau Erdsiek-Rave aufsucht, um sie zu fragen, ob sie denn ihr Gewissen und ihre pralle Handtasche erleichtern wolle, dürfen Sie auch gerne mit Gruß von mir fragen, ob sie vielleicht inzwischen Zeit hat, meine Frage von damals zu beantworten. Die genannte Wörter- und Argumentenliste kann ich dafür wieder heraussuchen.

Gruß,
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Norbert Schäbler am 19.10.2003 um 00.38

Lieber Herr Lindenthal!

Ich kenne einige Spiele dieser Welt, und ich möchte Sie warnen, sich mit mir an den Spieltisch zu setzen, um einen Skat auszureizen, oder ein schlechtes Blatt ausbluffen zu müssen.
Nehmen Sie die Warnung ganz einfach hin. Meine Polemik gegen die Ihre. Mein Blatt gegen Ihren Bluff. Schluß damit!

Ihre nicht vergessene Frage beantworte ich wie folgt: "Jede tendenziöse Schreibe ist für mich suspekt, und wenn Sie vorgeben, sich frühzeitig eingekauft zu haben, um irgendwelchen Mißständen entgegenzuwirken, wittere ich Tendenz. Da mache ich nicht mit!"

Was die Kultusminister angeht, zähle ich mehr als 16, denn da sind ja noch die österreichischen und Schweizer Kumpane, die sich ebenfalls schuldig gemacht haben. Deren und der anderen - falls überhaupt noch funktionierendes - Gewissen sollte den Klingelbeutel reichlich füllen.

Was die Ruheständler angeht - insbesondere die sich hier zu Wort Meldenden - liegen Sie, lieber Herr Lindenthal, völlig schief, denn jene Ruheständler haben schon mehr als einmal bezahlt, und ich will hoffen, daß Sie die Kategorien "ideell", "idealistisch" und "fanatisch" noch einigermaßen auseinanderhalten können.
__________________
nos


eingetragen von Detlef Lindenthal am 18.10.2003 um 19.07


Ruth Salber-Buchmüller schrieb:
Körbeweise wuterfüllter Leserbriefe könnten schon etwas bewirken.
Politiker und Chefredakteure sind für Standhaftigkeit ausgesucht und ausgebildet, so daß sie, dem Monde gleich, keine Purzelbäume schlagen, wenn die Hunde oder das Volk sie anbellen.

Lesenswert* in diesem Zusammenhang über Adenauer / Strauß / Schmückle im Zusammenhang mit der Wiederbewaffnung Westdeutschlands, einschließlich Atombomben-Trägerwaffen. (*z.B. Buch: Gerd Schmückle, Ohne Pauken und Trompeten)

Wenn Sie 6 Euro im Portemonnaie haben, dann sollten Sie sich im Kino den Film „Baltic Storm“ anschauen über die geschlußfolgerte Versenkung der „Estonia“ am 28.9.1994 mit 852 Todesopfern; damit könnte Ihr Optimismus bezüglich Pressefreiheit und Demokratie eine gewissen Ernüchterung erfahren.

Norbert Schäbler schrieb:
Bevor ich’s vergesse, will ich appellieren an diejenigen, die uns die Sache eingebrockt haben, und die nicht so recht glücklich sind mit ihrer Suppe. Genau diejenigen, die die ganze Reform loswerden wollen – laut Prof. Ickler sind das die Kultusminister – könnten doch ihr Gewissen entlasten.
Sollte man diesen Appell wirklich auf die Kultusminister (von denen gibt es nur 16) beschränken? Auch den hier versammelten Beamten und Ruheständlern sollte nicht versagt werden, ihr Gewissen zu entlasten.
__________________
Detlef Lindenthal


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 18.10.2003 um 16.08

Zumindest hätten die Zeitungen,
die auf den Schriftstelleraufruf
reagiert haben, mit Leserbriefen
überhäuft werden müssen.
Das ist mit Sicherheit nicht
geschehen. Wenn ich mich recht
erinnere, blieben auch die
Leserbriefe aufgrund der
Beiträge zu: Fünf Jahre
Rechtschreibreform
aus.
Körbeweise wuterfüllter
Leserbriefe könnten schon
etwas bewirken.
__________________
Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Norbert Schäbler am 18.10.2003 um 14.00

Als Rechtshänder kann ich mir gut vorstellen, daß mein Gewissen in der rechten hinteren Hosentasche etabliert wäre, denn, wie mir kürzlich eine Umfrage bestätigte, tragen die meisten männlichen Bundesbürger ihren Geldbeutel an der rechten Gesäßhälfte – (ich selbst trage ihn vorne rechts, um eventuelle Diebe besser abwehren zu können).

Vorstellen kann ich mir alles, muß mir allerdings sehr viel Mühe geben, eine beliebige Hosentasche mit dem Begriff „Gewissensanlage“ gleichzusetzen, weil mein Geldbeutel niemals so prächtig gefüllt sein wird, wie der eines Kultusministers. Von solch einem prallen Gewissen träume ich manchmal.

Fällt mir doch dazu der Begriff „Gewissensentlastung“ ein. Wie sagt da doch der Volksmund? „Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.“
(Sieht übrigens blöd aus, wenn die Hosentasche so weit wegsteht, aber man braucht nicht unbedingt einen Mode-Schneider zum Beheben derartiger „Missstände“.)

Bevor ich’s vergesse, will ich appellieren an diejenigen, die uns die Sache eingebrockt haben, und die nicht so recht glücklich sind mit ihrer Suppe. Genau diejenigen, die die ganze Reform loswerden wollen – laut Prof. Ickler sind das die Kultusminister – könnten doch ihr Gewissen entlasten. Die Kontonummer der FDS ist ja hinreichend bekannt, und es gibt keinen Grund (und auch keine Möglichkeiten), anonyme Spenden nachzuprüfen.

Das nämlich ist gewiß, und das hat der Volksentscheid in Schleswig-Holstein gezeigt: Mit einem minimalen Bruchteil der von der Wirtschaft aufgewendeten Gelder konnte dort ein phantastisches Ergebnis erzielt werden.

Also, Ihr Herrschaften, die Ihr widersagen wollt, findet den richtigen Platz für jene Anlage, die man Gewissen nennt.

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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 18.10.2003 um 12.35

In meinem vorherigen Beitrag habe ich vom „angemessenen Straßenkampf“ gesprochen, wobei das Ziel „Volksbegehren“ bzw. „Volksentscheid“ nicht Inhalt meiner Überlegungen war, denn ein solches Ziel ist utopisch und nicht mehr zu verwirklichen.
Es hat auch keinen Zweck über „Hätte, Wenn und Aber“ zu diskutieren, denn die Zeiten, in denen so etwas möglich gewesen wäre, sind unwiderruflich vorbei – auch von unserer Seite her „verschlafen“ und „verpennt“.
Herr Professor Ickler würdigt die damaligen Anstrengungen sinngemäß wie folgt: „Nichts war umsonst. Die Aufklärungskampagnen haben wesentlich beigetragen zum gegenwärtigen Stand der Dinge.“

Was aber ist der Stand der Dinge? Wie stellt sich die Gegenwart dar? Stimmt der folgende grobe Umriß?
- Die Kultusminister wollen die ganze Reform loswerden.
- Die Medienlandschaft und die Werbebranche hat bis auf wenige Ausnahmen umgestellt. Inzwischen bröckeln die letzten Bastionen ab.
- Die Bevölkerung glaubt nicht mehr an einen Wendepunkt, hält die Sache für gelaufen.
- Die Reformkommission arbeitet an einer Reform der Reform, die nicht als solche erkennbar sein darf.
- Intellektuelle aller Art bewegen sich entweder auf Kollision oder aber auf einer Kompromißschiene, um Schäden zu begrenzen, die von der Bevölkerung längst erduldet werden.

Wo aber bleibt da noch ein Hebelpunkt für unsere Machtposition? Haben wir überhaupt noch irgendeine Chance inmitten dieser verdammt verlogenen Welt? Haben Mut und Wahrheit in diesem System noch einen Platz?
Für meinen Teil: Ich akzeptiere die Lüge nicht. Das ist für mich ein Hauptmotiv für den Widerstand gegen die Rechtschreibreform.
Und meine Hoffnung besteht darin, daß wir all diesen vielen namenlosen Leuten, die ähnlich denken, mit einem Flugblatt deutlich machen können, daß sie nicht alleine stehen mit ihrem Wunsch, ehrlich, rechtschaffen, selbstbewußt und autonom durchs Leben zu gehen.





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nos


eingetragen von ghest am 18.10.2003 um 11.20

Die sogenannten Politiker - in Wirklichkeit Abnicker - jammern immer wieder über die steigende Politikverdrossenheit der Bürger. Meiner Meinung nach hat die undemokratisch gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit angeordnete Rechtschreibreform daran einen großen Anteil. Bei der Politikverdrossenheit sind die Politiker in der Rolle der Bittsteller. Die Bürger können daher lautstark fordern: Wenn wir uns wieder für Eure Politik interessieren sollen, schafft als Gegenleistung zuerst die undemokratische Rechtschreibreform ab! Verkürzt: Die Politikverdrossenheit fällt mit der Rechtschreibreform!


eingetragen von Matthias Dräger am 18.10.2003 um 07.58

Einen erneuten Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform würde das Parlament möglicherweise nicht mehr kippen können. Das Problem ist: soweit kommt es gar nicht.

Wir können jetzt die Leute nicht mehr motivieren, sich für die Sache zu engagieren. Man würde uns vorhalten: Der Volksentscheid wird ja doch wieder gekippt. Mittlerweile hat sich ja der Landtag sogar einen Persilschein in die Verfassung geschrieben, nach welchem Muster zukünftig Volksentscheide gekippt werden dürfen (meines Wissens bereits nach einem Jahr).
Die Volksgesetzgebung in Schleswig-Holsten ist tot, mausetot. Die Parteien in diesem Land haben dem Küken, das sie selber ausgebrütet haben, den Hals umgedreht – und zwar dann, als sie mit Schrecken sahen, daß aus dem Küken eine richtige Henne geworden war und diese – verdammt! – sogar noch ein Ei gelegt hat. Und was für eins!

Ich kann mich bestens an die demokratische Aufbruchstimmung in 1998 erinnern, das Thema Direkte Demokratie war in aller Munde, die Zeit brachte es als Titelthema, usw. Hier wurde man auch in anderen Bundesländern hellhörig, der Sache mußte also ein Riegel vorgeschoben werden, bevor Schlimmeres geschah, und zwar bald.

Helmut Kohl hatte Angst vor der Direkten Demokratie. Nachdem die ersten Meldungen über unseren stürmischen Erfolg ihn erreichten, warnte er davor, jetzt auch den (seinen) Euro zum Gegenstand einer Volksabstimmung zu machen (die Meldung kam ca. Januar 1997). Spätestens zu diesem Zeitpunkt werden in Kohlscher Manier auf Bundesebene die Strategien vorbereitet worden sein, um unserer Sache  u n t e r  a l l e n  U m s t ä n d e n  den Garaus zu machen. Schließlich ging es um höhere Ziele, den Euro, die Europäische Union, und dafür kann man auch einmal die Rechtschreibung über die Klinge springen lassen.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 18.10.2003 um 07.22


Wolfgang Wrase schrieb:
... liegt an der absolut unbrauchbaren Aufmachung.
Tja, von nix kommt nix.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Wolfgang Wrase am 18.10.2003 um 06.56

Daß null Beiträge in diesem Forumsbereich zustande kamen, liegt an der absolut unbrauchbaren Aufmachung. Darauf haben ich und andere schon hingewiesen. Selbst wenn wir etwas hineingeschrieben hätten, wer würde denn da die Kommentare lesen? Deshalb habe ich ja auch etwas anderes gemeint, nämlich die Kommentierung in der Öffentlichkeit. Diese fand bei den bisherigen Berichten sehr wohl statt.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 18.10.2003 um 05.03


Wolfgang Wrase schrieb:
Was würde passieren, wenn dieser Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform an den Schleswig-Holsteiner Schulen wiederum erfolgreich wäre? Würde dann das Parlament diesen Volksentscheid wieder ignorieren?
Ja, natürlich.

Kommt nicht demnächst wieder ein „Bericht“ dieser komischen Kommission? Was die Strategie betrifft – dieser Bericht ist wiederum von uns zu lesen und zu kommentieren. Wir werden bekannt machen, welche Änderungen schon wieder vorgesehen sind usw.
So wie beim letzten Mal? Wenn ich mich recht entsinne, kamen auf unsere doch recht eingehende Kommentierung (siehe http://rechtschreibargumente.de) aus unseren Reihen genau null (i.Z.: 0) Stellungnahmen oder Ergänzungen.


@Matthias Dräger:

Freilich, einen zweiten Volksentscheid hätten wir bei den Kräfteverhältnissen nicht durchbekommen. Doch ging es darum zunächst auch gar nicht, sondern darum, jene verzweifelte Stimmung, in der unsere Landesmutter ihre Kultusministerin in die Wüste schickte, auszunutzen und mit Argumenten nachzufassen, also „durch das Zeigen der Werkzeuge“ die Ministerpräsidentin zu entmutigen und zu weiterem Umschwenken zu verleiten.

Mangels gemachter Schularbeiten, denklicher Unabhängikeit und eigener Medien wurde das nichts; um es mit den Worten von Herrn Schäbler auszudrücken, ein „Aufschrei“ unterblieb; und so ließen wir uns wieder regieren; nicht nur von Heide Simonis (von der mir bemerkenswerterweise nicht in Erinnerung ist, daß sie sich jemals stützend zur RS„R” geäußert hätte*), sondern auch von der CDU-„Opposition“ in Person von Martin Kayenburg und schließlich Volker Rühe, welcher schließlich den offenen Verrat betrieben hat.

Also noch einmal: Norbert Schäblers nachträgliche Sehnsucht nach einem „Aufschrei“ bringt es nicht. Richtig wäre, endlich anzufangen, die Schularbeiten zu machen.


(*Im Gegenteil: Sie hat auf einer MP-Konferenz vor 1996 noch Änderungen durchgedrückt.)
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Wolfgang Wrase am 18.10.2003 um 04.07

Die perversen Abgeordneten im Parlament von Schleswig-Holstein haben diesen Grundsatz bekanntlich mißachtet und die Demokratie bei diesem Vorgang offen durch eine Diktatur der "Volksvertreter" ersetzt. Spätestens seitdem ist die Rechtschreibreform verfassungswidrig. Frage, rein theoretisch: Könnten wir eigentlich noch einmal einen Volksentscheid in Schleswig-Holstein herbeiführen? Was würde passieren, wenn dieser Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform an den Schleswig-Holsteiner Schulen wiederum erfolgreich wäre? Würde dann das Parlament diesen Volksentscheid wieder ignorieren? (Macht ja nichts, denn dann könnten wir wieder einen Volksentscheid machen.) Also, wie wäre es, auf diese Weise die Rechtschreibreform mit dem absoluten Gesichtsverlust der Betreiber zu kombinieren? Welche Diskussion würde entstehen, wenn wir auch nur in diese Richtung tätig werden? Aber mal im Ernst: Kommt nicht demnächst wieder ein "Bericht" dieser komischen Kommission? Was die Strategie betrifft - dieser Bericht ist wiederum von uns zu lesen und zu kommentieren. Wir werden bekannt machen, welche Änderungen schon wieder vorgesehen sind usw.


eingetragen von Theodor Ickler am 18.10.2003 um 03.48

Obwohl viele Aktionen (Volksentscheid, Gerichtsverfahren usw.) trotz unglaublichem Arbeitseinsatz einer Handvoll Helfer das Ziel nicht erreicht haben, waren sie bei weitem nicht vergeblich. Der Eindruck, daß die Reform nichts taugt und eigentlich nur ein überflüssiger, aufgezwungener Bürokratenstreich ist, wäre nicht so allgemein verbreitet ohne all diese Aktionen. Keine Unterschriftensammlung war vergeblich, wenn man es so sieht. Auf diesem gut vorbereiteten Boden müssen die nächsten Schritte geschehen. Wir wissen immerhin, daß weder politisch noch juristisch unmitttelbar die Rücknahme der Reform zu erreichen ist. Ich sehe nur die Presse, allenfalls noch Buchverlage. Dort muß die Entscheidung fallen.
Die Unterstützung der Schriftsteller ist sehr hilfreich. Ein kleiner Provinzjournalist, der den bedeutenden internationalen Schriftstellern ans Bein pinkelt, macht sich lächerlich, das braucht man gar nicht eigens zu bekämpfen. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat unter dem Einfluß von Eisenberg und leider auch dem gewendeten Meier ein klägliches Bild geboten und schämt sich inzwischen. Daß man dieser verschlafenen Institution erst mit deutlichen Worten klarmachen muß, was ihre Pflicht ist, überrascht allerdings den Kenner nicht besonders. Immerhin, man kann auch dort noch etwas erreichen.
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Th. Ickler


eingetragen von Matthias Dräger am 18.10.2003 um 02.36

Der Vorschlag von Detlef Lindenthal war gut gemeint, wäre aber nicht erfolgreich gewesen. Das Instrument Volksgesetzgebung ist viel zu schwerfällig, um mit der vergleichsweise flotten parlamentarischen Gesetzgebung mithalten zu können - wenn die Volksvertreter wollen, können sie die Bevölkerung immer austricksen. In Schleswig-Holstein haben sie das gemacht, und sie haben dafür einen hohen Preis bezahlt, und die anderen Bundesländer wurden gleich mit zur Kasse gebeten. (Der Preis ist: nachlassende Bereitschaft, sich für Politik einzusetzen, Wahlmüdigkeit, Entpolitisierung und Verflachung des öffentlichen Lebens).
Selbst wenn wir mit einer Verfassungsänderung durchgekommen wären, hätte uns dies nicht davor bewahrt, daß die Abgeordneten vorher unseren Volksentscheid kippen - die Verfassungsänderung hätte dann nur für alle späteren Volksentscheide gegolten. Wir hätten also zusätzlich zur Verfassungsänderung mindestens noch einen weiteren Volksentscheid zum Stop der Rechtschreibreform auf den Weg bringen müssen.
Die Realität aber war: Norbert Lindenthal, der mir maßgeblich bei dem ganzen Verfahren geholfen hat, unsere bis zu 300 Helfer im Land und übrigens auch ich waren nach dem Volksentscheid Ende 1998 ziemlich erschöpft und mußten uns von den zusätzlichen Anstrengungen und Strapazen erst einmal erholen, neue Kraft schöpfen. Das war keine Position, aus der heraus man locker die nächsten Volksentscheide auf den Weg bringt. Man darf nicht vergessen: Auch die Presse hatte uns komplett im Stich gelassen. Selbst der Spiegel, der sich vorher großspurig als Retter der deutschen Sprache aufgespielt hatte und sich sonst gern in der Rolle des Aufdeckers gesellschaftlicher "Missstände" sieht, sprach nach dem gewonnenen Volksentscheid vom "Fluch des Dräger-Gesetzes", von dem man nur hoffen konnte, bald befreit zu werden.

Das, was wir jetzt in puncto Rechtschreibung, Unterricht und Ausbildung erleben und in Zukunft noch erleben werden, kann uns eine Lehre sein, was passiert, wenn man einen Volksentscheid aufhebt. Solange die Situation in den Schulen - und übrigens auch innerhalb der Familien (Fernsehkonsum)! - nicht gebessert wird, kann es mit unserem Land nicht bergauf gehen. Und ohne gute Schreibfertigkeiten ist meiner Ansicht nach keine anspruchsvolle Bildung möglich.
Deutschland ist derzeit klar auf dem absteigenden Ast, und die Talsohle ist noch längst nicht erreicht.


eingetragen von Detlef Lindenthal am 17.10.2003 um 19.51

Norbert Schäbler schrieb:
>>Seinerzeit hätte ein Aufschrei durch die Bevölkerung gehen müssen, doch letztere war auf diesen „Dolchstoß“ nicht vorbereitet.<<

Lieber Herr Schäbler,

seinerzeit hielten wir Schleswig-Holsteiner es statt Aufschrei für noch besser, unser Recht nach Artikel 41 f. der Landesverfassung zu holen, was uns auch mit 56 % der gültigen Wählerstimmen gelang (mehr, als je eine Ministerpräsidentin für sich verbuchen konnte).

Als Frau Simonis ankündigte, sie wollte unser Gesetz wieder kippen, war mein Vorschlag, in einer weiteren Volksabstimmung die Landesverfassung zu ergänzen: „Gesetze, die durch Volksabstimmung beschlossen wurden, können nur durch Volksabstimmung geändert werden.“ (Auch ohne erneute 2jährige Abstimmungsarbeit hätten wir allein mit der dazugehörigen Argumentation die Landespolitiker zum Bekenntnis zwingen können.)
Warum damals a.) in unseren Reihen ein entsprechender „Aufschrei“ (mit systematischer Argumentationsanalyse und Öffentlichkeitsarbeit) ausblieb, bedarf einer eigenen Erforschung.
Warum damals b.) die zeitunglesende Wahlbevölkerung im wesentlichen schwieg, hat etwas mit der Funktion der Zeitungen als Verkünderinnen des Herdenrufes zu tun:
Nur eine kleine bis verschwindend kleine Minderheit der Menschen wählt ihren Weg nach vernünftigem Abwägen; die allermeisten (auch Kultusminister, Chefredakteure usw.) handeln so, daß sie sich nicht gar zu weit von der vermeinten Herdenmitte entfernen. Und diese jeweils künftige Herdenmitte wird durch das Lesen der Zeitungen und ihrer Kommentare, Häme und Zwischentöne festgestellt – ein Teufelskreis.

In einigen Jahren wird es vermutlich wieder so sein, daß Sie schreiben: „Seinerzeit hätte ... müssen“. Dieses jeweils voraussehend, habe ich 1997 die erste Internetanschrift eingekauft und mich seither für den Ausbau eigener Medien eingesetzt. – – Meine Frage an Sie: Gesetzt den Fall, es würde in einer gut geführten Argumentations-Kampagne erreicht, daß die Kultusminister die „Reform“ zurücknehmen – sollte man die Minister und die Lehrer mit dem ganzen sonstigen Bockmist (Drogenschwemme, PISA-Leseschwäche, Hochbegabtenmißhandlung, Begriffeverwirrung, ...) weiterworschteln lassen? Für mich habe ich die Frage ganz klar beantwortet: Ich will so leben und wirken, daß meine Kinder, Enkel und Urenkel mir einst keinen Vorwurf zu machen brauchen.

Es geht also um Zukunftgestaltung. Und daß eine solche gesichert wäre, solange unser kollektives Nervensystem nur auf die bisherigen Zeitungen und Instantmedien beschränkt ist, glaubt das noch irgend jemand von uns?
Ich denke, daß die Medien überdeutlich gezeigt haben, daß sie Zukunftgestaltung nicht als ihre Aufgabe sehen.
Würden Sie mir recht geben, daß wir in diesem Sinne an verbesserten Medien zu arbeiten haben? Einen Entwurf für Bewertungsmaßstäbe sende ich Ihnen gerne zu.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Matthias Dräger am 17.10.2003 um 18.15

Lieber Herr Markner,
ich sagte: Die Kultusminister hatten nicht mit diesem Widerstand gerechnet – die Reformbetreiber aber sehr wohl. Die Kultusminister hatten eher mit gar nichts gerechnet, da ihnen die Rechtschreibreform letztlich ziemlich egal war.
Wer von den Ministern, außer Zehetmair, hat sich denn in den Zeiten, als die Sache zur Diskussion stand, öffentlich zu Wort gemeldet, und die Sache vorangetrieben?

Für die schleswig-holsteinische Kultusministerin Gisela Böhrk kann ich definitv sagen, daß ihr Interesse an der Rechtschreibreform gegen Null tendierte. Auf meine Frage, wie sie denn die angeblichen Vorzüge der Rechtschreibreform gegenüber der herkömmlichen Schreibweise geprüft hätte, verwies sie nur auf einen Stoß Papier, den sie unterzeichnet hätte.
Und auf meine Frage, was sie dabei empfinden würde, wenn in zig Jahren die Leute auf der Straße alle so schreiben würden, wie sie das für die Schulen angeordnet hätte, sagte sie wörtlich: „Das ist mir doch  v ö l l i g  egal, wie hier die Leute schreiben!“

Von Gerhard Schröder gibt es eine Äußerung als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, sinngemäß, daß er keine Notwendigkeit für eine Reform der Rechtschreibung sieht und die ganze Sache abblehnt (1995). Wir dürfen nicht vergessen: Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtes Hannover wurde die Rechtschreibreform in Niedersachsen ausgesetzt (!), und zwar nicht vom Kultusminister Wernstedt, sondern vom Ministerpräsidenten Schröder (Ende 1997).

Fazit: Mir ist kein Kultusminster bekannt, der der Rechtschreibreform eine Träne nachweinen würde.

Das Problem der Minister, das hat Prof. Ickler schon gesagt: Sie können die Reform schlecht selber abblasen, d. h. sie könnten schon, aber sie möchten das natürlich nicht selbst tun. Welche Autorität hätten dann noch ihre zukünftigen Anordnungen und Beschlüsse?
Wenn sie nichts unternehmen, kommt die Krise Ihres Amtes aber erst recht, da hinter der „Fassade Rechtschreibreform“ keine Gesundung des Unterrichtes möglich ist.

Die, die eigentlich in der Klemme stecken, sind nicht die Reformgegner, sondern die Kultusminister – sie haben sich übertölpeln lassen, und sollen die Sache nun ausbaden. Und das Badewasser wird mit der Zeit nicht angenehmer, sondern immer schmutziger und ungemütlicher.

Fazit: wir bleiben am Ball, und legen gelegentlich eine Einschätzung der Lage vor. Daß man sich hierfür nach langer Zeit offensichtlich wieder interessiert (Denks Kritik zum 1. August 2003 wurde in über 30 Zeitungen gedruckt), zeigt doch, wie die derzeitige Situation bei denen, die beruflich mit Texten zu tun haben, eingeschätzt wird.


eingetragen von Norbert Schäbler am 17.10.2003 um 18.03

In Erinnerung an den seinerzeit von Jörg Metes ins Leben gerufenen Leitfaden „Rechtschreibreform und Gruppendynamik“ plädiere ich dafür, die rosarote Brille abzusetzen.
Jörg Metes empfahl uns seinerzeit die Lektüre des Soziologen Timur Kuran, der in seinem Buch drei vollkommen paradoxe Weltanschauungen untersucht hatte (das „indische Kastensystem“, den „Kommunismus“, den amerikanischen „affirmative way“).
Mir ist bei der Lektüre haftengeblieben, daß das Paradoxe in unserer Welt regiert.

Mit Sicherheit allerdings können wir es dem Widersinn schwermachen.
Dazu müssen wir den Widerstand personalifizieren und verlebendigen. Wir müssen zeigen, daß der Widerstand nach wie vor ungebrochen ist. (T. Ickler - sinngemäß: „Resignation und faule Kompromisse sind fehlangebracht!“)
Eine ausgezeichnete Präsentation des Widerstandes war die Aktion zur Frankfurter Buchmesse, bei der ein weiteres Mal die Schriftsteller aktiv wurden.
Wir wissen natürlich auch, daß die Kultusminister schon einmal einen derartigen Härtefall pariert haben, indem sie die Schriftsteller als „Pennclub“ diffamierten.
Seinerzeit hätte ein Aufschrei durch die Bevölkerung gehen müssen, doch letztere war auf diesen „Dolchstoß“ nicht vorbereitet.

Ein bißchen will ich auch an die Geschichte erinnern, jene Tatsache des Mauerfalls, dem eine Fehlmeldung eines Parteifunktionärs vorausging. Wären seinerzeit die Menschen in den osteuropäischen Botschaften und jene im Zollgrenzbezirk nicht Gewehr bei Fuß gestanden, dann wäre selbst diese zufällig (vielleicht auch absichtlich) getätigte Staatsmeldung verpufft.

Das heißt: Ich plädiere für ein Zusammenspiel aller erdenklichen Kräfte, und ich halte es für dringend nötig, daß wir die Gesellschaft ein weiteres Mal über den Stand der Dinge aufklären. Mit einem Faltblatt?!
Mit einem angemessenen Straßenkampf?!

PS: Der Straßenkampf wird übrigens immer schwerer. Inzwischen kann man nicht einmal mehr auf der Straße Kaffee genießen, denn in diesem Monat hat „Melitta“ seine Fernsehwerbung umgestellt. Dort heißt es neuerdings wie bei allen anderen Kaffeesorten „Genuss“.

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nos


eingetragen von Walter Lachenmann am 17.10.2003 um 16.29

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
... Im Hin und Her der Kompromisse, Schnellschüsse, Einsprüche war die Übersicht verlorengegangen. ...

Das ist mit großer Sicherheit so. Die Entstehung der Rechtschreibreform bzw. ihre politische Durchsetzung ist ein beispielhaftes Lehrstück über politisches Funktionieren ganz allgemein. Wenn heute wieder über »Reformen« verhandelt und abgestimmt wurde, dürfen wir sicher sein, daß die Entscheidung getroffen wurde, ohne daß die meisten derjenigen, die abstimmen, sich darüber im klaren sind, um was es in Wahrheit geht bzw. welche Folgen ihre Entscheidung haben wird.
Es geht in der Demokratie tatsächlich nur noch darum, das Gesicht unserer Politiker zu »wahren« - gleichgültig, wie das Gesicht aussieht. Und diesmal scheinen die Gesichter zu der Meinung gekommen zu sein, es würde ihnen allen schaden, wenn jetzt nicht wenigstens irgendeine Entscheidung fällt, egal welche.
So weit müßte man die KMK bringen: Zur Einsicht, daß das Resultat der RR ihrem Gesicht schadet. Da die KMK trotz anderweitiger gravierender Fehlleistungen immer noch sehr mit sich zufrieden zu sein scheint, dürfte dies schwierig werden. Denn dazu müßte die Einsicht über die miserable Qualität dieses »Produkts« so offenkundig sein, wie bei »toll collect«. Und da selbst »so genannte« Experten sich mit der Narrenkappe der neuen Rechtschreibung nicht übel zu gefallen scheinen, selbst Berufsschreiber und Germanisten, und ihre minderwertigen Texte als modern den verblüfften Lesern zumuten, muß man hier kräftig nachhelfen.
Die Meinung, die neue Rechtschreibung sei ein rechter Unfug, ist in der Bevölkerung durchaus sehr verbreitet; dies bestätigen nicht nur die bekannt gewordenen Umfragen, sondern man kann sich davon in persönlichen Gesprächen ebenso überzeugen. Aber zugleich herrscht über diese grundrichtige Meinung eine Verunsicherung durch die geschaffenen Fakten: die Schulen, die Zeitungen, die Werbung, die Geschäftskorrespondenzen usw. Gegen diese Verunsicherung müßte man etwas tun, die Menschen in ihrer Skepsis bestätigen, sie dazu ermutigen, ihrem Sprachgefühl zu vertrauen und die neuen Regeln schlichtweg zu ignorieren. Ich habe bei solchen Gesprächen schon manchen Seufzer der Erleichterung bei Gesprächspartnern vernommen, die irgendwie meinten, sie verhielten sich als anachronistische Außenseiter, wenn sie da nicht so gut sie eben können mitmachten.
Die Strategie der Reformer, so zu tun, als käme die Reform erfolgreich in der Öffentlichkeit an, müßte konterkariert werden, durch Fakten, die das Gegenteil offensichtlich machen. Klar, am besten eine zweite Zeitung, die sich von der Reform wieder verabschiedet. Unsere Journalisten haben dazu nicht den Mumm bzw. dürfen ihn nicht haben, viele erkennen das Problem auch gar nicht. Wem - wie etwa Herrn Lothar Müller aus München oder Herrn Krieg aus Schwerin - egal ist, was er schreibt, dem kann es erst recht egal sein, wie er es schreibt.

Wir tun hier genau das Richtige: Permanent die Mängel aufzeigen und immer wieder damit an die Öffentlichkeit gehen. Das dringt schon durch, steter Tropfen höhlt den Stein. In diesem Jahr haben sich die Reformgegner aus unserem Kreis mehrfach in der Öffentlichkeit sehr deutlich zu Wort gemeldet und sind sehr wohl vernommen worden. Wenn das nicht nachläßt oder sogar an Intensität und Überzeugungskraft - angesichts der immer deutlicher werdenden Mängel der Reform - zunimmt, werden wir auch die Gesichter derjenigen zum Zucken bringen, die um deren Wahrung mehr besorgt sind als um die Folgen ihrer Handlungsweisen.
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Walter Lachenmann


eingetragen von J.-M. Wagner am 17.10.2003 um 14.56

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Norbert Schäbler
Abgesehen davon [...] heiße ich das Ansinnen der Kultusminister für gut. Beweise wären halt einmal angebracht. Die Zehetmair-Kapriole reicht da nicht aus!
Das bringt mich auf einen ganz anderen Gedanken: Was, wenn de facto nicht die Kultusminister die wirklich maßgebliche Entscheidung über die Zukunft der Reform treffen, sondern... ?!!
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Norbert Schäbler am 17.10.2003 um 14.30

Wenn ich es richtig sehe, könnte man in diesem Leitfaden ja auch über „Strategie“ reden, was meiner Meinung nach etwas mit sinnvoller und planvoller Handlung zu tun hat.

Dazu fällt mir das Schachspiel ein, das wohl beste und weitverbreitetste Strategiespiel, das jemals erfunden wurde.
Es fällt mir deshalb ein, weil Herr Professor Ickler behauptet, daß die KMK nichts lieber möchte, als die Abschaffung jener völlig mißlungenen Rechtschreibreform.

Ich zitiere auszugsweise Herrn Icklers Worte, die er bei Eröffnung dieses äußerst interessanten Leitfadens gebrauchte: „Die Kultusminister müssen nicht umgestimmt werden, sie wissen Bescheid und wollen keinen Kompromiß, sondern sie wollen die ganze Reform loswerden ...“
„Allerdings müsse der Stoß von außen, ‚von unten’ kommen, d.h. von der Presse, denn die Kultusminister sehen sich außerstande, von sich aus das ganze verfehlte Unternehmen abzublasen ...“
„Freilich müßten die Kultusminister diese Lösung gegen die Weltmacht Bertelsmann durchsetzen, was ich für nahezu ausgeschlossen halte ...“

Abgesehen davon, daß es dem Bertelsmann vollkommen egal ist, wie er sein Geld verdient, (ob mit neuer oder mit alter Rechtschreibung) – entscheidend war für diese Krake lediglich die Aufhebung des Dudenmonopols – und abgesehen davon, daß Presseleute Angestellte eines Verlages sind, die, weil sie in der freien Wirtschaft praktizieren, noch wesentlich leichter ersetzbar sind als jeder lebenszeitlich verbeamtete Lehrer, heiße ich das Ansinnen der Kultusminister für gut. Beweise wären halt einmal angebracht. Die Zehetmair-Kapriole reicht da nicht aus!

Und nun zum Doofenmatt!
Es gibt in der Tat ein Matt in zwei Zügen. Dabei muß allerdings „Weiß“ mitspielen.
1. Weiß: f2-f3; Schwarz: e7-e6 2. Weiß: g2-g4; Schwarz: Dh4 matt!

Und was lehrt uns diese Geschichte?
Man muß sich bloß doof anstellen! Für die Kultusminister sollte das keine besondere Kunst sein!




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nos


eingetragen von Theodor Ickler am 17.10.2003 um 14.00

Ich glaube, Herr Markner sieht die Sache vollkommen richtig. Die Reformer mußten wissen oder ahnen, daß es Widerstand geben würde, sie hatten aber Vorkehrungen getroffen, ihn zu überwinden oder kleinzuhalten. Die Politiker hatte keine Ahnung, worauf sie sich einließen, und fingen bald an, die Sache zu verwünschen, wenn auch nicht in der Öffentlichkeit.
Ich hatte 1994 und danach auch den Eindruck, daß keiner der Reformer mehr überblickte, was die Neuregelung im einzelnen enthielt. Im Hin und Her der Kompromisse, Schnellschüsse, Einsprüche war die Übersicht verlorengegangen. Zabel, Heller und Sitta/Gallmann zum Beispiel hatten anfangs durchaus unterschiedliche Erinnerungen an den letztgültigen Stand der Dinge. Munske hielt ein Scheitern für möglich und wünschenswert, weil er ahnte, daß die Einzelheiten noch manche Kalamität hervorbringen würden.
Es galt jedoch die Parole: Vollendete Tatsachen schaffen, alle Brücken abbrechen, Augen zu und durch! Inzwischen hat sich ein Korrekturbedarf ergeben, mit dem die Reformer in diesem Umfang wirklich nicht gerechnet hatten, und daß ihnen 1998 jeder rettende Eingriff untersagt wurde, hat sie schwer getroffen. Zur Zeit glauben sie, den Kultusministern weiterhin mit Erfolg vorgaukeln zu können, ein paar kosmetische Retuschen könnten das Projekt retten. Wir müssen also weiterhin aufklären und den Kultusministern eine bessere Option anbieten, zugleich helfen, daß sie das Gesicht wahren können.
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Th. Ickler


eingetragen von J.-M. Wagner am 17.10.2003 um 13.27

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von ghest
Das bewei[s]t, daß durch die Getrenntschreibung nicht nur die Schreibweise, sondern auch die Bedeutung verändert wird: Bei 'hat fehl geschlagen' bezieht sich die Perfektbildung nur auf 'schlagen'. 'Fehlschlagen' ist intransitiv, 'schlagen' ist transitiv. Die Reform verändert die Sprache.
Die Beweisführung ist zwar richtig, aber die Falschschreibung „fehl geschlagen“ ist auch nach der Reform falsch; man kann es höchstens als eine „typische Nebenwirkung“ der neuen Getrenntschreibungen ansehen.

In § 34 der reformierten amtlichen Regeln heißt es (auszugsweise):
Partikeln, Adjektive oder Substantive können mit Verben trennbare Zusammensetzungen bilden. Man schreibt sie nur im Infinitiv, im Partizip I und im Partizip II sowie im Nebensatz bei Endstellung desVerbs zusammen.
Dies betrifft
(2) Zusammensetzungen aus Adverb oder Adjektiv + Verb, bei denen
(2.1) der erste, einfache Bestandteil in dieser Form als selbständiges Wort nicht vorkommt, zum Beispiel:
fehlgehen, fehlschlagen, feilbieten, kundgeben, kundtun, weismachen
Fazit: Nicht alles, was von vorzugsweise den Neuschrieb verwendenden Schreibern stammt bzw. was wie Neuschrieb aussieht, ist auch wirklich welcher; Vorsicht vor falschen Beispielen!
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Reinhard Markner am 17.10.2003 um 12.28

Ich glaube nicht, daß man unter der Überschrift »Strategie« versuchen sollte, Frau Menges in Orthographie zu unterweisen. Das ist wiederholt an anderer Stelle geschehen, bleibt aber bekanntermaßen fruchtlos.

Herr Dräger glaubt, die Reformer hätten nicht mit dem seit 1996 geleisteten »erbitterten Widerstand« gerechnet. Das halte ich für wenig wahrscheinlich. Der Kreis um Augst hat den Widerstand gegen deutsche Reformversuche der Vergangenheit studiert. Kontakte zu ausländischen Experten wie zum Beispiel Guido Geerts kamen hinzu. Diese Erfahrungen sind in die Strategie der Reformer eingegangen.

Die Kultusminister hingegen hat man zum einen mit der Fehlerverringerungsverheißung geködert, zum anderen mit der schon 1944 ins Feld geführten Schutzbehauptung, es handele sich um eine »behutsame« Reform. Die Politiker waren also in der Tat auf so hartnäckigen und grundsätzlichen Widerstand nicht vorbereitet.

Der Hinweis auf die Fehlerinflation ist folglich für uns von großer Bedeutung, wobei natürlich das Gegenargument zurückgewiesen werden muß, es handele sich um ein Übergangsphänomen (mit den Jahren wird diese Behauptung auch immer unglaubwürdiger, insofern spielt die Zeit für uns). Ferner muß immer wieder betont werden, daß die Reform in den Bereichen GZS und GKS in Grammatik und Morphologie des Deutschen eingreift. Die von Peter Eisenberg formulierte Einsicht, daß es sich um einen geradezu einzigartigen Angriff auf das Sprachsystem handelt, ist wenig durchgedrungen.


eingetragen von ghest am 17.10.2003 um 12.25

Das beweißt, daß durch die Getrenntschreibung nicht nur die Schreibweise, sondern auch die Bedeutung verändert wird: Bei 'hat fehl geschlagen' bezieht sich die Perfektbildung nur auf 'schlagen'. 'Fehlschlagen' ist intransitiv, 'schlagen' ist transitiv. Die Reform verändert die Sprache.


eingetragen von Theo Grunden am 17.10.2003 um 09.11

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von RenateMariaMenges
Eine Strategie, die bereits 1997 fehl geschlagen hat, wird wieder verfehlen.

... und daher wäre es nützlich zu überlegen, was an der Rechtschreibung wirklich falsch ist und einer Änderung bedarf.

Dazu gehören meines Erachten vor allem die Getrennt- und Zusammenschreibung ...


Liebe Frau Menges,

welche und wessen Strategie ist (oder meinetwegen hat) denn nach Ihrer Meinung 1997 fehlgeschlagen? Die einzige Strategie, die ich rückblickend bis jetzt entdeckt habe, ist die der für die „Reform“ Verantwortlichen, mit der Einführung in den Schulen ab 1996 schon eine Tatsache zu schaffen, die eventuellen Korrekturvorhaben mit dem Argument „Dann müssen die (armen) Schüler ja schon wieder umlernen“ die Wirkung nehmen sollte, später dann politische Willensäußerungen des Volkes und fachliche Kritikansätze zu ignorieren, die Öffentlichkeit bei den Beratungen zu meiden, auf Zeit zu spielen und alle auf 2005 zu vertrösten.

Zu „... und daher wäre es nützlich zu überlegen, was an der Rechtschreibung wirklich falsch ist und einer Änderung bedarf“:

Was wirklich falsch ist an der zur Zeit überall zu beobachtenden „Rechtschreibung“, ist z.B. das Auseinanderreißen solcher Wörter, von denen man irrtümlicherweise meint, sie müßten im Zuge der „RSR“ getrennt werden. Beispiele: fremd gehen, aufrecht erhalten, zurück treten, kaputt gehen, fehl schlagen (s.o.). Man trifft sie sogar in „Schreibkreisen“, in denen man sie eigentlich weniger vermuten würde (bei Journalisten, Lehrern, ...), auch oft bei solchen, die sich (wegen fehlender Motivation oder Zeit) nur oberflächlich mit den Inhalten der neuen Regelung auseinandergesetzt haben, diese aber trotzdem zu bewerten oder einfach kritiklos zu übernehmen und zu verbreiten bereit sind. Oder die einfach aus dem Chaos, das die „allgemeine RSR“ geschaffen hat, das Recht zur Schaffung einer „ganz persönlichen RSR“ ableiten.

Zu „Dazu gehören meines Erachten vor allem die Getrennt- und Zusammenschreibung ...":
Offensichtlich!


eingetragen von Matthias Dräger am 17.10.2003 um 06.31

Sehr geehrte Frau Menges,
ich bedaure, daß Ihnen die Beschäftigung mit der Rechtschreibreform offensichtlich das Sprachgefühl verdorben hat. Ich bin überzeugt, daß Sie selbst nicht mehr erkennen können, auf welchem Niveau Sie mit Ihrer Schreibe mittlerweile angekommen sind.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihren älteren Schülern? Dann legen Sie doch bitte einmal nur die beiden ersten Sätze Ihres letzten Beitrages einem guten Schüler vor, der vielleicht vor 5 Jahren die Schule verlassen hat. Fragen Sie diesen Schüler, was er von diesem Text hält, wie er die Schreibleistungen dieses „Schülers“ beurteilt.

Bitte nehmen Sie Abstand von dem Versuch, Ihre Schreibleistungen nur allein beurteilen zu wollen - das ist meiner Ansicht nach sinnlos.

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ps. Sollte es sich bei Ihren Fehlern im ersten Absatz nur um Flüchtigkeitsfehler handeln, die Sie selbst beim erneuten Durchlesen erkennen, nehme ich meine Ausführungen zurück und behaupte das Gegenteil.


eingetragen von ghest am 16.10.2003 um 21.01

in Nebensätzen mit "zu + Infinitiv" muß berichtigt werden!


eingetragen von RenateMariaMenges am 16.10.2003 um 17.50

Eine Strategie, die bereits 1997 fehl geschlagen hat, wird wieder verfehlen. Ich glaube einfach, dass es sinnvoll wäre andere Wege zu gehen, andere als Herr Dräger sie vorschlägt.

Ich meine, Sprache ist wandelbar und daher wäre es nützlich zu überlegen, was an der Rechtschreibung wirklich falsch ist und einer Änderung bedarf.

Dazu gehören meines Erachten vor allem die Getrennt- und Zusammenschreibung und die Groß- und Kleinschreibung in Teilen. Dazu einen Vorschlag zu schreiben finde ich nach wie vor sehr sinnvoll.


Mich würde eben auch die Strategie von Herrn Ickler interessieren. Herr Ickler, können Sie diese zusammenfassen?
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RenateMariaMenges


eingetragen von Dominik Schumacher am 16.10.2003 um 13.05

Guten Tag, Herr Güst,

ich fügte gerade ein h in ihren Beitrag ein. Würden Sie so freundlich sein, mich mal per iMeil anzuschreiben.

Dominik Schumacher
__________________
Dominik Schumacher

übrigens heiße ich wirklich Norbert Lindenthal


eingetragen von guest am 16.10.2003 um 10.28

Seit langer Zeit beobachte ich, daß die Partei-Jugendabteilungen den Auftrag haben, alles, was sich im Volk an Kritik angestaut hat, genau so aufzunehmen und vorzugeben, daß die Parteiführung sich der Sache annehmen werde. Das Gegenteil ist der Fall: Die Parteiführungen wollen mit solchen Aktionen nur das Volk ruhigstellen und denken gar nicht daran, etwas zu ändern.
Die Partei-Seniorenabteilungen haben den gleichen Auftrag.
Trotzdem ist es unbedingt nötig, den Parteiführungen diese Dinge immer wieder als unerledigt vorzuhalten.
Die wichtigste Eigenschaft eines Bürgers ist ein gutes Langzeitgedächtnis.


eingetragen von Matthias Dräger am 16.10.2003 um 06.02

Folgendes ist doch sonnenklar: Als die Kultusminister die Rechtschreibreform beschlossen, ging man davon aus, daß sich alle über kurz oder lang auf die neuen Schreibweisen einstellen würden, also die Zeitungen, die Verlage, einfach alle.
Daß es zu so einem erbitterten Widerstand kommen würde, mit abweichenden Orthographieen in verschiedenen Zeitungen, mit Verlagen, die in "neuer" Rechtschreibung veröffentlichen, anderen wiederum, die bei der herkömmlichen Rechtschreibung bleiben, hat niemand vorhersehen können. Und niemand kann mir erzählen, daß die Kultusminister sich ebenso entschieden hätten, wenn sie vorher gewußt hätten, welche Folgen mit dem Versuch der Einführung der Rechtschreibreform verbunden gewesen wären.

Auf dem Wege der Rechtschreibreform läßt sich eine einheitliche Linie für die Rechtschreibung nicht mehr erreichen - eine Fortführung des jetzigen Experiments läuft auf eine jahrzehntelange Spaltung unserer Orthographie hinaus, wenn nicht gar auf die Aufhebung jeder gesellschaftlich verbindlichen Norm. Für die Wiederherstellung der größtmöglichen Einheitlichkeit unserer Orthographie sehe ich nur einen sinnvollen Weg, und zwar die Abkehr von der mißglückten und im Detail unlernbaren Neuregelung (amtliches Regelwerk!) mit Übergangsfristen für die Schulen.
Ich denke, wir machen keinen Fehler, wenn wir an dieser Strategie langfristig festhalten.


eingetragen von Theodor Ickler am 16.10.2003 um 04.28

Diese Resolution, zu der ich ein ausführliches Gutachten verfaßt hatte (gratis wie immer, was ich heute noch bedauere), wurde sofort zurückgezogen, nachdem Markus Söder in den Parteivorstand berufen worden war. Ich bin davon nicht einmal benachrichtigt worden, und Frau Jacobs hat auch nie wieder etwas von sich hören lassen. Ein Mosaiksteinchen in meinem Bild von der CSU.
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Th. Ickler


eingetragen von Norbert Schäbler am 16.10.2003 um 01.01

Junge Union
Bezirksverband Mittelfranken
Geschäftsstelle Mittelfranken
Ansbacher Str. 20
91413 Neustadt

Beschluß der Bezirksvorstandschaft vom 17.09.1997

Beschluß:
Die Bezirksvorstandschaft der Jungen Union Mittelfranken spricht sich nachdrücklich gegen die geplante Rechtschreibreform aus

Begründung:

Die deutsche Sprache ist wie jede Sprache etwas Gewachsenes. Sie kann nicht so einfach und radikal „verbessert“ werden.
Die Reform stellt zudem keine Vereinfachung dar, wie vielfach behauptet wurde, sondern sorgt nur für Verwirrung. Die Regeln sind kompliziert und in sich widersprüchlich („Es tut mir weh : „Es tut mir Leid“, „segelfliegen“ : Rad fahren“). Weiterhin sind extrem viele Ausnahmen zu diesen Regeln zu finden, was die Rechtschreibung nicht eben vereinfacht.
Eine wirkliche Vereinfachung wäre es zum Beispiel gewesen, das unbeliebte ß ganz durch ss zu ersetzen. Statt dessen soll es nach kurzem betontem Vokal wegfallen (Fass statt Faß, Fluss statt Fluß, aber: Maß, fließend). Da in den verschiedenen Regionen Deutschlands unterschiedliche Dialekte und Sprachweisen verbreitet sind, dürfte es schwer werden, diese Regelung durchzusetzen.
Eine weitere Schwierigkeit taucht bei der Schreibung von Fremdwörtern auf. Fremde Worte werden ungeachtet ihrer Herkunft eingedeutscht. Dies entspricht nicht dem europäischen Geist. Man sollte entweder mehr Respekt vor anderen Sprachen haben, oder gleich so konsequent wie Frankreich auf eine reine Sprache achten (Delphin : Delfin, Spaghetti : Spagetti. Thunfisch : Tunfisch, Orthographie : Orthografie, aber: Apotheke, Strophe).
Für die Bevölkerung ergeben sich Nachteile: Ältere Mitbürger müssen sich radikal umstellen, da ansonsten eine Schüler- und Amtssprache entsteht. Im ungünstigsten Fall gibt es dann also zwei deutsche Sprachen, wie dies in der „Dresdner Erklärung der Kultusministerkonferenz zur Neuregelung der Rechtschreibung“ vom 24./25 Oktober 1996 in Punkt 2 erwähnt ist („Tatsächlich betrifft die geplante Neuregelung ausschließlich das Schreiben in Behörden und Schulen“). Dies sollte nicht die Absicht dieser „Reform“ sein.
Es erscheint unsinnig, ein Vorhaben, mit derart weitreichenden finanziellen Konsequenzen zu realisieren. Schließlich müssen nicht nur die Lese- und Sprachbücher in den Schulen ausgetauscht werden, was ja sowieso einen immensen Kostenaufwand bedeutet, sondern nach und nach die gesamte Literatur. Wie sonst soll man es einem Schulkind erklären, daß das Jugendbuch, das es gerade liest, falsch geschrieben ist?
Zu kritisieren ist auch die Vorgehensweise der Kultusministerkonferenz. Bis zur „Gemeinsamen Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“ wurde jede ernsthafte öffentliche Diskussion darüber vermieden. Dies ist den Verantwortlichen insofern vorzuwerfen, als die Neuregelung jeden Bürger betrifft. Diese Vorgehensweise fördert die so oft beklagte Politikverdrossenheit.
An vielen Schulen wird bereits nach der neuen Rechtschreibung unterrichtet, was angesichts des offiziellen Einführungstermins am 01.08.98 ebenfalls auf Unverständnis stößt.
Bei näherer Betrachtung entsteht also der Eindruck, daß diese Reform eine „Kabarettnummer“ oder auch ein „politisches Intermezzo“ darstellt.
Das Einführungsdatum für die Rechtschreibreform ist auf den 01.08.1998 festgelegt. Es ist also noch nicht zu spät, die Neuregelung zu stoppen. Daher sind die Schul- und Wörterbuchverlage, die bereits nach den neuen Regeln arbeiten, auch keineswegs zu bemitleiden bezüglich der nach den neuen Regeln gedruckten Auflagen und des ihnen durch Rücknahme der Bücher eventuell entstehenden Schadens, da alle Neuausgaben mit veränderter Rechtschreibung auf eigenes Risiko entstanden sind. Hinzu kommt, daß sich auch die neuen Regelungen durch Überarbeitung ständig ändern, so daß letztlich die „neuen“ Schulbücher auch schon wieder veraltet sind. Dies gilt ebenso für die Wörterbücher (z.B. Duden etc.).

Die Junge Union Mittelfranken wendet sich nicht gegen eine Vereinfachung der Rechtschreibung. Sie hat jedoch weder für eine unverständliche, unlogische und gewaltsame Umschreibung der Rechtschreibregeln Verständnis, noch für die seltsame Vorgehensweise der Kultusministerkonferenz bei der Durchsetzung der Neuregelung.

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PS:
Ursprünglich wollte ich dieses Schreiben im Strang „Dokumente“ einstellen, doch weil dies ein Strategiepapier ist, paßt es genau in den von Herrn Professor Ickler eröffneten Strang. Es paßt hierher wie die Faust auf das Auge.
Dieses Schreiben erreichte mich mit folgendem handschriftlichen Zusatz am 5.10.1997:


Sehr geehrter Herr Schäbler,

bezugnehmend auf Herrn Manfred Riebe übersende ich Ihnen den Beschluß der JU Mittelfranken gg. die geplante Rechtschreibreform.
Ich freue mich sehr über Ihr Interesse!!
Mit freundlichen Grüßen
S. Jacobs

(Kreisverband Erlangen Stadt, Adenauer-Haus, Neue Straße 34, 8520 Erlangen, Tel. JU 09131/28101, CSU 26081)
Stephanie Jacobs, Lug-ins-Land-Str. 3,91080 Marloffstein, 09131/55771



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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 15.10.2003 um 23.22

Wenn ich mich recht erinnere, gab es in der Saison 97/98 in der mittelfränkischen Jungen Union eine Resolution gegen die Rechtschreibreform.
Süder (Strüder) – oder so ähnlich – hieß der damalige Vorsitzende der mittelfränkischen JU, und dessen Resolution war mit heißem Eisen gestrickt (ich werde das aus meinen Unterlagen herauskramen und im Strang „Dokumente“ veröffentlichen).

An den Namen hätte ich mich kaum erinnert, wäre er mir nicht neuerdings über den Weg gelaufen. So – oder so ähnlich – heißt nämlich (so glaube ich) der neue CSU-Generalsekretär, der unmittelbar nach dem Verfassen seiner Resolution nach München abberufen worden war, um höhere Weihen zu empfangen.
Nun hat er sie.

Gegen das Stoiberkabinett will ich ja gar nicht meckern – obwohl ich den Zehetmair vermisse, der von Ex-General Goppel ersetzt wurde –; zumal die CSU in Bayern die Zwei-Drittel-Mehrheit hat.

Trotzdem bin ich beim Thema „Strategie“ dabei, und mein Vorspann gilt eigentlich nur dem Umstand, daß es Menschen gibt, die auf einer altruistischen Linie fahren, die man erst viel später als egoistisch erkennen kann, wobei letzteres niemals nachweisbar ist und sich ganz viel später möglicherweise als höchste Form des Altruismus’ s zu erweisen gedenkt.

Im übrigen halte ich nicht viel von Menschen, die ihre Probleme anderen zur Lösung übergeben. Sie haben eine Charakterschwäche!
Ich würde allerdings viel davon halten, wenn wir eine Richtung fänden, denen sich all die Unentschlossenen und Enttäuschten anschließen könnten, weil an einer gesunden Strategie auch die Schwachen erstarken können.



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nos


eingetragen von RenateMariaMenges am 15.10.2003 um 16.18

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Kürzlich erreichte mich der Brief eines bekannten Germanisten. Er ist weiterhin strikt gegen die Rechtschreibreform, meint aber, angesichts der Lage sei nur mit einem Kompromiß ...
Ich denke, dass es keinen Kompromiss geben wird, aber ich glaube auch, dass das letzte Wort in Sachen Rechtschreibung noch nicht gesprochen wurde. Ich denke, es muss eine Weiterarbeit im Bereich Rechtschreiben geben. Ich weiß allerdings nicht, wie dies ausschauen könnte. Interessant wird es auf alle Fälle.
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RenateMariaMenges


eingetragen von Theodor Ickler am 15.10.2003 um 14.18

Kürzlich erreichte mich der Brief eines bekannten Germanisten. Er ist weiterhin strikt gegen die Rechtschreibreform, meint aber, angesichts der Lage sei nur mit einem Kompromiß - etwa auf der Linie der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (DASD), nach Korrekturen - die Aussicht verbunden, die Kultusminister umzustimmen. Und mit Prof. Munske sei er der Meinung, daß wenigstens die Richtung stimme.

Ähnliche Ansichten hört man nicht ganz selten, auch unter unseren Mitstreitern. Ich möchte daher eine Strategiedebatte beginnen, die von solchen Stimmen ausgeht.

Ich halte die Einschätzung der Lage für vollkommen falsch. Die Kultusminister müssen nicht umgestimmt werden, sie wissen Bescheid und wollen keinen Kompromiß, sondern sie wollen die ganze Reform loswerden. Wie berichtet, hat mir dies schon im Sommer vorigen Jahres ein Vertrauensmann aus der KMK mitgeteilt. Allerdings müsse der Stoß von außen, "von unten" kommen, d. h. von der Presse, denn die Kultusminister sehen sich außerstande, von sich aus das ganze verfehlte Unternehmen abzublasen.

Was die DASD betrifft, so ist schon das Nachgeben "angesichts der Machtverhältnisse" unwürdig genug. Eine Akademie hat ihren wissenschaftlichen Überzeugungen treu zu bleiben, nicht aber um den Preis der Unwahrheit auf der Seite der "Sieger" stehen zu wollen.

Zur Zeit sind unsere ärgsten Feinde die Resignation und der Eindruck, ein Kompromiß sei leichter hinzunehmen als die scheinbar radikalere Lösung der schlichten Rückkehr. Dem steht aber entgegen, daß die Rückkehr auf das ungeheuer breite Fundament der noch überall vorhandenen und auch noch praktizierten Einheitsorthographie zurückgreifen kann. Es wäre in jeder Hinsicht die eleganteste und billigste Lösung, und der Frieden wäre auch wiederhergetstellt, die Sprachspaltung vermieden.

Ein "Kompromiß", dem ich allenfalls zustimmen könnte, wäre die Wiederherstellung des Dudenprivilegs. Ich bin eigentlich dagegen, aber wenn die Kultusminister zu wenig Phantasie haben, um sich eine Lösung der Rechtschreibfrage in freier Konkurrenz der Wörterbuchmacher vorstellen zu können, dann wäre auch die die Delegierung dieser Aufgabe an ein Unternehmen wie Duden nicht besonders schädlich. Daß es geht, beweist ja die Schweiz, wo allerdings der Duden sein Privileg unter korruptesten Umständen erhalten hat. Freilich müßten die Kultusminister diese Lösung gegen die Weltmacht Bertelsmann durchsetzen, was ich für nahezu ausgeschlossen halte.
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Th. Ickler


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