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eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 01.12.2003 um 06.10

"Nora and two friends had just captured a table at their favorite deli, a converted service station that still sold gas but had also added designer sandwiches and latte at three bucks a cup.

Nach meiner Beobachtung hat sich der Gebrauch von deli geradezu inflationär vermehrt, und in diesem, hier gerade zitierten Zusammenhang würde ich Café als originelle Übersetzung durchgehen lassen.

Für Michélle, also mit einem »accent aigu« über dem ersten e, habe ich in der Tat nur polnische Beispiele gefunden, aber wahrscheinlich gibt es auch andere.

Und schließlich, sich genötigt zu sehen, die Übersetzung einer "Normseite" (Was ist das eigentlich? Bei dem kleinformatigen »Skipping Christmas« wären es ca. 240 - 275 Wörter pro Seite - das ginge vielleicht gerade noch) für einen Mindestpreis von knapp 18 Mark anzubieten - das ist ein Aspekt der vielbeklagten Übersetzungs- und Übersetzerkrise. Ein anderer ist, daß der Wilhelm Heyne Verlag, der das in den USA 9 Dollar kostende Buch als Übersetzung hier für 12 Euro verkauft, auf ein solches Angebot eingeht, weil er sich ausrechnet, damit mit Gewinn durchzukommen.
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Reinhard Markner am 30.11.2003 um 21.57

Pyka ist ein polnischer Nachname, aber Michélle ist doch kein polnischer Vorname ?!
Ein Deli ist auch kein Café.
9 Euro sind im übrigen Dumping, da kann man nicht mehr erwarten.


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 30.11.2003 um 18.03

Unfortunately, we cannot forward e-mail to authors, nor can we give out authors' e-mail or postal addresses. However, you can always contact Random House, Inc. authors by mailing a letter to them in care of their publisher's publicity department at: 1745 Broadway, New York, NY 10019 USA

Oder sähen Sie eine Alternative?
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Dr. Wolfgang Scheuermann


eingetragen von Theodor Ickler am 30.11.2003 um 16.42

Wie wäre es mit einem freundlichen Brief an Grisham, um ihn darüber aufzuklären?
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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Scheuermann am 30.11.2003 um 12.31

Jetzt, vor Weihnachten, ist die Übersetzung des (wirklich unterhaltsamen) Grisham-Romans "Skipping Christmas": Das Fest, im Wilhelm Heyne Verlag, bei Amazon auf Platz 59 der Verkaufsstatistik geklettert. Dabei ist es grauenhaft übersetzt, von einer gewissen Michélle Pyka, die nach eigenen Angaben seit 1998 als "selbstständige Übersetzerin und Korrektorin" in Wuppertal tätig ist - die Übersetzung einer "Normseite" kostet bei ihr mindestens 9 Euro. Ich habe mir "Das Fest" einmal angesehen:

"Skipping Christmas" (wörtlich: Weihnachten ausfallen lassen) ist ein so uramerikanischer Roman, daß ich zunächst dachte, er würde vielleicht gar nicht übersetzt werden. Grisham schreibt inzwischen einen flüssigen, angenehm zu lesenden Stil, stellenweise richtiggehend elegant. (Das war bei seinem Erstling "A Time to Kill", dt. "Die Jury", noch keineswegs der Fall.)
Da kann die Übersetzerin, Michélle Pyka, leider überhaupt nicht mithalten. Pyka ist, wie ihr Vorname andeutet, offensichtlich polnischer Herkunft; und man muß - obwohl sie an einer Gesamthochschule in Wuppertal studiert hat - schwere Zweifel an ihren Deutsch- und Übersetzungskenntnissen haben. Das setzt schon auf der ersten Seite ein, wo eine "magere Anzahl von Plastikstühlen" 1000 Reisenden gegenübersteht, die so charakterisiert werden: "Nun strahlten sie kollektiv eine gedrückte Stimmung aus." Grisham braucht dafür keinen eigenen Satz; er schreibt am Ende eines (diesen Schluß begründenden) Satzes "... they were subdued, as a whole." Das ist ungleich eleganter. Wo es bei Grisham heißt: "The reasons were varied and irrelevant at the moment. Some tried to smile. Some tried to read, ...", macht Pyka daraus: "Einige lächelten mit verkrampfter Miene. Andere versuchten zu lesen, ..." Den ersten Satz hat sie übersehen oder aus anderen Gründen weggelassen (unglaublich!) - der Rest ist - sie schreibt es - verkrampft.
So - und schlimmer - geht es immer weiter. Teilweise geht auch die Phantasie mit ihr durch. Aus "Cell phones were buzzing all over the deli." [Im ganzen Café surrten {oder klingelten} Handys.] wird: "Ringsumher hatte ohnehin jeder zweite ein Mobiltelefon am Ohr." Das ist zwar gut möglich, aber wenn Grisham das gemeint hätte, hätte er es sicher auch geschrieben. Aus "gossip would roar through the deli" wird "dass ein Orkan von Tratsch durch das Café fegen würde". Orkan von Tratsch, das ist schon stark! Aus "Belgian conglom" [belgischer Konzern] wird "dubioser belgischer Konzern", aus "A stray kid, ..., and Frohmeyer would have the police poking him in the chest and asking questions." wird: "Ein streunender Jugendlicher, ... - Frohmeyer rief die Polizei, die den Betreffenden unverzüglich festnagelte und ausfragte." Das ist kaum mehr komisch; Pyka kennt offenbar weder die Bedeutung des englischen Wortes "to poke" noch die des deutschen Wortes "festnageln" - oder ... es ist ihr grad egal. Auffällig ist die Umrechnung amerikanischer Maßeinheiten. Bei Längen ist Pyka schon fast übergenau; aus "seven feet" errechnet sie "zwei Meter zehn" (wo "gut zwei Meter" es auch - und besser - getan hätten), während sie Gewichte meist gar nicht und dann plötzlich ganz genau umrechnet, einmal in einem Satz mal so dann so. Unzählige Verstöße gegen die deutsche Grammatik kommen hinzu, und es wird kaum dadurch besser, daß etliche aus der Anwendung der mißglückten neuen Rechtschreibung resultieren: "Nein, tut mir Leid." für "Afraid not." Hat man Grisham eigentlich gefragt, ob er einverstanden ist, in ein Deutsch zweiter Klasse übersetzt zu werden? Wohl kaum.
Diese Übersetzung reicht aus, um einigermaßen den Inhalt von "Skipping Christmas" mitzubekommen. Von den schriftstellerischen Fähigkeiten des Autors Grisham verrät sie so gut wie nichts.


Ich habe in den letzten Jahren den Eindruck gewonnen, daß die Übersetzungsleistung von Michélle Pyka typisch ist - und das sogar über den reinen Massenmarkt hinaus.
Folgen Übersetzungen der bewährten Rechtschreibung, ist das ein deutlicher Hinweis auf eine bessere Übersetzungsqualität.
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Dr. Wolfgang Scheuermann


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