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-- Amtschefs, vierter Bericht usw. (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=789)


eingetragen von Reinhard Markner am 19.09.2004 um 00.08

Bei Verbindungen von Substantiven, Adjektiven, Adverbien oder Pronomen mit adjektivisch gebrauchten Partizipien, die nicht steigerbar sind ] Bei Verbindungen aus Einzelwort und adjektivisch gebrauchtem Partizip


eingetragen von Theodor Ickler am 11.07.2004 um 07.41

Ich weiß nicht mehr, ob es hier schon gesagt worden ist, aber beim Blättern im vierten Bericht bin ich darauf gestoßen, daß die nochmals vermehrte Großschreibung in Verbindungen aus Präposition und flektiertem, wenn auch artikellosem Adjektiv nicht auf die Gallmannschen 15 Beispiele ("bei Weitem" usw.) beschränkt werden kann. So muß doch auch das besonders häufig gebrauchte "unter Anderem" hinzukommen, oder sehe ich das falsch? Die Sonderregel über die vier Zahladjektive greift doch hier nicht.
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 23.06.2004 um 13.13

"Gegenüber dem 4. Bericht der Kommission wurde außerdem § 36 E2(2) präzisiert." So der Ergänzende Bericht. Soweit ich sehe, liegt uns diese "Präzisierung" nicht vor. Die Fassung des 4. Berichts lautet : "E2 (2): Bei Verbindungen von Substantiven, Adjektiven, Adverbien oder Pronomen mit adjektivisch gebrauchten Partizipien, die nicht steigerbar sind, ist neben der Getrenntschreibung nach § 36 E1(1) auch Zusammenschreibung möglich, zum Beispiel:
die Rat suchenden Bürger oder die ratsuchenden Bürger; eine allein erziehende Mutter oder eine alleinerziehende Mutter." Zur Erinnerung : § 36 E1 lautet in der Urfassung : "In den Fällen, die nicht durch § 36(1) bis (6) geregelt sind, schreibt man getrennt. Siehe auch § 36 E2.
Dies betrifft
(1) Fälle, bei denen das dem Partizip zugrunde liegende Verb vom ersten Bestandteil getrennt geschrieben wird, und zwar
(1.1) entsprechend § 35, zum Beispiel:
beisammen gewesen (wegen beisammen sein), zurück gewesen
(1.2) entsprechend § 34 E3(2) bis (6), zum Beispiel:
abhanden gekommen (abhanden kommen), auseinander laufend, auswendig gelernt, vorwärts blickend
hell strahlend (hell strahlen), laut redend
gefangen genommen (gefangen nehmen), verloren gegangen
Rat suchend (Rat suchen), Not leidend, Rad fahrend
kennen gelernt (kennen lernen), sitzen geblieben
[. . .]"
Vergleicht man die Beispiele, wird begreiflich, warum die Kommission nicht etwa "Rad fahrend" gewählt hat, um die Regeländerung zu illustrieren. Schließlich ist es doch etwas pikant, daß sie "radfahrend" neben "Rad fahrend" wiederzulassen mußte.


eingetragen von Theodor Ickler am 05.06.2004 um 07.38

Die Kultusminister schließen sich der Lügenpropaganda der Kommission an, indem sie grundsätzliche Einschnitte mit kaum abschätzbaren Folgen (wie die Öffnung der Partikelliste § 34) als „Umformulierungen“ bezeichnen, die keine Folgen für Schul- und Wörterbücher haben.

Die Verkürzung auf die GZS gibt ein falsches Bild der tatsächlichen Lage. Der Unsinn der neuen Großschreibungen zum Beispiel bleibt außer Betracht. Ab August 2005 sollen tatsächlich die grammatisch falschen Schreibungen wie „so Leid es mir tut, wie Recht du hattest, erste Hilfe ist Not, er ging Pleite“ usw. verbindlich werden, und es soll mindestens fünf Jahre dauern, bis ein erst noch zu gründender „Rat“ Vorschläge machen darf, wie weiterhin damit umzugehen sei. Bis dahin, so die Kommission, müßten aber „Gewöhnungs- und Anpassungsprozesse abgewartet werden“. Man kann sich vorstellen, an welche Zerrüttungen des Sprachgefühls die Deutschen sich bis dahin gewöhnt haben werden, denn sie werden den Unsinn dann 11 Jahre lang in den Zeitungen gesehen und 14 Jahre lang in der Schule gelernt haben.

Während alle Akademien der Wissenschaften und der Künste, der PEN, die Schriftsteller und Juristen die Reform ablehnen, hat sich die DASD sich wieder und wieder bei den Kultusministern angebiedert, weil ihr Mitglied Peter Eisenberg den durch nichts zu erschütternden Wunsch hat, die Rechtschreibreform zu retten. Jedesmal wurde sie von der Rechtschreibkommission vorgeführt und lächerlich gemacht, aber das hindert sie nicht, sich auch schon wieder für die nächste Phase, den neu zu gründenden „Rat“, ins Gespräch zu bringen, obwohl es sich offensichtlich um eine reine Alibi-Veranstaltung handelt. Die Kultusminister werden dieses Angebot gern annehmen, und dann werden also nach weiteren fünf Jahren, 2010, die greisen Akademiker untertänigst einige „Vorschläge“ unterbreiten dürfen, wie man die chaotische deutsche Rechtschreibung vielleicht ein kleines bißchen herrichten könnte – falls sich nach den "Gewöhnungs- und Anpassungsprozessen" noch jemand dafür interessiert.


Hier noch mal zwei alte Zitate:

Als ich 1997 Gerhard Augst am Telefon mit den grammatisch fehlerhaften Reformfolgen wie "sehr Leid tun" usw. konfrontierte, antwortete er wörtlich: "Damit kann ich leben."
Als ich bei der Mannheimer Anhörung im Januar 1998 die Rücknahme der Reform verlangte, sagte Kommissionsmitglied Peter Eisenberg wörtlich: "Das wäre eine kulturpolitische Katastrophe."
Hier haben wir das ganze Elend der Deutschen in der "Nussschale".
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 28.05.2004 um 04.10

Anläßlich ihres Gesprächs mit der Bild-Zeitung habe ich der KMK-Präsidentin Doris Ahnen (Rheinland-Pfalz) in einem Brief vom 7. Mai noch einmal die Probleme dargelegt, die sich aus einer Billigung des vierten Berichts und immer weiteren Varianten ergeben würden, und auf die bessere und billigere Lösung hingewiesen. Frau Ahnen beauftragte daraufhin Herrn Thies, mir zu antworten, und dieser schreibt bzw. läßt Herrn Funk durch dessen Sekretärin schreiben:

"Da Ihre Einschätzung der Neuregelung bekannt ist, werden Sie es mir verdenken[!], dass ich auf die Inhalte nicht nochmals im Einzelnen eingehe." (21. Mai 2004)

Übrigens ist er auf den Vorschlag selbst noch niemals eingegangen.

Nicht, daß ich ich je irgend etwas Konstruktives von den Politikern erwartet hätte. Trotzdem habe ich alle Vorschläge immer auch an sie geschickt, um mir nicht nachsagen lassen zu müssen, ich hätte etwas versäumt. Aber letztendlich ist es natürlich das Schreibvolk, das sich dieser Vögte entledigen muß.
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Th. Ickler


eingetragen von J.-M. Wagner am 24.05.2004 um 21.17

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Reinhard Markner
Wie mir die KMK-Pressestelle mitteilt, lehnt man es dort weiterhin ab, zum Scheitern der Gespräche Stellung zu nehmen.
Und was sagt man bei der DASD? – Es wäre doch jammerschade, würde sich die DASD zurückhalten und das Feld der Kommission überlassen...
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Sigmar Salzburg am 24.05.2004 um 16.53

http://www.welt.de/data/2004/05/25/282335.html:

Schulbuchverlag fordert Ende der Rechtschreibreform
Zum ersten Mal hat ein Schulbuchverlag die neue Rechtschreibung öffentlich kritisiert und an die Kultusministerkonferenz (KMK) appelliert, zur "funktionierenden herkömmlichen" Rechtschreibung zurückzukehren. In "Offenen Briefen" an die KMK und die VdS Bildungsmedien Frankfurt/M. wenden sich die Inhaber der Stolz Verlags GmbH Düren vor allem gegen die Behauptung, die Reform habe "Erleichterungen" für die Schüler gebracht: "Die meisten Lehrer, welche die Reform anfangs begrüßt haben, stellen nunmehr ernüchtert fest, dass Schülern, vor allem und gerade auch in der s-Schreibung - dem ,Herzstück der Reform" - vermehrt Fehler unterlaufen. Nicht wenige Erwachsene, darunter auch professionelle Schreiber und Pädagogen, wissen selbst nicht mehr, wie man richtig schreibt. Aus verschiedenen ,Strassen" in Deutschlands Orten erreichen uns Briefe, deren Schreiber sich höflich und mit ,freundlichen Grüssen" verabschieden." Für die Verlage entsteht nach Ansicht des Verlegerpaares Peter Stolz und Karin Pfeiffer-Stolz ein unhaltbarer Zustand. "Spätestens im nächsten Jahr" werde auf Grund pausenloser Überarbeitungen des Reformwerkes "ein Großteil der jetzt aufgelegten Druckwerke wieder ,veraltet" sein". Die Dürener Verleger fragen: "Wer kommt für die Kosten der erzwungenen Nachbesserungen auf?" In Schulen räume man derweil Schülerbibliotheken leer und werfe tadellose Bücher auf den Müll, weil deren "veraltete" Rechtschreibung den Schülern nicht mehr zugemutet werden könne: "Ein Akt unsinniger, in seiner Art einmaliger Barbarei."  gur
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Sigmar Salzburg


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 24.05.2004 um 14.57

Liebe Frau Salber-Buchmüller,

bitte nicht die Flinte vorschnell ins (verregnete) Korn werfen! Heute bekam ich zwei Anrufe, die ermutigen und vielleicht etwas zu bedeuten haben.

Erstens: Ein Redakteur der Zeitung "Die Welt" erkundigte sich nach den Hintergründen und verriet, daß etwas dazu erscheinen werde. Das WDR Fernsehen (3. Programm) hat auch berichtet, was ich erst jetzt erfahre.

Zweitens: Herr Mikulic vom VdS Bildungsmedien e.V. rief mich an. Die Presse habe bei ihm nachgeforscht, er würde gern den genauen Inhalt des Offenen Briefes erfahren.

Und manche Blüten brauchen lang, um sich zu öffnen.
Ich habe, trotz allem, Hoffnung, daß all das nicht umsonst ist.

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Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Reinhard Markner am 24.05.2004 um 13.05

Wie mir die KMK-Pressestelle mitteilt, lehnt man es dort weiterhin ab, zum Scheitern der Gespräche Stellung zu nehmen.


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 24.05.2004 um 12.47

Am 4. Juni werden wir es erleben:
Schweizer Monatshefte (Frage: warum haben die
nicht von einem Tag auf den anderen umgestellt
wie die FAZ?), PEN Club, Stolz-Verlag
werden nichts ausgerichtet haben.
Soweit ich es beobachtet habe, hat bis heute
noch keine Zeitung in unserem Lande eine Notiz
über den Stolz-Verlag gebracht. Ein GROSSER BRUDER
wird Anweisung zur Unterschlagung gegeben haben.
Auch vermisse ich von vielen anderen Seiten ent-
sprechend
begeisterte Stellungnahmen.
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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Reinhard Markner am 24.05.2004 um 11.26

Die 306. Kultusministerkonferenz wird am 3./4. Juni 2004 in Mainz stattfinden.


eingetragen von J.-M. Wagner am 26.04.2004 um 00.45

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Ich kann auf den Internetseiten der Kommission den vierten Bericht und das Drum und Dran nicht mehr finden.
Wie ich soeben sah, ist das jetzt alles wieder von der Seite „Aktuell“ (http://rechtschreibung.ids-mannheim.de/aktuell.html) aus zugänglich.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Karsten Bolz am 30.03.2004 um 15.23

http://www.kmk.org/aktuell/pm040205.htm vom 05.02.04:

Zitat:
Amtschefskommission "Rechtschreibung" zu Vorschlägen im 4. Zwischenbericht der Zwischenstaatlichen Kommission

Die Amtschefskommission „Rechtschreibung“ hält die Vorschläge, die im 4. Zwischenbericht der Zwischenstaatlichen Kommission gemacht wurden, für sinnvoll und schlägt deren Umsetzung zum vorgesehenen Zeitpunkt (01.08.2005) vor. Sie sieht noch Raum für Gespräche über Einzelheiten der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Entsprechendes Interesse wurde aus dem Präsidium der Kultusministerkonferenz signalisiert. Im Übrigen könnten Ergebnisse aus den angeführten Gesprächen in dieser Zeitspanne noch eingefügt werden. Die Zeitspanne bis zur Vorlage des nächsten Zwischenberichts werde von zwei auf fünf Jahre verlängert.

Es handelt sich bei den Vorschlägen der Kommission um die Zulassung weiterer Varianten, deren Umfang sehr begrenzt ist. Da durch die Vorschläge der Kommission – mit unwesentlichen Ausnahmen – keine der bisherigen Schreibweisen falsch werden, können alle Schulbücher, die der Neuregelung bisher folgten, weiter benutzt werden.

Die Vertreter Österreichs, der Schweiz und Liechtensteins signalisierten, dass sie die vorgeschlagenen Änderungen ebenfalls umsetzen werden, der deutsche Sprachraum damit weiterhin geschlossen bleiben wird.

Der Zwischenbericht wurde außerdem zur Veröffentlichung freigegeben – die Zwischenstaatliche Kommission wird ihn in das Internet stellen.

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Vorschläge des vierten Berichts der Zwischenstaatlichen Kommission für Rechtschreibung finden Sie hier.

Danke, Herr Wagner, genau diese Seite suchte ich. Sie dokumentiert, daß die Kommission den Bericht in das Internet stellen wird (soll?).
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Karsten Bolz


eingetragen von J.-M. Wagner am 30.03.2004 um 14.48

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karsten Bolz
Ich kann mich daran erinnern, daß in der Pressemitteilung der KMK vom 04.03.2003 ein Text stand, die Kommission sei angewiesen worden, den Text des vierten Berichts im Internet zu veröffentlichen. Jetzt finde ich diese Passage dort auch nicht mehr. Suche ich da am falschen Fleck oder ist dieser Satz wirklich ebenfalls getilgt?
Schauen Sie mal in die Pressemitteilung vom 05.02.2004 – meinten Sie vielleicht die dortige Passage? Hier ist die entsprechende Seite:

http://www.kmk.org/aktuell/pm040205.htm
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Karsten Bolz am 30.03.2004 um 14.43

Ich kann mich daran erinnern, daß in der Pressemitteilung der KMK vom 04.03.2003 ein Text stand, die Kommission sei angewiesen worden, den Text des vierten Berichts im Internet zu veröffentlichen. Jetzt finde ich diese Passage dort auch nicht mehr. Suche ich da am falschen Fleck oder ist dieser Satz wirklich ebenfalls getilgt?
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Karsten Bolz


eingetragen von J.-M. Wagner am 30.03.2004 um 13.59

Das Verschwinden des Berichtes und des Begleittextes von Blüml muß schon etwas länger her sein, weil selbst Google nichts mehr findet. Google „findet“ ja auch solche Seiten, die in Wirklichkeit schon nicht mehr existieren, wenn davon noch eine Kopie im Cache der Suchmaschine existiert. Wie lange aber die Kopie im Cache das Original überdauert, weiß ich leider nicht.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Karsten Bolz am 30.03.2004 um 08.17

Ich habe gerade mal bei deren Webmaster nachgefragt, ob die eine Panne hatten und den Server zurückgesetzt haben. Mal abwarten, was die Antwort ist.
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Karsten Bolz


eingetragen von Detlef Lindenthal am 30.03.2004 um 04.53

Hier sollte er stehen:
http://rechtschreibung.ids-mannheim.de/vierter_bericht.pdf
(bei uns noch gespiegelt unter
http://rechtschreibreform.de/K4/K4ohneOWB.pdf und
http://rechtschreibreform.de/K4/OWB)

Die frühere Anschrift wird noch verzeichnet bei
http://uploader.wuerzburg.de/rechtschreibreform/o-aktuel.html

Aber der 3. Bericht ist noch da:
http://rechtschreibung.ids-mannheim.de/gesamttext.pdf
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Theodor Ickler am 30.03.2004 um 04.25

Ich kann auf den Internetseiten der Kommission den vierten Bericht und das Drum und Dran nicht mehr finden.
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Th. Ickler


eingetragen von Ruth Salber-Buchmüller am 23.03.2004 um 13.50

Mich interessiert:
Gibt es gegen die Rechtschreibreform eine
Aktion auf der Messe?
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Ruth Salber-Buchmueller


eingetragen von Theodor Ickler am 22.03.2004 um 16.17

Der Generalsekretär der KMK, Prof. Thies, teilt mir am 15.3.2004 noch einmal brieflich mit, was die KMK am 4. März beschlossen hat, und schließt mit den Worten:

"Die Kultusministerkonferenz wird dann im Juni 2004 über die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung beschließen, so dass der 01.08.2005 als Termin der Umsetzung in jedem Fall beibehalten werden kann."


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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 13.03.2004 um 11.10

Die Forderung nach einem Moratorium ist jetzt ganz dringlich, aber sie ist nicht neu. Ende August 1997 wurde sie von der GEW-Vorsitzenden Eva Maria Stange erhoben - erstaunlicherweise.

Die Abgeordneten Gres, Kleinert und Glos haben Mitte Februar (wohl am 11.) 1998 ein Gespräch miteinander geführt und dann telefonisch mit dem bayerischen Kultusminister Zehetmair gesprochen. Dieser habe ein Moratorium entschieden abgelehnt. Bayern blieb Vorreiter bei der Durchsetzung der Rechtschreibreform.


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Th. Ickler


eingetragen von Christian Stang am 06.03.2004 um 11.21

Vermutlich ist der Band "Handbuch zur neuen Rechtschreibung und Zeichensetzung" von Gustav Muthmann (Schöningh, Paderborn 2000) gemeint.


eingetragen von Theodor Ickler am 06.03.2004 um 09.48

Im vierten Bericht werden u. a. Gustav Muthmann und Gerhard Schoebe erwähnt, deren Kritik von der Kommission beachtet worden sei. Schoebe ist Schulbuchautor und williger Vollstrecker ("Ich werde der Norm gehorchen, weil sie die Norm ist"), Muthmann ein Schulmann, der in Siegen als Honorarprofessor wirkte. Von beiden ist mir keine reformkritische Äußerung erinnerlich - weiß jemand etwes Genaueres? Muthmanns Bemerkungen im Vorwort zur Neuausgabe seines Rückläufigen Wörterbuchs können ja wohl nicht gemeint sein.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 02.03.2004 um 09.32

Die Fälschung

Schon am 6. Februar 2004, einen Tag nach der Sitzung der Amtschefskommission der Kultusminister, veröffentlichte die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung ihren vierten Bericht im Internet. Sie wollte diesmal der Veröffentlichung durch Dritte zuvorkommen. Allerdings fehlte im veröffentlichten Text die wichtige "Anlage 2", die im Inhaltsverzeichnis als integraler Bestandteil des Berichts ausgewiesen ist und Informationen enthält, die dem übrigen Text nicht zu entnehmen sind. Es handelt sich um die exemplarische Vorführung der geplanten Änderungen an einem Auszug aus dem Österreichischen Wörterbuch (Buchstabe D). Unter dem amputierten Bericht stand die Bemerkung: "Anlage 2 ist in einem anderen Format gespeichert und kann deshalb hier bis auf weiteres nicht angezeigt werden."
Der fehlende Teil wurde kurz danach von dritter Seite in originalgetreuer Abbildung ins Netz gestellt und kann unter http://www.rechtschreibreform.de/K4/OWB eingesehen werden. Wenige Tage später veröffentlichte die Kommission ein Pamphlet, das in ausdrücklicher Auseinandersetzung mit der inzwischen erschienenen kritischen Kommentierung den Umfang der geplanten Änderungen herunterzuspielen suchte. In diesem Text bestätigte die Kommission einerseits die aus der Anlage 2 erschließbaren zusätzlichen Änderungen (nochmals erweiterte Liste zusammenzuschreibender Partikeln, Zusammenschreibung mit "einander"), behauptete aber nun, daß "eine Veröffentlichung der Buchstabenstrecke D des Österreichischen Wörterbuchs an dieser Stelle aus urheberrechtlichen Gründen nicht möglich ist".
(Am 18. Februar erschien auf der Internetseite der Kommission die Ankündigung einer anklickbaren Stellungnahme des Vorsitzenden zu den urheberrechtlichen Fragen. Diese Datei konnte zunächst mit keinem handelsüblichen Browser geöffnet werden. Später erwies sie sich als recht wirrer Text, aus dem nicht einmal klar ersichtlich ist, wessen Urheberrecht eigentlich verletzt worden sein könnte. Der Vorsitzende behauptet, daß es sich um einen "Teil aus einer zukünftigen Auflage" des ÖWB handele; dem steht jedoch die briefliche Mitteilung der ÖWB-Redaktion vom 3. 2. 2004 entgegen, daß es vielmehr eine Arbeit der Zwischenstaatlichen Kommission sei, genau wie der übrige Bericht, dem die Wörterbuchstrecke folglich gleichgestellt ist.)
Nachdem der Vorsitzende brieflich auf den Widerspruch hingewiesen worden war, änderte die Kommission am 20. Februar stillschweigend den Text des vierten Berichts. Die Schlußzeile lautet jetzt: "Anlage 2 kann aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden. Siehe aber den Beitrag 'Zu den Auswirkungen der im 4. Bericht vorgeschlagenen Regeländerungen'."
Damit ist ein wichtiges Beweismittel beseitigt. Nur aus dem ursprünglichen Text geht nämlich hervor, daß die Kommission sehr wohl gewillt bzw. angewiesen worden war, den gesamten Text zu veröffentlichen, jedoch aus technischen Gründen scheiterte. Das Vorschieben des Urheberrechts ist ihr erst später eingefallen, möglicherweise um eine Handhabe gegen jene Kritiker zu bekommen, die mit der Technik keine Probleme hatten. Die Kommission muß daran interessiert sein, der Öffentlichkeit die beunruhigende Anlage 2 vorzuenthalten.


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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Wrase am 02.03.2004 um 03.23

Hiermit fordere ich Herrn Blüml auf, rechtliche Schritte einzuleiten, nachdem er in seiner offiziösen Stellungnahme unter rechtschreibkommission.de, Rubrik "Aktuell", als Kernaussage betont und typographisch hervorgehoben hat, die Veröffentlichung des mit den Änderungsvorschlägen der Kommission versehenen Auszugs aus dem Österreichischen Wörterbuch (ÖWB) sei "illegal" und verletze die Urheberrechte am ÖWB. Andernfalls wäre ja diese Stellungnahme von Herrn Blüml der Lächerlichkeit preisgegeben. Für diesen Fall fordere ich Herrn Blüml auf, seine Stellungnahme zu widerrufen.


eingetragen von margel am 29.02.2004 um 18.48

Mit "vertraulich" und "weiterleiten" kann der Schreiber doch nur einen Insider meinen. Meint er es so? Allen anderen kann dieses "vertraulich" vollkommen egal sein. Auch das Gefasel von "illegaler Veröffentlichung" und "Verletzung des Urheberrechts" taugt ja nicht einmal als armseliger Bluff und Einschüchterungsversuch. - "In jeder Art seid Ihr verloren... und auf Vernichtung läuft´s hinaus."


eingetragen von Theodor Ickler am 29.02.2004 um 17.26

"Dass 'die betroffene Bevölkerung ein Recht' auf eine Information hat, kann doch nicht bedeuten, dass man einen vertraulichen Bericht unerlaubt weiterleiten darf. Die betroffene Bevölkerung wird doch auch von der Kommission, den Amtschefs, den Wörterbuchverlagen usw. vertreten - oder?"

Das schrieb mir vor einigen Tagen ein Mitglied des Beirates und meinte es keineswegs scherzhaft. Man erkennt daran, daß die Reformbetreiber in einer anderen Welt leben. Sie können es auch gar nicht verwinden, daß die Öffentlichkeit von den Änderungsvorschlägen erfahren hat, bevor vollendete Tatsachen geschaffen werden konnten.

Der Gedanke des Vorsitzenden der Amtschefskommission, den Beirat mit der Kommission zusammenzulegen, ist naheliegend, da die "Verbandsfunktionäre" ohnehin auf Wunsch der Kommission ausgewählt wurden (im wesentlichen dieselben wie zur Mannheimer Anhörung).

Übrigens ging es dann doch nicht so harmonisch zu. In der Beiratssitzung gab es Streit, wie mir ein anderes Mitglied schreibt. Aus dem Enddokument sind die Spuren getilgt worden, aber es scheint so, als hätten manche Leute es satt, sich von Augst und den Seinen jahrelang auf der Nase herumtanzen zu lassen.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 29.02.2004 um 08.08

Manchmal ist es schwer, keine Satire zu schreiben.

Die Wörterbuchstrecke ist nicht als unautorisierte Fassung einer ÖWB-Neubearbeitung gekennzeichnet, sondern integraler Bestandteil des vierten Berichts. Als solcher ist er im Inhaltsverzeichnis angekündigt (ohne Hinweis auf eine Sonderstellung), und er enthält Informationen, die nur aus ihm selbst, nicht aus der ersten Hälfte des Berichts zu entnehmen sind. Die Kommission hat dies in ihrer Stellungnahme bestätigt, indem sie die zusätzlichen Informationen (Zusammenschreibung mit -einander- sowie mit -ig-, -isch- und -lich-) ausdrücklich in ihre Berechnungen des Änderungsumfanges einbezieht.

Auch erwähne ich nochmals, daß ein führender Mitarbeiter der ÖWB-Redaktion brieflich mitteilte, nicht die Redaktion, sondern die Kommission habe die Bearbeitung vorgenommen.

Obwohl ich selbst nicht betroffen bin, denn ich habe den vierten Bericht nur kommentiert, aber weder den ersten noch den zweiten Teil veröffentlicht, werde ich dieses briefliche Zeugnis bei Bedarf gern zur Verfügung stellen. Das dürfte jedoch IHM nicht gefallen.

Der Vorsitzende Blüml ist ein unverhoffter Glücksfall für die Reformkritiker. Augst war immerhin noch schlau genug, sich zurückzuhalten und seine Sache getrost dem Selbsterhaltungstrieb der Ministerialräte zu überlassen, nachdem er sie einmal zur Teilnahme an diesem Himmelfahrtskommando überredet hatte. Blüml ist aber selbst ein Politiker (wie mir ein guter Kenner wiederholt versicherte) und kann daher nicht stillhalten. Er hat sich ja schon früher einmal unsterblich verplappert.

Vielleicht kann man eine Zeitung dafür gewinnen, seine erhabene Stellungnahme ("Ich ...") unkommentiert abzudrucken.
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Th. Ickler


eingetragen von Karsten Bolz am 24.02.2004 um 15.38

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Dörner
...
Es handelt sich dabei jedoch um eine i_l_l_e_g_a_l_e V_e_r_ö_f_f_e_n_t_l_i_c_h_u_n_g, für die diejenigen Personen die Verantwortung tragen, die das veröffentlicht haben...

Ich weiß nicht, warum. Auch wenn der Verfasser aus Österreich kommt, kommt mir bei obigem Zitat der Satz in den Sinn: "Es handelt sich dabei jedoch um eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der..." Da war doch mal was!

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Karsten Bolz


eingetragen von Christoph Kukulies am 24.02.2004 um 15.37

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karsten Bolz
Wenn ich jetzt in Briefen "du" immer klein schreiben muß, dann kann ich diese auch mit "Ich" einleiten, oder? Früher kommentierte man das mit: "Der Esel geht immer voran."

Nebenbei: Auf der Web-Seite der Kommission ist mir diese Stellungnahme immer noch unzugänglich.


Eventuell mal den Nahholspeicher (Cache) des Brausers leeren.
Ich bekomme die Datei "stellungnahme.pdf" über "Aktuell".
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Christoph Kukulies


eingetragen von Wolfgang Wrase am 24.02.2004 um 15.35

Wenn es Herrn Blüml so unglaublich ekelhaft ist, daß die Öffentlichkeit etwas Genaueres über die neuesten Pläne der Rechtschreibreformer erfährt, schlage ich vor, daß er sich mit seiner Kommission endgültig ins Nirwana verabschiedet. Die Sprachteilhaber wollen schließlich auch nichts mit den ständigen unerwünschten Änderungen der Rechtschreibung zu tun haben. Gerade 10 Prozent waren vor diesem vierten Bericht Befürworter (Allensbach, 2002). Nach den neuerlichen Änderungen aufgrund des vierten geheimen Berichts über den Fortgang der Rechtschreibreform wird diese "Zustimmung" kaum größer werden. Somit ist die Lösung ganz einfach: Die Öffentlichkeit trennt sich von den Reformern in der Kommission, und die Kommission muß sich nie mehr mit der Öffentlichkeit herumschlagen. Es muß eine Art Haßliebe oder auch Angstliebe sein, was Herrn Blüml und seine Chaoten in der Kommission so an die Allgemeinheit kettet, mit der sie gleichzeitig überhaupt nichts zu tun haben wollen. Und was soll überhaupt das Gejammer über die angeblich illegale Veröffentlichung? Wieso reicht Herr Blüml keine Klage ein? Solange das nicht geschieht, kann man die Ausführungen von "Ich, Dr. Karl Blüml" nicht ernst nehmen.


eingetragen von Matthias Dräger am 24.02.2004 um 15.34

Karl Blüml hat vor allem wohl ein Problem: er kann nicht schreiben.
Deshalb ist er ja auch Vorsitzender der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung.

Lieber Herr Blüml, wollen Sie sich nicht mal häufiger zu Wort melden? Ein wichtiger Mann wie

SIE,

der die Oberaufsicht über die deutsche Rechtschreibung führen möchte, hat doch sicher noch mehr zu sagen.


eingetragen von Elke Philburn am 24.02.2004 um 15.26

Manchmal ist es angemessener, einen Brief mit 'ich' zu beginnen, anstatt den ersten Satz syntaktisch zu verbiegen, aber gerade in diesem Fall hätte es sich leicht vermeiden lassen.
__________________
http://www.vrs-ev.de/


eingetragen von Karsten Bolz am 24.02.2004 um 15.25

Wenn ich jetzt in Briefen "du" immer klein schreiben muß, dann kann ich diese auch mit "Ich" einleiten, oder? Früher kommentierte man das mit: "Der Esel geht immer voran."

Nebenbei: Auf der Web-Seite der Kommission ist mir diese Stellungnahme immer noch unzugänglich.
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Karsten Bolz


eingetragen von margel am 24.02.2004 um 15.20

Ich finde, dieser Stil paßt ausgezeichnet zum ganzen Gehabe der Reformer ("Wir, Kaiser Blüml, von Kultusministers Gnaden"). Sie tun noch immer so, als ob sie zu den Mächtigen gehörten, wo sie doch nur deren Kostgänger, ja Hofnarren sind. Die KMK hält sich eine Rechtschreib-Kommission.


eingetragen von Christoph Kukulies am 24.02.2004 um 13.58

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Dörner
Die Stellungnahme erübrigt jeden Kommentar. Hier ist sie:

–––

Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung
Geschäftsstelle am Institut für Deutsche Sprache (IDS)

S t e l l u n g n a h m e
des derzeitigen Vorsitzenden der Kommission,
Dr. Karl Blüml
19. Februar 2004

Betr.: Ausarbeitung des Buchstabens "D" auf der Basis des Österreichischen Wörterbuches

Bezug: Veröffentlichung auf der Homepage des IDS


Ich, als derzeitiger Vorsitzender der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung und Delegationsleiter der österreichischen Kommissionsmitglieder möchte – in der Folge von diversen Spekulationen von Einzelpersonen – folgende Feststellung treffen:

....

Für die Kommission

gez. Karl Blüml

–––

Das fehlende Komma im ersten Absatz wie im Original.



Eine derartige Erklärung schon mit einem 'Ich', auch noch vorangestellt und durch Komma abgesetzt zu beginnen, läßt nicht gerade auf gute sprachliche Kinderstube schließen.

Wir haben früher mal gelernt, daß man einen Brief nicht mit 'Ich' beginnen soll.
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Christoph Kukulies


eingetragen von Christian Dörner am 24.02.2004 um 11.26

Die Stellungnahme erübrigt jeden Kommentar. Hier ist sie:

–––

Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung
Geschäftsstelle am Institut für Deutsche Sprache (IDS)

S t e l l u n g n a h m e
des derzeitigen Vorsitzenden der Kommission,
Dr. Karl Blüml
19. Februar 2004

Betr.: Ausarbeitung des Buchstabens "D" auf der Basis des Österreichischen Wörterbuches

Bezug: Veröffentlichung auf der Homepage des IDS


Ich, als derzeitiger Vorsitzender der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung und Delegationsleiter der österreichischen Kommissionsmitglieder möchte – in der Folge von diversen Spekulationen von Einzelpersonen – folgende Feststellung treffen:

Die Zwischenstaatliche Kommission ist verpflichtet, alle zwei Jahre einen Bericht an die zuständigen staalichen Stellen, von denen sie eingesetzt und beauftragt wurde, abzuliefern.

Dies ist auch im Dezember 2003 mit dem 4. Bericht geschehen. Dieser vierte Bericht wurde ergänzt durch eine vorläufige Darstellung der Auswirkungen der im Bericht vorgeschlagenen Präzisierungen und Modifikationen des Regelwerks von 1996. Dies erfolgte auf der Basis des Österreichischen Wörterbuches und ist eine Arbeit ausschließlich für die Auftraggeber.

Ich habe daher darum gebeten, jene Buchstabenstrecke, die hier aus dem Österreichischen Wörterbuch (für die nächste Auflage) bearbeitet wurde, d e f i n i t i v n i c h t a n d i e Ö f f e n t l i c h k e i t zu geben, sondern ausschließlich an die zuständigen staatlichen Stellen.

Der Grund für die Nicht-Veröffentlichung ist – so hoffe ich – einleuchtend: Hier wird ein Teil aus einer zukünftigen Auflage eines Wörterbuches dargestellt, der redaktionell noch keineswegs endbearbeitet ist und zu dem die (im Buch genannten) Autoren noch nicht ihre Zustimmung gegeben haben (und auch nicht ihre inhaltlichen Bemerkungen).

Dies ist eine reine Arbeitsfassung, die niemals zur Veröffentlichung bestimmt war. Kein deutsches Wörterbuch würde einer solchen Veröffentlichung zustimmen – und auch kein österreichisches.

Wenn gelegentlich behauptet wird, diese Wörterbuchseiten seien anderswo im Internet auffindbar, dann kann dies der Fall sein. Es handelt sich dabei jedoch um eine i l l e g a l e V e r ö f f e n t l i c h u n g , für die diejenigen Personen die Verantwortung tragen, die das veröffentlicht haben – auf keinen Fall jedoch die Zwischenstaatliche Kommission, auf keinen Fall die österreichische Vertretung in der Kommission und auf keinen Fall die Autoren des Österreichischen Wörterbuches.

Es muss betont werden, dass die Inhaber des Urheberrechtes an dieser Wörterbuchstrecke keine Bewilligung zur Veröffentlichung gegeben haben. Sie haben lediglich genehmigt, dass im Rahmen der Arbeit der Zwischenstaatlichen Kommission diese Wörterbuchstrecke als Arbeitshilfe verwendet wird. Jede Veröffentlichung außerhalb des klar definierten Rahmens (Zwischenstaatliche Kommission, Beiräte in den drei Staaten – Deutschland, Österreich, Schweiz – und zuständige staatliche Stellen in Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz) muss daher als eine Verletzung des Urheberrechtes betrachtet werden.

Für die Kommission

gez. Karl Blüml

–––

Das fehlende Komma im ersten Absatz wie im Original.
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Christian Dörner


eingetragen von Klaus Malorny am 23.02.2004 um 20.06

Hallo Herr Schumacher,

Sie haben natürlich recht. Andererseits kann man auch handkorrigierte Vorlagen wieder einlesen und auf den "Acrobat"-Drucker ausdrucken. Acrobat besitzt Voreinstellungen für die verschiedenen Verwendungszwecke (u.a. Verbreitung im Internet) und kann Pixel-Bilder bei Bedarf stark komprimieren. Aber egal wie - alte oder neue Begründung - der eigentliche Grund ist uns ja allen klar.

mfg.

Klaus Malorny


eingetragen von Karsten Bolz am 23.02.2004 um 09.21

Auf den Seiten der Kommission ist jetzt eine "Stellungnahme des Vorsitzenden der Zwischenstaatlichen Kommission zum urheberrechtlichen Schutz der Buchstabenstrecke D des Österreichischen Wörterbuchs (rtf-Format, ca. 38 kB)" angekündigt, die allerdings - zumindest derzeit noch - ins Leere führt: "Die angeforderte Seite http://www.rechtschreibkommission.de/stellungnahme.rtf
konnte nicht gefunden werden!

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Karsten Bolz


eingetragen von Dominik Schumacher am 22.02.2004 um 11.11

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Klaus Malorny
Der Trick bei PDF ist ja gerade, daß alles, was gedruckt werden kann, … auch in PDF umgewandelt werden kann. Und ich glaube nicht, daß die handschriftlichen Ergänzungen nachträglich jeder Kopie des Berichts hinzugefügt wurden, sondern sehrwohl mitgedruckt wurden.

Zu mir kam der 4. Bericht auf Papier. Für den Weg auf das Papier gibt es nicht nur PDF, sondern auch Fotokopie. Der Anhang 2 trägt viele Merkmale, die dafür sprechen, daß er nicht als PDF angefertigt wurde. Uns Technikern blieb ja auch nur der Weg, von der Papiervorlage schnelle, d. h. stark komprimierte, Bilder anzufertigen, die zum Bildschirm über Internet transportiert werden. Ein solches schnelles Bild hat eine Größe von 60 K; für genauen Druck oder das menschliche Auge nähme man aber 6000-K-Bilder (mit Ladezeiten, die im Internet 100mal so lang wären). Eine PDF-Datei für ÖWB wäre wegen der Bildergröße für den Sinn des Internets nicht mehr transportierbar.

Die Ausrede der Kommission im Original auf Seite 67 paßt technisch, die Ausrede in der Fälschung auf Seite 67 paßt politisch. Aber sprachlich paßt die Veröffentlichung der Buchstabenstrecke D des ÖWB wie hier auf diesen kritischen Seiten – und darum das helle Erwachen.


eingetragen von Klaus Malorny am 22.02.2004 um 10.18

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Dörner
Die Kommission hat die PDF-Datei des vierten Berichts nun geändert. Der Schluß lautet nun folgendermaßen:

»Anlage 2 kann aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden. Siehe aber den Beitrag "Zu den Auswirkungen der im 4. Bericht vorgeschlagenen Regeländerungen".«

Ich habe mir schon gedacht, daß die erste Version eine klare Lüge ist. Der Trick bei PDF ist ja gerade, daß alles, was gedruckt werden kann, von Adobe Acrobat und anderen Werkzeugen auch in PDF umgewandelt werden kann. Und ich glaube nicht, daß die handschriftlichen Ergänzungen nachträglich jeder Kopie des Berichts hinzugefügt wurden, sondern sehrwohl mitgedruckt wurden.

Klaus Malorny


eingetragen von Dominik Schumacher am 22.02.2004 um 07.31

Für die Willkommensseite wurde eine Übersicht der Dokumente zum 4. Bericht zusammengetragen. Sowohl das Original (4. Bericht) wie auch die Fälschung (4. Bericht) vom 16.2.2004 wurden auf unsere Festplatte kopiert, so daß beide Ausführungen hier hinterlegt sind. Zugänglich machte ich wegen kürzerer Ladezeiten allerdings erst nur die Seiten 67.


eingetragen von J.-M. Wagner am 21.02.2004 um 15.24

Die Erstausgabe des 4. Berichtes wird auf diesen Seiten bereits zum Abruf bereitgehalten, zusammen mit der Anlage 2; dies im Strang Kommissionsbericht Nr. 4 unter den Kommissionsberichten. Auf dieses Leitthema (bzw. diesen Forumsbereich) könnte direkt von der Startseite aus verwiesen werden.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Detlef Lindenthal am 21.02.2004 um 12.51


Christoph Kukulies schrieb:
... Rätselserie - war es im Stern? - unter dem Titel "Original und Fälschung" ...
Es war die „Hör zu“.
(Und dann gab es da auch noch gezeichnete Bilder mit Mecki, dem Igel, der bei etlichen von uns Schülern für die Mecki-Frisur Modell stand.)

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Detlef Lindenthal


eingetragen von Christoph Kukulies am 21.02.2004 um 12.01

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Dörner
Warum wird die (ursprüngliche) PDF-Datei des vierten Berichts nicht auf die Startseite zum Herunterladen gestellt, wie es bei den ersten drei Berichten der Fall ist?

Vielleicht gar in der Art von Gegenüberstellung, wie früher einmal in einer Rätselserie - war es im Stern? - unter dem Titel "Original und Fälschung". Bin allerdings nicht genau im Bilde, ist es der Bericht selbst oder die Stellungnahme von Blüml, die nachträglich gefälscht wurde?
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Christoph Kukulies


eingetragen von Christian Dörner am 21.02.2004 um 11.47

Warum wird die (ursprüngliche) PDF-Datei des vierten Berichts nicht auf die Startseite zum Herunterladen gestellt, wie es bei den ersten drei Berichten der Fall ist?
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Christian Dörner


eingetragen von Wolfgang Wrase am 21.02.2004 um 11.08

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Monika Grunert
Wenn die Kommission alleinstehend als "Univerbierung" anerkennt, wäre es dann auch möglich, die leidigen selbst gestrickt u.ä. wieder loszuwerden? Und gibt es Ihrer Ansicht nach anläßlich des 4.Berichtes Hoffnung für alles mit wohl-, hoch-, neu-? Ich weiß, sie fallen unter "Adjektive", aber sie scheinen mir doch aufgrund höherer Produktivität in der Wortbildung etwas Besonderes zu sein.
Ja, laut 4. Bericht gibt es wieder die Zusammenschreibung von selbst (Pronomen) und von Adjektiven wie hoch- und neu- mit folgenden PARTIZIPIEN. Das ergibt sich aus dem Bericht, Seite 24 unten, bzw. aus dem Wortlaut der neuen Erweiterung von § 36 E2 um die Nummer (2): "Bei Verbindungen von ... Adjektiven ... oder Pronomen mit adjektivisch gebrauchten Partizipien ... ist ... auch Zusammenschreibung möglich ...". Siehe auch die Korrektur im ÖWB: neuerdings wieder dichtbesiedelt usw.

Die Einteilung des Regelwerks bei der GZS nach Verben und Adjektiven/Partizipien bezieht sich auf die Zweitglieder der fraglichen Gebilde; insofern ist es hier egal, daß zum Beispiel neu ein Adjektiv ist.

Es ist aber aus meiner Sicht noch unklar, wie die neue Ungleichbehandlung von (adjektivisch gebrauchten) Partizipien (als Zweitglied) einerseits und Verben (zuzüglich "nicht adjektivisch" gebrauchte Partizipien) sowie Adjektiven andererseits gehandhabt werden soll. Auf Dauer kann sie ja nicht bestehenbleiben, zumal die neue Wiederzulassung der Zusammenschreibung bei (adjektivischen) Partizipien mit der "Annahme" von Univerbierung begründet wird, die man ja auch bei Verben und Adjektiven ansetzen kann. (Ein Kuriosum der Reform, Stand 2004, daß es "Univerbierung" speziell bei bestimmten Partizipien geben soll, während sie sonst keine Rolle spielt!) Auch ist die Abgrenzung des adjektivischen Gebrauchs nach meinem Eindruck nicht so trennscharf möglich, wie das die Regelformulierung suggeriert. Im ÖWB (korrigierte Strecke) wird sie überhaupt nicht berücksichtigt. Dort steht zum Beispiel einfach: dicht belaubt = dichtbelaubt.

Nach dem 4. Bericht hätten wir dem Wortlaut nach zum Beispiel:
der schwerbehinderte Patient (Partizip -> auch zusammen)
der schwer kranke Patient (Adjektiv -> nur getrennt)

Es ist offensichtlich, daß das keinen Bestand haben kann.
– geändert durch Wolfgang Wrase am 24.02.2004, 16.14 –


eingetragen von Theodor Ickler am 21.02.2004 um 05.06

Auch ich hatte täglich nachgesehen, weil ich mit einer solchen Änderunge rechnete, aber nun ist Herr Dörner der erste gewesen, der es entdeckt hat. Herzlichen Glückwunsch!
Mit der Änderung wird der tatsächliche Hergang nachträglich verfälscht. Ich werde die KMK darüber unterrichten und den Vorgang außerdem in der Presse bekanntmachen. Jetzt warten wir nur noch darauf, daß die Texte selbst verändert werden, damit die offensichtlichen Widersprüche verschwinden und die Amtschefs nicht mehr erkennen können, was sie eigentlich unterschrieben haben.
Achten Sie besonders auf den Verbleib der Partikel daraus!

Den ursprünglichen Text bitte gut aufbewahren! Die Kommission versucht ja, ein Beweismittel zu beseitigen. Denn nur aus dem ursprünglichen Text geht hervor, daß die Kommission die Absicht hatte, den ganzen vierten Bericht zu veröffentlichen, jedoch am technischen Problem des Dateiformats scheiterte. Das Urheberrecht ist Herrn Blüml erst später eingefallen. Er sucht eine Handhabe gegen die Kritiker und verfällt auf dieses geradezu groteske Mittel - was wiederum auf das Ausmaß seiner Verärgerung schließen läßt. Dieser Trick mit Ermächtigung und heimlicher Änderung ist eben leider fehlgeschlagen!

In einer früheren Eintragung in diesem Strang habe ich inzwischen nachgetragen: Die Bearbeitung der Buchstabenstrecke D aus dem ÖWB ist von der Kommission vorgenommen worden und nicht etwa von der Redaktion des ÖWB. Unklar ist noch, warum das ÖWB und nicht gleich der Duden ausgewählt wurde. Vielleicht deshalb, weil der Vorsitzende Blüml auch Mitarbeiter des ÖWB ist?
(Auch Kommissionsmitglied Steiner ist Mitarbeiterin am ÖWB, und im österreichischen Beirat ist mit Dr. Fussy ein weiterer ÖWB-Redakteur tätig.)

Wenn also der gesamte vierte Bericht aus einer Hand stammt, ist nicht einzusehen, daß die erste Hälfte veröffentlicht werden kann, die zweite aber nicht. Der urheberrechtliche Schutz könnte sich ja nur auf das Zitat aus dem ÖWB selbst beziehen. Aber noch nie bedurfte es einer besonderen Genehmigung, wenn sich eine wissenschaftliche Untersuchung auf einen konkreten Text bezog und dazu diesen Text ausführlich zitierte. Die Kommission hat das zunächst offenbar genauso gesehen.

Warten wir ab, bis es Herrn Blüml gelingt, seine Stellungnahme, in welchem Dateiformat auch immer, lesbar zu machen!
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Th. Ickler


eingetragen von Christian Dörner am 20.02.2004 um 21.32

Die Kommission hat die PDF-Datei des vierten Berichts nun geändert. Der Schluß lautet nun folgendermaßen:

»Anlage 2 kann aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden. Siehe aber den Beitrag "Zu den Auswirkungen der im 4. Bericht vorgeschlagenen Regeländerungen".«
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Christian Dörner


eingetragen von J.-M. Wagner am 20.02.2004 um 14.18

Versuchen Sie es mal mit einer Mail direkt an den Geschäftsführer der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, Herrn Dr. Heller, unter <heller@ids-mannheim.de>.
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Monika Grunert am 20.02.2004 um 13.58

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
...Und weiter folgt, daß die Kommission in ihrem vierten Bericht keineswegs alles offenlegt, was sie im Schilde führt. Sie bemüht sich vielmehr, das Ausmaß der geplanten Änderungen so gering wie möglich erscheinen zu lassen.

Danke, Herr Professor Ickler, und noch eine Frage: Wenn die Kommission alleinstehend als "Univerbierung" anerkennt, wäre es dann auch möglich, die leidigen selbst gestrickt u.ä. wieder loszuwerden? Und gibt es Ihrer Ansicht nach anläßlich des 4.Berichtes Hoffnung für alles mit wohl-, hoch-, neu-? Ich weiß, sie fallen unter "Adjektive", aber sie scheinen mir doch aufgrund höherer Produktivität in der Wortbildung etwas Besonderes zu sein. Ich habe mir erlaubt, bei der Kommission anzufragen (webmaster-Adresse, ich weiß allerdings nicht, ob es überhaupt angekommen ist), aber natürlich keine Antwort erhalten.
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m.g.


eingetragen von Theodor Ickler am 20.02.2004 um 10.07

Herr Wrase und ich haben diese Beobachtung anscheinend gleichzeitig gemacht. Übrigens ist es schon seit langem nicht mehr möglich, mit der Kommission oder auch nur dem Webmaster in Kontakt zu treten. Man wird, wenn man die einladenden Knöpfe anklickt, entweder an Sprachberatungsstellen verwiesen oder im Kreis herumgeschickt. Herr Heller ist meistens krank, und sein Ersatzmann Herberg ist nicht direkt erreichbar, man möchte aber den Pensionär auch nicht zu Hause anrufen. Dazu paßt nun der angekündigte Text zum Urheberrecht, der wahrscheinlich selbst unter Urheberrechtsschutz steht und daher nicht gelesen werden darf.

Übrigens darf man spekulieren. Die Buchstabenstrecke aus dem ÖWB mit den Änderungen zu zitieren kann nicht verboten sein. Das fällt unter die Freiheit des Zitats, zumal es ja nicht um die illegale Vermarktung des Wörterbuchs geht, sondern um seine fachliche Beurteilung. Für die eingetragenen Änderungen kann es aber auch keinen Urheberschutz geben. Es ist auch unklar, wer die Eintragungen vorgenommen hat. Nach Auskunft eines ÖWB-Mitarbeiters war es die Kommission selbst.

Das wichtigste ist aber: Die Anlage 2 mit dem ÖWB-Text ist integraler Bestandteil des vierten Berichts. Sie wird im Inhaltsverzeichnis angeführt und war Gegenstand der Beratungen der Amtschefs. Wenn hier Geheimhaltung geboten war (aber wieso eigentlich?), dann gilt sie dem ganzen Bericht einschließlich Anlagen. Und nur an diesem Text läßt sich erkennen, daß z.B. Zusammensetzungen mit "einander" wieder zulässig sein sollen. Erst nachträglich hat die Kommission dies bestätigt.

Der Bericht ist offensichtlich an mehreren Stellen "durchgesickert", und das ist auch gut so.
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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Wrase am 20.02.2004 um 09.50

Unter http://www.rechtschreibkommission.de, "Aktuell" bietet die Kommission folgendes an: "Stellungnahme des Vorsitzenden der Zwischenstaatlichen Kommission zum urheberrechtlichen Schutz der Buchstabenstrecke D des Österreichischen Wörterbuchs (rtf-Format, ca. 38 kB)". Beim Anklicken erscheint: "Die angeforderte Seite konnte nicht gefunden werden!"




eingetragen von Theodor Ickler am 20.02.2004 um 09.50

Auf der Netzseite der Zwischenstaatichen Kommission wird seit heute morgen zum Anklicken ein Dokument "Stellungnahme des Vorsitzenden der Zwischenstaatlichen Kommission zum urheberrechtlichen Schutz der Buchstabenstrecke D des Österreichischen Wörterbuchs (rtf-Format, ca. 38 kB)" angeboten. Ich konnte es leider mit keinem meiner Browser herunterladen. Hat jemand mehr Erfolg?
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 19.02.2004 um 18.59

In der taz vom 19.2.2004 (s. Nachrichtenbrett) kritisiert Rudolf Walther, daß das Wörterbuch der französischen Akademie Stilkennzeichnungen wie "volkstümlich", "vulgär" usw. enthalte.
Jedes Wörterbuch von einigem Anspruch enthält solche Kennzeichnungen, sie sind ein wesentlicher Teil der Sprachbeschreibung. Dazu ein Beispiel:
In der theologischen Literatur, die Rudolf Walther abends nach dem Einschlafen liest, wird er vielleicht finden: Es ist gleichgültig, ob die Sintflut nur ein Mythos ist. Nicht finden wird er wahrscheinlich: Es ist wurscht, ob usw. Denn das ist ein vulgärer oder salopper Ausdruck, der nicht in ein Fachbuch gehört. Das weiß auch Herr Walther. Nicht wissen könnte er, tazgebrüht wie er ist, ob man auch schreiben kann: Es ist egal, ob usw. Denn dieses Wort hat sich in den letzten Jahren auch in die Schriftsprache eingeschlichen. All dies muß in einem großen Wörterbuch stehen.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 19.02.2004 um 18.47

Wieder und wieder höre und lese ich, daß die Beschlußvorlage und der vierte Bericht "widerrechtlich", "illegal", "unerlaubt" an die Öffentlichkeit gebracht worden seien, und mit der Wiedergabe des ÖWB-Auszugs sollen auch Urheberrechte verletzt worden sein. Wo bleibt die Anzeige? Wir warten sehnlichst darauf, das Staatsgeheimnis Schulorthographie wieder einmal vor einem Gericht verhandelt zu sehen!
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Th. Ickler


eingetragen von Norbert Schäbler am 18.02.2004 um 19.08

Monopolisten kennen immer nur die Anschauung: „Ich bin es“, und diese entspricht der Realität!

Monopolisten haben auch immer nur einen einzigen Ehrgeiz: „Ich will es bleiben“, und dieser ist zukunftslos!

Jegliche Lüge, jeglicher Geldaufwand für das Gegenwärtige, erweisen sich als Fehlinvestition, und jene Grundeinstellungen eröffnen jenem Chancen, der noch nicht der Erste ist, und der in die Zukunft investiert.

Letztlich: Monopolisten sind Egoisten. Diejenigen, die nicht teilen können und wollen, dürfen keine Zukunft haben!
Sie haben ja auch keine, weil sie ausschließlich dem Gegenwärtigen verhaftet sind!

Nachtrag:
Der Fall und die Wiederauferstehung des monopolistischen Duden sind im übrigen sehr außergewöhnlich - aber durchaus monopolistisch gestrickt.



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nos


eingetragen von Theodor Ickler am 18.02.2004 um 18.23

In meine Replik auf den Widerlegungsversuch der Kommission habe ich inzwischen folgende Ergänzung eingefügt:

„Insgesamt werden 16 Verbzusätze von der Kommission zur Aufnahme in die Liste der Verbzusätze empfohlen, nämlich dahinter-, darauf-, darauflos-, daraus-, draus-, darin-, darüber-, drüber-, darunter-, drunter-, davor-, drum-, hinter-, hinterdrein-, nebenher- und vornüber-.“

Diese Liste stimmt schon nicht mehr mit der von den Amtschefs eine Woche zuvor gebilligten überein, und auch diese war fehlerhaft, weil sie drei Partikeln enthielt, die bereits in der zu ergänzenden Liste von 1996 angeführt waren. Die Veränderung innerhalb von wenigen Tagen kann niemanden wundern, der die Wandelbarkeit dieser Liste über die Jahre hin verfolgt hat; einige Versionen sind in meinem Buch „Regelungsgewalt“ angeführt. Der Fall zeigt, daß die Kommission prinzipienlos in unverstandenen Bereichen der deutschen Sprache herumtappt.

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Mit der neu hinzugefügten Partikel daraus wurden laut Duden bisher keine Zusammenschreibungen gebildet. An dieser Stelle wächst also der Bestand des Zusammenzuschreibenden über das bisherige Maß hinaus. Mal sehen, wie sich das im ÖWB usw. niederschlägt. Vielleicht ändert die Kommission auch ihre im Internet dargebotenen Texte bald wieder, um die Unstimmigkeit zu beseitigen.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 18.02.2004 um 05.24

Ja, Sie haben etwas übersehen: die Probestrecke aus dem ÖWB. Dort wird durcheinanderredend wiedereingeführt, und in ihrer "Widerlegung" widerspricht die Kommission dem nicht, sondern greift es ausdrücklich auf. Daraus folgt, daß dies dem Willen der Kommission entspricht und kein Interpretationsfehler der Österreicher ist. Und weiter folgt, daß die Kommission in ihrem vierten Bericht keineswegs alles offenlegt, was sie im Schilde führt. Sie bemüht sich vielmehr, das Ausmaß der geplanten Änderungen so gering wie möglich erscheinen zu lassen.
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Th. Ickler


eingetragen von Monika Grunert am 17.02.2004 um 22.10

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Man bedenke nur, daß die Wiederzulassung von durcheinanderredend enorme Folgen auch für § 34 haben muß. Und warum sollte abwärtsgehen usw. nicht wiederzugelassen werden?

Habe ich hier etwas übersehen? Die vielkritisierte Regelung, nach der alle Fügungen mit -einander getrennt geschrieben werden sollen, wurde m. E. im IV. Bericht gar nicht erwähnt. Ebensowenig abwärts-, aufwärts- etc. Oder ergibt sich auch hier eine "Präzisierung" aus den allgemeinen Äußerungen zum Thema GZS?
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m.g.


eingetragen von Theodor Ickler am 17.02.2004 um 16.54

Es ist zur Zeit nicht möglich, einigermaßen genau zu zählen, wie viele Änderungen sich in den Wörterbüchern als Folge der Regeländerungen ergeben werden. Zu den bereits genannten Gründen (man sehe sich die Abbildungen aus dem ÖWB an!) kommt nämlich noch, daß die Rechtschreibkommission in Kürze aufs neue zusammentreffen wird, weil ihr selbst nicht klar ist, wie weit die Änderungen bei der Getrennt- und Zusammenschreibung reichen. Das wird das Hauptthema einer Sitzung im März sein. Man bedenke nur, daß die Wiederzulassung von durcheinanderredend enorme Folgen auch für § 34 haben muß. Und warum sollte abwärtsgehen usw. nicht wiederzugelassen werden?
Meine Schätzung von 3.000 Änderungen im ÖWB erhalte ich aufrecht. Zwar macht der Buchstabe D nur ein Vierundzwanzigstel des gesamten Wörterverzeichnisses aus, dafür ist aber die Zahl der Änderungen unwidersprochen größer als 100, so daß sich dieselbe Größenordnung ergibt wie bei meiner allerersten Schätzung. Wenn es statt 3.000 "nur" 2.700 sein sollten, kann ja von "Panikmache" wohl keine Rede sein. Die Reformer mögen uns am gesamten Wörterverzeichnis zeigen, was sie abschließend ändern wollen, sonst sind wir auf Schätzungen nach bestem Wissen aufgrund der veröffentlichten Auszüge angewiesen.
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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Wrase am 17.02.2004 um 11.38

Wie Professor Ickler schon geschrieben hat, dreht sich der Beschwichtigungsversuch von Gerhard "Varianten-Führer" Augst im wesentlichen darum, die Änderungen in den Wörterbüchern zwar zahlenmäßig nicht zu bestreiten, aber ihnen den Status "echter" Änderungen abzusprechen, indem jeweils betrachtet wird, ob der Schreiber durch die neuesten Änderungen gezwungen wird, anders zu schreiben - mit dem Ergebnis: Alles Bisherige bleibe richtig, außer bei den nachgetragenen Partikelverben. Also könne von Änderungen fast überhaupt keine Rede sein.

Nun ist es aber so, daß wir Wörterbücher nicht kaufen, um festzustellen, ob das nach wie vor richtig ist, was wir bereits als richtig kennen, sondern in erster Linie um in Zweifelsfällen festzustellen, wie bestimmte Schreibungen geregelt sind. Dabei interessiert uns nicht nur eine von mehreren möglichen Schreibweisen, sondern es interessiert uns, welche Schreibungen (laut Wörterbuch) richtig und welche falsch bzw. nicht vorgesehen sind. Also können wir nichts mit einem Wörterbuch anfangen, das uns zur Frage der Richtigkeit nur die halbe Antwort gibt und zur Frage der nicht anerkannten Schreibungen eine ganz falsche Antwort.

Bisher stand etwa in den reformierten Wörterbüchern: (alt) datenverarbeitend --> (neu) Daten verarbeitend. Nach der Neuregelung, sagen uns also alle bisher verkauften Wörterbücher, ist "datenverarbeitend" falsch und allein "Daten verarbeitend" richtig. Nach der Überarbeitung aufgrund des 4. Berichts werden die Wörterbücher aussagen: "datenverarbeitend" ist nicht mehr falsch, sondern wieder richtig - und "Daten verarbeitend" ist nicht mehr allein richtig, sondern nur noch eine von zwei erlaubten Schreibweisen. Sowohl im Bereich "falsch" als auch im Bereich "richtig" hat sich somit etwas geändert.

Dasselbe gilt nun für alle Änderungen, die die Wörterbücher vornehmen müssen, seien es nun 3000 oder etwas weniger oder etwas mehr: Die Auskunft des Wörterbuchs ändert sich in jedem einzelnen Fall, sonst müßte man ja gar keine Änderungen in den Wörterbüchern vornehmen. Nur im Bereich der Varianten geht es nicht um falsch und richtig, sondern um die Angaben "Hauptvariante" und "Nebenvariante", auf die künftig zugunsten der Angabe der Gleichberechtigung verzichtet werden soll.

Weil dies der zahlenmäßig größte Bereich der Änderungen in den reformierten Wörterbüchern ist, folgt eine Betrachtung zur Relevanz dieser Änderungen für den Wörterbuchbenutzer.

Gerade wenn es mehrere Varianten gibt (und vor allem, wenn der Schreiber sich schon die Mühe gemacht hat, den Fall im Wörterbuch nachzuschlagen), möchte man sich sehr oft nicht mit der Auskunft zufriedengeben, daß einfach beides möglich sei, sondern man fragt: Was ist besser? Was ist üblicher? Wovon hängt es ab, welche Schreibweise eher in Frage kommt? Man fragt also nach dem Unterschied der beiden Varianten, nach zusätzlichen Merkmalen oder Angaben zur Verwendung, und möchte zumindest ebendies erfahren: Gibt es eine allgemein bevorzugte Variante, eine Hauptvariante?

Dies war der praktische Grund, warum die Wörterbücher auch vor der Reform solche Angaben enthielten, ähnlich wie auch sonstige Angaben, die den Nutzer interessieren könnten, etwa zur Betonung oder zur Bedeutung; abgesehen davon, daß einfach die Sprache beschrieben werden sollte, wie sie aussieht - und da gibt es eben üblichere und weniger übliche Schreibweisen, die folglich als Haupt- bzw. als Nebenvarianten verzeichnet wurden. Zum Nutzen des Wörterbuchkäufers.

Nun kamen die Reformer und gaben es als ihren Auftrag aus, die Rangordnung von Haupt- und Nebenvarianten neu zu verteilen. Besonders viel bekamen sie in dieser angemaßten Funktion deshalb zu tun, weil sie selbst eine Unzahl von überflüssigen neuen Varianten einführten, zwischen denen sie gleich säuberlich nach Haupt- und Nebenvarianten unterscheiden wollten. Daß das Volk diese Reform überhaupt nicht wollte und auch keine Anweisungen brauchen konnte, welche Schreibweisen den Varianten-Führern persönlich zusagten, spielte für die neuen Herren der Sprache keine Rolle.

Es zeigte sich auch gleich, daß der neuen Einteilung in Haupt- und Nebenvarianten kein Erfolg beschieden sein konnte. Die Presse suchte sich Haupt- und Nebenvarianten nach eigenen Maßstäben heraus, von Verlag zu Verlag verschieden; der Duden wollte alles durch ein "Praxiswörterbuch" bereinigen, das aber nicht beachtet wurde; die meisten Schreiber konnten sich mangels Logik und Anerkennung nicht merken, wie die neuen Tendenzen aussehen sollten; und die Reformer selbst hielten sich auch nicht konsequent an ihre "Hauptvarianten". Nachdem dies also nicht funktionierte, sind wir nun im Jahre 2004 so weit, daß alle diese Angaben nach dem Willen der Reformer entfernt werden sollen.

Damit werden wir aber keineswegs einen brauchbaren Stand in den Wörterbüchern erreichen, denn die Frage der Nutzer, welche Varianten denn nun zu bevorzugen sei, wird in diesem Zwischenstadium regelmäßig unbeantwortet bleiben. Früher oder später - nicht zuletzt aufgrund der Lenkungsabsichten der Reformer, die sich auch sonst keinen Deut um die Wünsche der Sprachgemeinschaft kümmern - werden wir also wieder Haupt- und Nebenvarianten bekommen. Und dann wahrscheinlich wieder, zumindest teilweise, an den Eindeutschungsbestrebungen der Reformertruppe orientiert und nicht allein daran, was die Allgemeinheit wirklich bevorzugt.

Würden es nämlich die Reformer wirklich ernst meinen mit ihrer vorgeblichen Absicht, der Sprachentwicklung Raum zu geben, wie sie Gerhard Augst in seiner Erwiderung auf die Hochrechnungen zum jüngsten Änderungsumfang behauptet, dann hätten sie am allerbesten auf die ganze Reform mit Stiel und Stumpf von vornherein verzichten können und könnten es immer noch und jederzeit tun - eben um der natürlichen Entwicklung, um uns allen den Raum zu geben, den wir brauchen.

Wir haben also sehr wohl durch den vorübergehenden Verzicht auf Variantendifferenzierung wesentliche Änderungen in den Wörterbüchern; und nach wie vor keine Bereinigung des Reformschadens, sondern einen erheblichen Verlust an Qualität und Orientierung. Der Verlauf noch einmal in Kürze, mit Ausblick.

1. Vor der Reform: Die Wörterbücher geben die tatsächlich üblichen Varianten an und die tatsächlichen Verhältnisse bei den Varianten (mit relativ wenigen Irrtümern). Das ist sinnvoll und nützlich.
2. Ab 1996: Die Wörterbücher führen eine Menge nutzloser, zusätzlich erfundener Varianten ein und geben Haupt- und Nebenvarianten so an, wie die Reformer das wollen. Damit kann niemand etwas anfangen, das System ist chaotisch und gibt nicht die Wirklichkeit wieder. Alle bisherigen Wörterbücher gelten als veraltet.
3. Regelung Stand 2004: Sämtliche Variantenangaben sollen gestrichen werden. Damit sind alle entsprechenden Angaben in den bisherigen Wörterbüchern veraltet und führen die Benutzer in die Irre. Leichte Verbesserung gegenüber 1996 ff., aber viel schlechter als vor der Reform. Alle bisherigen Wörterbücher sind veraltet.
4. Nächster Reformschritt: Unter anderem werden wieder Variantenangaben eingeführt - teils der Sprachentwicklung angepaßt, teils an den Wünschen der Reformer ausgerichtet. Möglicherweise leichte Verbesserung, vielleicht auch Verschlechterung gegenüber Schritt 3. Jedenfalls deutliche Verschlechterung gegenüber dem Zustand vor der Reform. Die bisherigen Wörterbücher entsprechen wieder einmal nicht dem neuen Stand.
5. Nächster Reformschritt: Zögernde Annäherung an die Sprachwirklichkeit, möglicherweise auch weitere Anpassung an spezielle Wünsche der Reformkommission und Entfernung von der Sprachwirklichkeit. Wieder leichte Verbesserung oder leichte Verschlechterung, je nach dem Anteil der Reformierungsbestrebungen. Die Wörterbücher entsprechen wieder nicht dem neuesten Stand.
6. Nächste Schritte: Und so weiter.
7. Letzter Schritt: Abschaffung der Reformkommission sowie der Neuregelung und Ausrichtung an der Sprachwirklichkeit. Deutliche Verbesserung und Annäherung an die Qualität vor der Reform.

Es ist zu empfehlen, die Schritte 4, 5 usw. auszulassen und gleich zum letzten Schritt zu kommen. Das ist der einfachste und billigste Weg, wieder ordentliche Verhältnisse und brauchbare Wörterbücher bereitzustellen, die nicht nach wenigen Jahren schon wieder veraltet sind.


eingetragen von Theodor Ickler am 16.02.2004 um 19.07

Gerhard Augst, leicht als Verfasser dieses Meisterwerks erkennbar, wird es zweifellos an die Kultusbürokraten schicken. Da bleibt mir leider nichts übrig, als gleich meine Entlarvung der sattsam bekannten Lügen hinterherzuschicken. Aber auch die Presse sollte man auf das Stückchen aufmerksam machen.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 16.02.2004 um 19.03

„Panikmache“ – oder Einmaleins?

Wie viele Änderungen durch den vierten Bericht der Rechtschreibkommission?

von Theodor Ickler

Ende Januar 2004 hatte ich geschätzt, daß durch die jüngsten Änderungsvorschläge der Zwischenstaatlichen Kommission im Österreichischen Wörterbuch ca. 3.000 und im umfangreicheren Duden infolgedessen ca. 4.000 Änderungen erforderlich werden. Meine Schätzung beruhte auf der Buchstabenstrecke D aus dem ÖWB, die mitsamt den vorgesehenen Änderungen dem vierten Bericht der Kommission als Anhang beigegeben ist. Am 16. Februar 2004 stellte die Zwischenstaatliche Kommission auf ihre Internetseite den Versuch, meine Schätzung zu widerlegen. Dieser Versuch soll hier näher betrachtet werden.
Die Kommission bleibt bei jenem Verfahren, das ich schon vor sieben Jahren an einem Pamphlet des damaligen Vorsitzenden Augst und seines Kollegen Schaeder (Rechtschreibreform - eine Antwort an die Kritiker. Stuttgart 1997) kritisiert hatte: Man widerlegt etwas, was niemand behauptet hat, und beweist etwas, was keiner bestreitet. Damals hatten einige Kultusministerien das Pamphlet in großen Stückzahlen gekauft und an die Schulen versandt; mein eigener Text blieb den Empfängern vorenthalten, so daß sie nicht nachprüfen konnten, was es mit der „Widerlegung“ auf sich hatte. So auch jetzt: Die Kommission hat zwar ihren Bericht ins Internet gestellt, nicht aber die fraglichen Spalten aus dem ÖWB. Dazu hatte sie zunächst angemerkt:
„Anlage 2 ist in einem anderen Format gespeichert und kann deshalb hier bis auf weiteres nicht angezeigt werden.“ In ihrem neuen Text rückt sie von dieser technischen Begründung ab und behauptet stattdessen, daß „eine Veröffentlichung der Buchstabenstrecke D des Österreichischen Wörterbuchs an dieser Stelle aus urheberrechtlichen Gründen nicht möglich ist“.
Es entsteht der Eindruck, daß die Kommission dem Publikum keine Möglichkeit geben will, den Wahrheitsgehalt ihres Textes selbst zu prüfen. (Interessierte können den vorenthaltenen Text jedoch unter http://www.rechtschreibreform.de/K4/OWB einsehen.)
Nun zum Inhalt. Die Kommission bestreitet keineswegs, daß in der Buchstabenstrecke D des Österreichischen Wörterbuchs von offizieller Seite weit mehr als 100 Änderungen eingetragen worden sind (zum Teil handschriftlich). Sie versucht jedoch, diesen Eintragungen eine solche Deutung zu geben, daß sie nicht mehr als „Änderungen im eigentlichen Sinne des Wortes“ erscheinen.
Die Kommission stellt fest, daß mit einem großen Teil (zwei Dritteln) der Änderungen, wie sie im Österreichischen Wörterbuch vorgenommen wurden, keine „neuen Schreibungen“ verbunden sind. Das hatte ich aber auch an keiner Stelle behauptet. Gleichwohl müssen u. a. wegen derAufhebung der „Variantenführung“ die Wörterbücher (nicht die tatsächlichen Schreibweisen!) geändert werden, nach Einschätzung der Kommission selbst also an etwa 2.000 Stellen. In meinem Kommentar ist genau dies festgehalten. Im übrigen steht es der Kommission frei, die Änderungen als „Feineinstellungen“ zu umschreiben – Änderungen bleiben es dennoch, und die Wörterbuchredaktionen haben viel zu tun, sie alle einzuarbeiten.
„In einem weiteren Dutzend der Fälle würde bei Umsetzung der Vorschläge eine zusätzliche Schreibung zugelassen.“ Der ratsuchende Benutzer braucht diese neu oder wieder zugelassenen Schreibweisen nicht zu kennen, wohl aber der korrigierende Lehrer, damit er nicht etwas als falsch anstreicht, was inzwischen wieder richtig ist. Es handelt sich nach den Angaben der Kommission um weitere 300 bis 400 Änderungen – schon dies keine Kleinigkeit, zumal darunter so grundsätzliche Eingriffe sind wie die Wiederzulassung der Wortbildungen dichtbesiedelt, diensthabend und sogar durcheinanderredend, obwohl doch gerade die Zusammensetzungen mit -einander- durch die Neuregelung strikt verboten waren. Hier werden indirekt ganze Kapitel der Reform außer Kraft gesetzt. Auch der Bindestrich bei 3-fach bedeutet die Abkehr von einem Grundsatz der Neuregelung.
„Im Übrigen hat auch der Einwurf der Reformgegner, es handle sich um ungemein 'produktive Muster, nach denen Hunderte von Partikelverben gebildet werden', keinen Bestand, denn im Duden-Rechtschreibwörterbuch, in dem die Anzahl der Einträge bei dieser Gruppe vergleichbar ist, werden innerhalb der Buchstabenstrecke D nur Zusammensetzungen mit dahinter-, darüber-, darunter- und davor- als reihenbildend ausgewiesen.“
Man kann sich mit heutigen Hilfsmitteln leicht davon überzeugen, daß die Partikelverben tatsächlich hochproduktiv sind. Was der Duden daraus macht, ist unerheblich; jedenfalls hatte ich mich nicht zum Duden geäußert, sondern zur deutschen Sprache selbst.
Aber es trifft nicht einmal zu, was die Kommission dem Duden unterstellt. So liest man gleich bei den ersten Verbpartikeln im Duden von 1991:
„da (...) Zusammenschreibung (meist nur mit einfachen Verben), wenn durch die Verbindung ein neuer Begriff entsteht (­R 205), z. B. dasein“ usw.
„dabei (...) Zusammenschreibung (­ da u. R 205); z. B. dabeibleiben“ usw.
Hier und in allen anderen Fällen ist „z. B.“ selbstverständlich im Sinne der offenen Reihenbildung zu lesen; auch die Verweise tragen dazu bei.

Nur nebenbei sei folgende Kuriosität erwähnt:
„Insgesamt werden 16 Verbzusätze von der Kommission zur Aufnahme in die Liste der Verbzusätze empfohlen, nämlich dahinter-, darauf-, darauflos-, daraus-, draus-, darin-, darüber-, drüber-, darunter-, drunter-, davor-, drum-, hinter-, hinterdrein-, nebenher- und vornüber-.“ Diese Liste stimmt schon nicht mehr mit der von den Amtschefs eine Woche zuvor gebilligten überein, und auch diese war fehlerhaft, weil sie drei Partikeln enthielt, die bereits in der zu ergänzenden Liste von 1996 angeführt waren. Die Veränderung innerhalb von wenigen Tagen kann niemanden wundern, der die Wandelbarkeit dieser Liste über die Jahre hin verfolgt hat; einige Versionen sind in meinem Buch „Regelungsgewalt“ angeführt. Der Fall zeigt, daß die Kommission prinzipienlos in unverstandenen Bereichen der deutschen Sprache herumtappt.

Genauere Auszählungen haben inzwischen ergeben, daß meine Schätzung richtig war. Die Strecke D macht rund ein Vierundzwanzigstel des gesamten Wörterverzeichnisses aus. Rund 3.000 Änderungen unterschiedlicher Art und Bedeutsamkeit sind vorzunehmen.
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Th. Ickler


eingetragen von Christian Dörner am 16.02.2004 um 18.53

Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Reformer diese falsche Trennung, die im BR-Beitrag kurz zu sehen war, wieder in eine Mitteilung der Art »Immer wieder falsche Beispiele« einbauen und entsprechend ausschlachten würden. Jetzt haben sie doch endlich mal wieder eine Möglichkeit, die Reformkritiker zu »verunglimpfen«, wie es unser Freund Augst ausdrücken würde.
Als Reformer muß man sich inzwischen doch an jeden Strohhalm klammern, nicht wahr?
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Christian Dörner


eingetragen von Karsten Bolz am 16.02.2004 um 17.18

Hier eine Kopie von den Seiten der Kommission

Zu den Auswirkungen der im 4. Bericht vorgeschlagenen Regeländerungen – beispielhaft dargestellt an der Buchstabenstrecke D

Von einem prominenten Reformgegner wurde in den letzten Tagen die Behauptung verbreitet, dass bei einer Umsetzung der durch die Kommission vorgeschlagenen Regeländerungen 3000 Änderungen im Österreichischen Wörterbuch und gar 4000 Änderungen im Duden-Rechtschreibwörterbuch mit seinem größeren Stichwortbestand vorgenommen werden müssten. Diese Zahlen beruhen nach Angabe des Urhebers auf einer Hochrechnung, die er – ausgehend von der Buchstabenstrecke D des Österreichischen Wörterbuchs – ermittelt haben will.

Da eine Veröffentlichung der Buchstabenstrecke D des Österreichischen Wörterbuchs an dieser Stelle aus urheberrechtlichen Gründen nicht möglich ist, gleichzeitig aber der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben werden soll, sich selbst ein Bild über die angeblich 4000 Änderungen zu machen, sollen die sog. Änderungen im Folgenden vorgestellt werden.

Von den „weit über 100 Änderungen“, die für die Buchstabenstrecke D ausgemacht werden, entfallen zwei Drittel, d. h. weit über 60 der sog. Änderungen, auf die Variantenführung bei Fremdwörtern. Dazu muss man wissen, dass die Kommission bei bereits vorhandenen (!) Doppelschreibungen (wie z. B. Delfin – Delphin) vorschlägt, die Markierung in Haupt- und Nebenvariante (also z. B. Delphin, auch Delfin) aufzugeben und stattdessen beide Variantenschreibungen nebeneinander anzuführen. Das soll geschehen, um der Schreibentwicklung mehr Raum zu geben. Innerhalb der Buchstabenstrecke D wären u. a. folgende Eintragungen im Österreichischen Wörterbuch betroffen:

ÖWB 2001 ---------------------------------- ÖWB 2005
Darmkatarrh, auch: Darmkatarr ---------- Darmkatarr = Darmkatarrh
DAT-Rekorder, auch: DAT-Recorder ---DAT-Rekorder = DAT-Recorder
Debüt, auch: Debut ------------------------ Debüt = Debut
Debütant, auch: Debutant ----------------- Debütant = Debutant
Debütantin, auch: Debutantin ------------- Debütantin = Debutantin
Decoder → Dekoder ------------------------ Decoder = Dekoder
decodieren → dekodieren ------------------ decodieren = dekodieren
Decodierung → Dekodierung --------------- Decodierung = Dekodierung

Mit anderen Worten: Zwei Drittel der „weit über 100 Änderungen“ sind gar keine. Es handelt sich nur um Feinanpassungen in der Variantenführung – neue Schreibungen sind damit nicht verbunden.

In einem weiteren Dutzend der Fälle würde bei Umsetzung der Vorschläge eine zusätzliche Schreibung zugelassen. Dies betrifft Fälle aus dem Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Schreibung mit Bindestrich und der Groß- und Kleinschreibung. Beispiele hierfür sind:

ÖWB 2001 ----------------------- ÖWB 2005
Daten verarbeitend ---------------- Daten verarbeitend = datenverarbeitend
dicht besiedelt ------------------ dicht besiedelt = dichtbesiedelt
Dienst habend -------------------- Dienst habend = diensthabend
durcheinander redend ------------- durcheinander redend = durcheinanderredend
dreifach (3fach)---------------- dreifach (3fach = 3-fach)
darstellende Kunst ---------------- darstellende Kunst
----------------------------------- (fachsprachlich auch: Darstellende Kunst)

Die ersten 4 Fälle stehen beispielhaft für die von der Kommission vorgeschlagene Regel, nach der Verbindungen von Substantiven, Adjektiven, Adverbien oder Pronomen mit adjektivisch gebrauchten Partizipien künftig auch zusammengeschrieben werden könnten. Das heißt, die Getrenntschreibung bleibt weiterhin gültig. Das Bedürfnis, solche Verbindungen im Wörterbuch nachzuschlagen, dürfte übrigens gering sein, da die zugrunde liegende allgemeine Regel leicht merkbar ist.

Die Schreibung 3-fach neben weiterhin 3fach ist auf den Vorschlag der Kommission zurückzuführen, bei Verbindungen mit Ziffern und fach prinzipiell die Schreibung mit Bindestrich, die im Schreibgebrauch überaus häufig belegt ist, zuzulassen.

Die Schreibung „Darstellende Kunst“ schließlich rührt von dem Vorschlag, im Regelwerk einen Passus einzufügen, der für den fachsprachlichen (!) Gebrauch die Großschreibung des Adjektivs bei festen Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv explizit zulässt. Eine wirkliche Regeländerung ist damit nicht verbunden, da fachsprachliche Schreibungen per se von der amtlichen Schreibung abweichen können. Die Anführung der Schreibung „Darstellende Kunst“ dient also lediglich der Exemplifizierung der verdeutlichenden Regel. Änderungen im eigentlichen Sinne des Wortes gäbe es demgegenüber nur wenige.

Innerhalb der Buchstabenstrecke D beträfe das 18 Fälle. Es handelt sich dabei durchweg um Verbindungen aus Verbzusatz und Verb, wie beispielsweise um dahinterkommen, dahinterklemmen, dahinterstecken, dahinterstehen und darauffolgend (vgl. am darauffolgenden Tag). In diesen Fällen war bisher nur Getrenntschreibung möglich, da die Verbzusätze nicht in der betreffenden Liste in § 34 (1) enthalten waren. Insgesamt werden 16 Verbzusätze von der Kommission zur Aufnahme in die Liste der Verbzusätze empfohlen, nämlich dahinter-, darauf-, darauflos-, daraus-, draus-, darin-, darüber-, drüber-, darunter-, drunter-, davor-, drum-, hinter-, hinterdrein-, nebenher- und vornüber-. Daraus geht hervor, dass die meisten Änderungen zwangsläufig innerhalb der Buchstabenstrecke D auftreten müssen, ja, die Kommission hat aus ebendiesem Grund die Buchstabenstrecke D zur Illustration ausgewählt. Im Übrigen hat auch der Einwurf der Reformgegner, es handle sich um ungemein “produktive Muster, nach denen Hunderte von Partikelverben gebildet werden“, keinen Bestand, denn im Duden-Rechtschreibwörterbuch, in dem die Anzahl der Einträge bei dieser Gruppe vergleichbar ist, werden innerhalb der Buchstabenstrecke D nur Zusammensetzungen mit dahinter-, darüber-, darunter- und davor- als reihenbildend ausgewiesen.

Die Behauptung vonseiten der Reformgegner, bei Umsetzung der Vorschläge wären 4000 Änderungen zu erwarten, entbehrt jeglicher Grundlage und entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Panikmache.
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Karsten Bolz


eingetragen von Christoph Kukulies am 16.02.2004 um 17.13

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Die Rechtschreibkommission wehrt sich:

http://rechtschreibung.ids-mannheim.de/aktuell.html

Man lernt dort, daß viele Änderungen gar keine sind, sondern "Feinanpassungen". Auch sonst sehr lesenwert!


Da steht also der Satz:

Die Behauptung vonseiten der Reformgegner, bei der Umsetzung der Vorschläge wären 4000 Änderungen zu erwarten, entbehrt jeglicher Grundlage und entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Panikmache.

Hier also noch einmal der Eintrag von Prof. Ickler, der die Kommision wohl so aus der Fassung gebracht hat:

http://www.rechtschreibreform.de/Forum/showthread.php?threadid=225
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Christoph Kukulies


eingetragen von Theodor Ickler am 16.02.2004 um 16.25

Die Rechtschreibkommission wehrt sich:

http://rechtschreibung.ids-mannheim.de/aktuell.html

Man lernt dort, daß viele Änderungen gar keine sind, sondern "Feinanpassungen". Auch sonst sehr lesenwert!
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 16.02.2004 um 07.39

Eigentlich müßte alles, was sich auf den vierten Bericht bezieht, mitsamt diesem unter die Rubrik "Kommissionsberichte" gestellt werden. Ich bin an der Unordnung mitschuldig, weil ich hier mit dem Kommentieren begonnen habe, als noch nicht viel Greifbares vorlag.

Haben wir eigentlich irgendwo schon die Entwurfsfassung des dritten Berichts (138 S.) zugänglich gemacht? Stellenweise ganz interessant, weil man Einblick in die Täuschungsstrategie der Kommission bekommt. Sie ist stellenweise schwer zu entziffern, jedenfalls meine Kopie, auch wegen der Streichungen, aber man könnte das Blasse und Durchgestrichene sichtbar machen. Leider fehlt mir die Zeit dazu.
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Th. Ickler


eingetragen von Norbert Schäbler am 15.02.2004 um 21.14

Wenn ich es richtig sehe, geht es hier nicht unbedingt um einzelne Beamte, um Funktionäre oder um den Beamtenapparat generell – sondern vielmehr um den Knebel; sprich: das Gesetz.

Ich halte es für sehr wichtig, über Gesetze zu diskutieren; auch darüber nachzudenken, daß es über das normale Gesetzgebungsverfahren hinaus noch eine Verordnungs- und Erlaßbasis gibt.
Hier – und das ist äußerst wesentlich in unserem Rechtsstaat (das ist nicht dasselbe wie Rechtsverständlichkeit und Rechtssicherheit!) – greift der Beamtenstatus.

Ich könnte demnächst im Leitfaden „BayBG“ weitere Einzelheiten zitieren.

Man kann mich innerhalb der nächsten Tage warnen davor, daß ich Artikel der BayDo (Disziplinarordnung) veröffentliche, denn, wenn ich sie veröffentliche, brauche ich Beistand.

Vom Staat kann ich diesen nicht erwarten.
Er wird mich vernichten!



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nos


eingetragen von Mädchenfüralles am 15.02.2004 um 12.52

*

Liebes "Mädchenfüralles",
ich glaube nicht, daß derzeit von den Amtschefs eine Lösung der Rechtschreibkrise erwartet werden kann, auch nicht von den Chefs der Amtschefs.
Eine Lösung wird wohl von anderer Seite kommen müssen.
M.


eingetragen von Reinhard Markner am 15.02.2004 um 11.34

So sehe ich das auch. Im übrigen hatte ich selbst keine Vorstellung davon, was sich hinter der Bezeichnung "Amtschefs" verbirgt, bis ich mal unter kmk.org nachgesehen habe. Vereinfachend kann man wohl sagen, daß es sich um die jeweiligen Vertreter der Minister handelt, meist die Staatssekretäre.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 15.02.2004 um 10.58

Selbstverständlich bin ich nicht für eine öffentliche Hinrichtung niederer und höherer Ministerialfunktionäre, zumal deren Anteil an den Papieren kaum auszumachen ist. Tatsache aber ist doch wohl, daß sie dirigieren, was sie genau kennen, während der Minister meist nur oberflächlich Kenntnis nimmt und unterzeichnet (s. Böhrk). Deshalb sollten sie schon das Gefühl haben, auch mit ihrem Namen für das einstehen zu müssen, was da geschieht.
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Sigmar Salzburg


eingetragen von Walter Lachenmann am 15.02.2004 um 08.23

Lieber Herr Dräger,

Sie hätten Ihre Assoziationen ruhig aussprechen können. Ich weiß sehr wohl, daß das, was ich geschrieben habe, wie ein Freibrief für jegliche staatliche Willkür aussieht, im Nachhinein etwa auch für Verbrechen im Dritten Reich oder im Namen des DDR-Regimes. Es ist aber weder ein Freibrief, noch eine Entschuldigung, sondern eine Beobachtung.

Wobei – sofern der sehr heikle Aspekt der individuellen Verantwortung staatlicher Mitwirkender doch in Betracht gezogen werden soll – es einen Unterschied macht, ob jemand an offenkundigen Verbrechen mitwirkt oder an einer kulturpolitischen Dummheit, die manch einer gar nicht als solche zu erkennen imstande ist.

Natürlich muß man sich gegen Unrecht oder gegen eine schlechte Administration wehren. Aber was ist gewonnen, wenn wir die Ministerialschranzen vorführen und ihnen die Zunge rausstrecken? Den Anblick will ich mir ersparen, und es ist auch schade um die Zeit. Wir wollen doch nicht wieder in die Schreckenszeit der in diesem Forum einst sattsam besungenen „Prangermethode“ zurückfallen!

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Walter Lachenmann


eingetragen von Matthias Dräger am 15.02.2004 um 08.17

Mein Beitrag für Herrn Salzburg, wo die Amtschefs zu finden sind, war nicht als Bloßstellung gedacht - ich wollte nur dem Eindruck begegnen, man könne nicht wissen, wer das denn sei, wer im - nur vermeintlich! - Verborgenen die Entscheidungen der Kultusminister vorbereitet.

Meinen Beitrag habe ich also sicherheitshalber wieder herausgenommen.


eingetragen von Theodor Ickler am 15.02.2004 um 07.59

Manchmal gehen Funktionäre über ihr Amt hinaus und geben Gemeinheiten von sich. Die Amtschefs sind im allgemeinen darüber erhaben. Man kann durchaus mit ihnen reden. Sie verstehen meist auch mehr von der Sache als ihre Chefs, die Kultusminister, die bekanntlich in erster Linie Parteikarrieristen sind, sogar ehemalige Fußballer.

Ich rate von persönlichen Bloßstellungen ab, schon weil wir die Amtschefs als Gesprächspartner brauchen. Übrigens haben alle inzwischen meinen Kommentar zum vierten Bericht bekommen. Meistens wird er wieder bei den Ministerialräten landen, die uns das Ganze eingebrockt haben. Aber manchmal fällt das berühmte Samenkorn auch auf fruchtbaren Boden und fängt an zu keimen. Das ist keine Spekulation, sondern ich weiß von mindestens einem Fall, wo es buchstäblich zutrifft.

Nachtrag: Auch mich packt oft der Zorn, und ich kann Herrn Dräger nur zu gut verstehen. Aber um im biblischen Ton fortzufahren: Seid klug wie die Schlangen! (Was die Bibel allerdings anschließend über die Tauben sagt, beruht auf mangelhafter Beobachtung. Oder die Tauben haben sich verändert. Ich hatte die Biester lange Zeit auf der Fensterbank meiner Studentenbude, und ihr Benehmen glich eher dem von Rechtschreibreformern.)
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Th. Ickler


eingetragen von Matthias Dräger am 15.02.2004 um 03.01

Lieber Herr Lachenmann,
Ihre Meinung von unseren deutschen Beamten teile ich nicht. Sie sagen über die Beamten:

„Sie sind als Individuen nebensächlich. Hätten sie es nicht getan, wären andere an ihrer Stelle gewesen. Es handelt sich um Beamte, also um Werkzeuge der Verwaltung, nicht um frei über einen Willen verfügende Individuen; unter diesem Aspekt sind sie sozusagen gar nicht existent.“

Merken Sie etwas? Ich glaube, so ausschließlich, wie es hier steht, können Sie es nicht gemeint haben. Die Assoziationen, die mir beim Lesen Ihrer Zeilen kommen, möchte ich hier nicht ins Wort heben...


eingetragen von Matthias Dräger am 15.02.2004 um 02.25

*


eingetragen von Walter Lachenmann am 14.02.2004 um 23.46

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Reinhard Markner
Beamte, die Politik an Bürgern und Parlamenten vorbei betreiben, dürfen damit rechnen, sich vor den Bürgern verantworten zu müssen.

Schon wahr, aber interessiert das "die Bürger" überhaupt? Anstelle der "Bürger", denen das Thema mehrheitlich am Allerwertesten vorbei geht, müssen wir, die wir uns darauf verstehen, uns auf die Verantwortung besinnen. Wir helfen unserem Anliegen aber kaum, wenn wir die Problematik Personen zuordnen, die sich in vermeintlich korrekter Erfüllung ihrer Dienstpflicht für die schlechte Sache zur Verfügung gestellt haben. Sie sind als Individuen nebensächlich. Hätten sie es nicht getan, wären andere an ihrer Stelle gewesen. Es handelt sich um Beamte, also um Werkzeuge der Verwaltung, nicht um frei über einen Willen verfügende Individuen; unter diesem Aspekt sind sie sozusagen gar nicht existent.
Ich bin der Überzeugung, daß es völlig unproduktiv ist, irgendwelchen Individuen Vorhaltungen zu machen, so wenig wie es sinnvoll ist, einer Schraube vorzuwerfen, sie hätte eine untaugliche Mechanik festgehalten. Dieselbe Schraube würde auch eine taugliche Mechanik festhalten - vergessen wir sie also einfach. Zuhause sind das alles liebevolle Familienväter, haben eine profunde humanistische Bildung und lassen sich photographieren, wenn sie Rehe streicheln. Wir müssen uns auf die Sache, die Zielsetzung konzentrieren, und nicht unsere Zeit verschwenden, indem wir in Wahrheit unmündige Individuen zur Rechenschaft ziehen wollen.
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Walter Lachenmann


eingetragen von Reinhard Markner am 14.02.2004 um 21.34

Beamte, die Politik an Bürgern und Parlamenten vorbei betreiben, dürfen damit rechnen, sich vor den Bürgern verantworten zu müssen.

Amtschefskommission "Rechtschreibung"

Vorsitz: Ministerialdirektor Josef Erhard (BY)
Staatssekretär Dr.* Elmar Schulz-Vanheyden (NW)

*Man soll es übrigens kaum glauben, daß Leute, die einmal über ein so schöngeistiges Thema wie Properz und das griechische Epigramm promoviert haben, später einmal für zynische Angriffe auf die deutsche Sprache verantwortlich zeichnen; was würde das Scheitern von Humboldts Bildungsideal besser verdeutlichen?

Vgl. auch diese Pressemitteilung:

Dr. Elmar Schulz-Vanheyden neuer Staatssekretär im Ministerium für Schule, Jugend und Kinder

Das Ministerium für Schule, Jugend und Kinder teilt mit:
Neuer Staatssekretär im Ministerium für Schule, Jugend und Kinder ist seit heute (5. März 2003) Dr. Elmar Schulz-Vanheyden. Nach dem Wechsel von Dr. Wolfgang Meyer-Hesemann zum Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur nach Schleswig-Holstein war der Posten des Staatssekretärs in Düsseldorf neu zu besetzen. "Dr. Schulz-Vanheyden ist ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Schul- und Jugendpolitik, der sowohl bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums als auch in der Fachöffentlichkeit großes Ansehen genießt. Ich freue mich, dass er mich in dieser für die zukünftige Ausrichtung unseres Bildungssystems so wichtigen Phase mit seiner Kompetenz und Erfahrung unterstützen wird", erklärt Ministerin Ute Schäfer.

Schulz-Vanheyden gehörte seit 1993 dem damaligen Kultusministerium in Nordrhein-Westfalen an. Seit 1998 war er als Abteilungsleiter für die Grundsatzangelegenheiten des Schulwesens, die Lehrerbildung und die berufliche Bildung zuständig. Geboren wurde Dr. Schulz-Vanheyden 1939 in Schneidemühle in Westpreußen. Er studierte Latein, Griechisch und Philosophie in Hamburg und Münster sowie später Pädagogik und Sozialwissenschaften und begann seine Laufbahn im Schuldienst, bevor er 1977 in die Schulaufsicht wechselte.

Verzeichnis der Amtschefs:
http://www.kmk.org/aufg-org/adr/amtchf.htm


eingetragen von Walter Lachenmann am 14.02.2004 um 19.38

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Sigmar Salzburg
Auch die Amtschefs samt Anhang sollten aus der Anonymität herausgeholt werden.

Und jeder, der "dass" schreibt, bekommt eins auf den Dassel - nun macht mal halblang, Freunde!
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Walter Lachenmann


eingetragen von Sigmar Salzburg am 14.02.2004 um 17.07

Auch die Amtschefs samt Anhang sollten aus der Anonymität herausgeholt werden.
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Sigmar Salzburg


eingetragen von Theodor Ickler am 14.02.2004 um 13.32

Es sei noch einmal an den Brief von Renate Hendricks erinnert (s. unter "Dokumente: "Bundeselternrat"). Dieser Text, der unbedingt ins "Schwarzbuch" gehört, hat was Abgründiges. Wir sollten uns nach und nach die Mitglieder des Beirates vornehmen und der Öffentlichkeit kenntlich machen.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 14.02.2004 um 13.27

Und der entsprechende Abschnitt in meinem "Kritischen Kommentar" (2. Aufl. 1999) lautet so:

(3.2)
Kommentar:
Der Status der „Varianten“ im Gesamtkonzept der Neuregelung ist unklar, da die Varianten außer in bezug auf den Aufbau des Wörterverzeichnisses nirgendwo erwähnt oder gar systematisch eingeführt werden. Der Begriff der Haupt- und Nebenvariante ist der letzte Rest des Konzepts „gezielte Variantenführung“, mit dem insbesondere die Fremdwortintegration gesteuert werden sollte. Fremdworteindeutschungen, die von der Sprachgemeinschaft nicht angenommen werden, sollten zunächst als Varianten vorgeschlagen und so allmählich vertraut gemacht werden. Die Reformer hofften, auf diese Weise sprachplanerisch tätig werden zu können (vgl. Augst in Mentrup u. a. [Hg.] 1979, S. 117f.)
Von diesem Plan ist aber nach dem Zurückstutzen der Fremdworteindeutschung nicht mehr viel übriggeblieben. Da alle Varianten zulässig sind, ist nicht klar, worin die Bevorzugung bzw. Empfehlung eigentlich bestehen und wie sie wirksam werden könnte. Eine Möglichkeit zeigen Gallmann und Sitta in ihrem Handbuch. Sie gehen von der richtigen Erkenntnis aus, daß die Fülle von Varianten, die das Regelwerk schafft, pädagogisch ungünstig ist, da sie die Ausbildung fester Gewohnheiten verhindert. Gleichzeitig benutzen die Autoren die Varianten, um jeweils die ihnen besser erscheinende, d. h. meist die reformierte Schreibweise als einzige lehrenswerte vorzuschlagen. So sinnvoll das aus didaktischen Gründen erscheinen mag, so fatal ist der Eindruck, daß es mit der vielgerühmten „Liberalität“ und den neuen „Freiheiten“ für den Schreibenden nicht weit her ist. Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, versicherte ja das hessische Kultusministerium in jenem Standardschreiben, die neuen Varianten würden „unverkürzt“ an die Schüler weitergegeben.
Aufschlußreich ist ein Abschnitt aus den Duden-Informationen vom Dezember 1994, die man zumindest als „offiziös“ bezeichnen kann, da sie von den führenden Reformern der beteiligten Länder (Augst, Blüml, Gallmann und Sitta) verfaßt sind.
„In den zukünftigen (orthographischen) Wörterbüchern erscheint die traditionelle Schreibweise als Haupteintrag, die neue, eingedeutschte Schreibung als Nebeneintrag. (...) Auf den umgekehrten Verweis von der Hauptform auf die Nebenform wird hingegen verzichtet.“ (S. 24f.; Beispielwörter weggelassen)
Hier wird also versucht, über die Praxis des amtlichen Wörterverzeichnisses hinaus auch die künftige Gestaltung von Verlagsprodukten im Griff zu behalten. Es scheint aber ganz undenkbar, daß Wörterbuchredaktionen beispielsweise untersagt werden könnte, unter einem bestimmten Stichwort auf eine ebenfalls zulässige andere Schreibweise zu verweisen. Übrigens haben dieselben Autoren zwei Jahre später, als sich zwischen den neuen Wörterbüchern eine Unzahl Abweichungen fatal bemerkbar machte, genau jene Freiheiten geltend gemacht, die sie den Redaktionen und Verlagen hier zu nehmen versuchen.
Die Kennzeichnung einer Schreibung als Haupt- oder Nebenvariante muß bis auf weiteres als unverbindliches Geschmacksurteil der Reformer angesehen werden, als eine Empfehlung, deren Nichtbeachtung ohne Folgen bleibt. Die Reformer versichern, die weitere Sprachentwicklung beobachten und das Votum der Sprachgemeinschaft abwarten zu wollen. Sie wollten aber offenbar nicht darauf verzichten, dieses Votum durch ihr eigenes, mittels Aufnahme in den „Erlaß“ deutlich privilegiertes zu steuern.
Beim Druckgewerbe zwingt die Variantenfülle zur Auswahl. Zwecks Herstellung einigermaßen einheitlicher Schreibweisen gewinnen „Hausorthographien“ eine wesentlich größere Bedeutung, als sie bisher hatten. Damit wird der vielbeklagte Zustand des 19. Jahrhunderts, der zur Schaffung einer Einheitsorthographie drängte, teilweise wiederhergestellt. (Auch die Rustsche Rechtschreibreform von 1944, die inhaltlich den Plänen des Internationalen Arbeitskreises – besonders in der Fassung von 1995 – sehr nahe kam, litt an dem Fehler einer zu großen Variantenfülle bei den Fremdwörtern.) Es war nur folgerichtig, daß im November 1998 das von der Dudenredaktion erarbeitete „Praxiswörterbuch“ erschien, das variantenlos nur jeweils eine Schreibweise „empfahl“ und als gemeinsame Hausorthographie der Nachrichtenagenturen, Verlage, Unternehmen usw. dienen sollte. (Übrigens vergeblich, was die Nachrichtenagenturen betrifft, denn diese beschlossen wenige Wochen später ein wiederum anderes, allerdings abenteuerlich dilettantisches Regelwerk für den Gebrauch ab 1. August 1999.)
Die Kritik hat auch sofort nach dem Erscheinen des Wörterverzeichnisses auf die Willkür bei der Kennzeichnung von Haupt- und Nebenvarianten hingewiesen. So ist zwar Orthographie die Haupt- und Orthografie die Nebenvariante, aber bei Pornographie und Pornografie verhält es sich genau umgekehrt. Das scheint jedoch ohnehin gleichgültig zu sein, denn manche besonders eifrigen Reformer verwenden grundsätzlich Orthografie, also die Nebenvariante, während z. B. Nerius ausdrücklich davor zurückschreckt (Nerius 1996, Vorwort). Bei fonographisch entscheidet er sich für die Nebenvariante, so daß sich ergibt: fonografische Auffassung der Orthographie (ebd. S. 14) – auch dies ein Verstoß gegen die Schemakonstanz, den die Neuregelung doch gerade vermeiden will.
Was die „gleichberechtigten Varianten“ betrifft, so ist das Beispiel räkeln/rekeln schlecht gewählt, denn in weiten Teilen Deutschlands unterscheiden sich langes ä und e in der Aussprache. Es sind also keine reinen Schreibvarianten.
In jüngster Zeit ist die unklare Darstellung der Variantenkennzeichnung zur Quelle eines Streites geworden. Es wird behauptet, die Kritiker der Neuregelung hätten nicht verstanden, daß die Unterscheidung von Haupt- und Nebenvarianten nur für Fremdwörter gelte. Im oben zitierten Abschnitt ist jedoch von einer solchen Beschränkung nicht die Rede, im Gegenteil, die Gegenüberstellung von Anschovis/Anchovis einerseits und räkeln/rekeln andererseits weist unzweideutig darauf hin, daß es auf die Herkunft nicht ankommt, daß also „gleichberechtigte Varianten ohne Verweis nebeneinander“ stehen, die Verweise „s.“ und „auch“ folglich in jedem Fall auf Haupt- bzw. Nebenvariante hindeuten. In der Zeichenerklärung zum Wörterverzeichnis heißt es dann: „Mit s. (siehe) wird bei Variantenschreibungen auf die Hauptform (Vorzugsvariante) verwiesen, z. B. Kalligrafie s. Kalligraphie.“ Allerdings steht neben dem Zeichen „auch“: „Mit auch wird auf eine weitere mögliche Schreibung verwiesen – bei Fremdwörtern auf die Nebenform, z. B. Kalligraphie, auch Kalligrafie.“ Alles dies zusammengerechnet – was folgt daraus? Zunächst ein Widerspruch zwischen dem betreffenden Abschnitt des Vorwortes und der Zeichenerklärung. Die Verfasser müssen es sich selbst zurechnen, wenn sie nicht so verstanden werden, wie sie es wünschen. Außerdem wäre es aber eine üble Zumutung für den Benutzer, wenn er dieselben Markierungen unterschiedlich deuten müßte je nach der Herkunft des Stichwortes, wenn also etwa der Eintrag „Zooorchester*, auch Zoo-Orchester“ ganz anders zu lesen wäre als der Eintrag „zugunsten, auch zu Gunsten*“.






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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 14.02.2004 um 11.09

Im Vorwort des Regelwerks (3.2) heißt es über die Variantenführung im Wörterverzeichnis: „Sofern sich bei Varianten eine Hauptvariante (im Sinne einer empfohlenen, zu bevorzugenden Schreibung) und eine Nebenvariante (im Sinne einer auch möglichen Schreibung) unterscheiden lassen, wird auf die Hauptvariante verwiesen, zum Beispiel: Anchovis s. Anschovis, während bei der Hauptvariante die Nebenvariante nur genannt wird: Anschovis, auch Anchovis.“

In dieser Weise wird bei folgenden autochthonen Wörtern verfahren:
Beete > Bete; Rote Bete
Funsel > Funzel
Kog > Koog
Leibung > Laibung
Sammet > Samt
Ständel[wurz] > Stendel[wurz]


eingetragen von Theodor Ickler am 13.02.2004 um 16.24

Der Kommentar ist inzwischen so stark erweitert und verändert (Dank an alle Helfer!), daß es mir richtig erscheint, ihn nochmals in dieser vorläufigen Form vorzustellen. Kursive und sonstige Eigenschaften sind hier nicht zu sehen, ich bitte um Nachsicht, die ordentliche Ansicht kommt später! Aus technischen Gründen erscheint der Text in drei Teilen.


Kommentar

zum vierten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung


Nach weiteren neun Sitzungen, meist zweitägig, legte die Kommission ihren Bericht für die Jahre 2002 und 2003 vor. Nachdem der Text in die Hände der Reformkritiker gelangt und in der Presse zusammen mit der Beschlußvorlage der KMK breit diskutiert worden war, kam die Kommission der Veröffentlichung zuvor und stellte ihn mit Billigung der Amtschefskommission am 6. Februar 2004 auf ihre Internetseite.

Zur Einleitung
"Dieser 4. Bericht hat eine Sonderstellung gegenüber den bisherigen Berichten: Im Hinblick auf die in der Wiener Absichtserklärung von 1996 vereinbarte Übergangsfrist bis 31. Juli 2005 weist in ihm die Zwischenstaatliche Kommission aus, welche Modifikationen sie für das Regelwerk vorschlägt."
Das entspricht nicht den Tatsachen. Auch der erste Bericht Ende 1997 enthielt eine Fülle von Änderungsvorschlägen, die jedoch von der Amtschefskommission untersagt wurden. Schon damals war verhüllend von "Verdeutlichungen" die Rede gewesen, die Kultusministerien ließen sich jedoch nicht täuschen und gaben bekannt: "Keine Änderung der beschlossenen Regeln zum jetzigen Zeitpunkt" usw. (Pressemitteilung der KMK vom 12.2.1998). Im dritten Bericht wird eine Fülle von Änderungen zwar nicht vorgeschlagen, wohl aber erörtert mit dem Ziel, sie zu einem späteren Zeitpunkt vorzuschlagen. Genau dies tut nun der vierte Bericht.

"Die Aufgaben der Kommission sind in Artikel III der Wiener Absichtserklärung von 1996 festgelegt. Daraus ergibt sich im Einzelnen, die Umsetzung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung zu beobachten, Anfragen zu beantworten, Kritik aufzugreifen und entsprechend zu berücksichtigen, das neue Regelwerk auf etwaige Schwachstellen zu untersuchen und nötigenfalls Vorschläge für dessen Anpassung zu erarbeiten. Es war schon immer erklärte Absicht der Kommission, eine gewisse Zeit der praktischen Anwendung der Neuregelung abzuwarten, bevor Vorschläge zu Detailanpassungen gemacht werden. Die meisten der sich aus der Anwendung der neuen Rechtschreibung ergebenden Probleme sind - wie vorhersehbar - auf Umstellungsschwierigkeiten zurückzuführen, die sich aber mit zunehmendem Gebrauch der neuen Schreibregeln mehr und mehr relativieren."
In der Wiener Absichtserklärung heißt es jedoch:
"Die Kommission wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hin. Sie begleitet die Einführung der Neuregelung und beobachtet die künftige Sprachentwicklung. Soweit erforderlich erarbeitet sie Vorschläge zur Anpassung des Regelwerks."
Von einer Korrektur fehlerhafter Regeln ist nicht die Rede. "Anpassung" ist ein Relationsbegriff, es muß gesagt werden oder erschließbar sein, woran angepaßt werden soll. Im Zusammenhang der Absichtserklärung kann nur die Anpassung an die zu beobachtende künftige Sprachentwicklung gemeint sein. Im vierten Bericht wird selbstverständlich nicht auf die Sprachentwicklung Bezug genommen, denn die deutsche Sprache hat sich seit 1996 nicht in orthographisch relevanter Weise entwickelt. Vielmehr sind Korrekturen des Regelwerks gemeint, wie es ja auch aus dem weiteren Bericht hervorgeht. Damit geht die Kommission über ihren Auftrag hinaus. Der führende Schweizer Reformer Horst Sitta, bis heute Mitglied der Zwischenstaatlichen Kommission, stellte schon vor Jahren klar:
"Mir ist dieser Wortlaut wichtig: Die Kommission soll ihrem Auftrag nach nicht - wie seitens der Reformgegner behauptet wird - das angeblich schlechte Reformwerk optimieren. Sie soll auf der Grundlage des beschlossenen Regelwerks die Einführung der Neuregelung begleiten." (in Eroms/Munske [Hg.]: Die Rechtschreibreform - Pro und Kontra, Berlin 1997, S. 222)
In einem an viele Adressaten versandten Standardbrief der Kommission aus demselben Jahr heißt es:
"Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass nach der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung in Wien weitere Änderungen vorerst grundsätzlich nicht mehr möglich sind."
Am 23.1.1997 gaben Zeitungen eine Mitteilung des IDS wieder, wonach die Aufgabe der Kommission "keineswegs die Korrektur des beschlossenen Reformwerks" sei.
"Die ‚von Reformgegnern erzeugte Sorge', die Rechtschreibreform werde schon vor der endgültigen Umsetzung ‚repariert oder korrigiert', sei gegenstandslos." (Fränkischer Tag vom 23.1.1997)
Die ersten Reparaturvorschläge wurden im ersten Bericht (Dezember 1997) unterbreitet, einige davon als "unumgänglich notwendig" erklärt. Nach ihrer Zurückweisung durch die Amtschefskommission wurden einige der untersagten Korrekturen unterderhand auf dem Wege von Beratungsgesprächen mit Duden und Bertelsmann praktisch dennoch eingeführt. Auch der Kommissionsvorsitzende Augst behandelte sie in seinem "Wortfamilienwörterbuch" (Tübingen 1998) als bereits genehmigt. Nun soll erstmals förmlich in den amtlichen Text eingegriffen werden, Anfang 2004, lange vor der "endgültigen Umsetzung" im August 2005.
Die erste Abweichung vom ursprünglichen Auftrag war allerdings unter dem Druck der Kritik schon von den Kultusministerien in jener Pressemitteilung vom 12.2.1998 angedeutet worden:
"Ob und welche Änderungen sinnvoll sind, kann rechtzeitig vor Ende der Übergangszeit (im Jahr 2005) entschieden werden."
Hierauf könnte sich die Kommission heute berufen, nicht aber auf die Wiener Absichtserklärung. Auf die Neuinterpretation des Kommissionsauftrages gehen auch gewisse Spannungen zwischen der deutschen Seite einerseits und der Schweiz und Österreich andererseits zurück.
"Es war erklärtes Ziel der Neuregelung, den Schreibenden wieder die Möglichkeit zu geben, allein aufgrund der Anwendung der Rechtschreibregeln zu richtigen Wortschreibungen kommen zu können. Demgegenüber verlangte die frühere Regelung ein häufiges Nachschlagen im Wörterbuch."
Wenn dies das Ziel war, ist es so gründlich verfehlt worden, daß sogar das staatliche Institut für Schulpädagogik und Bildungsforschung in München festhielt:
"Die Neuregelung der Rechtschreibung bedingt, dass für jeden - Lehrer und Schüler - der Umgang mit einem Rechtschreiblexikon selbstverständlicher sein muss denn je." (Handreichungen "Neuregelung der deutschen Rechtschreibung". ISB München 1996, S. 41)
Sitta und Gallmann haben 1997 festgestellt: "Was wir brauchen, sind Regeln, die die Menschen verstehen, die für sie gemacht sind, an denen sie sich orientieren können. Das Regelwerk ist ein juristischer Text, an dem man das nicht kann." Gerade bei der Groß- und Kleinschreibung könne man auch in Zukunft nur durch Nachschlagen zum Ziel kommen (Handbuch Rechtschreiben 1996). Der vierte Bericht behauptet:
"Die Kommission ist zu der Überzeugung gelangt, dass die wesentlichen Neuerungen des amtlichen Regelwerks von 1996 unverändert bleiben sollten. Viele dieser Regelungen haben nachweislich spürbare Erleichterungen bei den Erstlernern gebracht."
Hier fällt die vage Ausdrucksweise auf: Was sind "spürbare", zugleich aber nachweisbare Erleichterungen? Tatsache ist, daß zur Zeit alle Rechtschreibungen - die "alte", die amtliche neue und die vielfach korrigierte neue, wie sie in den unterschiedlichen Wörterbüchern seit 1996 verzeichnet ist, benutzt werden dürfen, ohne daß Fehler angerechnet werden. Bei gleichbleibenden oder sogar objektiv geringeren Rechtschreibleistungen werden aus arithmetischen Gründen bessere Noten vergeben - eine recht zweifelhafte "Erleichterung". Bezeichnend ist die folgende Zeitungsreportage:
",Endlich mal wieder eine Zwei', frohlockt die Achtkläßlerin der Wirtschaftsschule. Vor allem die Schlußbemerkung des Lehrers findet Julia hochinteressant. Da steht: ,Aufgrund der Anwendung der neuen Rechtschreibregeln sind elf Fehler weniger in Rechtschreibung und Zeichensetzung zu verzeichnen; die Arbeit ist daher mit ,gut' zu bewerten.'" (Nürnberger Nachrichten 31.12.1996)
Nicht die Schülerin hat also die neuen Regeln angewandt, sondern der Lehrer und für die gleiche Leistung eine bessere Note gegeben. Diesen Effekt hätte die Schulverwaltung auch ohne Eingriff in die Sprache, durch eine bloße Anweisung an die Pädagogen erreichen können.
Die Kommission behauptet:
"Die grundlegenden Verbesserungen im Vergleich zur alten Regelung werden allgemein anerkannt."
Seit den früheren Berichten mit ähnlich gewagten Thesen hat sich an der verbreiteten, in den verschiedensten Umfragen zutage tretenden Ablehnung der Reform nichts geändert. Die Kommission führt keine Belege für ihre abenteuerliche Behauptung an.

Zur Laut-Buchstaben-Zuordnung
"KRITIK
Besonders anfänglich, d. h. nach Bekanntwerden der Neuregelung, wurde verschiedentlich die Rücknahme einiger neuer Schreibungen wie nummerieren, behände oder Tollpatsch gefordert.
DISKUSSION
In ihrem ersten Bericht hatte die Kommission erwogen in einigen wenigen Fällen die alte Schreibung wenigstens als Variantenschreibung noch weiterhin zuzulassen. Inzwischen ist die Kritik an den neuen Schreibungen, die das Prinzip der Stammschreibung und damit die Systematik stärken, stark abgeflaut und taucht nur noch sehr vereinzelt auf. Ganz offensichtlich spielt - wie innerhalb so kurzer Zeit schon festzustellen ist - hier die Gewöhnung eine große Rolle. Unabhängig von allen linguistischen oder nicht-linguistischen Argumenten ist - wie Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zeigen - eine gewisse Zeit vonnöten, gespeicherte Schreibschemata durch neue zu ersetzen. Die Etablierung von Neumotivierungen ermöglicht ein richtiges Schreiben auch für all jene, die nicht über sprachhistorische Kenntnisse verfügen, und liegt also im Interesse der breiten Öffentlichkeit."
Hier geht es um die ausschließlich von dem Reformer Gerhard Augst eingeführten etymologisierenden und volksetymologischen Schreibweisen, die von Anfang an nicht etwa als zulässige Varianten, sondern als obligatorisch präsentiert wurden - wohl in der Annahme, daß andernfalls niemand sich dann halten würde. Sie sind im einzelnen von sehr unterschiedlicher Qualität. So kann man in der Tat zu etymologisch richtigem bleuen (einbleuen usw., zu Bleuel, Pleuelstange) schon seit geraumer Zeit die volksetymologische Variante bläuen finden (wohl wegen der blauen Flecken). Das sollte allenfalls zugelassen, aber keinesfalls vorgeschrieben werden, so daß nun gerade der sprachkundige Schreiber einen "Fehler" macht. Dasselbe gilt für Zierrat (wie Hausrat) statt Zierat (wie Heimat). Hingegen ist behende in tausend Jahren Sprachgeschichte so gut wie niemals anders als mit e geschrieben worden, weil der Zusammenhang mit Hand längst aus dem Bewußtsein geschwunden war. Das zeigt sich auch an Wendungen wie behenden Schrittes usw. Es ist nicht einzusehen, wieso die Neuschreibung "richtiges Schreiben auch für all jene, die nicht über sprachhistorische Kenntnisse verfügen", ermöglichen soll; denn gerade hier ist es die Neuschreibung, die sprachgeschichtliche Kenntnis erfordert. Die Ausdehnung des "Stammprinzips", so inkonsequent sie ist, verstößt auf jeden Fall gegen das schülerfreundliche Prinzip "Schreib, wie du sprichst". Noch deutlicher wird die rückwärtsgewandte Denkweise der Reformer in der Veränderung von Stendelwurz zu Ständelwurz. Hier hat Augst nämlich den alten volksmedizinischen Glauben ausgegraben, daß diese Orchideenart erektionsfördernd wirke und daher eigentlich mit ä (wie Ständer) zu schreiben sei. Das Duden-Universalwörterbuch ist stillschweigend zu Stendelwurz zurückgekehrt, obwohl die Neuschreibung als Variante ausdrücklich im amtlichen Wörterverzeichnis steht. Auf weitere Beispiele (schnäuzen, Tollpatsch usw.) kann hier verzichtet werden. Der vierte Bericht beharrt darauf, die Augstschen Erfindungen beizubehalten und sogar fast ausnahmslos obligatorisch vorzuschreiben. Wenn die Diskussion um diese Dinge "abgeflaut" ist, dann liegt das daran, daß außer dem hundertmal Gesagten nicht viel zu sagen bleibt.
Die Kommission behauptet, analog zu neuschreiblichem Tipp und Stopp seien auch Topp und andere Eindeutschungen gefordert worden. Sie fährt fort:
"Schreibungen wie Topp/topp, Shopp, Popp oder Stripp würden einen Schritt in Richtung Systematisierung bedeuten. An die Stelle bisheriger Einzelfestlegungen würde weit gehende Regelhaftigkeit treten. Mit doppeltem Konsonantenbuchstaben könnte man dann alle einsilbigen Substantive schreiben, die verwandte Wörter mit einer solchen Schreibung neben sich haben (also dann auch Popp wegen poppig, Chatt wegen chatten usw.).
Gegen eine derartige Regelung spricht, dass eine solche forcierte grafische Assimilation auch einige Fremdwörter betreffen würde, die zurzeit eine hohe Gebrauchsfrequenz aufweisen ohne Anzeichen der Assimilation erkennen zu lassen, was vor allem damit zusammenhängt, dass sie auch international üblich sind (etwa Shop, Chat, Pop). Außerdem wird die Begründbarkeit der Schreibung mit Doppelkonsonantenbuchstaben in derartigen Fällen in der Wissenschaft zurzeit konträr diskutiert.
FAZIT
Die Kommission sieht hier - zumindest, was die einsilbigen Substantive aus dem Englischen angeht - möglichen Handlungsbedarf für die Zukunft, möchte zum jetzigen Zeitpunkt aber keine weiteren integrierten Schreibungen zur Diskussion stellen, sondern die Schreibentwicklung noch weiter beobachten und den Verlauf des wissenschaftlichen Disputs verfolgen."
Hierzu muß man wissen, daß weitere Eindeutschungen wie Bopp, fitt, Flopp, Frittfliege, Hitt, Pepp, Popp, Sett, Stopp, Stripp, Topp noch 1989 durchaus geplant, jedoch in den neunziger Jahren von den Kultusbehörden zurückgewiesen worden waren. Es blieben nur Stepp, Tipp und Mopp übrig (Stopp war schon vorher gebräuchlich und wurde nur auf die - ansonsten englisch geprägte - Tennissprache ausgedehnt). Gerade Tip ist jedoch international überaus gebräuchlich, so daß es keine Erleichterung ist, wenn etwa Englischschülern Lerntipps versprochen werden. Shopp, Hitt, Stripp usw. bleiben auf der Agenda ("Handlungsbedarf für die Zukunft") und werden zweifellos eingeführt werden, sobald die Kommission, wie von den Kultusministern vorgeschlagen, allein über Neuschreibungen entscheiden kann.
"Zu Irritationen hat die für die Schreibenden bisweilen schwer durchschaubare Kennzeichnung von Vorzugs- und Nebenvarianten (z. B. Biografie als Hauptvariante gegenüber Biographie, aber Geographie als Hauptvariante gegenüber Geografie) geführt."
Das vor Jahrzehnten entwickelte Konzept der "gezielten Variantenführung" wird einerseits aufgegeben. Die unterschiedlichen Kennzeichnungen im amtlichen Wörterverzeichnis waren in der Tat "schwer durchschaubar", nämlich offenbar willkürlich. Ihr Status war zudem völlig unklar, denn sogar die Reformer selbst benutzten teilweise die "Nebenvariante" (z. B. Orthografie). Andererseits soll die eingedeutschte Variante im Regelwerk künftig an erster Stelle angeführt werden - was jedoch die Wörterbuchredaktionen zu nichts verpflichtet. In der Reihenfolge schlägt sich der Wunsch der Kommission nieder, die Eindeutschung zu beschleunigen. In klarem Widerspruch dazu steht die Absicht, "den Prozess der Integration vorurteilsfrei zu beobachten, ihn also nicht vorzubestimmen". Auch in der Zusammenfassung am Ende des Berichts wird der Widerspruch zwischen Beobachtung und Lenkungsanspruch nicht aufgelöst. Jedenfalls müssen die Wörterbücher das entsprechende Markierungs- und Verweissystem beseitigen. Im Österreichischen Wörterbuch (s. Anhang zum vierten Bericht) werden die erheblichen Folgen dieser Maßnahme bereits sichtbar.
Im amtlichen Regelwerk ist übrigens nicht klar, ob Haupt- und Nebenvarianten nur bei Fremdwörtern vorgesehen sind (s. die Zeichenerklärung zum amtlichen Wörterverzeichnis; Beispiele wie "sodass, auch so dass" usw. sowie meinen Kritischen Kommentar). Sogar die Schweizer Berater haben offenbar angenommen, sie seien auch für heimische Wörter vorgesehen. Dem widerspricht nun die Kommission in ihrer Zusammenfassung:
"In der schweizerischen Stellungnahme heißt es: "Was den Einzelfall -fach betrifft, so wurde insbesondere von den Vertretern der Medien und der Verwaltung empfohlen, die Schreibung mit Bindestrich zur Hauptvariante zu machen." Da es bei heimischen Wörtern keine Unterscheidung von Haupt- und Nebenvarianten gibt, sieht die Kommission in diesem Fall keinen Bedarf, ihren Vorschlag zu verändern."

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 13.02.2004 um 16.21


Zur Getrennt- und Zusammenschreibung
Die Kommission erkennt an, daß die Liste von Partikeln, die mit dem Verb zusammengeschrieben werden müssen ("trennbare Verben"), unvollständig ist. Im ersten Bericht hatte sie schon einmal vorgeschlagen, diese Liste überhaupt zu öffnen. Nun soll es doch bei einer geschlossenen Liste bleiben, es werden aber 13 Partikeln und einige verkürzte Varianten hinzugefügt.
"Um den Charakter einer geschlossenen Liste zu gewährleisten, müsste die Liste um die folgenden fehlenden Partikeln bzw. Partikelvarianten ergänzt werden: dahinter-, d(a)rauf-, d(a)rauflos-, d(a)rin-, d(a)rüber-, d(a)rum-, d(a)runter-, davor-, draus-, hinter-, hinterdrein-, nebenher-, vornüber-."
Diese Liste ist schwer zu verstehen, denn drei der verkürzten Formen waren bereits in der originalen Partikelliste des amtlichen Regeltextes enthalten. Verglichen mit dem Rechtschreibduden von 1991 ergeben sich folgende Ergänzungen:
dahinterklemmen
dahinterknien
dahinterstecken
dahinterstehen
daraufgehen (? im alten Duden keine Zusammenschreibung mit darauf)
*darauflosgehen (im alten Duden darauf losgehen)
darauffolgend
darin (? im alten Duden keine Zusammenschreibung mit darin)
darüberfahren
darübermachen
darüberschreiben
darüberstehen
drüber (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darüber erschließbar)
darumkommen
darumlegen
darumstehen
drum (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darum erschließbar)
darunterfallen
darunterliegen
drunter (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darunter erschließbar)
davorhängen
davorliegen
davorschieben
davorstehen
draus (? im alten Duden keine Beispiele; DUW hat drausbringen, drauskommen)
hinterbringen ('nach hinten bringen')
hinteressen (mundartl. 'unwillig essen')
hinterhaken
hinterschlingen
hinterschlucken
hinterdreinlaufen (im alten Duden nur als Muster weiterer Verbindungen angegeben)
nebenherfahren
nebenhergehen
nebenherlaufen
vornüberbeugen
vornüberfallen
vornüberkippen
vornüberstürzen (im alten Duden als Muster für weitere Verbindungen angegeben)

Wichtiger als diese Einzeleinträge ist aber, daß es sich um ungemein produktive Muster handelt, nach denen Hunderte von Partikelverben gebildet werden. Ihre Wiederzulassung bedeutet daher schon mengenmäßig einen folgenreichen Eingriff.
Die seit 1996 vorgesehene Getrenntschreibung solcher Verben wird nunmehr falsch. Damit ist auch die Behauptung der Kommission und der Kultusministerien widerlegt:
"Durch die Änderungen werden bisherige Schreibweisen nicht falsch." (Beschlußvorlage der KMK vom 14.1.2004)
Das ist die unvermeidliche Folge, wenn man geschlossene Listen ändert.
Als "verlässliches Kriterium" der Identifikation trennbarer Verben gegenüber adverbialen Fügungen wird die Nichtunterbrechbarkeit eingeführt: dabeisitzen vs. dabei (auf dem Stuhl) sitzen. Dies ist jedoch nur eines unter mehreren von der Kritik ausführlich begründeten Merkmalen und keineswegs so "verlässlich", wie die Kommission meint. Besonders die Verbpartikel mit ist bekanntlich erweiterbar bzw. verschiebbar, aber auch zurück und einige andere, vgl.: Schreiber hat Max Strauß oft mit auf Reisen genommen. (SZ 10.1.2004) Hier liegt zweifelsfrei das Partikelverb mitnehmen vor.
Zu § 34 E3 (3): Die willkürliche, völlig unverständliche obligatorische Getrenntschreibung von adjektivischen Verbzusätzen, die auf -ig, -isch oder -lich enden, wird weiterhin mit einer angeblichen Entsprechung zu Adverbialien gerechtfertigt: richtig stellen wie freundlich grüßen. Die beiden Typen von "Kombinationen" (wie es vage heißt) sind ganz unvergleichbar, gerade nach dem grammatischen Maßstab, den die Kommission sonst überall zur Geltung bringen will. Deshalb kann auch von einer nunmehr geschaffenen "Ausnahmslosigkeit" der Regel keine Rede sein, denn es gibt überhaupt keine Regel, die derart Unvergleichbares zusammenfaßt.

Zu § 34 (3), § 34 E3 (5), § 55 (4): Hier geht es um die Fälle
Leid tun
Not tun
Pleite gehen
Bankrott gehen
Kopf stehen
Eis laufen
Acht geben
Recht haben
Unrecht haben

Sie werden weiterhin unter dem Titel "Substantiv + Verb" abgehandelt, obwohl der Fehler der Reform gerade darin besteht, daß es sich teilweise gar nicht um Substantive handelt. Die Kommission behauptet nun, "dass die Wortartzugehörigkeit bei einigen Bestandteilen nicht ohne weiteres klar ist". Sie räumt ein, daß neben Leid tun auch leidtun geschrieben werden könne (nicht aber leid tun, wie bisher üblich), versteigt sich aber zu der abenteuerlichen These:
"Der Bestandteil Leid bzw. leid in der Verbindung mit dem Verb tun ist hinsichtlich der Wortart grammatisch weder synchron noch diachron zu bestimmen."
Spätestens bei der mittelhochdeutschen Lektüre erfährt der angehende Germanist, was für ein Wort leid ist; man kann es auch in allen besseren Wörterbüchern nachlesen. Es handelt sich um ein altes Adjektiv, das als solches nur noch in Dialekten gebräuchlich ist, adverbial im Komparativ leider vorliegt und genau parallel zu weh, wohl, gut mit tun verbunden wird. Die Großschreibung Leid tun (so Leid es mir tut) ist und bleibt grammatisch falsch. Die Analogie zu kundtun (ebd.) ist irrig, da kund hier ein Resultativzusatz ist.
In der Stellungnahme der Schweizer EDK wird die Neuschreibung leidtun abgelehnt, unter Hinweis auf wie leid es ihr tut wird für die bisherige Getrenntschreibung plädiert. Auch die Schweizer wagen es nicht, eindeutig auf die grammatikalische Verkehrtheit der Großschreibung Leid tun hinzuweisen. Ihr Vorschlag wird aber von der Kommission zurückgewiesen, die abschließend noch einmal ihren grammatikalischen Irrtum bekräftigt:

"... würde damit für einen Einzelfall eine Schreibung wiederbelebt, die es für diesen Typ (Substantiv + Verb) in der neuen Regelung nicht mehr gibt: Getrenntschreibung des Substantivs mit Kleinschreibung." (S. 52)
Dieser Satz wird nur verständlich, wenn man sich einer Maxime erinnert, die in der Vorgeschichte der Rechtschreibreform von dem österreichischen Ingenieur und Amateurlinguisten Eugen Wüster ersonnen wurde: "Entweder groß und getrennt oder klein und zusammen!" Sie liegt der immer weiter getriebenen Großschreibung in der gegenwärtigen Reform zugrunde, obwohl sie gar nicht ausdrücklich in das amtliche Regelwerk eingegangen ist.
Pleite gehen und Bankrott gehen werden mit einer angeblichen Analogie zu Gefahr laufen und Schlange stehen gerechtfertigt. Die richtige Analogie wäre kaputt, verloren, verschütt, entzwei gehen (mit oder ohne Zusammenschreibung, das ist hier unwesentlich). Es handelt sich um einen adjektivischen Resultativzusatz. Mit Substantiven kann gehen nicht verbunden werden. Derselbe Einwand gilt, wenn die Kommission schreibt:
"Die in der früheren Regelung daneben bestehenden Möglichkeiten der Getrenntschreibung mit Kleinschreibung des Substantivs (z. B. diät leben, ich lebe diät) bestehen nicht mehr."
Schon früh ist darauf hingewiesen worden, daß hier ein Mißverständnis vorliegt: diät ist adverbial gebraucht, Ich lebe diät antwortet auf die Frage Wie leben Sie?, nicht Was leben Sie?
Das grammatisch falsche Recht bzw. Unrecht haben (vgl. wie Recht du doch hast!) soll offenbar beibehalten werden, es wird nicht nochmals erwähnt. Dasselbe gilt für Not tun (und das gänzlich absurde Not sein: Schifffahrt ist Not) und das archaisierende Acht geben. Im dritten Bericht war bereits erwogen worden, auch nottun zur Wahl zu stellen: "Die frühere Schreibung not tun (getrennt und klein) sollte nicht wiederbelebt werden." Ebenso pleitegehen oder Pleite gehen, aber nicht mehr pleite gehen; inacht nehmen oder in Acht nehmen, aber nicht mehr in acht nehmen usw. Das fragwürdige Verfahren, die bisher übliche Schreibweise zu verbieten und statt ihrer zwei andere zur Wahl zu stellen, wird bekanntlich auch bei von seiten praktiziert. Dies gibt es nicht mehr, man hat nur die Wahl zwischen vonseiten und von Seiten.

Zu § 36 E2:

"Es ist als ein Hauptfehler der Neuregelung bezeichnet worden, für Verbindungen mit Partizipien automatisch ausschließlich Getrenntschreibung vorzusehen, wenn eine entsprechende Fügung im Infinitiv vorliegt, z. B. Zeit sparend wegen Zeit sparen, allein stehend wegen allein stehen."
Diesen Hauptfehler räumt die Kommission ein:
"Diese Regelung lässt die Komparierbarkeit der ganzen Verbindung in bestimmten Fällen außer Acht und trägt auch den sich aus der Substantivierung ergebenden Aspekten nicht ausreichend Rechnung.
Die Steigerungsmöglichkeit des Ganzen bringt aber zwangsläufig auch bei Getrenntschreibung des Infinitivs die entsprechende zusammengeschriebene Form des Positivs vom Partizip als regelkonforme Schreibungsvariante mit sich, also z. B. zeitsparend wegen ein zeitsparenderes Verfahren, das zeitsparendste Verfahren; schwerwiegend wegen schwerwiegendere Vorwürfe, die schwerwiegendsten Vorwürfe. Die Kommission unterbreitet einen Lösungsvorschlag, der versucht, die Schreibung von Verbindungen mit Partizipien durch eine Erweiterung von § 36 E2 zu flexibilisieren.
Der Vorschlag nimmt die Kritik wie folgt auf: Es wird explizit vorgeführt, dass aus der Regelstruktur des Regelwerks für komparierbare Verbindungen zwei Schreibungen logisch ableitbar sind und dass beide Schreibungen auch tatsächlich zugelassen sind (z. B. Zeit sparend/zeitsparend).
Für nichtkomparierbare Fügungen lässt sich im Unterschied zu den komparierbaren aus dem amtlichen Regelwerk nur eine einzige Schreibung ableiten, also z. B. nur allein stehend (und nicht auch alleinstehend). Im Wörterverzeichnis sind in einigen Fällen auch Varianten mit Zusammenschreibung aufgenommen worden, und zwar unter Berufung auf § 37(2), wo die Zusammenschreibung von Substantivierungen behandelt wird. Das führt zu Schreibungen wie den folgenden:
das Kleingedruckte oder das klein Gedruckte, aber attributiv nur: das klein gedruckte Werk, die Alleinstehenden oder die allein Stehenden, aber attributiv nur: die allein stehenden Personen.
Dass in Verbindungen wie die Alleinstehenden oder das Kleingedruckte eine Neigung zur Zusammenschreibung besteht, hat aber nichts mit Substantivierung zu tun, es ist vielmehr Univerbierung schon im zugrunde liegenden attributiven Gebrauch anzunehmen. Dementsprechend wird eine zusätzliche Erweiterung von § 36 E2 vorgeschlagen, die auch für nichtkomparierbare partizipiale Verbindungen - unabhängig vom syntaktischen Kontext - die Zusammenschreibung als Variante zulässt.
Diese weit gehende Freigabe der Schreibung bei Verbindungen mit Partizip bringt im Ergebnis für die Schreibenden eine gewisse Erleichterung durch hinzugewonnenen Entscheidungsspielraum, zwingt aber andererseits die Wörterbuchredaktionen, alle einschlägigen Fälle an mehreren Stellen aufzuführen."
Die Kommission macht sich also einige, wenn auch keineswegs alle Argumente der Kritiker zu eigen, vor allem die gesamthafte Steigerbarkeit. Nach jahrelangem Sträuben gibt sie zu, daß nicht nur die komparierten Formen (zeitsparender), sondern bereits der zugehörige Positiv (zeitsparend) zusammengeschrieben wird (neben dem anders gebauten Syntagma [viel] Zeit sparend). Andere Argumente, wie der Hinweis auf den prädikativen Gebrauch, werden nicht aufgegriffen, neuerdings verbreitete Fehlschreibungen wie Das Verfahren ist Zeit sparend also nicht ausgeschlossen. Der langjährige Vorsitzende der Kommission, Gerhard Augst, rühmte laut Zeitungsberichten sogar, nun sei die Unterscheidung die Frau ist alleinstehend vs. das Haus ist allein stehend wieder möglich (Schwäbische Zeitung 5.2.2004) - ohne zu bemerken, daß der zweite Satz grammatisch falsch ist. Der dritte Bericht war hier schon weiter; er erklärte, daß Diese Investition ist Gewinn bringend "kaum akzeptierbar" sei. Unklar ist auch, warum vom "zugrunde liegenden attributiven Gebrauch" gesprochen wird: alleinstehend, kleingedruckt sind auch prädikativ zusammengeschrieben. Und einen "Positiv vom Partizip" gibt es genau genommen nicht, weil Partizipien als Verbformen nicht gesteigert werden, wohl aber die daraus konvertierten Adjektive.
Daß die Kommission das Argument bezüglich des prädikativen Gebrauchs bis heute nicht verstanden hat, zeigt sich in einem grammatischen Schnitzer, der ihr an anderer Stelle unterläuft:
"... dass die Umsetzung der Rechtschreibregelung in den Korrekturprogrammen diverser Softwareproduzenten nicht zufrieden stellend (!) sei." (S. 55)
Hier muß es zweifellos zufriedenstellend heißen, das auch in einigen neuen Wörterbüchern (z. B. Duden Universalwörterbuch) entgegen dem amtlichen Regelwerk wiederhergestellt ist. Die Kommission gebraucht auch, wie im Zitat erkennbar, durchweg die Getrenntschreibung weit gehende Freigabe usw., was zumindest linkisch wirkt.
Die Kommission kommt außerdem zu der Einsicht, daß nicht nur komparierbare Zusammensetzungen, sondern auch andere wie kleingedruckt, alleinstehend, alleinerziehend, ratsuchend wiederhergestellt werden müssen. Die lange Zeit von ihr verfochtene These, Zusammenschreibung trete erst bei Substantivierung (Ratsuchende) ein, wird ausdrücklich widerrufen. Darauf hatten die Schweizer Kommissionsmitglieder Gallmann und Sitta schon seit 1996 gedrängt, um einen von Augst ständig wiederholten Fehler zu korrigieren, so z. B. noch in Augst/Dehn: Rechtschreibung und Rechtschreibunterricht. Stuttgart 1998, S. 140. Die neue Einsicht ist gleichlautend schon im folgenlosen dritten Bericht enthalten.
Dennoch gelangt die Kommission nicht zu einer sprachgerechten Lösung:
"Eine weitere Änderung ergibt sich in Bezug auf § 36(2). Hier sind die Beispiele wie folgt zu ergänzen:
... vieldeutig; der schwerwiegendere Vorwurf, die zeitsparendste Lösung"
Das amtliche Regelwerk sieht nach dieser Korrektur so aus:
"§ 36 (2) Zusammensetzungen, bei denen der erste oder der zweite Bestandteil in dieser Form nicht selbständig vorkommt, zum Beispiel:
einfach, zweifach; letztmalig, redselig, saumselig, schwerstbehindert, schwindsüchtig; blauäugig, großspurig, kleinmütig, vieldeutig; der schwerwiegendere Vorwurf, die zeitsparendste Lösung"
Der eigentliche Grund der Zusammenschreibung ist aber nicht, daß "der erste oder der zweite Bestandteil in dieser Form nicht selbständig vorkommt", sondern daß schwerwiegendere und zeitsparendste Steigerungsformen von schwerwiegend und zeitsparend sind. Zu wasserabweisend kann man einen Komparativ bilden, und der zweite Bestandteil kommt auch selbständig vor: noch abweisender, aber eben nicht noch Wasser abweisender. Hier geht es um Syntax und nicht um morphologische Zufälligkeiten wie das selbständige Vorkommen.
Bedenkt man, daß diese Korrektur auch die vielkritisierten Neuschreibungen Eisen verarbeitend, Erdöl produzierend, Wasser abweisend usw. erfaßt, so erkennt man einen durchgreifenden Änderungsbedarf in den reformierten Wörterbüchern. Allerdings ist ein Teil der Korrekturen unterderhand schon in die Neubearbeitungen von 1999/2000 eingearbeitet worden, die insofern schon längst nicht mehr der amtlichen Neuregelung entsprachen.
Obwohl die Kommission diese Fälle nicht erwähnt, stehen auch die obligatorischen Neuschreibungen frisch gebacken, selbst gemacht, viel gereist und so genannt nun zur Disposition. Hier müssen überall die herkömmlichen Schreibweisen wiederhergestellt werden; es fehlt lediglich noch die Einsicht in die Erfordernisse des prädikativen Gebrauchs, dann haben wir wieder genau denselben Zustand wie vor der Reform.
Während der dritte Bericht noch ausführlich auf die äußerst problematischen Fälle hoch (hoch empfindlich), wieder (wieder herrichten/wiederherstellen) und wohl (wohl schmeckend/wohlriechend) einging, schweigt der vierte Bericht sich darüber aus. Das bedeutet aber kaum, daß hier keine Änderungen ins Auge gefaßt würden; der Klärungsbedarf wurde seinerzeit nicht bestritten.
Deutlicher als aus den Vorschlägen zum Paragraphen 36 geht die Richtung der geplanten Veränderungen aus dem Anhang hervor. Er zeigt am Österreichischen Wörterbuch, daß Komposita wie dichtbesiedelt wiederhergestellt sind, ja sogar das vom Regelwerk immer noch ausdrücklich verbotene durcheinanderredend wird rehabilitiert. Da nicht anzunehmen ist, daß das - in der Kommission durch den Vorsitzenden Karl Blüml und Ulrike Steiner vertretene - ÖWB die neuen Vorschläge mißverstanden hat, scheint die Darstellung der Vorschläge unvollständig zu sein. Es bleibt abzuwarten, ob neben Zusammensetzungen mit -einander auch solche mit -ig wiedereingeführt werden; immerhin findet man ja im amtlichen Wörterverzeichnis seit je die Ausnahme richtiggehend; daraus ließe sich analog zu jenem erratischen gewinnbringend ein neu-alter Regelkomplex ableiten.
Die amtliche Neuregelung kannte den Begriff der "Univerbierung" nicht, erst im dritten Bericht wurde er eingeführt. Sobald die Kommission damit Ernst macht, kann sie auf die umständlichen und unsicheren, Schülern ohnehin kaum zumutbaren grammatischen Gedankenexperimente mit "Steigerbarkeit" usw. verzichten und schlicht anerkennen, daß die Sprachgemeinschaft zahllose Wörter wie alleinstehend, selbstgebacken und sogenannt geschaffen hat, denen die Neuregelung zu Unrecht den Garaus machen wollte.
Auch ist noch nicht klar, wie das nun durchaus wieder ableitbare "univerbierte" verlorengegangen, ernstgemeint usw. sich auf die Bestimmungen zu den Verben nach § 34 auswirkt. Jedenfalls ist das ganze, seinerzeit von Burkhard Schaeder in ausdrücklichem Kampf gegen die Sprachentwicklung erdachte Gebäude der Getrennt- und Zusammenschreibung ins Rutschen gekommen, und es läßt sich noch gar nicht absehen, wo es zur Ruhe kommen könnte.

Schreibung mit Bindestrich

Zu § 40 (3), § 41: Für Formen wie 8fach wird analog zur Neuschreibung 8-mal nun eine Variante mit Bindestrich vorgesehen: 8-fach. Als Grund gibt die Kommission an, daß "der Wortbestandteil einer Grauzone zwischen unselbstständigem Grundmorphem und Suffix zuzuordnen" sei.
Im amtlichen Regeltext kommt allerdings weder der Begriff "Morphem" noch gar der des "Grundmorphems" vor. Die Neuregelung des Bindestrichs war bisher ausschließlich auf den Gegensatz von Zusammensetzung und Ableitung aufgebaut. Solange die neuartige Begrifflichkeit der "unselbstständigen Grundmorpheme" nicht definiert ist, läßt sich nicht absehen, ob es mit -fach sein Bewenden haben kann.
Die Kommission will außerdem einen Fehler beheben, den sie als mißverständliche Formulierung darstellt. Diese Formulierung habe dazu geführt,
"dass viele gedacht haben, dass eine doch relativ übersichtliche Verbindung wie das Inkrafttreten neu nur noch mit Bindestrichen geschrieben werden dürfte: das In-Kraft-Treten."
Zu diesen vielen gehörte immerhin die Dudenredaktion, trotz intensiver Beratungsgespräche mit der Kommission.
Zum Bindestrich werden noch eine Reihe weiterer Änderungen vorgeschlagen, die aber mehr redaktioneller Art und linguistisch uninteressant sind. Es bleibt übrigens bei der Unstimmigkeit, daß Erstglieder auf -ig, -isch und -lich mit Bindestrich in Zusammensetzungen eingehen (wissenschaftlich-technisch), im übrigen aber nach § 36 von Zusammensetzungen ausgeschlossen sind.


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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 13.02.2004 um 16.18



Zur Groß- und Kleinschreibung

"Der Vorwurf der Inkonsequenz der Neuregelung bezieht sich vor allem auf die Kleinschreibung von flektierten Adjektiven in festen Verbindungen aus Präposition und dekliniertem Adjektiv vom Typ vor kurzem, ohne weiteres.
DISKUSSION
Die Kleinschreibung wurde damit begründet, dass diese Verbindungen solchen ohne Flexion nahe kommen. Da substantivierte Adjektive aber auch ohne Artikel und nur mit Präposition auftreten können (z. B. Er steht Neuem misstrauisch gegenüber; sie bevorzugt Süßes; wir verpflegen uns mit Süßem und Salzigem), kann man auch Adjektive in festen Verbindungen aus Präposition und Adjektiv als Substantivierungen auffassen, sofern ihr substantivischer Status nach dem für die Neuregelung maßgebenden morphosyntaktischen Kriterium erkennbar ist, was sich in der Flexion des Adjektivs ausdrückt.
Deshalb kann man diese Adjektive nach § 57(1) auch großschreiben. Es handelt sich um etwa fünfzehn Wendungen dieses Typs, die allerdings in Texten teilweise eine relativ hohe Frequenz aufweisen, z. B. vor kurzem, seit kurzem, binnen kurzem, seit langem, vor langem, seit längerem, vor längerem, von nahem, von neuem, seit neuestem, von weitem, bei weitem, bis auf weiteres, ohne weiteres.
FAZIT
Die Kommission schlägt vor, bei festen Verbindungen aus Präposition und dekliniertem Adjektiv künftig neben der Kleinschreibung auch die Großschreibung des entsprechenden Adjektivs zuzulassen und die Angaben unter § 58(3) folgendermaßen zu ändern:
[§ 58: In folgenden Fällen schreibt man Adjektive, Partizipien und Pronomen klein, obwohl sie formale Merkmale der Substantivierung aufweisen.]
(3) bestimmte feste Verbindungen
(3.1) aus Präposition und nichtdekliniertem Adjektiv ohne vorangehenden Artikel, zum Beispiel:
Ich hörte von fern ein dumpfes Grollen. Die Pilger kamen von nah und fern. Die Ware wird nur gegen bar ausgeliefert. Die Mädchen hielten durch dick und dünn zusammen. Das wird sich über kurz oder lang herausstellen. Damit habe ich mich von klein auf beschäftigt. Das werde ich dir schwarz auf weiß beweisen. Die Stimmung war grau in grau.
(3.2) aus Präposition und dekliniertem Adjektiv ohne vorangehenden Artikel.
In diesen Fällen ist jedoch auch die Großschreibung des Adjektivs zulässig, zum Beispiel:
Aus der Brandruine stieg von neuem/Neuem Rauch auf. Wir konnten das Feuer nur von weitem/Weitem betrachten. Der Fahrplan bleibt bis auf weiteres/Weiteres in Kraft. Unsere Pressesprecherin gibt Ihnen ohne weiteres/Weiteres Auskunft. Der Termin stand seit längerem/Längerem fest. Die Aufgabe wird binnen kurzem/Kurzem erledigt."
Der "Vorwurf der Inkonsequenz" ging diesmal nicht von den Reformkritikern aus, sondern von dem Schweizer Kommissionsmitglied Peter Gallmann. Er hat sich nun offenbar mit seiner Forderung nach Rückkehr zur weitestgehenden Großschreibung, wie im 19. Jahrhundert eine Zeitlang üblich, durchgesetzt.
Es ist nicht einzusehen, daß die Flektiertheit eines Adjektivs ein Kriterium für seine Substantiviertheit sein soll: bei Weitem. Die Grammatik, die solche Begründungen liefert, muß wohl erst noch geschrieben werden. Andererseits ist das Fehlen von Flexionsendungen kein ausreichendes Argument für nicht-substantivischen Charakter, denn Artikel- und Flexionslosigkeit kommt auch in eindeutig substantivischen Paarformeln bzw. vollständigen Aufzählungen vor: das Märchen von Hase und Igel (statt vom Hasen und Igel). In diesem Sinne kann man Nietzsches Buchtitel Jenseits von Gut und Böse verstehen, wo jedoch nach der Reform Kleinschreibung obligatorisch vorgeschrieben ist, obwohl hier weit eher vom Guten und vom Bösen die Rede ist als in der Floskel bei Weitem von einem "Weiten". Im Widerspruch dazu sieht die Reform Großschreibung bei für Jung und Alt, für Groß und Klein (ohne Flexion!) vor. Dieser Widerspruch wird durch die Änderungsvorschläge unerträglich zugespitzt. Es ist im Bericht nicht hinreichend begründet, warum nicht auch durch Dick und Dünn, über Kurz oder Lang usw. geschrieben werden soll.
Schwerer wiegt aber der Einwand, daß die neu verordnete Großschreibung das ist bei Weitem besser usw. vollkommen sinnwidrig ist. Das "Weite", das hier erwähnt zu sein scheint, gibt es ja so wenig wie das "Öftere" in der neuerdings groß zu schreibenden Wendung des Öfteren. Die Heraushebung eines vermeintlichen Gegenstandes aus der rein adverbial fungierenden Wendung ist textsemantisch widersinnig und überaus rückständig. Niemand hat in den letzten hundert Jahren so geschrieben, die Neuerung entspringt allein dem "Konsequenz"-Streben eines Grammatikers und nicht der Beobachtung von Schreibbrauch und Fehlerhäufigkeit. (Erst die Rechtschreibreform hat entsprechende Fehlschreibungen hervorgebracht, wie die Kommission sie nun nachträglich legitimieren will.)
Eine überholte Schreibweise des 19. Jahrhunderts ist auch die wiederbelebte Großschreibung der Eine, der Andere, die Meisten usw. Sie soll möglich sein, wenn, wie es seltsamerweise heißt, "der Schreibende zum Ausdruck bringen will, dass das Zahladjektiv substantivisch gebraucht ist". Schreibende wollen gewöhnlich einen bestimmten Sinn zum Ausdruck bringen, nicht eine Wortart.
Gallmann hat ja auch schon vorgeschlagen, in elliptischen Konstruktionen die Großschreibung einzuführen: das rote Kleid oder das Grüne. Es liegt auf der Linie seines rigorosen Denkens, daß nach den Meisten auch die substantivisch gebrauchten Pronomina demnächst groß geschrieben werden: ein Buch für Alle und Keinen usw. All dies hat es schon gegeben, und es läßt sich durchaus begründen, aber es führt natürlich weit zurück hinter die moderne leserfreundliche Entwicklung, die alles pronominale Beiwerk durch Kleinschreibung in den Hintergrund drängt.
Der österreichische Beirat will die von Wüster vorgeschlagene Großschreibung (bei Weitem usw.) sogar als "einzige Variante" (sic!) festlegen lassen. (S. 65) Die Kommission weist dieses Ansinnen jedoch zurück.
Die Kommission erkennt nunmehr an, daß in der Sprachgemeinschaft eine "offensichtliche Tendenz" besteht, feste Gruppen aus Adjektiv und Substantiv durch Großschreibung als Begriffseinheiten zu kennzeichnen. Dem wollte die Neuregelung entgegenwirken, indem sie die Kleinschreibung erste Hilfe, schwarzes Brett usw. vorschrieb. Die Nachrichtenagenturen und Zeitungen folgten dem nicht, und auch sonst ist der Widerstand gegen diese sprachwidrige Normierung so stark, daß die Kommission seit geraumer Zeit die Klausel nutzt, Fachsprachen seien von der Rechtschreibreform ohnehin nicht betroffen. Der führende Reformer Augst hatte schon vor Jahren geäußert, die Erste Hilfe könne als Fachausdruck auch groß geschrieben werden. Eine ähnliche Ausflucht fand sich im dritten Bericht zur Getrenntschreibung: Während das amtliche Wörterverzeichnis ausdrücklich das Hohe Lied*, der Hohe Priester* § 60(3.3) vorschrieb, behauptete die Kommission nun, auch das Hohelied und der Hohepriester seien korrekt, da "fachsprachlich". Aber wozu dann die Änderungen und die Sternchen-Markierung?
Die Anerkennung von "Begriffseinheiten" (Nominationsstereotypen) war der richtige Weg; leider ist die Kommission nicht so konsequent, dieser Einsicht zu folgen und die am Ende doch wieder aufgeweichte Beschränkung auf "Fachsprache" aufzugeben. Das Schwarze Brett ist nichts Fachliches, und doch wird es aus Gründen, die der Kommission offenbar bekannt sind, zweckmäßigerweise groß geschrieben.
Als regeltechnisch fehlerhaft muß man den Schlußsatz der vorgeschlagenen Neufassung bezeichnen:
"Im nichtfachsprachlichen Zusammenhang ist die Kleinschreibung der Adjektive in solchen Wortgruppen der Normalfall."
Das ist nur als eine vage statistische Aussage über den Schreibbrauch sinnvoll, nicht als Handlungsanweisung. In einem orthographischen Regelwerk haben solche Aussagen nichts zu suchen.

Zeichensetzung

Hier werden keine Änderungen ins Auge gefaßt.
Daß die neue Kommasetzung besonders beim Infinitiv nicht gelungen ist, weiß inzwischen jeder. Aber die Kommission schreibt:
"Der Vorschlag, bei Infinitivgruppen mit bestimmten Einleitewörtern immer ein Komma zu setzen, kommt denjenigen Schreibenden entgegen, die klare mechanische Regelungen schätzen, da sie ihnen die Entscheidungen abnehmen."
Hier werden Schreibende diffamiert, die genau das wünschen, was die Neuregelung sich an so vielen anderen Stellen zu bieten rühmt: klare Regeln, die sozusagen idiotensicher auch den "Wenigschreiber" zu korrektem Schreiben befähigen. Eine solche Regel ist zum Beispiel jene, die obligatorisch Getrenntschreibung bei Wörtern auf -ig, -isch und -lich vorschreibt, ohne Rücksicht auf syntaktische Unterschiede, die als allzu feingesponnen dargestellt werden.
"Kennzeichnend für die Neuregelung ist, dass sie die kommunikative Funktion der Satzzeichen betont: Satzzeichen dienen dazu, "einen geschriebenen Text übersichtlich zu gestalten und ihn dadurch für den Lesenden überschaubar zu machen", heißt es in den Vorbemerkungen zum Abschnitt E (Zeichensetzung) des amtlichen Regelwerks. Die Schreibenden können "mit den Satzzeichen besondere Aussageabsichten oder Einstellungen zum Ausdruck bringen oder stilistische Wirkungen anstreben". Mit dieser Kennzeichnung der Funktion sind Spielräume des Gebrauchs der Zeichen eröffnet, weil übersichtliche Gestaltung, Aussageabsichten, "stilistische Wirkung" per se nicht systematisch zu regeln sind."
Während nach übereinstimmender Ansicht der Orthographieforschung die Zeichensetzung im Laufe der Jahrhunderte weitgehend durchgrammatikalisiert worden ist, restituiert die Neuregelung eine "stilistische" bzw. rhetorische Zeichensetzung, besonders beim Komma. Das steht in eigenartigem Gegensatz zur sonstigen Bevorzugung grammatischer Kriterien. Die Schweizer Kommissionsmitglieder Gallmann und Sitta hatten deshalb schon in ihrem Handbuch Rechtschreiben (Zürich 1996) vorgeschlagen, weitestgehend zur bisherigen Kommasetzung zurückzugehen, konnten sich aber offenbar nicht durchsetzen. In der Praxis erleben wir nun, daß Kommata unter genau gleichen Bedingungen mal gesetzt und mal weggelassen werden (übrigens auch im vorliegenden Bericht, wo sogar ganz typische Kommafehler neuer Art unterlaufen, vgl. S. 25, S. 51 und S. 55; der dritte Bericht war noch fehlerhafter). Mit der Freiheit der Kommasetzung soll der professionell Schreibende Unterscheidungen ausdrücken können; es wird aber nicht gesagt, welche Unterscheidungen das sein könnten, da es zu diesem Bereich keine näheren Angaben gibt. Die Stilistik, die nun den leitenden Gesichtspunkt abgeben soll, wird nämlich weder im Regelwerk noch an anderer Stelle ausgeführt. Die Andeutung, man könne durch Kommas notwendige von weglaßbaren Infinitiven unterscheiden (S. 40), hat keine Grundlage im amtlichen Text und entspricht auch nicht den Gepflogenheiten der deutschen Sprache. Daher kann der Leser eines so interpungierten Satzes auch nicht ahnen, was der Schreibende damit zum Ausdruck bringen wollte. Der Schweizer Beirat weist diese Zumutungen denn auch zurück.

Worttrennung am Zeilenende

Bei der Silbentrennung werden keine Änderungen vorgeschlagen.

Um so überraschender wirkt es, daß die Kommission hier eine umfangreiche, mit Fachausdrücken gespickte Abhandlung über Morphem- und Silbengrenzen einschaltet, die offenbar nur der Auseinandersetzung des Reformers Gallmann mit anderen Theorien dient, ohne praktische Folgen für die Neuregelung. Eine Kommentierung ist daher eigentlich überflüssig. Nur einige Hinweise seien gestattet.
Die Kommission führt aus:
"Die Worttrennung am Zeilenende ist sowohl in ihrem Regelaufbau als auch in einzelnen Bestimmungen kritisiert worden. Die erste Umsetzung in den Wörterbüchern 1996 war teilweise unterschiedlich, sodass Irritationen entstanden. Unter Hinzuziehung der Kommission haben sich die marktführenden Wörterbücher auf eine einheitliche Handhabung der Regeln geeinigt und eine Einengung in Bezug auf die Schwankungsfälle morphologischer Trennungen bei Fremdwörtern vorgenommen. In den Schulen wird die Neuregelung als Erleichterung angesehen."
In der Tat hatte sich, wie ein Duden-Redakteur einmal schrieb, die eigentlich eher nebensächliche Silbentrennung zu einem Hauptproblem für die Wörterbuchredaktionen ausgewachsen. Die Kommission hat sich daraufhin zu intensiven Beratungsrunden mit den Redaktionen der "marktführenden Wörterbücher" getroffen und mit ihnen eine nichtveröffentlichte, 60seitige Liste von zulässigen Trennungen vereinbart (vgl. Sprachwissenschaft 2/2000, S. 150). An diesem Vorgehen ist zu beanstanden, daß nur solche Wörterbuchverlage beteiligt waren, die mit der Kommission bzw. dem Beirat für deutsche Rechtschreibung auch wirtschaftlich verbunden sind. Andere Wörterbuchverlage müssen warten, bis die exklusiv beratenen Marktführer (Duden und Bertelsmann sowie das ÖWB) ihre Produkte auf den Markt gebracht haben. Auch der Käufer und Benutzer kann die Zuverlässigkeit der Wörterbücher nicht überprüfen, solange die Liste nicht veröffentlicht ist.
"Kritik wurde an der Regelhierarchisierung geübt. Sie zielt darauf ab, in einem ersten Abschnitt die Trennung von Komposita und Präfigierungen zu behandeln und erst in einem zweiten Abschnitt die innermorphematische Trennung.
DISKUSSION
Es gibt immer verschiedene Darstellungsmöglichkeiten. Natürlich kann man sich auch für die linguistische Reihenfolge "Trennung an Morphemfugen - Trennung an Silbenfugen" entscheiden. Prototypisch für die Worttrennung ist jedoch nach dem Alltagsverständnis die Trennung nach "Silben". Dies zeigt sich auch daran, dass sowohl die im Vorfeld der II. Orthographischen Konferenz von 1901 auf Bundesstaatenebene erschienenen Regelwerke als auch die verschiedenen Dudenauflagen zunächst die Trennung nach "Silben" abhandeln, dann erst die morphologische. Insbesondere sprechen namentlich zwei Gründe für die im Regelwerk gewählte Anordnung:
- Trotz morphologischer Segmentierbarkeit fallen bei einer (begrenzten) Anzahl von Komposita und Präfigierungen Morphem- und Silbenfuge nicht zusammen, vgl. hin-auf vs. hi¦nauf, be-ob-achten vs. beo¦bachten (¦ markiert die Silbenfuge).
- Bei einer Hintanstellung der Trennung an Morphemfugen entfällt die Notwendigkeit eines Vorgriffs auf später folgende Regeln, vgl. § 111 E1, E2 und § 112.
FAZIT
Da das Regelwerk in seiner Darstellung alle notwendigen Aussagen enthält und diese auch hinreichend sind, besteht kein Änderungsbedarf."
Hier wird offensichtlich unlauter argumentiert. Kritiker haben in der Tat gefordert, zuerst die Trennung der Zusammensetzungen zu behandeln. Es ist jedoch nicht zulässig, dafür unterderhand den Begriff "Trennung nach Morphemfugen" einzusetzen. Auch die Kritiker bleiben grundsätzlich bei der Silbentrennung und wollen keine Morphemtrennung einführen. Trennstellen bei Zusammensetzung sind nur ein Teil davon.
Und gerade die von der Kommission problematisierten Beispiele sind umstritten und werden widersprüchlich behandelt. Einerseits wird dem Schreibenden unterstellt, daß er Komposita wie hinauf, weil er sie gebunden spricht, auch nicht mehr als Komposita erkenne und daher silbisch trenne (hi-nauf), andererseits wird jedoch auf durchsichtiger Morphologie bestanden. Macht man die Trennung von der gebundenen Aussprache abhängig, so müßte auch für die vielen Sprecher, die Verein usw. gebunden sprechen, die entsprechende Trennung zulassen. Das ist jedoch ausdrücklich nur für vol-lenden vorgesehen.
Die Kommission geht auf die vielfach beanstandete Abtrennbarkeit einzelner Buchstaben (A-bend, Sitze-cke) ein. Im Sinne der Regeleinsparung will sie aber daran nichts ändern. Dies zeigt, daß ihr die rein formale Eigenschaft der "Ausnahmslosigkeit" mehr wert ist als der Sinn des Geschriebenen. Sie führt aus:
"Außerdem ergibt sich eine irreführende Trennung meist nur bei der isolierten, metakommunikativen Betrachtung eines Wortes, nicht jedoch beim normalen sinnentnehmenden Lesen eines fortlaufenden Textes."
Das Gegenteil ist richtig. Denn gerade bei der "metakommunikativen Betrachtung" stehen die getrennten Teile eng beeinander: Seeu-fer, so daß die Lesestörung bei weitem nicht so ins Gewicht fällt wie bei tatsächlichem Zeilenbruch.
Den Lernenden dürfte mit der neuen Regel kein Gefallen getan sein, aber immerhin trennt auch die KMK in ihrer Beschlußvorlage zur Rechtschreibreform vom 14.1.2004 zweimal Ü-bergang.
Bei der Ansetzung einer Trennstelle hu-sten, tä-tlich, die aber dann doch folgenlos bleiben soll, wird nur der Endrand des ersten Teils, nicht aber der Anfangsrand des zweiten berücksichtigt. Im Standarddeutschen beginnen Wörter nicht mit st- (sondern scht-) oder gar tl- usw.
Zur Fremdworttrennung wird ausgeführt:
"§ 110 findet seine Begründung in der schwankenden Aussprache eines Teils der Fremdwörter: Der dem Cluster vorangehende Vokal kann als Langvokal oder als Kurzvokal realisiert werden. Während bei Langvokal die präferierte Silbengrenze vor dem Cluster liegt (vgl. die Diskussion oben), ist sie bei Kurzvokal zwischen den beiden Segmenten anzusetzen, zum Beispiel:
bei Langvokal: bei Kurzvokal:
Zy¦klus Zyk¦lus
E¦kloge Ek¦loge
Ma¦gnet Mag¦net
A¦frika Af¦rika"
Solche phonetischen Begründungen sind aber in der amtlichen Neuregelung nicht zu finden, sie scheinen von Gallmann erst neuerdings hinzukonstruiert zu sein. Die Neuregelung bietet den entsprechenden Paragraphen vielmehr einfach als Zugeständnis an die Tradition (letztlich die Muta-cum-liquida-Regel der antiken Sprachen).

Zusammenfassung
Abschließend läßt sich der vierte Bericht folgendermaßen charakterisieren: Die Fehlerhaftigkeit der Neuregelung wird zwar eingestanden, doch sollen - wohl mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen der Verlage - keine falschen Schreibweisen zurückgenommen werden. Vielmehr werden weitere "Varianten" eingeführt. Die zunehmende Beliebigkeit der Schreibweise wird als "Flexibilisierung" und Gewinn an "Freiheit" empfohlen und von den Beiräten begrüßt, obwohl sie der Sache nach dasselbe ist wie die "Zonen der Unsicherheit", die zu Beginn der Reform und im amtlichen Regeltext als Grundübel der bisherigen Rechtschreibung angegriffen worden waren. Noch 2001 konnte der Beirat die Vermehrung der Varianten mit dem Hinweis abwehren: "Variantenschreibungen setzen den Schreiber unter Entscheidungszwang und tragen in Ermangelung einer konsistenten Variantenführung häufig zur Verunsicherung bei."
Wo eine "Flexibilisierung" wirklich am Platze wäre, zum Beispiel bei der Zusammenschreibung mit Verbzusätzen, beharrt die Kommission auf geschlossenen Listen innerhalb des Regelwerks. Das führt dazu, daß Änderungen wie die nun vorgeschlagenen richtige Schreibweisen falsch und falsche richtig werden lassen. Außerdem hat die Partikelliste unter § 34, die im Laufe der Jahrzehnte immer wieder geändert worden war, inzwischen einen unzumutbaren Umfang erreicht und kann dennoch nur durch willkürliche Ausschließung weiterer Verbzusätze einigermaßen begrenzt werden.
Zu bedauern ist, daß die Kommission keine vollständige Neufassung derjenigen Paragraphen vorlegt, die besonders stark verändert werden sollen, also etwa § 36. Aus den zahlreichen Hinweisen auf Tilgungen, Ergänzungen und Verschiebungen läßt sich nur mühsam ein Gesamtbild konstruieren.
In der Öffentlichkeit ist als neue Regel hauptsächlich die ss-Schreibung angekommen. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht sind es jedoch die Getrennt- und Zusammenschreibung sowie die Groß- und Kleinschreibung, die am meisten Aufmerksamkeit und Kritik verdienen. Statt die Neuregelung in diesen beiden Bereichen entschlossen über Bord zu werfen, versucht sich die Kommission seit Beginn an Reparaturen. Diese haben inzwischen einen solchen Grad von Unübersichtlichkeit erreicht, daß es kaum noch möglich ist, die Regeln auf innere Konsistenz zu überprüfen, ganz zu schweigen von ihrer sachlichen Angemessenheit.
Auffällig bleibt der immer wieder geäußerte Wunsch der Kommission, die Wörterbuchverlage und Softwarehersteller stärker an die Kandare zu nehmen und bis in die letzten Einzelheiten von ständiger "Beratung" abhängig zu machen.

Zum Anhang

Die Stellungnahme der Schweizer EDK ist oben bereits weitgehend berücksichtigt.
An der knappen Stellungnahme des deutschen Beirates - kaum anderthalb Seiten - fällt auf, daß es dem Beirat weniger auf die sachliche Angemessenheit der Reform als auf ihre Durchsetzung anzukommen scheint:
"Der Beirat empfiehlt die Änderungen in einem Rahmen zu halten, bei dem die Auswirkungen der Regelmodifizierungen nicht zu einer erneuten öffentlichen Infragestellung der Neuregelung führen können." (S. 63)
In diesem Sinne übernimmt der Beirat auch die verhüllende, die Öffentlichkeit täuschende Sprachregelung, von "Präzisierungen" zu sprechen, wo Änderungen gemeint sind:
"Der Beirat fordert die deutschen Vertreter der Zwischenstaatlichen Kommission auf, sich bei den staatlichen Stellen intensiv dafür zu verwenden, dass die Kultusministerkonferenz frühzeitig im Frühjahr 2004 das Paket der Präzisierungen beschließt, damit genügend Zeit für die Umsetzung in Schulbüchern, Wörterbüchern, Zeitungen, Softwareprogrammen und anderen Publikationen bleibt." (S. 64)

Kann man Präzisierungen "umsetzen"? Nur wenn es in Wirklichkeit Änderungen sind. Und warum
sollten Präzisierungen so gravierenden Folgen haben, daß die Verlage usw. rechtzeitig darauf vorbereitet werden müssen?
Man muß dazu noch bedenken, daß die neuen Wörterbücher ja bereits in zahlreichen gemeinsamen Beratungsrunden mit der Zwischenstaatlichen Kommission bis ins kleinste Detail abgestimmt worden sind, so daß die Kommission feststellen konnte:
"Auf Betreiben und unter Mithilfe der Zwischenstaatlichen Kommission einigten sich die großen Wörterbuchverlage seither auf eine einheitliche Auslegung der amtlichen Regeln. Sie haben dies in den jeweils neuesten Auflagen ihrer Rechtschreibwörterbücher umgesetzt: Bertelsmann im März 1999, Duden im August 2000. Beide Nachschlagewerke sind damit zuverlässige Ratgeber in orthografischen Fragen." (Pressemitteilung der Kommission vom 17.8.2000)
Die Wörterbücher enthalten also bereits alles, was den Ansichten und Einsichten der Kommission entspricht. Was sollen dann weitere "Präzisierungen"?
Worum es wirklich geht, verrät der Beirat nochmals mit der Forderung:
"Der Wortlaut des § 58 E4 sollte aus der mehrheitlichen Sicht des Beirats keine Präzisierung erfahren."
Wie kann man etwas gegen Präzisierungen haben (die zudem von den Urhebern selbst für notwendig gehalten werden) - außer wenn es in Wirklichkeit geschäftsschädigende Änderungen sind?
Um nicht nur den Eindruck bedingungsloser Jasagerei zu erwecken, schaltet der deutsche Beirat eine scheinbar kritische Bemerkung ein: Die erweiterte Partikelliste solle auf ihre Kompatibilität mit § 34 überprüft werden. Die Kommission hat diese Überprüfung unternommen (die der Beirat natürlich innerhalb von zwei Minuten selbst hätte erledigen können) und kommt zu dem voraussehbaren Ergebnis, daß sich keine Inkompatibilität feststellen lasse.
Um die Stellungnahme des Beirats besser zu verstehen, muß man sich seine Zusammensetzung näher ansehen. Neben einigen eher blassen Vertretern von nur am Rande betroffenen Institutionen (zum Beispiel Deutsches Institut für Normung) sitzen im Beirat die großen Wörterbuchverlage und der einflußreiche Verband der Schulbuchverlage (jetzt VDS Bildungsmedien), der nach eigenen Angaben 400.000 Mark ausgegeben hat, um das schleswig-holsteinische Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform zu hintertreiben - vergeblich zunächst, bis ihm die Landtagsfraktionen doch noch den Gefallen taten, die Volksgesetzgebung zu annullieren. Es gibt ferner ein Mitglied, das offiziell die Lehrerorganisationen im Deutschen Gewerkschaftsbund vertritt, in Wirklichkeit aber eine Rechtschreibberatung für gehobene Ansprüche betreibt (siehe http://www.rechtschreibkurse.de).
Allerdings scheinen nicht alle Mitglieder den Beirat besonders ernst zu nehmen. Manche erscheinen gar nicht erst zu den Beratungen; bei der letzten Sitzung fehlten u. a. der Deutsche Journalistenverband und der Verband der Zeitungsverleger. Der deutsche Beirat hat keinen Vorsitzenden und unterzeichnet daher als einziger Beirat seine Stellungnahmen nicht namentlich.
Für die Kultusminister spielt der Beirat dennoch eine wichtige Rolle. Er fungiert als Surrogat jener "sprachinteressierten Öffentlichkeit", die zwar versprochen, aber nicht geschaffen worden war: "Besser, als einen Privatverlag stillschweigend Einzelfallentscheidungen treffen zu lassen, ist es allemal, wenn von jetzt an eine der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldende Expertengruppe systematische Lösungen sucht. (...) Anders als Verlagsredaktionen, die ihre orthographischen Entscheidungen nicht mitzuteilen und zu begründen brauchen, muss die Kommission ihre Empfehlungen und Vorschläge öffentlich vorlegen und vertreten. Sie ist damit für die engere wissenschaftliche und die weitere sprachinteressierte Öffentlichkeit kritisierbar." (Zwischenstaatliche Kommission bzw. IDS 1997)
Die Kultusminister behaupten, in diesem Beirat seien die "professionell Schreibenden" vertreten, also vor allem die Schriftsteller und die Journalisten. Jeder weiß, daß alle namhaften Schriftsteller und die meisten Journalisten die Rechtschreibreform ablehnen, aber durch ihre Zwangsvertretung im Beirat, vor der sie gar nichts wissen, haben sie ihr zugestimmt. Auch die Eltern deutscher Schüler haben der Reform und allen Änderungsvorschlägen zugestimmt - durch die Vertreterin des Bundeselternrates. Kritiker der ganzen Rechtschreibreform und damit die Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung sind im Beirat nicht vertreten.
Der österreichische Beirat wird praktischerweise von Dr. Fritz Rosenberger geleitet, demselben Regierungsvertreter, der auch für die Durchsetzung der Reform in Österreich verantwortlich ist.
Im Anhang des Berichts findet sich ein Abdruck der Buchstabenstrecke D aus dem Österreichischen Wörterbuch (ÖWB) mit den z. T. handschriftlich eingetragenen Änderungen, die sich laut 4. Bericht ergeben würden. (In der Internetversion des Berichts, die am 6.2.2004 von der Rechtschreibkommission ins Netz gestellt wurde, fehlt dieser Teil; eine originalgetreue Abbildung findet man unter http://www.rechtschreibreform.de/K4/OWB.) Obwohl eine Auszählung hier schwer ist, weil einerseits ganze Wortnester, andererseits nur einzelne Verweise geändert werden, ergeben sich weit über 100 Änderungen, was hochgerechnet rund 3.000 Änderungen im ganzen ÖWB bedeutet. Im Rechtschreibduden mit seinem größeren Stichwortbestand wären es etwa 4.000 Änderungen, im Großen Wörterbuch von Duden nochmals das Doppelte. Jedenfalls die Größenordnung dieser Schätzung dürfte stimmen. Daraus geht hervor, daß nach Billigung des vierten Berichts alle Wörterbücher usw. sofort neu bearbeitet werden müssen, wie es ja auch vom deutschen Beirat angedeutet wird.
Der Bericht soll nach dem Wunsch der Kultusminister der letzte seiner Art sein. In Zukunft soll die Kommission Regeländerungen nicht mehr nur vorschlagen, sondern in eigener Verantwortung einführen und durchsetzen und der KMK nur noch im Fünfjahresrhythmus darüber berichten. Nur Änderungen von grundsätzlicher Bedeutung sollen noch der Genehmigung bedürfen. Zweimal wird das Beispiel der "gemäßigten Kleinschreibung" genannt, aber es ist klar, daß es das einzige in Frage kommende ist: Die Kleinschreibung der Substantive wird von allen Kommissionsmitgliedern als Fernziel festgehalten.

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 13.02.2004 um 07.18

Zur Beiratssitzung gibt es zwar im vierten Bericht kein Protokoll, wohl aber im dritten. Damals waren der Vorsitzende und der Geschäftsführer während der ganzen zweitägigen Sitzung anwesend, der Rest der Kommission (außer Blüml) während der zweiten Hälfte; das Protokoll wurde von der Kommissionsassistentin Kerstin Güthert geführt. Zwar versteht sich der Beirat ohnehin als Unterstützerverein, aber unter den gegebenen Bedingungen war es natürlich ganz unmöglich, offen über die Qualität der Kommission und ihrer Leistung zu diskutieren. Es ist bekannt, daß Augst alle Register seiner Rhetorik zu ziehen vermag, um andere Leute über den Tisch zu ziehen. Bis seine unwahren Behauptungen entlarvt sind, ist das Ereignis längst vorbei. Ich habe es mehrmals erlebt (Rechtsausschuß des Bundestages, Mannheimer Anhörung).
Nochmals sei daran erinnert, daß der Beirat keinen Vorsitzenden hat und daher in keiner Weise organisiert ist oder geschlossen auftreten kann. Um so leichter ist es, ihn einzuwickeln, Bedenken zu zerstreuen usw.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 13.02.2004 um 07.09

Gerade mein Eintrag unter weitgehend, der ja schon Hinweise zur Steigerung enthält, kann noch etwas ausgebaut werden durch Beobachtungen, die ich unter weitblickend verwertet habe. Vielleicht läßt sich dann mit Verweisen arbeiten und das Ganze unter weit darstellen. Wir arbeiten dran.
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Th. Ickler


eingetragen von Detlef Lindenthal am 13.02.2004 um 06.54

neu „richtig“:
Bertelsmann (1996) weitgehend > weit gehend
Duden _21 (1996) weitgehend
Naumann & Göbel (1996) weit gehend, auch: weitgehend
Knaur (1996) weit gehend, auch: weitgehend
Duden _22 (2000) weitgehend, auch weit gehend
Ickler (2000) weit_gehend (also mit dem feinen Bindebogen)
Immanuel Kant unterschied aus gutem Grund zwischen einerseits den Dingen und andererseits den Dingen an sich.
Das wesentliche Werkzeug, um Dinge und Dinge an sich weitestmöglich zueinander in Beziehung zu setzen, ist n.m.M. die Wissenschaft.
Die Frage nach der „richtigen“ und vielleicht sogar nach der richtigen Schreibung von „weit()gehend“ wird sich mittels eines Wörterbuches dann leichter treffen lassen, wenn dieses neben jeweils einem deskriptiven, normativ-administrativen, mafiotisch-destruktiven oder unterhaltsam-spekulativen auch einen wissenschaftlichen Ansatz versucht.
Für diesen ist mindestens die Zielfrage zu klären, alsdann sind Regeln und Überregeln (Metaregeln) zu sichten und abzustimmen.

Da ich mich nach wie vor für die Überregel: „Wörter schreibt man zusammen, mehrere Wörter schreibt man getrennt“ ausspreche, sehe ich den Fall bei „weitgehend“ weitgehend klar:
Weil „weitgehend“ – ohne Zweifel insbesondere in der gesprochenen Sprache – ein deutsches Wort ist, schreibt man es zusammen.

Zur Klärung der gleichen Frage in den Kieler Nachrichten müßte gewiß viel weiter ausgeholt werden; denn das vergangene Jahracht hat gezeigt, daß dort ein anderer Kanon von Metaregeln wirkt.
Daß Ding und Ding an sich nicht selb sind, kann man überaus anschaulich am handwerklichen und kulturpolitischen Rechtschreib- und insbesondere Silbentrennverhalten der KN zeigen.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 12.02.2004 um 20.33

Im 4.Bericht lese ich dreimal "weit gehend", im Regelwerk (Textteil) einmal "weitgehend".
Die reformierten Kieler Nachrichten schreiben das Wort etwa fünfmal öfter zusammen.
Was ist nun neu "richtig"?
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Sigmar Salzburg


eingetragen von Reinhard Markner am 12.02.2004 um 18.22

Die Kommission behauptet (S. 54), es gebe „bei heimischen Wörtern keine Unterscheidung von Haupt- und Nebenvarianten“. Sie kennt ihr eigenes Regelwerk nicht. So wird im Wörterverzeichnis z. B. von den Nebenvarianten Beete und Sammet auf die Hauptvarianten Bete und Samt verwiesen.


eingetragen von Theodor Ickler am 12.02.2004 um 15.33

Je mehr wir uns mit dem vierten Bericht beschäftigen, desto deutlicher erkennen wir, wie schlecht er ist und vor allem: wie katastrophal in seinen Auswirkungen auf die Wörterbücher usw. Erkennen müssen das aber auch die Verleger. Hier liegt noch eine bedeutende Aufgabe vor uns.
Vor allem kommt es darauf an, die Machbarkeit einer Rückkehr (bzw. Beibehaltung der bewährten Rechtschreibung) einleuchtend darzustellen. Wir brauchen also einen sehr gut durchdachten Rückkehrplan, der die Kostenfrage ebenso bedenkt wie die Auswirkungen auf die Schule. Damit können wir dann an die Öffentlichkeit treten.
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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Wrase am 10.02.2004 um 18.22

Ich habe die erste Hälfte der 60 Seiten überprüft; die im vierten Bericht vorgesehenen Änderungen sind weitgehend vorlagengemäß eingearbeitet worden.

Wenn man alle Stellen zählt, an denen geändert wurde, sind es tatsächlich deutlich über 100. Anhand des Duden rechne ich mit einem Anteil des Buchstabens D am Gesamtwörterverzeichnis von ziemlich genau 5 Prozent. Somit ist die Angabe, daß es rund 3000 Änderungen im ÖWB gibt, von der Größenordnung her richtig. (Die tatsächliche Zahl dürfte etwas niedriger sein, siehe unten.)

Man muß beachten, daß das 2000 bis 3000 Stellen sind, an denen redaktionelle Korrekturen ausgeführt werden. Das ist fast identisch mit der Zahl der betroffenen Stichwörter, wobei aber die betroffenen Stichwörter überwiegend in Nestern zusammengefaßt sind, z. B. Delfin, delfinschwimmen, [das] Delfinschwimmen. Rein optisch könnte man auch nach Nestern zählen (gewissermaßen sich nach "Stämmen" richten, beispielsweise Delfin oder den Verbzusatz darunter- nur einmal zählen) und würde so eine wesentlich kleinere Zahl erhalten. Bei Delfin sieht man auch beispielhaft, daß jede Änderung wegen ph/f gleich an zwei Stellen auftaucht, bei f und dann wieder bei ph. Die eigentliche Änderung gibt es sozusagen nur einmal, und sie muß (meistens) an zwei Stellen im Wörterbuch umgesetzt werden. Insofern könnte man einen erheblichen Teil dieser Fälle durch 2 teilen, wenn es darum geht, solche "Änderungen" zu erfassen, die einen jeweils zweifachen Korrekturaufwand erfordern.

Schließlich stellt sich die Frage der Gewichtung, besonders im Blick auf den Verzicht auf die Zuteilung von Haupt- und Nebenvarianten. Hier gibt es nämlich den größten Korrekturaufwand. Das ÖWB ersetzt sein bisheriges System, von der Nebenvariante auf die Hauptvariante mit einem Pfeil zu verweisen und umgekehrt die Nebenvariante mit "auch" bei der Hauptvariante aufzuführen, nunmehr jeweils durch ein Gleichheitszeichen. Insgesamt gibt es ziemlich genau 70 solche Fälle (das heißt neue Gleichheitszeichen statt Pfeil oder "auch") unter D.

Intuitiv ist man versucht, diese Umstellung als belanglos abzutun, und viele könnten es so empfinden, daß man das gar nicht mitzuzählen braucht. (Bei ihren Statistiken haben die Reformer bekanntlich früher sogar die ganze ss/ß-Neuregelung herausgerechnet, und manche haben das sogar nachvollzogen.) Ich sehe es anders und halte diese Änderungen schon für wesentlich; zwar nicht für den Schreiber, der sich auch bisher nicht danach zu richten hatte, wie die Variantenführung der Reformer aussah - aber als grundlegende Änderung der Reform selbst, die sich auf sehr viele einzelne Wörter auswirkt, ist das sehr wohl erheblich. Die Reformer könnten nämlich genau wie bei den Varianten auch auf ihre sonstige ganze Reform mit ihren höchst unnötigen und willkürlichen Lenkungsabsichten verzichten, und schon hätten wir wieder halbwegs vernünftige Wörterbücher. Also, für den Schreiber ist das zwar nicht relevant, aber für die permanente Manipulation des Wortschatzes durch immer neue Teilschritte der Rechtschreibreform ist es andererseits ganz typisch, und ich halte das Mitzählen dieser Fälle deshalb für gerechtfertigt.

Weiter gibt es 15 notwendige Änderungen auf Stichwortebene, die die geänderte Partikelliste betreffen. "Notwendig" heißt, daß ich einige weitere Korrekturanweisungen nicht gezählt habe, die nicht auf die aktuellen Änderungen zurückgehen, sondern darauf, daß das ÖWB die Partikelliste bisher nicht richtig umsetzte und dies nun in dem Anhang berichtigt. Es spielt ohnehin keine große Rolle, wie viele Änderungen es wegen der erweiterten Partikelliste genau sind, weil die Auswahl der Stichwörter im ÖWB bei den Verben mit Verbzusatz sehr willkürlich ist. Zu beachten ist, daß die meisten neu zu berücksichtigenden Partikeln mit d beginnen und die restlichen vier (hinter, hinterdrein, nebenher, vornüber) insgesamt nur mit wenigen Stichwörtern in den Lexika vertreten sein werden. Deshalb kann dieser Anteil an den gut 100 Änderungen unter D nicht auf das restliche ÖWB extrapoliert werden und muß fast ganz vernachlässigt werden.

Es bleiben noch ungefähr 20 wesentliche Änderungen, überwiegend aufgrund der weitgehenden Wiederzulassung der Zusammenschreibung bei Partizipien: deutschsprechend, datenverarbeitend, diensthabend, dichtbesiedelt usw.; vereinzelt kommen dazu (natürlich willkürlich anmutende) Nachträge von "fachsprachlichen" Großschreibungen des Typs Darstellende Kunst sowie wenige sonstige Änderungen. Das ÖWB enthält aber ohnehin nur spärliche Hinweise auf solche "fachsprachefähigen" komplexen Begriffe. Je ausführlicher ein Lexikon, desto mehr werden Begriffe wie "wasserabweisend" (-> Partizipien) oder "goldene/Goldene Hochzeit" (-> Großschreibung des Adjektivs wieder möglich) vertreten sein. Im Duden wird der Anteil der Korrekturen in diesem Bereich also vermutlich deutlich höher liegen.

Insgesamt kann man durchaus sagen, daß die Wörterbücher an mehreren tausend Stellen korrigieren müssen; die meisten Korrekturen betreffen aber die geänderte Variantenpolitik der Kommission. Wenn man diese abzieht, würde ich beim Rechtschreibduden mit ca. 1000 wesentlichen Änderungen rechnen.

Das ÖWB berücksichtigt übrigens den Wunsch der Kommission nach heimlicher Bevorzugung der "gleichberechtigten" eingedeutschten Varianten, indem bei solchen Stichwörtern, auf die weiterer Text folgt, dieser Text ggf. zu der eingedeutschten Variante verschoben wird, und die weniger assimilierte Variante erhält dann nur noch einen Verweis, wie bisher die Nebenvariante.

Interessant ist aber vor allem, daß dieser Anhang zum vierten Bericht überhaupt erst darüber aufklärt, daß praktisch sämtliche Komposita mit Partizipien wiederhergestellt werden sollen. Das geht nämlich aus den äußerst schlampig und unvollständig formulierten Regeländerungen im eigentlichen Bericht gar nicht hervor. Mangelhaft bleibt in diesem Bereich, daß (jedenfalls im ÖWB) Getrennt- und Zusammenschreibung als bloße Varianten mit Gleichheitszeichen angeboten werden, ohne daß es Hinweise darauf gibt, unter welchen Bedingungen welche Schreibung üblicher ist, zu bevorzugen ist oder auch obligatorisch zu verwenden ist. Ähnlich verhält es sich ja mit der Gleichmacherei bei den Varianten im Bereich Laut-Buchstaben-Zuordnung, bei denen das Wörterbuch im Sinne der Kommission jeden Hinweis darauf unterdrückt, wie die Haupt- und Nebenvarianten in der Wirklichkeit verteilt sind. Auch in diesen scheinbar reparierten Bereichen sind wir also noch um Größenordnungen von der Qualität der Wörterbücher vor der Reform entfernt. Um so mehr gilt das, wenn man bedenkt, daß der meiste Schrott noch gar nicht revidiert wurde.


eingetragen von Theodor Ickler am 10.02.2004 um 16.35

Vierter Bericht:

"Eine weitere Änderung ergibt sich in Bezug auf § 36(2). Hier sind die Beispiele wie folgt zu ergänzen:
... vieldeutig; der schwerwiegendere Vorwurf, die zeitsparendste Lösung

Amtliches Regelwerk 1996:

"§ 36 (2) Zusammensetzungen, bei denen der erste oder der zweite Bestandteil in dieser Form nicht selbständig vorkommt, zum Beispiel:

einfach, zweifach; letztmalig, redselig, saumselig, schwerstbehindert, schwindsüchtig; blauäugig, großspurig, kleinmütig, vieldeutig" [Hier ist also das Obige anzufügen!]
--
Der eigentliche Grund der Zusammenschreibung ist aber nicht, daß "der erste oder der zweite Bestandteil in dieser Form nicht selbständig vorkommt", sondern daß schwerwiegendere und zeitsparendste Steigerungsformen von schwerwiegend und zeitsparend sind. Zu wasserabweisend kann man einen Komparativ bilden, und der zweite Bestandteil kommt auch selbständig vor: noch abweisender, aber eben nicht noch Wasser abweisender. Hier geht es um Syntax und nicht um morphologische Zufälligkeiten wie das selbständige Vorkommen.

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Th. Ickler


eingetragen von Christian Dörner am 10.02.2004 um 13.49

Auf Seite 135 des ÖWB finden wir:

»Da|mas|kus: Hauptstadt von Syrien | Ort des Bekehrungserlebnisses des Apostels Paulus; sein D. erleben (sich tief greifend ändern)« (Unterstreichung hinzugefügt.)

Die Kommission erwähnt Dinge wie attributiven und prädikativen Gebrauch usw. in ihrem Bericht nicht. Dennoch müßte hier aus grammatischen Gründen wieder Zusammenschreibung eintreten. Erlaubt ist sie ab 2005 in diesem Fall ohne Zweifel wieder.

Dennoch verzeichnet die Kommission im ÖWB hier keine Änderung, da in solchen Fällen die Getrennt- und Zusammenschreibung anscheinend völlig unabhängig von grammatischen Gesichtspunkten freigegeben werden soll.

Bemerkenswert, oder?
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Christian Dörner


eingetragen von Wolfgang Wrase am 10.02.2004 um 05.47

Ich hatte zuvor leider § 36 E1 (4) übersehen, der nicht geändert werden soll. Also gilt weiterhin die Steigerbarkeit/Erweiterkeit-Probe bezogen auf den ersten Bestandteil auch in Verbindungen mit Partizipien, also: dicht behaart, weil dichter behaart.

Aber: Im Anhang 2 des vierten Berichts (ÖWB) ist als vozunehmende Korrektur verzeichnet: dicht besiedelt = dichtbesiedelt! Und noch mehr von der Sorte. Ja sogar: durcheinander redende Kinder = durcheinanderredende Kinder!

Weiter ist anzumerken, daß aus dem erläuternden Text des Berichts auf Seite 24 oben ("auch für nicht komparierbare partizipiale Verbindungen ... die Zusammenschreibung als Variante") hervorgeht, daß die unklar formulierte Bedingung im neuen § 36 E2 (2) "die nicht steigerbar sind" sich auf die ganze Verbindung beziehen soll und nicht nur auf den zweiten Bestandteil, das Partizip allein. Andererseits wird durch diesen erklärenden Text ("AUCH für ...") noch deutlicher, daß diese Bedingung überhaupt überflüssig ist; bei gesamthaft steigerbaren Verbindungen ist ja Zusammenschreibung sowieso vorzusehen.

Also könnten und müßten die Reformer E2 (2) einfach so formulieren: "Bei Verbindungen von Substantiven, Adjektiven, Adverbien oder Pronomen mit adektivisch gebrauchten Partizipien ist neben Getrenntschreibung auch Zusammenschreibung möglich." Das wäre dann zwar übereinstimmend mit der Intention, die GZS bei Partizipien weitgehend freizugeben, aber ein gewisser regeltechnischer Widerspruch zu jenen Fällen, für die weiter oben in § 36 nach wie vor Getrenntschreibung vorgesehen ist. Wieso ordnet man erst Getrenntschreibung an, um nachher zu bestimmen, daß daneben auch Zusammenschreibung möglich ist? Die einzige Berechtigung könnte regeltechnisch darin bestehen, daß in § 36 Adjektive und Partizipien abgehandelt werden und erst E2 (2) sich auf "adjektivisch gebrauchte Partizipien" beschränkt ...


eingetragen von Wolfgang Wrase am 10.02.2004 um 04.36

Wie bisher muß man auch nach den neuesten Ratschlüssen der Reformer im Geiste steigern und erweitern, was das Zeug hält: nämlich Adjektive vor Verben (breiter schlagen, sehr breit schlagen?) sowie alle möglichen Verbindungen mit Partizipien (raumgreifender? weißgewaschener?).

Dennoch wird man nunmehr noch weniger schlau als bisher, wie man zum Beispiel "kleingedruckt" schreiben soll - ein allgegenwärtiges Wortbildungsmuster. Die Steigerungs-/Erweiterungsprobe soll vor Verben zwar beibehalten werden (denn sie sei hier "gut handhabbar und zielführend" - doch, doch, das steht da), aber nicht unbedingt vor Partizipien. Einerseits ist die Rede davon, daß in Fällen wie "kleingedruckt" die "Univerbierung schon im attributiven Gebrauch anzunehmen" sei - also Zusammenschreibung, möchte man meinen, jedenfalls bei "attributivem Gebrauch". Und was ist bei prädikativem Gebrauch: "Das ist kleingedruckt", geht das nun oder nicht?

Die neue Regel, nach der auch Zusammenschreibung möglich ist, der neue § 36 E2 (2), verzichtet dann doch wieder auf das Kriterium "attributiv". Statt dessen führt er eine neue Eingrenzung ein: Die Möglichkeit der Zusammenschreibung soll nur gelten für Verbindungen ... mit adjektivisch gebrauchten Partizipien, die nicht steigerbar sind! Man muß also abermals steigern (immerhin muß man hier nicht auch noch erweitern), diesmal das Ganze, um zu prüfen, ob man zusammenschreiben darf: "der kleingedrucktere Text"? Es bleibt letztlich unklar, was nun bei dem überaus häufigen Muster "klein gedruckt/kleingedruckt" gelten soll, denn als Beispiel der neuen Regelungen taucht dieser Typ nicht auf, und der bisherige § 36 E1 (1.2) soll ganz herausfliegen, nach dem bisher geregelt war: hell strahlend wegen hell strahlen (und dies wegen heller strahlen). Und falls die Zusammenschreibung "kleingedruckt" in Frage kommen sollte (zumindest in attributiver Stellung, aber das taucht in keinem Paragraphen auf), dann hätten wir einen neuerlichen Bruch mitten im Regelwerk: Die glorreiche Steigerbarkeit/Erweiterbarkeit-Regel soll weiterhin gelten für Verben, aber nicht mehr (oder nur noch teilweise sowie nicht auf den ersten Bestandteil bezogen, sondern auf die ganze Verbindung) für Partizipien.

In dem neuen vermeintlichen Befreiungsschlag-Paragraphen 36 E2 (2) ist übrigens nicht eindeutig, worauf sich die Bedingung der Nichtsteigerbarkeit bezieht. Es heißt da: "Bei Verbindungen von Substantiven, Adjektiven, Adverbien oder Pronomen mit adjektivischen Partizipien, die nicht steigerbar sind ..." Was soll nicht steigerbar sein - die Partizipien (z. B. suchend) oder die ganze Verbindung (ratsuchend)? Das läuft oft auf dasselbe hinaus, aber nicht immer: [noch] gesponnener ist wohl nicht möglich, aber [noch] feingesponnener sehr wohl.

Oder wie? Blickt da jemand durch?



eingetragen von Christian Dörner am 09.02.2004 um 20.13

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Reinhard Markner
Doch, sicherlich sind die Texte vergleichbar (wobei der Vergleich natürlich nicht gerade zugunsten der Neuregelung ausfällt). Die Regeln von 1901 enthalten aber bekanntlich nichts zu den Bereichen GZS und Zeichensetzung.

Zur Zeichensetzung hat damals jedes Bundesland bestimmte Zusatzparagraphen erlassen. Zur GZS gibt es keine entsprechenden Paragraphen, jedoch läßt sich etliches aus den Beispielen im Regelwerk und dem amtlichen Wörterverzeichnis von 1901/1902 ableiten. Das Regelwerk und den Anfang des Wörterverzeichnisses findet man bereits hier auf diesen Seiten. Der Rest folgt noch.
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Christian Dörner


eingetragen von Reinhard Markner am 09.02.2004 um 20.04

Doch, sicherlich sind die Texte vergleichbar (wobei der Vergleich natürlich nicht gerade zugunsten der Neuregelung ausfällt). Die Regeln von 1901 enthalten aber bekanntlich nichts zu den Bereichen GZS und Zeichensetzung.


eingetragen von Karsten Bolz am 09.02.2004 um 15.42

Soweit ich es überblicke, war das Regelwerk von 1901 nicht mit dem heute vorliegenden vergleichbar. Deswegen auch mein Einschub: – vergleichbar dem von 1996 –

Ansonsten: Danke für den Hinweis
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Karsten Bolz


eingetragen von Reinhard Markner am 09.02.2004 um 15.34

1901 hat man sich in der Tat auf ein Regelwerk geeinigt, das als �amtliches� dann auch von den deutschen Bundesstaaten und dem Kaiserreich bzw. der Republik Österreich in Druck gegeben wurde.

Die Ersetzung des eingeführten Begriffs �Silbentrennung� durch das umständliche �Worttrennung am Zeilenende� geht auf die Pedanterie Gerhard von Harschers zurück, der als Kreuzworträtsellöser mit der herkömmlichen Terminologie Probleme hatte und die Duden-Redaktion so lange mit seinen Beschwerdebriefen eindeckte, bis diese kapitulierte. Diese kuriose Geschichte findet sich in Harschers Büchlein Rechtschreibreform – so nicht! Offener Brief an unsere Kultusminister, Hamburg 2002.


eingetragen von Karsten Bolz am 09.02.2004 um 14.24

Ein Kommentar zum vierten Bericht

Der vierte Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission enthält einiges, was die Öffentlichkeit interessieren sollte, da er etliche Äußerungen enthält, welche die weitere Entwicklung der „Rechtschreibreform“ aufzeigen. Die Öffentlichkeit sollte wissen, was sie dafür erhält. Schließlich haben dafür die Mitarbeiter der Kommission arg geschuftet und wollen dieses weiterhin tun – die Zwischenstaatliche Kommission für Rechtschreibung will und muß sich schließlich erhalten. So etwas kostet viel Geld; und sollte Gehalt haben. Kurz gesagt: Der Bericht umfaßt etwa 50 Seiten – die zusammenfassenden Bemerkungen der Kommission sowie die Stellungnahmen der Beiräte nicht eingerechnet – und gliedert sich im wesentlichen in eine vierseitige Einleitung, um dann im einzelnen auf die Felder „Laut-Buchstaben-Zuordnung“, „Getrennt- und Zusammenschreibung“, „Schreibung mit Bindestrich“, „Groß- und Kleinschreibung“, „Zeichensetzung“ und „Worttrennung am Zeilenende“ einzugehen. Insbesondere die neunseitige Abhandlung zur Worttrennung ist lesenswert, zeigt sie doch Enthüllendes zur „Fachkompetenz“ der Mitglieder der Kommission.

Die Einleitung begründet zunächst die Notwendigkeit der Reform, weil das amtliche Regelwerk von 1901 bis 1996 nicht mehr systematisch modifiziert bzw. ergänzt worden war. Welches „amtliche Regelwerk“ von 1901 – vergleichbar dem von 1996 – es gegeben haben soll, verschweigt der Bericht wohlweislich. Wo wollte die Kommission dieses auch herzaubern? Da die Kommission Richter über ihr eigenes Tun ist, ist es nicht verwunderlich, daß die neuen Regeln spürbare Erleichterungen bei den Erstlernern gebracht und zu grundlegenden Verbesserungen geführt haben, die allgemein anerkannt werden. Wem es erlaubt ist, der schlägt sich leicht schon mal auf die eigene Schulter. Also schlägt die Kommission Präzisierungen vor, die selbstverständlich an keiner Stelle „Regeländerungen“ heißen, auch wenn sie darauf hinauslaufen.

Laut-Buchstaben-Zuordnung

Es ist nicht erstaunlich, daß die Kommission in bezug auf die s-Schreibung keine Probleme erkennt. Aus diesem Grunde wird diese in diesem Bericht auch gar nicht diskutiert. Schließlich käme ein Rütteln an diesem Grundpfeiler dem sofortigen Tod der „Reform” gleich. Nicht zur Kenntnis genommen wird ebenfalls, daß zwar vereinzelt das Wort „Schifffahrt“ gelesen werden kann, jedoch die Schreinereien weiterhin „Rolläden“ auch auf neuesten Plakaten anpreisen sowie Fachgeschäfte weiterhin „Bettücher“ verkaufen.

Zur „Rücknahme neuer Schreibungen“ wie nummerieren oder behände wird lakonisch festgestellt, daß die Kritik an den neuen Schreibungen […] stark abgeflaut sei. Ganz offensichtlich spielt […] die Gewöhnung eine große Rolle. Daß man überdrüssig wird, jeden gelesenen Unsinn mit einem Brief zu beantworten, kommt der Kommission nicht in den Sinn. Weitergehende Änderungen in Analogie zum neuen Tipp (angeblich ja wegen tippen) wie Topp, Shopp, werden erörtert, aber zum jetzigen Zeitpunkt abgelehnt. Allerdings gibt sich die Kommission hier schon die erste Aufgabe für die nahe Ferne: Die Kommission sieht hier […] möglichen Handlungsbedarf für die Zukunft. Wir dürfen uns also schon auf Popp und Stripp freuen!

Zur Variantenschreibung wird festgestellt, daß die Zahl der Variantenschreibungen […] überschaubar gehalten werden soll. Der Bericht stellt klar, daß vor allem als Zugeständnis an gespeicherte Schreibschemata der alten Rechtschreibung […] zum jetzigen Zeitpunkt keine Variante gestrichen werden soll. Aber eben nur zum jetzigen Zeitpunkt. Insbesondere bei Fremdwörtern wird eine gezielte Variantenführung angestrebt. Begründet wird diese mit der Entwicklung der Wörter Schatulle, Strike, Büro und Telefon aus Chatouille, Strike, Bureau bzw. Telephon. Bis auf das Wort Telefon, dessen Schreibung Telephon nach bewährter Rechtschreibung immer noch „richtig” ist – d. h. im letzten Duden vor 1996 noch verzeichnet -, handelt es sich um Wortbildungen um 1900 und früher, die noch nicht von einer „allmächtigen“ Kommission verfügt wurden. Der Wunsch der Kommission wird deutlich: progressive (integrierte) Variantenschreibungen möglichst an erster Stelle aufzuführen und gleichzeitig auf die Kennzeichnung von Hauptform (Vorzugsvariante) und Nebenform gänzlich zu verzichten. Das Ziel, Varianten nach eigenem Gusto in die Sprache zu implantieren und schließlich als einzig gültig festzuschreiben, bleibt bestehen, einzig das Hilfsmittel zur Durchsetzung soll geändert werden. Wie dieses allerdings technisch vor sich gehen soll, bleibt offen: Wie soll in einem Wörterbuch mit alphabethischer Gliederung eine bestimmte Variante als erste genannt werden?

Getrennt- und Zusammenschreibung

Bezüglich der Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung wird die Unzulänglichkeit des eigenen Werkzeugs gleich zu Beginn des Kapitels eingestanden: Die in diesem Teilbereich zu treffenden Normierungen haben es mit komplexen Gegebenheiten im Überschneidungsbereich von Grammatik und Semantik zu tun, denen eine orthografische Regelung kaum allseitig gerecht werden kann. Im einem der nächsten Sätze wird festgestellt, worum es geht: eine systematische und zugleich vereinfachende Regelung. Grammatik und Semantik werden der Vereinfachung geopfert, auch wenn die Regel vielfach zum falschen Ziel führt, da sich auch diese formalen Proben in einigen Fällen nicht eindeutig anwenden lassen. Für Bereiche, die sich auf Biegen und Brechen nicht in die selbst vorgegebenen formalen Regeln pressen lassen, gibt es schließlich noch geschlossene Listen. Die Liste für Partikel, die mit Verben trennbare Verbindungen eingehen können, soll auf jetzt 113 Einträge erweitert werden. Welcher Lehrer, geschweige denn Schüler, kann sich diese merken?

Bei einigen Verben soll zur Begründung der Zusammenschreibung auch die Betonung zu Rate gezogen werden: Unter bestimmten kommunikativen Bedingungen, z. B. bei emphatischer Betonung, kann dieses Kriterium jedoch versagen. Der letzte Satz ist nicht von mir erfunden, er steht so im Bericht!

Wie sehr sich die Kommission an die eigene Regeln gekettet fühlt, ist einige Zeilen weiter zu lesen: Alle [...] Ansätze können jedoch nicht befriedigen, da sie mit zentralen Grundsätzen der Neuregelung nicht im Einklang stehen, nach denen [...] die normgemäße Schreibung jedes Einzelfalles aus dem Regelwerk herleitbar [...] sein soll und nach denen verschiedene grammatisch-formale Proben [...] den Vorrang gegenüber semantischen oder anderen Aspekten erhalten haben. Die Schlußfolgerung ist klar: Es besteht kein Änderungsbedarf. Das gilt auch für die betrübliche Regel, daß Wörter, in denen der erste Bestandteil auf –ig, -isch oder –lich endet, weiterhin nicht zusammengeschrieben werden dürfen. Es gelten weiterhin nur das dümmliche „fertig stellen“ oder „selig sprechen“. Als könne man auch etwas „unfertig stellen“.

Im Sonderfall „Substantiv und Verb“ will die Kommission Zugeständnisse machen. Das grammatisch falsche „Leid tun“ soll nun auch „leidtun“ geschrieben werden können, keinesfalls aber das korrekte „leid tun“. Wobei die Kommission auch das Beispiel der Distanzstellung „es tut mir leid“ explizit als nun wieder richtig anführt und die Antwort schuldig bleibt, welche Wortart für das Wort „leid“ jetzt vorliegt. Ein Substantiv kann es ja nicht sein, sonst müßte es ja großgeschrieben werden! Abenteuerlich auch für jeden Grammatiker: Die in der früheren Regelung [...] bestehenden Möglichkeiten [...] mit Kleinschreibung des Substantivs (z. B. diät leben, ich lebe diät) [...] bestehen nicht mehr. Nun ja, es mag sein, daß der Kommission die Wortartzugehörigkeit bei einigen Bestandteilen nicht ohne weiteres klar ist, aber muß sie dieses Unvermögen so offen zur Schau stellen?

Ein weiteres Bauernopfer ist die Kommission bereit zu geben: Wörter wie zeitsparend / ratsuchend / nichtöffentlich soll es wieder geben. Diesem widmet der Bericht ganze zweieinhalb Seiten von etwa fünfzig und läßt die Vermutung zu, daß auch der Schwerbehinderte (statt „schwer Behinderte“) sich wieder eine fleischfressende (statt „Fleisch fressende“) Pflanze zulegen darf. Aber wissen wir es?

Schreibung mit Bindestrich

Die sechs Seiten des Themas „Schreibung mit Bindestrich“ sind wahrlich nicht spannend mit einer Ausnahme. Als mit der Reform der „–Jährige“ geboren wurde, konnte niemand ahnen, daß dieser jetzt einen Bruder bekommen soll: den „-Fachen“. So soll es jetzt geben: das 8fache (neu auch: das 8-Fache). Welches „Problem“ dadurch gelöst wird, ist offen, aber vorsorglich gibt es jetzt schon die „Lösung“.

Groß- und Kleinschreibung

Welche Probleme die Kommission mit der Grammatik hat, wird in diesem Kapitel deutlich. Irgendwann, als wir das Schreiben lernten, haben wir mal gelernt: Ein Hauptwort bezeichnet etwas, was man anfassen kann. Lassen Sie mal den Klauer mit der Luft und dem Weltall beiseite! Es war doch einfach, oder? Grundschule. Spätestens in der vierten Klasse oder so hatte man es drin. Ein Hauptwort (Substantiv) zu identifizieren, bereitet dagegen der Kommission schon einige Mühe: Die gegen die Neuregelung der Groß- und Kleinschreibung vorgetragene [...] Kritik bezieht sich auf verschiedene Problembereiche [...] und resultiert vor allem aus den fließenden Grenzen der Wortart Substantiv. [...] Da substantivierte Adjektive aber auch ohne Artikel [...] auftreten können [...], kann man auch Adjektive [...] als Substantivierungen auffassen, sofern ihr substantivischer Status nach dem für die Neuregelung maßgebenden morphosyntaktischen Kriterium erkennbar ist.

Schlußfolgerung: Jedes Adjektiv kann auch als Substantiv (Hauptwort) aufgefaßt werden. Damit soll „zugelassen“ werden: Wir konnten das Feuer nur von weitem/Weitem betrachten. Allerdings bleibt ein kleines Geheimnis, warum im Satz „Damit habe ich mich von klein auf beschäftigt.“ das Wort„klein“ weiterhin kein Substantiv sein soll. So wird es aber im Bericht behauptet. Es steht so drin.

Auch Zahlwörter scheinen der Kommission ebenfalls Kopfzerbrechen zu bereiten. Dabei gibt es schon „interessante“ Ausblicke auf „Änderungsbedarf“ in der Zukunft, wenn die Kommission schreibt: Auch sollte man „ein wenig“ nicht anders behandeln als „ein bisschen“ und „ein paar“, was ebenso für „andere“ in „der eine – der andere“ gilt. [...]Wenn der Schreibende zum Ausdruck bringen will, dass das Zahladjektiv substantivisch gebraucht ist, kann er es nach § 57(1) auch großschreiben, zum Beispiel: Sie strebte etwas ganz Anderes an. Aus welchem Grunde sollte sich ein Schreiber genötigt sehen, etwas „ganz anderes” substantivisch zu sehen? Ein anderer Ausblick: ab wann dürfen wir nicht mehr zwischen einem paar Hemden (gleich einige Hemden) und einem paar Schuhe (gleich linker und rechter Schuh) unterscheiden? Angedroht wird es uns.

Im letzten Absatz zur Groß- und Kleinschreibung stellt die Kommission lakonisch fest: Es besteht im allgemeinen Schreibgebrauch eine offensichtliche Tendenz, feste nominale Wortgruppen [...] vom Typ „rote Karte, schwarzes Brett, großes Los“ durch Anfangsgroßschreibung als Begriffseinheiten zu kennzeichnen[...]. Dieses Eingeständnis wird ihr nicht schwergefallen sein, stellt sie sich doch gerne als „Zwischenstaatliche Kommission“ vor. Mit großem Z! Ohne zu begreifen, wofür der Begriff „Nominationsstereotyp“ steht! Man kann auch „feststehender Begriff“ sagen. Zum Thema „Expertentum“ und „Fachsprache“ mehr unter „Worttrennungen am Zeilenende“.

Zeichensetzung

Die erste Erkenntnis der Kommission ist schon alt und steht schon so im sogenannten „Regelwerk“: Satzzeichen dienen dazu, „einen geschriebenen Text übersichtlich zu gestalten und ihn dadurch für den Lesenden überschaubar zu machen“. Dem will wohl keiner widersprechen. Die neugewonnene Freiheit, auf Kommas zu verzichten, kommt offensichtlich in den (Grund-)schulen positiv an: Aus den Schulen kommen überwiegend positive Voten, weil die Zeichensetzung leichter zu lernen sei. Wen wundert es! Wer weniger Fehler angestrichen bekommt, freut sich halt. Der Nebensatz „Die Nachrichtenagenturen machen ausdrücklich keinen Gebrauch von der (weit gehenden) Freigabe“, der gut begründet ist, fällt da kaum auf. Das Argument, das diese (die Agenturen) ins Feld führen, um die Lesbarkeit zu erhöhen, beziehungsweise zu erhalten, ist unerwünscht und wird darum nicht erwähnt.

Allerdings wird betont, „dass solche Regelungen dem Wortlaut der amtlichen Regelung nicht widersprechen“. Erstaunlich schon, daß die Weglassung des Kommas dennoch mit folgender Begründung befürwortet wird: Allerdings werden sie der Intention des Regelwerks nicht gerecht, das bei Infinitivgruppen einen differenzierten, kommunikativ ausgerichteten Einsatz des Kommas anstrebt. [...] Professionelle Schreiber/innen nutzen solche Möglichkeiten im Moment noch zu wenig. Das hängt sicher mit ihrem routinierten Umgang mit der früheren rigiden Regelung zusammen. Der halbwegs mit Satzbau und Grammatik umgehende Mensch beginnt hier zu verzweifeln: Was denn nun? Gibt es Regeln für Kommas oder gibt es sie nicht? Kann man sich an Nicht-Regeln halten? Komma-Vermeidung? Man hat einmal gelernt, bei einem Infinitivsatz mit „zu“ ein Komma zu setzen, später dann, wo man es nicht setzen muß. Der erfahrene Schreiber setzt Kommas intuitiv, nämlich da, wo Sprechpausen hingehören: „Ich bitte Euch, mir zuzuhören!“, „Sie bot mir, ohne einen Augenblick zu zögern, ihre Hilfe an.“ „Bitte, komm mir mal zu Hilfe!“. So schwer? Für die Kommission offenbar schon!

Worttrennungen am Zeilenende

Jetzt kommt der wirklich spannende Teil für den interessierten Leser. (Acht Seiten, ein weites zukünftiges Betätigungsfeld für die Kommission!) Zuerst eine Frage zur Kapitelüberschrift: Wo, bitte, außer am Zeilenende, gibt es Worttrennungen? Na ja, man darf ja wohl mal flaxen, oder? Nur wird der Bericht mit diesem Kapitel wirklich zum Cartoon. Dem Leser werden so viele offensichtlich „fachsprachliche“ lateinisierte Begriffe um die Ohren gehauen, daß nur so raucht! Zur Trennbarkeit von „beobachten“ wird angeführt, daß „trotz morphologischer Segmentierbarkeit [...] bei einer (begrenzten) Anzahl von Komposita und Präfigierungen Morphem- und Silbenfuge nicht zusammen[fallen], vgl. hin-auf vs. hi-nauf, be-ob-achten vs. beo-bachten. Ich hatte nie ein Problem bei der Silbentrennung von be-ob-ach-ten, hin-auf, hin-ab, her-auf, oder ähnlichem. Sie vielleicht? Zugegeben, die Trennung von „wor-an“, „wor-auf“ und ein paar weiteren Wörtern ist nicht trivial aber erlernbar.

Neuerdings anerkennt die Kommission ein Problem bei der „Abtrennung eines Vokalgraphems“: „Außerdem ergibt sich eine irreführende Trennung meist nur bei der isolierten, metakommunikativen Betrachtung eines Wortes, nicht jedoch beim normalen sinnentnehmenden Lesen eines fortlaufenden Textes“. Dieser Satz hat schon eine gewisse Würze! Versüßt werden soll er uns mit der neuen Freiheit: Da es obendrein jedem/jeder Schreibenden freisteht, eine bestimmte Trennstelle nicht zu benutzen, besteht kein Änderungsbedarf. Stimmt! Aber die Freiheit nicht zu trennen gab es früher auch schon!

st-Trennung

Danach ergeht sich die Kommission in der Erklärung, warum wir hu-sten und jetzt auch hus-ten trennen können (müssen / sollen?): Die morphologische Segmentierung mag für die Abtrennung des Derivations- resp. Flexionssuffixes sprechen. [...]. Diesen zufolge sind zwei mögliche Silbengrenzen anzusetzen, wenn dem Cluster /st/ ein betontes langes Vokalphonem (bzw. ein Diphthong) oder ein weiteres Konsonantphonem vorausgeht, vgl. z. B.: hu-sten oder hus-ten. Na schön: Insofern trifft Regel § 108 [...] immer eine [...] Silbenfuge, während das alte Trennverbot von [...] die Silbenfuge verfehlte. Statt „Cluster“ hätte man auch von einer Buchstabenfolge reden können (Cluster engl. gleich Anhäufung / Büschel / Haufen), aber englisch hört es sich wohl „professioneller“ an. Bisher heißt es einfach: „Trenne nie st, denn es tut ihm weh!“ Dennoch kam kaum ein Mensch auf die Idee „Hau-stür“ zu trennen, jetzt aber soll es problematisch sein! Man merke auf: Suffigierungen verhalten sich entsprechend: neu-ste oder neus-te. Preisfrage: was sind Suffigierungen? Ob’s ein Kultusminister weiß?

Und jetzt kommt es dicke! Trennungen aus „Konsonantgraphem , insbesondere und sowie „Kombination aus Obstruent- und Sonorantgraphem bei indigenen Wörtern“ scheinen die Fachwelt, besonders die Kommission, arg zu beschäftigen, weil die deutsche Germanistenwelt offensichtlich seit mehr als 100 Jahren darüber geschlafen hat! Hmpf! Aber, wie trennt man „Hmpf“? Die Kommission will uns eine Antwort geben: § 108 sieht bei den Folgen / eine Trennung vor, die sich nicht im Einklang mit der von manchen intuitiv angesetzten Silbenfuge befindet: Angenommene Syllabierung: schrum-pfen Trennung: schrump-fen. [...] Die Präfigierungen „empfangen“, „empfehlen“ und „empfinden“ können nicht ohne weiteres als morphologisch transparent eingestuft werden, zumal semantische Demotivation besteht. Hmpf, um auf’s Beispiel zurückzukommen, ich hätte „emp-fangen“ getrennt. Nun gut, ich muß zugestehen, daß ich ab hier demotiviert war; und zwar nicht wegen einer Trennung, sondern um ab hier überhaupt weiterzulesen. Und ich leide an keiner „semantischen Demotivation“! (Was ist das überhaupt? Ist das erblich?)

Die Kommission vermutet große Probleme: Bei den Folgen / sind absolute Aussagen über Silbengrenzen nicht möglich, da der phonematische Status von in dieser Position nicht eindeutig bestimmt werden kann. Sie vermutet offensichtliche Trennprobleme bei Wörtern wie schrimpfen, rümpfen, schrumpfen, krumpfen („verunglimpfen“ und „Klampfe“ fehlen) und den im Sprachgebrauch der Kommission offensichtlich oft genutzten Wörtern Pampf, Krampf, Gimpf ,und Schimpf. Ab hier fragt man sich, wie sich die Kommissionsmitglieder untereinander anreden.

Einen abschließenden Höhepunkt der „Fachsprachlichkeit für Trennungen“ bildet die kabarettreife Feststellung: Die an sich für das Sonoritätsgefälle indigener Wörter umgekehrte Reihenfolge ergibt sich aus der Synkope des Schwa-Lautes zum Beispiel: knuspern > knusprig, dunkel > dunkle. Es folgert geradezu „zwangsläufig“: Indes ist bei Beachtung [weiterer] phono- und graphotaktischer Restriktionen und Regularitäten für die meisten Cluster in dieser Position eine zweite Silbenfuge anzusetzen, die umso präferierter erscheint, je mehr der folgenden Faktoren zutreffen:
1) Der Cluster ist homorgan.
2) Der Cluster hat keine Entsprechung auf der graphischen Ebene.
3) Es besteht ein geringes Sonoritätsgefälle zwischen den beiden Segmenten des Clusters.
4) Der Obstruent ist stimmlos.

Woraus nach der Schrift der Kommission vor diesem Hintergrund jetzt die Gegenüberstellung folgt: a-tmen <> at-men, Ra-dler <> Rad-ler. Wer hatte bei diesen Wörtern jemals Schwierigkeiten zu trennen? Abschließend steht der Satz: „Bei genauerer Analyse zeigt sich, dass die Syllabierungsregeln sehr vielschichtig sind. Fast immer liegt aber eine (oftmals präferierte!) Silbenfuge unmittelbar vor dem Liquid-/Nasalphonem.“

Ich stelle hiermit öffentlich fest, daß mein Obstruent weder stimmlos noch homorgan ist. Er hat auch keine Entsprechung auf der graphischen Ebene!

– geändert durch Karsten Bolz am 10.02.2004, 10.39 –
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Karsten Bolz


eingetragen von Theodor Ickler am 09.02.2004 um 14.19

Was die Kommission im vierten Bericht nicht erwähnt: Von der wiedereingeführten Zusammenschreibung sind gewiß auch die Familien viel gereist, selbst gemacht, frisch gebacken (jeweis mit vielen Mitgliedern) und das schlimme so genannt betroffen.
Ferner möchte ich darauf hinweisen, daß sich der ohnehin vorhandene Widerspruch zwischen jenseits von gut und böse und für Jung und Alt durch die skurrile neue Begründung der Großschreibung bei Weitem noch zuspitzt. Das kann man schon jetzt niemandem mehr erklären, geschweige denn in Zukunft. (Diese Punkte werde ich im Kommentar noch nachtragen.)
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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Wrase am 09.02.2004 um 10.05

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Irgend jemand wird sich gewiß auch über den Anhang aus dem ÖWB hermachen, den Herr Schäbler uns auf wundersame Weise herbeigeschafft hat (herzlichen Dank!). Wie ich schon angedeutet hatte, ist das handschriftlich eingearbeitete Material gar nicht so leicht zu deuten, geschweige denn auszuzählen.

Ich werde das mal versuchen - vielen Dank Herrn Lindenthal für die Aufbereitung und die Veröffentlichung auf diesen Seiten. (Ich habe natürlich nichts dagegen, wenn sich noch jemand an der Auszählung der Änderungen im ÖWB versuchen möchte.)


eingetragen von Theodor Ickler am 09.02.2004 um 07.27

Herr Markner hat recht: die Reformer huldigen der Sprachmagie - vielleicht eine Spätwirkung ihres Stammvaters Weisgerber? Den Namen des Bösen muß man tunlichst vermeiden, bewährt hat sich hingegen die Anbringung von apotropäischen Zeichen an der Fassade: häßliche Fratzen, herausgestreckte Zungen, entblößte Gesäße oder eben Mantras wie "Schoebe".
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Th. Ickler


eingetragen von Reinhard Markner am 08.02.2004 um 15.40

Zur Diskussion der „Kritik“:
„Die grundlegenden Verbesserungen im Vergleich zur alten Regelung werden allgemein anerkannt.“ Die Kommission versucht erst gar nicht, diese groteske These zu belegen. Ihre Strategie ist es, alle Äußerungen über die Rechtschreibreform, ob zustimmend oder kritisch, zu anonymisieren.
Die Kommission hatte schon in der endgültigen Fassung der 2. Anlage zum 3. Berichts den Namen Ickler im Text getilgt und durch eine Passivkonstruktion ersetzt („Kritisiert wird“ statt „Ickler kritisiert“). So verfährt sie nun auch im 4. Bericht durchgehend. Da auch Literaturangaben fehlen – mit Ausnahme des pauschalen Hinweises auf Eisenberg, Kürschner et al. in der Einleitung (S. 6) –, ist die erörterte „Kritik“ niemandem mehr zuzuordnen. Es läßt sich nicht mit Gewißheit entscheiden, ob die angebliche „Kritik“ von außen kommt oder von Kommissionmitgliedern vorgetragen wird, ob sie wissenschaftlich fundiert ist oder lediglich aus Eingaben reformeifriger Wichtigtuer oder verwirrter Schullehrer besteht. Trotzdem ist bisweilen von „der Kritik“ die Rede, als lasse sie sich als einheitliche Haltung auffassen (vgl. S. 36).

Zur Zeichensetzung:
Die Kommission läßt jedes nur mögliche Komma weg: „In ihrem ersten Bericht hatte die Kommission erwogen in einigen wenigen Fällen die alte Schreibung wenigstens als Variantenschreibung noch weiterhin zuzulassen.“ Damit führt sie einen Gebrauch der von der Neuregelung gewährten „Freiheit“ vor, den sie im 3. Bericht noch ausdrücklich bedauert hatte. Er steht auch in offensichtlichem Widerspruch zu der im 4. Bericht eigens zitierten Aussage des Regelwerks, daß Satzzeichen die Funktion hätten, „einen geschriebenen Text übersichtlich zu gestalten“ (S. 39). Weshalb die Weglassung der für eine problemlose Erfassung des Beispielsatzes „Sie bot mir, ohne einen Augenblick zu zögern, ihre Hilfe an“ nötigen Kommata dazu diene könnte, die mögliche Entbehrlichkeit des Einschubs anzuzeigen, ist völlig unklar.

Zur typographischen Gestalt:
Die Kommission verwendet, so wie in der Entwurfsfassung des 3. Berichts, schweizerische Guillemets. Das ist nicht kritikwürdig, aber doch bemerkenswert.

Zum Thema „Tipp“ usw.:
Keine andere europäische Sprache kennt die Schreibweise mit zwei p.
Auch „*Stepp“ in „*Stepptanz“, „*Onestepp“ usw. wurde geändert. „*Onestepp“ gehört zu den besonders irritierenden Bastardschreibungen, so wie „*Investmenttipp“, „*Surftipp“, „*Webtipp“ usw.


eingetragen von Martin Reimers am 08.02.2004 um 13.38

Es sollte einmal die Häufigkeit der Vernebelungsvokabel "Präzisierung" durch hohe Entscheidungsträger soziolinguistisch untersucht und mit deren weiteren Verbleib im Amt in Beziehung gesetzt werden. Scharping, Senator Lange in Hamburg und zuletzt Gerster bieten hierfür ohne Zweifel ebenso anschauliches Material wie hoffentlich bald auch unser geliebter Wächterrat, insbesondere Comical Augst.
Meine Vermutung: Eine erhöhte Präzisierungsfrequenz ist ein mindestens so deutliches Absturzsignal wie die Erklärung eines Regierungschefs, sein Minister leiste "hervorragende Arbeit".
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Martin Reimers


eingetragen von Theodor Ickler am 08.02.2004 um 09.23

Kommentar zum vierten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung

Zur Einleitung
„Dieser 4. Bericht hat eine Sonderstellung gegenüber den bisherigen Berichten: Im Hinblick auf die in der Wiener Absichtserklärung von 1996 vereinbarte Übergangsfrist bis 31. Juli 2005 weist in ihm die Zwischenstaatliche Kommission aus, welche Modifikationen sie für das Regelwerk vorschlägt.“
Das entspricht nicht den Tatsachen. Auch der erste Bericht enthielt eine Fülle von Änderungsvorschlägen, die jedoch zum Ärger der Kommission von der Amtschefskommission untersagt wurden. Schon damals war verhüllend von „Verdeutlichungen“ die Rede gewesen, die Kultusministerien ließen sich jedoch nicht täuschen und gaben bekannt: „Keine Änderung der beschlossenen Regeln zum jetzigen Zeitpunkt“ usw. (Pressemitteilung der KMK vom 12.2.1998 )

„Die Aufgaben der Kommission sind in Artikel III der Wiener Absichtserklärung von 1996 festgelegt. Daraus ergibt sich im Einzelnen, die Umsetzung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung zu beobachten, Anfragen zu beantworten, Kritik aufzugreifen und entsprechend zu berücksichtigen, das neue Regelwerk auf etwaige Schwachstellen zu untersuchen und nötigenfalls Vorschläge für dessen Anpassung zu erarbeiten. Es war schon immer erklärte Absicht der Kommission, eine gewisse Zeit der praktischen Anwendung der Neuregelung abzuwarten, bevor Vorschläge zu Detailanpassungen gemacht werden. Die meisten der sich aus der Anwendung der neuen Rechtschreibung ergebenden Probleme sind – wie vorhersehbar – auf Umstellungsschwierigkeiten zurückzuführen, die sich aber mit zunehmendem Gebrauch der neuen Schreibregeln mehr und mehr relativieren.“
In der Wiener Absichtserklärung heißt es jedoch:

„Die Kommission wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hin. Sie begleitet die Einführung der Neuregelung und beobachtet die künftige Sprachentwicklung. Soweit erforderlich erarbeitet sie Vorschläge zur Anpassung des Regelwerks.“
Von einer Korrektur fehlerhafter Regeln ist nicht die Rede. „Anpassung“ ist ein Relationsbegriff, es muß gesagt werden oder erschließbar sein, woran angepaßt werden soll. Im Zusammenhang der Absichtserklärung kann nur die Anpassung an die zu beobachtende künftige Sprachentwicklung gemeint sein. Im vierten Bericht wird selbstverständlich nicht auf die Sprachentwicklung Bezug genommen, denn die deutschen Sprache hat sich seither nicht in orthographisch relevanter Weise entwickelt. Vielmehr sind Korrekturen des Regelwerks gemeint, wie es ja auch aus dem weiteren Bericht hervorgeht. Damit geht die Kommission über ihren Auftrag hinaus. Der führende Schweizer Reformer Horst Sitta, bis heute Mitglied der Zwischenstaatlichen Kommission, stellte schon vor Jahren klar:
„Mir ist dieser Wortlaut wichtig: Die Kommission soll ihrem Aufrag nach nicht – wie seitens der Reformgegner behauptet wird – das angeblich schlechte Reformwerk optimieren. Sie soll auf der Grundlage des beschlossenen Regelwerks die Einführung der Neuregelung begleiten.“ (in Eroms/Munske [Hg.]: Die Rechtschreibreform – Pro und Kontra, Berlin 1997, S. 222)
In einem an viele Adressaten versandten Standardbrief der Kommission aus demselben Jahr heißt es:
„Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass nach der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung in Wien weitere Änderungen vorerst grundsätzlich nicht mehr möglich sind.“
Am 23.1.1997 gaben Zeitungen eine Mitteilung des IDS wieder, wonach die Aufgabe der Kommission „keineswegs die Korrektur des beschlossenen Reformwerks“ sei.
„Die ‚von Reformgegnern erzeugte Sorge‘, die Rechtschreibreform werde schon vor der endgültigen Umsetzung ‚repariert oder korrigiert‘, sei gegenstandslos.“ (Fränkischer Tag vom 23.1.1997)
Die ersten Reparaturvorschläge wurden im ersten Bericht (Dezember 1997) unterbreitet, einige davon als „unumgänglich notwendig“ erklärt. Nach ihrer Zurückweisung durch die Amtschefskommission wurden einige der untersagten Korrekturen unterderhand in Beratungsgesprächen mit Duden und Bertelsmann praktisch dennoch eingeführt. Nun soll erstmals förmlich in den amtlichen Text eingegriffen werden, Anfang 2004, lange vor der „endgültigen Umsetzung“ im August 2005.
Die erste Abweichung vom ursprünglichen Auftrag war allerdings unter dem Druck der Kritik schon von den Kultusministerien in jener Pressemitteilung vom 12. 2. 1998 angedeutet worden:
„Ob und welche Änderungen sinnvoll sind, kann rechtzeitig vor Ende der Übergangszeit (im Jahr 2005) entschieden werden.“
Hierauf könnte sich die Kommission heute berufen, nicht aber auf die Wiener Absichtserklärung. Auf die Neuinterpretation des Kommissionsauftrages gehen auch gewisse Spannungen zwischen der deutschen Seite einerseits und der Schweiz und Österreich andererseits zurück.
„Es war erklärtes Ziel der Neuregelung, den Schreibenden wieder die Möglichkeit zu geben, allein aufgrund der Anwendung der Rechtschreibregeln zu richtigen Wortschreibungen kommen zu können. Demgegenüber verlangte die frühere Regelung ein häufiges Nachschlagen im Wörterbuch.“
Wenn dies das Ziel war, ist es so gründlich verfehlt worden, daß sogar das staatliche Institut für Schulpädagogik und Bildungsforschung in München festhielt:
„Die Neuregelung der Rechtschreibung bedingt, dass für jeden – Lehrer und Schüler – der Umgang mit einem Rechtschreiblexikon selbstverständlicher sein muss denn je.“ (Handreichungen „Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“. ISB München 1996, S. 41)
Sitta und Gallmann haben festgestellt, das amtliche Regelwerk sei ein Text, aus dem der Laie die korrekte Schreibung nicht entnehmen könne. Gerade bei der Groß-und Kleinschreibung könne man auch in Zukunft nur durch Nachschlagen zum Ziel kommen (Handbuch Rechtschreiben 1996).
„Die Kommission ist zu der Überzeugung gelangt, dass die wesentlichen Neuerungen des amtlichen Regelwerks von 1996 unverändert bleiben sollten. Viele dieser Regelungen haben nachweislich spürbare Erleichterungen bei den Erstlernern gebracht.“
Hier fällt die vage Ausdrucksweise auf: Was sind „spürbare“, zugleich aber nachweisbare Erleichterungen? Tatsache ist, daß zur Zeit alle Rechtschreibungen – die „alte“, die amtliche neue und die vielfach korrigierte neue, wie sie in den unterschiedlichen Wörterbüchern seit 1996 verzeichnet ist, benutzt werden dürfen, ohne daß Fehler angestrichen werden. Bei gleichbleibenden oder sogar – wegen der Mischung – objektiv geringeren Rechtschreibleistungen werden aus arithmetischen Gründen bessere Noten vergeben – eine recht zweifelhafte „Erleichterung“. Bezeichnend ist die folgende Zeitungsreportage:
„,Endlich mal wieder eine Zwei‘, frohlockt die Achtkläßlerin der Wirtschaftsschule. Vor allem die Schlußbemerkung des Lehrers findet Julia hochinteressant. Da steht: ,Aufgrund der Anwendung der neuen Rechtschreibregeln sind elf Fehler weniger in Rechtschreibung und Zeichensetzung zu verzeichnen; die Arbeit ist daher mit ,gut‘ zu bewerten.‘“ (Nürnberger Nachrichten 31.12.1996) Nicht die Schülerin hat also die neuen Regeln angewandt, sondern der Lehrer und für die gleiche Leistung eine bessere Note gegeben. Diesen Effekt hätte die Schulverwaltung auch durch eine bloße Anweisung an die Pädagogen und ohne Eingriff in die Sprache selbst erreichen können.
Zur Laut-Buchstaben-Zuordnung
„KRITIK
Besonders anfänglich, d. h. nach Bekanntwerden der Neuregelung, wurde verschiedentlich die Rücknahme einiger neuer Schreibungen wie nummerieren, behände oder Tollpatsch gefordert.
DISKUSSION
In ihrem ersten Bericht hatte die Kommission erwogen in einigen wenigen Fällen die alte Schreibung wenigstens als Variantenschreibung noch weiterhin zuzulassen. Inzwischen ist die Kritik an den neuen Schreibungen, die das Prinzip der Stammschreibung und damit die Systematik stärken, stark abgeflaut und taucht nur noch sehr vereinzelt auf. Ganz offensichtlich spielt – wie innerhalb so kurzer Zeit schon festzustellen ist – hier die Gewöhnung eine große Rolle. Unabhängig von allen linguistischen oder nicht-linguistischen Argumenten ist – wie Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zeigen – eine gewisse Zeit vonnöten, gespeicherte Schreibschemata durch neue zu ersetzen. Die Etablierung von Neumotivierungen ermöglicht ein richtiges Schreiben auch für all jene, die nicht über sprachhistorische Kenntnisse verfügen, und liegt also im Interesse der breiten Öffentlichkeit.“
Hier geht es um die ausschließlich von dem führenden Reformer Augst eingeführten etymologisierenden und volksetymologischen Schreibweisen, die vonAnfang an nicht etwa als zulässige Varianten, sondern als obligatorisch präsentiert wurden – wohl in der Annahme, daß andernfalls niemand sich dann halten würde. ie sind im einzelnen von sehr unterschiedlicher Qualität. So kann man in der Tat zu etymologisch richtigem bleuen (einbleuen usw., zu Bleuel, Pleuelstange) schon seit geraumer Zeit die volksetymologische Variante bläuen finden (wohl wegen der blauen Flecken). Das könnte allenfalls zugelassen, aber keinesfalls vorgeschrieben werden, so daß nun gerade der sprachkundige Schreiber einen „Fehler“ macht. Dasselbe gilt für Zierrat (wie Hausrat) statt Zierat (wie Heimat). Hingegen ist behende in tausend Jahren Sprachgeschichte so gut wie niemals anders als mit e geschrieben worden, weil der Zusammenhang mit Hand längst aus dem Bewußtsein geschwunden war. Das zeigt sich auch an Wendungen wie behenden Schrittes usw. Es ist nicht einzusehen, wieso die Neuschreibung „richtiges Schreiben auch für all jene, die nicht über sprachhistorische Kenntnisse verfügen“, ermöglichen soll. Noch deutlicher wird die rückwärtsgewandte Denkweise der Reformer in der Veränderung von Stendelwurz zu Ständelwurz. Hier hat Augst nämlich den alten volksmedizinischen Glauben ausgegraben, daß diese Orchideenart erektionsfördernd wirke und daher eigentlich mit ä (wie Ständer) zu schreiben sei. Das Duden-Universalwörterbuch ist stillschweigend zu Stendelwurz zurückgekehrt, obwohl die Neuschreibung als Variante ausdrücklich im amtlichen Wörterverzeichnis steht. Auf weitere Beispiele (schnäuzen, Tollpatsch usw.) kann verzichtet werden. Der vierte Bericht beharrt darauf, die Augstschen Erfindungen beizubehalten und sogar fast ausnahmslos obligatorisch vorzuschreiben. Wenn die Diskussion um diese Dinge abgeflaut ist, dann liegt das daran, daß außer dem hundertmal Gesagten nicht viel zu sagen bleibt.
Die Kommission behauptet, analog zu neuschreiblichem Tipp und Stopp seien auch Topp und andere Eindeutschungen gefordert worden. Sie fährt fort:
„Schreibungen wie Topp/topp, Shopp, Popp oder Stripp würden einen Schritt in Richtung Systematisierung bedeuten. An die Stelle bisheriger Einzelfestlegungen würde weit gehende Regelhaftigkeit treten. Mit doppeltem Konsonantenbuchstaben könnte man dann alle einsilbigen Substantive schreiben, die verwandte Wörter mit einer solchen Schreibung neben sich haben (also dann auch Popp wegen poppig, Chatt wegen chatten usw.).
Gegen eine derartige Regelung spricht, dass eine solche forcierte grafische Assimilation auch einige Fremdwörter betreffen würde, die zurzeit eine hohe Gebrauchsfrequenz aufweisen ohne Anzeichen der Assimilation erkennen zu lassen, was vor allem damit zusammenhängt, dass sie auch international üblich sind (etwa Shop, Chat, Pop). Außerdem wird die Begründbarkeit der Schreibung mit Doppelkonsonantenbuchstaben in derartigen Fällen in der Wissenschaft zurzeit konträr diskutiert.
FAZIT
Die Kommission sieht hier – zumindest, was die einsilbigen Substantive aus dem Englischen angeht – möglichen Handlungsbedarf für die Zukunft, möchte zum jetzigen Zeitpunkt aber keine weiteren integrierten Schreibungen zur Diskussion stellen, sondern die Schreibentwicklung noch weiter beobachten und den Verlauf des wissenschaftlichen Disputs verfolgen.“
Hierzu muß man wissen, daß Eindeutschungen wie Hitt, Stripp usw. durchaus geplant waren, jedoch in den neunziger Jahren von den Kultusbehörden zurückgewiesen worden waren. Von einem guten Dutzend Neuschreibungen blieben nur Tipp und Mopp übrig (Stopp war teilweise schon vorher gebräuchlich). Gerade Tip ist jedoch international überaus gebräuchlich, so daß es keine Erleichterung ist , wenn etwa Englischschülern auf dem Umschlag ihres Übungsbuches „Lerntipps“ versprochen werden. Shopp, Hitt, Stripp usw. bleiben auf der Agenda („Handlungsbedarf für die Zukunft“) und werden zweifellos eingeführt werden, sobald die Kommission, wie von den Kultusministern vorgeschlagen, allein über Neuschreibungen entscheiden kann.
„Zu Irritationen hat die für die Schreibenden bisweilen schwer durchschaubare Kennzeichnung von Vorzugs- und Nebenvarianten (z. B. Biografie als Hauptvariante gegenüber Biographie, aber Geographie als Hauptvariante gegenüber Geografie) geführt.“
Das vor Jahrzehnten entwickelte Konzept der „gezielten Variantenführung“ wird einerseits aufgegeben. Die unterschiedlichen Kennzeichnungen im amtlichen Wörterverzeichnis waren in der Tat „schwer durchschaubar“, nämlich offenbar willkürlich. Ihr Status war zudem völlig unklar, denn sogar die Reformer selbst benutzten teilweise die „Nebenvariante“ (z. B. Orthografie). Andererseits soll die eingedeutschte Variante im Regelwerk künftig an erster Stelle angeführt werden – was jedoch die Wörterbuchredaktionen zu nichts verpflichtet. In der Reihenfolge schlägt sich der Wunsch der Kommission nieder, die Eindeutschung zu beschleunigen. In klarem Widerspruch dazu steht die Absicht, „den Prozess der Integration vorurteilsfrei zu beobachten, ihn also nicht vorzubestimmen“. Auch in der Zusammenfassung am Ende des Berichts wird der Widerspruch zwischen Beobachtung und Lenkungsanspruch nicht aufgelöst. Jedenfalls müssen die Wörterbücher das entsprechende Markierungs- und Verweissystem beseitigen. Im Österreichischen Wörterbuch (s. Anhang zum vierten Bericht) werden die erheblichen Folgen dieser Maßnahme bereits sichtbar.
Im amtlichen Regelwerk ist übrigens nicht klar, ob Haupt- und Nebenvarianten nur bei Fremdswörtern vorgesehen sind (s. meinen Kritischen Kommentar). Sogar die Schweizer Berater haben offenbar angenommen, sie seien auch für heimische Wörter vorgesehen. Dem widerspricht nun die Kommssion in ihrer Zusammenfassung:
„In der schweizerischen Stellungnahme heißt es: «Was den Einzelfall -fach betrifft, so wurde insbesondere von den Vertretern der Medien und der Verwaltung empfohlen, die Schreibung mit Bindestrich zur Hauptvariante zu machen.» Da es bei heimischen Wörtern keine Unterscheidung von Haupt- und Nebenvarianten gibt, sieht die Kommission in diesem Fall keinen Bedarf, ihren Vorschlag zu verändern.“


Zur Getrennt- und Zusammenschreibung
Die Kommission erkennt an, daß die Liste von Partikeln, die mit dem Verb zusammengeschrieben werden müssen („trennbare Verben“), unvollständig ist. Im ersten Bericht hatte sie schon einmal vorgeschlagen, diese Liste überhaupt zu öffnen. Nun soll es doch bei einer geschlossenen Liste bleiben, es werden aber 13 Partikeln und einige verkürzte Varianten hinzugefügt.
„Um den Charakter einer geschlossenen Liste zu gewährleisten, müsste die Liste um die folgenden fehlenden Partikeln bzw. Partikelvarianten ergänzt werden: dahinter-, d(a)rauf-, d(a)rauflos-, d(a)rin-, d(a)rüber-, d(a)rum-, d(a)runter-, davor-, draus-, hinter-, hinterdrein-, nebenher-, vornüber-.“
Diese Liste ist schwer zu verstehen, denn die verkürzten Formen drauf- usw. waren ja bereits in der originalen Partikelliste des amtlichen Regeltextes enthalten. Verglichen mit dem Rechtschreibduden von 1991 ergeben sich folgende Ergänzungen:
dahinterklemmen
dahinterknien
dahinterstecken
dahinterstehen
daraufgehen (? im alten Duden keine Zusammenschreibung mit darauf)
*darauflosgehen (im alten Duden darauf losgehen)
darauffolgend
darin (? im alten Duden keine Zusammenschreibung mit darin)
darüberfahren
darübermachen
darüberschreiben
darüberstehen
drüber (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darüber erschließbar)
darumkommen
darumlegen
darumstehen
drum (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darum erschließbar)
darunterfallen
darunterliegen
drunter (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darunter erschließbar)
davorhängen
davorliegen
davorschieben
davorstehen
draus (? im alten Duden keine Beispiele; DUW hat drausbringen, drauskommen)
hinterbringen ('nach hinten bringen')
hinteressen (mundartl. 'unwillig essen')
hinterhaken
hinterschlingen
hinterschlucken
hinterdreinlaufen (im alten Duden nur als Muster weiterer Verbindungen angegeben)
nebenherfahren
nebenhergehen
nebenherlaufen
vornüberbeugen
vornüberfallen
vornüberkippen
vornüberstürzen (im alten Duden als Muster für weitere Verbindungen angegeben)

Wichtiger als diese Einzeleinträge ist aber, daß es sich um ungemein produktive Muster handelt, nach denen Hunderte von Partikelverben gebildet werden. Ihre Wiederzulassung bedeutet daher schon mengenmäßig einen folgenreichen Eingriff.
Die seit 1996 vorgesehene Getrenntschreibung solcher Verben wird nunmehr falsch. Damit ist auch die Behauptung der Kommission und der Kultusministerien widerlegt:
„Durch die Änderungen werden bisherige Schreibweisen nicht falsch.“ (Beschlußvorlage der KMK vom 14. 1. 2004)
Das ist die unvermeidliche Folge, wenn man geschlossene Listen ändert.
Als „verlässliches Kriterium“ der Identifikation trennbarer Verben gegenüber adverbialen Fügungen wird die Nichtunterbrechbarkeit eingeführt: dabeisitzen vs. dabei (auf dem Stuhl) sitzen. Dies ist jedoch nur eines unter mehreren von der Kritik ausführlich begründeten Merkmalen und keineswegs so „verlässlich“, wie die Kommission meint. Besonders die Verbpartikel mit ist bekanntlich erweiterbar bzw. verschiebbar, aber auch zurück und einige andere, vgl.:
Schreiber hat Max Strauß oft mit auf Reisen genommen. (SZ 10.1.04)
Hier liegt zweifelsfrei das Partikelverb mitnehmen vor.
Zu § 34 E3 (3): Die willkürliche, völlig unverständliche obligatorische Getrenntschreibung von adjektivischen Verbzusätzen, die auf -ig, -isch oder -lich enden, wird weiterhin mit einer angeblichen Entsprechung zu Adverbialien gerechtfertigt: richtig stellen wie freundlich grüßen. Die beiden Typen von „Kombinationen“ (wie es vage heißt) sind ganz unvergleichbar, gerade nach dem grammatischen Maßstab, den die Kommission sonst überall zur Geltung bringen will. Deshalb kann auch von einer nunmehr geschaffenen „Ausnahmslosigkeit“ der Regel keine Rede sein, denn es gibt überhaupt keine Regel, die derart Unvergleichbares zusammenfaßt.

Zu § 34 (3), § 34 E3 (5), § 55 (4): Hier geht es um die Fälle
Leid tun
Not tun
Pleite gehen
Bankrott gehen
Kopf stehen
Eis laufen
Acht geben
Recht haben
Unrecht haben

Sie werden weiterhin unter dem Titel „Substantiv + Verb“ abgehandelt, obwohl der Fehler der Reform gerade darin besteht, daß es sich teilweise gar nicht um Substantive handelt. Die Kommission behauptet nun, „dass die Wortartzugehörigkeit bei einigen Bestandteilen nicht ohne weiteres klar ist.“ Sie räumt ein, daß neben Leid tun auch leidtun geschrieben werden könne (nicht aber leid tun, wie bisher üblich), versteigt sich aber zu der abenteuerlichen These:
„Der Bestandteil Leid bzw. leid in der Verbindung mit dem Verb tun ist hinsichtlich der Wortart grammatisch weder synchron noch diachron zu bestimmen.“
Jeder Germanist lernt im ersten Semester, spätestens bei der mittelhochdeutschen Lektüre, was für ein Wort leid ist; man kann es auch in allen besseren Wörterbüchern nachlesen. Es handelt sich um ein altes Adjektiv, das als solches nur noch in Dialekten gebräuchlich ist, adverbial im Komparativ leider vorliegt und genau parallel zu weh, wohl, gut mit tun verbunden wird. Die Großschreibung Leid tun (so Leid es mir tut) ist und bleibt grammatisch falsch. Die Analogie zu kundtun (ebd.) ist irrig, da kund hier ein Resultativzusatz ist.
In der Stellungnahme der Schweizer EDK wird die Neuschreibung leidtun abgelehnt, unter Hinweis auf wie leid es ihr tut wird für die bisherige Getrenntschreibung plädiert. Auch die Schweizer wagen es nicht, eindeutig auf die grammatikalische Verkehrtheit der Großschreibung Leid tun hinzuweisen. Ihr Vorschlag wird aber von der Kommission zurückgewiesen, die abschließend noch einmal ihren grammatikalischen Irrtum bekräftigt:

„...würde damit für einen Einzelfall eine Schreibung wiederbelebt, die es für diesen Typ (Substantiv + Verb) in der neuen Regelung nicht mehr gibt: Getrenntschreibung des Substantivs mit Kleinschreibung.“ (S. 52)
Dieser Satz wird nur verständlich, wenn man sich einer Maxime erinnert, die in der Vorgeschichte der Rechtschreibreform von dem österreichischen Ingenieur Eugen Wüster ersonnen wurde: „Entweder groß und getrennt oder klein und zusammen!“- Sie liegt der immer weiter getriebenen Großschreibung in der gegenwärtigen Reform zugrunde, obwohl sie gar nicht ausdrücklich in das amtliche Regelwerk eingegangen ist.
Pleite gehen und Bankrott gehen werden mit einer angeblichen Analogie zu Gefahr laufen und Schlange stehen gerechtfertigt. Die richtige Analogie wäre kaputt, verloren, verschütt, entzwei gehen (mit oder ohne Zusammenschreibung, das ist hier unwesentlich). Es handelt sich um einen adjektivischen Resultativzusatz. Mit Substantiven kann gehen nicht verbunden werden.
Das grammatisch falsche Recht bzw. Unrecht haben (wie Recht du doch hast!) soll offenbar beibehalten werden, es wird nicht nochmals erwähnt. Dasselbe gilt für Not tun und das archaisierende Acht geben. Im dritten Bericht war bereits erwogen worden, auch nottun zur Wahl zu stellen: „Die frühere Schreibung not tun (getrennt und klein) sollte nicht wiederbelebt werden.“ Ebenso pleitegehen oder Pleite gehen, aber nicht mehr pleite gehen; inacht nehmen oder in Acht nehmen, aber nicht mehr in acht nehmen usw. Das fragwürdige Verfahren, die bisher übliche Schreibweise zu verbieten und stattdessen zwei andere zur Wahl zu stellen, wird bekanntlich auch bei von seiten praktiziert. Dies gibt es nicht mehr, man hat nur die Wahl zwischen vonseiten und von Seiten.

Zu § 36 E2:

„Es ist als ein Hauptfehler der Neuregelung bezeichnet worden, für Verbindungen mit Partizipien automatisch ausschließlich Getrenntschreibung vorzusehen, wenn eine entsprechende Fügung im Infinitiv vorliegt, z. B. Zeit sparend wegen Zeit sparen, allein stehend wegen allein stehen.“

Diesen Hauptfehler räumt die Kommission ein.:
„Diese Regelung lässt die Komparierbarkeit der ganzen Verbindung in bestimmten Fällen außer Acht und trägt auch den sich aus der Substantivierung ergebenden Aspekten nicht ausreichend Rechnung.
Die Steigerungsmöglichkeit des Ganzen bringt aber zwangsläufig auch bei Getrenntschreibung des Infinitivs die entsprechende zusammengeschriebene Form des Positivs vom Partizip als regelkonforme Schreibungsvariante mit sich, also z. B. zeitsparend wegen ein zeitsparenderes Verfahren, das zeitsparendste Verfahren; schwerwiegend wegen schwerwiegendere Vorwürfe, die schwerwiegendsten Vorwürfe.Die Kommission unterbreitet einen Lösungsvorschlag, der versucht, die Schreibung von Verbindungen mit Partizipien durch eine Erweiterung von § 36 E2 zu flexibilisieren.
Der Vorschlag nimmt die Kritik wie folgt auf: Es wird explizit vorgeführt, dass aus der Regelstruktur des Regelwerks für komparierbare Verbindungen zwei Schreibungen logisch ableitbar sind und dass beide Schreibungen auch tatsächlich zugelassen sind (z. B. Zeit sparend/zeitsparend).

Für nichtkomparierbare Fügungen lässt sich im Unterschied zu den komparierbaren aus dem amtlichen Regelwerk nur eine einzige Schreibung ableiten, also z. B. nur allein stehend (und nicht auch alleinstehend). Im Wörterverzeichnis sind in einigen Fällen auch Varianten mit Zusammenschreibung aufgenommen worden, und zwar unter Berufung auf § 37(2), wo die Zusammenschreibung von Substantivierungen behandelt wird. Das führt zu Schreibungen wie den folgenden:
das Kleingedruckte oder das klein Gedruckte, aber attributiv nur: das klein gedruckte Werk, die Alleinstehenden oder die allein Stehenden, aber attributiv nur: die allein stehenden Personen.
Dass in Verbindungen wie die Alleinstehenden oder das Kleingedruckte eine Neigung zur Zusammenschreibung besteht, hat aber nichts mit Substantivierung zu tun, es ist vielmehr Univerbierung schon im zugrunde liegenden attributiven Gebrauch anzunehmen. Dementsprechend wird eine zusätzliche Erweiterung von § 36 E2 vorgeschlagen, die auch für nichtkomparierbare partizipiale Verbindungen – unabhängig vom syntaktischen Kontext – die Zusammenschreibung als Variante zulässt.
Diese weit gehende Freigabe der Schreibung bei Verbindungen mit Partizip bringt im Ergebnis für die Schreibenden eine gewisse Erleichterung durch hinzugewonnenen Entscheidungsspielraum, zwingt aber andererseits die Wörterbuchredaktionen, alle einschlägigen Fälle an mehreren Stellen aufzuführen.“
Die Kommission macht sich also einige, wenn auch keineswegs alle Argumente der Kritiker zu eigen, vor allem die gesamthafte Steigerbarkeit. Nach jahrelangem Sträuben gibt sie zu, daß nicht nur die komparierten Formen (zeitsparender), sondern bereits der zugehörige Positiv (zeitsparend) zusammengeschrieben wird (neben dem anders gebauten Syntagma [viel] Zeit sparend). Andere Argumente, wie der Hinweis auf den prädikativen Gebrauch, werden nicht aufgegriffen, neuerdings verbreitete Fehlschreibungen wie Das Verfahren ist Zeit sparend also nicht ausgeschlossen. Der langjährige Vorsitzende der Kommission, Gerhard Augst, rühmte laut Zeitungsberichten sogar, nun sei die Unterscheidung die Frau ist alleinstehend vs. das Haus ist allein stehend wieder möglich (Schwäbische Zeitung 5. 2. 2004) – ohne zu bemerken, daß der zweite Satz grammatisch falsch ist. Der dritte Bericht war hier schon weiter.
Daß die Kommission das Argument bezüglich des prädikativen Gebrauchs bis heute nicht verstanden hat, zeigt sich in einem grammatischen Schnitzer, der ihr an anderer Stelle unterläuft:
„...dass die Umsetzung der Rechtschreibregelung in den Korrekturprogrammen diverser Softwareproduzenten nicht zufrieden stellend (!) sei.“ (S. 55)
Hier muß es zweifellos zufriedenstellend heißen, das auch in einigen neuen Wörterbüchern (z. B. Duden Universalwörterbuch) entgegen dem amtlichen Regelwerk wiederhergestellt ist. Die Kommission gebraucht auch, wie im Zitat erkennbar, durchweg die Getrenntschreibung weit gehende Freigabe usw., was zumindest linkisch wirkt.
Die Kommission kommt im weiteren Verlauf zu der Einsicht, daß nicht nur komparierbare Zusammensetzungen, sondern auch andere wie kleingedruckt, alleinstehend, alleinerziehend, ratsuchend wiederhergestellt werden müssen. Die lange Zeit von ihr verfochtene These, Großschreibung trete erst bei Substantivierung (Ratsuchende) ein, wird ausdrücklich widerrufen. Darauf hatten die Schweizer Kommissionsmitglieder Gallmann und Sitta schon seit 1996 gedrängt.
Bedenkt man, daß diese Korrektur auch die vielkritisierten Neuschreibungen Eisen verarbeitend, Erdöl produzierend, Wasser abweisend usw. erfaßt, so erkennt man einen durchgreifenden Änderungsbedarf in den reformierten Wörterbüchern.

Schreibung mit Bindestrich

Zu § 40 (3), § 41: Für Formen wie 8fach wird analog zur Neuschreibung 8-mal nun eine Variante mit Bindestrich vorgesehen: 8-fach. Als Grund gibt die Kommission an, daß „der Wortbestandteil einer Grauzone zwischen unselbstständigem Grundmorphem und Suffix zuzuordnen“ sei.
Im amtlichen Regeltext kommt allerdings weder der Begriff „Morphem“ noch gar der des „Grundmorphems“ vor. Die Neuregelung des Bindestrichs war bisher ausschließlich auf den Gegensatz von Zusammensetzung und Ableitung aufgebaut. Solange die neuartige Begrifflichkeit der „unselbstständigen Grundmorpheme“ nicht definiert ist, läßt sich nicht absehen, ob es mit -fach sein Bewenden haben kann.
Die Kommission will außerdem einen Fehler beheben, den sie als mißverständliche Formulierung darstellt. Diese Formulierung habe dazu geführt,
„dass viele gedacht haben, dass eine doch relativ übersichtliche Verbindung wie das Inkrafttreten neu nur noch mit Bindestrichen geschrieben werden dürfte: das In-Kraft-Treten.“
Zu diesen vielen gehörte immerhin die Dudenredaktion, trotz intensiver Beratungsgespräche mit der Kommission.
Zum Bindestrich werden noch eine Reihe weiterer Änderungen vorgeschlagen, die aber mehr redaktioneller Art und linguistisch uninteressant sind. Es bleibt übrigens bei der Umstimmigkeit, daß Erstglieder auf -ig, -isch und -lich mit Bindestrich in Zusammensetzungen eingehen (wissenschaftlich-technisch), im übrigen aber nach § 36 von Zusammensetzungen ausgeschlossen sind.


Zur Groß- und Kleinschreibung

„Der Vorwurf der Inkonsequenz der Neuregelung bezieht sich vor allem auf die Kleinschreibung von flektierten Adjektiven in festen Verbindungen aus Präposition und dekliniertem Adjektiv vom Typ vor kurzem, ohne weiteres.
DISKUSSION
Die Kleinschreibung wurde damit begründet, dass diese Verbindungen solchen ohne Flexion nahe kommen. Da substantivierte Adjektive aber auch ohne Artikel und nur mit Präposition auftreten können (z. B. Er steht Neuem misstrauisch gegenüber; sie bevorzugt Süßes; wir verpflegen uns mit Süßem und Salzigem), kann man auch Adjektive in festen Verbindungen aus Präposition und Adjektiv als Substantivierungen auffassen, sofern ihr substantivischer Status nach dem für die Neuregelung maßgebenden morphosyntaktischen Kriterium erkennbar ist, was sich in der Flexion des Adjektivs ausdrückt.
Deshalb kann man diese Adjektive nach § 57(1) auch großschreiben. Es handelt sich um etwa fünfzehn Wendungen dieses Typs, die allerdings in Texten teilweise eine relativ hohe Frequenz aufweisen, z. B. vor kurzem, seit kurzem, binnen kurzem, seit langem,vor langem, seit längerem, vor längerem, von nahem, von neuem, seit neuestem, von weitem, bei weitem, bis auf weiteres, ohne weiteres.
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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 08.02.2004 um 09.18

FAZIT
Die Kommission schlägt vor, bei festen Verbindungen aus Präposition und dekliniertem Adjektiv künftig neben der Kleinschreibung auch die Großschreibung des entsprechenden Adjektivs zuzulassen und die Angaben unter § 58(3) folgendermaßen zu ändern:
[§ 58: In folgenden Fällen schreibt man Adjektive, Partizipien und Pronomen klein, obwohl sie formale Merkmale der Substantivierung aufweisen.]
(3) bestimmte feste Verbindungen
(3.1) aus Präposition und nichtdekliniertem Adjektiv ohne vorangehenden Artikel, zum Beispiel:
Ich hörte von fern ein dumpfes Grollen. Die Pilger kamen von nah und fern. Die Ware wird nur gegen bar ausgeliefert. Die Mädchen hielten durch dick und dünn zusammen. Das wird sich über kurz oder lang herausstellen. Damit habe ich mich von klein auf beschäftigt. Das werde ich dir schwarz auf weiß beweisen. Die Stimmung war grau in grau.
(3.2) aus Präposition und dekliniertem Adjektiv ohne vorangehenden Artikel.
In diesen Fällen ist jedoch auch die Großschreibung des Adjektivs zulässig, zum Beispiel:
Aus der Brandruine stieg von neuem/Neuem Rauch auf. Wir konnten das Feuer nur von weitem/Weitem betrachten. Der Fahrplan bleibt bis auf weiteres/ Weiteres in Kraft. Unsere Pressesprecherin gibt Ihnen ohne weiteres/ Weiteres Auskunft. Der Termin stand seit längerem/Längerem fest. Die Aufgabe wird binnen kurzem/Kurzem erledigt.“
Der „Vorwurf der Inkonsequenz“ ging diesmal nicht von den Reformkritikern aus, sondern von dem Schweizer Kommissionsmitglied Peter Gallmann. Er hat sich nun offenbar mit seiner Forderung nach Rückkehr zur weitestgehenden Großschreibung, wie im 19. Jahrhundert eine Zeitlang üblich, durchgesetzt.
Auf des ersten Bick ist nicht einzusehen, daß die Flektiertheit eines Adjektivs ein hinreichendes Kriterium für seine Substantiviertheit sein soll: bei Weitem. Dazu bedarf es besonderer Zusatzannahmen, die aber im Bericht nicht genannt werden. Andererseits ist das Fehlen von Flexionsendungen kein ausreichendes Argument für nicht-substantivischen Charakter, denn Artikel- und Flexionslosigkeit kommt auch in eindeutig substantivischen Paarformeln bzw. vollständigen Aufzählungen vor: das Märchen von Hase und Igel (statt vom Hasen und vom Igel). In diesem Sinne kann man Nietzsches Buchtitel Jenseits von Gut und Böse verstehen, wo jedoch nach der Reform Kleinschreibung vorgesehen ist. Es ist also im Bericht nicht hinreichend begründet, warum nicht auch durch Dick und Dünn, über Kurz oder Lang usw. geschrieben werden soll.
Schwerer wiegt aber der Einwand, daß die neu verordnetete Großschreibung das ist bei Weitem besser usw. vollkommen sinnwidrig ist. Das „Weite“, das hier erwähnt zu sein scheint, gibt es ja so wenig wie das „Öftere“ in der neuerdings groß zu schreibenden Wendung. Die Heraushebung eines vermeintlichen Gegenstandes aus der rein adverbial fungierenden Wendung ist textsemantisch widersinnig und überaus rückständig. Niemand hat in den letzten hundert Jahren so geschrieben, die Neuerung entspringt allein dem „Konsequenz“-Streben eines Grammatikers und nicht der Beobachtung von Schreibbrauch und Fehlerhäufigkeit. (Erst die Rechtschreibreform hat entsprechende Fehlschreibungen hervorgebracht, wie die Kommission sie nun nachträglich legitimieren will.)
Eine überholte Schreibweise des 19. Jahrhunderts ist auch die wiederbelebte Großschreibung der Eine, der Andere, die Meisten usw. Sie soll möglich sein, wenn, wie es seltsamerweise heißt, „der Schreibende zum Ausdruck bringen will, dass das Zahladjektiv substantivisch gebraucht ist“. Schreibende wollen gewöhnlich einen bestimmten Sinn zum Ausdruck bringen, nicht eine Wortart.
Der österreichische Beirat will die von seinem Landsmann Wüster vorgeschlagene Großschreibung (bei Weitem usw.) sogar als „einzige Variante“ (sic!) festlegen lassen. (S. 65) Die Kommission weist dieses Ansinnen jedoch zurück.
Die Kommission erkennt nunmehr an, daß in der Sprachgemeinschaft eine „offensichtliche Tendenz“ besteht, feste Gruppen aus Adjektiv und Substantiv durch Großschreibung als Begriffseinheiten zu kennzeichnen. Dem wollte die Neuregelung entgegenwirken, indem sie die Kleinschreibung erste Hilfe, schwarzes Brett usw. vorschrieb. Die Nachrichtenagenturen und Zeitungen folgten dem nicht, und auch sonst ist der Widerstand gegen diese sprachwidrige Normierung so stark, daß die Kommission seit geraumer Zeit die Klausel nutzt, Fachsprachen seien von der Rechtschreibreform ohnehin nicht betroffen. Der führende Reformer Augst hatte schon vor Jahren geäußert, die Erste Hilfe könne als Fachausdruck auch groß geschrieben werden. Dieser Ausweg wird nun systematisch ausgebaut, wobei am Ende die unklare Bestimmung erscheint:
„Im nichtfachlichen Zusammenhang ist die Kleinschreibung der Adjektive in solchen Wortgruppen der Normalfall.“
Die Anerkennung von „Begriffseinheiten“ (Nominationsstereotypen) war der richtige Weg; leider ist die Kommission nicht so konsequent, dieser Einsicht zu folgen und die am Ende doch wieder aufgeweichte Beschränkung auf „Fachsprache“ aufzugeben. Am Schwarzen Brett ist nichts Fachliches, und doch wird es aus Gründen, die der Kommission offenbar bekannt sind, zweckmäßigerweise groß geschrieben.
Als regeltechnisch fehlerhaft muß man den Schlußsatz der vorgeschlagenen Neufassung bezeichnen:
„Im nichtfachsprachlichen Zusammenhang ist die Kleinschreibung der Adjektive in solchen Wortgruppen der Normalfall.“
Das ist nur als eine vage statistische Aussage über den Schreibbrauch sinnvoll, nicht als Handlungsanweisung. In einem orthographischen Regelwerk haben solche Aussagen nichts zu suchen.

Zeichensetzung

Hier werden keine Änderungen ins Auge gefaßt.
Daß die neue Kommasetzung besonders beim Infinitiv nicht gelungen ist, weiß inzwischen jeder. Aber die Kommission schreibt:
„Der Vorschlag, bei Infinitivgruppen mit bestimmten Einleitewörtern immer ein Komma zu setzen, kommt denjenigen Schreibenden entgegen, die klare mechanische Regelungen schätzen, da sie ihnen die Entscheidungen abnehmen.“
Hier werden Schreibende diffamiert, die genau das wünschen, was die Neuregelung sich an so vielen anderen Stellen zu bieten rühmt: klare Regeln, die sozusagen idiotensicher auch den „Wenigschreiber“ zu korrektem Schreiben befähigen. Eine solche Regel ist zum Beispiel jene, die obligatorisch Getrenntschreibung bei Wörtern auf -ig, -isch und -lich vorschreibt, ohne Rücksicht auf syntaktische Unterschiede, die als allzu feingesponnen dargestellt werden.
„Kennzeichnend für die Neuregelung ist, dass sie die kommunikative Funktion der Satzzeichen betont: Satzzeichen dienen dazu, «einen geschriebenen Text übersichtlich zu gestalten und ihn dadurch für den Lesenden überschaubar zu machen», heißt es in den Vorbemerkungen zum Abschnitt E (Zeichensetzung) des amtlichen Regelwerks. Die Schreibenden können «mit den Satzzeichen besondere Aussageabsichten oder Einstellungen zum Ausdruck bringen oder stilistische Wirkungen anstreben». Mit dieser Kennzeichnung der Funktion sind Spielräume des Gebrauchs der Zeichen eröffnet, weil übersichtliche Gestaltung, Aussageabsichten, «stilistische Wirkung» per se nicht systematisch zu regeln sind.“
Während nach übereinstimmender Ansicht der Orthographieforschung die Zeichensetzung im Laufe der Jahrhunderte weitgehend durchgrammatikalisiert worden ist, restituiert die Neuregelung eine „stilistische“ bzw. rhetorische Zeichensetzung, besonders beim Komma. Das steht in eigenartigem Gegensatz zur sonstigen Bevorzugung grammatischer Kriterien. Die Schweizer Kommissionsmitglieder Gallmann und Sitta hatten deshalb schon in ihrem Handbuch Rechtschreiben (Zürich 1996) vorgeschlagen, weitestgehend zur bisherigen Kommasetzung zurückzugehen, konnten sich aber offenbar nicht durchsetzen. In der Praxis erleben wir nun, daß Kommata unter genau gleichen Bedingungen mal gesetzt und mal weggelassen werden (übrigens auch im vorliegenden Bericht, wo sogar ganz typische Kommafehler neuer Art unterlaufen, vgl. S. 25, S. 51 und S. 55; der dritte Bericht war noch fehlerhafter). Mit der Freiheit der Kommasetzung soll der professionell Schreibende Unterscheidungen ausdrücken können; es wird aber nicht gesagt, welche Unterscheidungen das sein könnten, da es zu diesem Bereich keine näheren Angaben gibt. Die Stilistik, die nun den leitenden Gesichtspunkt abgeben soll, wird nämlich weder im Regelwerk noch an andeer Stelle ausgeführt. Die Andeutung, man könne durch Kommas notwendige von weglaßbaren Infinitiven unterscheiden (S. 40), hat keine Grundlage im amtlichen Text. Daher kann der Leser eines so interpungierten Satzes auch nicht ahnen, was der Schreibende damit zum Ausdruck bringen wollte. Der Schweizer Beirat weist diese Zumutungen denn auch zurück.

Worttrennung am Zeilenende

Bei der Silbentrennung werden keine Änderungen vorgeschlagen.

Um so überraschender wirkt es, daß die Kommission hier eine umfangreiche, mit Fachausdrücken gespickte Abhandlung über Morphem- und Silbengrenzen einschaltet, die offenbar nur der Auseinandersetzung des Reformers Gallmann mit anderen Theorien dient, ohne praktische Folgen für die Neuregelung. Eine Kommentierung ist daher eigentlich überflüssig. Nur einige Hinweise seien gestattet.
Die Kommission führt aus:
„Die Worttrennung am Zeilenende ist sowohl in ihrem Regelaufbau als auch in einzelnen Bestimmungen kritisiert worden. Die erste Umsetzung in den Wörterbüchern 1996 war teilweise unterschiedlich, sodass Irritationen entstanden. Unter Hinzuziehung der Kommission haben sich die marktführenden Wörterbücher auf eine einheitliche Handhabung der Regeln geeinigt und eine Einengung in Bezug auf die Schwankungsfälle morphologischer Trennungen bei Fremdwörtern vorgenommen. In den Schulen wird die Neuregelung als Erleichterung angesehen.“
In der Tat hatte sich die eigentlich eher nebensächliche Silbentrennung zu einem Hauptproblem für die Wörterbuchredaktionen ausgewachsen. Die Kommission hat sich daraufhin zu intensiven Beratungsrunden mit den Redaktionen der „marktführenden Wörterbücher“ getroffen und mit ihnen eine nichtveröffentlichte, 60seitige Liste von zulässigen Trennungen erarbeitet (vgl. Sprachwissenschaft 2/2000).
An diesem Vorgehen ist zu beanstanden, daß nur solche Wörterbuchverlage beteiligt waren, die mit der Kommission bzw. dem Beirat auch wirtschaftlich verbunden sind. Der jetzige Kommissionsvorsitzende ist als Mitarbeiter am Österreichischen Wörterbuch ebenfalls privilegiert. Andere Wörterbuchverlage müssen warten, bis die exklusiv beratenen Marktführer (Duden und Bertelsmann) ihre Produkte auf den Markt gebracht haben. Ob die angegebenen Worttrennungen wirklich zulässig sind, kann der Benutzer nicht überprüfen, weil die vereinbarte Liste nicht veröffentlicht ist.
„Kritik wurde an der Regelhierarchisierung geübt. Sie zielt darauf ab, in einem ersten Abschnitt die Trennung von Komposita und Präfigierungen zu behandeln und erst in einem zweiten Abschnitt die innermorphematische Trennung.
DISKUSSION
Es gibt immer verschiedene Darstellungsmöglichkeiten. Natürlich kann man sich auch für die linguistische Reihenfolge «Trennung an Morphemfugen – Trennung an Silbenfugen » entscheiden. Prototypisch für die Worttrennung ist jedoch nach dem Alltagsverständnis die Trennung nach «Silben». Dies zeigt sich auch daran, dass sowohl die im Vorfeld der II. Orthographischen Konferenz von 1901 auf Bundesstaatenebene erschienenen Regelwerke als auch die verschiedenen Dudenauflagen zunächst die Trennung nach «Silben» abhandeln, dann erst die morphologische. Insbesondere sprechen namentlich zwei Gründe für die im Regelwerk gewählte Anordnung:
– Trotz morphologischer Segmentierbarkeit fallen bei einer (begrenzten) Anzahl von Komposita und Präfigierungen Morphem- und Silbenfuge nicht zusammen, vgl. hinauf vs. hi¦nauf, be-ob-achten vs. beo¦bachten (¦ markiert die Silbenfuge).
– Bei einer Hintanstellung der Trennung an Morphemfugen entfällt die Notwendigkeit eines Vorgriffs auf später folgende Regeln, vgl. § 111 E1, E2 und § 112.
FAZIT
Da das Regelwerk in seiner Darstellung alle notwendigen Aussagen enthält und diese auch hinreichend sind, besteht kein Änderungsbedarf.“
Hier wird offensichtlich unlauter argumentiert. Kritiker haben in der Tat gefordert, zuerst die Trennung der Zusammensetzungen zu behandeln. Es ist jedoch nicht zulässig, dafür unterderhand den Begriff „Trennung nach Morphemfugen“ einzusetzen. Auch die Kriiker bleiben bei der Silbentrennung und wollen keine Morphemtrennung einführen. Trennstellen bei Zusammensetzung sind nur ein Teil davon.
Und gerade die von der Kommission problematisierten Beispiele sind umstritten und werden widersprüchlich behandelt. Einerseits wird dem Schreibenden unterstellt, daß er Komposita wie hinauf, weil er sie gebunden spricht, auch nicht mehr als Komposita erkenne und daher silbisch trenne (hi-nauf), andererseits wird jedoch auf durchsichtiger Morphologie bestanden.
Macht man die Trennung von der gebundenen Aussprache abhängig, so müßte auch für die vielen Sprecher, die Verein usw. gebunden sprechen, die entsprechende Trennung zulassen. Das ist jedoch ausdrücklich nur für vol-lenden vorgesehen.
Die Kommission geht auf die vielfach beanstandete Abtrennbarkeit einzelner Buchstaben (A-bend, Sitze-cke) ein. Im Sinne der Regeleinsparung will sie aber daran nichts ändern. Dies zeigt, daß ihr die rein formale Eigenschaft der „Ausnahmslosigkeit“ mehr wert ist als der Sinn des Geschriebenen. Sie führt aus:
„Außerdem ergibt sich eine irreführende Trennung meist nur bei der isolierten, metakommunikativen Betrachtung eines Wortes, nicht jedoch beim normalen sinnentnehmenden Lesen eines fortlaufenden Textes.“
Das Gegenteil ist richtig. Denn gerade bei der „metakommunikativen Betrachtung“ stehen die getrennten Teile eng beeinander: Seeu-fer, so daß die Lesestörung bei weitem nicht so ins Gewicht fällt wie bei tatsächlichem Zeilenbruch.
Den Lernenden dürfte mit der neuen Regel kein Gefallen getan sein, aber immerhin trennt auch die KMK in ihrer Beschlußvorlage zur Rechtschreibreform vom 14. 1. 2004 zweimal Ü-bergang.
Bei der Ansetzung einer Trennstelle hu-sten, tä-tlich, die aber dann doch folgenlos bleiben soll, wird nur der Endrand des ersten Teils, nicht aber der Anfangsrand des zweiten berücksichtigt. Im Standarddeutschen beginnen Wörter nicht mit st- (sondern scht-) oder gar tl- usw.
Zur Fremdworttrennung wird ausgeführt:
„§ 110 findet seine Begründung in der schwankenden Aussprache eines Teils der Fremdwörter: Der dem Cluster vorangehende Vokal kann als Langvokal oder als Kurzvokal realisiert werden. Während bei Langvokal die präferierte Silbengrenze vor dem Cluster liegt (vgl. die Diskussion oben), ist sie bei Kurzvokal zwischen den beiden Segmenten anzusetzen, zum Beispiel:
bei Langvokal: bei Kurzvokal:
Zy¦klus Zyk¦lus
E¦kloge Ek¦loge
Ma¦gnet Mag¦net
A¦frika Af¦rika“
Solche phonetischen Begründungen sind aber in der amtlichen Neuregelung nicht zu finden, sie scheinen von Gallmann erst neuerdings hinzukonstruiert zu sein. Die Neuregelung bietet den entsprechenden Paragraphen vielmehr einfach als Zugeständnis an die Tradition (letztlich die Muta-cum-liquida-Regel der antiken Sprachen).

Zum Anhang

Die Stellungnahme der Schweizer EDK ist oben bereits weitgehend berücksichtigt.
An der knappen Stellungnahme des deutschen Beirates – kaum anderthalb Seiten – fällt auf, daß es dem Beirat weniger auf die sachliche Angemessenheit der Reform als auf ihre Durchsetzung anzukommen scheint:
„Der Beirat empfiehlt die Änderungen in einem Rahmen zu halten, bei dem die Auswirkungen der Regelmodifizierungen nicht zu einer erneuten öffentlichen Infragestellung der Neuregelung führen können.“ (S. 63)
In diesem Sinne übernimmt der Beirat auch die verhüllende, die Öffentlichkeit täuschende Sprachregelung, von „Präzisierungen“ zu sprechen, wo Änderungen gemeint sind:
„Der Beirat fordert die deutschen Vertreter der Zwischenstaatlichen Kommission auf, sich bei den staatlichen Stellen intensiv dafür zu verwenden, dass die Kultusministerkonferenz frühzeitig im Frühjahr 2004 das Paket der Präzisierungen beschließt, damit genügend Zeit für die Umsetzung in Schulbüchern, Wörterbüchern, Zeitungen, Softwareprogrammen und anderen Publikationen bleibt.“ (S. 64)

Kann man Präzisierungen „umsetzen“? Nur wenn es in Wirklichkeit Änderungen sind. Und warum
sollten Präzisierungen so gravierenden Folgen haben, daß die Verlage usw. rechtzeitig darauf vorbereitet werden müssen?
Man muß dazu noch bedenken, daß die neuen Wörterbücher ja bereits in zahlreichen gemeinsamen Beratungsrunden mit der zwischenstaatlichen Kommission bis ins kleinste Detail abgestimmt worden sind, so daß die Kommission feststellen konnte:
„Auf Betreiben und unter Mithilfe der Zwischenstaatlichen Kommission einigten sich die großen Wörterbuchverlage seither auf eine einheitliche Auslegung der amtlichen Regeln. Sie haben dies in den jeweils neuesten Auflagen ihrer Rechtschreibwörterbücher umgesetzt: Bertelsmann im März 1999, Duden im August 2000. Beide Nachschlagewerke sind damit zuverlässige Ratgeber in orthografischen Fragen.“ (Pressemitteilung der Kommission vom 17. 8. 2000)
Die Wörterbücher enthalten also bereits alles, was den Ansichten und Einsichten der Kommission entspricht. Was sollen dann weitere „Präzisierungen“?
Worum es wirklich geht, verrät der Beirat nochmals mit der Forderung:
„Der Wortlaut des § 58 E4 sollte aus der mehrheitlichen Sicht des Beirats keine Präzisierung erfahren.“
Wie kann man etwas gegen Präzisierungen haben (die zudem von den Urhebern selbst für notwendig gehalten werden) – außer wenn es in Wirklichkeit geschäftsschädigende Änderungen sind?
Um nicht nur den Eindruck bedingungsloser Jasagerei zu erwecken, schaltet der deutsche Beirat eine scheinbar kritische Bemerkung ein: die erweiterte Partikelliste solle auf ihre Kompatibilität mit § 34 überprüft werden. Die Kommission hat diese Überprüfung unternommen (die der Beirat natürlich innerhalb von zwei Minuten selbst hätte erledigen können) und kommt zu dem voraussehbaren Ergebnis, daß sich keine Inkompatibilität feststellen lasse.
Um die Stellungnahme des Beirats besser zu verstehen, muß man sich seine Zusammensetzung näher ansehen. Neben einigen eher blassen Vertretern von nur am Rande orthographisch interessierten Institutionen (zum Beispiel Deutsches Institut für Normung) sitzen im Beirat die großen Wörterbuchverlage und der einflußreiche Verband der Schulbuchverlage (VDS Bildungsmedien), der nach eigenen Angaben 400.000 Mark ausgegeben hat, um das schleswig-holsteinische Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform zu hintertreiben – vergeblich zunächst, bis ihm die Landtagsfraktionen doch noch den Gefallen taten, die Volksgesetzgebung zu annullieren. Es gibt ferner ein Mitglied, das offiziell die Lehrerorganisationen im Deutschen Gewerkschaftsbund vertritt, in Wirklichkeit aber eine florierende Rechtschreibberatung für gehobene Ansprüche betreibt (www.rechtschreibkurse.de).
Allerdings scheinen nicht alle Mitglieder den Beirat besonders ernst zu nehmen. Manche erscheinen gar nicht erst zu den Beratungen; bei der letzte Sitzung fehlten u. a. der Deutsche Journalistenverband und der Verband der Zeitungsverleger. Der deutsche Beirat hat keinen Vorsitzenden, führt kein Protokoll und unterzeichnet als einziger Beirat seine Stellungnahmen nicht namentlich.
Für die Kultusminister spielt der Beirat dennoch eine wichtige Rolle. Er fungiert als Surrogat jener „sprachinteressierten Öffentlichkeit“, die zwar versprochen, aber nicht geschaffen worden war: „Besser, als einen Privatverlag stillschweigend Einzelfallentscheidungen treffen zu lassen, ist es allemal, wenn von jetzt an eine der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldende Expertengruppe systematische Lösungen sucht. - Anders als Verlagsredaktionen, die ihre orthographischen Entscheidungen nicht mitzuteilen und zu begründen brauchen, muss die Kommission ihre Empfehlungen und Vorschläge öffentlich vorlegen und vertreten. Sie ist damit für die engere wissenschaftliche und die weitere sprachinteressierte Öffentlichkeit kritisierbar.“ (Zwischenstaatliche Kommission bzw. IDS 1997)
Die Kultusminister behaupten, in diesem Beirat seien die „professionell Schreibenden“ vertreten, also vor allem die Schriftsteller und die Journalisten. Jeder weiß, daß alle namhaften Schriftsteller und die meisten Journalisten die Rechtschreibreform ablehnen, aber durch ihre Zwangsvertretung im Beirat, vor der sie gar nichts wissen, haben sie ihr zugestimmt. Auch die Eltern deutscher Schüler haben der Reform und allen Änderungsvorschlägen zugestimmt – durch die Vertreterin des Bundeselternrates. Kritiker der ganzen Rechtschreibreform und damit die Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung sind im Beirat nicht vertreten.
Der österreichische Beirat wird praktischerweise von Dr. Fritz Rosenberger geleitet, einem Regierungsvertreter, der auch für die Durchsetzung der Reform in Österreich verantwortlich ist.
Im Anhang des Berichts findet sich ein Abdruck der Buchstabenstrecke D aus dem Österreichischen Wörterbuch (ÖWB) mit den z. T. handschriftlich eingetragenen Änderungen, die sich laut 4. Bericht ergeben würden. (In der Internetversion des Berichts, die am 6. 2. 2004 von der Rechtschreibkommission ins Netz gestellt wurde, fehlt dieser Teil; vgl. jedoch http://www.rechtschreibreform.de/K4/OWB/) Obwohl eine Auszählung hier schwer ist, weil einerseits ganze Wortnester, andererseits nur einzelne Verweise geändert werden, ergeben sich weit über 100 Änderungen, was hochgerechnet rund 3.000 Änderungen im ganzen ÖWB bedeutet. Im Rechtschreibduden mit seinem größeren Stichwortbestand wären es etwa 4.000 Änderungen, im Großen Wörterbuch von Duden nochmals das Doppelte. Jedenfalls die Größenordnung dieser Schätzung dürfte stimmen. Daraus geht hervor, daß nach Billigung des vierten Berichts alle Wörterbücher usw. sofort neu bearbeitet werden müssen, wie es ja auch vom deutschen Beirat angedeutet wird.
Der Bericht soll nach dem Wunsch der Kommission der letzte seiner Art sein. In Zukunft will die Kommission Regeländerungen nicht mehr nur vorschlagen, sondern aus eigener Machtvollkommenheit einführen und durchsetzen und der KMK nur noch im Fünfjahresrhythmus darüber berichten. Nur Änderungen von grundsätzlicher Bedeutung sollen noch der Genehmigung bedürfen. Zweimal wird das Beispiel der „gemäßigten Kleinschreibung“ genannt, aber es ist klar, daß es das einzige in Frage kommende ist: Die Kleinschreibung der Substantive wird von allen Kommissionsmitgliedern als Fernziel festgehalten.

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Liebe Freunde, diese Neufassung meines Kommentars stelle ich hier vor und bitte um Ergänzungen und Korrekturen, entweder hier im Forum oder per Mail. Mein Text erscheint hier ohne Kursivierungen usw., aus Zeitmangel, aber irgendwann soll eine ordentliche Datei daraus werden.
Natürlich möchte ich niemanden bevormunden, jeder kann selbstverständlich seinen eigenen Kommentar verfassen,aber aus praktischen Gründen wäre es vielleicht nicht verkehrt, hier nun auf der vorhandenen Grundlage einen sozusagen kanonischen Kommentar zu erarbeiten, mit dem wir an verschiedene Interessenten und Adressaten herantreten können. In diesem Sinne verstehe ich meine Arbeit als Dienstleistung und Angebot.
Irgend jemand wird sich gewiß auch über den Anhang aus dem ÖWB hermachen, den Herr Schäbler uns auf wundersame Weise herbeigeschafft hat (herzlichen Dank!). Wie ich schon angedeutet hatte, ist das handschriftlich eingearbeitete Material gar nicht so leicht zu deuten, geschweige denn auszuzä?hlen.
Vielen Dank im voraus für zugedachte Hinweise!

__________________
Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 08.02.2004 um 07.03

FAZIT
Die Kommission schl?gt vor, bei festen Verbindungen aus Pr?position und dekliniertem Adjektiv k?nftig neben der Kleinschreibung auch die Gro?schreibung des entsprechenden Adjektivs zuzulassen und die Angaben unter ? 58(3) folgenderma?en zu ?ndern:
[? 58: In folgenden F?llen schreibt man Adjektive, Partizipien und Pronomen klein, obwohl sie formale Merkmale der Substantivierung aufweisen.]
(3) bestimmte feste Verbindungen
(3.1) aus Pr?position und nichtdekliniertem Adjektiv ohne vorangehenden Artikel, zum Beispiel:
Ich h?rte von fern ein dumpfes Grollen. Die Pilger kamen von nah und fern. Die Ware wird nur gegen bar ausgeliefert. Die M?dchen hielten durch dick und d?nn zusammen. Das wird sich ?ber kurz oder lang herausstellen. Damit habe ich mich von klein auf besch?ftigt. Das werde ich dir schwarz auf wei? beweisen. Die Stimmung war grau in grau.
(3.2) aus Pr?position und dekliniertem Adjektiv ohne vorangehenden Artikel.
In diesen F?llen ist jedoch auch die Gro?schreibung des Adjektivs zul?ssig, zum Beispiel:
Aus der Brandruine stieg von neuem/Neuem Rauch auf. Wir konnten das Feuer nur von weitem/Weitem betrachten. Der Fahrplan bleibt bis auf weiteres/ Weiteres in Kraft. Unsere Pressesprecherin gibt Ihnen ohne weiteres/ Weiteres Auskunft. Der Termin stand seit l?ngerem/L?ngerem fest. Die Aufgabe wird binnen kurzem/Kurzem erledigt."
Der "Vorwurf der Inkonsequenz" ging diesmal nicht von den Reformkritikern aus, sondern von dem Schweizer Kommissionsmitglied Peter Gallmann. Er hat sich nun offenbar mit seiner Forderung nach R?ckkehr zur weitestgehenden Gro?schreibung, wie im 19. Jahrhundert eine Zeitlang ?blich, durchgesetzt.
Auf des ersten Bick ist nicht einzusehen, da? die Flektiertheit eines Adjektivs ein hinreichendes Kriterium f?r seine Substantiviertheit sein soll: bei Weitem. Dazu bedarf es besonderer Zusatzannahmen, die aber im Bericht nicht genannt werden. Andererseits ist das Fehlen von Flexionsendungen kein ausreichendes Argument f?r nicht-substantivischen Charakter, denn Artikel- und Flexionslosigkeit kommt auch in eindeutig substantivischen Paarformeln bzw. vollst?ndigen Aufz?hlungen vor: das M?rchen von Hase und Igel (statt vom Hasen und vom Igel). In diesem Sinne kann man Nietzsches Buchtitel Jenseits von Gut und B?se verstehen, wo jedoch nach der Reform Kleinschreibung vorgesehen ist. Es ist also im Bericht nicht hinreichend begr?ndet, warum nicht auch durch Dick und D?nn, ?ber Kurz oder Lang usw. geschrieben werden soll.
Schwerer wiegt aber der Einwand, da? die neu verordnetete Gro?schreibung das ist bei Weitem besser usw. vollkommen sinnwidrig ist. Das "Weite", das hier erw?hnt zu sein scheint, gibt es ja so wenig wie das "?ftere" in der neuerdings gro? zu schreibenden Wendung. Die Heraushebung eines vermeintlichen Gegenstandes aus der rein adverbial fungierenden Wendung ist textsemantisch widersinnig und ?beraus r?ckst?ndig. Niemand hat in den letzten hundert Jahren so geschrieben, die Neuerung entspringt allein dem "Konsequenz"-Streben eines Grammatikers und nicht der Beobachtung von Schreibbrauch und Fehlerh?ufigkeit. (Erst die Rechtschreibreform hat entsprechende Fehlschreibungen hervorgebracht, wie die Kommission sie nun nachtr?glich legitimieren will.)
Eine ?berholte Schreibweise des 19. Jahrhunderts ist auch die wiederbelebte Gro?schreibung der Eine, der Andere, die Meisten usw. Sie soll m?glich sein, wenn, wie es seltsamerweise hei?t, "der Schreibende zum Ausdruck bringen will, dass das Zahladjektiv substantivisch gebraucht ist". Schreibende wollen gew?hnlich einen bestimmten Sinn zum Ausdruck bringen, nicht eine Wortart.
Der ?sterreichische Beirat will die von seinem Landsmann W?ster vorgeschlagene Gro?schreibung (bei Weitem usw.) sogar als "einzige Variante" (sic!) festlegen lassen. (S. 65) Die Kommission weist dieses Ansinnen jedoch zur?ck.
Die Kommission erkennt nunmehr an, da? in der Sprachgemeinschaft eine "offensichtliche Tendenz" besteht, feste Gruppen aus Adjektiv und Substantiv durch Gro?schreibung als Begriffseinheiten zu kennzeichnen. Dem wollte die Neuregelung entgegenwirken, indem sie die Kleinschreibung erste Hilfe, schwarzes Brett usw. vorschrieb. Die Nachrichtenagenturen und Zeitungen folgten dem nicht, und auch sonst ist der Widerstand gegen diese sprachwidrige Normierung so stark, da? die Kommission seit geraumer Zeit die Klausel nutzt, Fachsprachen seien von der Rechtschreibreform ohnehin nicht betroffen. Der f?hrende Reformer Augst hatte schon vor Jahren ge?u?ert, die Erste Hilfe k?nne als Fachausdruck auch gro? geschrieben werden. Dieser Ausweg wird nun systematisch ausgebaut, wobei am Ende die unklare Bestimmung erscheint:
"Im nichtfachlichen Zusammenhang ist die Kleinschreibung der Adjektive in solchen Wortgruppen der Normalfall."
Die Anerkennung von "Begriffseinheiten" (Nominationsstereotypen) war der richtige Weg; leider ist die Kommission nicht so konsequent, dieser Einsicht zu folgen und die am Ende doch wieder aufgeweichte Beschr?nkung auf "Fachsprache" aufzugeben. Am Schwarzen Brett ist nichts Fachliches, und doch wird es aus Gr?nden, die der Kommission offenbar bekannt sind, zweckm??igerweise gro? geschrieben.
Als regeltechnisch fehlerhaft mu? man den Schlu?satz der vorgeschlagenen Neufassung bezeichnen:
"Im nichtfachsprachlichen Zusammenhang ist die Kleinschreibung der Adjektive in solchen Wortgruppen der Normalfall."
Das ist nur als eine vage statistische Aussage ?ber den Schreibbrauch sinnvoll, nicht als Handlungsanweisung. In einem orthographischen Regelwerk haben solche Aussagen nichts zu suchen.

Zeichensetzung

Hier werden keine ?nderungen ins Auge gefa?t.
Da? die neue Kommasetzung besonders beim Infinitiv nicht gelungen ist, wei? inzwischen jeder. Aber die Kommission schreibt:
"Der Vorschlag, bei Infinitivgruppen mit bestimmten Einleitew?rtern immer ein Komma zu setzen, kommt denjenigen Schreibenden entgegen, die klare mechanische Regelungen sch?tzen, da sie ihnen die Entscheidungen abnehmen."
Hier werden Schreibende diffamiert, die genau das w?nschen, was die Neuregelung sich an so vielen anderen Stellen zu bieten r?hmt: klare Regeln, die sozusagen idiotensicher auch den "Wenigschreiber" zu korrektem Schreiben bef?higen. Eine solche Regel ist zum Beispiel jene, die obligatorisch Getrenntschreibung bei W?rtern auf -ig, -isch und -lich vorschreibt, ohne R?cksicht auf syntaktische Unterschiede, die als allzu feingesponnen dargestellt werden.
"Kennzeichnend f?r die Neuregelung ist, dass sie die kommunikative Funktion der Satzzeichen betont: Satzzeichen dienen dazu, "einen geschriebenen Text ?bersichtlich zu gestalten und ihn dadurch f?r den Lesenden ?berschaubar zu machen", hei?t es in den Vorbemerkungen zum Abschnitt E (Zeichensetzung) des amtlichen Regelwerks. Die Schreibenden k?nnen "mit den Satzzeichen besondere Aussageabsichten oder Einstellungen zum Ausdruck bringen oder stilistische Wirkungen anstreben". Mit dieser Kennzeichnung der Funktion sind Spielr?ume des Gebrauchs der Zeichen er?ffnet, weil ?bersichtliche Gestaltung, Aussageabsichten, "stilistische Wirkung" per se nicht systematisch zu regeln sind."
W?hrend nach ?bereinstimmender Ansicht der Orthographieforschung die Zeichensetzung im Laufe der Jahrhunderte weitgehend durchgrammatikalisiert worden ist, restituiert die Neuregelung eine "stilistische" bzw. rhetorische Zeichensetzung, besonders beim Komma. Das steht in eigenartigem Gegensatz zur sonstigen Bevorzugung grammatischer Kriterien. Die Schweizer Kommissionsmitglieder Gallmann und Sitta hatten deshalb schon in ihrem Handbuch Rechtschreiben (Z?rich 1996) vorgeschlagen, weitestgehend zur bisherigen Kommasetzung zur?ckzugehen, konnten sich aber offenbar nicht durchsetzen. In der Praxis erleben wir nun, da? Kommata unter genau gleichen Bedingungen mal gesetzt und mal weggelassen werden (?brigens auch im vorliegenden Bericht, wo sogar ganz typische Kommafehler neuer Art unterlaufen, vgl. S. 25, S. 51 und S. 55; der dritte Bericht war noch fehlerhafter). Mit der Freiheit der Kommasetzung soll der professionell Schreibende Unterscheidungen ausdr?cken k?nnen; es wird aber nicht gesagt, welche Unterscheidungen das sein k?nnten, da es zu diesem Bereich keine n?heren Angaben gibt. Die Stilistik, die nun den leitenden Gesichtspunkt abgeben soll, wird n?mlich weder im Regelwerk noch an andeer Stelle ausgef?hrt. Die Andeutung, man k?nne durch Kommas notwendige von wegla?baren Infinitiven unterscheiden (S. 40), hat keine Grundlage im amtlichen Text. Daher kann der Leser eines so interpungierten Satzes auch nicht ahnen, was der Schreibende damit zum Ausdruck bringen wollte. Der Schweizer Beirat weist diese Zumutungen denn auch zur?ck.

Worttrennung am Zeilenende

Bei der Silbentrennung werden keine ?nderungen vorgeschlagen.

Um so ?berraschender wirkt es, da? die Kommission hier eine umfangreiche, mit Fachausdr?cken gespickte Abhandlung ?ber Morphem- und Silbengrenzen einschaltet, die offenbar nur der Auseinandersetzung des Reformers Gallmann mit anderen Theorien dient, ohne praktische Folgen f?r die Neuregelung. Eine Kommentierung ist daher eigentlich ?berfl?ssig. Nur einige Hinweise seien gestattet.
Die Kommission f?hrt aus:
"Die Worttrennung am Zeilenende ist sowohl in ihrem Regelaufbau als auch in einzelnen Bestimmungen kritisiert worden. Die erste Umsetzung in den W?rterb?chern 1996 war teilweise unterschiedlich, sodass Irritationen entstanden. Unter Hinzuziehung der Kommission haben sich die marktf?hrenden W?rterb?cher auf eine einheitliche Handhabung der Regeln geeinigt und eine Einengung in Bezug auf die Schwankungsf?lle morphologischer Trennungen bei Fremdw?rtern vorgenommen. In den Schulen wird die Neuregelung als Erleichterung angesehen."
In der Tat hatte sich die eigentlich eher nebens?chliche Silbentrennung zu einem Hauptproblem f?r die W?rterbuchredaktionen ausgewachsen. Die Kommission hat sich daraufhin zu intensiven Beratungsrunden mit den Redaktionen der "marktf?hrenden W?rterb?cher" getroffen und mit ihnen eine nichtver?ffentlichte, 60seitige Liste von zul?ssigen Trennungen erarbeitet (vgl. Sprachwissenschaft 2/2000).
An diesem Vorgehen ist zu beanstanden, da? nur solche W?rterbuchverlage beteiligt waren, die mit der Kommission bzw. dem Beirat auch wirtschaftlich verbunden sind. Der jetzige Kommissionsvorsitzende ist als Mitarbeiter am ?sterreichischen W?rterbuch ebenfalls privilegiert. Andere W?rterbuchverlage m?ssen warten, bis die exklusiv beratenen Marktf?hrer (Duden und Bertelsmann) ihre Produkte auf den Markt gebracht haben. Ob die angegebenen Worttrennungen wirklich zul?ssig sind, kann der Benutzer nicht ?berpr?fen, weil die vereinbarte Liste nicht ver?ffentlicht ist.
"Kritik wurde an der Regelhierarchisierung ge?bt. Sie zielt darauf ab, in einem ersten Abschnitt die Trennung von Komposita und Pr?figierungen zu behandeln und erst in einem zweiten Abschnitt die innermorphematische Trennung.
DISKUSSION
Es gibt immer verschiedene Darstellungsm?glichkeiten. Nat?rlich kann man sich auch f?r die linguistische Reihenfolge "Trennung an Morphemfugen - Trennung an Silbenfugen " entscheiden. Prototypisch f?r die Worttrennung ist jedoch nach dem Alltagsverst?ndnis die Trennung nach "Silben". Dies zeigt sich auch daran, dass sowohl die im Vorfeld der II. Orthographischen Konferenz von 1901 auf Bundesstaatenebene erschienenen Regelwerke als auch die verschiedenen Dudenauflagen zun?chst die Trennung nach "Silben" abhandeln, dann erst die morphologische. Insbesondere sprechen namentlich zwei Gr?nde f?r die im Regelwerk gew?hlte Anordnung:
- Trotz morphologischer Segmentierbarkeit fallen bei einer (begrenzten) Anzahl von Komposita und Pr?figierungen Morphem- und Silbenfuge nicht zusammen, vgl. hinauf vs. hi?nauf, be-ob-achten vs. beo?bachten (? markiert die Silbenfuge).
- Bei einer Hintanstellung der Trennung an Morphemfugen entf?llt die Notwendigkeit eines Vorgriffs auf sp?ter folgende Regeln, vgl. ? 111 E1, E2 und ? 112.
FAZIT
Da das Regelwerk in seiner Darstellung alle notwendigen Aussagen enth?lt und diese auch hinreichend sind, besteht kein ?nderungsbedarf."
Hier wird offensichtlich unlauter argumentiert. Kritiker haben in der Tat gefordert, zuerst die Trennung der Zusammensetzungen zu behandeln. Es ist jedoch nicht zul?ssig, daf?r unterderhand den Begriff "Trennung nach Morphemfugen" einzusetzen. Auch die Kriiker bleiben bei der Silbentrennung und wollen keine Morphemtrennung einf?hren. Trennstellen bei Zusammensetzung sind nur ein Teil davon.
Und gerade die von der Kommission problematisierten Beispiele sind umstritten und werden widerspr?chlich behandelt. Einerseits wird dem Schreibenden unterstellt, da? er Komposita wie hinauf, weil er sie gebunden spricht, auch nicht mehr als Komposita erkenne und daher silbisch trenne (hi-nauf), andererseits wird jedoch auf durchsichtiger Morphologie bestanden.
Macht man die Trennung von der gebundenen Aussprache abh?ngig, so m??te auch f?r die vielen Sprecher, die Verein usw. gebunden sprechen, die entsprechende Trennung zulassen. Das ist jedoch ausdr?cklich nur f?r vol-lenden vorgesehen.
Die Kommission geht auf die vielfach beanstandete Abtrennbarkeit einzelner Buchstaben (A-bend, Sitze-cke) ein. Im Sinne der Regeleinsparung will sie aber daran nichts ?ndern. Dies zeigt, da? ihr die rein formale Eigenschaft der "Ausnahmslosigkeit" mehr wert ist als der Sinn des Geschriebenen. Sie f?hrt aus:
"Au?erdem ergibt sich eine irref?hrende Trennung meist nur bei der isolierten, metakommunikativen Betrachtung eines Wortes, nicht jedoch beim normalen sinnentnehmenden Lesen eines fortlaufenden Textes."
Das Gegenteil ist richtig. Denn gerade bei der "metakommunikativen Betrachtung" stehen die getrennten Teile eng beeinander: Seeu-fer, so da? die Lesest?rung bei weitem nicht so ins Gewicht f?llt wie bei tats?chlichem Zeilenbruch.
Den Lernenden d?rfte mit der neuen Regel kein Gefallen getan sein, aber immerhin trennt auch die KMK in ihrer Beschlu?vorlage zur Rechtschreibreform vom 14. 1. 2004 zweimal ?-bergang.
Bei der Ansetzung einer Trennstelle hu-sten, t?-tlich, die aber dann doch folgenlos bleiben soll, wird nur der Endrand des ersten Teils, nicht aber der Anfangsrand des zweiten ber?cksichtigt. Im Standarddeutschen beginnen W?rter nicht mit st- (sondern scht-) oder gar tl- usw.
Zur Fremdworttrennung wird ausgef?hrt:
"? 110 findet seine Begr?ndung in der schwankenden Aussprache eines Teils der Fremdw?rter: Der dem Cluster vorangehende Vokal kann als Langvokal oder als Kurzvokal realisiert werden. W?hrend bei Langvokal die pr?ferierte Silbengrenze vor dem Cluster liegt (vgl. die Diskussion oben), ist sie bei Kurzvokal zwischen den beiden Segmenten anzusetzen, zum Beispiel:
bei Langvokal: bei Kurzvokal:
Zy?klus Zyk?lus
E?kloge Ek?loge
Ma?gnet Mag?net
A?frika Af?rika"
Solche phonetischen Begr?ndungen sind aber in der amtlichen Neuregelung nicht zu finden, sie scheinen von Gallmann erst neuerdings hinzukonstruiert zu sein. Die Neuregelung bietet den entsprechenden Paragraphen vielmehr einfach als Zugest?ndnis an die Tradition (letztlich die Muta-cum-liquida-Regel der antiken Sprachen).

Zum Anhang

Die Stellungnahme der Schweizer EDK ist oben bereits weitgehend ber?cksichtigt.
An der knappen Stellungnahme des deutschen Beirates - kaum anderthalb Seiten - f?llt auf, da? es dem Beirat weniger auf die sachliche Angemessenheit der Reform als auf ihre Durchsetzung anzukommen scheint:
"Der Beirat empfiehlt die ?nderungen in einem Rahmen zu halten, bei dem die Auswirkungen der Regelmodifizierungen nicht zu einer erneuten ?ffentlichen Infragestellung der Neuregelung f?hren k?nnen." (S. 63)
In diesem Sinne ?bernimmt der Beirat auch die verh?llende, die ?ffentlichkeit t?uschende Sprachregelung, von "Pr?zisierungen" zu sprechen, wo ?nderungen gemeint sind:
"Der Beirat fordert die deutschen Vertreter der Zwischenstaatlichen Kommission auf, sich bei den staatlichen Stellen intensiv daf?r zu verwenden, dass die Kultusministerkonferenz fr?hzeitig im Fr?hjahr 2004 das Paket der Pr?zisierungen beschlie?t, damit gen?gend Zeit f?r die Umsetzung in Schulb?chern, W?rterb?chern, Zeitungen, Softwareprogrammen und anderen Publikationen bleibt." (S. 64)

Kann man Pr?zisierungen "umsetzen"? Nur wenn es in Wirklichkeit ?nderungen sind. Und warum
sollten Pr?zisierungen so gravierenden Folgen haben, da? die Verlage usw. rechtzeitig darauf vorbereitet werden m?ssen?
Man mu? dazu noch bedenken, da? die neuen W?rterb?cher ja bereits in zahlreichen gemeinsamen Beratungsrunden mit der zwischenstaatlichen Kommission bis ins kleinste Detail abgestimmt worden sind, so da? die Kommission feststellen konnte:
"Auf Betreiben und unter Mithilfe der Zwischenstaatlichen Kommission einigten sich die gro?en W?rterbuchverlage seither auf eine einheitliche Auslegung der amtlichen Regeln. Sie haben dies in den jeweils neuesten Auflagen ihrer Rechtschreibw?rterb?cher umgesetzt: Bertelsmann im M?rz 1999, Duden im August 2000. Beide Nachschlagewerke sind damit zuverl?ssige Ratgeber in orthografischen Fragen." (Pressemitteilung der Kommission vom 17. 8. 2000)
Die W?rterb?cher enthalten also bereits alles, was den Ansichten und Einsichten der Kommission entspricht. Was sollen dann weitere "Pr?zisierungen"?
Worum es wirklich geht, verr?t der Beirat nochmals mit der Forderung:
"Der Wortlaut des ? 58 E4 sollte aus der mehrheitlichen Sicht des Beirats keine Pr?zisierung erfahren."
Wie kann man etwas gegen Pr?zisierungen haben (die zudem von den Urhebern selbst f?r notwendig gehalten werden) - au?er wenn es in Wirklichkeit gesch?ftssch?digende ?nderungen sind?
Um nicht nur den Eindruck bedingungsloser Jasagerei zu erwecken, schaltet der deutsche Beirat eine scheinbar kritische Bemerkung ein: die erweiterte Partikelliste solle auf ihre Kompatibilit?t mit ? 34 ?berpr?ft werden. Die Kommission hat diese ?berpr?fung unternommen (die der Beirat nat?rlich innerhalb von zwei Minuten selbst h?tte erledigen k?nnen) und kommt zu dem voraussehbaren Ergebnis, da? sich keine Inkompatibilit?t feststellen lasse.
Um die Stellungnahme des Beirats besser zu verstehen, mu? man sich seine Zusammensetzung n?her ansehen. Neben einigen eher blassen Vertretern von nur am Rande orthographisch interessierten Institutionen (zum Beispiel Deutsches Institut f?r Normung) sitzen im Beirat die gro?en W?rterbuchverlage und der einflu?reiche Verband der Schulbuchverlage (VDS Bildungsmedien), der nach eigenen Angaben 400.000 Mark ausgegeben hat, um das schleswig-holsteinische Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform zu hintertreiben - vergeblich zun?chst, bis ihm die Landtagsfraktionen doch noch den Gefallen taten, die Volksgesetzgebung zu annullieren. Es gibt ferner ein Mitglied, das offiziell die Lehrerorganisationen im Deutschen Gewerkschaftsbund vertritt, in Wirklichkeit aber eine florierende Rechtschreibberatung f?r gehobene Anspr?che betreibt (www.rechtschreibkurse.de).
Allerdings scheinen nicht alle Mitglieder den Beirat besonders ernst zu nehmen. Manche erscheinen gar nicht erst zu den Beratungen; bei der letzte Sitzung fehlten u. a. der Deutsche Journalistenverband und der Verband der Zeitungsverleger. Der deutsche Beirat hat keinen Vorsitzenden, f?hrt kein Protokoll und unterzeichnet als einziger Beirat seine Stellungnahmen nicht namentlich.
F?r die Kultusminister spielt der Beirat dennoch eine wichtige Rolle. Er fungiert als Surrogat jener "sprachinteressierten ?ffentlichkeit", die zwar versprochen, aber nicht geschaffen worden war: "Besser, als einen Privatverlag stillschweigend Einzelfallentscheidungen treffen zu lassen, ist es allemal, wenn von jetzt an eine der ?ffentlichkeit Rechenschaft schuldende Expertengruppe systematische L?sungen sucht. - Anders als Verlagsredaktionen, die ihre orthographischen Entscheidungen nicht mitzuteilen und zu begr?nden brauchen, muss die Kommission ihre Empfehlungen und Vorschl?ge ?ffentlich vorlegen und vertreten. Sie ist damit f?r die engere wissenschaftliche und die weitere sprachinteressierte ?ffentlichkeit kritisierbar." (Zwischenstaatliche Kommission bzw. IDS 1997)
Die Kultusminister behaupten, in diesem Beirat seien die "professionell Schreibenden" vertreten, also vor allem die Schriftsteller und die Journalisten. Jeder wei?, da? alle namhaften Schriftsteller und die meisten Journalisten die Rechtschreibreform ablehnen, aber durch ihre Zwangsvertretung im Beirat, vor der sie gar nichts wissen, haben sie ihr zugestimmt. Auch die Eltern deutscher Sch?ler haben der Reform und allen ?nderungsvorschl?gen zugestimmt - durch die Vertreterin des Bundeselternrates. Kritiker der ganzen Rechtschreibreform und damit die Mehrheit der deutschsprachigen Bev?lkerung sind im Beirat nicht vertreten.
Der ?sterreichische Beirat wird praktischerweise von Dr. Fritz Rosenberger geleitet, einem Regierungsvertreter, der auch f?r die Durchsetzung der Reform in ?sterreich verantwortlich ist.
Im Anhang des Berichts findet sich ein Abdruck der Buchstabenstrecke D aus dem ?sterreichischen W?rterbuch (?WB) mit den z. T. handschriftlich eingetragenen ?nderungen, die sich laut 4. Bericht ergeben w?rden. (In der Internetversion des Berichts, die am 6. 2. 2004 von der Rechtschreibkommission ins Netz gestellt wurde, fehlt dieser Teil; vgl. jedoch http://www.rechtschreibreform.de/K4/OWB/) Obwohl eine Ausz?hlung hier schwer ist, weil einerseits ganze Wortnester, andererseits nur einzelne Verweise ge?ndert werden, ergeben sich weit ?ber 100 ?nderungen, was hochgerechnet rund 3.000 ?nderungen im ganzen ?WB bedeutet. Im Rechtschreibduden mit seinem gr??eren Stichwortbestand w?ren es etwa 4.000 ?nderungen, im Gro?en W?rterbuch von Duden nochmals das Doppelte. Jedenfalls die Gr??enordnung dieser Sch?tzung d?rfte stimmen. Daraus geht hervor, da? nach Billigung des vierten Berichts alle W?rterb?cher usw. sofort neu bearbeitet werden m?ssen, wie es ja auch vom deutschen Beirat angedeutet wird.
Der Bericht soll nach dem Wunsch der Kommission der letzte seiner Art sein. In Zukunft will die Kommission Regel?nderungen nicht mehr nur vorschlagen, sondern aus eigener Machtvollkommenheit einf?hren und durchsetzen und der KMK nur noch im F?nfjahresrhythmus dar?ber berichten. Nur ?nderungen von grunds?tzlicher Bedeutung sollen noch der Genehmigung bed?rfen. Zweimal wird das Beispiel der "gem??igten Kleinschreibung" genannt, aber es ist klar, da? es das einzige in Frage kommende ist: Die Kleinschreibung der Substantive wird von allen Kommissionsmitgliedern als Fernziel festgehalten.

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Liebe Freunde, diese Neufassung meines Kommentars stelle ich hier vor und bitte um Erg?nzungen und Korrekturen, entweder hier im Forum oder per Mail. Mein Text erscheint hier ohne Kursivierungen usw., aus Zeitmangel, aber irgendwann soll eine ordentliche Datei daraus werden.
Nat?rlich m?chte ich niemanden bevormunden, jeder kann selbstverst?ndlich seinen eigenen Kommentar verfassen,aber aus praktischen Gr?nden w?re es vielleicht nicht verkehrt, hier nun auf der vorhandenen Grundlage einen sozusagen kanonischen Kommentar zu erarbeiten, mit dem wir an verschiedene Interessenten und Adressaten herantreten k?nnen. In diesem Sinne verstehe ich meine Arbeit als Dienstleistung und Angebot.
Irgend jemand wird sich gewi? auch ?ber den Anhang aus dem ?WB hermachen, den Herr Sch?bler uns auf wundersame Weise herbeigeschafft hat (herzlichen Dank!). Wie ich schon angedeutet hatte, ist das handschriftlich eingearbeitete Material gar nicht so leicht zu deuten, geschweige denn auszuz?hlen.
Vielen Dank im voraus f?r zugedachte Hinweise!



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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 08.02.2004 um 06.57

Kommentar zum vierten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung

Zur Einleitung
"Dieser 4. Bericht hat eine Sonderstellung gegenüber den bisherigen Berichten: Im Hinblick auf die in der Wiener Absichtserklärung von 1996 vereinbarte Übergangsfrist bis 31. Juli 2005 weist in ihm die Zwischenstaatliche Kommission aus, welche Modifikationen sie für das Regelwerk vorschlägt."
Das entspricht nicht den Tatsachen. Auch der erste Bericht enthielt eine Fülle von Änderungsvorschlägen, die jedoch zum Ärger der Kommission von der Amtschefskommission untersagt wurden. Schon damals war verhüllend von "Verdeutlichungen" die Rede gewesen, die Kultusministerien ließen sich jedoch nicht täuschen und gaben bekannt: "Keine Änderung der beschlossenen Regeln zum jetzigen Zeitpunkt" usw. (Pressemitteilung der KMK vom 12.2.1998 )

"Die Aufgaben der Kommission sind in Artikel III der Wiener Absichtserklärung von 1996 festgelegt. Daraus ergibt sich im Einzelnen, die Umsetzung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung zu beobachten, Anfragen zu beantworten, Kritik aufzugreifen und entsprechend zu berücksichtigen, das neue Regelwerk auf etwaige Schwachstellen zu untersuchen und nötigenfalls Vorschläge für dessen Anpassung zu erarbeiten. Es war schon immer erklärte Absicht der Kommission, eine gewisse Zeit der praktischen Anwendung der Neuregelung abzuwarten, bevor Vorschläge zu Detailanpassungen gemacht werden. Die meisten der sich aus der Anwendung der neuen Rechtschreibung ergebenden Probleme sind - wie vorhersehbar - auf Umstellungsschwierigkeiten zurückzuführen, die sich aber mit zunehmendem Gebrauch der neuen Schreibregeln mehr und mehr relativieren."
In der Wiener Absichtserklärung heißt es jedoch:

"Die Kommission wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hin. Sie begleitet die Einführung der Neuregelung und beobachtet die künftige Sprachentwicklung. Soweit erforderlich erarbeitet sie Vorschläge zur Anpassung des Regelwerks."
Von einer Korrektur fehlerhafter Regeln ist nicht die Rede. "Anpassung" ist ein Relationsbegriff, es muß gesagt werden oder erschließbar sein, woran angepaßt werden soll. Im Zusammenhang der Absichtserklärung kann nur die Anpassung an die zu beobachtende künftige Sprachentwicklung gemeint sein. Im vierten Bericht wird selbstverständlich nicht auf die Sprachentwicklung Bezug genommen, denn die deutschen Sprache hat sich seither nicht in orthographisch relevanter Weise entwickelt. Vielmehr sind Korrekturen des Regelwerks gemeint, wie es ja auch aus dem weiteren Bericht hervorgeht. Damit geht die Kommission über ihren Auftrag hinaus. Der führende Schweizer Reformer Horst Sitta, bis heute Mitglied der Zwischenstaatlichen Kommission, stellte schon vor Jahren klar:
"Mir ist dieser Wortlaut wichtig: Die Kommission soll ihrem Aufrag nach nicht - wie seitens der Reformgegner behauptet wird - das angeblich schlechte Reformwerk optimieren. Sie soll auf der Grundlage des beschlossenen Regelwerks die Einführung der Neuregelung begleiten." (in Eroms/Munske [Hg.]: Die Rechtschreibreform - Pro und Kontra, Berlin 1997, S. 222)
In einem an viele Adressaten versandten Standardbrief der Kommission aus demselben Jahr heißt es:
"Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass nach der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung in Wien weitere Änderungen vorerst grundsätzlich nicht mehr möglich sind."
Am 23.1.1997 gaben Zeitungen eine Mitteilung des IDS wieder, wonach die Aufgabe der Kommission "keineswegs die Korrektur des beschlossenen Reformwerks" sei.
"Die ‚von Reformgegnern erzeugte Sorge', die Rechtschreibreform werde schon vor der endgültigen Umsetzung ‚repariert oder korrigiert', sei gegenstandslos." (Fränkischer Tag vom 23.1.1997)
Die ersten Reparaturvorschläge wurden im ersten Bericht (Dezember 1997) unterbreitet, einige davon als "unumgänglich notwendig" erklärt. Nach ihrer Zurückweisung durch die Amtschefskommission wurden einige der untersagten Korrekturen unterderhand in Beratungsgesprächen mit Duden und Bertelsmann praktisch dennoch eingeführt. Nun soll erstmals förmlich in den amtlichen Text eingegriffen werden, Anfang 2004, lange vor der "endgültigen Umsetzung" im August 2005.
Die erste Abweichung vom ursprünglichen Auftrag war allerdings unter dem Druck der Kritik schon von den Kultusministerien in jener Pressemitteilung vom 12. 2. 1998 angedeutet worden:
"Ob und welche Änderungen sinnvoll sind, kann rechtzeitig vor Ende der Übergangszeit (im Jahr 2005) entschieden werden."
Hierauf könnte sich die Kommission heute berufen, nicht aber auf die Wiener Absichtserklärung. Auf die Neuinterpretation des Kommissionsauftrages gehen auch gewisse Spannungen zwischen der deutschen Seite einerseits und der Schweiz und Österreich andererseits zurück.
"Es war erklärtes Ziel der Neuregelung, den Schreibenden wieder die Möglichkeit zu geben, allein aufgrund der Anwendung der Rechtschreibregeln zu richtigen Wortschreibungen kommen zu können. Demgegenüber verlangte die frühere Regelung ein häufiges Nachschlagen im Wörterbuch."
Wenn dies das Ziel war, ist es so gründlich verfehlt worden, daß sogar das staatliche Institut für Schulpädagogik und Bildungsforschung in München festhielt:
"Die Neuregelung der Rechtschreibung bedingt, dass für jeden - Lehrer und Schüler - der Umgang mit einem Rechtschreiblexikon selbstverständlicher sein muss denn je." (Handreichungen "Neuregelung der deutschen Rechtschreibung". ISB München 1996, S. 41)
Sitta und Gallmann haben festgestellt, das amtliche Regelwerk sei ein Text, aus dem der Laie die korrekte Schreibung nicht entnehmen könne. Gerade bei der Groß-und Kleinschreibung könne man auch in Zukunft nur durch Nachschlagen zum Ziel kommen (Handbuch Rechtschreiben 1996).
"Die Kommission ist zu der Überzeugung gelangt, dass die wesentlichen Neuerungen des amtlichen Regelwerks von 1996 unverändert bleiben sollten. Viele dieser Regelungen haben nachweislich spürbare Erleichterungen bei den Erstlernern gebracht."
Hier fällt die vage Ausdrucksweise auf: Was sind "spürbare", zugleich aber nachweisbare Erleichterungen? Tatsache ist, daß zur Zeit alle Rechtschreibungen - die "alte", die amtliche neue und die vielfach korrigierte neue, wie sie in den unterschiedlichen Wörterbüchern seit 1996 verzeichnet ist, benutzt werden dürfen, ohne daß Fehler angestrichen werden. Bei gleichbleibenden oder sogar - wegen der Mischung - objektiv geringeren Rechtschreibleistungen werden aus arithmetischen Gründen bessere Noten vergeben - eine recht zweifelhafte "Erleichterung". Bezeichnend ist die folgende Zeitungsreportage:
",Endlich mal wieder eine Zwei', frohlockt die Achtkläßlerin der Wirtschaftsschule. Vor allem die Schlußbemerkung des Lehrers findet Julia hochinteressant. Da steht: ,Aufgrund der Anwendung der neuen Rechtschreibregeln sind elf Fehler weniger in Rechtschreibung und Zeichensetzung zu verzeichnen; die Arbeit ist daher mit ,gut' zu bewerten.'" (Nürnberger Nachrichten 31.12.1996) Nicht die Schülerin hat also die neuen Regeln angewandt, sondern der Lehrer und für die gleiche Leistung eine bessere Note gegeben. Diesen Effekt hätte die Schulverwaltung auch durch eine bloße Anweisung an die Pädagogen und ohne Eingriff in die Sprache selbst erreichen können.
Zur Laut-Buchstaben-Zuordnung
"KRITIK
Besonders anfänglich, d. h. nach Bekanntwerden der Neuregelung, wurde verschiedentlich die Rücknahme einiger neuer Schreibungen wie nummerieren, behände oder Tollpatsch gefordert.
DISKUSSION
In ihrem ersten Bericht hatte die Kommission erwogen in einigen wenigen Fällen die alte Schreibung wenigstens als Variantenschreibung noch weiterhin zuzulassen. Inzwischen ist die Kritik an den neuen Schreibungen, die das Prinzip der Stammschreibung und damit die Systematik stärken, stark abgeflaut und taucht nur noch sehr vereinzelt auf. Ganz offensichtlich spielt - wie innerhalb so kurzer Zeit schon festzustellen ist - hier die Gewöhnung eine große Rolle. Unabhängig von allen linguistischen oder nicht-linguistischen Argumenten ist - wie Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zeigen - eine gewisse Zeit vonnöten, gespeicherte Schreibschemata durch neue zu ersetzen. Die Etablierung von Neumotivierungen ermöglicht ein richtiges Schreiben auch für all jene, die nicht über sprachhistorische Kenntnisse verfügen, und liegt also im Interesse der breiten Öffentlichkeit."
Hier geht es um die ausschließlich von dem führenden Reformer Augst eingeführten etymologisierenden und volksetymologischen Schreibweisen, die vonAnfang an nicht etwa als zulässige Varianten, sondern als obligatorisch präsentiert wurden - wohl in der Annahme, daß andernfalls niemand sich dann halten würde. ie sind im einzelnen von sehr unterschiedlicher Qualität. So kann man in der Tat zu etymologisch richtigem bleuen (einbleuen usw., zu Bleuel, Pleuelstange) schon seit geraumer Zeit die volksetymologische Variante bläuen finden (wohl wegen der blauen Flecken). Das könnte allenfalls zugelassen, aber keinesfalls vorgeschrieben werden, so daß nun gerade der sprachkundige Schreiber einen "Fehler" macht. Dasselbe gilt für Zierrat (wie Hausrat) statt Zierat (wie Heimat). Hingegen ist behende in tausend Jahren Sprachgeschichte so gut wie niemals anders als mit e geschrieben worden, weil der Zusammenhang mit Hand längst aus dem Bewußtsein geschwunden war. Das zeigt sich auch an Wendungen wie behenden Schrittes usw. Es ist nicht einzusehen, wieso die Neuschreibung "richtiges Schreiben auch für all jene, die nicht über sprachhistorische Kenntnisse verfügen", ermöglichen soll. Noch deutlicher wird die rückwärtsgewandte Denkweise der Reformer in der Veränderung von Stendelwurz zu Ständelwurz. Hier hat Augst nämlich den alten volksmedizinischen Glauben ausgegraben, daß diese Orchideenart erektionsfördernd wirke und daher eigentlich mit ä (wie Ständer) zu schreiben sei. Das Duden-Universalwörterbuch ist stillschweigend zu Stendelwurz zurückgekehrt, obwohl die Neuschreibung als Variante ausdrücklich im amtlichen Wörterverzeichnis steht. Auf weitere Beispiele (schnäuzen, Tollpatsch usw.) kann verzichtet werden. Der vierte Bericht beharrt darauf, die Augstschen Erfindungen beizubehalten und sogar fast ausnahmslos obligatorisch vorzuschreiben. Wenn die Diskussion um diese Dinge abgeflaut ist, dann liegt das daran, daß außer dem hundertmal Gesagten nicht viel zu sagen bleibt.
Die Kommission behauptet, analog zu neuschreiblichem Tipp und Stopp seien auch Topp und andere Eindeutschungen gefordert worden. Sie fährt fort:
"Schreibungen wie Topp/topp, Shopp, Popp oder Stripp würden einen Schritt in Richtung Systematisierung bedeuten. An die Stelle bisheriger Einzelfestlegungen würde weit gehende Regelhaftigkeit treten. Mit doppeltem Konsonantenbuchstaben könnte man dann alle einsilbigen Substantive schreiben, die verwandte Wörter mit einer solchen Schreibung neben sich haben (also dann auch Popp wegen poppig, Chatt wegen chatten usw.).
Gegen eine derartige Regelung spricht, dass eine solche forcierte grafische Assimilation auch einige Fremdwörter betreffen würde, die zurzeit eine hohe Gebrauchsfrequenz aufweisen ohne Anzeichen der Assimilation erkennen zu lassen, was vor allem damit zusammenhängt, dass sie auch international üblich sind (etwa Shop, Chat, Pop). Außerdem wird die Begründbarkeit der Schreibung mit Doppelkonsonantenbuchstaben in derartigen Fällen in der Wissenschaft zurzeit konträr diskutiert.
FAZIT
Die Kommission sieht hier - zumindest, was die einsilbigen Substantive aus dem Englischen angeht - möglichen Handlungsbedarf für die Zukunft, möchte zum jetzigen Zeitpunkt aber keine weiteren integrierten Schreibungen zur Diskussion stellen, sondern die Schreibentwicklung noch weiter beobachten und den Verlauf des wissenschaftlichen Disputs verfolgen."
Hierzu muß man wissen, daß Eindeutschungen wie Hitt, Stripp usw. durchaus geplant waren, jedoch in den neunziger Jahren von den Kultusbehörden zurückgewiesen worden waren. Von einem guten Dutzend Neuschreibungen blieben nur Tipp und Mopp übrig (Stopp war teilweise schon vorher gebräuchlich). Gerade Tip ist jedoch international überaus gebräuchlich, so daß es keine Erleichterung ist , wenn etwa Englischschülern auf dem Umschlag ihres Übungsbuches "Lerntipps" versprochen werden. Shopp, Hitt, Stripp usw. bleiben auf der Agenda ("Handlungsbedarf für die Zukunft") und werden zweifellos eingeführt werden, sobald die Kommission, wie von den Kultusministern vorgeschlagen, allein über Neuschreibungen entscheiden kann.
"Zu Irritationen hat die für die Schreibenden bisweilen schwer durchschaubare Kennzeichnung von Vorzugs- und Nebenvarianten (z. B. Biografie als Hauptvariante gegenüber Biographie, aber Geographie als Hauptvariante gegenüber Geografie) geführt."
Das vor Jahrzehnten entwickelte Konzept der "gezielten Variantenführung" wird einerseits aufgegeben. Die unterschiedlichen Kennzeichnungen im amtlichen Wörterverzeichnis waren in der Tat "schwer durchschaubar", nämlich offenbar willkürlich. Ihr Status war zudem völlig unklar, denn sogar die Reformer selbst benutzten teilweise die "Nebenvariante" (z. B. Orthografie). Andererseits soll die eingedeutschte Variante im Regelwerk künftig an erster Stelle angeführt werden - was jedoch die Wörterbuchredaktionen zu nichts verpflichtet. In der Reihenfolge schlägt sich der Wunsch der Kommission nieder, die Eindeutschung zu beschleunigen. In klarem Widerspruch dazu steht die Absicht, "den Prozess der Integration vorurteilsfrei zu beobachten, ihn also nicht vorzubestimmen". Auch in der Zusammenfassung am Ende des Berichts wird der Widerspruch zwischen Beobachtung und Lenkungsanspruch nicht aufgelöst. Jedenfalls müssen die Wörterbücher das entsprechende Markierungs- und Verweissystem beseitigen. Im Österreichischen Wörterbuch (s. Anhang zum vierten Bericht) werden die erheblichen Folgen dieser Maßnahme bereits sichtbar.
Im amtlichen Regelwerk ist übrigens nicht klar, ob Haupt- und Nebenvarianten nur bei Fremdswörtern vorgesehen sind (s. meinen Kritischen Kommentar). Sogar die Schweizer Berater haben offenbar angenommen, sie seien auch für heimische Wörter vorgesehen. Dem widerspricht nun die Kommssion in ihrer Zusammenfassung:
"In der schweizerischen Stellungnahme heißt es: "Was den Einzelfall -fach betrifft, so wurde insbesondere von den Vertretern der Medien und der Verwaltung empfohlen, die Schreibung mit Bindestrich zur Hauptvariante zu machen." Da es bei heimischen Wörtern keine Unterscheidung von Haupt- und Nebenvarianten gibt, sieht die Kommission in diesem Fall keinen Bedarf, ihren Vorschlag zu verändern."


Zur Getrennt- und Zusammenschreibung
Die Kommission erkennt an, daß die Liste von Partikeln, die mit dem Verb zusammengeschrieben werden müssen ("trennbare Verben"), unvollständig ist. Im ersten Bericht hatte sie schon einmal vorgeschlagen, diese Liste überhaupt zu öffnen. Nun soll es doch bei einer geschlossenen Liste bleiben, es werden aber 13 Partikeln und einige verkürzte Varianten hinzugefügt.
"Um den Charakter einer geschlossenen Liste zu gewährleisten, müsste die Liste um die folgenden fehlenden Partikeln bzw. Partikelvarianten ergänzt werden: dahinter-, d(a)rauf-, d(a)rauflos-, d(a)rin-, d(a)rüber-, d(a)rum-, d(a)runter-, davor-, draus-, hinter-, hinterdrein-, nebenher-, vornüber-."
Diese Liste ist schwer zu verstehen, denn die verkürzten Formen drauf- usw. waren ja bereits in der originalen Partikelliste des amtlichen Regeltextes enthalten. Verglichen mit dem Rechtschreibduden von 1991 ergeben sich folgende Ergänzungen:
dahinterklemmen
dahinterknien
dahinterstecken
dahinterstehen
daraufgehen (? im alten Duden keine Zusammenschreibung mit darauf)
*darauflosgehen (im alten Duden darauf losgehen)
darauffolgend
darin (? im alten Duden keine Zusammenschreibung mit darin)
darüberfahren
darübermachen
darüberschreiben
darüberstehen
drüber (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darüber erschließbar)
darumkommen
darumlegen
darumstehen
drum (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darum erschließbar)
darunterfallen
darunterliegen
drunter (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darunter erschließbar)
davorhängen
davorliegen
davorschieben
davorstehen
draus (? im alten Duden keine Beispiele; DUW hat drausbringen, drauskommen)
hinterbringen ('nach hinten bringen')
hinteressen (mundartl. 'unwillig essen')
hinterhaken
hinterschlingen
hinterschlucken
hinterdreinlaufen (im alten Duden nur als Muster weiterer Verbindungen angegeben)
nebenherfahren
nebenhergehen
nebenherlaufen
vornüberbeugen
vornüberfallen
vornüberkippen
vornüberstürzen (im alten Duden als Muster für weitere Verbindungen angegeben)

Wichtiger als diese Einzeleinträge ist aber, daß es sich um ungemein produktive Muster handelt, nach denen Hunderte von Partikelverben gebildet werden. Ihre Wiederzulassung bedeutet daher schoin mengenmäßig einen folgenreichen Eingriff.
Die seit 1996 vorgesehene Getrenntschreibung solcher Verben wird nunmehr falsch. Damit ist auch die Behauptung der Kommission und der Kultusministerien widerlegt:
"Durch die Änderungen werden bisherige Schreibweisen nicht falsch." (Beschlußvorlage der KMK vom 14. 1. 2004)
Das ist die unvermeidliche Folge, wenn man geschlossene Listen ändert.
Als "verlässliches Kriterium" der Identifikation trennbarer Verben gegenüber adverbialen Fügungen wird die Nichtunterbrechbarkeit eingeführt: dabeisitzen vs. dabei (auf dem Stuhl) sitzen. Dies ist jedoch nur eines unter mehreren von der Kritik ausführlich begründeten Merkmalen und keineswegs so "verlässlich", wie die Kommission meint. Besonders die Verbpartikel mit ist bekanntlich erweiterbar bzw. verschiebbar, aber auch zurück und einige andere, vgl.:
Schreiber hat Max Strauß oft mit auf Reisen genommen. (SZ 10.1.04)
Hier liegt zweifelsfrei das Partikelverb mitnehmen vor.
Zu § 34 E3 (3): Die willkürliche, völlig unverständliche obligatorische Getrenntschreibung von adjektivischen Verbzusätzen, die auf -ig, -isch oder -lich enden, wird weiterhin mit einer angeblichen Entsprechung zu Adverbialien gerechtfertigt: richtig stellen wie freundlich grüßen. Die beiden Typen von "Kombinationen" (wie es vage heißt) sind ganz unvergleichbar, gerade nach dem grammatischen Maßstab, den die Kommission sonst überall zur Geltung bringen will. Deshalb kann auch von einer nunmehr geschaffenen "Ausnahmslosigkeit" der Regel keine Rede sein, denn es gibt überhaupt keine Regel, der derart Unvergleichbares zusammenfaßt.

Zu § 34 (3), § 34 E3 (5), § 55 (4): Hier geht es um die Fälle
Leid tun
Not tun
Pleite gehen
Bankrott gehen
Kopf stehen
Eis laufen
Acht geben
Recht haben
Unrecht haben

Sie werden weiterhin unter dem Titel "Substantiv + Verb" abgehandelt, obwohl der Fehler der Reform gerade darin besteht, daß es sich teilweise gar nicht um Substantive handelt. Die Kommission behauptet nun, "dass die Wortartzugehörigkeit bei einigen Bestandteilen nicht ohne weiteres klar ist." Sie räumt ein, daß neben Leid tun auch leidtun geschrieben werden könne (nicht aber leid tun, wie bisher üblich), versteigt sich aber zu der abenteuerlichen These:
"Der Bestandteil Leid bzw. leid in der Verbindung mit dem Verb tun ist hinsichtlich der Wortart grammatisch weder synchron noch diachron zu bestimmen."
Jeder Germanist lernt im ersten Semester, spätestens bei der mittelhochdeutschen Lektüre, was für ein Wort leid ist; man kann es auch in allen besseren Wörterbüchern nachlesen. Es handelt sich um ein altes Adjektiv, das als solches nur noch in Dialekten gebräuchlich ist, adverbial im Komparativ leider vorliegt und genau parallel zu weh, wohl, gut mit tun verbunden wird. Die Großschreibung Leid tun (so Leid es mir tut) ist und bleibt grammatisch falsch. Die Analogie zu kundtun (ebd.) ist irrig, da kund hier ein Resultativzusatz ist.
In der Stellungnahme der Schweizer EDK wird die Neuschreibung leidtun abgelehnt, unter Hinweis auf wie leid es ihr tut wird für die bisherige Getrenntschreibung plädiert. Auch die Schweizer wagen es nicht, eindeutig auf die grammatikalische Verkehrtheit der Großschreibung Leid tun hinzuweisen. Ihr Vorschlag wird aber von der Kommission zurückgewiesen, die abschließend noch einmal ihren grammatikalischen Irrtum bekräftigt:

"...würde damit für einen Einzelfall eine Schreibung wiederbelebt, die es für diesen Typ (Substantiv + Verb) in der neuen Regelung nicht mehr gibt: Getrenntschreibung des Substantivs mit Kleinschreibung." (S. 52)
Dieser Satz wird nur verständlich, wenn man sich einer Maxime erinnert, die in der Vorgeschichte der Rechtschreibreform von dem österreichischen Ingenieur Eugen Wüster ersonnen wurde: "Entweder groß und getrennt oder klein und zusammen!"- Sie liegt der immer weiter getriebenen Großschreibung in der gegenwärtigen Reform zugrunde, obwohl sie gar nicht ausdrücklich in das amtliche Regelwerk eingegangen ist.
Pleite gehen und Bankrott gehen werden mit einer angeblichen Analogie zu Gefahr laufen und Schlange stehen gerechtfertigt. Die richtige Analogie wäre kaputt, verloren, verschütt, entzwei gehen (mit oder ohne Zusammenschreibung, das ist hier unwesentlich). Es handelt sich um einen adjektivischen Resultativzusatz. Mit Substantiven kann gehen nicht verbunden werden.
Das grammatisch falsche Recht bzw. Unrecht haben (wie Recht du doch hast!) soll offenbar beibehalten werden, es wird nicht nochmals erwähnt. Dasselbe gilt für Not tun und das archaisierende Acht geben. Im dritten Bericht war bereits erwogen worden, auch nottun zur Wahl zu stellen: "Die frühere Schreibung not tun (getrennt und klein) sollte nicht wiederbelebt werden." Ebens pleitegehen oder Pleite gehen, aber nicht mehr pleite gehen; inacht nehmen oder in Acht nehmen, aber nicht mehr in acht nehmen usw. Das fragwürdige Verfahren, die bisher übliche Schreibweise zu verbieten und stattdessen zwei andere zur Wahl zu stellen, wird bekanntlich auch bei von seiten praktiziert. Dies gibt es nicht mehr, man hat nur die Wahl zwischen vonseiten und von Seiten.

Zu § 36 E2:

"Es ist als ein Hauptfehler der Neuregelung bezeichnet worden, für Verbindungen mit Partizipien automatisch ausschließlich Getrenntschreibung vorzusehen, wenn eine entsprechende Fügung im Infinitiv vorliegt, z. B. Zeit sparend wegen Zeit sparen, allein stehend wegen allein stehen."

Diesen Hauptfehler räumt die Kommission ein.:
"Diese Regelung lässt die Komparierbarkeit der ganzen Verbindung in bestimmten Fällen außer Acht und trägt auch den sich aus der Substantivierung ergebenden Aspekten nicht ausreichend Rechnung.
Die Steigerungsmöglichkeit des Ganzen bringt aber zwangsläufig auch bei Getrenntschreibung des Infinitivs die entsprechende zusammengeschriebene Form des Positivs vom Partizip als regelkonforme Schreibungsvariante mit sich, also z. B. zeitsparend wegen ein zeitsparenderes Verfahren, das zeitsparendste Verfahren; schwerwiegend wegen schwerwiegendere Vorwürfe, die schwerwiegendsten Vorwürfe.Die Kommission unterbreitet einen Lösungsvorschlag, der versucht, die Schreibung von Verbindungen mit Partizipien durch eine Erweiterung von § 36 E2 zu flexibilisieren.
Der Vorschlag nimmt die Kritik wie folgt auf: Es wird explizit vorgeführt, dass aus der Regelstruktur des Regelwerks für komparierbare Verbindungen zwei Schreibungen logisch ableitbar sind und dass beide Schreibungen auch tatsächlich zugelassen sind (z. B. Zeit sparend/zeitsparend).

Für nichtkomparierbare Fügungen lässt sich im Unterschied zu den komparierbaren aus dem amtlichen Regelwerk nur eine einzige Schreibung ableiten, also z. B. nur allein stehend (und nicht auch alleinstehend). Im Wörterverzeichnis sind in einigen Fällen auch Varianten mit Zusammenschreibung aufgenommen worden, und zwar unter Berufung auf § 37(2), wo die Zusammenschreibung von Substantivierungen behandelt wird. Das führt zu Schreibungen wie den folgenden:
das Kleingedruckte oder das klein Gedruckte, aber attributiv nur: das klein gedruckte Werk, die Alleinstehenden oder die allein Stehenden, aber attributiv nur: die allein stehenden Personen.
Dass in Verbindungen wie die Alleinstehenden oder das Kleingedruckte eine Neigung zur Zusammenschreibung besteht, hat aber nichts mit Substantivierung zu tun, es ist vielmehr Univerbierung schon im zugrunde liegenden attributiven Gebrauch anzunehmen. Dementsprechend wird eine zusätzliche Erweiterung von § 36 E2 vorgeschlagen, die auch für nichtkomparierbare partizipiale Verbindungen - unabhängig vom syntaktischen Kontext - die Zusammenschreibung als Variante zulässt.
Diese weit gehende Freigabe der Schreibung bei Verbindungen mit Partizip bringt im Ergebnis für die Schreibenden eine gewisse Erleichterung durch hinzugewonnenen Entscheidungsspielraum, zwingt aber andererseits die Wörterbuchredaktionen, alle einschlägigen Fälle an mehreren Stellen aufzuführen."
Die Kommission macht sich also einige, wenn auch keineswegs alle Argumente der Kritiker zu eigen, vor allem die gesamthafte Steigerbarkeit. Nach jahrelangem Sträuben gibt sie zu, daß nicht nur die komparierten Formen (zeitsparender), sondern bereits der zugehörige Positiv (zeitsparend) zusammengeschrieben wird (neben dem anders gebauten Syntagma [viel] Zeit sparend). Andere Argumente, wie der Hinweis auf den prädikativen Gebrauch, werden nicht aufgegriffen, neuerdings verbreitete Fehlschreibungen wie Das Verfahren ist Zeit sparend also nicht ausgeschlossen. Der langjährige Vorsitzende der Kommission, Gerhard Augst, rühmte laut Zeitungsberichten sogar, nun sei die Unterscheidung die Frau ist alleinstehend vs. das Haus ist allein stehend wieder möglich (Schwäbische Zeitung 5. 2. 2004) - ohne zu bemerken, daß der zweite Satz grammatisch falsch ist. Der dritte Bericht war hier schon weiter.
Daß die Kommission das Argument bezüglich des prädikativen Gebrauchs bis heute nicht verstanden hat, zeigt sich in einem grammatischen Schnitzer, der ihr an anderer Stelle unterläuft:
"...dass die Umsetzung der Rechtschreibregelung in den Korrekturprogrammen diverser Softwareproduzenten nicht zufrieden stellend (!) sei." (S. 55)
Hier muß es zweifellos zufriedenstellend heißen, das auch in einigen neuen Wörterbüchern (z. B. Duden Universalwörterbuch) entgegen dem amtlichen Regelwerk wiederhergestellt ist. Die Kommission gebraucht auch, wie im Zitat erkennbar, durchweg die Getrenntschreibung weit gehende Freigabe usw., was zumindest linkisch wirkt.
Die Kommission kommt im weiteren Verlauf zu der Einsicht, daß nicht nur komparierbare Zusammensetzungen, sondern auch andere wie kleingedruckt, alleinstehend, alleinerziehend, ratsuchend wiederhergestellt werden müssen. Die lange Zeit von ihr verfochtene These, Großschreibung trete erst bei Substantivierung (Ratsuchende) ein, wird ausdrücklich widerrufen. Darauf hatten die Schweizer Kommissionsmitglieder Gallmann und Sitta schon seit 1996 gedrängt.
Bedenkt man, daß diese Korrektur auch die vielkritisierten Neuschreibungen Eisen verarbeitend, Erdöl produzierend, Wasser abweisend usw. erfaßt, so erkennt man einen durchgreifenden Änderungsbedarf in den reformierten Wörterbüchern.

Schreibung mit Bindestrich

Zu § 40 (3), § 41: Für Formen wie 8fach wird analog zur Neuschreibung 8-mal nun eine Variante mit Bindestrich vorgesehen: 8-fach. Als Grund gibt die Kommission an, daß "der Wortbestandteil einer Grauzone zwischen unselbstständigem Grundmorphem und Suffix zuzuordnen" sei.
Im amtlichen Regeltext kommt allerdings weder der Begriff "Morphem" noch gar der des "Grundmorphems" vor. Die Neuregelung des Bindestrichs war bisher ausschließlich auf den Gegensatz von Zusammensetzung und Ableitung aufgebaut. Solange die neuartige Begrifflichkeit der "unselbstständigen Grundmorpheme" nicht definiert ist, läßt sich nicht absehen, ob es mit -fach sein Bewenden haben kann.
Die Kommission will außerdem einen Fehler beheben, den sie als mißverständliche Formulierung darstellt. Diese Formulierung habe dazu geführt,
"dass viele gedacht haben, dass eine doch relativ übersichtliche Verbindung wie das Inkrafttreten neu nur noch mit Bindestrichen geschrieben werden dürfte: das In-Kraft-Treten."
Zu diesen vielen gehörte immerhin die Dudenredaktion, trotz intensiver Beratungsgespräche mit der Kommission.
Zum Bindestrich werden noch eine Reihe weiterer Änderungen vorgeschlagen, die aber mehr redaktioneller Art und linguistisch uninteressant sind. Es bleibt übrigens bei der Umstimmigkeit, daß Erstglieder auf -ig, -isch und -lich mit Bindestrich in Zusammensetzungen eingehen (wissenschaftlich-technisch), im übrigen aber nach § 36 von Zusammensetzungen ausgeschlossen sind.


Zur Groß- und Kleinschreibung

"Der Vorwurf der Inkonsequenz der Neuregelung bezieht sich vor allem auf die Kleinschreibung von flektierten Adjektiven in festen Verbindungen aus Präposition und dekliniertem Adjektiv vom Typ vor kurzem, ohne weiteres.
DISKUSSION
Die Kleinschreibung wurde damit begründet, dass diese Verbindungen solchen ohne Flexion nahe kommen. Da substantivierte Adjektive aber auch ohne Artikel und nur mit Präposition auftreten können (z. B. Er steht Neuem misstrauisch gegenüber; sie bevorzugt Süßes; wir verpflegen uns mit Süßem und Salzigem), kann man auch Adjektive in festen Verbindungen aus Präposition und Adjektiv als Substantivierungen auffassen, sofern ihr substantivischer Status nach dem für die Neuregelung maßgebenden morphosyntaktischen Kriterium erkennbar ist, was sich in der Flexion des Adjektivs ausdrückt.
Deshalb kann man diese Adjektive nach § 57(1) auch großschreiben. Es handelt sich um etwa fünfzehn Wendungen dieses Typs, die allerdings in Texten teilweise eine relativ hohe Frequenz aufweisen, z. B. vor kurzem, seit kurzem, binnen kurzem, seit langem,vor langem, seit längerem, vor längerem, von nahem, von neuem, seit neuestem, von weitem, bei weitem, bis auf weiteres, ohne weiteres.

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 07.02.2004 um 06.42

Zur Getrennt- und Zusammenschreibung

"Um den Charakter einer geschlossenen Liste zu gewährleisten, müsste die Liste um die folgenden fehlenden Partikeln bzw. Partikelvarianten ergänzt werden: dahinter-, d(a)rauf-, d(a)rauflos-, d(a)rin-, d(a)rüber-, d(a)rum-, d(a)runter-, davor-, draus-, hinter-, hinterdrein-, nebenher-, vornüber-."

Diese Liste ist schwer zu verstehen, denn die verkürzten Formen drauf- usw. waren ja bereits in der originalen Partikelliste des amtlichen Regeltextes enthalten. Verglichen mit dem alten Duden ergeben sich folgende Ergänzungen:
dahinterklemmen
dahinterknien
dahinterstecken
dahinterstehen
daraufgehen (? im alten Duden keine Zusammenschreibung mit darauf)
*darauflosgehen (im alten Duden darauf losgehen)
darauffolgend
darin (? im alten Duden keine Zusammenschreibung mit darin)
darüberfahren
darübermachen
darüberschreiben
darüberstehen
drüber (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darüber erschließbar)
darumkommen
darumlegen
darumstehen
drum (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darum erschließbar)
darunterfallen
darunterliegen
drunter (? im alten Duden keine Beispiele, aber wohl aus darunter erschließbar)
davorhängen
davorliegen
davorschieben
davorstehen
draus (? im alten Duden keine Beispiele; DUW hat drausbringen, drauskommen)
hinterbringen ('nach hinten bringen')
hinteressen (mundartl. 'unwillig essen')
hinterhaken
hinterschlingen
hinterschlucken
hinterdreinlaufen (im alten Duden nur als Muster weiterer Verbindungen angegeben)
nebenherfahren
nebenhergehen
nebenherlaufen
vornüberbeugen
vornüberfallen
vornüberkippen
vornüberstürzen (im alten Duden als Muster für weitere Verbindungen angegeben)

Wichtiger als diese Einzeleinträge ist aber, daß es sich um ungemein produktive Muster handelt, nach denen Hunderte von Partikelverben gebildet werden können. Ihre Wiederzulassung bedeutet daher einen folgenreichen Eingriff.


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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 07.02.2004 um 06.41

"Es war erklärtes Ziel der Neuregelung, den Schreibenden wieder die Möglichkeit zu geben, allein aufgrund der Anwendung der Rechtschreibregeln zu richtigen Wortschreibungen kommen zu können. Demgegenüber verlangte die frühere Regelung ein häufiges Nachschlagen im Wörterbuch."

Wenn dies das Ziel war, ist es so gründlich verfehlt worden, daß sogar das staatliche Institut für Schulpädagogik und Bildungsforschung in München festhielt:
"Die Neuregelung der Rechtschreibung bedingt, dass für jeden - Lehrer und Schüler - der Umgang mit einem Rechtschreiblexikon selbstverständlicher sein muss denn je." (Handreichungen "Neuregelung der deutschen Rechtschreibung". ISB München 1996, S. 41)
Sitta und Gallmann haben festgestellt, das amtliche Regelwerk sei ein Text, aus dem der Laie die korrekte Schreibung nicht entnehmen könne. Gerade bei der Groß-und Kleinschreibung könne man auch in Zukunft nur durch Nachschlagen zum Ziel kommen (Handbuch Rechtschreiben, Zürich 1996).

"Die Kommission ist zu der Überzeugung gelangt, dass die wesentlichen Neuerungen des amtlichen Regelwerks von 1996 unverändert bleiben sollten. Viele dieser Regelungen haben nachweislich spürbare Erleichterungen bei den Erstlernern gebracht."

Hier fällt die vage Ausdrucksweise auf: Was sind "spürbare", zugleich aber nachweisbare Erleichterungen? Tatsache ist, daß zur Zeit alle Rechtschreibungen - die "alte", die amtliche neue und die vielfach korrigierte neue, wie sie in den unterschiedlichen Wörterbüchern seit 1996 verzeichnet ist, benutzt werden dürfen, ohne daß Fehler angestrichen werden. Bei gleichbleibenden oder sogar - wegen der Mischung - objektiv geringeren Rechtschreibleistungen werden aus arithmetischen Gründen bessere Noten vergeben - eine recht zweifelhafte "Erleichterung". Bezeichnend ist die folgende Zeitungsreportage:
",Endlich mal wieder eine Zwei', frohlockt die Achtkläßlerin der Wirtschaftsschule. Vor allem die Schlußbemerkung des Lehrers findet Julia hochinteressant. Da steht: ,Aufgrund der Anwendung der neuen Rechtschreibregeln sind elf Fehler weniger in Rechtschreibung und Zeichensetzung zu verzeichnen; die Arbeit ist daher mit ,gut' zu bewerten.'" (Nürnberger Nachrichten 31.12.1996) Nicht die Schülerin hat also die neuen Regeln angewandt, sondern der Lehrer und für die gleiche Leistung eine bessere Note gegeben. Diesen Effekt hätte die Schulverwaltung auch durch eine bloße Anweisung an die Pädagogen und ohne Eingriff in die Sprache selbst erreichen können.

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 06.02.2004 um 17.15

"Dieser 4. Bericht hat eine Sonderstellung gegenüber den bisherigen Berichten: Im Hinblick auf die in der Wiener Absichtserklärung von 1996 vereinbarte Übergangsfrist bis 31. Juli 2005 weist in ihm die Zwischenstaatliche Kommission aus, welche Modifikationen sie für das Regelwerk vorschlägt."

Das entspricht nicht den Tatsachen. Auch der erste Bericht enthielt eine Fülle von Änderungsvorschlägen, die jedoch zum Ärger der Kommission von der Amtschefskommission untersagt wurden. Schon damals war verhüllend von "Verdeutlichungen" die Rede gewesen, die Kultusministerien ließen sich jedoch nicht täuschen und gaben bekannt: "Keine Änderung der beschlossenen Regeln zum jetzigen Zeitpunkt" usw. (Pressemitteilung der KMK vom 12.2.1998 )

"Die Aufgaben der Kommission sind in Artikel III der Wiener Absichtserklärung von 1996 festgelegt. Daraus ergibt sich im Einzelnen, die Umsetzung der Neuregelung der deutschen Rechtschreibung zu beobachten, Anfragen zu beantworten, Kritik aufzugreifen und entsprechend zu berücksichtigen, das neue Regelwerk auf etwaige Schwachstellen zu untersuchen und nötigenfalls Vorschläge für dessen Anpassung zu erarbeiten. Es war schon immer erklärte Absicht der Kommission, eine gewisse Zeit der praktischen Anwendung der Neuregelung abzuwarten, bevor Vorschläge zu Detailanpassungen gemacht werden. Die meisten der sich aus der Anwendung der neuen Rechtschreibung ergebenden Probleme sind - wie vorhersehbar - auf Umstellungsschwierigkeiten zurückzuführen, die sich aber mit zunehmendem Gebrauch der neuen Schreibregeln mehr und mehr relativieren."

In der Wiener Absichtserklärung heißt es jedoch:

"Die Kommission wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hin. Sie begleitet die Einführung der Neuregelung und beobachtet die künftige Sprachentwicklung. Soweit erforderlich erarbeitet sie Vorschläge zur Anpassung des Regelwerks."
Von einer Korrektur fehlerhafter Regeln ist nicht die Rede. "Anpassung" ist ein Relationsbegriff, es muß gesagt werden oder erschließbar sein, woran angepaßt werden soll. Im Zusammenhang der Absichtserklärung kann nur die Anpassung an die zu beobachtende künftige Sprachentwicklung gemeint sein. Im vierten Bericht wird selbstverständlich nicht auf die Sprachentwicklung Bezug genommen, denn die deutschen Sprache hat sich seither nicht in orthographisch relevanter Weise entwickelt. Vielmehr sind Korrekturen des Regelwerks gemeint, wie es ja auch aus dem weiteren Bericht hervorgeht. Damit geht die Kommission über ihren Auftrag hinaus. Der führende Schweizer Reformer Horst Sitta, bis heute Mitglied der Zwischenstaatlichen Kommission, stellte schon vor Jahren klar:
"Mir ist dieser Wortlaut wichtig: Die Kommission soll ihrem Aufrag nach nicht - wie seitens der Reformgegner behauptet wird - das angeblich schlechte Reformwerk optimieren. Sie soll auf der Grundlage des beschlossenen Regelwerks die Einführung der Neuregelung begleiten." (in Eroms/Munske [Hg.]: Die Rechtschreibreform - Pro und Kontra, Berlin 1997, S. 222)
In einem an viele Adressaten versandten Standardbrief der Kommission aus demselben Jahr heißt es:
"Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass nach der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung in Wien weitere Änderungen vorerst grundsätzlich nicht mehr möglich sind."
Am 23.1.1997 gaben Zeitungen eine Mitteilung des IDS wieder, wonach die Aufgabe der Kommission "keineswegs die Korrektur des beschlossenen Reformwerks" sei.
"Die ‚von Reformgegnern erzeugte Sorge', die Rechtschreibreform werde schon vor der endgültigen Umsetzung ‚repariert oder korrigiert', sei gegenstandslos." (Fränkischer Tag vom 23.1.1997)
Die ersten Reparaturvorschläge wurden im ersten Bericht (Dezember 1997) unterbreitet, einige davon als "unumgänglich notwendig" erklärt. Nach ihrer Zurückweisung durch die Amtschefskommission wurden einige der untersagten Korrekturen unterderhand in Beratungsgesprächen mit Duden und Bertelsmann praktisch dennoch eingeführt. Nun soll erstmals förmlich in den amtlichen Text eingegriffen werden, Anfang 2004, lange vor der "endgültigen Umsetzung" im August 2005.
Die erste Abweichung vom ursprünglichen Auftrag war allerdings unter dem Druck der Kritik schon von den Kultusministerien in jener Pressemitteilung vom 12. 2. 1998 angedeutet worden:
"Ob und welche Änderungen sinnvoll sind, kann rechtzeitig vor Ende der Übergangszeit (im Jahr 2005) entschieden werden."
Hierauf könnte sich die Kommission heute berufen, nicht aber auf die Wiener Absichtserklärung. Auf die Neuinterpretation des Kommissionsauftrages gehen auch gewisse Spannungen zwischen der deutschen Seite einerseits und der Schweiz und Österreich andererseits zurück.

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Th. Ickler


eingetragen von margel am 06.02.2004 um 16.50

...die Kommission eine Behörde wäre, dann könnte tatsächlich so etwas wie "Verletzung des Dienstgeheimnisses" (§353b StGB) vorliegen. Soll man nun bedauern, daß dem nicht so ist?


eingetragen von Detlef Lindenthal am 06.02.2004 um 15.45

Die Kommission bringt in der „Anlage 1 a)“ eine Antwort der kantonalen Erziehungsdirektoren auf den 4. Kommissionsbericht. Darin liest sich die Schweizer ss-Sparschreibung „folgendermassen“:

S. 57: grosse
S. 58: Grossmehrheitliche, grosse, Ausserdem, ausschliesslich
S. 59: ausserordentlich, begrüsst, schliessen, ausserdem
S. 60: äussern, folgendermassen, begrüsst (2mal)
S. 61: Gross- und Kleinschreibung (2mal), Grossschreibung (2mal), grosszuschreibenden, geäussert, stiess.

Es kann also keine Rede davon sein, daß die „Reformer“ eine einheitliche Schreibweise anstrebten.


eingetragen von Theodor Ickler am 06.02.2004 um 15.00

Es ist in der Tat ungewöhnlich, daß der Bericht veröffentlicht wird, bevor die Kultusminister selbst ihn zur Kenntnis genommen und gebilligt haben. Man muß damit rechnen, daß die Veröffentlichung widerrechtlich erfolgt. Es handelt sich um einen Geheimnisverrat (Schulorthographie). Werde mal rechtliche Schritte dagegen prüfen.

Auf derselben Seite der Kommission liest man immer noch, daß die DASD die Neuregelung "verunglimpfe". Eigentlich kann man nur Personen verunglimpfen, allenfalls deren Ehre, aber eine Rechtschreibregelung? Es ist eben Augsts Lieblingswort, er kann es einfach nicht auslassen. Sehr komisch.
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Th. Ickler


eingetragen von Wolfgang Wrase am 06.02.2004 um 13.25

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karsten Bolz
Der 4. Bericht liegt jetzt im Internet vor (pdf, 565kB). Die Geschwindigkeit hätte ich denen niemals zugetraut.

Die Reformer wollten eben auch mal schneller sein als wir, damit man sie nicht immer auslachen kann, wenn sie wider Willen ihre Geheimberichte "veröffentlichen", nachdem wir sie längst ins Internet gestellt haben.

Aber, siehe den Hinweis von Herrn Wagner: Wieso fehlt die Anlage mit der korrigierten Strecke aus dem Österreichischen Wörterbuch? Könnte es sein, daß daraus hervorgeht, daß die Hochrechnungen von Professor Ickler (rund 3000 Änderungen im ÖWB, 4000 im Duden), also die Warnungen vor einem enormen Änderungsumfang zutreffen? Vielleicht wollen die Reformer ihre derzeitigen Dementis (diese Zahlen seien "abenteuerlich" oder "ein Schmarrn") sowie vor allem ihre Lüge, die bisherigen reformierten Wörterbücher würden in keiner Hinsicht veralten, wenigstens noch ein paar Tage lang retten. Und hoffen, daß die Zeitungen das Interesse verloren haben, wenn die Wahrheit ans Licht kommt.

Also, dieser Anhang muß natürlich veröffentlicht werden.


eingetragen von J.-M. Wagner am 06.02.2004 um 10.14

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Reinhard Markner
Entscheidend für die Zusammenschreibung ist jedoch, daß es im Unterschied zu den in § 43 genannten Aneinanderreihungen „das Auf-die-lange-Bank-Schieben, das An-den-Haaren-Herbeiziehen“ usw. nicht ad hoc gebildet werden muß, sondern ein im juristischen und auch im allgemeinen Sprachgebrauch seit langem kurrentes Wort ist.
Woran sich mal wieder eines der Grundübel der reformierten GZS zeigt: Es fehlt die simple Regel, daß (eigenständige) Wörter zusammengeschrieben werden. Zu entscheiden, was „ein Wort“ ist, ist zwar nicht trivial, hängt aber wesentlich an der Bedeutung. Und damit wären wir beim nächsten Grundübel der Reform...
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von J.-M. Wagner am 06.02.2004 um 09.49

Der von der Kommissionswebseite (http://rechtschreibung.ids-mannheim.de/aktuell.html) abrufbare 4. Bericht ist unvollständig: Es fehlt die Anlage 2 zu den Auswirkungen der vorgeschlagenen Änderungen (Buchstabe D des ÖWB).
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Jan-Martin Wagner


eingetragen von Karsten Bolz am 06.02.2004 um 09.16

Der 4. Bericht liegt jetzt im Internet vor (pdf, 565kB). Die Geschwindigkeit hätte ich denen niemals zugetraut.
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Karsten Bolz


eingetragen von Reinhard Markner am 06.02.2004 um 07.40

Die Kommission glaubt, in § 43 E sei das Adjektiv „einfach“ mißverstanden worden. Dies habe dazu geführt, daß angenommen wurde, „eine doch relativ übersichtliche Verbindung wie das Inkrafttreten“ dürfe „neu nur noch mit Bindestrichen geschrieben werden“ (S. 29).

Tatsächlich ist die durchgekoppelte Schreibweise im Regelwerk selbst unter den Beispielen (wenn auch nicht im Wörterverzeichnis) aufgeführt: „Das In-Kraft-Treten des Gesetzes verzögert sich“ (§ 57).

Die Kommission möchte das vermeintliche Mißverständnis ausräumen und die bewährte Schreibung rehabilitieren, indem sie in § 43 E „übersichtlich“ an die Stelle von „einfach“ setzt. Das Operieren mit derart vagen, gefühlsmäßigen Bestimmungen ist bedenklich genug. Im Vergleich mit den anderen an der gleichen Stelle genannten Beispielen „das Autofahren, das Ballspielen, beim Walzertanzen“ ist „das Inkrafttreten“ gewiß unübersichtlicher. Entscheidend für die Zusammenschreibung ist jedoch, daß es im Unterschied zu den in § 43 genannten Aneinanderreihungen „das Auf-die-lange-Bank-Schieben, das An-den-Haaren-Herbeiziehen“ usw. nicht ad hoc gebildet werden muß, sondern ein im juristischen und auch im allgemeinen Sprachgebrauch seit langem kurrentes Wort ist.


eingetragen von Reinhard Markner am 05.02.2004 um 23.28

Die Begründung der Kommission, warum man an der abstrusen Trennung vol-lenden festhalten wollen, muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: „Die Motiviertheit des Wortes ist aber für viele Sprachteilhaber/innen nicht mehr gegeben, was sich an der Syllabierung vol|lenden zeigt. [. . .] Das Adverb vollends, mhd. vollens, ist zwar auf Ende hin neu motiviert worden, zeigt aber eindeutig silbische Gliederung vol|lends.“ (S. 50) Trotzige Schlußfolgerung: „Es besteht kein Änderungsbedarf“.

Das heißt, das Volk hat in der Vergangenheit bewiesen, daß es voll und Ende zusammendenken kann, aber heute ist es dazu nicht mehr in der Lage. Doch wer würde eigentlich in Vollendung nicht die Bestandteile voll und Endung erkennen können? Der Bericht scheint in großen Teilen von Gallmann verfaßt zu sein, worauf der nebulöse Stil des zum Lehrstuhl emporgekommenen Korrektors hindeutet, aber hier bewegt er sich getreulich in den Fußstapfen von „Tollpatsch“ Augst, der einmal allen Ernstes seinen Siegener Nachbarn die Frage vorgelegt hat, worum es sich bei einer „Eierschecke“ handele.


eingetragen von Theodor Ickler am 05.02.2004 um 18.15

Der jetzt gefaßte Beschluß der Amtschefs, die Änderungen durchzuführen, war der einzig mögliche. Ein Verbot aller Änderungen wie 1998 kam nicht mehr in Frage, nachdem das Eingeständnis der Fehlerhaftigkeit in der Presse breitgetreten worden war.
Nun kommt es darauf an, den Umfang der Änderungen herauszuarbeiten. Insofern ist der Beschluß für uns günstig. Die Wörterbuchverlage müssen es spüren. Wer wird dieses Jahr noch ein Wörterbuch kaufen, wenn er weiß, daß 2005 Änderungen kommen? Es kann sein, daß schon in wenigen Wochen ein neuer Duden erscheint, denn die Redaktion war ja stets dabei und bestens unterrichtet. Vielleicht hatte auch Bertelsmann wieder einmal "schon gedruckt". Das Bertelsmann-Palais ist ja in Berlin nicht fern. Auch unser junger Freund Christian Stang hat schon angefangen, die Menschheit über die zu erwartenden neuen Regeln zu informieren, und wird bestimmt bald mit einem neuen Buch sowie einem Duden-Crashkurs herauskommen.
Die Kommission wird den Bericht nur deshalb ins Internet stellen, weil sie weiß, daß wir es ohnehin tun werden.

Es ist aufs neue klargeworden, daß nur die Zeitungen die Macht haben, das Sprachzerstörungsunternehmen zu beenden.
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Th. Ickler


eingetragen von margel am 05.02.2004 um 17.54

Die Zeit arbeitet gegen die Reform. Sie trug von Anfang an den Keim der Selbstzerstörung in sich, weil sie sprachwidrig ist. Die Reformer haben das Wesen (um dieses schöne deutsche Wort zu gebrauchen), den Sinn und Zweck der deutschen Orthographie nicht verstanden. Das ist schon so oft gesagt worden - trotzdem muß es wiederholt werden, weil es zur Hoffnung Anlaß gibt. Diese stille Hoffnung entbindet uns Sprachliebhaber nicht von der Pflicht, stets und überall den Finger in die Wunde zu legen, d.h vor allem die Lügen der Reformer und ihrer Handlanger aufzudecken. Aber die Gewißheit des endlichen Scheiterns der Reform sollte uns ein Quentchen Gelassenheit, bei allem gerechten Zorn, schenken.
– geändert durch margel am 05.02.2004, 21.57 –


eingetragen von Theodor Ickler am 05.02.2004 um 17.04

kann noch lange Schaden stiften. Nur die Zeitungen können uns retten, das meine ich schon lange.
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Th. Ickler


eingetragen von margel am 05.02.2004 um 16.47

Irgendwann werden die Kultusminister begreifen, daß aus dieser Reform nie etwas Gescheites werden kann. Das kann schon morgen oder auch erst in ein paar Jahren sein. Die Reform ist tot, wurde schon tot geboren. Alle "Präzisierungen", Nachbesserungen usw. sind nur Leichenkosmetik. - Prof. Ickler hat es schon 1996 in der FAZ festgestellt: "Die Rechtschreibreform ist bankrott."


eingetragen von Theodor Ickler am 05.02.2004 um 16.08

Was kann passieren? Die KMK könnte sich aufs Aussitzen verlegen. Im Mai haben wir keine Presse mehr, dann könnte der ersehnte Ermächtigungsbeschluß ohne großes Aufsehen dennoch durchgehen.

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Th. Ickler


eingetragen von Dominik Schumacher am 05.02.2004 um 14.51

Kassette einlegen, Kabel zum Rechner, dort über die Klangkarte eine Tondatei schreiben, diese mit iTunes zu mp3 wandeln. Der Japaner Tad Nagano kann in seinem Programm Listen&Type die Klangdatei abspielen und mittels Tastatur wie am Diktiergerät steuern (hin, zurück, Pause) und gleichzeitig abschreiben. Die Klangdatei kann über das Internet transportiert und im browser abgespielt werden.

Beispiel: Das Streitgespräch Augst/Dräger vom 31.7.2003 hier in dieser Datenbank.


eingetragen von Wolfgang Wrase am 05.02.2004 um 14.43

Ich habe wegen der Anfrage von Herrn Dörner versucht, im Strang "Radio und Fernsehen" ein paar Eindrücke von diesem Gespräch aufzuzeichnen. Falls eine Abschrift gemacht werden sollte, möge man diesen Beitrag wieder löschen, der ja dann überflüssig ist und überdies Abweichungen gegenüber dem tatsächlichen Gesprächsverlauf enthält.


eingetragen von Matthias Dräger am 05.02.2004 um 14.18

Wenn Sie uns die Aufnahme - Musikcassette - des Streitgespräches mit Prof. Ickler schicken, schreiben wir´s ab. Dann kann man es schon mal lesen...

Mit freundlchen Grüßen
Matthias Dräger

Auf dem Hähnchen 34
56329 St. Goar


eingetragen von margel am 05.02.2004 um 13.03

Welcher Straftatbestand könnte erfüllt sein? "Störung der Totenruhe" (§ 168 StGB)? "Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen" (§248a StGB)? Oder gar "Gefährdung einer Entziehungskur" (§330b StGB)?


eingetragen von L.Willms am 05.02.2004 um 12.44

Streitgespräch im BR2
Es war der erste Beitrag nach den Nachrichten.

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christian Dörner
Hat es zufällig jemand mitgeschnitten, so daß man es hier als mp3 zur Verfügung stellen könnte?

Ich habs auf 'ner Musikcassette, aber das zu digitalisieren? Müßte eigentlich irgendwie möglich sein, ich weiß nur noch nicht genau, wie.

MfG,
L. Willms

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Es gibt eine wahre und eine förmliche Orthographie. -- Georg Christoph Lichtenberg (1742 .. 1799)


eingetragen von Christian Dörner am 05.02.2004 um 09.12

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Soeben hatte ich ein Streitgespräch mit Kommissionsmitglied Dieter Herberg. Es wird morgen früh zwischen sieben und acht bei Bayern 2 gesendet. In seinem Schlußwort sprach er wieder von "kleinen Präzisierungen", die auftragsgemäß vorgenommen worden seien. Es tut mir richtig weh, wenn brave Bürger durch die Umstände zu solchen Verbaldelikten genötigt werden.

Leider wurde das Gespräch erst um 7.58 Uhr angekündigt und dann zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr gesendet, so daß meine programmierte Aufnahme (7 Uhr bis 8 Uhr) unglücklicherweise ins Leere ging.
Hat es zufällig jemand mitgeschnitten, so daß man es hier als mp3 zur Verfügung stellen könnte?
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Christian Dörner


eingetragen von Wolfgang Wrase am 05.02.2004 um 05.17

Die Politiker sind so gemein, die werden uns bestimmt nicht den Gefallen tun und uns anzeigen. Die Kommission ist auch fies, deshalb wird sie es gleichfalls nicht tun. Immer machen sie uns Hoffnungen, und dann kommt nichts.


eingetragen von Matthias Dräger am 05.02.2004 um 02.37

Wenn Prof. Ickler eine Anzeige bekommt, möchten wir für die „widerrechtliche Veröffentlichung der Beschlußvorlage“ (so Augst) aber auch gern eine Anzeige wegen Geheimnisverrat in Sachen Rechtschreibung erhalten! Nachdem die „Durchleuchtung durch den Staatssicherheitsdienst“ (so der mittlerweile verstorbene CDU-Fraktionsvorsitzende des schleswig-holsteinischen Landtages in einem Gespräch mir gegenüber) wegen der Einleitung des Volksbegehrens schon ins Leere ging, wäre das doch ein krönender Abschluß.
Und Herr Norbert Lindenthal hat auch eine Anzeige verdient, er hat bei der Faxerei der Beschlußvorlage an die Zeitungen konspirativ mitgeholfen.

Also, Herr Prof. Augst - was ist? Wo bleiben Ihre Anzeigen? Im Flur wäre ein schöner Platz zum Aufhängen, und einen passenden Rahmen für die Anzeige hätte ich auch noch.

Es tut mir leid, daß Sie, sehr geehrter Herr Prof. Augst, sich über die Veröffentlichung der Beschlußvorlage so geärgert haben. Andere Leute sind in der Regel glücklich, wenn man die Essenz ihrer jüngsten Erkenntnisse, zumal wenn diese doch alle betreffen sollen, anderen zugänglich macht - warum haben Sie sich nicht gefreut?
Steht in der Beschlußvorlage vielleicht irgendetwas drin, was andere noch nicht wissen dürfen?


eingetragen von margel am 04.02.2004 um 22.23

Ich hatte es schon korrigiert. Merkwürdig, wie leicht man auf dem Schirm Fehler macht - und erst später bemerkt.


eingetragen von Walter Lachenmann am 04.02.2004 um 21.08

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von margel
- Ecrazéz l´ínfâme!

Écrasez! (S'il vous plaît ...)

Si déjà l'orthographe allemande est escamotée par les soins des éminentes autorités bureaucratiques, n'en faisons pas autant avec la belle orthographe indemne de nos chers voisins d'outre-Rhin.

(Pour M. Vhaltilleul: Ceci est du français!)
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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 04.02.2004 um 20.03

Die Ermächtigung der Kommission ist für diese nicht nur angenehm. Sie hat dann niemanden mehr, der ihr den Rücken stärkt und auf den sie Fehler abschieben kann ("war nicht durchsetzbar" usw.).
Hinzu kommt, daß die Kommission ihr neues Leben mit einer schweren Belastung beginnt, nämlich mit einem miserablen Ansehen. Es gibt keine Institution, die so sehr verachtet wird. Man lese die Pressestimmen: fast einhellige Verhöhnung. Selbst wenn die Öffentlichkeit zur Ohnmacht verdammt bleibt, wird diese Kommission niemals wieder zu Ehren kommen und irgendeine Autorität aufgrund von Sachkompetenz ausüben können.

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Th. Ickler


eingetragen von Theodor Ickler am 04.02.2004 um 17.21

Nichts wäre mir erwünschter als eine Anzeige wegen Geheimnisverrat (betr. Schulorthographie). Allerdings: wer ist klageberechtigt? Die KMK gibt es ja gewissermaßen gar nicht, sie ist ein "rechtliches Nullum" (nach Rupert Scholz). Einzelne Kultusminister? Die würden große Augen machen, wenn sie erführen, wer mir die Texte zugesteckt hat. Die überraschten Gesichter stelle ich mir gern vor.

Man kann nicht oft genug zitieren, was versprochen worden war:

"Besser, als einen Privatverlag stillschweigend Einzelfallentscheidungen treffen zu lassen, ist es allemal, wenn von jetzt an eine der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldende Expertengruppe systematische Lösungen sucht." (Klaus Heller, Geschäftsführer der Rechtschreibkommission, brieflich, 1997)
"Mit der Einrichtung der in staatlichem Auftrag tätigen Kommission ist ein erheblicher Vorteil für die weitere Entwicklung und Pflege der deutschen Rechtschreibung gewonnen. Anders als Verlagsredaktionen, die ihre orthographischen Entscheidungen nicht mitzuteilen und zu begründen brauchen, muss die Kommission ihre Empfehlungen und Vorschläge öffentlich vorlegen und vertreten. Sie ist damit für die engere wissenschaftliche und die weitere sprachinteressierte Öffentlichkeit kritisierbar." (Stellungnahme des IDS für das Bundesverfassungsgericht 10. 11. 1997)

Die Veröffentlichung der Beschlußvorlage und des Berichts ist Notwehr.

Soeben hatte ich ein Streitgespräch mit Kommissionsmitglied Dieter Herberg. Es wird morgen früh zwischen sieben und acht bei Bayern 2 gesendet. In seinem Schlußwort sprach er wieder von "kleinen Präzisierungen", die auftragsgemäß vorgenommen worden seien. Es tut mir richtig weh, wenn brave Bürger durch die Umstände zu solchen Verbaldelikten genötigt werden.
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Th. Ickler


eingetragen von margel am 04.02.2004 um 17.07

Diese Kommission bloßzustellen und zu verärgern, ist eine vornehme, ehrenvolle, vaterländische Pflicht. Nicht genug danken kann man den für die "widerrechtliche" Veröffentlichung Verantwortlichen. - Ecraséz l´infâme!
– geändert durch margel am 04.02.2004, 22.03 –


eingetragen von Theodor Ickler am 04.02.2004 um 13.58

Also doch ein neues Leitthema (weil sonst die aktuellen Mitteilungen unbemerkt versinken).

Nun das Neueste:

Von offizieller Seite, wenn auch nicht auf offiziellem Wege, habe ich einiges erfahren.

1. Der Anstoß zum "Ermächtigungsantrag" (Alleinentscheidung der Kommission, Fünfjahresrhythmus) ging, wie wir sogleich vermutet hatten, nicht von der Kommission aus, sondern von den Kultusministern, die die Rechtschreibreform "los sein" möchten (Originalton).

2. Die Sitzung am Freitag vergangener Woche in Mannheim war eine reguläre Sitzung, alle Mitglieder waren anwesend.

3. Der Beirat, der nach seiner konstituierenden Sitzung nur zweimal zusammengetreten ist, wird nicht von allen eingeladenen Institutionen ernst genommen, manche erscheinen gar nicht, und bei der letzten Sitzung war z.B. die Vertreterin des Deutschen Journalistenverbandes verhindert und wurde auch nicht vertreten. Das große Wort führen die wirtschaftlich interessierten Verlage usw., die weitere Kosten verhindern wollen. Der Beirat hat keinen Vorsitzenden und führt kein Protokoll; er hat als einziger seine Stellungnahme nicht namentlich unterzeichnet.

4. Der Beirat soll auch nach Einführung der angestrebten Ermächtigung usw. erhalten bleiben, doch ist über seine künftige Arbeitsweise (ein einziges Treffen in fünf Jahren?) nichts Näheres bekannt.

5. An der Sitzung der Amtschefskommisison morgen in Berlin nehmen auch Augst und wahrscheinlich Gallmann teil. Augst ist schon unterwegs und wird sich bemühen, den schlechten Eindruck, den die "widerrechtliche Veröffentlichung der Beschlußvorlage" (Originalton) hervorgerufen hat, zu neutralisieren. Trotzdem ist der Ausgang ungewiß, den die Amtschefs verfolgen zwar ihre eigenen Pläne, sind aber nicht so dumm, Herrn Augst jederzeit für voll zu nehmen.

6. http://www.rechtschreibreform.com wird von der Rechtschreibkommission täglich besucht. (Gruß in die Runde!)

7. Es wird gesagt, den Institutionen stünde es frei, auch Reformkritiker in den Beirat zu entsenden. Ich wies im Gespräch darauf hin, daß das nicht mit dem Auftrag der Kultusminister verträglich sei, der ausdrücklich die Unterstützung der Kommission und der Kultusminister bei der Umsetzung und Durchsetzung der Reform festlege. Na ja, war die Antwort, natürlich erwarte man "konstruktive Kritik". (Ironisches Lachen)

8. Die pressewirksame "widerrechtliche" Veröffentlichung der Vorlage und des vierten Berichts hat auf seiten der Kommission sehr großen Ärger hervorgerufen.
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Th. Ickler


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