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eingetragen von gestur am 25.06.2004 um 06.08

einen "Aufruf an meine Völker" öffentlich anschlagen lassen. Könnte man den hier gegenüberstellen?


eingetragen von Norbert Schäbler am 25.06.2004 um 02.10

„An das Deutsche Volk.
Seit der Reichsgründung ist es durch 43 Jahre Mein und Meiner Vorfahren heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und in Frieden unsere kraftvolle Entwicklung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit.
Alle offenkundige und heimliche Feindschaft von Ost und West, von jenseits der See haben wir bisher ertragen im Bewußtsein unserer Verantwortung und Kraft.
Nun aber will man uns demütigen. Man verlangt, daß wir mit verschränkten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zu tückischem Überfall rüsten; man will nicht dulden, daß wir in entschlossener Treue zu unserem Bundgenossen stehen, der um sein Ansehen als Großmacht kämpft und mit dessen Erniedrigung auch unsere Macht und Ehre verloren ist. So muß denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! Zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter neu sich gründeten. Um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens.
Wir werden uns wehren, bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Und wir werden diesen Kampf bestehen auch gegen eine Welt von Feinden. Noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es einig war.
Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war.

Berlin, den 6. August 1914, Wilhelm“

PS: Eingestellt als Quellentext – zum Nach- und Querdenken (siehe auch: Leitfaden „technische Probleme“).

pps: Lieber Norbert, der Text, hier als Quellentext ausgegeben, ist so nicht ganz korrekt: die Absätze stimmen nicht.
Verfasser des Textes war übrigens der Theologe Adolf von Harnack, und Kaiser Wilhelm hat da nur sein „Wilhelm“ druntergesetzt.
Ich halte einen Mann, der für diesen Aufruf einen Ghostwriter engagieren muß, für etwas überfordert, um es einmal zurückhaltend auszudrücken. Einen solchen Text hat man als Kaiser gefälligst selbst zu schreiben, und wenn man das nicht kann, soll man es lieber gleich bleiben lassen.
Matthias

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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 20.04.2004 um 16.27

Dem Unterricht in der Muttersprache kommt fundamentale Bedeutung zu; denn Sprache ist Träger von Sinn und Überlieferung, Schlüssel zum Welt- und Selbstverständnis und Mittel zwischenmenschlicher Verständigung. Verstehen und richtiger Gebrauch der Muttersprache sind unentbehrliche Voraussetzungen für den Unterrichtserfolg in allen Fächern; jedes Unterrichtsfach trägt seinerseits in spezifischer Weise zur Förderung der Sprachfähigkeit bei. Sprachförderung ist deshalb nicht nur Aufgabe des Faches Deutsch, sondern auch fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip. Damit der weiterführende Deutschunterricht und auch die anderen Unterrichtsfächer auf soliden und gesicherten Lernergebnissen aufbauen können, ist es gerade in diesem Fach notwendig, den Lehrstoff besonders gründlich zu erarbeiten und ausgiebig zu üben. Die Streuungsbreite der Leistungen im Fach Deutsch ist besonders groß; deshalb ist es unerläßlich, die Sprache des einzelnen Kindes sorgfältig zu beobachten und individuell zu fördern.
Die Gliederung des Lehrplans in die Lernbereiche Lesen, Schreiben, Rechtschreiben, Sprachbetrachtung, mündlicher Sprachgebrauch und schriftlicher Sprachgebrauch zeigt die Vielfalt der Aufgaben des Deutschunterrichts, ermöglicht eindeutige Zielsetzungen, darf jedoch nicht zu einer isolierten Behandlung der Lernbereiche verleiten. Vielmehr soll gerade im muttersprachlichen Unterricht auf Verbindung und Zusammenschau der verschiedenartigen Aufgaben geachtet und ihre Verwirklichung auch in fächerübergreifenden Vorhaben angestrebt werden.

„Rechtschreiben“
1. Ziele und Aufgaben
Aufgabe der Grundschule ist es, dem Schüler elementare Rechtschreibsicherheit zu vermitteln. Diese umfaßt die Beherrschung des Grundwortschatzes sowie einiger wichtiger Besonderheiten der Rechtschreibung. Da die deutsche Rechtschreibung sich nicht auf ein einziges allgemeingültiges Prinzip zurückführen läßt, muß der Unterricht das Klangbild, das Schriftbild und das Bewegungsschema der Wörter bzw. Wortformen sichern sowie ihre gedankliche Durchdringung gewährleisten. Voraussetzung und Grundlage für erfolgreiche Rechtschreibarbeit ist die Erziehung zur Sorgfalt in allen schriftlichen Darstellungen.
2. Hinweise zum Unterricht
Der Lehrplan enthält einen nach Jahrgangsstufen gegliederten Grundwortschatz. Dieser umfaßt die schriftlich am häufigsten gebrauchten Wörter der deutschen Sprache und beruht auf einer Auswertung veröffentlichter Wörterlisten. Bei der Auswahl und Zuordnung der Wörter zu den einzelnen Jahrgangsstufen wurden zusätzlich die Kriterien der Kindgemäßheit und Übertragbarkeit berücksichtigt.
Der Grundwortschatz erlaubt eine Konzentration des Rechtschreibunterrichts auf die intensive Einübung ausgewählter Wörter, die erfolgversprechender als eine lediglich oberflächliche Behandlung möglichst vieler Wörter ist. Die Lehrer einer Grundschule können in begrenztem Maße von der vorgeschlagenen Aufteilung auf die einzelnen Jahrgangsstufen abweichen. Je nach regionalen Voraussetzungen ist auch eine Erweiterung der Wörterliste möglich. Auch bei der Abfassung von Rechtschreibtexten werden immer wieder Wörter benötigt, die nicht zum Grundwortschatz gehören.
Die Besonderheiten der Rechtschreibung dürfen nicht losgelöst von der Arbeit mit dem Grundwortschatz behandelt werden. Rechtschriftliche Einsichten, die als Merkhilfen formuliert werden können, ergeben sich beim Ordnen des Grundwortschatzes nach Rechtschreibbesonderheiten. Der Lernerfolg im Rechtschreiben hängt von gründlicher Übung ab. Nachschriften sollen in der Regel nur nach eingehender Vorbereitung geschrieben werden, weil es besser ist, Fehler zu verhüten als sie zu korrigieren. Rechtschreibfehler sind sinnvoll zu berichtigen.


Noch einige Worte in eigener Sache:
Ziel des Projektes „Lehrplanvergleich“ war es, objektiv und kommentarlos Quellentexte zusammenzutragen. Der Vergleich der Texte vermittelt – besonders dann, wenn auch geschichtliches und politisches Hintergrundwissen vorhanden ist – klarste Einsichten.
Jene hat Herr Genzmann in verschiedenen Forumsbeiträgen auf den Punkt gebracht!

Vorab beabsichtige ich nicht, von mir aus weitere Lehrplanzitate (z.B. LP Bayern 2003) einzubringen, werde jedoch auf beliebige Lehrplan-Anfragen Antwort geben.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die Teilbereiche des Deutschunterrichts (z.B. Lesen, Schreiben, Sprachgestaltung), über die bislang nicht gesprochen wurde.
Erinnert sei auch an den Leitfaden „vom Federnlassen der Didaktik“.
Klarer als durch jene Gegenüberstellung der amtlichen Verlautbarungen (das sind im Ergebnis: sich zunehmend ausdünnende Lehrpläne) kann wohl kaum aufgezeigt werden, wie sich die Hüterinnen und Patriarchen des Kulturgutes Muttersprache fortlaufend und reuelos am Lehrstoff versündigen.



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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 18.04.2004 um 11.31

(Maiß, 20.Auflage, 2000)

1. Auftrag der Grundschule
Die Grundschule hat die Aufgabe, Unterricht und Schulleben aus ihrem Erziehungsauftrag heraus zu gestalten. Der Lehrplan räumt deshalb dem Erzieherischen Vorrang ein und stellt die Orientierung am Kind in den Mittelpunkt. Er erstrebt grundlegende Bildung. Dabei werden Eigenart und Lebenssituation des Grundschulkindes berücksichtigt, Hilfen zur allseitigen persönlichen Entfaltung und Selbstverwirklichung gegeben und Wege zu verantwortlichem Leben und Wirken in der Gemeinschaft aufgezeigt.
Sinn- und Wertorientierung sind Grundlage und Ziel von Erziehung und Unterricht. Diese richten sich im Sinne der bayerischen Verfassung am christlichen Menschenbild aus.
Anliegen der Grundschule ist es, jedem Kind Hilfen zu einer bejahenden Lebenseinstellung in einer Atmosphäre der Anerkennung, des Vertrauens und der Geborgenheit zu geben. Nur unter dieser Voraussetzung kann zu kritischem Denken und selbständigem Handeln erzogen werden.
Die Grundschule nimmt Zukunft und Gegenwart des Kindes gleichermaßen ernst. Erziehung und Unterricht bereiten auf künftige Anforderungen vor, tragen zur Bewältigung der Gegenwartssituation bei und geben dem Recht auf Kind-sein-dürfen Raum.
Die Grundschule knüpft an die vorschulischen Erfahrungen des Kindes an und führt es behutsam und zugleich zielstrebig zu schulischem Lernen. Sie entwickelt einen eigenen, stufengemäßen Stil des Zusammenlebens und –arbeitens. Bei aller Wahrung ihrer Eigenständigkeit muß sie ein solides Fundament an Wissen und Können für das spätere Lernen der Kinder legen; sie darf aber nicht Aufgaben weiterführender Schulen vorwegnehmen.
Die Grundschule betreut jedes Kind mit dem Ziel seiner allseitigen Förderung. Sie sucht individuelle Begabung bestmöglich zu entfalten, bemüht sich, Rückstände aufzuholen, Schwächen zu beheben oder anderweitig auszugleichen und leitet – wenn dies nicht möglich ist – dazu an, mit ihnen zu leben. Sie vermittelt nicht nur Grundtechniken und ein aus der Erfahrung gewonnenes Wissen; sie weckt und stärkt auch die gestalterischen und schöpferischen Fähigkeiten, spricht das Erleben an und fördert die Ausdrucksbereitschaft. Dabei berücksichtigt sie das dem Kind dieser Altersstufe eigene, zunächst nicht nach Schulfächern gegliederte Erfahren seiner Umwelt sowie sein Ausdrucks- und Bewegungsbedürfnis.
2. Erziehung in der Grundschule
2.1 Der Grundschullehrer kann seinen Erziehungsauftrag nur erfüllen, wenn er ihn bejaht und wenn er bereit ist, die darin liegende Verantwortung für das gegenwärtige und künftige Leben des Kindes auf sich zu nehmen ...
2.3. Sittlich wertvolle Einstellungen und Grundhaltungen sollen angebahnt und bestärkt,
wertwidrige in Frage gestellt und abgebaut werden ... Der Lehrer leitet an, hilft, macht einsichtig, lobt und bestätigt gute Ansätze, so daß das Kind Selbstvertrauen und Zuversicht gewinnen kann. Erziehungsschwierigkeiten sind so leichter zu überwinden.
2.5 ... Die Verwirklichung des Erziehungsauftrages der Grundschule ist von der Initiative, der Verantwortungsbereitschaft und dem pädagogischen Können des einzelnen Lehrers abhängig.

3. Unterricht in der Grundschule
3.1 Vor dem Schuleintritt überwiegen im Leben des Kindes spielerische Betätigungen und Lernweisen. Es kann weitgehend selbst bestimmen, wie lange und womit es sich beschäftigen will ...
Damit der Übergang des Kindes in die Schule möglichst wenig Schwierigkeiten bereitet, muß der Unterricht der ersten beiden Schuljahre inhaltlich und methodisch in besonderer Weise gestaltet werden. Er muß Gelegenheit zu Spiel, Bewegung und musischer Betätigung geben und darf das Kind hinsichtlich Stillsitzen, Dauer der Aufmerksamkeit und anderer Leistungserwartungen nicht überfordern. Er läßt dem Kind Zeit, sich allmählich in die Ordnung der Schule einzuleben und weist doch zunehmend die Merkmale schuleigenen und planmäßigen Lernens und Arbeitens auf.
3.3 In zielstrebigem Aufbau führt der Grundschulunterricht das noch stark ichbezogene und von Augenblicksbedürfnissen bestimmte Kind schrittweise zu sachlicher Einstellung. Er erweitert die Wahrnehmungsfähigkeit durch gezieltes Beobachten, fördert und differenziert Sprache und Denken. Dies geschieht in erster Linie durch die Arbeit an der konkreten Wirklichkeit; Medien treten ergänzend hinzu ...
3.4 Der Unterricht der Grundschule erlaubt die Verbindung fachlicher Inhalte, soweit dies sinnvoll ist ...
3.5 Zur bestmöglichen Förderung des einzelnen Schülers treten neben den Unterricht, der sich an die ganze Klasse wendet, Formen der Einzel-, Partner und Gruppenarbeit ...
Leistungsklassen oder Leistungskurse sind in der Grundschule nicht zulässig.
Individuelle Förderung schließt die ständige sorgfältige Beobachtung des Kindes und seiner Lernfortschritte sowie enge Zusammenarbeit mit dem Elternhaus ein ...
3.6 Die Anforderungen des Lehrplans sind so bemessen, daß neben der für das Erreichen der verbindlichen Lernziele erforderlichen Zeit ein Freiraum bleibt ...



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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 17.04.2004 um 14.07

Durch einen alle Fächer und das Schulleben durchdringenden Sprachunterricht soll das Grundschulkind nach und nach über Sprache als geistigen Zugang zur Wirklichkeit verfügen lernen.
Dieser Aufgabe der Spracherziehung in der Grundschule dient der muttersprachliche Unterricht in seinen einzelnen Teilbereichen in Form von planmäßigen Lehraufgaben, die auch in ihren wechselseitigen Bezügen zu sehen sind.

Ausführungen zum Fachbereich „Sprachlehre“

Wenn das Kind in die Schule eintritt, hat es bereits Sprache erworben und versteht es, sie zu gebrauchen. Dieser naive Sprachgebrauch wird nach dem Leistungsvermögen der Schüler zunehmend zum Gegenstand unterrichtlicher Betrachtung. Beim Sprechen und Hören, beim Schreiben und Lesen lassen sich hör- und sichtbare sprachliche Erscheinungen erkennen, deren Leistungen dem Schüler allmählich einsichtig werden sollen.
Sprachbildung entwickelt das Sprachgefühl und zielt auf Sprachwissen. Sprachbildung geschieht in der Sprechübung und in der Sprachbetrachtung.
Sprachgefühl wächst aus vielfältigen Erfahrungen in sprachlichen Situationen. Es stärkt den Sinn für die Leistungskraft des sprachlichen Ausdrucks und für sprachliche Formen. Das Sprachgefühl wird durch die gezielte, dem Kind jedoch noch nicht bewußt gemachte Sprachübung gesichert, kontrolliert und verfeinert.
Sprachbetrachtung greift eigene und fremde Sprachleistungen auf, klärt sie reflektierend und vermittelt so Einsicht in den gesetzmäßigen Bau der Sprache. Der bisher unreflektierte Sprachbesitz wird zum Gegenstand unterrichtlicher Betrachtung. Damit tritt der Schüler in ein bewußtes Verhältnis zur Sprache. Das Sprachgefühl wird verfeinert und das Sprachwissen aufgebaut. Sprachbetrachtung soll inhalts- und leistungsbezogen sein. Als Ergebnis der Sprachbetrachtung werden Einsichten gewonnen, die das Sprachwissen begründen.
Sprachbetrachtung und Sprachübung sollen aus Situationen und Handlungen erwachsen, die eine bestimmte Sprachform zwingend erfordern. Diese können dem außerschulischen Bereich, dem Schulleben und dem Unterricht entnommen werden. Unmotiviertes und schematisches Durchnehmen von Sprachformen ist zu vermeiden.
Die im Stoffplan angegebenen Aufgaben lassen sich nicht allein durch Gelegenheitsunterricht erreichen. Das Erarbeiten und Sichern der Ergebnisse verlangt sorgfältige Planung. Bei der Anordnung der Stoffe und deren Verknüpfung kann der Lehrer innerhalb der durch die Sachlogik bedingten Grenzen flexibel verfahren.

Ausführungen zum Fachbereich „Rechtschreiben“

Lehraufgaben und Voraussetzungen
Schrift setzt Sprache in Zeichen um, bewahrt sie und weitet sie als Kommunikationsmittel aus. Die sichtbare Gestalt der Sprache ist durch Übereinkunft genormt. In der Rechtschreibung sind diese Normen festgelegt. Das gegebene Normensystem der richtigen Schreibung von Sprache ist historisch gewachsen. Es ist in keinem einheitlichen Regelsystem faßbar. Die Schwierigkeiten werden deutlich durch den Hinweis darauf, daß nur knapp 7 % des deutschen Wortschatzes orthographisch eindeutig sind. Die Gesellschaft verlangt, daß sich der einzelne an das durch Übereinkunft festgelegte Zeichensystem hält.
Rechtschreiben in der Schule ist ein Teil der Pflege unserer Muttersprache und trägt zur Sicherung des Sprachbesitzes bei. Wegen seines betonten Bezugs auf nur eine Erscheinungsform der Sprache, nämlich auf deren Objektivierung in der Schrift, kommt dem Rechtschreiben eine Sonderstellung zu. Dies darf aber nicht zu einer Isolierung führen. Vielmehr steht das Rechtschreiben innerhalb der Sprachbildung in steter und enger Verbindung mit anderen Teilbereichen des muttersprachlichen Unterrichts und dem Sachunterricht. Natürliche Anlässe zur Pflege des Rechtschreibens ergeben sich aus dem gesamten Unterricht.
Die Ausnahmen, die es zu den Rechtschreibregeln gibt, das Ausbleiben einer vereinfachenden Rechtschreibreform und die vom Schüler geforderten visuellen, akustischen, motorischen und logischen Leistungen erschweren den Rechtschreibunterricht. In der Grundschule geht es im Rechtschreiben um die gezielte Verknüpfung von Lautkörper und bildlicher Vorstellung des geschriebenen oder gedruckten Wortes. Die logischen Hilfen rücken erst allmählich in den Blickpunkt.



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nos


eingetragen von Rolf Genzmann am 16.04.2004 um 15.21


Die RL und LP Bayern 1966, aus denen von Herrn Schäbler zitiert wurde, bedürfen im Hinblick auf Pisabildung unbedingt eines neueren Gegenstücks, hier aus NRW, ca. 1972/75:

1. Lernziele des Lernbereichs Deutsch
1.1 Globalziel
Unter Berücksichtigung der allgemeinen Zielvorstellungen der Hauptschule (s.o) geht es im Lernbereich Deutsch vorrangig um sprachliche Kommunikation.

Erläuterungen
1.1.1 Der Lernbereich Deutsch greift Lebenssituationen als sprachliche Kommunikationen auf und setzt sich zum Ziel, die Fähigkeit und Bereitschaft der Schüler zu sprachlicher Kommunikation zu fördern.
1.1.2 Die Entscheidung, vorfindbare und vorhersehbare Lebenssituationen als Kommunikationssituationen aufzugreifen, verlangt eine Reduktion und Abstaktion. Konsequenz dieser Vorentscheidung ist die Öffnung des Faches zu anderen Lernbereichen. Die Kooperation mit anderen Lernbereichen kann – durch fachübergreifende Projekte – die isolierten Sichtweisen wieder integrieren.
1.1.3 Im Zusammenhang der Förderung der sprachlichen Kommunikationsfähigkeit werden im Lernbereich Deutsch auch andere Fähigkeiten geschult, die zur Bewältigung von Kommunikationssituationen erforderlich sind, z. B.
- Fähigkeit zur Abstraktion
- Fähigkeit zu außersprachlicher Kommunikation
- Fähigkeit zur Beurteilung gesellschaftlicher Zusammenhänge
- Fähigkeit zu ethischer Entscheidung
Anzustreben ist die Bereitschaft, die genannten Fähigkeiten in der jeweiligen Kommunikationssituation sachgemäß anzuwenden.
1.1.4 Das Globalziel „Förderung der Fähigkeit und Bereitschaft zur sprachlichen Kommunikation“ ist integrierender Aspekt für das Fach Deutsch im gesamten Primar- und Sekundarbereich.

1.2 Einzelziele
Fähigkeit und Bereitschaft zu sprachlicher Kommunikation bedeutet: Äußerungen/Texte unter den Bedingungen der jeweiligen Kommunikationssituation zu produzieren und zu rezipieren.
Eine Strukturierung der Einzelziele muß sich an den Faktoren orientieren, die bei sprachlichen Kommunikationsprozessen von Bedeutung sind.
Sprachliche Kommunikation vollzieht sich als Austausch von Mitteilungen zwischen einem Sprecher/Schreiber (Produzenten) und einem Hörer/Leser (Rezipienten) unter Benutzung eines Zeichensystems.
Als Zeichensystem (Kode) wird die sprachliche Zeichenmenge mit den dazugehörigen Verknüpfungsregeln verstanden, die dem einzelnen Sprecher/Schreiber bzw. Hörer/Leser zur Verfügung steht. Der Kode kann durch nichtsprachliche Mittel angereichert sein. Die Partner benutzen den Kode, um je nach Situation mit Hilfe unterschiedlicher Übertragungsweisen bestimmte Intentionen sprachlich zu verwirklichen.

Erläuterungen
1.2.1 Die Orientierung der Einzelziele an einem Modell sprachlicher Kommunikation zielt nicht auf die vollständige Adaption eines Systems, wie es von der Nachrichtentechnik und der Kommunikationstheorie
erarbeitet worden ist.
1.2.2 Die Orientierung an einem Kommunikationsmodell erfordert eine ständige Koordinierung aller Teilbereiche des Faches Deutsch, da im Kommunikationsprozeß die einzelnen Faktoren aufeinander bezogen und stets gleichzeitig wirksam sind.
Die Isolierung und Typisierung der Faktoren sprachlicher Kommunikation ermöglichen es, komplexe sprachliche Vorgänge aufzugliedern.
D/3. – Die Seiten D/4 und D/5 fehlen hier. Weiter geht es auf der letzten Seite D/6:
Didaktisch fruchtbar ist die Frage, ob eine „einseitige“ oder „wechselseitige“ Kommunikationsform möglich ist oder vorliegt.
Erläuterungen
1.4.1 Bei „einseitiger“ Kommunikation werden Mitteilungen nur in einer Richtung übermittelt. Der Produktionsvorgang von Äußerungen/Texten und der Übermittlungsvorgang sind nicht direkt auf sprachliche Rückkoppelung angelegt. Diese Kommunikationsform wird vor allem realisiert
- bei der schriftlichen Produktion von Äußerungen/Texten (z. B.: Ansprache, Aufruf, Referat u. a.)
- bei der Rezeption von Texten
Bei „einseitiger“ Kommunikation wird der Sprecher/Schreiber gezwungen, seine Strategien besonders sorgfältig und umfassend zu planen, wenn er die Kommunikationssituationen bewältigen will. Für den Hörer/Leser ergibt sich die Möglichkeit, eingesetzte Strategien genauer zu analysieren.

1.4.2 Bei „wechselseitiger“ Kommunikation wechseln Produzent und Rezipient ihre Rolle ständig in Sequenzen von Sprechen, aktivem Hören und reaktivem Sprechen. Diese Kommunikationsweise wird vor allem realisiert bei den dialogischen Formen mündlichen Sprachgebrauchs. Der Kommunikationsprozeß wird von Rückkoppelungen begleitet und beeinflußt.
Der rasche Rollenwechsel und die Notwendigkeit einer flexiblen Einstellung auf den/die Gesprächspartner
erfordern vom Sprecher spontane Reaktionen und variablen Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden sprachlichen Zeichen einschließlich der nichtsprachlichen Mittel zur Kommunikationserleichterung (Mimik, Gestik u. a.)

P/R --------------(Pfeil nach rechts)----- P/R
--------------- (Pfeil nach links)------

Literatur:
Elf Angaben, darunter
Der Kultusminister NW, Rahmenplan für den Lernbereich Deutsch/Eigensprachlicher Unterricht an den Gesamtschulen NW, 5. und 6. Jahrgang, Dortmund 1972,
Bünting, Einführung in die Linguistik, Frankfurt 1971.

(Ob es jener Bünting war, der 1996 das Aldi-Wörterbuch herausgab?)

Anmerkungen
1. Wie eine Litanei kann man folgende 26 Fremdwörter von oben nachbeten:
sprachliche Kommunikation, sprachliche Kommunikationen, sprachlicher Kommunikationen,
Kommunikationssituationen, Kommunikationsfähigkeit, Kommunikationssituationen,
außersprachlicher Kommunikation, Kommunikationssituation, sprachlichen Kommunikation,

sprachlicher Kommunikationen, Kommunikationssituation, Kommunikationsprozessen,
Sprachliche Kommunikation, sprachlicher Kommunikation, Kommunikationstheorie,
Kommunikationsmodell, Kommunikationsprozeß, sprachlicher Kommunikation,

Kommunikationsform, Kommunikation, Kommunikation,
Kommunikationssituationen, Kommunikation, Kommunikationsweise,
Kommunikationsprozeß, Kommunikationserleichterung.

2. Auch die anderen 64 Fremdwörter machen sich pisaisch:
Globalziel, Lebenssituationen, Reduktion, Abstraktion, Konsequenz,
Kooperation, Projekte, isolierten, integrieren, Abstraktion,
ethischer, integrierender, Aspekt, Primar, Sekundar,
produzieren, rezipieren, Strukturierung, Faktoren, orientieren,

Produzenten, Rezipienten, Zeichensystems, Zeichensystem, Kode,
Zeichenmenge, Kode, Situation, Intentionen, Orientierung,
Modell, Adaption, Systems, Orientierung, Koordinierung,
Faktoren, Isolierung, Typisierung, Faktoren, komplexe,

Didaktisch, Produktionsvorgang, Texten, direkt, realisiert,
Produktion, Texten, Referat, Rezeption, Texten,
Strategien, Strategien, analysieren, Produzent, Rezipient,
Sequenzen, aktivem, reaktivem, realisiert, dialogischen,

flexiblen, spontane, Reaktionen, variablen.

Auf 1,5 Seiten 26 Kommunikat-Wörter und 64 Fremdwörter.

3. Streicht man außerdem noch die Allerweltswörter mit –heit, -keit, -schaft und –ung,
dann schrumpfen diese Hauptschul-Deutsch-Seiten der „wissenschaftlichen Bildungsreform“ auf Null zusammen.

Das ergäbe einen „amtlichen“ Verdummungsgrad von nahezu 100 Prozent.

Zuletzt: Im Fernsehen betrachten läßt sich das Ergebnis der „Bildungsreform“ zur Zeit recht deutlich im Kika, Kinderkanal. Es ist da der viereckige Pappkarton mit Conterganhändchen.


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Rolf Genzmann


eingetragen von Norbert Schäbler am 16.04.2004 um 14.37

Einführung:
1. Die Grundschule ist zusammen mit der Vorschulerziehung das Fundament des gesamten Bildungssystems.
a) Als gemeinsame Schule für alle Kinder dient sie der sozialen Integration. In diesem Selbstverständnis, das die Grundschule seit ihrer rechtlichen Verankerung in der Weimarer Verfassung gewonnen hat, darf sie durch keine schulorganisatorischen Maßnahmen gefährdet werden.
b) Wenn unsere Gesellschaft allen Kindern gleiche Bildungschancen gewähren will, müssen die Bemühungen um den Ausgleich soziokultureller Startnachteile schon in frühen Lebensjahren beginnen. So wird die Grundschule mit den Bildungseinrichtungen der Vorschulzeit eine Stätte ausgleichender Erziehung. Schichtenspezifisch bedingte Rückstände, vor allem im sprachlichen Bereich, im übrigen kulturellen Standard und in der Lernmotivation sollen abgebaut werden. Andererseits soll Kindern mit hohem Lernpotential individuelle Förderung nicht versagt werden.
c) Die Gestalt einer sich wandelnden Grundschule wird nicht zuletzt durch ein neues Verständnis von Begabung und Lernen bestimmt. Lernen wird nicht mehr in gleichem Maße wie bisher als Reifungsprozeß betrachtet, sondern weit mehr in seiner Abhängigkeit von der Umwelt, von Lernanregungen und Lernanforderungen. Weil sich das Kind der Grundschule in einer besonders lerneffektiven und bildsamen Phase der Entwicklung befindet, muß diese für die gesamte Schulzeit entscheidende Stufe voll genützt werden. Was hier versäumt wird, kann nur schwer nachgeholt werden.
d) Eine so verstandene Grundschule bedingt einen weiteren organisatorischen Ausbau. Die wenig gegliederte Schule kann den heutigen Anforderungen nicht mehr voll gerecht werden. Bei aller Rücksicht auf örtliche Verhältnisse und die Wohnheimat der Kinder sind stärker gegliederte und gegebenenfalls auch überörtlich zusammengefaßte Schulkörper unumgänglich.
2. Die Aufgaben der Grundschule werden vor allem bestimmt durch die Eigenart der Sechs- bis Zehnjährigen und durch die Gebundenheit gewisser Lehrinhalte an den heimatlichen Raum. Darüber hinaus muß sich die Grundschule an Erwartungen und Anforderungen der weiterführenden Schulen orientieren. Allgemeine Aufgaben sind demnach:
- die Beherrschung elementarer Kulturtechniken
- die Erarbeitung eines für die weiterführenden Schulen unentbehrlichen Bestandes an Wissen, Verhaltensweisen und Arbeitsformen, insbesondere das Anbahnen und Festigen einer bewußten Lernhaltung sowie Üben und Verstehen kooperativer Lebensformen,
- der planmäßige Übergang von einem zunächst überwiegend anschaulichen zu einem mehr abstrahierenden Denken
- die Förderung von Sensibilität und Kreativität, besonders auch in musischen Grunderfahrungen
3. Die Lehrinhalte knüpfen an den Erfahrungsbereich des Kindes an und werden so verdeutlicht und erweitert, daß allmählich die besonderen Aspekt der einzelnen Fächer zur Geltung kommen. Die stärkere Berücksichtigung der sachlogischen Struktur der Lehrinhalte und die Steigerung der Lernintensität setzen eine behutsame Einschränkung des gesamtunterrichtlichen Prinzips voraus. Dies führt zum Ausbau von Lehrgängen und zur Erarbeitung fachspezifischer Gesichtspunkte im Sachunterricht, der die bisherige Heimatkunde erweitert. Die Einführung eines elementaren fachlichen Bereichs Physik/Chemie sowie die Mathematisierung des Rechenunterrichts entsprechen den Bedürfnissen unserer industriellen Gesellschaft, aber auch den Lernmöglichkeiten der Kinder.
Angesichts der so gesteigerten Anforderungen kommt gewissen lernpsychologischen Erkenntnissen heute besondere Bedeutung zu: der Steuerbarkeit der Lernprozesse, der Abhängigkeit der Lernleistungen von einem schrittweise und zielsicher vorgehenden Unterricht und der kumulativen Wirkung von Lernerfahrungen, der Bestätigung und Verbesserung von Lernergebnissen durch laufende Kontrollen. Dadurch können Unter- und Überforderungen vermieden, aber auch Anreize zu weiterem Lernen gegeben werden.
4. Der Grundsatz individueller Förderung und die Verschiedenheit des Intelligenz- und Sprachniveaus, des Lerntempos und der Lernmotivation verlangen von Anfang an die Auflockerung des starren Klassenverbandes. Als innere Differenzierung erfolgt sie in Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit und durch Aufgliederung der Klasse in flexible Leistungsabteilungen (Leistungsgruppen) ...
Weitere intensivierende Lernmöglichkeiten bieten die Verfügungsstunden. Langsam Lernenden wird Gelegenheit zu Wiederholung mit nachhaltiger Erfolgssicherung gegeben. Lerntüchtigere werden mit zusätzlichen Lernanforderungen konfrontiert. Die Verfügungsstunden können für mehrere Klassen gemeinsam erteilt werden.
Eine äußere Differenzierung durch die Bildung von Leistungsklassen und Leistungskursen könnte sozial bedingte Unterschiede verfestigen und noch offene Lernmöglichkeiten einschränken. Solche Formen äußerer Differenzierung in der Grundschule erfordern erst noch eigene, wissenschaftlich zu überprüfende Schulversuche ...
5. Weil das Kind in der Grundschule stärker als auf späteren Schulstufen in seinem Lernen auf persönliche Bindungen angewiesen ist, überwiegt das Klassenlehrerprinzip. Die sachlichen Anforderungen des neuen Grundschulunterrichts verbieten jedoch die Ausschließlichkeit dieses Prinzips.


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eingetragen von Norbert Schäbler am 14.04.2004 um 11.50

An dieser Stelle ist es nötig, eine kurze Pause einzulegen, denn Ende der 60er-Jahre herrschte in der Bildungspolitik Deutschlands der Ausnahmezustand.

Die Forderungen liefen im wesentlichen auf den Kernpunkt „Chancengleichheit“ hinaus. Man stritt generell über die „Institution Schule“ und fand Gegensatzpaare wie: Individuelle Förderung contra Ausleseprinzip; Gesamtschule vs. dreigliedriges Schulsystem.

Nach dem Regierungswechsel (Willy Brandt) wurde ein eigener „Bildungsrat“ ins Leben gerufen. Jener spielte beim sog. Frankfurter Grundschulkongreß eine wesentliche Rolle.
Die Gedanken orientierten sich von diesem Zeitpunkt an hin auf das Wohl des Individuums und weg von den stofflichen Prinzipien ...
Und diese Gedanken machten vor Ländergrenzen nicht halt. Kultuspolitik war fortan Zwängen ausgesetzt, die Länderhoheit in Fragen der Bildung geriet ins Taumeln.

Bereits im Februar dieses Jahres habe ich in diesem Leitfaden einige Quellentexte veröffentlicht, die nun zum Vergleich herangezogen werden können. Sie gaben mir Anlaß, in der Vergangenheit zu stöbern.

Jetzt – am Wendepunkt angelangt – wird mir klar, wie es zu diesem Pisa-Schock kommen konnte. Eine Nation, die bei der Wissensvermittlung den Lehrstoff vergißt, die davon ausgeht, daß in jedem Individuum, das im deutschen Sprachraum geboren wird, das Genie eines Goethe oder Mozart genetisch angelegt sei, kann bei einem internationalen Vergleichstest (der im wesentlichen Schlüsselqualifikationen des Lesens, Schreibens und Rechnens ermittelt) ausschließlich scheitern.

Denn: Neben den Genen spielen schließlich auch Umweltfaktoren (u.a. Kinderstube und unwiderrufliche globale Fakten) eine Rolle!




– geändert durch Norbert Schäbler am 15.04.2004, 12.49 –
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eingetragen von Norbert Schäbler am 14.04.2004 um 10.54

1. Auf der Unterstufe sollen die Kinder lernen, einen sorgfältig ausgewählten und planmäßig entwickelten Wortschatz, der ihrer Altersstufe gemäß ist, in einfachen Sprachganzen richtig zu schreiben. Am Ende des 4. Schülerjahrganges sollen sie außerdem die einfache Silbentrennung beherrschen und im Gebrauch der Satzschlußzeichen sicher sein.
2. Die Übungen im Rechtschreiben sind zunächst in den Erstlese- und Erstschreibunterricht eingebettet und verselbständigen sich erst nach und nach ...
3. Bei allen Übungen im Rechtschreiben sind die verschiedenen Rechtschreibtypen zu berücksichtigen. Rechtschriftliche Leitbilder werden erworben durch Anschauen, Differenzieren, Analysieren, Kombinieren und Einprägen und allmähliches Einfügen der akusto-motorischen in die führende optische Struktur. Die Zeitspanne zwischen Darbietung und Wiedergabe des Schriftbildes wird bedachtsam erweitert. Das ganzheitliche Abschreiben mit Selbstkontrolle durch die Schüler ist vom 1. Schülerjahrgang an zur festen Gewohnheit zu machen.
Die Schüler sind frühzeitig anzuhalten, die erworbenen Wortbilder übersichtlich zu ordnen. Dabei entdecken sie Regelmäßigkeiten und Verwandtschaftsbeziehungen. Vom 3. Schülerjahrgang an können Begründungen für manche Schreibweisen erarbeitet werden. Gelegentlich formulieren die Kinder auch selbständig einfache Regeln.
4. Die häufigste Arbeitsform des 3. und 4. Schülerjahrganges ist die Übungsnachschrift. Sie stellt ein Sprachganzes dar, dessen Inhalt bekannten Lebens- und Sachgebieten entnommen ist. Alle Nachschriften sind gründlich vorzubereiten. Neu auftretende Wortbilder sind immer wieder in anderem Zusammenhang schriftlich einzuüben, analoge Wortreihen zu bilden und die Wörter in Ableitungen und Zusammensetzungen zu verwenden. Fehler verhüten ist besser als Fehler berichtigen; die Schüler werden deshalb angehalten, in Zweifelsfällen zu fragen und geeignete Wörterbücher zu benützen. Arbeiten im Wettbewerbscharakter sind geeignet, den für den Erfolg entscheidenden Leistungswillen des Schüler zu wecken.
5. ... Die Verbindung des Rechtschreibunterrichts mit Sprachlehre und Sprachkunde stellt dabei eine wesentliche Hilfe dar. Schüler mit schwachen Rechtschreibleistungen sind in besonderen Arbeitsgruppen zusammenzufassen.
Schüler der Abschlußklassen sollen in der Lage sein, ihre eigenen schriftlichen Arbeiten unter Anwendung der gebräuchlichen Hilfsmittel rechtschriftlich einwandfrei abzufassen.



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eingetragen von Norbert Schäbler am 13.04.2004 um 16.54

1. Für den Schulanfänger ist die Sprache noch nicht Gegenstand einer bewußten Betrachtung. Die Schule soll das gemüthaft-naive Verhältnis des Kindes zur Sprache erhalten. Das Erlebnis der Klang- und Formschönheit bahnt ein erstes Empfinden für Wesen und Wert der Muttersprache an. Nach und nach muß im Kind das Gefühl geweckt und gestärkt werden, daß es mit seiner wachsenden Sprachkraft größere Sicherheit im Umgang mit der Welt gewinnt.
3. ... Die Sprachkunde betrachtet unsere Muttersprache als lebendigen Organismus, als Spiegel der Welt in Vergangenheit und Gegenwart, läßt Bildkraft und Schönheit der Sprache bewußt werden und verfeinert das Sprachempfinden der Schüler ... Sprachlehre und Rechtschreiben überschneiden sich vielfach und durchdringen sich gegenseitig, so daß sie in der täglichen Unterrichtsarbeit häufig nicht voneinander getrennt werden können und dürfen.
4. Die sprachliche Arbeit beschränkt sich nicht auf eigene Unterrichtseinheiten, vielmehr ist jede Gelegenheit wahrzunehmen, um Einsicht in das Werden, in Bedeutung und Sinngehalt der Sprache zu gewinnen. Dies gilt insbesondere für das Lesen und für stilistische Übungen zum schriftlichen Ausdruck, aber auch für den Sachunterricht. Zu den Übungen an Wortfamilien und Wortfeldern treten Übungen an anderen sprachlichen Feldern.
5. Spracheinsichten, die den inneren Bau der Muttersprache erhellen, und Sprachregeln sollen von den Schülern als notwendige Hilfen bei der Entwicklung ihrer Sprachkraft empfunden werden; Sprachbezeichnungen sind notwendig als Verständigungshilfen. Spracheinsichten, Sprachbegriffe und Sprachregeln dienen den Schülern nur dann, wenn sie aus dem lebendigen Sprachgebrauch gewonnen werden
Das Üben leerer Sprachformen ist zu unterlassen. Verstöße im mündlichen und schriftlichen Ausdruck geben auf allen Stufen Anlaß zu Belehrungen und Übungen. Besonders zu beachten sind ständig wiederkehrende Fehlleistungen, auch in ihrer Auswirkung auf das Rechtschreiben.





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eingetragen von Norbert Schäbler am 13.04.2004 um 15.32

I.
Sprache ist die bedeutendste Lebensäußerung des Menschen. In ihr vollzieht sich der Aufbau individuellen geistigen und seelischen Lebens. Durch die Sprache entwickelt der Mensch sowohl Gegenstands- wie Selbstbewußtsein. Mit Hilfe der Sprache macht er sich die Welt in einer ganz bestimmten Sehweise geistig zu eigen. Durch die Muttersprache werden sein Denken, Fühlen und Wollen mitgeformt, geklärt und verdichtet.
Sprache ist eine wichtige Grundlage sozialen Lebens. Durch das Hineinwachsen in die Muttersprache gewinnt der Mensch Anteil an der Gemeinschaft seiner Sprachgefährten und ihrem Weltverständnis.
Sprache ist Mittel und Ausdruck der kulturellen Entwicklung. Sprache öffnet den Zugang zu allen Kulturgebieten.
Darum ist die Sprache Voraussetzung, die Muttersprache grundlegendes Mittel der Bildung und ein Lehrgut einzigartiger Bedeutung.
II.
Der muttersprachliche Unterricht erstrebt richtigen, ausdrucksvollen und zuchtvollen Sprachgebrauch, einfühlendes Hören und Verstehen, Verständnis für die Sprache als Werk und Gestalt und Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Muttersprache.
Die Schüler sollen im Laufe ihrer Schulzeit ein bewußtes Verhältnis zu ihrer Muttersprache gewinnen und so zu einer Sprachhaltung gelangen, die sich durch Wahrhaftigkeit, Sach- und Wesensgemäßheit auszeichnet.
Neben dem gesprochenen ist das gedruckte Wort von größter Bedeutung. Der Schüler soll es als Bewahrer kulturellen Erbes, als Träger der geistigen Auseinandersetzung der Gegenwart und als Mittel der Selbstbildung schätzen und nutzen lernen.
III.
1. Der Deutschunterricht beachtet das seelische und geistige Wachstum des Kindes. Er knüpft an die Haussprache der Schüler an und führt von ihr aus allmählich zur volksnahen Hochsprache ... Sozialformen des Unterrichts und Pflege der Muttersprache bedingen einander.
2. ... Besondere Bedeutung kommt der Erziehung zu aufmerksamem und kritischem Hören, aufschließendem Fragen und zuchtvoller Gesprächsführung zu.
3. Das eigene Bemühen um sprachlichen Ausdruck kann auch das Verständnis dichterischer Sprachgestaltung erleichtern. Der Bildungswert gehörter und gelesener Sprache wird durch Deutung und Auseinandersetzung erhöht. Das Sprachkunstwerk soll sich dem reiferen Schüler als gestaltete Wirklichkeit erschließen.
4. Mündlicher und schriftlicher Ausdruck erwachsen aus verschiedenen Situationen und Motiven ...
5. Der sichere Gebrauch der Muttersprache gründet im Sprachgefühl. Es muß durch bewußte Bemühung um die Sprache gestärkt und verfeinert werden. Spracheinsichten sowie die Kenntnis wichtiger Sprachbegriffe und einfacher Sprachregeln sind unentbehrlich. Geläufigkeit im Sprachgebrauch, vor allem auf höheren Ebenen, kann nur durch gezielte Übungen erreicht werden; ein sprachlicher Gelegenheitsunterricht genügt nicht.
6. Der Deutschunterricht bleibt selbständig, auch wenn der Zusammenhang von Sache und Sprache häufig zu Querverbindungen mit den Sachfächern führt. Die zwischen den Teilgebieten des Deutschunterrichts bestehenden Übergänge und Zusammenhänge sind zu beachten.
7. Die Pflege der Sprache beschränkt sich nicht auf die Stunden des Deutschunterrichts; ihr dient die gesamte Unterrichtsarbeit der Schule. Der Lehrer beeinflußt durch seine eigene Einstellung zur Sprache wesentlich den Erfolg.

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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 13.04.2004 um 12.31

I. Schule, Unterricht und Erziehung
1. Die Schule ist eine Stätte des Lehrens und Lernens, der Erziehung und Lebenshilfe. Sie ist ein eigener Bereich kindlichen und jugendlichen Gemeinschaftserlebens, jedoch eingeordnet in die gesellschaftliche, kulturelle und politische Wirklichkeit. Die innere und äußere Gestalt der Schule wird wesentlich mitbestimmt durch die demokratische Lebens- und Staatsordnung
2. Als soziales Gebilde wirkt die Schule durch zwischenmenschliche Bemühungen, durch person- und amtsgebundene Autorität und durch ihre innere Ordnung.
3. Die zentrale Aufgabe der Schule ist der Unterricht. Dieser führt die nachwachsende Generation in planmäßigem Gang und mit gezielter Hinwendung zum Schüler in die Bereiche des wirtschaftlichen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Lebens, der Natur und Religion ein ...
Er zielt auf lebendiges Wissen und Können, auf geistige Selbständigkeit und verantwortungsbewußte Haltung. Der Unterricht hilft dem jungen Menschen, sich selbst und seine Um- und Mitwelt zu verstehen. Er will ihn befähigen, den gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben gerecht zu werden, sein Leben nach seinem Gewissen zu führen und dem Anruf Gottes zu antworten.

II. Aufgabe und Gliederung der Volksschule
1. Die Volksschule ist Pflichtschule für alle Kinder des Volkes und Grundlage der Volksbildung. Im Rahmen des gesamten Schulwesens hat sie einen eigenständigen Ort und Auftrag. Sie erstrebt eine allgemeine Grundbildung, deren Schwerpunkt in der mehr konkreten und tätigen Auseinandersetzung mit der Welt liegt. Die Besonderheit der Volksschule als Pflichtschule, das Alter des Volksschülers und die ihm gemäße Art des Lernens verlangen eine betonte Hinwendung zum Schüler, wobei der objektive Anspruch des Lehrgutes gewahrt bleiben muß.
III. Lehrgut
1. Das Lehrgut wird getragen und geordnet von gewissen Grundrichtungen des geistigen Lebens ... Das Lehrgut der Volksschulen wird durch jene allgemeinen Grunderfahrungen bestimmt, die sich aus der sprachlichen Bewältigung des Daseins, aus der Geschichtlichkeit des Menschen, aus dem biologischen, dem mathematisch-logischen und dem musischen Verständnis von Heimat und Welt, aus der sozialen, sittlichen und religiösen Deutung des Lebens ergeben.
2. Die moderne Gesellschaft verlangt, daß heute in der Volksschule dem naturwissenschaftlichen, technischen und mathematischen Bereich sowie dem sozialen und politischen Leben mehr Beachtung geschenkt wird ..
3. ... Das Lehrgut muß Bildungsgehalt in sich tragen, der personal ergriffen wird, gültige Einsichten lebendig werden läßt und auf Haltungen hinwirkt.
Das Lehrgut muß wahr sein in dem Sinne, daß es ganz vom Gegenstand der Sache bestimmt ist, nicht verfälscht durch außersachliche Interessen oder durch erziehungseifrige Verfärbung.
Das Lehrgut muß exemplarisch sein, in dem Sinne, daß es über den einzelnen konkreten Fall hinaus Aussagewert und Gültigkeit besitzt.
Das Lehrgut muß gegenwartsnah sein, einer verständigen Lebensführung in unserer Gesellschaft dienen und geeignet sein, den Schüler auf künftige Aufgaben vorzubereiten ... Bei aller Nähe der Lehrinhalte zum Hier und Heute müssen die bleibendgültigen Werte und die Güter der Vergangenheit lebendig und fruchtbar gemacht werden ...
Das Lehrgut muß der Entwicklungsstufe, den individuellen Fähigkeiten des Schülers und der geschlechts-spezifischen Eigenart des Kindes und Jugendlichen entsprechen. Die Stoffauswahl darf aber nicht allein von den kindlichen Interessen bestimmt sein. Kindgemäßheit bedeutet nicht, sich in Erziehung und Unterricht immer nach dem jeweiligen Stand des Kindes und Jugendlichen zu richten ...



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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 06.04.2004 um 13.13

Bekanntmachung
über die Einführung der „Richtlinien für die bayerischen Volksschulen“
Vom 10. Juli 1966 Nr. IV 42 500

„Auf Grund des Art. 5 des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen vom 9.3.1960 (GVBI, S. 19) erläßt das Bayer. Staatministerium für Unterricht und Kultus die nachstehend abgedruckten Richtlinien für die bayerischen Volksschulen. Hierzu wird bestimmt:
1. Die Richtlinien treten am 1. August 1966 in Kraft. Die Schüler des ersten Schülerjahrganges werden vom Schuljahr 1966/67 an nach diesen Richtlinien unterrichtet und erzogen. Die Schüler der übrigen Schülerjahrgänge sind im Schuljahr 1966/67 so zu fördern, daß bis zum Ende dieses Schuljahres der Anschluß an die Unterrichtsziele dieser Richtlinien erreicht ist.
2. Vom 5. Schuljahr an gliedert sich der Unterricht in Kern- und Kursunterricht. Die Entscheidung darüber, in welchem Umfang Kursunterricht eingerichtet wird, trifft die Regierung gemäß Nr. 105 VSO. Die Wünsche der Erziehungsberechtigten hinsichtlich der Kursfächer sind nach Möglichkeit zu berücksichtigen.
3. ... (bis 5)“
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
Dr. Ludwig Huber, Staatsminister


Die Richtlinien des Jahres 1966 stellen eine Besonderheit dar.
Sie lösen die Richtlinien von 1955 ab und werden fünf Jahre später selbst von neuen Richtlinien abgelöst.
Sie bieten detaillierte Beschreibungen des Lehrstoffes (und dessen Verteilung), da nunmehr in Bayern das 9. Schuljahr eingeführt wird.
Sie bieten ebenso Beschreibungen politischer Verhältnisse.
Der Name „Ludwig Huber“ weckt Assoziationen an eine rasante Epoche bundesdeutscher Bildungspolitik.

Die methodische Darbietung dieser Richtlinien muß ebenfalls einen Sonderweg gehen.
Aufgrund der Fülle von Einzelaussagen müssen die Quellentexte dosiert und in mehreren Etappen aufgeteilt werden.
Das wirkt vermutlich wie eine Art von Kommentierung, sollte aber mehr als Eröffnung einer Möglichkeit verstanden werden, die jetzt und in Zukunft aufgestellten Lehrdogmen punktuell und besser vergleichen zu können.

Eine ganz wesentliche Frage habe ich, und die Antwort darauf ist äußerst wichtig für das Verständnis der nachfolgenden Quellentexte (vielleicht sogar für das Verständnis all der Umstände im Zusammenhang mit der Rechtschreibreform):
„Was geschah auf dem sog. Grundschulkongreß im Herbst 1969 in Frankfurt?“

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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 05.04.2004 um 12.00

„1. Nachfolgend wird der Bildungsplan für die bayerischen Volksschulen veröffentlicht. Er tritt mit Beginn der Schuljahres 1955/56 in Kraft. Zum gleichen Zeitpunkt verliert der mit Bek. 22.8.1950 (KMBI. S.217) bekanntgegebene Bildungsplan seine Gültigkeit.
...
Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus

Anmerkung: Nahezu im Wortlaut wurde der „Bildungsplan zur Erprobung“ von 1950 übernommen. Geändert wurden allerdings die Vorbemerkungen, da hier die Arbeit der zurückliegenden fünf Jahre gewürdigt ist.
Identisch mit der Ausgabe von 1950 hingegen sind die Betrachtungen zum Thema „Sprachlehre und Rechtschreiben“. Wegen drohender Überlänge wurden sie dem vorhergehenden Lehrplan von 1950 von mir nicht beigefügt.

Auszüge:

Vorbemerkung
Das Ringen unserer Schule um eine innere Reform ist seit Jahrzehnten in vielen Versuchen wirksam. Diese Reform ist notwendig geworden durch den Wandel und teilweisen Verfall mancher Erziehungsmächte, durch den wachsenden Verlust der Geborgenheit in Familie und Umwelt, durch die gesteigerte Reizüberflutung und sittliche Gefährdung der Jugend im öffentlichen Leben, andernteils aber auch durch die neuen Erkenntnisse in den Erziehungswissenschaften. Diesen Tatsachen mußte Rechnung getragen werden, als der Bildungsplan für die Volksschule im Jahre 1950 erstellt wurde. Es war zweckmäßig, daß er zuerst nur probeweise eingeführt wurde.
Die bayerische Lehrerschaft hat in ernstem Bemühen an diesem Plane mitgearbeitet. Ihre Anregungen und Wünsche wurden eingehend geprüft und zum großen Teil berücksichtigt. Da der ersten Fassung des Bildungsplans in großen Zügen zugestimmt wurde, weist die Neuausgabe keine wesentlichen Änderungen auf.
...
Der vorliegende Plan betont als Bildungsplan neben der unterrichtlichen besonders die erzieherischen Aufgabe der Volksschule; er umreißt Richtung und Gestalt der Volksschularbeit, die auf eine volkstümliche, lebenspraktische Bildung abzielt. Der Bildungsplan zeigt Wege, das Schulleben erzieherisch zu gestalten, die Bereiche des Lebens und der Welt, soweit möglich, dem Kinde zugänglich zu machen und nach ihrem Gehalt aufzuschließen; er sucht ein geordnetes, sinnvolles Weltbild anzubahnen. Der Bildungsplan weist dem Wissen und Können eine dienende Stellung im Rahmen der Menschenbildung zu.
Die „Allgemeinen Richtlinien“ bestimmen den Geist der Bildungsarbeit; die Lehrerschaft ist gehalten, danach zu arbeiten.
...

Sprachlehre und Rechtschreiben
1. Die Übungen in Sprachlehre und Rechtschreiben knüpfen immer an den lebendigen Sprachgebrauch an, wie er besonders aus dem Sachunterricht, dem übrigen Deutschunterricht und dem Alltagsleben herauswächst. (-) Das Üben leerer Sprachformen ist zu unterlassen.
2. Die Übungen umfassen:
a) Übungen zur Gewöhnung an den richtigen Gebrauch der Muttersprache sowie zur Vermeidung von Verstößen gegen die geltenden Regeln;
b) Übungen in der richtigen Schreibung unserer Muttersprache.
Beide Gruppen von Übungen sind miteinander zu verbinden. Verstöße im mündlichen und schriftlichen Ausdruck geben auf allen Stufen Anlaß zu Belehrungen und Übungen.
Bei den rechtschriftlichen Übungen ist zu beachten, daß es unter den Schülern visuell, akustisch und motorisch betonte Auffassungstypen gibt. Der gesamte Sprachunterricht hat deshalb das Gesichtsbild, das Klangbild und die Sprech- und Schreibbewegungen miteinander zu verbinden. Insbesondere ist das rechte Schreiben der Wörter vom Erwerb richtiger Wortbilder wesentlich abhängig.
Fehler verhüten ist besser als Fehler korrigieren.

3. Der Unterricht in den ersten beiden Schülerjahrgängen kennt keinen gesonderten Sprachlehre- und Rechtschreibeunterricht. Im 3. und 4. Schuljahrgang sollen die Kinder ... unentbehrliche Sprachbegriffe erwerben und stets mit Übungen im richtigen Sprechen und Schreiben verbinden. Der Erweiterung, Klärung und Festigung des Wortschatzes ist nachdrückliche Aufmerksamkeit zu schenken. Gegen Schluß des 4. Schülerjahrganges sollen die Kinder Hauptwort, Zeitwort, Eigenschaftswort und persönliches Fürwort unterscheiden, die gebräuchlichsten Beugungsformen des Zeitwortes sowie die Fälle nach häufig vorkommenden Verhältniswörtern und fallfordernden Zeitwörter richtig anwenden und Satzgegenstand, Satzaussage und Ergänzungen erkennen. Außerdem sollen sie imstande sein, einfache Sätze und kleinere Sprachganze ohne erhebliche Verstöße zu schreiben und die einfache Silbentrennung zu beherrschen ...
4. Die Sprachlehreübungen haben in den oberen Jahrgängen in planmäßiger Weise das Empfinden für Sprachrichtigkeit und Sprachschönheit sowie die Einsicht in die Grundregeln unserer Muttersprache soweit zu vermitteln, als dies zum richtigen schriftlichen und mündlichen Sprachgebrauch unentbehrlich ist.
Der Unterricht hat in planmäßiger Steigerung jede sich bietende Möglichkeit auszunutzen, die Muttersprache zu einer Quelle wortkundlicher Entdeckungen für die Schüler werden zu lassen.

Diesem Zwecke dient das Betrachten von Vorsilben, Zusammensetzungen, Ableitungen und Wortfamilien.
Bildgehalt, Bilderreichtum und Klangmalerei zeugen von der Schönheit und Kraft der Sprache. Vor- und Zunamen, Tier- und Pflanzennamen, Dorf- und Städtenamen, Flur- und Straßennamen spiegeln Werden und Wandel der Sprache wider. Redensarten, Sprichwörter, Spottnamen und Scherzreden künden von deutscher Sinnigkeit und deutschem Humor.
...

7/8 Schülerjahrgang
Gegen Schluß der Schulzeit sollen die Schüler den gebräuchlichen Wortschatz richtig schreiben können.

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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 04.04.2004 um 15.48

„1. Nachfolgend wird der Bildungsplan für die bayerischen Volksschulen veröffentlicht. Er tritt mit Beginn der Schuljahres 1950/51 in allen bayerischen Volksschulen zur Erprobung in Kraft; nach zwei Schuljahren sollen die Erfahrungen zu seiner endgültigen Fassung führen.“
...
Dr. Alois Hundhammer

Auszüge:

Vorbemerkung
Dieser Bildungsplan gilt für alle Volksschulen und ist die Arbeitsgrundlage für die Lehrkräfte. Er ist zu ergänzen durch eine heimatliche Stoff- und Beispielsammlung. Hierzu sind in den einzelnen Schulbezirken heimatliche Stoff- und Beispielsammlungen zu erarbeiten und ständig auszubauen; sie bieten Anregungen für die Einzellehrpläne (Lehrstoffverteilungen)
Die Volksschule vereinigt mehrere Jahre hindurch die Kinder des ganzen Volkes und legt den Grund für jede weitere Bildungsarbeit. Sie führt zu einer volkstümlichen Bildung, die jeder andersartigen gleichwertig ist. Sie bereitet nicht auf einzelne Berufe vor, entnimmt aber den sich mehr und mehr entwickelnden Eignungen und Neigungen wertvolle Hinweise für die Berufswahl und fördert die auftretenden Begabungen besonders in den letzten Schuljahren.
Die Volksschule ist ein organisches Ganzes innerhalb der Einheit des gesamten Schulwesens. Diese innere Einheit findet ihren Ausdruck in dem für alle Schulen verbindlichen Bildungsziel:
Das Ziel der Bildung ist die religiös-sittliche, selbstverantwortliche, gemeinschaftsverbundene und lebenstüchtige Persönlichkeit.
Die Volksschule will einen geistig und körperlich gesunden Menschen bilden, der selbständig denkt und wertet, der dem tätigen Leben verantwortungsbereit zugewandt ist und seine Aufgaben einsichtsvoll und sachgerecht bewältigt. Er wurzelt in der Heimat und im geistigen Erbe des deutschen Volkes und der Menschheit, ist der Gegenwart und der Zukunft verpflichtet und nimmt am öffentlichen Leben verstehend und handelnd Anteil. Dem Gewissen gehorsam, hält er in aller Freiheit Maß und findet den Mut, sich zu entscheiden und zu bekennen.

Deutsche Sprache
Sprache ist die bedeutungsvollste geistig-seelische Lebensäußerung des Menschen und einzigartiges Bildungsgut. Sie eröffnet den Zugang zu allen Kulturgebieten, hilft mit zu gegenseitigem Verstehen und wird damit eine wichtige Grundlage des sozialen Lebens.
Sorgfältige Pflege der Muttersprache in allen ihren Formen ist grundlegendes Mittel der Persönlichkeitsbildung und unentbehrlich für die Berufsvorbereitung.
1. Der Deutschunterricht muß mit dem erworbenen und ständig sich erweiternden Gedankenkreis der Kinder in inniger Verbindung stehen. Er muß sich bemühen, sie in den Inhalt der Sprache lebendig und in einer ihrer Entwicklung angemessenen Weise einzuführen.
2. Der natürliche Weg der muttersprachlichen Bildung geht von der Sache und vom Erlebnis zur Sprache. Der Sprachunterricht darf Sache und Sprache nicht trennen, sondern muß sie miteinander verbinden. Für das Wachsen der Sprache hat nur das Wert, was aus lebendigen Vorstellungs-, Denk- und Gemütsbewegungen kommt. Nur der Unterricht ist fördernd, der mit neuen Namen auch neuen Gehalt vermittelt.
3. Sprachliche Bildung beschränkt sich nicht auf die Stunden des Deutschunterrichts; ihr dient die gesamte schulische Bildungsarbeit. Sie knüpft an die Haussprache des Kindes an und führt von ihr aus allmählich zur Schriftsprache. Zweckmäßig ist eine Sammlung der mundartlichen Besonderheiten. Sprachliches Ausdrucksbedürfnis und Sprachkraft dürfen nicht durch Zerreden und Zerfragen gehemmt werden ...
4. Das Empfinden für sprachliche Richtigkeit, das Sprachgefühl, ist für den Gebrauch der Muttersprache von besonderer Bedeutung. Es muß durch Sprachbetrachtung gefestigt und verfeinert werden. Die Kenntnis der wichtigsten Sprachbegriffe und der einfachen Sprachregeln ist unentbehrlich. Zu ihrer richtigen Beherrschung sind eigene Übungen notwendig; ein sprachlicher Gelegenheitsunterricht genügt nicht.
5. Sprachpflege ist für den gesamten Unterricht zu fordern.
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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 02.04.2004 um 13.03

Lehrpläne sind in erster Linie Arbeitsnachweise irgendwelcher Kommissionen und Sollbestimmungen bzw. Rahmenrichtlinien für das pädagogische Personal.

Lehrpläne definieren sich je selbst in ihrer Ausrichtung und Skizzierung.
Grundgelegt ist jedem Lehrplan das sog. pädagogische Dreieck.
Dessen Eckpunkte lauten:
1. Gesellschaft: Im Lehrplan definiert sich die Gesellschaft selbst.
2. Kind: Im Lehrplan definiert die Kommission die Rolle des Kindes.
3. Stoff: Im Lehrplan werden die zu tradierenden Lehrstoffe begründet.

Ein idealtypischer Lehrplan zeichnet ein gleichseitiges Dreieck nach. Sämtliche Eckpunkte sind gleich wichtig.
Ein ideologisierter Lehrplan dagegen verzerrt die Dimensionen.
Unabhängig davon gilt die Tatsache, daß Lehren und Lernen dem zeitlichen Wandel unterliegen.
Gleichwohl sollte es möglich sein, in allen Lehr- und Lernepochen, gleichseitige Dreiecke zu produzieren!

Im folgenden wird aus verschiedenen bayerischen Lehrplänen der Vergangenheit und Gegenwart auszugsweise zitiert. Generell kann dabei auf jedweden Fachbereich abgehoben werden. Beispielsweise können Veränderungen im Fachbereich Mathematik eruiert werden, oder es können Aussagen im innerdisziplinären Teilbereich Erstschreiben (gehört zum Fachbereich Deutsch) gegenübergestellt werden. Dabei wäre z.B. darüber zu diskutieren, warum Bayern von der vereinfachten (lateinischen) Ausgangsschrift abgerückt ist.

Hauptanliegen folgender Veröffentlichungen ist es jedoch, grundlegende Lehrplanäußerungen im Fachbereich Deutsch/Rechtschreibung bekanntzumachen. Ebenso wichtig sind die prinzipiellen Vorbemerkungen der Lehrpläne.

Zitieren werde ich aus:
a) Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Jg. 1950, S. 217 - 234.
b) Amtsblatt ... , Jg. 1955, S. 1699 – 1730
c) Verlag J. Maiß, Richtlinien für die bayerischen Volksschulen, Jg. 1969, 6. Auflage
d) Verlag J. Maiß, Lehrplan für die Grundschule, Jg. 1971,
e) Verlag J. Maiß, Lehrplan für die Grundschule, 20. Auflage 2000
f) Verlag J. Maiß, Lehrplan für die bayerische Grundschule, 3. Auflage 2003

Mit Kommentaren werde ich mich persönlich zurückhalten, befürworte es allerdings, wenn Leser ihre Gedanken in und zu diesem Strang einbringen und Wünsche bzgl. weitergehender Veröffentlichungen oder auch zur Beendigung des Leitfadens an mich herantragen.



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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 03.03.2004 um 11.22

Beim Stöbern in http://www.google.de nach den sog. Hessischen Rahmenrichtlinien (HRRD,1974) stieß ich auf nachfolgendes Dokument (Analyse und Dokumentation eines bildungspolitischen Konflikts von Hannelore Christ).
Google bietet weitere Dokumentationen jener Zeit, in der sich Politik und Wissenschaft miteinander verbündeten.
An dieser Stelle bereits der Hinweis, daß Passagen der HRR originalgetreu in einer Veröffentlichung des Duden-Verlags (1994, ISBN 3-411-06131-6) wieder auftauchen.
Ich bitte, die Überlänge des folgenden Textes zu entschuldigen.
Ggf. könnte der Text durch einen Link ersetzt werden.

KG 2.1: Die Hessischen Rahmenrichtlinien Deutsch

1. Darstellung des Hintergrundes


Um die Bedeutung der HRRD zu verstehen, ist es wichtig, sich zunächst mit der Situation auseinander zu setzen, die in den 60er / Anfang 70er Jahre in der BRD herrschte.

* Politisch:
erstmalig Übernahme der Regierung durch die SPD, Parole: „Mehr Demokratie wagen“,
politische Linksorientierung

* Wirtschaftlich:
Anfang/ Mitte der 60er Jahre: Wissenschaftsrat und Kultusministerkonferenz stellten fest, dass die BRD vor einer Bildungskatastrophe stehe, das Ausbildungssystem genüge den gesteigerten Anforderungen an die Arbeitskraft nicht mehr -> Modernitätsrückstand
Folge: Der gesellschaftliche Wohlstand ist gefährdet
Kritikpunkt war hauptsächlich das Defizit im technologischen Bereich
Forderung: Modernisierung, Effektivierung und Demokratisierung des Bildungswesens
=> Forderung von Bildungsreformen vorrangig an wirtschaftlichen Interessen orientiert

Dabei wird völlig verkannt, dass Schule ein Teil der Gesellschaft ist. Ist Schule krank, ist auch die Gesellschaft krank. Doch diese soll nicht verändert werden.

* Bildungswesen:
Bildung war soziales Selektionsinstrument:
=> Gymnasium nur für privilegierte Kinder
=> Kindern aus unterprivilegierten Familien war der Zugang ungeachtet kognitiver Fähigkeiten verwehrt oder nur unter sehr großen Schwierigkeiten zugänglich.
Die Selektion verlief selbstverständlich und unreflektiert

Die Organisation des Ausbildungssystems bildete sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts heraus und orientierte sich an damaligen Interessen. Es ist zu diesem Zeitpunkt bereits veraltet.

2. Reformvorschläge

- Die Schulreform sollte als Mittel zur Herrschaftsstabilisierung der politischen Kräfte und zur Systemerhaltung dienen.
=> keine tiefgreifende Reformen gewollt, die Auswirkungen auf die Gesellschaft hatten
- Ziel: Ansprüchen gerecht werden, die sich durch Produktionsverhältnisse an den
Ausbildungsbereich stellten
- Vertreter: Konservative und liberale Kräfte

§ Forderungen der Konservativen Kräfte:

Herrschaftssicherung durch Bildungsbegrenzung für Unterprivilegierte
· Reformmodelle, die Chancenungleichheit bekämpfen wollen, werden abgelehnt
· gegen die integrierte und differenzierte Gesamtschule
· Effektivierung im inhaltlichen Bereich nur in den mathematisch- naturwissenschaftlichen Fächern
· Reformen der geistes- bzw. gesellschaftswissenschaftlichen Fächer wird abgelehnt aus Angst, dadurch eine Systemveränderung herbeizuführen
· Integration der beruflichen Ausbildung in die Gesamtschule wird abgelehnt

§ Forderungen der liberalen Kräfte:

Systematische Anhebung des Bildungsniveaus der Unterprivilegierten
· Für die integrierte Gesamtschule
· Wollen Reformen der geistes- und gesellschaftlichen Forderungen
· Inhaltliche Reformansätze, die nicht mehr bestimmen was, sondern wie Schüler zu lernen haben (Þ Annahme: Arbeitskräfte müssen lebenslang lernen können und flexibel sein)
· Unterprivilegierte sollen durch kompensatorische Bemühungen aus ihren klassenbedingten Bindungen heraus gelöst werden.


3. Die Hessischen Rahmenrichtlinien

· In Hessen setzte die Bemühung zur Behebung der Krisensituation im Bildungsbereich früh ein.
· Zunächst äußere Schulreform (organisatorische Umgestaltung des Schulwesens, Gesamtschulversuche und Förderstufe)
· 1967 werden inhaltliche Reformen in Angriff genommen
· Historische Schaltstelle in der Fachdidaktik, Bündelung der fachdidaktischen Diskussion der 60er u.70er Jahre
· Einmalige Verknüpfung von Fachdidaktik und Bildungspolitik (Versuch, Basiskonzept zu verwirklichen, Lehrer, Fachdidaktiker und Bildungspolitiker sollten gleichermaßen in die Ausarbeitung der Reformvorschläge einbezogen werden)
· Vertreter: zunächst wurde Wolfgang Klafki mit der Leitung der Ausarbeitung beauftragt, später wurde die Arbeit unter der Leitung von Hubert Ivo weitergeführt


Ø Abgrenzung Rahmenrichtlinien - Bildungsplan

Rahmenrichtlinien - Bildungsplan
- Verzicht auf einen verbindlichen Kanon des zu vermittelten Bildungsgutes zugunsten einer Diskussion übergeordneter Lernziele - Hauptfunktion: Festlegung inhaltlicher Vorgaben für den Unterricht; verkörpert den Inhaltskanon einer Kultur
- schulformübergreifend und schulstufenbezogen(inhaltliche Voraussetzung für die Integration der Gesamtschulen) - auf eine bestimmte Schulart bzw. Schulstufe bezogen
- dienen der Kenntnisnahme, Diskussion und freiwilligen Erprobung - Rechtsstatus: Verwaltungsvorschrift mit rechtsverbindlichen und rechtsfreien Anteilen
- Abkehr von vielen Lernzielen, die bisher als verbindlich galten - Grundlage für Leistungsbeurteilung und Selektion
- Lehrer entscheidet über die inhaltlichen Wege zum Erreichen der Ziele - inhaltliche Vorgaben (s.o.)

Rahmenrichtlinien
- Verzicht auf einen verbindlichen Kanon des zu vermittelten Bildungsgutes zugunsten einer Diskussion übergeordneter Lernziele
- dadurch Schaffung einer prinzipiellen Offenheit, bessere Berücksichtigung der Schülerinteressen, inhaltliche Mitbestimmung möglich
- belastet andererseits den Lehrer mit der Suche nach geeigneten Unterrichtsmaterialien, überfordert die aktuellen Lehrbücher u. Lernmittelsammlungen

- RR sind schulformübergreifend und stufenbezogen
- Abkehr von schulformbezogenen Lehrplänen ist inhaltliche Voraussetzung für die Integration der Gesamtschulen
- schulformübergreifende Lernziele fordern stark differenzierte Methoden der Vermittlung bei Schülern mit unterschiedlichen Voraussetzungen
- Überlegungen über diese Methoden müssen Bestandteil der RR sein, da sichergestellt werden muss, dass alle Schüler einen strukturell gleichen Unterricht erhalten, um einen Wechsel des Schultypus nicht durch Unvereinbarkeit der Unterrichtspraxis zu erschweren
- Stufenbezogenheit: die gemeinsamen Ausbildungsziele und Inhalte für die einzelnen Jahrgangsstufen sind unabhängig von den Schulformen bestimmt (Zusatzangebote führen über die gemeinsame Grundlage hinaus)

- Abkehr von vielen Zielsetzungen des Unterrichts, die bisher als verbindlich angesehen wurden
- ist notwendig, da kein Wandel in den Strukturen der Gesellschaft aber ein Wandel im Bewusstsein der Gesellschaft eingetreten ist
- Kriterium: Lernziele dürfen nicht hinter dem augenblicklichen Bewusstseinszustand zurückbleiben, müssen miteinander vereinbar sein und für die Mehrzahl der Lehrer und Schüler akzeptierbar sein

Die Diskussion der Unterrichtsformen ist wichtig, auch wenn man davon ausgeht, dass die Lehrer über ein angemessenes Repertoire von Unterrichtsmethoden verfügen. Im Hinblick auf das Lernziel Förderung der sprachlichen Kommunikationsfähigkeit dürfen Unterrichtsformen wie Gruppendiskussion, Rollenspiel, formelles Debattieren „unernster“ Themen etc. nicht als methodisches Repertoire des Lehrers vorausgesetzt werden, sondern sie stellen selbst Unterrichtziele dar, in denen sich die übergeordneten Ziele konkretisieren.
Veröffentlichung der RR im Oktober 1972: fächerbezogene Pläne für die Sekundarstufe I, die im Schuljahr 72/ 73 der Kenntnisnahme, Diskussion und freiwilligen Erprobung dienen sollten.

Lehrplan
- kodifiziert (kodifizieren = in das Gesetzbuch einordnen) Bildungsvorstellungen und Lerninhalte
- auf eine bestimmte Schulart bzw. Schulstufe bezogen
- Aussagen über Zielsetzungen von Unterricht, über Umfang, Reihenfolge und Zuordnungen der Inhalte zu bestimmten Jahrgängen strukturieren ihn
- hat Rechtsstatus, er ist eine Verwaltungsvorschrift mit rechtsverbindlichen und rechtsfreien Anteilen, koordiniert die Arbeit der einzelnen Schulen und ermöglicht vergleichbare Abschlüsse
- bildet Grundlage und Bezugspunkt für Leistungsbeurteilung und Auslese/ Selektion
- Hauptfunktion: Festlegung inhaltlicher Vorgaben für den Unterricht
- verkörpert den Inhaltskanon einer Kultur, trägt damit zu deren Bestand, Kontinuität und Stabilität bei
- ist gemeinsamer Nenner unterschiedlicher Rechte und Interessen ( = sichtbarer gesellschaftlicher Kompromiss)
- seine innovative Funktion ist strittig (ob schulische Veränderungen passieren und dann in den Lehrplan aufgenommen werden oder umgekehrt)

Ø Wissenschaftliche Begründungen:
Den wissenschaftlichen oder „geistigen“ Hintergrund der HRRD stellt größtenteils die Kritische Theorie von Jürgen Habermas dar.
Habermas war das jüngste Mitglied der Frankfurter (Soziologen-)Schule (zu der z.B. auch Adorno gehörte).
Er hat eine umfassende gesellschaftskritische Sozialphilosophie entwickelt, die Auswirkungen auf verschiedene geisteswissenschaftliche Disziplinen hatte (auch auf die Erziehungswissenschaft).
Aus dieser Zeit und aus der Rezeption der Kritischen Theorie resultieren neue Erziehungsziele wie Erziehung zur Mündigkeit, Selbstbestimmung, Verantwortung und Emanzipation (damit stellt sich Habermas in die Tradition der Aufklärung).
(auch alternative Pädagogiken, die ihren Ursprung in den 60er Jahren haben, beziehen sich auf Ideen der Frankfurter Schule -> z.B. Laborschule Bielefeld)
Nach Habermas ist die Gesellschaft von Macht- und Herrschaftsstrukturen bestimmt, die größtenteils über Sprache aufgebaut werden, beziehungsweise aus dem resultieren, was H. „verzerrte Kommunikation“ nennt.
Es soll eine Situation angestrebt werden, in der Konflikte in „herrschaftsfreien Diskursen“ gelöst werden können, d.h. alle Teilnehmer sind gleichberechtigt, haben die gleichen Kommunikationschancen und können sich ohne Zwänge äußern.
Somit würde im Konflikt einzig das bessere Argument siegen (und nicht Gewaltstrukturen und Ideologien, die die Kommunikation bestimmen).
Eine solche ideale Sprechsituation kann natürlich nur gedanklich existieren und wird in dieser Form niemals eintreten.
Die Orientierung an einer solchen idealen Sprechsituation kann aber als Maßstab für die Kritik und Analyse der realen Sprechsituation dienen.
Aufgabe des Deutschunterrichts ist es demnach, den Schülern Ursachen verzerrter Kommunikation aufdecken zu helfen und die Zusammenhänge von Gewalt und Ideologie zu analysieren.
Die Schüler sollen sich über ihre Stellung in der Kommunikationssituation bewusst werden und sollen dadurch zu einem neuen Gesellschafts- und auch Selbstverständnis kommen.
Bedingung für einen unabhängigen und damit mündigen Bürger ist nach H. eine entwickelte Kommunikationsfähigkeit, sein Ziel ist außerdem der weitgehende Abbau von Herrschaft und Fremdbestimmung zugunsten der Erweiterung und Sicherung von Mündigkeit und Selbstbestimmung.
Die HRRD wollen die Umsetzung dieser Ziele in die Schulwirklichkeit erreichen. Daraus erklärt sich z.B., dass die Förderung der Kommunikationsfähigkeit als oberstes Lernziel gilt, sowie der veränderte Umgang mit Hochsprache und Rechtschreibung.

Ø Bildungspolitische Zielsetzungen:
Ø Forderung von Chancengleichheit -> allen Schülern sollen die gleichen Startchancen eröffnet werden (auch Schülern aus sog. „bildungsfernen Haushalten“ soll die Chance auf Zugang zu Hochsprache und Literatur eröffnet werden)

Ø => diese Überlegung hatte die Forderung nach Förderunterricht laut werden lassen, durch den das häusliche Defizit ausgeglichen werden sollte, um die Schüler auf ein möglichst homogenes Ausgangsniveau zu bringen,
im Zusammenhang mit den HRRD wird darüber hinausgehend die integrierte und differenzierte Gesamtschule gefordert, da diese als die Schulform angesehen wird, in der die Forderung nach Chancengleichheit am ehesten verwirklicht werden könne

Ø Damit hängt auch zusammen, dass die HRRD auf der Sekundarstufe ansetzen. Die Ursache der sozialen Selektion von Schule wird in der Aufteilung der Schüler nach der vierten Klasse gesehen
Ausdifferenzierung soll nun nur punktuell, innerhalb eines gemeinsamen Bezugsrahmens (Gesamtschule) stattfinden, und die Kinder so lange wie möglich gemeinsam unterrichtet werden
Es sollen auch alle Lernziele für alle Schulstufen gelten, so dass sich die soziale Selektion nicht schon an den Inhalten manifestiert (Schüler werden bestimmten späteren Anforderungen entsprechend ausgebildet)
Schwache Schüler sollen hierbei von dem positiven Lernumfeld profitieren
[Grundschule weniger interessant, da Annahme, dass hier alle dem gleichen Bildungsumfeld ausgesetzt sind]

4. Tabelle (im Original als Graphikdatei strukturiert, hier fortlaufend!)

Kritikpunkte der Gegner an den RRD - Zielsetzungen der RRD - Begründungen
Abbau der Hochsprache, Zerstörung der sprachlichen Kultur Sprachliche Kommunikationsfähigkeit fördern statt muttersprachlicher Bildung; die Schüler sollen lernen, unter Wahrung ihrer Bedürfnisse und Interessen miteinander zu kommunizieren, Hochsprache als Norm wird abgelehnt Hochsprache ist nicht wertneutral; sondern ebenfalls Gruppensprache, durch das Erlernen der Hochsprache werden die Schüler ihrem sozialen Milieu entfremdet und müssen die Werte und Normen der Privilegierten übernehmen; es besteht eine Chancenungleichheit bei Schuleintritt, erhöhte Schwierigkeiten und Leistungsdefizit sind die Folge, =>Anknüpfung an die Sprache der Schüler
Missbrauch der Schule zum Klassenkampf und eine Erziehung zur Intoleranz Schüler sollen lernen, Kommunikation hinsichtlich ihrer Funktion und im Hinblick auf das jeweilige Thema kritisch zu reflektieren=> Emanzipation „Schweigen der Mehrheit“, der Unterprivilegierten, die nicht die Chance bekommen, zu lernen, ihre Meinungen öffentlich zu äußern und somit nicht gegen Ungerechtigkeiten ankämpfen können, sondern diese akzeptieren müssen
Abschaffung der Rechtschreibung Förderung der Kommunikationsfähigkeit und Chancengleichheit durch Reform der Rechtschreibung („gemäßigte Kleinschreibung“), Rechtschreibung sollte kein Ausleseinstrument sein und nicht das ausschlaggebende Argument bei lebensgeschichtlich wichtigen Entscheidungen Chancenungleichheit durch unterschiedliche Voraussetzungen; Rechtschreibleistungen sind kein Beweis für Intelligenz,
Ästhetische Qualität von Literatur wird ausgeblendet, Umgang mit Dichtung eingeschränkt Verdeutlichung der konstitutiven Merkmale poetischer Texte durch Vergleich mit anderen; Mündigkeit im Umgang mit poetischen und alltäglichen Texten; selbständiges Lernen, Emanzipation Ausweitung des Problembewusstseins, Thematisierung der Beziehung zwischen Literatur und Gesellschaft; Ausweitung des Literaturbegriffs
Gleichmacherei Chancengleichheit Beseitigung sozialer Ungleichheiten durch „Kompensatorische Erziehung“, Anknüpfen an die von den Schülern gegebenen Voraussetzungen anstatt Anhebung

Þ keine wissenschaftliche, sondern politische Diskussion (d.h. Argumente der Gegner werden verzerrt dargestellt, damit sie leichter zu entkräften sind)

Ø zu Kritikpunkt I (Abschaffung der Hochsprache):
Argumente der Gegner für die Hochsprache:
- Abbau der Hochsprache schürt das Klassenbewusstsein, unterschiedliche soziale Schichten werden erst recht sichtbar
- Hochsprache ist Wissenschaftssprache
- Hochsprache ist restringiertem Code überlegen

Forderungen der Gegner:
Die Gegner wollten weiterhin die kompensatorische Sprachförderung, die es wenigen unterprivilegierten Schülern erlaubt, den Aufstieg zu schaffen; dafür müssen diese sich aber weiterhin ihrem Herkunftsmilieu entfremden, sich die Hochsprache aneignen und damit verbunden die Werte und Normen der privilegierten Schicht.

Þ mit diesem Punkt wird der zentrale Konflikt einer Privilegiengesellschaft angesprochen, in der die einen das sagen haben, die anderen sich „sprachlos“ und ohnmächtig fügen.

Ø zu Kritikpunkt III (Abschaffung der Rechtschreibung):
Argumente der Gegner für die Beibehaltung der alten Rechtschreibregeln:
- Kinder brauchen die Rechtschreibung für den sozialen Aufstieg

Selektion durch Rechtschreibung verdeutlicht den „asozialen, machtgeschützten Kern des Bildungswesens“: die Kinder mit den ungünstigsten Lernvoraussetzungen bekommen die kürzeste Zeit zum Lernen zugestanden.
Þ in dieser neuen, radikalen Forderung spiegelt sich vor allem der emanzipatorische Charakter der Hessischen Rahmenrichtlinien Deutsch


5. Gründe für das Scheitern der HRRD

· Hessische SPD-Regierung war am raschen Erfolg bei der Behebung der Defizite im Ausbildungswesen interessiert
· Es ging primär um eine Modernisierung des Fächerkanons (Konflikt: Kultusministerium - Kommission)
· Planung der Kommission war langfristig konzipiert und ließ Ergebnisse in absehbarer Zeit nicht erwarten
· Äußerst knappe Ausstattung des Projekts mit Sach- und Personalmitteln
· Schwerfällige Organisationsstrukturen und Größe der Kommission
· Schwierige Innenbedingungen der Kommission (z.B. wissenschaftliche u. politische Differenzen, Kommunikationsschwierigkeiten)


6. Folgen / Auswirkungen bis heute

· Unterschiedliche Schul- und Ausbildungssysteme in den einzelnen Bundesländern
· Flächendeckende Förderstufe in Hessen
· Niveau der Vorbereitung auf ein Hochschulstudium hat nachgelassen
· Einrichtung von Schulzentren, damit alle Kinder auf demselben Gelände unterrichtet werden können und nicht schon durch den Schulweg stigmatisiert werden
· Unterschiede in der Lehrerausbildung, z.B. Ausbildung schulartbezogen in Baden-Württemberg ansonsten schulstufenbezogen
· Unterschiedliche Bezahlungsstufen von Lehrern
· Veränderung in den Schulformen aller Bundesländer

Mögliche Impulse auf die LB-Konzeptionen
· Veränderung in den Schulformen aller Bundesländer
· Texte in Mundart
· Alle Textsorten vertreten
· Verschiedene Medien werden genutzt
· Texte in „gemäßigter Kleinschreibung
· Keine konkreten Arbeitsaufträge
· Nicht nach Textsorten geordnet
· Texte nah an der Lebenswelt der Schüler
· Mehr Kreativitäts- und Fantasieförderung (evtl. handlungs- und produktionsorientiert)
· Bedeutung der Textinhalte nimmt zu

Zusammenfassung

· Anlass: drohende Bildungskatastrophe in Deutschland

· Uneinigkeit zwischen den politischen Kräften bezüglich der Lösungsmöglichkeiten

· Politische und fachdidaktische Diskussion bündelt sich in der Auseinandersetzung um die HRRD

· HRRD: lernzielorientiert, schulstufenbezogen, freiwillige Erprobung

· Oberste Ziele: Chancengleichheit, Kommunikationsfähigkeit, Emanzipation

· Polemische, z.T. unsachliche bildungspolitische Kontroverse

· Folge: keine Umsetzung in der ursprünglichen Form

· Längerfristige Auswirkungen der politischen und fachdidaktischen Strömungen dieser Zeit


Literaturverzeichnis

· Gutheil, Hans Georg (1972): Literarisches Arbeitsbuch oder gesellschaftliche Institution? Aspekte zur Diskussion um das deutsche Lesebuch. In: Braun, Peter (Hg.): Neue Lesebücher – Analyse und Kritik. Düsseldorf, S. 162-171

· Helmers, Hermann (Hg.) (1969): Die Diskussion um das deutsche Lesebuch. Darmstadt

· Helmers, Hermann (1970): Geschichte des deutschen Lesebuchs in Grundzügen. Stuutgart, S. 229-251

· Hessische Rahmenrichtlinien Deutsch (1974). Analyse und Dokumentation eines bildungspolitischen Konflikts. Hg. von Hannelore Christ. Düsseldorf: Bertelsmann

· Kreft, Jürgen und Ott, Günther (1972): Lesebuch und Fachcurriculum. Zwei Studien. Düsseldorf: Schwann, 2. Aufl., S.76 f.

· Procher, Otmar und Servatius, Gerd (1974): Rahmenrichtlinien Deutsch und Schulpraxis. In: Dithmar, Reinhard; Kochan, Barbara; Kochan, Detlef C. (Hg.): Die Hessischen Rahmenrichtlinien für das Fach Deutsch in der wissenschaftlichen Diskussion. Zur Systematik des Sprach- und Literaturunterrichts. Scriptor Verlag GmbH Kronberg Ts., S.138-140

· Lenzen, Dieter (Hg.) (1995): Pädagogische Grundbegriffe Band 2. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, S.972-973




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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 22.02.2004 um 12.01

In diesem Leitfaden herrscht Stillstand. Verständlich!
Quellentexte sind nicht so einfach zu beschaffen. Man muß auch wissen, wo zu suchen ist, dortselbst in Klausur gehen und wertfrei/objektiv sichten.

Ich selbst werde mich dem Themengebiet „Lehrpläne früher und heute“ zuwenden. Dabei interessieren mich z.B. die unmittelbaren Nachkriegslehrpläne und die Lehrpläne, die zu Zeiten der sog. Kulturrevolution entstanden. Ich will wissen, welche Relikte der Nazizeit sich als indoktrinationsbeständig erwiesen haben, und mich interessiert das große Reinemachen durch die APO.
Ich weiß, wonach ich suche, und das ist vielleicht ein Fehler, denn Verdachtsmomente beeinträchtigen die Objektivität.

Ich bitte die hiesigen Diskutanten darum:
- daß sie mir bei der Suche nach Quellentexten ein bißchen behilflich sind,
- daß sie mich korrigieren, wenn ich mich verrannt habe,
- daß sie sich auch selbst auf die Suche nach Quellentexten und Statistiken begeben,
- und um Geduld!

Es wird einige Zeit dauern.
Also, bis die Tage (und eine fröhliche Fasenacht).

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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 18.02.2004 um 11.29

Ich möchte in diesem Strang weiterhin Quellentexte veröffentlichen.
Dabei beziehe ich mich zunächst auf Texte aus dem Lehrplan für die Grundschule (1971), auf dem bereits die ersten Beiträge dieses Stranges basieren.
In dem an anderer Stelle genau bezeichneten Buch referiert ein gewisser Alfred Angermeier über den Fachbereich „Rechtschreiben“.
14 Seiten benötigt er für seine Abhandlung, und bei seinem Exkurs schweift er dreimal auf das Thema „Rechtschreibreform“ ab. Einen solchen Verweis auf eine angeblich notwendige Rechtschreibreform habe ich bereits im vorhergehenden Beitrag (Zitate: S. 90) veröffentlicht.

Bevor ich weitere Stellen zitiere ein kurzer Ausblick:
Sinnvoll wäre es, Quellentexte der zurückliegenden 30 Jahre zu sammeln und auch dahingehend zu überprüfen, wie oft auf die Notwendigkeit einer Reform (dies allerdings ohne jegliche Begründung!) abgehoben wird.
Nicht zu vergessen sind auch die Fehlerstatistiken, die mit der hier bereits veröffentlichten verglichen werden könnten.
Das Internet, schulische Folge-Lehrpläne und eine Durchforstung der Literaturliste, die im Jahre 1971 für den Bereich Rechtschreibung (zumindest für Herrn Angermeier) maßgeblich war, könnten dabei helfen (die Literaturliste befindet sich im Anhang).

Zitate: Lehrplan 1971, S. 86:

Lehraufgaben und Voraussetzungen
Schrift setzt Sprache in Zeichen um, bewahrt sie und weitet sie als Kommunikationsmittel aus. Die sichtbare Gestalt der Sprache ist durch Übereinkunft genormt. In der Rechtschreibung sind diese Normen festgelegt. Das gegebene Normensystem der richtigen Schreibung von Sprache ist historisch gewachsen. Es ist in keinem einheitlichen Regelsystem faßbar. Die Schwierigkeiten werden deutlich durch den Hinweis darauf, daß nur knapp 7% des deutschen Wortschatzes orthographisch eindeutig sind. Die Gesellschaft verlangt, daß sich der einzelne an das durch Übereinkunft festgelegte Zeichensystem hält.
Rechtschreiben in der Schule ist ein Teil der Pflege unserer Muttersprache und trägt zur Sicherung des Sprachbesitzes bei. Wegen seines betonten Bezugs auf nur eine Erscheinungsform der Sprache, nämlich auf deren Objektivierung in der Schrift, kommt dem Rechtschreiben eine Sonderstellung zu. Dies darf aber nicht zu einer Isolierung führen. Vielmehr steht das Rechtschreiben innerhalb der Sprachbildung in steter und enger Verbindung mit anderen Teilbereichen des muttersprachlichen Unterrichts und dem Sachunterricht. Natürliche Anlässe zur Pflege des Rechtschreibens ergeben sich aus dem gesamten Unterricht.
Die Ausnahmen, die es zu den Rechtschreibregeln gibt, das Ausbleiben einer
v e r e i n f a c h e n d e n R e c h t s c h r e i b r e f o r m
und die vom Schüler geforderten visuellen, akustischen , motorischen und logischen Leistungen erschweren den Rechtschreibunterricht. In der Grundschule geht es im Rechtschreiben um die gezielte Verknüpfung von Lautkörper und bildlicher Vorstellung des geschriebenen oder gedruckten Wortes. Die logischen Hilfen rücken erst allmählich in den Blickpunkt.

Zitat S. 99:
Abschließende Bemerkung
Die Aufmerksamkeit der Fachwelt und der Öffentlichkeit hat sich in den vergangenen Jahren wieder verstärkt den Problemen des Unterrichts im Rechtschreiben zugewandt. Dafür ist die ständig steigende Zahl an Publikationen ein sichtbares Zeichen. Das besondere Interesse gilt dem Phänomen der Legasthenie und dem programmierten Rechtschreiben. Daneben behauptet nach wie vor die Fehlerkunde und –behandlung ihren Platz. Seit einiger Zeit spricht man auch wieder einmal von der R e c h t s c h r e i b r e f o r m. Zu den Schwerpunkten, die uns Lehrer angehen, zählen neuerdings die Frage nach dem Grundwortschatz, die Differenzierung und der rechte Gebrauch von Arbeitshilfen. Im Rahmen dieses Beitrags kann auf die vorstehend erwähnten Schwerpunkte nicht in Kürze eingegangen werden. Auf die einschlägige Fachliteratur wird verwiesen:

Literatur
Alexander Beinlich: Über das Erlernen der RS, Emsdetten: Lechte 1969
Paul Bischoff: Grundlagen und Praxis des RSU. Hannover: Schroedel 1969
Klaus Doderer: Wege in die Welt der Sprache. Stuttgart: Klett 1965
Der Große Duden Bd I. Die RS. Mannheim: Bibl. Institut 1968
Karl Graucob: Der muttersprachliche U in der GS. Essen: Neue Deutsche Schule o.J.
Johannes Guthmann: D. RS für die GS und HS. München: Oldenbourg 1971
Johannes Guthmann: Fachkommentare für die bayerische Volksschule ... Oldenbourg 1969
Häfner – Plickat: Grundwissen Kleines Deutsches Wörterbuch. Stuttgart: Klett 1970
Hermann Helmers: Didaktik der deutschen Sprache. Stuttgart: Klett 1967
Hans Heumann: Unser Grundschulwörterbuch. Essen: Tellus o.J.
Karlheinz Ingenkamp: Lese- und Rechtschreibschwäche bei Kindern. Weinheim: Beltz 1970
Artur Kern: Rechtschreiben in organisch-ganzheitlicher Schau. Braunschweig: Westermann 1967
Artur Kern: Das rechtschreibschwache Kind. Freiburg: Herder 1966
Karl Rank: Sprachliche Situationen im Unterricht der Volksschule. Donauwörth: Auer 1966
Karl Reumuth/A. Schorb: Der muttersprachliche Unterricht. Bad Godesberg: Dürr 1963
Oswald Watzke: Rechtschreibunterricht in der GS und HS. München: List 1970

– geändert durch Norbert Schäbler am 18.02.2004, 19.27 –
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nos


eingetragen von Walter Lachenmann am 18.02.2004 um 08.56

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
...
- Ja, und wissen Sie auch, lieber Herr Schäbler, von wem der zitierte Text stammt? Von unserem Mitstreiter Hans Krieger! Wiederabgedruckt in "Der Rechtschreibschwindel".


- Ja, und wissen Sie auch, lieber Herr Ickler und all Ihr anderen, daß es von unserem Mitstreiter Hans Krieger ein nigelnagelneues Buch gibt?

http://www.oreos.de/kunst_fr.htm


Übrigens teilt uns der Besorgnis erregte Verleger mit, er befürchte Pleite zu gehen, wenn die Rechtschreibreform zurück genommen würde, weil die von ihm erfundene so genannte „Rechtschreibbrille“ damit vollends überflüssig würde wie des Herzogs Kropf oder des Kaisers neue Kleider. Also: zugreifen!

http://www.oreos.de/rechtschreibbrille_2.htm


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Walter Lachenmann


eingetragen von Theodor Ickler am 17.02.2004 um 14.14

"Wir entnehmen der Bayerischen Staatszeitung vom 2. April 1971 folgende Sätze: ,Rechtschreibsicherheit hat mit Intelligenz wenig zu tun. Belegt ist ..., daß viele Lehrer
trotzdem immer noch dazu neigen, orthographische Sattelfestigkeit als Gradmesser für Begabung, Charakter, Lernwille und Bildungsfähigkeit zu halten ...
Bei `Schulversagen` muß immer gefragt werden, wer versagt hat: der Schüler oder die Schule ... Das Abendland wird nicht untergehen, wenn unsere Schulabgänger unsicher sind,
ob sie Waage mit einem oder zwei a schreiben müssen, und das obendrein auch noch ziemlich unwesentlich finden ... Den Rechtschreibunterricht in der Schule zu entdramatisieren – das wäre einmal eine Reform, die überhaupt nichts kostet.(S.8)“

Der Text stammt aus dem Jahre 1971 (!!)."

- Ja, und wissen Sie auch, lieber Herr Schäbler, von wem der zitierte Text stammt? Von unserem Mitstreiter Hans Krieger! Wiederabgedruckt in "Der Rechtschreibschwindel".
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Th. Ickler


eingetragen von Norbert Schäbler am 17.02.2004 um 13.40

Aus „Lehrplan für die Grundschule ..., 1971“, S.91:

„Zur Diskrepanz zwischen Sprechen und Schreiben:
Nur knapp 7% des deutschen Wortschatzes sind orthographisch eindeutig; zu 38% gibt es eine ungefähre Lauttreue.
29 Lautzeichen kennt das deutsche Abc; 92 Zeichen braucht der `Aussprache-Duden`.
Wie verwirrend sind allein die Lautverbindungen cks, chs, gs und ks, die durch x ersetzt werden könnten!

Wir haben es also mehr mit Anders- als mit Gleichschreibung zu tun.
Unter dem Titel `Fehlerkunde` sind verschiedene Fehlersysteme entwickelt worden:
von H. Weimer (Geläufigkeits-, Perseverations-, Ähnlichkeits-, Misch-, Gefühls- und Willensfehler),
von A. Kern (Aufgabenfehler, Materialfehler, psychisch bedingte Fehler),
von H. Plickat (nach deskriptiven Kriterien)
und von P. Bischoff (mit Verwendung der Kernschen und Plickatschen Schemata ein `Sachstrukturelles Fehlersystem`/ausführlich bei O. Watzke, Rechtschreibunterricht, München: List 1970; S. 26 ff).
Um bei der Auswahl einzelner Aufgaben im Rechtschreibunterricht (Lernziele) Schwerpunkte setzen zu können, soll eine Liste interessieren über Verstöße gegen orthographische Regeln nach ihrer Häufigkeit (mitgeteilt von A.O. Jäger in `Rechtschreibungstests R-T`, Göttingen, Hogrefe 1968):
Groß- und Kleinschreibung: etwa 21%
Silbendehnung und –schärfung etwa 21%
Konsonantenverwechslung (d-t, gs ...) etwa 14%
Verwechslung von s-ß; ts-tz etwa 10%
Zusammen- und Getrenntschreibung etwa 8%
Endungen (Ent; end; en; ends) etwa 8 %
Superlative etwa 4 %
Umlaute etwa 3 %
Gebräuchliche Fremdwörter etwa 3%
Verwechslung von f-w-y-ph etwa 3%
Verwechslung von k-ch etwa 3%
Verwechslung von kw-qu etwa 2%“

Fragen: Gibt es zu diesem Problembereich anderes Zahlenmaterial?
Sind die einzelnen Rubriken säuberlich voneinander getrennt oder kommt es zu Überschneidungen und Widersprüchen?
Welche Fehlerbereiche sind tatsächlich von der Rechtschreibreform betroffen? Warum?
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nos


eingetragen von Norbert Schäbler am 17.02.2004 um 12.36

"Quellen des Denkens"

Einem Wunsch von Herrn Fleischhauer (a.a.O. in diesem Forum) möchte ich nachkommen und einen neuen Leitfaden eröffnen.

Als Quellentext verwende ich dabei das Buch „Lehrplan für die Grundschule in Bayern mit Erläuterungen und Handreichungen“ von E. Kitzinger, F. Kopp, E. Selzle (Verlag Ludwig Auer, Donauwörth. 1971 – ISBN 3-403-00258-6).

Ein erstes Zitat aus KKS (Kitzinger, Kopp, Selzle) S. 90:
„Es ist üblich geworden, Äußerungen zum Thema Rechtschreiben mit dem Schreckensruf: `Schulkreuz!` zu beginnen. Wieviel Ärger, Verdrossenheit, Enttäuschung, Verbitterung, seelische Not und Qual für Schüler, Lehrer und Eltern wollen damit zum Ausdruck gebracht werden. Es ändert die Sache nicht, wenn wir den altbekannten Lehrerseufzer umwandeln in den Sinnspruch: `Singen, Sprechen und Hören sind Gaben Gottes, das Rechtschreiben aber erfand der Mensch und ist, wie alles Menschliche vom Fehlerteufel bedroht.` (sic!)
Was sagt die sogenannte öffentliche Meinung zum Rechtschreiben in der Schule?
Wir entnehmen der Bayerischen Staatszeitung vom 2. April 1971 folgende Sätze:
,Rechtschreibsicherheit hat mit Intelligenz wenig zu tun. Belegt ist ..., daß viele Lehrer trotzdem immer noch dazu neigen, orthographische Sattelfestigkeit als Gradmesser für Begabung, Charakter, Lernwille und Bildungsfähigkeit zu halten ...
Bei `Schulversagen` muß immer gefragt werden, wer versagt hat: der Schüler oder die Schule ... Das Abendland wird nicht untergehen, wenn unsere Schulabgänger unsicher sind, ob sie Waage mit einem oder zwei a schreiben müssen, und das obendrein auch noch ziemlich unwesentlich finden ...
Den Rechtschreibunterricht in der Schule zu entdramatisieren – das wäre einmal eine Reform, die überhaupt nichts kostet.(S.8)“

Der Text stammt aus dem Jahre 1971 (!!).

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nos


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