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eingetragen von Gerd-Peter Kossler am 30.03.2004 um 07.07

Als interessante Fremdsprache kann ich Arabisch empfehlen: abenteuerliche Phonetik, Zugang zu einem weiten Kulturkreis, einige überraschende Parallelen zum Deutschen (z. B. die Sprechmelodie) - vor allem aber das bewunderungswürdige Musterbeispiel einer Schrift, die sich der - hier natürlich nur einer einzigen - gesprochenen Sprache perfekt anpaßt: Für ein korrekt ausgesprochenes Wort gibt es nur eine Schreibweise.
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Gerd-Peter Kossler


eingetragen von Theodor Ickler am 30.03.2004 um 03.54

Gestern brachten die Nürnberger Nachrichten eine Besprechung des neuen Magazins "Cicero", und der Rezensent erkannte messerscharf:
"Cicero, das war natürlich jener berühmte Römer, der - Lateinschüler kennen das - im Senat immer sagte, dass Karthago doch unbedingt zerstört werden müsse. Das ceterum censeo des legendären Rhetorikers ist sprichwörtlich geworden."
(Heute glaubt die Zeitung sich für den "ärgerlichen Fehler" entschuldigen zu müssen.)
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Th. Ickler


eingetragen von L.Willms am 29.03.2004 um 07.48

Latein war die erste Fremdsprache, die ich in der Schule (6. Klasse) zu erlernen hatte. Inwieweit sie mir geholfen hat, dann Französisch, Spanisch und Englisch (das ja auch einen großen Teil seines Wortschatzes durch die Normannen aus dem Altfranzösischen hat) zu lernen, ist schwierig zu beurteilen, weil ich es ja nicht mit der anderen Situation vergleichen kann. Aber sicher ist ja, daß für das christlich-germanische Abendland, das ja die Erbfolge des römischen Reiches antreten wollte (wozu sich der fränkische Herrscher Charlemagne mit dem Bischof von Rom verbündet hatte), vom Latein stark geprägt war, und daß deswegen Kenntnisse dieser Sprache für das Verständnis dieser Gesellschaft und ihrer Entwicklung sehr hilfreich sind.

Ich muß allerdings sagen, daß ich bei dem Versuch, andere romanische Sprachen zu verstehen, wie z.B. rumänisch oder rumantsch (die rätoromanischen Dialekte in den schweizer Alpen), ich eher auf Analogien in Französisch, spanisch (d.h. kastilisch) oder katalanisch zurückgreife, als auf Latein. Ich könnte heute keinen mir unbekannten lateinischen Text entziffern.

Wenn es um Sprache allgemein geht, so ist es noch hilfreicher, andere Sprachen zu betrachten, die nicht zu der Großfamilie der Indoeuropäischen Sprachen gehören.

An Chinesisch habe ich mich, anders als Theodor Ickler, noch nie herangewagt (meinen Respekt!), aber ich habe einiges von Arabisch und Türkisch gelernt, und dabei meine eigene Muttersprache besser verstanden.

Wenn es um einen systematischen Aufbau einer Sprache geht, so kann ich das Türkisch nur wärmstens empfehlen. Es kommt mir dabei manchmal so vor, als ob man Worte und Sätze wie aus einem Stabilbaukasten zusammensetzen könnte.

Dabei ist die Sprache so sparsam mit ihrem Sprachmitteln, daß ein türkischer Text noch kürzer ist als dessen englische Version, die ja schon immer kürzer ist als das ausladende Deutsch.

MfG,
L. Willms

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Es gibt eine wahre und eine förmliche Orthographie. -- Georg Christoph Lichtenberg (1742 .. 1799)


eingetragen von margel am 28.03.2004 um 11.19

Ich habe immer gern Latein gelernt, vielleicht auch deswegen, weil man sich dieser Sprache, jedenfalls auf der Stufe des Schulunterrichts, verstandesbetont nähern kann. Lateinische Konstruktionen mit kriminalistischem Spürsinn zu entwirren, hat mir Freude gemacht, eine kindliche Freude vermutlich. Auch ist mir noch das leichte Staunen in Erinnerung, mit dem ich vor Jahrzehnten auf Sizilien römische Inschriften las. Das Gefühl, daß etwas bis dahin nur "virtuell" Existierendes einst lebendige, greifbare Realität war. Es war so etwas wie eine Beglaubigung oder Bestätigung. - Und wenn ich auf einer Packung sog. "aschefreier" Filter lesen und verstehen kann: Pondus cineris unius filtri...", so erfüllt mich das mit Befriedigung. Auch kann ich den Sinn z.B. eines spanischen Textes erraten, ohne die Sprache zu beherrschen. - Soviel zu meinem naiven, ganz und gar laienhaften Verhältnis zum Latein.


eingetragen von L.Willms am 28.03.2004 um 08.16

Ich hätte ja auch gern noch was zum Thema Latein und anderen Sprachen geschrieben, aber bei diesem zusammenhanglosen Themengehoppel in diesem Monsterthread, der sich seit eindreiviertel Jahren dahinschleppt, habe ich keine Lust mehr. Zu dem Thema hätte eben ein neues Thema aufgemacht werden müssen.

Ob und welchen Sinn es macht, Latein oder andere Sprachen zu erlernen, fällt ja nun wirklich nicht unter das Thema "Dummdeutsch".

MFG,
L. Willms

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Herr Willms hat recht; ich habe alles Latein in diesen neuen Faden ausgelagert.
– W. Wittkopp


eingetragen von Sigmar Salzburg am 28.03.2004 um 07.49

(Unser Chinesischlehrer erklärte die rotchinesische Rechtschreibreform am Beispiel des Zeichens „men“ (Tor):
Das ist eine richtige alte, zweiflüglige Tür 門 … und das 门 ist so eine moderne Aluminiumtür in Banken usw.)

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Theodor Ickler am 28.03.2004 um 07.03

Es ist eine gute Sache, Latein zu können. Griechisch ist auch sehr zu empfehlen. Indogermanische Zusammenhänge erkennt man viel besser, wenn man Sanskrit kann, das ist außerdem eine ungeheuere Bildungsmacht in weiten Teilen der Welt, eigentlich im Zeitalter der Globalisierung unentbehrlich. Chinesisch übe ich jetzt wieder jeden Tag, es ist mir seit dreißig Jahren sehr ans Herz gewachsen und erschließt die Kultur der halben Erde. Aber wie gesagt, Latein ist auch nicht schlecht. Ohne die Latein-Ideologie würde man es noch viel lieber lernen.
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Th. Ickler


eingetragen von s.stirnemann am 28.03.2004 um 06.41

Zum Latein

1. Literaturhinweis: Hgg. Horst Haider Munske / Alan Kirkness, Eurolatein, Das griechische und lateinische Erbe in den europäischen Sprachen
(Reihe Germanistische Linguistik, 169, Tübingen, 1996)

Darin: Munske, Eurolatein im Deutschen: Überlegungen und Beobachtungen.

Das Deutsche Wörterbuch läßt sich ohne Latein nicht verstehen. Beispiel: Die Bedeutung von greulich wird beschrieben mit horribilis, abominabilis, taeter.

Das gleiche gilt für z. B. W. Wilmanns Wortbildung; Bsp.: vrido-machig pacificus.

Bei Satzbau und Wortbildung geht es um innere Beziehungen. Im Kernbereich der neuen Rechtschreibung, bei den Zusammensetzungen, zeigt sich deutlich, daß den Reformern diese inneren Beziehungen nicht recht bewußt sind. Aber auch bei der von Munske so genannten „phraseologischen Wortart“ ist es gut, aufs Latein (und Griechische) zurückgehen zu können.

2. Literaturhinweis: Klassische Sprachen: Notwendigkeit oder Luxus? Themenheft der Schweizer Monatshefte vom Februar 2003 (Bestellen: Vogelsangstraße 52, CH-8006 Zürich; info@schweizermonatshefte.ch).

Darin: Rudolf Wachter (Universität Basel), Kein Gesamtsprachenkonzept ohne klassische Sprachen!

Oder: Zwei Abiturienten, die eine Arbeit über den „Zauberberg“ verfaßten: „Da unser Lateinlehrer ein begeisterter Zauberberg-Leser ist, zitierte er bei Gelegenheit einige lateinische Ausdrücke aus dem Roman. Dies war unser erster Kontakt mit dem Buch, und als wir es unter den Vorschlägen für eine Maturaarbeit entdeckten, erwachte unsere Neugier.“

Weil dieses Themenheft in Deutschland und der Schweiz so erfolgreich war, hatten die Herausgeber den Mut, die neue Rechtschreibung aufzugreifen. Dieser Mut ist bis heute vorhanden.


3. Literaturhinweis: Hg. Fachschaft Alte Sprachen, St. Gallen (Dr. Clemens Müller, Stefan Stirnemann), „Die kräftigsten Wurzeln reichen in die Antike zurück“, St. Galler Stimmen zum altsprachlichen Unterricht an Sekundarschulen und Gymnasien (Beziehen: Kantonsschule am Burggraben, 9000 St. Gallen).

Eine junge Studentin (Ur- und Frühgeschichte): „Latein ist eine unglaubliche Hilfe im Verständnis der eigenen und der fremden indogermanischen Sprachen.“

Ein junger Student (Wirtschaft und Recht): „Das Latein hat meinen Horizont in eine einzigartig wichtige Richtung erweitert, wie sie später, ist die Gelegenheit dazu verpaßt, schwer aufzuschließen ist.“

Das Vorwort zum kleinen Heft stammt vom Vorsitzenden der Schweizer Erziehungsdirektoren, Hans Ulrich Stöckling.

Von seiner Besonnenheit ist auch in der Frage der Rechtschreibung viel zu erwarten.




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stefan stirnemann
Tigerbergstr.10
9000 St. Gallen


eingetragen von gestur am 27.03.2004 um 17.10

Um sich mit "Lateinamerikanern", US-amerikanisch "latinos" von spanisch "latino (-a)" = der (die) Lateiner(in), unterhalten zu können. Vermutlich wollen deshalb so wenige US-Amerikaner Spanisch lernen, weil sie glauben, die "latinos" würden so heißen, weil sie Lateinisch sprechen. Und bei uns glauben wohl deswegen manche, wenn man Latein könne, könne man auch Spanisch oder gar Portugiesisch. (Nicht einmal Italienisch stammt vom klassischen Latein ab, sondern nur vom "Vulgärlatein".)

Übrigens stammen nach US-Ansicht alle "Weißen" ursprünglich aus dem Kaukasus, denn die "weiße Rasse" wird in den USA als "caucasian" bezeichnet.


eingetragen von Theodor Ickler am 27.03.2004 um 16.02

Zu Mommsens Cicero paßt es in der Tat, allerdings war Mommsen hier sehr voreingenommen. Als Quelle ist C. sicher unschätzbar, aber ehrlich gesagt, besonders spannend finde ich ihn nicht gerade. Daß er zum Inbegriff guten Lateins und Schulautor schlechthin gemacht wurde, dafür kann er, bei aller Selbstüberschätzung, auch wieder nichts.

In den letzten Wochen ist in der Zeitung (FAZ) wieder mal einer dieser ideologischen Kämpfe um den Lateinunterricht ausgefochten worden. Das gehört nur am Rande hierher, ich weiß. Immerhin hat man behauptet, nur wer Latein gelernt habe, verstehe etwas von Grammatik und könne auch richtig deutsch sprechen (das habe ich tatsächlich mehr als einmal sagen hören, man glaubt es kaum!). Latein soll auch das logische Denken schulen, als Vorbereitung für andere Fremdsprachen dienen usw. - lauter Begründungen, die, weil sie bei näherer Prüfung zusammenbrechen, zum Niedergang des Lateinlernens beitragen. Ein großer Gelehrter hat mal gesagt: "Der Lateinunterricht dient dem Erwerb von Lateinkenntnissen." Das war das Provokativste, was man zu dieser Diskussion beitragen konnte. Am vernünftigsen kommt mir das Buch des berühmten Latinisten Jules Marouzeau vor: Das Latein (dtv).
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Th. Ickler


eingetragen von Jörg Metes am 27.03.2004 um 15.13

Wenn Theodor Mommsen recht hat, dann paßt doch wieder alles ganz wunderbar zusammen:

»Er [Cicero] war in der Tat so durchaus ein Pfuscher, daß es ziemlich einerlei war, welchen Acker er pflügte. Eine Journalistennatur im schlechtesten Sinne des Wortes, an Worten, wie er selber sagt, überreich, an Gedanken über alle Begriffe arm.«

("Römischen Geschichte" III, S. 619)
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Jörg Metes


eingetragen von Theodor Ickler am 27.03.2004 um 14.20

Als Chefredakteur der "Welt" war W. Weimer noch gegen die Rechtschreibreform. Jetzt gibt er eine eigene Zeitschrift heraus, die er nach dem römischen Riesenstaatsmann Cicero benannt hat (was ich schon mal nicht sehr geschickt finde), und sie ist in Reformorthographie gedruckt. Ich habe nur mal hineingesehen und bin gleich auf die Trennung Eus-ebius gestoßen. Kann Zufall sein, aber der erste Eindruck ist oft richtig. Die Beiträger sind auch dieselben, die man sowieso jeden Tag in den Zeitungen liest. Sollte mich wundern, wenn das Magazin mehr als drei Ausgaben überlebt.
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Th. Ickler


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Dieser Beitrag war verfaßt für den Doofdeutsch-Faden, hat aber nun einen Latein-Faden nach sich gezogen.
– die Technik


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