Forum (http://Rechtschreibung.com/Forum/index.php)
- Rechtschreibforum (http://Rechtschreibung.com/Forum/forumdisplay.php?forumid=8)
-- Niedersachsen (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=906)
eingetragen von Detlef Lindenthal am 02.07.2007 um 16.56
Rotenburger Rundschau
http://www.rotenburger-rundschau.de/index.php?menu=13000&dataid=54389
>> "Schüler wurden überfordert“
40 Prozent Fünfen und Sechsen bei Zentralklausuren in Mathe
– VON ROLAND MEYER
30.06.2007 13:00:00
Visselhövede. Katastrophale Ergebnisse bei der ersten zentralen Mathe-Abschlussprüfung der Realschüler: landesweit mehr als 40 Prozent Fünfen und Sechsen – und zwar obwohl das Kultusministerium den Bewertungsschlüssel nachträglich noch zugunsten der Schüler verändert hatte. Im Gespräch mit der Rundschau erklärt der Leiter der Realschule in Visselhövede, Detlef Schulz: Schuld waren weder die Schüler noch ihre Lehrer. Vielmehr habe Hannover die Arbeit "nicht angemessen konzipiert“.
Kultusminister Bernd Busemann hat inzwischen eingelenkt. Alle 50.000 Zensuren werden um eine Stufe angehoben. Das gilt auch für Schüler an Haupt- und Gesamtschulen, wo die Tests (freiliche andere) besser ausgefallen waren. Das Ministerium will nun prüfen, ob die Aufgaben tatsächlich zu schwer waren oder ob die Schüler zu schlecht vorbereitet wurden.
Alle Abschlussklassen in Niedersachsen mussten einheitliche Klausuren in Deutsch, Mathe und Englisch schreiben. Sie fließen zu je einem Drittel in die Endnoten ein. Dadurch sollen alle Schulen auf ein hohes Leistungsniveau verpflichtet werden. Ein Konzept, dem Schulleiter Schulz wegen der Vergleichbarkeit grundsätzlich positiv gegenüber steht. "Aber wir müssen in die Lage versetzt werden, die Prüfungen ordentlich vorzubereiten“, fordert er. Anders als in den beiden Sprachen war das in Mathematik seiner Meinung nach nicht der Fall.
Die Klausur an den Realschulen bestand aus zwei Teilen. Für den ersten allgemeinen Part hatten die Schüler 50 Minuten Zeit. Hier galt es, ohne Taschenrechner Aufgaben zu den Rechenarten, zum Klammern, zu Brüchen, Dezimalzahlen, Funktionen und Dreiecken zu lösen. Ein breiter Rundumschlag also.
Im zweiten, 100-minütigen Prüfungsteil durften die Schüler dann wählen: Die eine Aufgabengruppe drehte sich laut Überschrift um Geometrie, die andere um Funktionen. Jeder hatte 15 Minuten, für sich zu entscheiden, welche Arbeit er lösen wollte.
Das Problem: Beide Klausuren bestand aus mehreren Aufgaben und die wiederum aus bis zu fünf Teilen. Schulz, der selbst Mathe unterrichtet, kritisiert: "Viel zu komplex, um das in 7,5 Minuten pro Arbeit zu überblicken.“ Zudem sei den Schülern gesagt worden, dass sie sich schwerpunktmäßig auf Geometrie oder auf Funktionen vorbereiten sollten. "Da waren viele dann überrascht und auch wütend, dass in der Geometrie-Arbeit auch viele Funktionen und Textaufgaben vorkamen und andersherum.“ Das habe auch die Lehrer gewundert.
In Visselhövede ist die Arbeit nicht besser ausgefallen als im Landesdurchschnitt. "Normalerweise hätten wir so etwas gar nicht gewertet“, sagt Schulz. Denn ganz offensichtlich seien die Schüler schlicht überfordert worden. Was der Rektor als klares Indiz in diese Richtung wertet: Bei den mündlichen Prüfungen, die seine Schule anberaumt hat, um ihren Schützlingen die Möglichkeit zu geben, ihre verrissenen Klausuren wenigstens ein wenig auszugleichen, hat es wesentlich bessere Ergebnisse gegeben. "Zwei Schüler, die vorher Fünfen hatten, haben hier zum Beispiel eine Eins und eine Zwei gemacht“, berichtet er. Und fügt hinzu: "Einsen verschenken wir nicht.“
Eine zweite Erklärung für das schlechte Abschneiden bei den Klausuren wäre allerdings, dass das Niveau der Schüler über die Jahre landesweit so gefallen ist, dass sie Aufgaben nicht mehr lösen können, die das Kultusministerium für Zehntklässler für angemessen hält. Dazu sagt Schulz: "Ein Lehrer ist natürlich nie zufrieden. Man denkt immer, die Schüler sollten noch besser sein und hat schnell den Eindruck, dass das Niveau sinkt.“ Allerdings glaube er nicht, dass dieser Eindruck in wesentlichen Punkten stimmt. "In der Rechtschreibung und im Kopfrechnen sind die Schüler heute sicher schwächer als früher.“ Das liege zum Beispiel auch am frühen Einsatz des Taschenrechners. Die wirklichen mathematischen Fähigkeiten hätten über die Jahre aber gar nicht oder nur sehr wenig abgenommen.
Für die Zukunft wünscht sich Schulz, dass die Abschlussklausuren thematisch etwas weniger breit gefächert sind und dass etwas genauer gesagt wird, was drankommt. Denn zusätzlich zur Prüfungsvorbereitung müssten die Schüler und Lehrer ja auch noch den ganz normalen Stoff bewältigen, der für Klasse zehn vorgeschrieben ist. Da bleibe kaum Zeit, ständig das gesamte Spektrum der Mathematik zu wiederholen.
Übrigens: In der Realschule in Rotenburg ist die Arbeit etwas besser ausgefallen als im Landesdurchschnitt. Auch die Lehrer dort sind allerdings unzufrieden über die Art der Aufgabenstellung. Zudem sei die Klausur derart lang gewesen, dass selbst die besten Schüler kaum fertig geworden seien, sagt Schulleiter Heiner Müller. <<
__________________
Detlef Lindenthal
eingetragen von Dr. Konrad Schultz am 17.10.2005 um 12.51
"Am Problematischsten" ist wohl schon das Verständnis Herrn Sustecks von dem, worüber er schreibt.
eingetragen von Karl Eichholz am 17.10.2005 um 10.35
Angriff auf die "Schreibgemeinschaft"
Sebastian Susteck 17.10.2005
Die neue Rechtschreibung wird an den Schulen verbindlich, während ein niedersächsisches Gericht einer Reformgegnerin Recht gibt
Nach zehn Jahren Streit sind Anfang August Teile der Rechtschreibreform an den Schulen verbindlich geworden. Das vorläufig letzte Wort hatte Mitte September aber das reformkritische Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, das einer Elftklässlerin das Recht zusprach, nach den alten Regeln unterrichtet zu werden. Das Urteil dokumentiert noch einmal den Frontverlauf in einem absurden Kulturkampf.
Download (* http://www.heise.de/bin/tp/issue/r4/download.cgi?artikelnr=21124&pfad=/tp/r4/artikel/21/21124)
Am 1. August 2005 waren die Kombattanten erschöpft. Nach zehn Jahren intensiven Kampfes setzte sich die Rechtschreibreform mit verhältnismäßig wenig Getöse durch. In den Schulen von vierzehn Bundesländern gelten Teile der neuen Regeln seitdem als allein richtig. In Nordrhein-Westfalen und Bayern ist noch eine Übergangslösung in Kraft, während ein staatlicher Rat für deutsche Rechtschreibung (* http://www.rechtschreibkommission.de/) letzte Korrekturen am Regelwerk vornimmt. Dennoch kann kaum bezweifelt werden, dass die neuen Rechtschreibregeln sehr bald in Gänze und an den Schulen ganz Deutschlands alleinige Gültigkeit besitzen werden.
Die Rechtschreibreform wäre jedoch keine deutsche Reform, wenn der Kampf um sie jemals ganz beendet wäre. Der vorerst letzte Beitrag in diesem Kampf kommt daher vom Oberverwaltungsgericht Niedersachsen. Es erkannte in seiner Entscheidung (* http://www.dbovg.niedersachsen.de/Entscheidung.asp?Ind=05000200500021413%20MC) am 13. September einer Elftklässlerin den Anspruch zu, nach der alten Rechtschreibung schreiben zu dürfen und sogar nach dieser Rechtschreibung unterrichtet zu werden. Die Schülerin hatte argumentiert, die Beanstandung der alten Schreibweise diskriminiere sie und stufe sie auf den Status einer Grundschülerin zurück. Außerdem würden schlechtere Schüler durch eine Vereinfachung der Rechtschreibung bevorzugt.
Das niedersächsische Gericht verweigerte der Schülerin zwar eine einstweilige Anordnung zur Durchsetzung ihrer Rechte. Dennoch verleiht die grundsätzliche Anerkennung dieser Rechte noch einmal einer Debatte Nahrung, die Dutzende von Entscheidungen, Gegenentscheidungen, Stellungnahmen, Initiativen und Klagen hervorgebracht hat. Die Rechtschreibreform hat dabei Verwaltungsgerichte, Oberverwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sowie Volksentscheide und eine (folgenlose) Abstimmung im Bundestag provoziert (die gegen die Reform ausfiel).
Anzeige
Eine deutsche Debatte
Ob die Rechtschreibreform inhaltlich sinnvoll ist und ob sie notwendig war, ist unklar. Man darf skeptisch sein, ob das Ziel der Reform, eine deutliche Erleichterung des Schreibens zu leisten, tatsächlich erreicht wird. Die Frage ist jedoch schon lange nicht mehr, wie durchdacht oder wie sinnvoll die Regeländerungen im Einzelnen sind. Die Frage ist, weshalb um Änderungen von Rechtschreibregeln solch anhaltende Aufregung herrscht. Zu fragen ist auch, weshalb bei der Umsetzung der Reform in Deutschland Probleme auftraten, die bei der Umsetzung in Österreich und der Schweiz nicht existierten.
Befremdlich ist nicht zuletzt, dass der Streit um die Reform auch zu einem Zeitpunkt nicht abbricht, wo längst klar ist, dass sie nicht mehr zurückgenommen werden wird. Dies gilt umso mehr, als die inhaltlichen Veränderungen, die sich durch die Rechtschreibreform ergeben, verhältnismäßig gering sind. Am Problematischsten scheinen dabei ausgerechnet solche Bereiche der Reform, die in der Öffentlichkeit kaum diskutiert werden, wie die Regelung der Zeichensetzung und der Getrennt- und Zusammenschreibung (die z. Zt. noch überarbeitet werden).
Das Gewicht der Reform
Darüber hinaus sind die Veränderungen für die meisten Deutschen ohnehin nur eingeschränkt relevant. Sowieso gilt auch in Zukunft, dass privat beliebig viele Fehler gemacht werden dürfen. Auch ist die neue Schreibung lediglich in der Schule und – im Anschluss daran – in der staatlichen Verwaltung verbindlich und wird gegebenenfalls noch vom Arbeitgeber gefordert werden.
Ziel und Hoffnung der Reformer waren zwar von Anfang an, dass sich die neuen Regeln langsam ausbreiten werden, und es gibt wohl keinen Grund, dies zu hinterfragen. Dazu gezwungen, die neuen Regeln zu benutzen, werden aber faktisch nur Menschen sein, die beruflich schreiben oder die schulpflichtige Kinder haben.
Furcht vor Veränderung, Lust am Verfahren
Gemessen am Gewicht der Reform erklärt sich die Intensität und Länge der deutschen Debatte wohl vor allem aus einem Drang zur Grundsätzlichkeit und einer Abneigung gegen Veränderungen. Von Anfang an ging es deshalb nicht nur um die Frage, wie einleuchtend die neuen Regeln sind, sondern auch um die Frage, ob die in der Schule gültigen Rechtschreibregeln planmäßig geändert werden dürfen, und wenn ja, von wem.
Schon im Frühjahr 1998 lagen dreißig Entscheidungen von Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten für und gegen die Reform vor. Ab 1999 wurden vor deutschen Gerichten gleichzeitig Klagen gegen und für die neue Rechtschreibung verhandelt.
Zu den versteckten Zentralpunkten der Debatte gehört die Frage, welchen Status Rechtschreibregeln haben. Die unterschiedliche Beantwortung dieser Frage verrät viel über deutsche Befindlichkeiten und ist mit dem Urteil des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts noch einmal aktuell geworden.
Die neue Rechtschreibung und das Recht auf Bildung
Schon 1997 legten die niedersächsischen Richter eine Argumentationslinie fest, die nun noch einmal bestätigt wurde. Sie erklärten, es verstoße gegen das "Recht auf Bildung", wenn in der Schule Regeln gelehrt würden, die außerhalb der Schule nicht akzeptiert seien bzw. praktiziert würden. Entsprechender Unterricht widerspreche dem "staatlichen Erziehungsziel", die Schüler auf das "Berufsleben" vorzubereiten.
Diesen Ansatz führte das Gericht am 13. September weiter aus. Die Schule darf demnach nicht "künstlich veränderte (unübliche) Rechtschreibungen" als allein verbindlich lehren. Die neue Rechtschreibung dürfe nur ergänzend zu den alten Regeln unterrichtet werden, da "sie sich (noch) nicht im allgemeinen Schreibgebrauch durchgesetzt" habe bzw. von der "Schreibgemeinschaft" noch nicht "akzeptiert worden" sei.
Neudeutungen der Geschichte
So pragmatisch die Ausführungen der Richter anmuten, wenn sie sich um die berufliche Zukunft der Klägerin Sorgen machen, so deutlich reflektieren sich in ihnen weitere, keineswegs pragmatische Argumentationsstrategien. Dies zeigt sich bereits in der Weise, wie in der Urteilsbegründung Kategorien miteinander verbunden werden. "Künstlich verändert" ist demnach das Gegenteil von "allgemein gebräuchlich", während "allgemein akzeptiert" dasselbe heißt wie "allgemein gebraucht". Insbesondere hat das Gericht Verfahren ausgeschlossen, die historisch am Grund der deutschen Rechtschreibung liegen.
Bereits die bis 1995 allein gültige Rechtschreibung nämlich war kein Naturprodukt, sondern beruhte auf der Vereinbarung einer kleinen Gruppe von Repräsentanten des Staates, des Druckgewerbes und der Sprachwissenschaft. In Grundzügen beschlossen wurde sie als Schulorthographie auf der "II. Orthographischen Konferenz" 1901, und zwar vor allem von Verwaltungsfachleuten. Nach 1945 ging die Regelungskompetenz auf die Länder bzw. die Kultusministerkonferenz über. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht 1998 grundsätzlich bestätigt.
Der romantische Blick
Wenn das niedersächsische Gericht die Regelung der schulischen Rechtschreibung nun in die Hände der so genannten "Schreibgemeinschaft" oder des "Schreibvolkes" legt, spiegelt sich in dieser Entscheidung auch eine Haltung, die man nur als "romantisch" bezeichnen kann und die besonders bei radikalen Reformkritikern begegnet. Wo die Reformer ein vereinbartes Regelwerk sehen, das von verantwortlichen Bildungspolitikern für bestimmte Ziele geändert werden darf, erscheint die Rechtschreibung Reformgegnern nicht als planmäßig reguliert, sondern als quasi-natürlich und "organisch" aus einer Gemeinschaft erwachsen.
Die deutsche Schreibung geht demnach aus der Tiefe der deutschen Geschichte "von selbst" hervor. Sie wurzelt im Volk und ist jedem "bürokratischen" oder "technokratischen" Eingriff entzogen. Was entsteht, ist eine Arbeit am Mythos, die den Anfang der deutschen Rechtschreibung in Nebelschleier hüllt. Die Möglichkeit, über die Rechtschreibung pragmatisch zu verhandeln, wird im Urgrund der "Schreibgemeinschaft" eingeschlossen. Dem Ziel der Mythisierung entspricht auch die in der Rechtschreibdebatte immer wieder anzutreffende Gleichsetzung von "Sprache" und "Rechtschreibung".
In einer solchermaßen romantisierten Sichtweise haben Fragen wie die, ob man Schülern das Schreiben erleichtern kann und will, keinen Platz. Selbst kleine Veränderungen erscheinen stattdessen als Bedrohung, als "unnatürlich" und Verstoß gegen die Ordnung der Welt.
Gegen das Bundesverfassungsgericht
Die romantische Perspektive hat offenbar auch auf das niedersächsische Urteil abgefärbt. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht schon 1998 eine erstaunlich nüchterne und unaufgeregte Verhandlung der Rechtschreibreform geleistet (* http://www.tu-berlin.de/fb1/AGiW/Cricetus/SOzuC1/SOVsRSR/ArchivSO/BVfG_RR.htm), die die technische Qualität von Rechtschreibregeln betonte. Dabei wurde auch festgestellt, dass die zwischenmenschliche Verständigung durch die neuen Regeln selbst dort nicht gefährdet ist, wo Menschen ihnen begegnen, ohne sich mit ihnen befasst zu haben.
Die Frage, ob Schüler aufgrund der neuen Regeln von der "Schreibgemeinschaft" abgeschnitten werden könnten, wurde zwar nicht verhandelt. Immerhin stellte das Gericht mit Bezug auf das Verhältnis von Schülern und ihren Eltern aber fest, es entspreche "allgemeiner Erfahrung, dass Wissen und Können von Eltern im Prozess der Fortentwicklung und Erneuerung von Unterrichtsgegenständen und -inhalten häufig nicht mit dem Schritt halten können, was ihren Kindern in der Schule aktuell gelehrt wird". Einer solch veränderungsfreudigen Sichtweise konnten sich die niedersächsischen Richter nicht anschließen.
gefunden bei
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21124/1.html
__________________
mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz
eingetragen von Karl Eichholz am 07.10.2005 um 21.29
07. Oktober 2005
Spiegel
INTERVIEW ZUR NEUEN RECHTSCHREIBUNG
"Die arbeiten mit Tricks"
Die Oldenburger Schülerin Josephine Ahrens, 16, klagte gegen die Rechtschreibreform - und bekam Recht. Im SchulSPIEGEL-Interview erzählt sie, warum sie sich von den Gerichten trotzdem übers Ohr gehauen fühlt und was ihr an den neuen Regeln nicht passt.
Gymnasiastin Josephine: Rebellin gegen die Reform
Seit sieben Jahren schon kämpft Josephine Ahrens gegen die Rechtschreibreform. Nun hat ihr das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in einem Eilbeschluss bescheinigt, dass sie im Prinzip Recht hat und in ihren Schularbeiten weiterhin die alte Rechtschreibung benutzen darf. Auf ein Urteil kann die Elftklässlerin allerdings lange warten: Vor dem Ende ihrer Schulzeit sei damit nicht zu rechnen, sagten die Richter.
SchulSPIEGEL: Was gefällt dir an der neuen Rechtschreibung nicht?
Josephine Ahrens: Der Sinn der Reform war doch, die Sprache zu vereinfachen. Doch sie hat das Gegenteil bewirkt: Rechtschreibung ist schwieriger geworden. Die meisten Änderungen sind total verwirrend. Das Wort Fotograf etwa kann man auch Photograph oder Photograf schreiben - nur Fotograph ist falsch. Das ist unlogisch.
SchulSPIEGEL: Warum möchtest du Partizipien wie alleinstehend oder verlorengegangen nicht auseinander schreiben?
Josephine: Ich finde, dass solche Begriffe mit Verben weiterhin zusammengeschrieben werden sollten, weil der Sinn dann erhalten bleibt. Das betrifft auch die Großschreibung von mit Substantiven zusammengesetzten Verben. Leid tun wurde früher klein und auseinander geschrieben, dann plötzlich groß und auseinander, dann klein und zusammen. Das aber verändert den Sinn, genau wie bei den Partizipien. Bei einem viel versprechenden Politiker frage ich mich: Verspricht er viel und hält wenig, oder handelt es sich um einen Politiker, der gut ist für dieses Land?
SchulSPIEGEL: Hat die Rechtschreibreform auch etwas Gutes?
Josephine: Nö. Höchstens, dass die Menschen darauf aufmerksam geworden sind, dass nicht alles richtig ist, was die Politiker so veranstalten.
SchulSPIEGEL: Wie kam es zur ersten Klage?
Josephine: Das ging von meinen Eltern aus. Ich kam 1998 mit einem Diktat nach Hause, in dem ich das Wort Zucker wie gewohnt mit zwei k getrennt hatte: Zuk-ker. Meine Lehrerin hatte mir das angestrichen, denn gerade war die Rechtschreibreform eingeführt worden, nach der man Zu-cker trennen sollte. Dass diese Dinge über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden werden, hat meine Eltern so aufgeregt, dass wir vor Gericht gezogen sind.
SchulSPIEGEL: Wie werden denn jetzt deine Klassenarbeiten benotet?
Josephine: Das weiß ich noch nicht. Ich werde die alte Rechtschreibung weiter benutzen und abwarten, was passiert. Eigentlich ist meine Deutschlehrerin ganz in Ordnung - ich werde mit ihr wohl noch mal darüber reden, wie sie in Zukunft meine Arbeiten bewerten wird.
SchulSPIEGEL: Was sagen deine Mitschüler dazu, dass du eine Extrawurst haben möchtest?
Josephine: Die bekommen von dem ganzen Rummel wenig mit. Ab und zu ruft mal ein Klassenkamerad an und sagt: "Hast du's schon gesehen? Du stehst mal wieder in der Zeitung." Das ist mittlerweile zur Routine geworden. Manche Freundinnen sind begeistert, andere interessiert es gar nicht, und hat jemand eine Frage zur Rechtschreibung, ist mein Wort Gesetz. Auch wenn in der Schule die Sprache darauf kommt, muss ich immer etwas zur Rechtschreibung erzählen. Aber das ist auch alles.
SchulSPIEGEL: Wie reagieren die Lehrer?
Josephine: Bisher hat kein Lehrer negativ reagiert, im Gegenteil. Viele finden die alte Rechtschreibung besser. Von nun an muss ich wahrscheinlich mit jedem einzelnen Lehrer absprechen, dass ich die alte Rechtschreibung benutzen will. Meine alte Deutschlehrerin etwa hatte es schon ganz aufgegeben, mir meine Schreibweisen anzukreiden.
----------------
FORUM
Rechtschreibreform: Die unendliche Debatte
Diskutieren Sie mit anderen SPIEGEL-ONLINE-Lesern!
2996 Beiträge, Neuester: Heute 18.07 Uhr von ARev
----------------
SchulSPIEGEL: Du hast zwar in der Sache Recht bekommen, doch eine einstweilige Anordnung, dich anders zu unterrichten, lehnten die Richter ab. Glaubst du, dass dir deswegen ein Nachteil in der Schule entsteht?
Josephine: Die Hauptsache ist vom Gericht noch nicht beschlossen. Ich hoffe, dass möglichst bald ein Urteil gefällt wird, bevor ich aus der Schule raus bin. Sonst entfällt der Klagegrund, und das Ganze wird zu den Akten gelegt. Meiner Meinung nach wurde da mit Tricks gearbeitet: Man schiebt meinen Fall so lange auf, bis er sich von selbst erledigt. Ein Nachteil wird mir trotzdem nicht entstehen. Zwar wähle ich Deutsch als Schwerpunkt für die Oberstufe, aber dann kommt es mehr auf den Inhalt als die Form an. Eines hat mir dieses Verfahren aber beigebracht: Der Politik sollte man mit Vorsicht begegnen.
Das Gespräch führte Carola Padtberg
http://www.spiegel.de/unispiegel/schule/0,1518,378110,00.html
__________________
mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz
eingetragen von Sigmar Salzburg am 04.10.2005 um 06.43
Rechtschreibreform erneut vor Gericht
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit seinem Beschluß vom 13. September einen Weg aufgezeigt, auf dem die Rechtschreibreform doch noch juristisch gestoppt werden könnte. Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hatte 1998 entschieden, daß die Kultusminister von Verfassungs wegen nicht gehindert seien, den Schulen eine neue Rechtschreibung zu verordnen, weil ihre Prognose vertretbar sei, die neue Rechtschreibung würde sich alsbald allgemein durchsetzen und die Schüler somit nur bereits lernen, wie in absehbarer Zeit alle schreiben würden. Sieben Jahre später liegt jedoch offen zutage, daß diese Rechnung nicht aufgegangen ist. Belletristik wie Sachbücher erscheinen weiterhin überwiegend in der herkömmlichen Orthographie, und dem guten Beispiel dieser Zeitung, die bereits nach einem Jahr des Erscheinens in der Neuschreibung zur bewährten Rechtschreibung zurückkehrte, sind inzwischen die bedeutendsten Zeitungsverlage gefolgt. Hinzu kommt, daß selbst die amtlichen Reformer die mangelnde Praxistauglichkeit des am linguistischen Reißbrett entworfenen Reformwerkes einsehen mußten.
Das amtliche Regelwerk von 1996 ist deshalb bereits teilweise zurückgenommen worden, indem viele dem amtlichen Regelwerk von 1996 widersprechende Schreibweisen mit Billigung der Kultusminister in späteren Neuauflagen der Wörterbücher wieder zugelassen wurden. Nur die Kultusministerkonferenz sieht in einer Realitätsferne, die an das SED-Politbüro erinnert, die Reform weiter auf gutem Wege. Zum Mauerfall in Sachen Rechtschreibreform könnte nun der Beschluß des Niedersächsischen OVG führen. Denn das Gericht stellte fest, daß die klagende Schülerin „verlangen [könne], daß sie nicht nur in der reformierten Rechtschreibung unterrichtet wird, sondern auch nach Maßgabe der von ihr bevorzugten herkömmlichen“. Denn aus dem Recht auf Bildung der niedersächsischen Verfassung sowie dem Schulgesetz des Landes ergebe sich ein „Anspruch darauf ..., in der ,richtigen‘ Rechtschreibung unterrichtet zu werden“, wobei als richtig nur die „allgemein übliche Schreibweise“ anzuerkennen sei. Zwar dürften in der Schule „zusätzlich auch solche Schreibweisen behandelt (unterrichtet) werden, die reformerischen Wünschen entsprechen. Diese dürfen jedoch solange nicht als ‚richtig‘ deklariert werden, wie sie sich (noch) nicht im allgemeinen Schreibgebrauch durchgesetzt haben, das heißt allgemein akzeptiert worden sind“. Da das OVG die letzte Instanz für die Auslegung von Landesrecht ist, steht mit diesem Beschluß fest, daß die Schulverwaltung Niedersachsens kraft Gesetzes verpflichtet ist, in ihren Schulen die herkömmliche Orthographie weiter zu lehren. Denn obwohl diese Entscheidung nur eine einzelne Schülerin betraf, ist die Verwaltung eines Rechtsstaates gehalten, gleiches Recht für alle anzuwenden.
Da das Bundesverfassungsgericht seinerzeit lediglich darüber entscheiden konnte, daß das Grundgesetz der Durchführung einer Rechtschreibreform nicht entgegenstünde, können die Verwaltungsgerichte auch anderer Bundesländer ohne Verstoß gegen diese Rechtsprechung aufgrund der Auslegung ihrer jeweiligen Landesverfassungen und Schulgesetze einen Anspruch der Schüler ihres Landes darauf bejahen, auch künftig neben den reformierten die herkömmlich richtigen Schreibweisen gelehrt zu bekommen. Dann besteht für Privatpersonen und Verlage nicht mehr der geringste Anlaß, von der allgemein üblichen Schreibung abzuweichen, da sie davon ausgehen können, daß künftige Schulabgänger diese weiter beherrschen. Bleibt die herkömmliche Orthographie jedoch außerhalb der Schule weiterhin die allgemein übliche, sind die Schulen dauerhaft verpflichtet, beide Schreibweisen zu lehren. Diese absurde Situation müßte dann wohl selbst die Kultusministerkonferenz zu der Einsicht bringen, daß eine Weiterführung der Reform sinnlos ist und die von ihr selbst als notwendig beschworene Einheitlichkeit der Rechtschreibung nur dadurch erreicht werden kann und muß, daß sie ihre Beschlüsse zur Einführung der Rechtschreibreform zurücknimmt. Es könnte deshalb sinnvoll sein, auch in anderen Bundesländern gegen den ausschließlichen Unterricht in der Neuschreibung zu klagen.
Dr. Wolfgang Kopke, Mainz
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Briefe an die Herausgeber
4.10.2005, Nr. 230, S.15
__________________
Sigmar Salzburg
eingetragen von Karl Eichholz am 30.09.2005 um 19.48
30. September 2005
PROZESS
16-Jährige gewinnt Klage gegen Rechtschreibreform
Eine Oldenburger Schülerin setzt sich mit ihrer Beschwerde gegen die neue Rechtschreibung durch: Die Richter bescheinigten Josephine Ahrens, 16, dass ihre alten Schreibweisen nicht als falsch gewertet werden dürfen.
DPA
Reform-Debakel: Teeei, Tee-Ei oder Teei?
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hat nach Informationen des SPIEGEL einer Schülerin in der Sache Recht gegeben, die gegen die Rechtschreibreform geklagt hat. In ihrem jetzt vorliegenden Beschluss eines Eilverfahrens bescheinigen die Richter der 16-jährigen Josephine Ahrens aus Oldenburg, dass in ihren Schularbeiten die "herkömmliche Rechtschreibung" weder beanstandet noch als falsch gewertet werden dürfe. Außerdem habe sie Anspruch darauf, in der "von ihr bevorzugten" alten Orthografie unterrichtet zu werden.
Das OVG begründet seinen Beschluss damit, dass die allgemein akzeptierte Rechtschreibung auch die richtige sei. Es sei aber "höchst zweifelhaft", ob das auf die neugeregelte Orthografie zutreffe. "Erhebliche Teile im deutschen Volke" lehnten die Reform der Kultusminister ab, und in Presse und Literatur würden "zunehmend" wieder die alten Regeln gelten.
------------
FORUM Rechtschreibreform: Die unendliche Debatte
Diskutieren Sie mit anderen SPIEGEL-ONLINE-Lesern!
2900 Beiträge,Neuester: Heute 19.47 Uhr
von Sigmar Salzburg
------------
Hart kritisieren die Richter auch das Rechtschreiburteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998: Einerseits gehe Karlsruhe davon aus, eine Schreibweise müsse im Land allgemein üblich sein, um verbindlich sein zu können. Andererseits bestätige das Urteil selbst, dass die neue Schreibweise den Unterricht einer erst noch zu erwartenden Änderung anpasse. Das sei "denkgesetzlich unmöglich".
Dennoch habe das Verfassungsgericht den Kultusministern erlaubt, die Reform an Schulen und Behörden einzuführen. Eine einstweilige Anordnung an den niedersächsischen Kultusminister, die alte Rechtschreibung gelten zu lassen, wollten die Lüneburger Richter allerdings nicht erteilen. Die Schülerin müsse auf ein Urteil warten, mit dem aber vor "Ende der Schulzeit der Antragstellerin" nicht zu rechnen sei.
Josephine Ahrens hatte 1998 erstmals gegen die Einführung der neuen Rechtschreibung geklagt und durchgesetzt, nach den alten Regeln unterrichtet zu werden. Diese Entscheidung hob das Oberverwaltungsgericht Lüneburg im Juni 2001 wieder auf.
http://www.spiegel.de/unispiegel/schule/0,1518,377546,00.html
__________________
mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz
eingetragen von Karl Eichholz am 30.09.2005 um 19.41
Rechtsstreit: 16-Jährige gewinnt Klage gegen Rechtschreibreform
Der Spiegel berichtet, dass eine 16-Jährige vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg erfolgreich gegen die neue Rechtschreibreform geklagt hat.
Na das kann ja heiter werden, für die unterrichtenden Lehrer wird das wohl nicht einfacher werden - für Schüler erst recht nicht.
Ob hier in den nächsten Jahren noch einmal ein Konsens erzielt wird, der bundesweit akzeptiert ist, darf bewzeifelt werden.
Lesen Sie den ganzen Text im Spiegel:
Rechtsstreit: 16-Jährige gewinnt Klage gegen Rechtschreibreform
http://www.spiegel.de/unispiegel/schule/0,1518,377546,00.html
gefunden bei:
http://www.reticon.de/reviews/1042.html
__________________
mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz
eingetragen von Karl Eichholz am 30.09.2005 um 19.37
Die Welt:
Gerichtsurteil: Schülerin darf klassische Rechtschreibung benutzen
Es sei höchst zweifelhaft, daß die neue Rechtschreibung von großen Teilen im deutschen Volke akzeptiert werde, begründete das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Entscheidung
Lüneburg - Eine 16jährige Gymnasiastin aus Oldenburg kann laut einem Gerichtsbeschluß weiterhin die klassische Rechtschreibung benutzen. Die Schülerin dürfe in diesem Fall „keine schwerwiegenden Nachteile“ haben, urteilte das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg. Zugleich wiesen die Richter einen Erlaß zum sofortigen Stopp der Rechtschreibreform ab, wie am Freitag bekannt wurde. Die Reform ist am 1. August in 14 Bundesländern verbindlich in Kraft getreten, darunter auch in Niedersachsen.
Die Richter gaben der Gymnasiastin insoweit Recht, als ihre Berufung gegen ein zurückweisendes Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover zugelassen wurde. Schüler müßten in einer allgemein akzeptierten Rechtschreibung unterrichtet werden, hatte das OVG in zwei Entscheidungen am 7. und 13. September geurteilt. Diesem Grundsatz widerspreche es, wenn im Wege der Rechtschreibreform geänderte Schreibweisen „dann allein für verbindlich erklärt würden, wenn sie sich noch nicht allgemein durchgesetzt“ hätten. Das sei bei der Rechtschreibreform der Fall. Die 1996 beschlossene Reform war 1998 in den meisten Bundesländern eingeführt worden, wurde aber erst am 1. August 2005 verbindlich.
Die Richter begründeten ihren Entschluß damit, es sei höchst zweifelhaft, daß die neue Rechtschreibung von großen „Teilen im deutschen Volke“ akzeptiert werde. Auch Presse und Verlage benutzten zunehmend die klassische Rechtschreibung, erklärten sie zur Begründung. „Die Schülerin bekommt dennoch weiter Fehler angestrichen wie ihre Kameraden auch“, sagte der Sprecher des Oberverwaltungsgerichts, Richter Jürgen Rettberg. WELT.de/AP
Artikel erschienen am Fr, 30. September 2005
http://www.welt.de/data/2005/09/30/783051.html
Kommentar:
Hier ist der Wortlaut des Gerichtes ein wenig zu lang von der falschen (oder eben doch richtigen) Seite gebraten worden.
Wenn sich der Tenor in der Presse durchsetzt, fällt die Reform schon in einer Woche.
Huch? der keiser hat ja jaanüscht an!
__________________
mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz
eingetragen von Karl Eichholz am 30.09.2005 um 19.26
Gericht stärkt alte Rechtschreibung
Richter weist Klage aber ab
Foto: ddp
http://www.freiepresse.de/TEXTE/NACHRICHTEN/KULTUR/BILDTEXTE/1077668.html
(Lupe über Wörterbuchseite wäßrig - wässrig, weichgekocht - weich gekocht)
Lüneburg (ddp). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hat grundsätzlich die alte Rechtschreibung gestärkt. «Wir empfinden sehr viel Sympathie mit der alten Regelung und haben den Anspruch anerkannt, wonach Schüler in der Rechtschreibung unterrichtet werden könnten, die in der Gesellschaft allgemein praktiziert wird», sagte Richter Jürgen Rettberg am Freitag der Nachrichtenagentur ddp.
Diesem Grundsatz widerspreche es, wenn im Wege einer Rechtschreibreform geänderte Schreibweisen dann allein für verbindlich erklärt würden, wenn sie sich noch nicht allgemein durchgesetzt hätten. Letzteres sei hinsichtlich der Reform von 1996, die - von der Öffentlichkeit eher unbemerkt - 2004 durch eine neue Reform ersetzt wurde, der Fall.
Rettberg widersprach allerdings der Darstellung des "Spiegel». Das Nachrichtenmagazin hatte vorab berichtet, das Gericht habe einer Schülerin Recht gegeben, die verlangt hatte, dass in ihren Schularbeiten die «herkömmliche Rechtschreibung» weder beanstandet noch als falsch gewertet werden dürfte. «Wir haben lediglich ihrer Berufung stattgegeben», sagte Rettberg.
Nach Angaben des Richters war die von der Schülerin aus Oldenburg verlangte einstweilige Anordnung zum sofortigen Stopp der Reform zuvor abgelehnt worden. Die Antragstellerin habe «schwerwiegende Nachteile» nicht zu befürchten, wenn ihre den herkömmlichen Rechtschreibregeln entsprechenden Schreibweisen im Schulunterricht beanstandet würden, hieß es zur Begründung. (Urteil vom 13. September 2005 - 13 MC 214/05)
Die Schülerin habe also keinen Anspruch darauf, in der «von ihr bevorzugten» alten Orthografie unterrichtet zu werden. «Da bräuchte man ja zwei Lehrer», sagte Rettberg. Sie müsse genauso behandelt werden, wie alle anderen und nicht sanktionslos die alte Rechtschreibung verwenden. Die Berufung werde nicht mehr im Schuljahr 2005/2006 entschieden.
(ddp)
http://www.freiepresse.de/TEXTE/NACHRICHTEN/KULTUR/TEXTE/346153.html
__________________
mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz
eingetragen von Detlef Lindenthal am 30.09.2005 um 16.20
>>30. September 2005
Gericht stärkt alte Rechtschreibung
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hat einer Schülerin in der Sache recht gegeben, die gegen die Rechtschreibreform geklagt hat. In ihrem jetzt vorliegenden Beschluss eines Eilverfahrens bescheinigen die Richter der 16-jährigen Josephine Ahrens aus Oldenburg, dass in ihren Schularbeiten die "herkömmliche Rechtschreibung" weder beanstandet noch als falsch gewertet werden dürfe. Außerdem habe sie Anspruch darauf, in der "von ihr bevorzugten" alten Orthografie unterrichtet zu werden. Das OVG begründet seinen Beschluss damit, dass die allgemein akzeptierte Rechtschreibung auch die richtige sei. Es sei aber "höchst zweifelhaft", ob das auf die neugeregelte Orthografie zutreffe. "Erhebliche Teile im deutschen Volke" lehnten die Reform der Kultusminister ab, und in Presse und Literatur würden "zunehmend" wieder die alten Regeln gelten.
Hart kritisieren die Richter auch das Rechtschreiburteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998: Einerseits gehe Karlsruhe davon aus, eine Schreibweise müsse im Land allgemein üblich sein, um verbindlich sein zu können. Andererseits bestätige das Urteil selbst, dass die neue Schreibweise den Unterricht einer erst noch zu erwartenden Änderung anpasse. Das sei "denkgesetzlich unmöglich". Dennoch habe das Verfassungsgericht den Kultusministern erlaubt, die Reform an Schulen und Behörden einzuführen. Eine einstweilige Anordnung an den niedersächsischen Kultusminister, die alte Rechtschreibung gelten zu lassen, wollten die Lüneburger Richter allerdings nicht erteilen. Die Schülerin müsse auf ein Urteil warten, mit dem aber vor "Ende der Schulzeit der Antragstellerin" nicht zu rechnen sei.<<
http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,377407,00.html
__________________
Detlef Lindenthal
eingetragen von Detlef Lindenthal am 30.09.2005 um 16.14
>>Gericht stärkt alte Rechtschreibung
Alte Schreibweisen in Schularbeiten nicht zu beanstanden
Hamburg (ddp). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hat einer Schülerin in der Sache recht gegeben, die gegen die Rechtschreibreform geklagt hat. Wie das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» am Freitag vorab berichtet, bescheinigen die Richter in dem jetzt vorliegenden Beschluss eines Eilverfahrens der 16-Jährigen aus Oldenburg, dass in ihren Schularbeiten die «herkömmliche Rechtschreibung» weder beanstandet noch als falsch gewertet werden dürfe. Außerdem habe sie Anspruch darauf, in der «von ihr bevorzugten» alten Orthografie unterrichtet zu werden.
Das OVG begründe seinen Beschluss damit, dass die allgemein akzeptierte Rechtschreibung auch die richtige sei, schreibt das Magazin. Es sei aber «höchst zweifelhaft», ob das auf die neugeregelte Orthografie zutreffe. «Erhebliche Teile im deutschen Volke» lehnten die Reform der Kultusminister ab, und in Presse und Literatur würden «zunehmend» wieder die alten Regeln gelten.
Die Richter kritisierten den Angaben zufolge auch das Rechtschreiburteil des Bundesverfassungsgerichts von 1998: Einerseits gehe Karlsruhe davon aus, eine Schreibweise müsse im Land allgemein üblich sein, um verbindlich sein zu können. Andererseits bestätige das Urteil selbst, dass die neue Schreibweise den Unterricht einer erst noch zu erwartenden Änderung anpasse. Das sei «denkgesetzlich unmöglich».
Dennoch habe das Verfassungsgericht den Kultusministern erlaubt, die Reform an Schulen und Behörden einzuführen. Eine einstweilige Anordnung an den niedersächsischen Kultusminister, die alte Rechtschreibung gelten zu lassen, wollten die Lüneburger Richter allerdings nicht erteilen. Die Schülerin müsse auf ein Urteil warten, mit dem aber vor «Ende der Schulzeit der Antragstellerin» nicht zu rechnen sei.<<
http://www.freiepresse.de/TEXTE/NACHRICHTEN/KULTUR/TEXTE/346067.html
__________________
Detlef Lindenthal
eingetragen von Karl Eichholz am 19.09.2005 um 09.17
16.09.2005
Wer herkömmlich schreibt, macht keinen Fehler
LÜNEBURG, 16. September (dpa). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat Gegner der Rechtschreibreform gestärkt. Das Gericht gab einer Schülerin aus Oldenburg teilweise recht, die weiter alte Schreibweisen verwenden will, ohne sie in Klassenarbeiten als Fehler angestrichen zu bekommen.
F.A.Z. vom 17.09.2005
http://www.faz.net/IN/INtemplates/faznet/default.asp?tpl=common/zwischenseite.asp&doc={AFFC49B4-6E86-4497-849C-082E5B2EAF6C}&rub={71F0F92B-94C2-40AF-8193-D17861D4690E}
Dieser Beitrag ist für eingeloggte Abonnenten der Frankfurter Allgemeine Zeitung frei zugänglich.
Sie können sich in der linken Spalte direkt einloggen.
Auch wenn Sie die F.A.Z. nicht abonniert haben, können Sie diesen Beitrag zum Preis von 1,50 € für 24 Stunden nutzen
__________________
mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz
eingetragen von Karl Eichholz am 18.09.2005 um 01.37
Das erstinstanzliche Urteil ist zu finden unter
http://www.dbovg.niedersachsen.de/Entscheidung.asp?Ind=0520020040067176%20A
Es trägt das Aktenzeichen
6 A 6717/04
VG Hannover
Urteil vom 09.06.2005
Rechtsschreibreform in Niedersachsen - Ablauf der Übergangsfrist
-------
Es ist sehr umfangreich, aber insofern lohnend, als auch Gesetze, die den Bildungsauftrag an Niedersächsischen Schulen betreffen, zitiert werden.
Mit der Zulassung der Revision ist nunmehr der Weg offen für eine erneute Verhandlung, deren Termin noch nicht festliegt.
__________________
mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz
eingetragen von Karl Eichholz am 17.09.2005 um 19.41
Oberverwaltungsgericht lehnt Erlass einer einstweiligen Anordnung in Sachen Rechtschreibreform ab
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 13. Senat - hat am 7. September 2005 (13 LA 209/05) und am 13. September 2005 (13 MC 214/05) in zwei Verfahren, welche die (Teil-)Verbindlichkeit der Rechtschreibreform ab dem Schuljahr 2005/2006 betreffen, seine Rechtsprechung bekräftigt, wonach Schüler nach dem Schulrecht Anspruch darauf haben, in der Schule in der Rechtschreibung unterrichtet zu werden, die in der Gesellschaft allgemein praktiziert wird. Diesem Grundsatz widerspreche es, wenn im Wege einer Rechtschreibreform geänderte Schreibweisen (schon) dann allein für verbindlich erklärt würden, wenn sie sich noch nicht allgemein durchgesetzt hätten. Letzteres sei hinsichtlich der Reform von 1996, die – von der Öffentlichkeit eher unbemerkt – im Jahre 2004 durch eine neue Reform ersetzt worden ist, der Fall.
Eine Schülerin aus Oldenburg i. O., deren Eltern gegen die Einführung der Rechtschreibreform 1996 erfolglos geklagt hatten und die auch in dem neuen Schuljahr, in dem sie die 11. Klasse eines Gymnasiums besucht, weiterhin sanktionslos nach herkömmlicher Rechtschreibung schreiben möchte, bekam insoweit Recht, als ihre Berufung gegen ein ihr Begehren zurückweisendes Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover zugelassen wurde. Obgleich das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht auch in einem weiteren Verfahren den entsprechenden Anspruch prinzipiell anerkannt hat, lehnte es den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung auf sofortigen Stopp der Reform ab, und zwar mit der Begründung, dass die Antragstellerin "schwerwiegende Nachteile" nicht zu befürchten habe, wenn ihre den herkömmlichen Rechtschreibregeln entsprechenden Schreibweisen im Schulunterricht beanstandet würden.
RiOVG Dr. Jürgen Rettberg
Nds. Oberverwaltungsgericht
Pressestelle
Uelzener Str. 40
21335 Lüneburg
http://www.oberverwaltungsgericht.niedersachsen.de/master/C13306121_N3096431_L20_D0_I3070902.html
__________________
mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz
eingetragen von Sigmar Salzburg am 17.09.2005 um 19.34
Die Entscheidung des OVG ist ein erfreuliches Geschenk zum heutigen 17. September,
dem Jahrestag der parlamentarischen Niederschlagung des Volksaufstandes gegen die Rechtschreibreform am 17. September 1999.
__________________
Sigmar Salzburg
eingetragen von Detlef Lindenthal am 17.09.2005 um 08.38
>>Rechtschreibreform: Gericht stärkt Gegner
Lüneburg - Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat Gegner der Rechtschreibreform gestärkt. Das Gericht gab einer Schülerin aus Oldenburg teilweise Recht, die weiterhin alte Schreibweisen verwenden will, ohne sie in Klassenarbeiten als Fehler angestrichen zu bekommen. "Sie hat Anspruch darauf, daß in ihren Arbeiten die herkömmliche Rechtschreibung nicht beanstandet, das heißt als falsch gewertet wird", heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Beschluß des Gerichtes.
Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Hannover war die Elftkläßlerin Josephine Ahrens aus Oldenburg im Juni gescheitert. Gegen dieses Urteil hat nun das OVG die Berufung zugelassen. Den Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur sofortigen Durchsetzung der Interessen der Schülerin lehnte das Gericht aber ab.
Der Rechtstreit wird nun mit einer Verhandlung vor dem OVG fortgesetzt. Ein Termin dafür steht aber noch nicht fest. (AZ: 13 LA 209/05 und 13 MC 214/05).
Die Schülerin aus Oldenburg habe durch die verbindliche Einführung der Reform "keine gravierenden Nachteile" zu befürchten, urteilte der 13. Senat des OVG. Aus der Entscheidungsbegründung ergibt sich aber, daß die Lüneburger Richter eine Verlängerung der Übergangsfrist für richtig gehalten hätten.
Die neue Rechtschreibung sei in der Gesellschaft nicht akzeptiert. "Es ist tatsächlich nicht offen erkennbar, was derzeitiger Stand der Reform ist", heißt es in der Entscheidung. Es dürfe sogar bezweifelt werden, daß die 2004 eingeführten Regeln den Lehrern geläufig sind. Das Urteil hat für andere Schüler allerdings keinerlei Auswirkungen, erläuterte ein Gerichtssprecher die Entscheidung.
Die Rechtschreibreform hat bereits mehrfach Gerichte beschäftigt, überwiegend ergingen Urteile zu Gunsten der Reform. Josephine Ahrens hatte im Frühjahr 1998 vor dem Verwaltungsgericht Hannover für sich durchgesetzt, nach den alten Regeln unterrichtet zu werden. Diese Entscheidung hob das Oberverwaltungsgericht Lüneburg im Juni 2001 wieder auf. dpa
Artikel erschienen am Sam, 17. September 2005<<
http://www.welt.de/data/2005/09/17/776547.html
__________________
Detlef Lindenthal
eingetragen von Sigmar Salzburg am 14.09.2005 um 19.57
Erster landesweiter Deutschtest in Niedersachsen - Note 2,53
13.09.2005: Hannover/MVr Niedersachsens Grundschüler schneiden mit ihren Deutschkenntnissen gerade noch gut ab.
Den ersten landesweiten Deutschtest der dritten Grundschulklasse absolvierten die Schüler
mit der Durchschnittsnote 2,53, wie Kultusminister Bernd Busemann (CDU) am Dienstag in Hannover sagte. Anfang Juni hatten landesweit rund 78.500 Drittklässler an dem Test teilgenommen.
55,3 Prozent der Schüler hätten sehr gute oder gute Noten im Bereich Rechtschreibung erzielt, sagte Busemann. Weitere 27,3 Prozent schnitten befriedigend ab, 12,1 Prozent schafften ein ausreichendes Ergebnis. 5,3 Prozent der Schüler erhielten mangelhafte oder ungenügende Noten.
Busemann bezeichnete das Gesamtergebnis als "erfreulich". Es wurden nur die unstrittigen Teile der Rechtschreibreform geprüft. Im Lesen zeigten 37,5 Prozent der Schüler gute bis sehr gute Leistungen und 53,9 Prozent schnitten befriedigend bis ausreichend ab.
Wie bereits in der PISA-Studie hätten die Mädchen in Deutsch im Durchschnitt bessere Leistungen gezeigt als die Jungen. Das war im Mathetest ein Jahr vorher noch umgekehrt. Auch die Auswertung nach der Erstsprache der Kinder entspricht den Erwartungen. Die Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, schnitten durchweg schlechter ab als ihre deutschsprachigen Mitschüler, sagte Busemann.
Der nächste Test, dieses Mal wieder in Mathematik, steht am 8. Juni 2006 an. Diese Vergleichsarbeiten dienen der Qualitätsentwicklung an den Schulen.
MVregio Landesdienst ddp/han
Artikel erstellt: 13.09.2005, 10:34
http://www.mvregio.de/7177.html
__________________
Sigmar Salzburg
eingetragen von Duden am 22.08.2005 um 06.34
Die „Reform“ frißt sich selber auf, oder wie? (Jeder Medienschreiber sollte sich ruhig nochmals durchlesen, was er geschrieben hat.)
newsclick schrieb:
RECHTSCHREIBREFORM: Teile der Rechtschreibreform werden ... in Klassenarbeiten als Fehler angestrichen
eingetragen von Sigmar Salzburg am 21.08.2005 um 19.36
Was sich an den Schulen in Niedersachsen im kommenden Jahr ändert
[…]
LESE-/RECHTSCHREIBSCHWÄCHE: Die Versetzung von Kindern mit ausgeprägten Lernstörungen beim Lesen und Schreiben (Legasthenie) ist bis Ende der 10. Klasse nicht gefährdet. Auch im Fremdsprachen- Unterricht wird darauf Rücksicht genommen - und bis zum Ende der 4. Klasse auch auf eine Rechenschwäche (Dyskalkulie). Solche Lernstörungen sind nicht auf mangelnde Intelligenz zurückzuführen.
[…]
RECHTSCHREIBREFORM: Teile der Rechtschreibreform werden verbindlich und in Klassenarbeiten als Fehler angestrichen: So die neuen Regeln für die Groß- und Kleinschreibung und die Laut- Buchstaben-Zuordnung (Stängel statt Stengel oder aufwändig statt aufwendig). In Streitfällen soll erst im kommenden Jahr eine verbindliche Regelung festgelegt werden, vor allem bei der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Silbentrennung und der Zeichensetzung. In diesen Bereichen sollen die Lehrer Fehler noch nicht werten.
http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2046/artid/4431971
Wieder so eine saudumme Falschmeldung: „aufwendig" ist auch an den Schulen immer noch gültige Rechtschreibung.
__________________
Sigmar Salzburg
eingetragen von Sigmar Salzburg am 20.08.2005 um 12.16
Aus der Neuen Osnabrücker Zeitung
Neue Rechtschreibregelung und generelles Rauchverbot
Meppen (wb)
Der Erlass zur Rechtschreibung muss jetzt zu Beginn des neuen Schuljahres in allen Schulen umgesetzt werden. Gleichzeitig tritt zum Schuljahresbeginn als weitere Neuerung das absolute Rauchverbot in der Schule für Schüler, Lehrer und auch das Reinigungspersonal in Kraft.
Laut Erlass des Ministeriums vom 21. Juli endete am 31. Juli eine Übergangszeit, in der Fehler markiert, aber nicht bewertet wurden. Regierungsschuldirektor Heiner Reinert erläuterte in einem Gespräch mit unserer Zeitung, dass es zu keinen nennenswerten Schwierigkeiten in der Schule kommen werde. Schließlich seien fast alle Schüler seit Beginn der Einschulung nach den Regeln der neuen Rechtschreibung unterrichtet worden.
Die Rechtschreibreform beweise, so berichtete der Vertreter der Landesschulbehörde, dass die Sprache lebe und dynamisch sei und sich laufend verändere. Jede große Reform der Rechtschreibung brauche viel Zeit, um von der Bevölkerung akzeptiert zu werden. Für Schulen und staatliche Einrichtungen sowie Behörden seien die Rechtschreibregeln verbindlich. Es bleibe aber das Problem des geschriebenen Wortes in Publikationen. Auch Presse und Buchverlage sollten sich der Reform nicht verschließen, damit die Schüler dem gedruckten Wort das nötige Vertrauen entgegenbringen könnten.
Neue Osnabrücker Zeitung 20.08.2005 (online)
http://www.neue-oz.de/information/noz_print/kreis_emsland/11629174.html
eingetragen von 1 am 19.08.2005 um 07.25
Rechtschreibung spaltet ein Dorf
Siedlung wird durch Landesgrenze geteilt - Verwirrung für Schüler
von Juliane Albrecht
Bruchmühlen - Die Grenze zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist im gespaltenen Ort Bruchmühlen allgegenwärtig - nicht erst seit der unterschiedlichen Handhabung der Rechtschreibreform. An Fronleichnam und Allerheiligen ist auf der einen Straßenseite - nämlich in Bruchmühlen im NRW-Kreis Herford - Feiertag und die Geschäfte sind dicht. Auf dem Bürgersteig gegenüber - in Bruchmühlen im niedersächsischen Kreis Osnabrück - wird munter der Einkaufslust gefrönt.
Zum bevorstehenden Schulbeginn nun wird die imaginäre Mauer noch höher: Das Gezänk um die Rechtschreibreform spaltet das Zweiländer-Dorf und sorgt bei Bewohnern wie Lehrern für Unverständnis. Während das CDU-geführte Niedersachsen die neue Rechtschreibung zum 1. August verbindlich eingeführt hat, wird im ebenfalls CDU-dominierten Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Bayern gemauert. Die neuen Regeln gelten hier zwar auch, nur haben sogenannte Verwechslungsfehler keine Auswirkungen auf die Note.
Eine "echte Lachnummer" sei das, findet Schulleiter und Deutschlehrer Andreas Stork (48), allerdings weniger mit Blick auf die Rechtschreibung als vielmehr auf die Eskapaden der föderalen Schulpolitik. An der Gesamtschule der Gemeinde Rödinghausen, zu der der NRW-Teil Bruchmühlens gehört, werden nächste Woche wieder rund 800 Schüler unterrichtet - etwa 100 davon "reisen" aus dem nahen Niedersachsen an. Geschwisterpaare, die dies- und jenseits die Schulbank drücken, könnten also demnächst bei gleicher Leistung unterschiedlich benotet werden.
"Alles nur rein theoretisch", sagt der didaktische Leiter der Gesamtschule, Wolfgang Ermshaus, "die neuen Rechtschreibregeln sind den Schülern längst ins Blut übergegangen". Die Quote der Verwechslungsfehler liege im Promillebereich. "Da wird "Fluss" eher mit nur einem "s" geschrieben, aber das frühere "ß" ist Vergangenheit", schildert der 58jährige.
Die Teilung selbst ist kein Akt von Willkür: Der Grenzverlauf - einst zwischen Preußen und dem Königshaus Hannover - existierte schon vor Entstehung einer Siedlung.
http://www.welt.de/data/2005/08/19/762006.html
eingetragen von margel am 08.07.2004 um 15.21
Es ehrt den niedersächsischen Ministerpräsidenten, daß er auch jetzt, wo er an der Macht ist, bei seiner früheren Einsicht und Haltung bleibt. Was erlebt man nicht sonst alles bei Politikern an anterograder Amnesie. Vergessen wir aber nicht, daß auch G. Schröder seinerzeit seinen Kultusminister Wernstedt in die Wüste schickte - nur folgte daraus leider nichts weiter.
eingetragen von Matthias Dräger am 08.07.2004 um 13.42
Die Welt, 2. 4. 1997
Die andere Meinung
----------------------------
Die Rechtschreibreform ist unsinnig und teuer
Von CHRISTIAN WULFF
Der geplanten Reform der deutschen Rechtschreibung bläst seit Wochen ein Proteststurm entgegen, der von Tag zu Tag an Heftigkeit zunimmt, das umstrittene Gedankengebäude der Reformer längst ins Wanken gebracht hat und es, bleibt zu hoffen, letztlich auch zum Einsturz bringen wird.
Eindrucksvoll, wie ich meine, hat die „Frankfurter Erklärung“ von renommierten Wissenschaftlern und Publizisten die Öffentlichkeit auf die Folgen der sogenannten Reform hingewiesen. Die damit verbundene Forderung nach sofortigem Ausstieg aus dieser verfehlten Neuregelung hat zudem breiten Rückhalt in der Bevölkerung gefunden. In Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben sie Bürger gegen die Reformpläne zusammengeschlossen, streben ein Volksbegehren an. Innerhalb nur weniger Tage wurde in München und Kiel das erforderliche Quorum nicht nur erreicht, sondern deutlich überschritten.
Für diese Rechtschreibreform gibt es offensichtlich keinerlei Akzeptanz in der Bevölkerung. Warum auch? Die sogenannte Reform entpuppt sich zunehmend als ein unausgegorenes Konstrukt, das in sich widersprüchlich ist, eine unübersehbare Kostenlawine verursacht und zur Verunsicherung im Verhältnis der Generationen führt.
Sichtbares Zeichen für die durch das umstrittene Reformwerk hervorgerufene Konfusion ist die Tatsache, daß nicht einmal die Verlage der vorliegenden Wörterbücher einwandfrei klären können, welche Regelungen künftig gelten sollen. Es ist nur noch als Bankrotterklärung zu bewerten, wenn die Reformer als Konsequenz der Verwirrung, die sie hervorriefen und –rufen, nun flugs eine Reform der Reform vorschlagen.
Nach Meinung von Experten wird die im Zuge der Reform notwendige Umstellung schulischer und amtlicher Texte, aber auch die aus den Neuregelungen resultierende Umstellung anderer Schriften „hohe volkswirtschaftliche Kosten“ verursachen. So erklärte der Verband deutscher Zeitschriftenverleger – er muß es schließlich wissen – auf seiner Jahreshauptversammlung im November 1996: „Die Reform ist überflüssig, kostet das Verlagsgewerbe Millionen von Mark und wird uns alle über lange Jahre teuer zu stehen kommen.“ Den kritisierten Kosten steht kein entsprechender Nutzen gegenüber. Zu Recht sprach der Präsident des Goethe-Instituts von einer „Verhunzung der Sprache und unseres kulturellen Erbes“. So führt die im Gegensatz zur gewachsenen Zusammenschreibung rigoros verordnete Getrenntschreibung dazu, daß das Verb „wiedersehen“, eines der emotionalsten Wörter der deutschen Sprache, der Reform zum Opfer fällt. Die Verwirrung, die die neuen Rechtschreibregeln hervorrufen, werden nach Einführung der Reform die vielfach beklagte mangelhafte Qualität des Umgangs mit Sprache und Literatur in der jungen Generation nur noch verschlechtern – weil unsere Schriftsprache der Beliebigkeit geopfert wird.
Der Widerstand gegen die unsinnige Neuregelung kommt nicht zu spät. Bereits im September 1995, deutlich vor Unterzeichnung der Gemeinsamen Absichtserklärung, haben mit mir vier CDU-Fraktionschefs anderer Bundesländer den Bundesinnenminister zum Einlenken aufgefordert. Dies geschah auch deshalb, weil vor dem Hintergrund der Kulturhoheit der Länder eine politische Legitimation durch Zustimmung der Länderparlamente erforderlich gewesen wäre. Die CDU-Landtagsfraktion in Niedersachsen hat anschließend dieses Parlamentsrecht mit einem Entschließungsantrag eingefordert. Daß diese Parlamentsvoten von den jeweiligen Landesregierungen nicht eingeholt wurden, hat auch erhebliche Zweifel gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesamten Reform begründet.
Der Widerstand gegen die Rechtschreibreform kommt auch deshalb nicht zu spät, weil ihr Inkrafttreten erst zum 1. August 1998 geplant ist. Wer eine „Absichtserklärung“ abgibt, muß sie nicht zwingend auch vollziehen. Empörend ist vielmehr, daß sie bereits vollzogen und an Schulen umgesetzt wird, ohne die Zustimmung der Parlamente einzuholen. Ich hoffe, daß einsichtige Parlamentarier die Volksinitiative unterstützen, von ihrem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch machen und die verantwortlichen Regierungen zum Ausstieg aus dieser absurden Neuregelung verpflichten. Volk und Volksvertretung können dazu beitragen, daß die Reform dort landet, wo sie hingehört: in die Ablage gescheiterter Reformprojekte.
Alle angegebenen Zeiten sind MEZ
Rechtschreibung.com – Nachrichten zur Rechtschreibfrage