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eingetragen von Dominik Schumacher am 28.07.2004 um 23.17

KOMMENTAR: Befürworter und Gegner bleiben

Von Jost Springensguth

28.07.2004 19:52 Uhr, aktualisiert 28.07.2004 22:28 Uhr


Nach der Reform wie vor der Reform? Die 1998 eingeführte und in einem Jahr verbindlich gültige neue Rechtschreibung bleibt umstritten. Das war damals so und hat sich nicht geändert. Sie behält ihre Gegner und Befürworter. Nachdem sie allerdings eingeführt ist, wird sie aus praktischen Gründen in ihren Grundzügen auch so bleiben müssen, obwohl viele Menschen sie nicht akzeptieren und die Gegner sich wieder zu Gehör bringen. Das zeigt die jetzt aufgekommene Sommerdebatte unter Führung einiger Ministerpräsidenten.

Klare neue Mehrheiten wird es bei uns einerseits nicht geben und die deutschsprachigen Staatsvertragsländer werden andererseits nicht zu einer Verständigung über andere verbindliche Regeln kommen. Der Duden wird also voller roter Buchstaben bleiben, ob man es will oder nicht. Das befreit die Reformer von damals nicht von berechtigter Kritik. Da wurde etwas durchgepaukt, was sich nicht in einer lebendigen Sprache entwickelt und geformt hat, sondern teilweise einer geradezu krampfhaften Veränderung unterworfen wurde. Die Kultusministerkonferenz hat damals der „Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung“ zugestimmt und dabei auch stichhaltige Kritik ignoriert. Damit müssen die Beteiligten nun einmal leben.

Nun ist die praktische Seite entscheidend: Verlage haben sich daran gehalten, in den Schulen wird nach den neuen Regeln unterrichtet und die Zeitungs- und Zeitschriftenredaktionen haben sich bis auf wenige Ausnahmen auf eine Schreibweise nach dem verordneten Regelwerk verständigt. Das hatte wenig mit Einsicht, aber viel mit Praktikabilität zu tun.

Deshalb muss bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen weiter pragmatisch die Rechtschreibreform umgesetzt werden. So wird wohl am 1. August 2005 - ob man es will oder nicht - das In-Kraft-Treten (so wird das jetzt wirklich geschrieben!) der Reform in ihrer nicht bewährten Form stattfinden müssen. Jedenfalls haben sich die Kultusminister darauf geeinigt, bei mehr Wahlfreiheiten in der Getrennt- und Zusammenschreibung die Reform für die Schulen als verbindlich gelten zu lassen. Bitte nicht noch mehr Verunsicherung!

(KR)


eingetragen von Dominik Schumacher am 28.07.2004 um 23.03

Donnergrollen bis zur Rücknahme?

Von THOMAS HABICHT

28.07.2004 20:08 Uhr


BERLIN. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) kennt die Tücken der Rechtschreibreform. Als Vater einer 10-jährigen Tochter weiß er, dass die Fehlerquote in Schuldiktaten trotz der „vereinfachten“ Schreibweisen unverändert blieb, ist sich jedoch darüber klar, dass die jetzige Schülergeneration unter einem abermaligen Wechsel am meisten zu leiden hätte.

Trotzdem spricht er sich für die Rücknahme der Neuregelungen aus: „Die Reform ist der Arroganz vermeintlicher Experten geschuldet.“ Wulffs Vorstoß zielt darauf, dass die neue Rechtschreibung ab August 2005 für 100 Millionen Bürger des deutschen Sprachraums verbindlich wird, wenn die derzeitige Übergangsphase nicht verlängert oder aufgehoben wird.

Das Echo ist beachtlich. Zustimmung und Kritik kommen quer über Parteigrenzen. Saar-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) will den Kultusministern die Zuständigkeit entwinden und die Länderchefs neu entscheiden lassen. Müller, ebenfalls Vater schulpflichtiger Kinder, hält die ganze Rechtschreibreform für eine „Missgeburt". Er deutet eine Kabinettsumbildung an, falls ihm sein eigener Kultusminister, der die Neuerungen befürwortet, nicht folgt. Magdeburgs Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU) spricht von einem „Irrweg" und unterstützt Edmund Stoiber, der das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz setzen will.

Als Hessens Landesvater Roland Koch (CDU) das hörte, sprach er sich für die Reform aus. Auch Thüringens CDU-Landesregierung fürchtet, eine abermalige Veränderung werde nur „neue Verwirrung" stiften. In Erfurt beziffert man die Kosten eines Reformstopps auf 250 Millionen Euro. Und Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) kann nicht ignorieren, dass seine Kultusministerin Annette Schavan als prominenteste CDU-Bildungspolitikerin zu den Vorkämpfern der neuen Rechtschreibung zählt.

Eindeutig ist hingegen die Haltung der FDP. Die Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses, Ulrike Flach, hält die neue Rechtschreibung für „die größte Fehlleistung“ der Kultusministerkonferenz. Und Generalsekretärin Cornelia Pieper will eine Volksabstimmung - Umfragen zufolge lehnen 87 Prozent der Deutschen die Neuerungen ab.

Bei der SPD gibt es kein einheitliches Meinungsbild. Zwar halten die Regierungschefs an den neuen Schreibweisen fest - Schleswig-Holsteins Heide Simonis will das „Fass nicht wieder aufmachen“, der Mainzer Kurt Beck unterstellt den CDU-Kritikern „einfältigen Populismus“. Aber die Kulturstaatsministerin im Kanzleramt, Christina Weiss, verlangt eine grundlegende Reform der Reform: „Die Summe der Kritik ist zu groß, als dass man darüber hinweggehen kann.“ Auch Innenminister Otto Schily (SPD) ließ Verständnis für die Initiative aus Hannover und Saarbrücken erkennen. Die Bundesregierung ist zwar nicht direkt zuständig, sie müsste aber einen Reformstopp mittragen, weil ihr die Koordination mit der Schweiz und Österreich obliegt.

In beiden Nachbarländern ist die Kritik ebenfalls ungebrochen. „Stoppt die behämmerte Rechtschreibreform“, titelte Anfang Juli die angesehene „Neue Zürcher Zeitung“ und hob den pragmatischen Umgang mit Rechtschreibung in den angelsächsischen Ländern hervor: „Orthographiereform ist dort kein Donnergrollen aus Elfenbeintürmen, Regierungspalästen und Wörterbuchverlagen.“ (rzp)

(KR)


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