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eingetragen von Fritz Koch am 05.08.2004 um 16.15

daß er statt weniger fester Regeln - die es nach heutiger Erkenntnis gar nicht geben kann - Unmengen von Einzelwortfestlegungen enthielt. Das sollte doch durch die Reform verbessert werden. Jetzt ist der neue Duden wieder genauso weit. Wie früher müssen Unmengen von Ausnahmewörtern gelernt werden, aber viel unsinnigere als früher. Natürlich können Schüler jeden Blödsinn lernen, denn selbständig denken lernen sie erst gegen Ende der Schulzeit. Aber das ist kein Maßstab für Erwachsene, die schon selbständig denken können.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 05.08.2004 um 15.26

Professor Dr. Wolfgang Deppert, Hamburg, den 14. Okt. 1997

Warum die Rechtschreibreform keine Vereinfachung bringt

(abgedruckt in: ERNESTINENSCHULE, Schulzeitung, 11.Jahrgang Nr.22, Lübeck 1997/12, S. 18-19)

Wer etwas regeln möchte, das, wie die lebendige Sprache, sich in steter Entwicklung befindet, der wird eine nicht übersehbare Fülle von Ausnahmen zulassen müssen, so daß schließlich auch die Regeln zur Ausnahme werden. Es führte zu weit, auf alle derartigen Verschlimmbesserungen eingehen zu wollen, die durch die sogenannte Rechtschreibreform die Schreibenden und vor allem die Lesenden verunsichern. Nur ein einziges Beispiel soll hier auf das nicht übersehbare Chaos aufmerksam machen, das durch die sogenannte Rechtschreibreform heraufbeschworen wird, die von den Reformern als das „Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung“ bezeichnet wird.

Als Beispiel sei die Regelung der A-Umlaut-Schreibung gewählt, wie sie in den §§13 bis 17 des sogenannten ‚amtlichen Regelwerkes‘ angegeben ist. Die wichtigsten Regeln lauten:

§ 13: Für kurzes [e] schreibt man ä statt e, wenn es eine Grundform mit a gibt.

§ 15: In wenigen Wörtern schreibt man ausnahmsweise e; dies betrifft Wörter wie: Eltern (trotz alt), schwenken (trotz schwanken).

§ 16 Für den Diphtong [oY] schreibt man äu statt eu, wenn es eine Grundform mit au gibt.

Man nehme einmal an, der gelehrige Schüler Ernst Dappermann kauft sich die neuen Standardwerke der neuen Rechtschreibung des DUDEN oder von Bertelsmann, in denen die neuen Regeln des sogenannten amtlichen Regelwerkes verzeichnet sind. Dann nimmt der Schüler Ernst sich vor, einen Text zu verfassen, in dem er die oben angegebenen Regeln peinlich genau berücksichtigt. Den Text will er so gestalten, daß die Notwendigkeit der A-Umlaut-Schreibung dadurch deutlich erkenntlich ist, daß in dem Text die nach §13 bzw. §16 geforderte Existenz einer „Grundform mit a“ bzw. „mit au“ in der direkten Nähe der A-Umlaut-Schreibung ausgewiesen ist. Dann schreibt Ernst Dappermann folgenden Text auf, in dem ein Gegner der Rechtschreibreform recht drastisch von einem Kultusbeamten zur Räson gebracht wird:

“Sie können den Erlass zur Rechtschreibreform nicht mehr durch ein Gesätz ändern, denn der Sätzer hat seinen Satz schon gesätzt. Sie werden keinen Wandel durch eine Wände mehr bewirken“, bemärkte der Büromänsch eine Ausgeburt des Man-macht-das-so aus der Mannschaft des Kultusministers. Er traute sich in alter Träue eine Marke in seinem Märkbuch zu vermärken und fügte hinzu: „Sie müssen sich märken, daß Sie an Maßen gemässen werden und dass das eine Maß der Schlusssatz des Sätzers ist und das andere die Abstammung vom Stamm. Und wänn Sie wann auch immer noch so viele Stämme stämmen, gedänken Sie in Ihren Gedanken der Tatsache: Wir sprächen die Sprache der Rechtsprächung und nicht Sie! Wir werden Sie in einen Verhau mit längst gehauenem Häu oder in einen Stall mit so vielen Sparren einspärren, dass Sie sich im Stall auf den Kopf ställen oder mit den Füßen stämpelnd stampfen können, unsere Wache werden Sie nicht wäcken, um sie mit Ihrem Stachel zu stächen. Darben Sie auf Ihrer Ställe und frässen Sie dort ihren Fraß in stränger Gesätzesträue, sonst wird die Stränge des Gesätzes Sie mit dem Strang verdärben.“

Nehmen wir nun weiter an, daß unser Schüler Ernst diesen Text seinem Deutsch-Lehrer Ungereit gibt. Dieser ist ersteinmal ratlos; denn er muß zugeben, daß der Schüler sich sehr genau an die Regeln der §§13 und 16 gehalten hat. Angenommen Herr Ungereit macht eine ratsuchende Eingabe beim Kultusministerium. Dort erfährt er, daß es doch ein amtliches Wörterverzeichnis gäbe, und in diesem seien viele der fraglichen Wörter mit einem „e“ anstelle von „ä“ geschrieben. Daraufhin entbrennt ein Streit, da sich nicht klären läßt, ob man den Regeln oder dem sogenannten amtlichen Wörterverzeichnis folgen solle, zumal weder im DUDEN noch im Bertelsmann die Wörter gekennzeichnet sind, die im sogenannten amtlichen Wörterverzeichnis enthalten sind.

Versucht man, diesen Streit aufgrund des Wortlauts des sogenannten Regelwerks zur deutschen Rechtschreibung zu klären, so finden sich lediglich im 3. Abschnitt des Vorworts einige Äußerungen über das Verhältnis von Regelteil und Wörterverzeichnis. Dort heißt es:

3 Regelteil und Wörterverzeichnis

Auf der Basis dieser grundlegenden Beziehungen (( das sind die Beziehungen zwischen „Schreibung und Lautung“ und zwischen „Schreibung und Bedeutung“)) wird durch den Regelteil und das Wörterverzeichnis die geltende Norm der deutschen Schreibung festgelegt. Dabei ergänzen sie einander.“

Mehr allgemeine Ausführungen zu dem Verhältnis von „Regelteil und Wörterverzeichnis“ finden sich in dem „Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung“ nicht. Es ist nichts darüber gesagt, ob bei Zweideutigkeiten dem Regelteil oder dem Wörterverzeichnis der Vorzug zu geben ist. Wenn die Befolgung der sogenannten amtlichen Regeln eine andere Schreibung erzwingt, als sie im sogenannten amtlichen Wörterverzeichnis angegeben ist, dann kann dies nur heißen: Beide Schreibungen sind zugelassen. Ausnahmen sind nur in dem Fall möglich, wenn sie im Regelteil ausdrücklich erwähnt werden, wie z.B. „Eltern (trotz alt), schwenken (trotz schwanken)“. Wenn dies anders sein sollte, dann müßten die Wörter im Regelteil für den Fall als Ausnahmen gekennzeichnet sein, in dem der Regelteil keine Anwendung finden soll. Dies hätte entsprechend für alle Wörterverzeichnisse wie DUDEN oder Bertelsmann u.s.w. zu gelten. Da es jedoch solche Festlegungen nicht gibt, muß Lehrer Ungereit nach Einführung des „Regelwerks zur deutschen Rechtschreibung“ den vom Schüler Ernst entworfenen Text als korrekt geschrieben akzeptieren.

Wollte man durch erste Korrekturen an der sogenannten amtlichen Rechtschreibung derartige Zweideutigkeiten vermeiden, so könnte man versuchen, das sogenannte amtliche Wörterverzeichnis generell als Ausnahmensammlung aufzufassen. Dann aber tritt der oben angegebene Fall ein, daß der Regelfall zur Ausnahme wird.

Was ist die Moral von der Geschicht?
Regle nur das Regelbare,
sonst erhältst Du Ausschußware,
und Dein Ziel erreichst Du nicht!


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