![]()
Forum (http://Rechtschreibung.com/Forum/index.php)
- Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen (http://Rechtschreibung.com/Forum/forumdisplay.php?forumid=56)
-- ftd Financial Times Deutschland (http://Rechtschreibung.com/Forum/showthread.php?threadid=991)
eingetragen von Sigmar Salzburg am 26.07.2010 um 07.15
Die Beseitigung alter Atomreaktoren und Kernforschungsanlagen wird den Bund noch jahrzehntelang Milliarden kosten. So schätzt Das Forschungsministerium schätzt die Ausgaben für den Rückbau auf etwa 5,4 Mrd. Euro bis zum Jahr 2035 - und es könnte noch mehr werden.
Financial Times D. 26.7.2010
Das entspricht ungefähr dem rein materiellen Schaden, den die „Rechtschreibreform“ verursacht hat und weiter verursacht – nur daß diese Kosten nicht im Bundeshaushalt auftauchen, sondern von den meist ahnungslosen Bürgern aufgebracht werden. Ein weiterer Rückbau oder die gänzliche Abschaffung der Reform könnte jedoch mit geringem Aufwand vollzogen werden.
– geändert durch Sigmar Salzburg am 27.07.2010, 15.59 –
eingetragen von Norbert Lindenthal am 07.10.2004 um 13.39
Suche unter den Google-Nachrichten:
Rechtschreib-Kritiker gründen Reform-Rat
Financial Times Deutschland - vor 1 Stunde gefunden
... Das Gremium soll 2005 die bisherige "Zwischenstaatliche Kommission" ablösen, die in den vergangenen Jahren die Umsetzung der Rechtschreibreform in ihren ...
7.10.2004, 15.38 Uhr
Rechtschreib-Kritiker gründen Reform-Rat
Unmittelbar vor offiziellen Vorbereitungen für den zwischenstaatlichen "Rat für deutsche Rechtschreibung" in Wien haben Reformgegner in München ein gleichnamiges Gremium gegründet. Das Gremium fordert die Rückkehr zur alten Rechtschreibung.
Der Verein will sich für die Wiederherstellung der Rechtschreibung einsetzen, wie sie vor der Reform üblich war, teilte das Gremium am Sonntag mit. Zum Vorsitzenden wurde der Münchner Autor und Publizist Hans Krieger gewählt. Ehrenmitglieder sind unter anderem die Schriftsteller Elfriede Jelinek, Wulf Kirsten, Günter Kunert und Reiner Kunze.
Verwaltungsbeamte aus den deutschsprachigen Ländern beraten an diesem Montag in Wien über die Gründung und Zusammensetzung des "Rates für deutsche Rechtschreibung". Das Gremium soll 2005 die bisherige "Zwischenstaatliche Kommission" ablösen, die in den vergangenen Jahren die Umsetzung der Rechtschreibreform in ihren Ländern begleitete.
Die Vertreter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz würden "ausschließlich über die Zusammensetzung und die Aufgaben des künftigen Rates beraten und unsere Empfehlungen dann den zuständigen Stellen vorlegen", sagte der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz (KMK), Erich Thies. Er leitet die deutsche Delegation. Der Rat, in dem auch Reformkritiker zu Wort kommen sollen, soll die Schreibweisen in der Praxis weiter beobachten und gegebenenfalls nachbessern.
"Rechtschreibrebellen" sind Mitglied
Die Gründungsversammlung des Kritiker-Rats in München sprach den Kultusministern das Recht ab, "eine weitere Rechtschreibkommission zu berufen, deren einzige Aufgabe es sein kann, das offenkundige Scheitern der Rechtschreibreform hinauszuzögern". Zu den Gründungsmitgliedern zählen auch der als Rechtschreibrebell bekannt gewordene Weilheimer Deutschlehrer Friedrich Denk, der Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren in Wien, Gerhard Ruiss, und der Schweizer Gymnasiallehrer Stefan Stirnemann.
Bei einer Umfrage unter den Ministerpräsidenten hätten sich nur Niedersachsen, das Saarland und Sachsen-Anhalt gegen die weitere Umsetzung der Reform nach dem bisherigen Plan ausgesprochen, berichtete das Magazin "Focus". Die KMK hatte beschlossen, dass nach sechs Jahren Übergangszeit die neuen Regeln vom 1. August 2005 in Schulen und Ämtern verbindlich gelten.
Die Ministerpräsidenten der Länder wollen am 7. und 8. Oktober in Berlin zusammenkommen und darüber beraten, ob sie an dem Zeitplan festhalten wollen. Die Kultusminister treffen sich am 14. und 15. Oktober im Saarland. Auch eine Verlängerung der Übergangsfrist ist nach den geltenden Beschlüssen möglich.
Forscher sehen höhere Fehlerquote
Nach Ansicht des Leipziger Forschers Harald Marx haben die neuen Schreibweisen negative Auswirkungen auf die Rechtschreibleistung. Wie der Professor am Institut für Pädagogische Psychologie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte, hätten seine Untersuchungen vor und nach der Reform gezeigt, dass es bei "ss" und "ß" teilweise sogar mehr Fehler als vorher gebe. Österreichische Autoren forderten unterdessen einen Ausstieg aus der "Zwischenstaatlichen Kommission". Stattdessen solle Österreich ein eigenes "österreichisches Deutsch" schaffen und für die "deutsche Rechtschreibreform" keinerlei Geld mehr zur Verfügung stellen.
© dpa
eingetragen von Detlef Lindenthal am 22.08.2004 um 21.20
http://www.ftd.de/pw/de/1091258317018.html?nv=7dm
ftd.de, So, 22.8.2004, 17:48
Rechtschreib-Kritiker gründen Reform-Rat
Unmittelbar vor offiziellen Vorbereitungen für den zwischenstaatlichen "Rat für deutsche Rechtschreibung" in Wien haben Reformgegner in München ein gleichnamiges Gremium gegründet. Das Gremium fordert die Rückkehr zur alten Rechtschreibung.
Der Verein will sich für die Wiederherstellung der Rechtschreibung einsetzen, wie sie vor der Reform üblich war, teilte das Gremium am Sonntag mit. Zum Vorsitzenden wurde der Münchner Autor und Publizist Hans Krieger gewählt. Ehrenmitglieder sind unter anderem die Schriftsteller Elfriede Jelinek, Wulf Kirsten, Günter Kunert und Reiner Kunze.
Verwaltungsbeamte aus den deutschsprachigen Ländern beraten an diesem Montag in Wien über die Gründung und Zusammensetzung des "Rates für deutsche Rechtschreibung". Das Gremium soll 2005 die bisherige "Zwischenstaatliche Kommission" ablösen, die in den vergangenen Jahren die Umsetzung der Rechtschreibreform in ihren Ländern begleitete.
Die Vertreter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz würden "ausschließlich über die Zusammensetzung und die Aufgaben des künftigen Rates beraten und unsere Empfehlungen dann den zuständigen Stellen vorlegen", sagte der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz (KMK), Erich Thies. Er leitet die deutsche Delegation. Der Rat, in dem auch Reformkritiker zu Wort kommen sollen, soll die Schreibweisen in der Praxis weiter beobachten und gegebenenfalls nachbessern.
"Rechtschreibrebellen" sind Mitglied
Die Gründungsversammlung des Kritiker-Rats in München sprach den Kultusministern das Recht ab, "eine weitere Rechtschreibkommission zu berufen, deren einzige Aufgabe es sein kann, das offenkundige Scheitern der Rechtschreibreform hinauszuzögern". Zu den Gründungsmitgliedern zählen auch der als Rechtschreibrebell bekannt gewordene Weilheimer Deutschlehrer Friedrich Denk, der Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren in Wien, Gerhard Ruiss, und der Schweizer Gymnasiallehrer Stefan Stirnemann.
Bei einer Umfrage unter den Ministerpräsidenten hätten sich nur Niedersachsen, das Saarland und Sachsen-Anhalt gegen die weitere Umsetzung der Reform nach dem bisherigen Plan ausgesprochen, berichtete das Magazin "Focus". Die KMK hatte beschlossen, dass nach sechs Jahren Übergangszeit die neuen Regeln vom 1. August 2005 in Schulen und Ämtern verbindlich gelten.
Die Ministerpräsidenten der Länder wollen am 7. und 8. Oktober in Berlin zusammenkommen und darüber beraten, ob sie an dem Zeitplan festhalten wollen. Die Kultusminister treffen sich am 14. und 15. Oktober im Saarland. Auch eine Verlängerung der Übergangsfrist ist nach den geltenden Beschlüssen möglich.
Forscher sehen höhere Fehlerquote
Nach Ansicht des Leipziger Forschers Harald Marx haben die neuen Schreibweisen negative Auswirkungen auf die Rechtschreibleistung. Wie der Professor am Institut für Pädagogische Psychologie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte, hätten seine Untersuchungen vor und nach der Reform gezeigt, dass es bei "ss" und "ß" teilweise sogar mehr Fehler als vorher gebe. Österreichische Autoren forderten unterdessen einen Ausstieg aus der "Zwischenstaatlichen Kommission". Stattdessen solle Österreich ein eigenes "österreichisches Deutsch" schaffen und für die "deutsche Rechtschreibreform" keinerlei Geld mehr zur Verfügung stellen.
__________________
Detlef Lindenthal
eingetragen von Norbert Lindenthal am 11.08.2004 um 19.38
ftd.de, Mi, 11.8.2004, 14:52, aktualisiert: Mi, 11.8.2004, 17:08
Rechtschreibung - neu, alt, klein oder beliebig
Das Für und Wider der Rechtschreibreform erregt noch immer die Gemüter. Während die Kultusminister mehrheitlich an der Reform festhalten wollen, verfolgt eine in Berlin erscheinende Tageszeitung einen dritten Weg.
Die "Tageszeitung" (taz) kündigte an, das Blatt werde an diesem Donnerstag komplett in Kleinschreibung erscheinen. Groß geschrieben werden nur der Satzanfang und Eigennamen. "Diese sanfte Vereinfachung ist weltweit bewährt und kann auch uns Deutschen die Konzentration auf das Wesentliche erleichtern: die Inhalte", sagte der stellvertretende Chefredakteur Peter Unfried. Die "taz" ermuntere speziell die Verlage, die die Rückkehr zur alten Rechtschreibung angekündigt oder bereits vollzogen haben, diesem Beispiel zu folgen.
Der Spiegel- und der Springer-Verlag hatten am vergangenen Freitag angekündigt zur alten Rechtschreibung zurückzukehren. Die Reform werde von der Bevölkerung nicht akzeptiert, hieß es zur Begründung. Sie folgen damit der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ), die frühzeitig die alten Schreibweisen wieder verwendet hatte. Auch Politiker beteiligten sich an der Debatte. Vor allem aus der Union kamen Stimmen, die eine Rücknahme der Reform verlangten. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, der sich einst als Gegner der Rechtschreibreform hervorgetan hatte, kritisierte nun in der "Saarbrücker Zeitung" die "Rückkehrpläne" verschiedener Zeitungsverlage.
Große Mehrheit der KMK für Rechtschreibreform
Doris Ahnen setzt auf Einheit unter den Ländern
Die große Mehrheit der Kultusminister will nicht von der Rechtschreibreform abrücken. In einer Diskussionsrunde der Kultusminister hätten nur die Länderminister aus dem Saarland und aus Niedersachsen abweichende Meinungen geäußert, sagte ein Sprecher der Kultusministerkonferenz (KMK) am Mittwoch. Beschlüsse habe es nicht gegeben.
KMK-Präsidentin Doris Ahnen betonte erneut, dass sie an der Reform festhalten will. "Die zentrale Aufgabe der Kultusministerkonferenz ist Mobilität und Vergleichbarkeit im föderalen Bildungssystem zu gewährleisten", sagte die SPD-Politikerin der "Welt". Sie könne sich einfach nicht vorstellen, "dass sich irgendjemand wünscht, dass sich die Rechtschreibung nach Bundesländern unterscheidet".
Ministerpräsidenten sollen für "Rechtssicherheit" sorgen
Die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan kritisierte die Ankündigung des nordrhein-westfälischen CDU-Chefs Jürgen Rüttgers, die Reform im Falle eines Siegs bei der Landtagswahl 2005 zurückzunehmen. "Dazu bräuchte er ein einstimmiges Votum seiner Kollegen", sagte sie dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Und ich kann mir nicht vorstellen, dass in NRW in Zukunft anders geschrieben wird als zum Beispiel in Baden-Württemberg." Unter den Ministerpräsidenten sieht die CDU-Politikerin keine Mehrheit für eine vollständige Rücknahme der einstimmig beschlossenen Reform.
Annette Schavan ist für die Reform
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, sprach sich ebenfalls gegen die Rücknahme der Reform aus. "Glücklich sind Volk und Fraktion, die keine anderen Sorgen kennen", schrieb er in einem Brief an die Fraktionskollegen. Der Philologenverband nannte die Folgen einer Komplettrückkehr zur alten Rechtschreibung "für Schüler nicht zumutbar". Die Ministerpräsidenten sollten durch einen tragfähigen Kompromiss "endgültig für Rechts- und Rechtschreibsicherheit" sorgen.
FDP auf Seiten der Reformgegner
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Friedbert Pflüger verlangte in der "Bild"-Zeitung eine Parlamentsdebatte über die Rechtschreibreform. Pflüger sagte der Zeitung: "Es geht um die deutsche Sprache. Das kann nicht nur Sache der Länder sein."
Wolfgang Gerhardt will die Reform verhindern
Auch die FDP möchte die Reform kippen. Die FDP-Spitze kündigte an, ihren Einfluss in den von den Liberalen mitregierten Bundesländern Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Niedersachsen geltend zu machen, um die Umsetzung zu stoppen. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte: "Jetzt ist es noch möglich, die Reform zu stoppen, diese Chance sollte genutzt werden."
Schreibweisen freigeben
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung schlug einen Kompromiss vor: Manche Neuerungen sollten beibehalten, einzelne Schreibweisen freigegeben werden. Beliebigkeit fürchtet der Vorsitzende der Sprach- und Rechtschreibkommission der Akademie, Hans-Martin Gauger, nicht: "Wir haben in Deutschland vielleicht zu lange zu sehr auf Einheitlichkeit gedrängt", sagte der Freiburger Linguist am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.
© 2004 Financial Times Deutschland , © Illustration: AP
eingetragen von Matthias Dräger am 08.08.2004 um 07.04
Machtmißbrauch?
Nicht zu Unrecht spricht man von der Presse auch als von der 4. Gewalt im Staate. Es wurde Zeit, daß die Presse den Mut fand, der Macht einiger weniger verbissenen Bürokraten eine Grenze zu ziehen und damit der Ohn-Macht der Bevölkerung beizustehen.
Mißbrauch der Macht, um genau das zu machen, was die Bevölkerung wünscht?
Pardon, Herr Klimm, ich kann da nicht mehr ganz folgen.
Und Ihre weiteren Ausführungen:
„Wenn aber die Kultusminister beschließen, im Laufe der kommenden Jahre die alte Schreibweise wieder einzuführen, so hätte der Machtmissbrauch auch noch gravierende Konsequenzen für die Länderhaushalte. Alle Schulbücher müssten neu aufgelegt werden. In Zeiten leerer Kassen eine ganz und gar überflüssige Ausgabe.“
haben noch nicht einmal Grundschulniveau. Beim Versuch der zwangshaften Beglückung der Schüler mit dem Reformmist hat doch Geld auch keine Rolle gespielt. Aber jetzt, bei der Rücknahme des Unsinns, soll das auf einmal ein Thema sein?
Vielleicht nehmen Sie einmal Ihre Nase von der Tastatur? Haben Sie einmal an die Bibliotheken in deutschen Haushalten gedacht?
Daß die Financial Times Deutschland so einen Unsinn abdruckt, ist wirklich erstaunlich. Diese Art von ideologisch verbrämten Artikeln (GEW, etc.) werden wir in den nächsten Tagen und Wochen noch häufiger zu sehen bekommen. Irgendwann hat sich alles wieder eingerenkt.
eingetragen von Detlef Lindenthal am 08.08.2004 um 06.03
(Unterstreichungen durch mich, D.L.)
http://www.ftd.de/pw/de/1091258317018.html?nv=7dm
ftd.de, Fr, 6.8.2004, 16:31
Kommentar: Kniefall vor dem Konservativismus
Von Leo Klimm
Der Springer-Verlag (u. a. "Bild", "Die Welt"), "Der Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" kehren zur vermeintlich guten, alten Rechtschreibung zurück. Schon in den vergangenen Tagen hatte die "Bild" eine Kampagne gegen die neue "Schlechtschreibung" gefahren.
Dennoch platzte die Nachricht etwas überraschend ins Sommerloch. Anders als bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" dürfte aber die Sache selbst - also die Frage, ob die neue Rechtschreibung den Sinn von Worten verfälscht oder ob durch sie die deutsche Sprache verarmt - nicht die Hauptmotivation der Hamburger und Münchner Medienhäuser sein. Sonst hätten sie die neue Rechtschreibung nicht jahrelang befolgt.
Leider kann die Ankündigung der Verlage aber nicht einfach als Episode im Sommertheater abgetan werden. Dazu sind die Folgen zu weit reichend. Denn: Die Springer-Zeitungen, "Der Spiegel" und die "Süddeutsche" schließen sich mit ihrem Kursschwenk der großen Koalition der Reformverweigerer in diesem Lande an. Dabei sind es auch diese Blätter, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Reformunwilligkeit der Deutschen beklagen. Mit ein bisschen Standfestigkeit hätten sie an der neuen Rechtschreibung die eigene Reformfähigkeit beweisen können: die Fähigkeit, offen zu sein für Neues und unangenehme, aber politisch legitimierte Entscheidungen zu akzeptieren. So aber tun die betreffenden Zeitungen es einer wachsenden Zahl von Spitzenpolitikern gleich, die aus Populismus vor dem tief verwurzelten geistigen Konservativismus in Deutschland in die Knie gehen. Bei der FAZ, die zunächst wie die Verliererin des Rechtschreibstreits aussah und seit Jahren gegen die Neuerungen ankämpft, wird der 6. August 2004 als Tag des Triumphes in die Unternehmensannalen eingehen. Sie hat eine Schlacht von vorgestern doch noch gewonnen.
Es steht nämlich zu befürchten, dass nun, unter dem Druck der geballten und missbrauchten Pressemacht der drei Verlage, tatsächlich die Reform der Reform kommt. Wenn aber die Kultusminister beschließen, im Laufe der kommenden Jahre die alte Schreibweise wieder einzuführen, so hätte der Machtmissbrauch auch noch gravierende Konsequenzen für die Länderhaushalte. Alle Schulbücher müssten neu aufgelegt werden. In Zeiten leerer Kassen eine ganz und gar überflüssige Ausgabe.
Am unerfreulichsten an der Volte der Verlage ist aber die fadenscheinige Begründung, die sie dafür liefern: Die neue Rechtschreibung habe die Menschen verunsichert, ja sie sei sogar "staatlich verordnete Legasthenie". Abgesehen davon, dass Legasthenie eine biologisch veranlagte Krankheit ist und nicht von sozialisierenden Instanzen - Eltern, Lehrer, Staat - verursacht werden kann: Natürlich hat die Reform Verwirrung gestiftet, das war auch nicht anders zu erwarten. Doch die neuen Schreibweisen hätten sich über die Jahre eingeschliffen. Wenn jetzt die Reform zurückgenommen wird, wird eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen aber definitiv ein Leben lang nicht richtig schreiben können, weil sie jetzt erst recht verwirrt sein werden. Genau wie all jene, die täglich mit Sprache arbeiten: Lehrer, Lektoren und auch Journalisten - und davon gibt es bei Springer und "Spiegel" eine Menge.
eingetragen von Norbert Lindenthal am 07.08.2004 um 16.26
ftd.de, Sa, 7.8.2004, 13:33, aktualisiert: Sa, 7.8.2004, 18:06
Rechtschreibreform: Schüler wären bei Rücknahme die Verlierer
Die angekündigte Rückkehr von "Spiegel"- und Springer-Verlag zur alten Rechtschreibung hat eine ungeahnte Kontroverse in Deutschland ausgelöst. Warnungen kamen auch aus der Schweiz.
Vergleich Rechtschreibung
Während der Schritt vor allem von Länderchefs der Union und dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle begrüßt wurde, stieß er bei SPD-Ministerpräsidenten, aber auch bei einigen CDU-Politikern auf teils scharfe Kritik. In Schulen und Hochschulen soll am 1. August 2005 die Reform verbindlich werden. Es drohen in Schulen und einem Teil der Medien damit künftig unterschiedliche Schreibweisen.
Für den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck hat die Ankündigung der Verlage "viel mit Kampagne und Public Relations", aber "wenig mit Inhalt zu tun", wie der SPD-Politiker dem "Tagesspiegel" sagte. Der brandenburgische Bildungsminister Steffen Reiche verwies in der "Berliner Zeitung" darauf, dass mit der Reform viele alte Ausnahmeregelungen aufgegeben worden seien.
Auch Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus hat sich gegen eine Rücknahme der Rechtschreibreform gewandt. Berlins Kultursenator Thomas Flierl (PDS) bekräftigte dagegen in der "Berliner Zeitung" seinen Wunsch nach einer vorsichtigen Revision der Reform, um deren hässlichste Fehler zu beseitigen.
Hessische Ministerin erhebt Vorwürfe gegen die Medien
Die hessische Kultusministerin Karin Wolff hat den Verlagen vorgeworfen, die Bevölkerung zu verunsichern. Gleichzeitig räumte sie Defizite bei der Vermittlung der Reform ein. "Die Medien halten uns Politikern vor, wir hätten ein Chaos angerichtet. Dabei tragen die Verlage mit ihrem Schritt selbst zur allergrößten Verunsicherung bei", sagte Wolff am Samstag. Es werde kaum erwähnt, dass die Kultusministerkonferenz einige Änderungen bei der Reform berücksichtigt habe und künftig ein Gremium mit der organischen Weiterentwicklung der Rechtschreibung beauftragen will.
Christian Wolff (Niedersachsen) will die Reform im Herbst kippen
Die Rücknahme soll nach dem Wunsch des niedersächsische Ministerpräsidenten Christian Wulff schon im Herbst erfolgen. Damit würde man dem Wunsch einer großen Mehrheit der Deutschen nachkommen, sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag".
Einen Befürworter fand Wulff im FDP-Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle. Er will für die Rücknahme der Rechtschreibreform kämpfen. Der "Welt am Sonntag" sagte er: "Die neue Rechtschreibung ist so überflüssig wie ein Kropf." Die könne und solle man rückgängig machen. "Wenn der bayerische Ministerpräsident wirklich, wie angekündigt, dafür ist, dann sollte seine Staatsregierung schnell im Bundesrat beantragen, dass die Länder gemeinsam den Unfug der Rechtschreibreform rückgängig machen."
Mehrheit der Deutschen für alte Rechtschreibung
Edmund Stoiber (Bayern) kann sich eine Überarbeitung vorstellen
Bayern geht nach den Worten von Ministerpräsident Edmund Stoiber dabei "ergebnisoffen" in die Diskussion. Es werde jedoch immer offensichtlicher, dass mit der Rechtschreibreform erhebliche Unsicherheit über das richtige Schreiben eingetreten sei. Stoiber will auch Lösungen prüfen, die nur Teile der Reform verwirft und andere beibehält. "Es besteht Handlungsbedarf. Es kann nicht sein, dass im Ergebnis jeder schreibt wie er will und es keine akzeptierte Ordnung mehr gibt", sagte Stoiber.
Eine Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag von RTL ergab eine deutliche Mehrheit für die alte Rechtschreibung. 75 Prozent der lediglich 506 Befragten sprachen sich für die alten Schreibweisen aus, bei älteren Menschen war die Zustimmung sogar noch höher.
Der Geschäftsführer der Rechtschreibkommission, Klaus Heller, sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", er halte den Boykott der neuen Regeln für unmoralisch, da die Rechtschreibreform ein jahrzehntelanger demokratischer Prozess gewesen sei. "Es kann doch nicht sein, dass in der Schule etwas gelehrt wird, das anders ist als das, was man liest", sagte er.
Sprachwissenschaftler rechnet mit Selbstregulierung
Der Tübinger Sprachwissenschaftler Wolfgang Sternefeld rechnet mit einer zunehmenden Aushöhlung der Rechtschreibreform. Vieles am neuen Regelwerk sei "vom linguistischen Standpunkt aus wenig sinnvoll" und werde sich in der Praxis nicht durchsetzen, sagte der Universitätsprofessor am Samstag. "Wer am wenigsten damit zurecht kommt, sind die Lehrer. Sie haben einfach keine Kompetenz bei der Rechtschreibung." Für die Schüler dagegen wäre eine Rückkehr zu den alten Regeln kein besonders großes Problem.
Nach Ansicht Sternefelds ist die Rechtschreibreform schon früh "ein Politikum geworden, das sich verselbstständigt hat". Auf die Sprachwissenschaftler habe man dabei kaum gehört. Einige von ihnen hätten sich daher frustriert zurückgezogen. "Meine Prognose ist: Stillschweigend wird die Reform zu einem großen Teil wieder zurückgenommen - einfach durch die Praxis", sagte Sternefeld. Nur das Vernünftige werde sich durchsetzen.
Der Bayerische Elternverband (BEV) hat die Rückkehr zur alten Rechtschreibung kritisiert. "Das ist eine populistische Entscheidung", sagte die BEV-Vorsitzende Ursula Walter. Sie plädierte für eine Beibehaltung der neuen Regeln. Müssten die Schüler tatsächlich zur alten Rechtschreibung zurückkehren, müsste wertvolle Unterrichtszeit für das erneute Umlernen eingesetzt werden. Es gebe in der Sprache Wichtigeres als die Rechtschreibung, sagte Walter.
Philologenverband: Sommertheater
Nach Ansicht des Philologenverbands Baden-Württemberg führt die Absicht von "Spiegel" und Springer zu einer großen Verunsicherung von Schülern, Lehrern und Eltern. Der neu entflammte Streit sei ein "Sommertheater mit verheerenden Folgen", sagte am Samstag der Verbandsvorsitzende Karl-Heinz Wurster in Stuttgart. "Mit einer Reform der Reform werden Kinder zu Versuchskaninchen für die Anhäufung unterschiedlicher Schreibweisen gemacht. Gerade jüngere Schüler hatten die Reform gut angenommen."
Kritik regte sich auch in der Schweiz. Eine Kehrtwende würde in den Schulen zu Chaos führen, sagte der Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), Ulrich Stöckling, der "Neuen Zürcher Zeitung". Das deutsche Pendant zur EDK, die Kultusministerkonferenz, dürfe den Forderungen nach einer Wiedereinführung der alten Schreibweise nicht nachgeben.
Sämtliche Lehrmittel seien mit der Reform umgestellt worden und die Lehrer hätten in teuren Kursen gelernt, wo sie bei Schülerarbeiten den Rotstift ansetzen müssten, sagte Stöckling. "Wenn jetzt die Uhr wieder zurückgedreht wird, dann werden weder Schüler noch Lehrer wissen, welche Regeln denn nun gelten." Dann drohe die völlige Verwilderung der Sprache, weil sich niemand mehr um irgendwelche Schreibregeln kümmern werde. Zudem wären die Mehrkosten für das öffentliche Bildungswesen ein volkswirtschaftlicher Blödsinn, sagte der EDK-Präsident.
Aust verteidigt seine Entscheidung
Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust will ´Schwachsinn´ verhindern
Unterdessen hat der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", Stefan Aust, die Entscheidung seines Hauses verteidigt. Aust begründete den Entschluss am Samstag im Inforadio des RBB mit der nach wie vor mangelnden Akzeptanz der neuen Regeln durch die Bevölkerung. "Als jetzt die Kultusministerkonferenz entschieden hat, dass im nächsten Jahr diese merkwürdige Reform auch noch Pflicht werden soll, da haben wir gedacht, jetzt müssen wir etwas tun, um diesem staatlicherseits verordneten Schwachsinn Grenzen zu setzen."
Rückendeckung erhielt er von einem der bekanntesten Literaturkritiker Deutschlands. Die seit "Jahrhunderten bestehende Kluft" zwischen der Sprache der Literatur und des Alltags darf nach Ansicht von Marcel Reich-Ranicki nicht auf die Rechtschreibung übertragen werden. "Deswegen bin ich froh und sehr zufrieden, dass Springer, Spiegel und Süddeutsche wieder zu der alten Rechtschreibung zurückkehren", sagte Reich-Ranicki am Samstag in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Frankfurt am Main. Es sei schon schlimm genug, dass in Deutschland niemals so gesprochen wurde und vielleicht auch nie wird, wie die großen Schriftsteller in ihren Werken schreiben. "Aber wir dürfen nicht zulassen, dass es auch zwei Orthografien gibt."
© 2004 Financial Times Deutschland , © Illustrationen: AP, Spiegel, ap, ftd.de
eingetragen von Norbert Lindenthal am 06.08.2004 um 22.39
ftd.de, Fr, 6.8.2004, 14:10
Verlage ernten herbe Kritik für Rechtschreibreform
Die Ankündigung von Spiegel- und Springer-Verlag, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, hat ein breites Echo hervorgerufen. Die Medien- und Verlagslandschaft wird in Zukunft ein eher buntes Schriftbild präsentieren.
Vergleich Rechtschreibung
Die beiden Hamburger Verlage hatten eine Rückkehr zu einer einheitlichen Schreibweise angeregt und andere Verlage aufgefordert, sich der Initiative anzuschließen. Das Münchner Nachrichtenmagazin "Focus" schlug diese Einladung am Freitag aus. "Focus"-Sprecher Uwe Barfknecht sagte: "Wir schreiben so, wie in der Schule gelehrt wird. Wir wollen den Kampf um die Rechtschreibreform nicht auf dem Rücken unserer jungen Leser austragen." Chefredakteur Helmut Markwort sagte, "Deutschland hat derzeit wichtigere Probleme als einen neuen Streit um die Rechtschreibreform".
Dagegen kündigte der Hamburger Bauer-Verlag seine Unterstützung für das Vorhaben an. "Wir halten diese Initiative für positiv", sagte Bauer-Sprecher Andreas Fritzenkötter. Man wolle dem Beispiel aber noch nicht sofort folgen. "Voraussetzung für konkrete Schritte hin zur alten Rechtschreibung ist für uns, dass möglichst viele Verlage diesem Beispiel folgen", sagte der Sprecher. Auch der Süddeutsche Verlag kündigte seine Unterstützung an.
Beim Hamburger Verlag Gruner + Jahr soll eine eventuelle Rückkehr zur alten Rechtschreibung den einzelnen Chefredakteuren überlassen werden. "Eine einheitliche Verlagsregelung wird es nicht geben", sagte ein Sprecher. Allerdings habe eine Umfrage vor einiger Zeit ergeben, dass die Mehrheit der G+J-Chefredakteure gegen eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung sei. Es könne theoretisch sein, dass beim "Stern" künftig anders geschrieben werde als bei "Brigitte" oder "Geo". Gruner + Jahr gibt zusammen mit der britischen Verlagsgruppe Pearson auch die Financial Times Deutschland heraus.
Nachrichtenagenturen warten ab
Der deutsche Dienst der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) wird zunächst die Reaktion seiner Kunden abwarten. AP-Chefredakteur Peter Gehrig sieht keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. "Die im deutschsprachigen Raum tätigen Agenturen haben sich in einem langen und schwierigen Prozess auf eine Umsetzung der Rechtschreibreform mit Beibehaltung eigener Schreibweisen geeinigt", sagte Gehrig am Freitag. "Diese Abweichungen sind letztlich auch im Reformwerk insgesamt berücksichtigt und akzeptiert. So lange nicht eine große Mehrheit unserer Kunden eine Änderung verlangt, sehe ich keine Notwendigkeit zum Handeln." DPA-Chefredakteur Wilm Herlyn kündige eine Kundenbefragung an, erst danach solle eine Entscheidung getroffen werden.
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Doris Ahnen, hat für den Kurswechsel von Springer-Verlag und "Spiegel" bei der Rechtschreibung "kein Verständnis". In einem Gespräch dpa sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin am Freitag: "Wenn in der Debatte um die Rechtschreibreform laufend von Chaos und Verunsicherung die Rede ist, erlaube ich mir die Frage: Wer verunsichert hier eigentlich die Menschen?"
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff begrüßte die Entscheidung. "Der Unsinn dieser Reform ist nicht mehr zu halten", sagte Wulff am Freitag in Hannover. Er kündigte erneut an, er werde versuchen, bei der nächsten Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder eine Mehrheit für eine Rücknahme der Reform durchzusetzen. Die eingerissene völlige Beliebigkeit bei der Rechtschreibung müsse schnell beendet werden.
Lehrer fordern Rechtschreib-Reform-Moratorium
Der Deutsche Lehrerverband (DL) forderte die Ministerpräsidenten auf, die Rechtschreibreform jetzt zur Chefsache zu machen, damit die Schulen nicht ins "orthografische Abseits" gerieten. "Es wird ihnen vermutlich kaum etwas anderes übrig bleiben, als ein Moratorium einzuschieben und die herkömmliche Rechtschreibung wieder für verbindlich zu erklären", sagte DL-Präsident Josef Kraus.
Die in Erlangen erscheinenden Sprachzeitung "Deutsche Sprachwelt" begrüßte die Entscheidung: "Die Vernunft siegt. Lesefreundlichkeit und Ausdruckskraft der deutschen Sprache werden durch diese mutige Verlegerentscheidung gestärkt." Jetzt müssten weitere Verlage nachziehen.
© 2004 Financial Times Deutschland , © Illustration: ftd.de
Zum Thema
Rechtschreibreform: Spiegel und Springer gemeinsam gegen ´verordnete Legasthenie´
ftd.de, Fr, 6.8.2004, 12:20, aktualisiert: Fr, 6.8.2004, 18:31
Das Chaos um die Rechtschreibreform wird größer: Nach der Ankündigung von Spiegel- und Springer-Verlag wollen weitere Publikationen zur alten Schreibweise zurückkehren. Andere Medien halten am neuen Regelwerk fest. Artikel
Rechtschreibreform spaltet die Ministerpräsidenten
ftd.de, So, 25.7.2004, 14:42
Die bereits beschlossene Rechtsschreibreform soll spätestens 2005 umgesetzt werden. Doch jetzt regt sich bei einigen Ministerpräsidenten Widerstand. Artikel
Kolumne: Dass oder daß, wen schert’s
Aus der FTD vom 15.7.2004
Lächerliche Debatten wie die um die Rechtschreibreform lenken von den echten Bildungskatastrophen ab. Artikel
Rechtschreibreform ist ab 2005 verbindlich
ftd.de, Fr, 4.6.2004, 20:04
Deutschlands Schüler müssen sich endgültig an die Regeln der umstrittenen Rechtschreibreform gewöhnen. Eine abschließende Bewertung soll eine neu einzurichtende Kommission vornehmen. Artikel
eingetragen von Norbert Lindenthal am 06.08.2004 um 14.48
ftd.de, Fr, 6.8.2004, 12:20
Rechtschreibreform: Spiegel und Springer gemeinsam gegen ‚verordnete Legasthenie‘
Die Reform der deutschen Rechtschreibung ist in einer Reihe renommierter deutscher Medien gescheitert. Spiegel- und Springer-Verlag fordern eine "Beendigung der staatlich verordneten Legasthenie".
Die Rückkehr zur Rechtschreibung von 1998 kündigten beide Unternehmen am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung an. Gleichzeitig richteten die Verlage einen Appell an andere Medienunternehmen sowie an die Nachrichtenagenturen, sich diesem Schritt anzuschließen. Ziel dieser Maßnahme sei die Wiederherstellung einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung.
Bisher hatte sich als einzige überregionale Zeitung die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" der neuen Rechtschreibreform verweigert. Die reformierte Rechtschreibung wird nach den Beschlüssen der Kultusminister im nächsten Jahr verbindlich in Kraft treten.
Die zum Spiegel-Verlag und zu Axel Springer gehörenden Titel, die nach eigenen Angaben rund 60 Prozent der Bevölkerung in Deutschland erreichen, werden ihre Schreibweise "schnellstmöglich umstellen". Es gehe darum, eine einheitliche deutsche Rechtschreibung wiederherzustellen, hieß es.
Verunsicherung wächst
Hintergrund der Initiative sei die mangelnde Akzeptanz des neuen Regelwerks und die zunehmende Verunsicherung darüber. Nach fünf Jahren praktischer Erprobung in den Druckmedien und sechs Jahren in den Schulen habe die Reform weder für professionell Schreibende noch für Schüler Erleichterung oder Vereinfachung gebracht. Im Gegenteil: Die Verunsicherung wachse, Vermischungen von alter und neuer Rechtschreibung seien an der Tagesordnung.
"Wer vor der Reform sicher schreiben konnte, macht heute Fehler. Eltern benutzen eine andere Orthografie als Kinder. Lehrer sind zutiefst verunsichert", teilten die Verlage mit. Heutigen Schülern begegne der ganz überwiegende Teil der deutschen Literatur und literarischen Überlieferung in der bisherigen Rechtschreibung. Da auch die Mehrheit der deutschsprachigen Schriftsteller es ablehne, ihre Werke in neuer Schreibung erscheinen zu lassen, tue sich eine immer breitere Kluft zwischen gelerntem und gelesenem Deutsch auf.
Bereits die erste Version der Reform sei mit gravierenden Mängeln behaftet gewesen. Eine Vielzahl von Ergänzungen habe die orthografischen Konventionen in einem Maße erschüttert, dass auf absehbare Zeit die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung verloren scheine. Zahlreiche Umfragen belegten, dass die Reform von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werde. Der Grund dafür liege nicht in einer angeblichen Reformscheu, sondern in der von vielen Bürgern erkannten oder empfundenen Unausgegorenheit der Neuregelung.
Aust und Döpfner wollen "echte Reformen"
Der Vorstandsvorsitzende des Axel Springer-Verlags, Mathias Döpfner, und der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", Stefan Aust, werden in der Erklärung weiter zitiert: "Wir befürworten sehr dringend notwendige und sinnvolle Reformen in unserer Gesellschaft. Doch die Rechtschreibreform ist keine Reform, sondern ein Rückschritt." Die deutsche Sprache brauche keine kultusbürokratische Überregulierung. Spätestens die neuerliche Reform einer ohnehin unausgegorenen Reform führe ins völlige Chaos.
"Wir wollen dazu beitragen, diese Fehlentwicklung zu korrigieren. Die geschichtliche Erfahrung über Jahrhunderte zeigt, dass Sprache sich evolutionär weiterentwickelt. Die Rechtschreibung sollte diese Änderungen nachvollziehen und nicht vorschreiben", heißt es in dem Text von Döpfner und Aust weiter.
Den Verlagen könne es nicht gleichgültig sein, wenn Schreib- und Lesefähigkeit und damit die Sprachfähigkeit in diesem Land abnähmen. "Aus Verantwortung für die nachfolgenden Generationen empfehlen wir auch anderen die Beendigung der staatlich verordneten Legasthenie und die Rückkehr zur klassischen deutschen Rechtschreibung", schrieben Döpfner und Aust. Das schließe Neuerungen nicht aus. Auf der Basis der alten Rechtschreibung könne darüber nachgedacht werden, welche Vorschläge übernommen werden könnten. Der Springer-Verlag, der Spiegel-Verlag und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" würden sich sinnvollen Veränderungen nicht verschließen.
Gruner-Publikationen setzen Reform um
Bei Europas größtem Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr ("Stern", "Brigitte", "Geo") haben sich Chefredakteure der einzelnen Titel mehrheitlich gegen eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung ausgesprochen. Es gebe keine konzernübergreifende Direktive, sagte ein Verlagssprecher am Freitag in Hamburg. Die Chefredakteure entschieden selbstständig über die Rechtschreibung, die meisten hätten sich aber in einer konzerninternen Umfrage gegen eine Wiederumstellung von neuer auf alte Schreibweise ausgesprochen, sagte der Sprecher. Die Financial Times Deutschland gehört mittelbar auch zu Gruner + Jahr. Die FTD ist ein Joint Venture von Gruner und der britischen Verlagsgruppe Pearson.
Alle angegebenen Zeiten sind MEZ
Rechtschreibung.com – Nachrichten zur Rechtschreibfrage