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eingetragen von Sigmar Salzburg am 26.10.2016 um 06.56

„Lies – und werde reich!“

Weilheim - Der frühere Weilheimer Deutschlehrer Friedrich Denk (73) warb auf der Frankfurter Buchmesse für das Lesen. Und das in seiner einmaligen Art.

Es gibt ein paar Menschen, die noch mehr Auftritte auf der Frankfurter Buchmesse 2016 hatten als Friedrich Denk. Der Schriftsteller Bodo Kirchhoff zum Beispiel, der für seinen Roman „Widerfahrnis“ vor sieben Tagen den „Deutschen Buchpreis“ erhielt und auf der Messe nun von Lesung zu Lesung, von Gespräch zu Gespräch gereicht wurde. Doch nicht weit hinter Kirchhoff dürfte, was die Schlagzahl an Auftritten betrifft, der frühere Weilheimer Deutschlehrer Friedrich Denk rangieren. Und sein Glück gegenüber dem Buchpreisträger war: Er durfte – wenn auch meist vor etwas weniger Publikum als die Autoren der Stunde – über mehr, über verschiedene Themen sprechen.

Fünf offizielle Veranstaltungen hatte Denk auf der Buchmesse 2016, die am Sonntagabend mit der stolzen Zahl von 278 000 Besuchern zu Ende ging, und jede hatte ein anderes Thema. Am Mittwoch veröffentlichte er mit Autoren, Verlegern und Germanisten die „Frankfurter Erklärung nach 20 Jahren Rechtschreibreform“. Am Donnerstag verlieh Denks „Arbeitskreis Lesen und Rechtschreiben heute“ im noblen Lesezelt der Messe die mit insgesamt 22 100 Euro dotierten „Frankfurter Orthographie-Preise“; überreicht hat diese übrigens Jurymitglied Mario Adorf, den man wohl einen der allerprominentesten Prominenten dieser promireichen Messe nennen darf – und der gleich mal entsprechendem Blitzlichtgewitter der Fotografen ausgesetzt war.

Am Freitag dann erklärte Friedrich Denk in einem einstündigen Vortrag auf der „Kids Stage“, „warum Lesen die klügste Freizeitbeschäftigung ist“, am Samstag diskutierte er im „Forum Bildung“ die „Rechtschreibreform in Verlagen, Zeitungen, Schulen und Hochschulen“, und am Sonntag – puh, gleich dürfen Sie und darf auch er durchschnaufen... – sprach Denk noch unter dem hübschen Titel „Lies – und werde reich!“. Denn ausgerechnet von den Milliardären, die für die Herrschaft von Computern und Smartphones stehen, lasse sich lernen, wie wichtig das Lesen ist: „Apple“- Gründer Steve Jobs, weiß Denk, gab seinen Kindern keine „i-pads“ – weil die vom Lesen abhalten, Vater Jobs aber mit seinem Nachwuchs beim Abendessen über Bücher diskutieren wollte.

Was ist zu tun, dass junge Leute Leser werden? Diese Frage bewegt Friedrich Denk noch viel, viel mehr als die Rechtschreibreform, gegen die er seit über 20 Jahren kämpft. In einen herrlichen Furor gerät der seit 2004 pensionierte Deutschlehrer, wenn er auf der „Kids Stage“ der Buchmesse erklärt, warum jede Stunde, die ein Kind mit einem Buch, aber auch mit einer Zeitung verbringt, ein Stück Lebensglück ist und zu Lebensglück führt: Weil man beim Lesen eben nicht nur lesen lernt, sondern auch genaues Sehen, Schreiben, Sprechen, Zuhören und Denken. Letzteres allerdings, meint Denk, ist wohl schuld daran, dass Leseförderung für die Wirtschaft kein Thema ist. Denn Leser seien schlechte Konsumenten: während des Lesens nicht erreichbar für Werbung und Geschäftemacher – und hinterher dann auch noch kritischer. „Leser kaufen weniger Zeug“, ist sich Denk sicher.

Der 73-Jährige verkündet seine Botschaften auf all den Bühnen mit vollem Körpereinsatz, witzigen Anekdoten, hohem Tempo und sich teils überschlagender Stimme. Jung hält ihn nicht nur das Lesen und Schreiben. Seit er 2013 sein Buch „Wer liest, kommt weiter“ veröffentlicht hat („das beste zum Thema ,Lesen’, das ich kenne“, wie Denk selbst sagt), hielt der Wahl-Züricher über 60 Vorträge dazu. Zwei Mädchen, mit denen er als Nachhilfelehrer regelmäßig Bücher liest und bespricht, hatte er auf die „Kids Stage“ nach Frankfurt mitgebracht. Zoé (11) und Olivia (9) waren in der Tat beeindruckende Beispiele dafür, wie gut Lesen Kindern tut: Großartig lasen sie aus Michael Endes „Momo“ und Cornelia Funkes „Tintenherz“ vor – und strahlten.

Gewiss war diese Veranstaltung nur eine Randnotiz auf der gewaltigen, herrlichen, vor Angeboten berstenden Frankfurter Buchmesse 2016. Zwar lauschten vor diesem Podium kaum 30 Zuhörer, es war kein Fernsehen, kein großes Feuilleton erschienen. Aber es wurden dort einige der wichtigsten Sätze der gesamten Messe gesagt.

Magnus Reitinger
E-Mail:magnus.reitinger@weilheimer-tagblatt.de

merkur.de 25.10.2016


eingetragen von Sigmar Salzburg am 01.07.2016 um 11.27

Herr Minister, zum Diktat!

München - 20 Jahre ist es her, dass die Deutsche Rechtschreibung reformiert wurde. Ein wenig länger ist es her, dass Ludwig Spaenle, Kultusminister, auf seine Rechtschreibfähigkeiten getestet wurde. Zum Reform-Jubiläum haben wir ihn zum Diktat gebeten.

Sein letztes Diktat hat er in den 1970er-Jahren geschrieben, aber als bayerischer Schulminister ist Ludwig Spaenle, CSU, der Chef aller Lehrer und Schüler im Freistaat. Zum Jubiläum der deutschen Rechtschreibreform, die vor 20 Jahren beschlossen worden ist, viel Wirbel auslöste und letztlich in einer abgemilderten Version von 2006 bis heute gilt, haben wir Spaenle, 55 Jahre alt, zum Diktat gebeten. Die Aufgabe: Sätze, die nicht immer Sinn ergeben, aber voller Rechtschreibtücken stecken.

[Spaenle macht alle Albernheiten der Reform „richtig“: Schifffahrt, morgen Mittag, Rad fahren, bei rauem Wetter, Delfin, Zu-cker, Kis-te, die zulässigen Varianten Frisör, selbständig und Alptraum – aber: ]

So schreibt es der Minister:

Ich vergaß, daß das heiße Wasser ein bißchen naß war.

So ist es richtig:

Ich vergaß, dass das heiße Wasser ein bisschen nass war.
...
merkur.de 1.7.2016

Was will uns der Minister damit sagen? Daß niemand den ss-Geßlerhut der „Reform“ grüßen muß?


eingetragen von Sigmar Salzburg am 07.08.2015 um 08.48

Der Beitrag von Georg Anastasiadis, dem stellvertretenden Merkur-Chefredakteur, ist im Merkur vom 5. August erschienen, hier zitiert nach dem Oberbayerischen Volksblatt. Die hier wohlbekannte Leserin Karin Pfeiffer kommentiert:

Recht schreiben

Danke für diesen Beitrag, der es auf den Punkt bringt. Schrift ist nicht zum Schreiben da, sondern zum Lesen.

Man könnte einen Vergleich ziehen zum Automobilbau. Auch im Auto sind die wichtigen Funktionen und Bedienteile genormt, also in jeder Automarke gleich. Die Konstrukteure haben in erster Linie den Fahrer eines Autos im Blick, und nicht die Erleichterung im Fahrzeugbau. Bedienfreundlichkeit des fertigen Produkts ist das Ziel. Wenn die Autohersteller diese Vorgabe aus dem Blick verlören, könnte niemand mehr auf Anhieb jedes Auto lenken.

Das Vehikel schriftlicher Verständigung ist die Schrift. Und die muß nun mal genormt sein, sonst erhalten wir Millionen von Geheimschriften, die nur derjenige entziffern kann, der sie verfaßt hat. Das widerspricht dem Zweck von Schrift. Doch ist der Senf nun aus der Tube raus. Und aus. Ich selbst schreibe immer noch in klassischer Rechtschreibung, und ich lese mit Vergnügen Bücher, die ohne das dämliche ss in dass auskommen. Auch darin hat sich für Schüler kein Vorteil ergeben, da das und dass optisch schlecht zu unterscheiden sind, anders als das und daß (Ich war lange Jahre Lehrerin). Die künstliche s-Regel ist eine munter sprudelnde Fehlerquelle. Logisch ist sie nur für diejenigen, welche vor der Reform die alte s-Regel beherrscht haben.

Ich wette, man wird angesichts des wachsenden Durcheinanders das ß abschaffen. Damit gehen wir konsequent den Weg weiter in noch schlechtere Lesbarkeit. Die Schweizer müßten eigentlich „Busse“ zahlen für die Torheit, das ß aus dem Schriftwortschatz verbannt zu haben. Aus persönlichen Gesprächen mit Schweizern weiß ich, daß bei den meisten das ß im Hinterkopf unbewußt mitläuft. In der Schweiz liest man viele Bücher aus Deutschland, mit dem lesefreundlichen ß. Lesen prägt die Rechtschreibung.

Karin Pfeiffer Hallein (bei Salzburg)

merkur.de 6.8.2015

Bemerkenswert: Keine orthographische Zwangsanpassung des Leserbriefs!


eingetragen von Sigmar Salzburg am 31.07.2011 um 19.23

Vor sechs Jahren erinnerte Friedrich Denk im Münchener Merkur an den Todestag Konrad Dudens und die verbindliche Einführung der angeblich „unstrittigen“ Teile der Reformschreibung an den Schulen am gleichen Tag:

Friedrich Denk
Konrad Dudens doppelter Todestag


Am Montag vor 94 Jahren, am 1. August 1911, starb in Wiesbaden der Vater der einheitlichen deutschen Rechtschreibung, Konrad Duden. Gleichsam zur Feier seines Todestages wird am Montag, da in allen deutschen Behörden und in den meisten Schulen die Rechtschreibreform verbindlich wird, sein Lebenswerk vernichtet. Fast alle deutschsprachigen Autoren und die Mehrheit der Bürger verwenden weiter die bewährte Rechtschreibung: "Der rauhe Gemsenjäger sprang behende über die Schneewächte und schneuzte sich greulich; der 30jährige hatte ganz recht in dieser wohlbekannten Streßsituation." Beamte und Schüler müssen diesen Beispielsatz nun so schreiben: "Der raue Gämsenjäger sprang behände über die Schneewechte und schnäuzte sich gräulich; der 30-Jährige hatte ganz Recht in dieser wohl bekannten Stresssituation."

Und selbst wenn sich alle Erwachsenen gegen ihre wohlbegründete Überzeugung der staatlichen Erpressung beugen und "freiwillig" tun würden, wozu die Schüler gezwungen werden - in Millionen von Büchern in Bücherschränken und Bibliotheken wird die Überlegenheit der klassischen Rechtschreibung und die Zerstörung der einheitlichen Orthographie offenkundig bleiben.

Haben die Kritiker der Rechtschreibreform also umsonst gekämpft? Waren die Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform, die Gründung der Initiative "WIR gegen die Rechtschreibreform" in Weilheim und der Aufruf zum Volksbegehren in Bayern im Herbst 1996 Schläge ins Wasser? Haben Tausende von Bürgerinnen und Bürgern umsonst Zehntausende von Leserbriefen geschrieben, und Hunderttausende bei Unterschriftenaktionen und Umfragen umsonst ihre konstante Ablehnung der Rechtschreibreform bekundet? Waren alle Leitartikel und Kommentare, gerade auch in dieser Zeitung, vergebliche Liebesmüh?

So gut die Argumente auch waren - die Rechtschreibreform war und ist in der Tat überflüssig, milliardenteuer, inhaltlich ungenügend, eine undemokratische Zwangsmaßnahme, ein Angriff auf die Sprache und die literarische Tradition - sie haben das Inkrafttreten dieser Unreform nicht verhindern können. Nun sollen Lehrer Schreibungen als richtig gelten lassen, die grammatikalisch falsch sind (so Recht er hatte, es tut mir sehr Leid, heute Früh), und - außer in Bayern und Nordrhein-Westfalen - als falsch anstreichen, was die Schüler in fast allen literarischen Büchern lesen: ein pädagogischer Irrsinn. Die Kritiker haben also zunächst umsonst gekämpft im Sinn von "vergeblich", aber nicht umsonst im Sinn von "grundlos".

Deshalb würden die meisten von ihnen, da bin ich sicher, in einer ähnlichen Situation wiederum für das Bessere kämpfen. Und die meisten - auch ich - werden sich auch weiter nicht vor dem Gesslerhut der ss-Schreibung verbeugen und weiter "daß" mit drei Buchstaben schreiben. Wir schreiben weiter so wie die bedeutendsten deutschsprachigen Autoren und nicht wie eine Hand voll so genannter Fachleute. Vermutlich wird im Lauf der Jahre ohnehin fast alles wieder zurückgenommen, was 1996 als "neu" angepriesen wurde und in Wirklichkeit ein alter Hut war (Messergebnis, Missstand, zu Eigen, heute Abend, "A-cker" usw.) und vor mehr als 100 Jahren schon einmal aufgegeben wurde. Bis dahin halten wir uns an das Urteil von Loriot: "Die Rechtschreibreform ist ja völlig in Ordnung, wenn man weder schreiben noch lesen kann."

* Friedrich Denk, Initiator der "Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform", war Deutschlehrer am Gymnasium Weilheim

www.merkur-online.de 29.7.2005

Wie man sieht, hat die Reparaturreform ein halbes Jahr später den angeführten Beispielen kaum etwas von ihrem Unfugscharakter genommen.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 17.06.2006 um 05.40

Kalenderblatt 2006: 17. Juni

Hamburg (dpa) - Das aktuelle Kalenderblatt für den 17. Juni:

24. Kalenderwoche

168. Tag des Jahres


1953 – Der Volksaufstand in der DDR gegen die Partei-und Staatsführung wird von sowjetischen Truppen niedergeschlagen.

1901 – Auf einer Konferenz in Berlin beschließen Vertreter der deutschen Bundesstaaten und Österreich-Ungarns eine einheitliche deutsche Rechtschreibung.


Ergänzung

17. Juni – Tag der deutschen Einheit
(Inzwischen durch ein Datum der Parlamentsbürokraten ersetzt.)

1871 Einheit Deutschlands (kleindeutsch durch Bismarck)
1901 Einheit der deutschen Rechtschreibung (durch Konrad Duden)

Fortfall entbehrlicher Zeichen:
h nach t: Thür >Tür

1949 Teilung Deutschlands (durch die Kommunisten)
1996 Teilung der deutschen Rechtschreibung (durch die Kultusminister)
… in die klassische Kulturschreibung – und die Pennälerschreibung:

Vermehrung überflüssiger Zeichen:
ss-Reformsignal: As > Ass ( = engl. „Arsch“)
Dreifachbuchstaben: Schwimmeister > Schwimmmeister
… auch kombiniert: Flußschiffahrt > Flussschifffahrt
Stammpedanterie: Roheit > Rohheit
Ratlosigkeit: Zierat > Zierrat
„Volksetümologie“: Tolpatsch > Tollpatsch
Bindestrichfimmel: der 14jährige > der 14-Jährige
Notlösungs-Bindestrich: Brennessel > Brenn-Nessel
Lückentick: die Leidtragenden > die Leid Tragenden
Kommakrampf: „Kommst du?“ fragte er > „Kommst du?“, fragte er
„Kackofonie“ : selbständig > selbstständig

1999 – Der Volksaufstand gegen die Rechtschreibreform wird am 17. September durch das Kieler Parlament niedergeschlagen.


__________________
Sigmar Salzburg


eingetragen von Norbert Lindenthal am 17.06.2006 um 05.04



Münchner Merkur, 17.6.2006


1901 - Auf einer Konferenz in Berlin beschließen Vertreter der deutschen Bundesstaaten und Österreich-Ungarns eine einheitliche deutsche Rechtschreibung.


eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz am 11.10.2004 um 10.34

„Die neuen Schulbücher könnten bleiben, etwaige Korrekturen würden in künftige Überarbeitungen einfließen.“

Denken wir uns das „etwaig“ weg, lassen wir „Korrekturen“ stehen. Denn nichts anderes wollen wir, als die nötige „Korrektur“ des Falschen zum allgemein Akzeptierten und nach der Tradition der Sprachgemeinschaft durchaus auch „Richtigen“. Und das möglichst ohne jahrelangen Irr- und Umwege zum Schaden aller, vor allem aber der nachwachsenden (Kultur-)Generation.
__________________
Karin Pfeiffer-Stolz


eingetragen von Norbert Lindenthal am 11.10.2004 um 06.43

8.10.2004

Neue Schreibung gilt mit Nachbesserungen

Regierungschefs der Länder einig

Berlin/München - Die neue Rechtschreibung wird an den Schulen wie geplant zum 1. August 2005 verbindlich - allerdings soll der neue Rat für die deutsche Rechtschreibung zügig Korrekturen vornehmen. Das beschlossen die Länderchefs einstimmig in Berlin.

Ebenfalls einstimmig bezeichneten sie den Fortbestand der Kultusministerkonferenz (KMK) als "unverzichtbar". KMK-Kritiker Christian Wulff, Niedersachsens Ministerpräsident, war zuvor eingeschwenkt, genau so wie bei der Forderung nach Rückkehr zur alten Schreibweise .

Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber und Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit bekräftigten, dass der Rat für die deutsche Rechtschreibung "plural" besetzt werden "und Gegner wie Befürworter vereinen soll". Zügig überdenken soll der Rat laut Stoiber vor allem die viel kritisierte Getrennt- und Zusammenschreibung, die Eindeutschung einiger Fremdwörter sowie die Kommaregeln.

Der Weilheimer Rechtschreib-Rebell Friedrich Denk zu der Entscheidung der Regierungschefs: "Sie haben immerhin erkannt, dass nachgebessert werden muss. Die Reparaturen gehen weiter. Es wäre einfacher, gleich zur klassischen Schreibweise zurückzukehren."

Die Sprecherin des Kultusministeriums in München, Claudia Piatzer: "Der Beschluss entspricht den bayerischen Vorstellungen." Die neuen Schulbücher könnten bleiben, etwaige Korrekturen würden in künftige Überarbeitungen einfließen.

mm


eingetragen von Norbert Lindenthal am 27.09.2004 um 05.55

27.09.2004 01:29

Tritt für die Landschildkröte

Niedersachsen will mit Drohung KMK-Reform erzwingen

Berlin - Es war der FDP-Politiker Jürgen Möllemann, der ein Bild für die Kultusministerkonferenz prägte: Sie arbeite mit dem "Tempo einer Griechischen Landschildkröte", sagte der gelernte Lehrer einmal. "Schnarchnasig", ein "Bremser-Gremium": Immer wieder gibt es Kritik an dem Gremium, die vom Streit um die Rechtschreibreform noch forciert wurde. Die nun angedrohte Auflösung sorgt im Tauziehen um die Bildungspolitik für zusätzliche Konfusion.

Der Anstoß zur Auflösung der KMK mit dem Ziel einer Reform kommt vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Der CDU-Politiker steht mit dem Gremium auf Kriegsfuß: "Ich bin fassungslos, in welcher Art und Weise die KMK jeden Versuch bekämpft, zu einer Korrektur der missratenen Rechtschreibreform zum kommen. Das ist an Borniertheit und Abgehobenheit nicht mehr zu überbieten", sagte Wulff jüngst und erklärte, "ganz unabhängig vom Ringen um die Rechtschreibreform" denke er über einen Ausstieg aus der KMK nach.

Als Trotzkopf wird er nun von der Landes-SPD verspottet. Doch ganz unabhängig davon, was Wulffs Motive sind – sein Vorhaben sorgt für Chaos im gespannten Verhältnis zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen. So sagt Wulffs thüringischer CDU-Kollege Dieter Althaus, die Länder bräuchten ein Gremium zur Abstimmung in Bildungsfragen, sonst werde der Bund immer mehr Kompetenzen übernehmen. Die hessische Kultusministerin Karin Wolff spricht von einem "Schuss vor den Bug des Föderalismus". Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel sagt, die KMK sei besser als ihr Ruf. Immerhin lobt Kultusministerin Monika Hohlmeier, der Schritt zwinge die KMK zu einer Neuordnung im Sinne von mehr Transparenz.

Eigentlich versuchen die Länder, ihre Bildungskompetenzen gegen den Bund zu verteidigen. Auch Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) stellt die KMK nämlich in Frage und sieht diese als ungeeignet an, "zeitgerecht wichtige Weichenstellungen zu leisten".

Während Bulmahn die Zuständigkeit des Bundes auszubauen möchte, wollen die Länder das Gegenteil: Mit einer Klage gegen Bulmahns Junior-Professur wegen Kompetenzüberschreitung waren einige unionsgeführte Länder erfolgreich.

Unverständnis herrscht auch bei der KMK selbst: Niedersachsen habe in der Vergangenheit keinerlei Kritik geäußert und alle Beschlüsse mitgetragen, sagt KMK-Generalsekretär Erich Thies.

Frohlockend äußert sich nun die FDP, die ihre alte Forderung aufleben sieht: Man werde nun in den Landesregierungen, an denen die FDP beteiligt sei, darauf dringen, sich dem Vorhaben Niedersachsens anzuschließen, sagt Bildungspolitikerin Ulrike Flach. Die Erfolgsaussichten sind etwa in Rheinland-Pfalz eher gering einzuschätzen: Dort heißt die Bildungsministerin Doris Ahnen. Die Dame ist Präsidentin der KMK.

MIRJAM MOHR

Lesen sie auch zu diesem Thema: Konkurrenz für Merkel

Datum: 27.09.2004 01:21 | aktualisiert: 27.09.2004 01:29


eingetragen von Norbert Lindenthal am 27.09.2004 um 05.51

27.09.2004 01:08

Konkurrenz für Merkel

WULFF ENTMACHTET VÄTER DER RECHTSCHREIBREFORM

Wie man mit maximalem Aufwand minimale Ergebnisse hervorbringt, lässt sich trefflich am Beispiel der deutschen Kultusministerkonferenz (KMK) studieren: Da gibt es drei ständige Kommissionen, fünf Hauptausschüsse, sieben Unterausschüsse Schule, sieben Unterausschüsse Hochschule, zwei Unterausschüsse Kultur, sieben weitere Amtschefkommissionen, fünf Bund-Länder-Gremien zur Koordinierung im Schulbereich sowie weitere Palaverrunden, in den sich 250 deutsche Kultus-Bürokraten nach Herzenslust wichtig machen können. Da kommen dann Dinge heraus wie die sogenannte "Rechtschreibreform" und Bildungsstandards, die Deutschland seit der Pisa-Studie dem Spott der ganzen Welt preisgeben.

Niedersachsens CDU-Ministerpräsident Wulff ist sehr zu danken, dass er diesem Treiben nicht mehr länger zusehen will und der KMK den Geldhahn zudreht. Mit ihrem bornierten und ärgerlichen Festhalten an einer grotesk gescheiterten Rechtschreibreform hat die Konferenz der Kultusminister ihr Versagen sozusagen amtlich festgestellt. Diese KMK braucht wirklich keiner.

Es ist kein Zufall, dass - sieht man vom Schreibreform-Befürworter Roland Koch ab - vornehmlich Politiker der SPD und der PDS nun bittere Krokodilstränen vergießen: Die KMK war ihr Vehikel, ein höchst bescheidenes Bildungsniveau in ganz Deutschland zur Norm zu erheben. Natürlich müssen Schulfragen von überregionaler Bedeutung auch künftig zwischen den Ländern, die die Kultushoheit besitzen, koordiniert werden, damit beispielsweise ein Schüler aus Bremen in Bayern studieren kann. Wulff macht den Weg frei für eine Neuregelung, die den Gedanken des föderalen Wettbewerbs neu aufgreift - und bringt sich zugleich in Stellung als einer, der sich in Deutschland etwas zu bewegen traut. Konkurrenz für Merkel und Stoiber?

Georg Anastasiadis

Datum: 27.09.2004 01:06 | aktualisiert: 27.09.2004 01:08


eingetragen von Dominik Schumacher am 31.08.2004 um 14.13

31.8.2004

Kompromiss durchgefallen

Schreib-Reform: Kultusminister lehnen Akademie-Vorschlag ab

Berlin - Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat vor einer Spaltung der deutschen Sprache gewarnt. Zugleich forderte das Gremium die Einsetzung eines Expertenrats, der seine Vorschläge bis zum Ende der bisher festgelegten Übergangszeit im Sommer 2005 ausarbeiten soll. Zuvor hatte die Akademie bereits einen Kompromiss-Vorschlag vorgelegt (wir berichteten). Der Vorstoß fand bei der Kultusministerkonferenz (KMK) allerdings keine Zustimmung.

Die KMK reagierte mit dem Hinweis, bereits im September ein Konzept für den von ihr seit längerem geplanten "Rat für deutsche Rechtschreibung" vorlegen zu wollen. Darin sollen auch Kritiker sowie die "wichtigsten wissenschaftlichen und praktisch an der Sprachentwicklung beteiligten Gruppen" mitarbeiten. Letzte Gespräche mit Vertretern der Akademie hätten allerdings "derzeit nicht überwindbare Gegensätze" deutlich gemacht. KMK-Generalsekretär Erich Thies ergänzte, dass die Kultusministerkonferenz von der Mitarbeit der Akademie für Sprache in dem Rat für Rechtschreibung ausgehe.

Akademie-Präsident Klaus Reichert sprach von einer "starren und vernagelten Haltung der Kultusminister". Die Akademie forderte, die Übergangszeit zur endgültigen Einführung der neuen Rechtschreibregeln um ein Jahr zu verlängern, damit die "Ausgeburten bürokratischer Denkweisen" bei der Reform beseitigt werden könnten. Namhafte Schriftsteller wie Günter Grass, Martin Walser und Siegfried Lenz verlangten dagegen eine völlige Rücknahme der Rechtschreibreform.
dpa/mm

Datum: 30.08.2004 20:01 | aktualisiert: 31.08.2004 00:06


eingetragen von Norbert Lindenthal am 24.08.2004 um 05.02

24.08.2004 00:05

Auch Loriot hilft Schreib-Rebellen

Prominente fordern Rückkehr zur alten Rechtschreibung

München - Die Wahl ihres Gründungsorts war bereits Programm: Statt eines elitären Restaurants wählten die acht Sprach-Experten das Paulaner Bräuhaus in München, um den unabhängigen "Rat für deutsche Rechtschreibung" ins Leben zu rufen (wir berichteten). Die Kritiker der neuen Rechtschreibung kämpfen für die Rückkehr zu den alten Regeln - und geben sich volksnah: "Wir vertreten den erklärten Willen der Mehrheit der Deutschen", betont der neue Vorsitzende Hans Krieger.

Die Gründung des Vereins war ein spontaner Entschluss: "Wir kannten uns vom Sehen und wussten, dass wir alle gegen die Reform sind", erzählt Krieger, der als Autor und Journalist arbeitet. Am Samstag um elf Uhr trafen sich die Reform-Kritiker - fünf Stunden später war der Verein geboren. Neben Krieger gehörten zu den Gründungsmitgliedern der als Rechtschreibrebell bekannt gewordene Weilheimer Deutschlehrer Friedrich Denk, der Geschäftsführer der IG Autoren in Wien, Gerhard Ruiss, der Schweizer Gymnasiallehrer Stefan Stirnemann sowie der Münchner Rechtsanwalt und Lektor Johannes Wasmuth.

Obwohl erst einen Tag alt, hat das Kritiker-Gremium bereits prominente Fürsprecher, darunter die Schriftsteller Günter Kunert, Reiner Kunze und Elfriede Jelinek sowie der Erlanger Sprachwissenschaftler Theodor Ickler. Noch am Montag traten Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, Schauspieler Vicco von Bülow alias Loriot sowie die Autoren Siegfried Lenz, Hans Magnus Enzensberger und Günter Grass dem Verein als Ehrenmitglieder bei. "Weitere namhafte Schriftsteller sind angefragt", sagt Krieger.

Mit seiner Namensgebung hat der Verein bewusst für Verwirrung gesorgt. In Wien trafen sich gestern Spitzenbeamte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, um ein gleichnamiges Gremium zu gründen, das die so genannte Zwischenstaatliche Kommission ablösen soll. (siehe Kasten [kein Katsen in der online-Ausgabe]). "Wir sprechen den Kultusministern grundsätzlich das Recht ab, eine weitere Kommission zu berufen, deren einzige Aufgabe es sein kann, dass offenkundige Scheitern der Rechtschreibreform hinauszuzögern", sagt Krieger.

Statt weiterer Korrekturen fordert der Verein die Rückkehr zur alten Rechtschreibung. "Jede Nachbesserung führt nur zu noch mehr Verwirrung." Bei einer falsch geknöpften Jacke helfe es auch nicht, nur einen Knopf neu zu knöpfen. "Der ganze Ansatz ist verfehlt."

Der Münchner Verein will trotz der wachsenden Zahl an namhaften Unterstützern "klein und beweglich bleiben", so Krieger. Erste Protest-Aktionen sind bereits beschlossen: So soll am 23. September in Weilheim eine öffentliche Dichterlesung stattfinden. Die Aktion steht unter dem Motto "Für die Einheit der Orthographie". Außerdem haben die Reform-Kritiker einen Stand auf der Frankfurter Buchmesse Anfang Oktober angemeldet.

STEFFEN HABIT

Datum: 23.08.2004 20:27 | aktualisiert: 24.08.2004 00:05


eingetragen von Norbert Lindenthal am 17.08.2004 um 06.34

17.8.2004

Die Sprache soll entscheiden

RECHTSCHREIBUNG: WIE GEHT ES WEITER?

Nirgendwo wird Streit leidenschaftlicher ausgetragen als auf dem Gebiet von Bildung und Sprache; nirgendwo liegen Überzeugungskraft und Rechthaberei so eng zusammen. Was die Orthographie angeht, kann diese Redaktion (wie viele andere) ein Lied davon singen. Stets haben wir jene Reform kritisiert, die Bürokraten in Hinterzimmern ersonnen und dann den Kultusministern untergejubelt haben. Warum, fragen sich nun Leser, machen wir es nicht einigen Verlagen nach und kehren zur alten Rechtschreibung zurück?

Die Antwort ist einfach und doch kompliziert. Sie lautet: Eine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt wäre unsinnig, weil die Grundlagen dafür fehlen. Es gibt das technische Argument, dass eine "Rückübersetzung" des Nachrichtenagentur-Materials nicht möglich ist. Ebenso wichtig aber ein sachlich-inhaltlicher Grund: Es bleibt abzuwarten, wie sich die Ministerpräsidenten und die Kultusminister im Oktober entscheiden. Denn eine Zeitung kann mit ihrem wichtigsten Handwerkszeug Sprache auf Dauer nicht anders umgehen als ihre Leser, auch ihre jungen.

Die Sprache muss ihr ureigenstes Recht zurück erhalten: ihre Selbstbestimmung

Da eine Zeitung ein Medium ist, führt die Willensbekundung allein nicht weiter: Wir selbst sind ja keine politischen Akteure.
Seit sechs Jahren wird die neue Form der Schriftsprache an deutschen Schulen nun gelehrt. Den ärgsten Auswüchsen der Reform haben wir uns von Anfang an widersetzt. Mayonnaise mit "j" und "ä" wird man bei uns nicht finden, dafür den Unterschied zwischen "leidtun" und "Leid tun".

Aber wir stellen uns auch der Verantwortung für die Einheitlichkeit der Sprache. Und deshalb hoffen wir, dass es im Oktober gelingt, die Einführungsfristen an den Schulen zu verlängern. Der "Rat für Rechtschreibung", in dem auch Gegner der Reform sitzen, soll dann seines Amtes walten - und der Sprache ihr ureigenstes Recht zurück geben: ihre Selbstbestimmung. Niemand als sie selbst und ihr Gebrauch soll dann darüber entscheiden, wie wir schreiben.

ERNST HEBEKER

Datum: 16.08.2004 23:15 | aktualisiert: 17.08.2004 00:02


eingetragen von Dominik Schumacher am 16.08.2004 um 06.39

11.08.2004

Stoiber akzeptiert neue Regeln nicht

Rechtschreibreform: Diskussion kocht

Bad Tölz-Wolfratshausen - Sommerdiskussion hin oder her. Für Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber steht seit langem fest: Er schreibt nach den Regeln der alten Rechtschreibung. Er sei nie ein Anhänger der Rechtschreibreform gewesen, meinte Ministerpräsident Edmund Stoiber am Montagabend in einer Presserunde im Königsdorfer Gasthof Hofherr. .

"Diese Reform hat zu einem großen Durcheinander geführt", lautete Stoibers klares Urteil. Es gebe zu viele Ausnahmen, die Getrennt- oder Zusammenschreibung sei "ein Buch mit sieben Siegeln". Merkwürdig, so der Ministerpräsident, mute auch die Eindeutschung von Begriffen wie "Ketschup" und "Majonäse" an.

Nach der letzten Reform 1901 sei das anders gewesen: "Damals hat es klare Regeln gegeben, und jeder hatte ein gewisses Schuldbewusstsein, wenn er etwas falsch geschrieben hat." Der jetzigen Reform fehlt es laut Stoiber dagegen klar an Akzeptanz. "Jeder schreibt mehr oder weniger wie er will."

Auch könne man nicht darüber hinwegsehen, dass die Masse der Schriftsteller die neue Rechtschreibung nicht annehme und 60 Prozent der Zeitungen - darunter das Massenblatt Bild - zu den alten Regeln zurückgekehrt sei. Folgen diesem Beispiel weitere Verlage und Presseagenturen, "kann man es nicht verantworten, dass junge Menschen eine Sprache lernen, die sie nirgendwo lesen können"

Im Oktober wird sich die Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Thema beschäftigen. Von einer generellen Rückkehr zu den alten Regeln geht Stoiber nicht aus. "Ich glaube aber, dass ein paar Punkte der neuen Rechtschreibung geändert werden müssen." Und wie hält es der Ministerpräsident persönlich? "Ich schreibe alles in alter Rechtschreibung", sagte er. "Das einzige, was ich angenommen habe, ist, dass ich ,dein‘ klein schreibe."va

mm

Datum: 11.08.2004


eingetragen von Norbert Lindenthal am 11.08.2004 um 23.23



12.08.2004 00:04

Rechtschreibreform vor Kompromiss?

CSU und Akademie für Teil-Rückbau

München - Die CSU-Fraktion im Landtag hat sich gegen eine vollständige Rücknahme der Rechtschreibreform ausgesprochen. Die Lösung läge vielmehr im Kompromiss, sagte Fraktionschef Joachim Herrmann. Eine Umfrage auf der Homepage der CSU-Fraktion habe ein gespaltenes Meinungsbild ergeben. Daher sei ein teilweises Fortbestehen der neuen Regeln bei einer gleichzeitigen Verbesserung ihrer Schwächen sinnvoll.

Auch die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung plädiert für einen Kompromiss: "Rückbau" umstrittener Regelungen und Beibehaltung einzelner Verbesserungen; den Schreibenden sollten außerdem Freiheiten gelassen werden. Bis auf Niedersachsen und das Saarland wollen aber weiterhin die Schulminister die umstrittene Reform wie beschlossen zum 1. August 2005 verbindlich gelten lassen.

Gegen eine Rücknahme sprach sich auch der Deutsche Philologenverband aus, während 70 Rechtsprofessoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eben diese Rücknahme forderten.

(mm/dpa)

Datum: 11.08.2004 21:45 | aktualisiert: 12.08.2004 00:04


eingetragen von Norbert Lindenthal am 06.08.2004 um 18.44

06.08.2004 16:58 / Sprache Rechtschreibung Medien

Analyse: «Schwarzer Freitag» für die Rechtschreibreform?


Wie schreibt sich das noch? Die Rechtschreibreform scheint eine unendliche Geschichte zu sein.
Hubert Link (dpa/dpaweb)

Berlin (dpa) - Hat Deutschland ein neues Sommerloch-Thema oder ist der Ausstieg von «Spiegel» und Springer-Zeitungen bei der Rechtschreibreform der Anfang vom Ende der neuen Schreibweisen?

Die Kultusminister wie die Ministerpräsidenten traf die Mitteilung der beiden großen Verlage am Freitag nicht unvorbereitet. Nicht nur intern hatte es reichlich Vorwarnungen gegeben. Zumindest zwei der Länder-Regierungschefs - Christian Wulff (CDU/Niedersachsen) und Peter Müller (CDU/Saarland) waren nach dpa-Informationen seit langem auch in Details der Aktion eingeweiht.

Als treibende politische Kraft gilt dabei Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner. Mehrfach hatte Döpfner in den vergangenen Monaten Vertreter anderer Verlage nach Hamburg geladen, um ein möglichst breites Medien-Bündnis gegen die seit 1998 an den Schulen eingeführten neuen Schreibregeln zu schmieden. Ursprünglich - so ist aus mehrerer Verlagen zu hören - sollte die «Bombe» pünktlich zur Frankfurter Buchmesse am 5. Oktober platzen. Das hätte dann Druck auf die zwei Tage später tagenden Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin (7./8. Oktober) und auch auf die Kultusminister ausüben sollen, die sich anschließend im Saarland treffen (14./15. Oktober).

Doch bis Freitag blieb es nur beim Schulterschluss von Springer und Spiegel. «Focus»-Chefredakteur Helmut Markwort - dem bei der Aktion die weitere Schlüsselrolle zugedacht war - gab Döpfner einen klaren Korb: «Deutschland hat derzeit wichtigere Probleme als neuen Streit um die Rechtschreibreform». Die «Süddeutsche Zeitung» will zwar auch mitmachen, debattiert jedoch intern noch über Details. Als einzige deutsche Tageszeitung hatte sich die «FAZ» kurz nach dem Start der Reform den neuen Schreibweisen verschlossen.

Vor allem Springers «Bild» hatte in den vergangenen Wochen den beiden Rechtschreib-Reformrebellen Wulff und Müller breiten Raum eingeräumt. Nachdem die Kultusministerkonferenz das Thema auf Wunsch von Saarlands Kultusmister Jürgen Schreier (CDU) für die Oktober- Sitzung wieder auf die Tagesordnung nahm, sah «Bild» die Reform schon als so gut wie gescheitert an.

Markwort verweist dabei kritisch auf das «Zusammenspiel» von Journalismus und Politik, mit dem hier eine «Kampagne» vorangetrieben wurde: «Wer sich über Chaos beschwert, sollte nicht das Chaos vergrößern. Wir wollen auch nicht den Kampf um die Rechtschreibreform auf dem Rücken unserer jungen Leser austragen, die in den Schulen die neuen Schreibweisen lernen.»

Die Rückkehr der großen Verlage zu den alten Schreibregeln setzt ohne Zweifel die Länder-Regierungschefs politisch massiv unter Druck. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) plädiert zwar auch dafür, das Thema beim nächsten Treffen «am Kamin» mit seinen Länderkollegen zu erörtern. Indes ließ er bisher offen, ob er für eine Rücknahme der Reform ist. Schließlich gehörte er im März 1996 mit zu den 16 Ministerpräsidenten, die einstimmig das Reformwerk gebilligt hatten.

Für die Rücknahme wäre erneut ein einstimmiger Beschluss nötig. Die SPD-Länderchefs haben sich auf einer Telefon-Schaltkonferenz bereits gegen ein Einschwenken ausgesprochen. Man würde sich in der aktuellen Föderalismusdebatte «der Lächerlichkeit Preis geben», wenn die Länder zum einen mehr politischen Einfluss verlangten, sich gleichzeitig aber dem Druck großer Medien beugten, wurde aus der Runde kolportiert. Auch die Bundesregierung denkt nicht an Rückzug.

Aber selbst wenn es zu einem gemeinsamen innerdeutschen Votum gegen die Reform käme - auch die Schweiz, Österreich und Liechtenstein hätten noch ein Wörtchen mitzureden. Und dort ist die Bereitschaft nicht besonders groß, die bereits seit den 60er Jahren geführten Reformdebatten um Kommaregeln, «ss-Schreibung» und Groß- und Kleinschreibung wieder aufleben zu lassen.

Doch der Streit um die Rechtschreibreform war in Deutschland stets eine Überraschung wert. Um die Jahrhundertwende stoppte Kaiser Wilhelm einmal höchstpersönlich ein Reformwerk, über das Germanisten und Kultusbeamte jahrelang gestritten hatten. Zum Ärger des Kaisers sollte nämlich der «Thron» sein «h» verlieren. Erst als die Reformer einschwenkten und dem «Thron» weiter das «h» zubilligten, willigte er ein.
Von Karl-Heinz Reith, dpa


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