Ich erachte Sie als netten, hilfsbereiten, verantwortungsvollen, handfesten, kritischen Menschen, aber bitte hören Sie mit den Vergleichen zum Dritten Reich auf.
Das hatten wir schon und das ist nicht vergleichbar und Sie wissen es.
Aber warum ist das nicht vergleichbar, liebe Frau Menges? Aus den Ereignissen des Dritten Reiches kann bzw. könnte man enorm viel lernen. Natürlich sind es in diesem Fall andere Dimensionen, andere Konsequenzen, aber die Verhaltensmuster sind doch haargenau dieselben. Die Lehrer, die uns »Heil Hitler« auf die Schiefertafeln malen ließen, waren genau so professionell und pflichtbewußt wie die heutigen. Es mußten noch nicht einmal unbedingt Nazis sein, und auch die waren oft nichts anderes als pflichtbewußt, und viele fanden die Herrschaftsverhältnisse damals durchaus in Ordnung, bis auf die Auswüchse, von denen sie entweder wirklich nichts wußten (selbst wir ABC-Schützen spielten schon mit so einer Art Cellophanbildchen, von denen wir uns erzählten, diese seien aus Judenhaut und die Kernseife aus deren Knochen, aber vielleicht wußten wir mehr als die Erwachsenen) oder die sie unter »bedauerliche Entgleisungen« abhakten. Unter den Lehrern von damals gab es autoritäre Quälgeister, aber auch ganz ernsthafte, den Kindern liebevoll zugewandte und von ihnen geliebte Leute. Aber sie mußten wie Sie das unterrichten, was ihnen von den Dienstherren aufgetragen wurde. Und wer 1943/45 noch im Lehrerberuf war, hatte mit diesen Aufträgen in der Regel auch keine Probleme. Lehrer neigen nicht zu Autoritätskritik, denn sie wollen einerseits keine Konflikte nach oben zu den Vorgesetzten, aber andererseits genausowenig nach unten zu den Schülern. Wer zu Autoritätskritik neigt oder diese für wünschenswert hält, wird selten Lehrer. Und es war ja auch nicht schlimm, sondern ganz im Ernst wichtig, daß die Kinder »Heil Hitler« schreiben lernten, man mußte es können, denn jeder Brief, selbst im Privatleben, mußte so abgeschlossen werden. Zu so etwas, wie einer Vereinheitlichung der Grußformeln in Schriftstücken, haben uns unsere Kultusminister zum Glück noch nicht vergattert, aber so bereitwillig, wie die Reform angenommen wurde, würde möglicherweise auch eine solche Dienstanweisung umgesetzt.
Es ist aber immer interessant darüber zu hören. Schreiben Sie doch eine Geschichte darüber. Sie wäre durchaus lesbar, evt. im Unterricht einsetzbar. Ich würde sie dann gerne mitnehmen (auch in der alten Rechtschreibung). Aber natürlich nur, wenn sie hervorragend und treffend formuliert, pointiert und mit einem Höhepunkt versehen ist. Da ich den Schluss besonders mag, bitte ich Sie diesen herauszuarbeiten! ( vgl. Konzentrationslager: Ein wirklich gutes Buch hat Victor E. Frankl darüber geschrieben: ...trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. Kösel Verlag 1977)
Also jetzt pokern Sie aber ganz schön hoch, Verehrteste. Ihren qualitativen Anforderungen wäre eine von mir erzählte Geschichte sicherlich niemals gewachsen, das merke ich schon bei der Lektüre Ihrer treffend formulierten, pointierten und immer mit sowohl einem Höhepunkt als auch einem gekonnt herausgearbeiteten »Schluss« versehenen Beiträge.
In diesem Zusammenhang auf das Buch von Viktor E. Frankl zu sprechen zu kommen, ist völlig neben der Matte, das ist schließlich kein Schulaufsatz und entzieht sich jeglicher schulmeisterlichen Bewertung.
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Walter Lachenmann
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