Kann man die GZS präzisieren?
Zuvor: Ich hoffe, man hat verstanden, daß das Holterdi(e)gepoltere und Schwuppgewuppe als Witz gedacht war. Aber wie interessant: Man hat irgendwie das Gefühl, daß ein -die- in schwuppdiwupp unplausibel ist, nicht jedoch in holterdiepolter, und tatsächlich zeigt sich das in der Statistik. Man muß sich nun vorstellen, daß solche winzigen, kaum rational begründbaren Unterschiede auch die reale Gestalt der GZS prägen mit ihren vielfältigen Einflüssen; da kann man sich gleich ausmalen, daß man in Teufels Küche landet, wenn man für die GZS eine eindeutige Darstellung erreichen will.
Ich hatte gestern abend auch schon ein ganz mulmiges Gefühl, als ich einfach mal behauptete, daß man die GZS teilweise präzisieren könne, und das Gefühl wurde noch mulmiger, als ich es anhand des relativ übersichtlichen Bereichs zusammen_... einmal versuchte. Da habe ich auch schon ein bißchen hin und her geschoben, am Schluß waren es ein paar Bogen weniger, als ich zuerst festlegen wollte. Ich erwartete daher eigentlich, daß Professor Ickler den Vorschlag abschießen würde, um dann sagen zu können: Seht her, es geht nicht einmal innerhalb von zusammen.
Nun wurde mein Ansatz aber noch nicht abgeschossen. Soll ich weitermachen mit was? Vielleicht mit ein paar Verbzusätzen, die uns die Unmöglichkeit der Präzisierung bzw. deren zu große Nachteile deutlicher vor Augen führen? Welche wären das? Also, ich würde gern wissen, ob mir Professor Ickler das Scheitern voraussagt, denn dann könnte ich mir das Kopfzerbrechen sparen (ich habe ja leider keine Statistiken, sondern nur Erfahrungswerte und ein gewisses Gespür für das, was Herr Riebe sprachimmanente Gründe für Schreibweisen nennt).
Professor Ickler meint zwar, daß das Pulver verschossen sei; aber ich möchte noch einmal versuchen, das Problem der fast durchgängigen Darstellung Verbzusatz -> Fakultativschreibung ein wenig zu systematisieren.
Zunächst muß man anerkennen, daß die vielen Bogen ein heftiges Mißfallen bei nicht wenigen Betrachtern hervorrufen und den nachvollziehbaren Eindruck: Wenn ich schon ins Wörterbuch schaue, dann möchte ich doch wissen, wie etwas geschrieben wird (oder überwiegend geschrieben wird oder wann es wie geschrieben wird oder wie es bevorzugt/besser geschrieben werden sollte) jedenfalls dann, wenn aus statistischen oder theoretischen Gründen eine solche Entscheidung oder Empfehlung möglich wäre.
Dazu kommen zwei Grundsätze, die dem Wörterbuch doch als Leitsätze voranstehen: 1. Schreiben für den Leser; 2. Schreibweisen kommen vor den Regeln. Der erste Grundsatz Schreiben für den Leser stützt die Ablehnung, soweit sie sich gegen die Darstellung getrennt oder zusammen richtet, in denjenigen Fällen, in denen der kompetente Schreiber (oder Lexikograph) weiß, daß die eine Schreibweise für den Leser (noch) besser, eingängiger, vertrauter, leichter lesbar o. ä. ist als die andere. Aus denselben Gründen wird ja auch zum Beispiel bei der Kommasetzung bei Infinitivsätzen eine differenzierte Darstellung beibehalten, anstatt daß man einfach sagt: Wir kapitulieren vor der Komplexität der Fälle und sagen nur noch Infinitivsatz -> Komma freigestellt.
Der zweite Grundsatz Schreibweisen kommen vor Regeln untermauert die Kritik am Bogen in den Fällen, in denen die Statistik ein großes bis überwältigendes Übergewicht einer Variante ergibt, also zum Beispiel bei fertigstellen. Da denkt dann der Benutzer: Das gibt es doch nicht, daß die Getrenntschreibung als gleichrangig dasteht, und reibt sich verwundert die Augen.
Was ist da passiert? Die GZS ist bei Verbzusatzkonstruktionen von so vielen Faktoren abhängig, daß es (mehr oder weniger) unmöglich ist, sie zu vertretbaren Kosten im Detail voll zu differenzieren; man erhielte jede Menge Inkonsequenzen und eine spitzfindige, fragwürdige Fülle an Details, die sich keiner merken kann. Nun flüchtet man sich also in die Lösung Verbzusatz -> Bogen und erhält dann, leider, auch die Darstellung zusammen_pferchen oder fertig_stellen. Das bedeutet, der Grundsatz Schreibweisen vor Regeln wurde umgekehrt: Die Regel Bei Verbzusätzen kommt sowohl Getrenntschreibung als auch Zusammenschreibung vor, aus der unübersichtlichen Masse aller Verbzusatzschreibungen gewonnen, wird überall im Wörterverzeichnis angewendet, so als ob fertig stellen gleichberechtigt neben fertigstellen vorkäme obwohl die Statistik (SZ) ergeben hat: Häufigkeit 1:50!
Anders gesagt: Der Bogen wäre dann voll berechtigt, wenn durchgehend nur die Verbzusätze selbst verzeichnet wären, am besten mit einem für die Varianten typischen Beispiel, also zum Beispiel fertig_kochen oder zusammen_bleiben. Der Ärger kommt erst bei richtig_stellen oder zusammen_brechen auf.
Nun wäre es ein noch weiterer Rückschritt, wenn man, nur um den Bogen zu rechtfertigen, sich jeweils auf ein einziges Beispiel wie platt_machen (für platt_) zurückziehen würde. Ich habe daher anhand von zusammen_ einmal probiert, ob man nicht den Grundsatz Schreibweisen vor Regeln im Wörterverzeichnis wieder besser zur Geltung bringen kann. Das scheint nicht ganz mißlungen zu sein (obwohl ich mich, wie gesagt, dabei schon ziemlich unwohl gefühlt habe).
Also, soll ich jetzt weitermachen oder werde ich scheitern, Herr Ickler? Ich gehe nicht davon aus, daß ich es besser kann als Sie, und verspüre deshalb keinen großen Antrieb, mich in ein unlösbares Problem zu verstricken ...
Wolfgang Wrase München
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