Diverse Antworten
Herr Illauer,
Sie irren, wenn Sie meinen, dass man dem neuen Regelwerk zufolge nicht sowohl halbfertig als auch halb fertig schreiben könnte. Das Wörterverzeichnis verweist unter halb_amtlich auf § 36 (5). Dass die Getrenntschreibung ohnehin möglich ist, wird dort ebenfalls deutlich gemacht. Im neuen Duden ist die Sache klarer denn je (eigener Kasten). Spätestens dort stellt man auch fest, dass es nach alter Regelung die meiner Meinung nach unsinnigen Zusammenschreibungen halbleer, halboffen und halbverhungert gab. Im alten Duden finde ich weder halbfertig, noch halb fertig. Es dürfte aber im Sinne der alten Dudenregeln (205, 206) gewesen sein, beides zu ermöglichen und entsprechend eine andere Aussprache anzunehmen. Was die Betonung betrifft, so hat sich in diesem Fall nichts geändert, auch wenn der 2000er Duden eine identische Betonung beider Schreibungen notiert. Was also ist so fürchterlich? Dass im neuen Regelwerk die Zusammenschreibung nicht mehr über die Betonung, sondern über die Bedeutung erklärt wird?
Zu Herr Jansen, greifen Sie ein!
Die Schreibweise richtigstellen aus dem aktuellen Regelwerk abzuleiten, entspricht dem Wortlaut der Regeln. Der Fall ist kein bisschen umständlich. Auch sind die Reformer nicht zu dumm, dass auch so zu sehen; sie sahen nur offenbar ursprünglich mehr Argumente für die Auslegung, die ig, -lich und- lisch generell trennt.
Die Zusammenschreibung energiesparend ist selbstverständlich möglich, denn etwas kann sehr energiesparend sein (u.U. sogar noch energiesparender als der Vorgänger). Ich bin mir sicher, dass diese Regelung (teilweise in Bertelsmann 1999, deutlicher in Duden 2000) auch so in der nächsten Auflage des Regelwerks stehen wird. Dass energiesparend nicht im 2000er Duden steht, ist ein Versäumnis, auf das Herr Ickler ja schon hingewiesen hatte. Was nicht im Regelwerk oder in einem Wörterbuch steht, musste schon immer durch Analogien erschlossen werden (so auch der Fall gewinnbringend / Gewinn bringend). In diesem Sinn entspricht energiesparend dem Regelwerk. Gegenteiliges wird man nicht finden. Man kann Absichten vermuten (nur noch Energie sparend zulassen wollte), man wird sie aber im Regelwerk nicht expressis verbis finden. Dass die Getrenntschreibung eine Energie sparende Anlage auch möglich sein muss, steht für mich außer Frage. Bei das Holz verarbeitende Gewerbe kann man mit der obigen Regelung die Zusammenschreibung nicht erschließen. So etwas ging in der Tat nur mit der schwammigen Regel R 209 (siehe meine Ausführungen zu GUZ im alten Forum). Ich habe noch keine Idee, wie man Fälle wie holzverarbeitend mit einer Regel beschreiben könnte, die der Anwendbarkeit des neuen Regelwerks gerecht wird. R 209 band einen an den Duden (Was empfindet die Dudenredaktion als Einheit?), gibt einem aber keine Anwendungsregel, die wenigstens die Chance enthält, dass Schreiber hier zu den gleichen Ergebnissen kommen. Der erste Kommissionsbericht hatte hier glaub ich ein neues Türchen geöffnet (von wegen fachsprachlich...?). Dass energiesparend als einen Teil der Energie sparend aufgelöst wird, scheint mir zumindest orthografisch nicht das Relevante zu sein; es geht um Energie sparen. Auch aus holzverarbeitend nicht Holz, sondern Hölzer herauszulösen, ist für mich nicht nachvollziehbar (gleiches gilt für Kunststoffe und nicht Kunststoff). Hier geht es um eine Metonymie (Singular anstelle des Plurals). Ich stimme ausdrücklich zu, dass das Holz und kunststoffverarbeitende Gewerbe unschön ist. Entweder einheitlich das Holz und Kunststoff verarbeitende Gewerbe oder (alt) das holz- und kunststoffverarbeitende Gewerbe. Die Frage zu ss und ß ist nicht ernsthaft. Die Antwort dazu ließt man dennoch in § 25 E2. Herr Eberwein,
, Ihre Anfrage führt nur dazu, dass wir uns im Kreise drehen. Die Regel Verb + Verb ist völlig sinnvoll und anwendbar. Der Fall kennen_lernen wäre für mich die auffälligste Ausnahme, die wir uns leisten könnten (als Nebenform). Mit anderen Analogien könnte man weitere Zusammenschreibungen einklagen. Doch ein Grundsatz der Neuregelung war es, in Bezug auf sehr häufige Wörter immer zu Kompromissen bereit zu sein.
Sehr geehrterHerr Markner,
in der Tat: Ich gehe nach wie vor davon aus, dass sich der erste Duden bis 1901 hauptsächlich am preußischen Regelwerk orientierte. Was wollen Sie da richtigstellen? Wenn das nicht korrekt ist, sagen Sie es. Wenn Sie es ergänzen wollen, ist das allerdings etwas anderes. Sie schrieben von sächsischen und württembergischen Regeln. Gab es die nach 1901? Wie kann es nach 1901 unterschiedliche Regelbücher geben? (von wegen sächsisch und Ost-Duden vielleicht? ; nur in Bezug auf GZS und Zeichensetzung ?). Wenn diese Bücher vielleicht unterschiedlich waren, so setzten sie doch vermutlich alle den Regelapparat von 1901 um? Sie sagen ja auch, dass die Unterschiede in den Wörterverzeichnissen bestanden. Wenn ja, in welchen Bereichen waren sie unterschiedlich? Das alles klingt bisher so, als hätte es keine Einheitsrechtschreibung gegeben (ich benutze hier den gleichen überzogenen Ansatz, wie wenn man etwa angesichts der ZEITSchreibung oder bei Abweichungen zwischen Wörterbüchern von Zerstörung der Einheitsrechtschreibung spricht).
Ich habe nie behauptet, dass das Regelwerk von 1901 nach 1945 allein durch den Duden weiterlebte. Ich bezog mich auf Ihre Äußerung, die ich so verstand, dass das Regelwerk von 1901 den Zweiten Weltkrieg nicht überlebte. Ich wiederhole meine Frage: Was genau meinen Sie mit österreichisches Regel- und Wörterverzeichnis, das Ihnen zufolge als einziges überlebte?
Ich sehe es nicht so, dass die Regeln von 1996 im bewussten Widerspruch zu den sprachgeschichtlichen Entwicklungen des Deutschen und den grammatikalischen Anforderungen dieser Sprache formuliert worden sind. Es gibt dennoch grammatisch angreifbare Teile im neuen und im alten Regelwerk (z.B. Substantivierungen teilweise kleinzuschreiben).
Was Sie über Flexibilität und Sprachwandel schrieben, ist leicht gesagt. Man könnte Sprachwandel orthografisch viel stärker abbilden (orginal, Hygene, Rückrat, im Vorraus usw.). Doch auch all die Menschen, die kucken sagen und nicht gucken, schreiben dennoch mehrheitlich gucken. Uns fehlt die Kultur einer Anpassung an Sprachwandel. Das hat auch sehr nützliche Gründe, ist mir schon klar. Der Duden hat nur nach meiner Ansicht in all den Jahren weniger Sprachwandel abgebildet, als die Leute behaupten, die ihn immer als deskriptiv gegenüber der normativen Neuregelung profilieren wollen.
Ich finde tut uns Leid gar nicht aua. Wenn Gewinn bringend sinnigerweise korrekt ist, aber nur sehr gewinnbringend und andererseits viel Gewinn bringend, dann ist doch Leid tun (neben leid tun), aber nur sehr leid tun auch in Ordnung. Die Differenzierung steht zwar noch nicht im Regelwerk (noch Wörterverzeichnis oder 2000er Duden), doch sie wird vermutlich bis 2005 dort eingeführt.
Michael Jansen
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