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Reinhard Markner
14.04.2001 22.00
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Statistik

Der Ausdruck »geradestehen« kam in dieser Form (Infinitiv, zusammengeschrieben) in der Wiener Presse (www.diepresse.at/archiv.taf) seit Anfang 1997 45mal vor. Ich hatte ein paar technische Probleme beim Zugriff auf die Ergebnisse, aber es scheint, daß der Ausdruck von den Autoren ausnahmslos im übertragenen Sinne gebraucht wurde. (Die Suche nach der Schreibung »gerade stehen« ist nicht möglich.)



Reinhard Markner

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Reinhard Markner
14.04.2001 22.00
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Lieber Herr Wrase,

ich freue mich, daß Sie und Herr Lachenmann die Wasserpistolen wieder eingesteckt haben. Da ich wie üblich sehr spät zu Bett gehe, kann ich für die heutige Runde das letzte Wort haben. Wahrscheinlich wird der Herr Professor dann ab 5:45 Uhr zurückschießen (nachdem er sich gehörig amüsiert hat über das, was wir hier so anstellen).
Ich hatte, weil Sie die Festlegung des »Dudens« für »sehr unrealistisch« erklärten, angenommen, Sie stimmten mit mir in der Annahme überein, daß die Zusammenschreibung nur bei Gebrauch in übertragener Verwendung üblich sei. Da habe ich mich getäuscht, aber ich nehme nicht an, daß ich mich in der Sache täusche. Es wird Ihnen, so glaube ich weiterhin, sehr schwer_fallen, Belege für die Zusammenschreibung im Sinne von »aufrecht stehen« zu finden. Ich will natürlich nicht behaupten, daß mit meiner kleinen Stöberei im Volltextarchiv der Presse die Sache schon erledigt wäre. Suchen Sie mal ruhig weiter, vielleicht finden Sie ja ein paar Belege in Artikel über Haltungsschäden.
Einen Gefallen kann ich Ihnen nicht tun. Sie fordern »Klarheit, ob man sich mit dem Ansatz und ergo mit den Ergebnissen einverstanden erklärt oder nicht«. Die können Sie nicht kriegen. Und zwar deshalb nicht, weil ein deskriptives Verfahren nicht notwendig genau die Ergebnisse zutage fördert, welche die 1. Auflage des »Icklers« präsentiert. Wir wollen hier nicht von der Dudenhörigkeit stracks zur Icklergläubigkeit übergehen, das hatten Sie wohl auch nicht vor.
Was Sie über die Verhältnisse bei »bekannt_machen« sagen, ist interessant, die zusätzliche amtliche Normierung würde ich aber nicht für allzu wichtig erachten. Ich sehe jedoch, um darauf noch einmal zurückzukommen, bei diesem Wort eine starke Ausstrahlung des Substantivs »Bekanntmachung«. »Das Geradestehen« läßt sich demgegenüber zwar konstruieren, dürfte aber in freier Wildbahn kaum anzutreffen sein.



Reinhard Markner

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Walter Lachenmann
14.04.2001 22.00
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Kreuz und quer

Die Diskussionsbeiträge überschlagen sich und überschneiden sich. Worauf es ankommt, dürfte inzwischen zu unterscheiden sein von dem, worauf es nicht ankommt.
Der letzte Beitrag von Herrn Wrase, in dem er von seinen eigenen Problemen mit Herrn Icklers Wörterbuchkonzeption spricht, ist als Zwischenergebnis nicht nur versöhnlich, sondern auch hochinteressant und gibt reichlich zu denken.
Für meinen Teil will ich das jetzt tun.



Walter Lachenmann

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Wolfgang Wrase
14.04.2001 22.00
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Muß das sein?

Das fragt mich Walter Lachenmann:

-> Herr Wrase schreibt an Herrn Markner: »Was mich im Prinzip geärgert hat, war, daß Herrn Lachenmanns Beitrag eine überlegene Entgegnung zu Herrn Jansen sein sollte..«
Nein, Herr Wrase!!! Ich habe an Herrn Jansen so wenig gedacht wie an Ickler, Duden, Wrase oder wras auch immer, sondern nur an das, was ich geschrieben habe! Ist das so schwierig?
Es gibt auch Gedanken ohne Hintergedanken.

Also, Herr Lachenmann, lesen Sie doch bitte Ihren Beitrag, in dem das mit der SZ vorkommt, noch einmal durch. Er beschäftigt sich fast durchgehend mit Herr Jansen, zuerst indirekt, indem Sie Professor Icklers Antwort zu Herrn Jansen (Inspiration) fortsetzen, danach ausdrücklich. Sie reden darin Herrn Jansen mehrfach an und beschäftigen sich ausführlich mit der verkorksten Mentalität, für die er ein Beispiel sei (Orthopietismus). Sie können doch nicht ernsthaft abstreiten, daß Ihr Beitrag eine Entgegnung genüber Herrn Jansen ist. Das habe ich geschrieben. Ich finde, darauf kommt es doch auch gar nicht an.



Wolfgang Wrase

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Walter Lachenmann
14.04.2001 22.00
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Ach so!

Jetzt habe ich gerade nochmals den Beitrag gelesen, da war tatsächlich auch von Herrn Jansen die Rede. Meinetwegen, ich habe also wohl doch auch an ihn gedacht.
Aber die Intention ging nicht gegen ihn, sondern gegen die übereifrigen Journalisten, die die neuen Regeln in einem derart vorauseilenden Gehorsam vertreten, daß sie über das hinausschießen, was die neuen Regeln tatsächlich vorgeben.
Herr Jansen hat damit eigentlich wenig zu tun. Nur insofern, als ich in ihm einen Menschen gesehen habe, der seine intellektuelle Aufgabe, so wie es aussieht, darin zu sehen scheint, sich für von oben Verordnetes mit allen seinen intellektuellen und sprachlichen Gaben zu engagieren, so wie es bei vielen Theologen anzutreffen ist. Das war der Ausgangspunkt und ist wieder ein ganz anderer Aspekt. Ich traue ihm ausreichende Kenntnisse der neuen Regeln zu, daß er den von mir kritisierten Journalistenunsinn nicht nachvollziehen würde und ihn ebenso verfehlt findet. Das kann nicht die Absicht der Reformer gewesen sein.



Walter Lachenmann, vom Aneinandervorbeireden recht matt und nicht mehr lustig zu weiteren Klarstellungen

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Wolfgang Wrase
14.04.2001 22.00
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Lieber Herr Lachenmann,

also gut, Sie und Herr Markner haben recht: Ich muß mich a) entschuldigen für alles mögliche an unangemessener Emotion und Formulierung, b) zugeben, daß ich nicht nur Herrn Markner, sondern auch Sie falsch verstanden habe. Ich hoffe, daß die Diskussion trotz der von mir beigesteuerten unschönen Aspekte auch einiges klären konnte. (Man kann ja auch interessante Dinge äußern, auch wenn man zunächst ausfällig ist oder aneinander vorbeiredet.)

Ich denke, Sie wissen, daß auch ich die „Nachteile“ des deskriptiven Ansatzes kenne und ernst nehme, insbesondere, daß unsere Mitmenschen (nicht nur wir selber) die unentschiedenen Angaben in einem Wörterbuch spontant einfach nicht mögen. Sie wissen, daß ich verschiedentlich eine moderierende Haltung eingenommen und bei Professor Ickler für Differenzierung geworben habe (vielleicht eine Größenordnung weniger, als Sie es für sinnvoll halten, aber immerhin; bei einem Telefonat mit Professor Ickler vor wenigen Wochen habe ich noch einmal spontan dazu geraten, er möge bei einer differenzierenden Ausschmückung des Wörterbuchs zurückhaltend vorgehen, weil er sonst vom Arbeitsaufwand wie auch von der Systematik her in Teufels Küche kommen könnte). Nach meinem letzten entsprechenden Beitrag im Forum kam als Entgegnung die Enzyklika „Totaliter aliter“ (= Ganz anders!), wo Professor Ickler den moderierenden Versuch beiseite wischte und als sein Prinzip noch einmal das „Dogma der Deskriptivität“ benannte. Nach dem ich meine Moderation, die ich für ziemlich gut gehalten hatte, so barsch abgefertigt sah, kam ich schließlich auch zu der Frage: Was sollen eigentlich alle diese unermüdlichen Mäkeleien an dem Ergebnis der deskriptiven Arbeit, die vielen hundert praktisch fruchtlos geschriebenen Erklärungen des Verfassers? Wichtiger und die Diskussion sehr entlastend wäre doch die eigene Klarheit, ob man sich mit dem Ansatz und ergo mit den Ergebnissen einverstanden erklärt oder nicht.

In diesem Sinne will ich Sie schon noch einmal fragen: Wenn Professor Ickler die deskriptive Methode zur Grundlage seines Wörterbuchs macht: dann mag es gewichtige Nachteile und Widerstände, unschöne Ergebnisse und dergleichen mehr geben, aber was nützt es dann eigentlich, diese ernstzunehmende Kritik von ernstzunehmenden, gewissenhaften und wohlwollenden Mitstreitern zu bedenken? Entweder müßte man etwas an dem Konzept ändern, oder die Erörterung der Nachteile ist im Prinzip nur von theoretischem Interesse. Die Diskussion über Grenzfälle und strittige Einträge ist ja immer sinnvoll und willkommen, auch interessant, aber ich sehe hier schon die Notwendigkeit, eine persönliche Entscheidung zu treffen, ob man nicht nur mit dem Prinzip, sondern auch mit dem Ergebnis der deskriptiven Arbeit einverstanden ist oder nicht. (Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie sich im Prinzip damit einverstanden erklären.)

Jedoch habe ich den Eindruck, daß Professor Ickler teilweise bis zum Umfallen damit beschäftigt war, sein Vorgehen zu rechtfertigen, nur weil diejenigen, die Einwände gegen ihn vorbrachten, nicht verstanden/und oder nicht akzeptiert haben, daß aus diesem Vorgehen eine ganz andere Darstellung der Rechtschreibung (in wesentlichen Bereichen) resultiert, als wir sie vom Duden gewöhnt waren und die ihre „Nachteile“ hat, jedenfalls was die spontane Akzeptanz betrifft. Oder wie war das zum Beispiel mit Stephanus Peil: Ist es nicht merkwürdig, daß da einige Dutzend Wortwechsel allein zwischen ihm und Professor Ickler stattfanden, von den vielen hundert sonstigen hier zu lesenden Beiträgen abgesehen, bis Stephanus zu dem Ergebnis kam, der Duden sei ihm im Prinzip oder unter dem Strich doch lieber?

Ich hoffe, Sie können jedenfalls neben meiner Bärbeißigkeit auch den sachlichen Gehalt meiner Äußerungen als solchen erkennen und sehen insofern auch etwas Konstruktives in meinen Beiträgen.



Wolfgang Wrase
München

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Walter Lachenmann
14.04.2001 22.00
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Richtig lesen

Nein, Herr Wrase, Ihre Meinung, »daß Sie« – also ich – »die Neuregelung lächerlich machen wollten,« ist auch falsch. Sie haben nicht ordentlich gelesen. Ich wollte – und das habe ich jetzt fast schon so oft gesagt, wie Sie es erklärt haben, daß Icklers Wörterbuch deskriptiv gedacht ist – darauf hinweisen, wie man in journalistischen Texten jetzt immer wieder Schreibweisen begegnet, die mit großer Wahrscheinlichkeit so gewählt worden sind, weil der Schreiber (oder Korrektor, was weiß ich, wie diese Texte schließlich zustande kommen) meinte, nach den neuen Regeln sei das nun so geboten, selbst wenn der neue Duden das gar nicht vorgibt. Dafür gibt es unendlich viele Beispiele. Das ist ein ganz anderes Thema als das des deskriptiven Ansatzes bei Ickler und wie man zu dem steht. Ich behaupte immer noch, daß dieser Ansatz zwar etwas Faszinierendes und Überzeugendes hat, aber mit Sicherheit auch viele Probleme mit sich bringt. Und die Diskussion ist der Beweis dafür. Und konstruktiv könnte es sein, diese Diskussion konstruktiv und mit Bereitschaft, auf die Bedenken einzugehen, die vorgetragen werden, zu führen. Nicht alle Diskutanten hier haben Ihr differenziertes Expertenwissen, da aber die Sprache dem Volk gehört, sollte man von Experten erwarten, daß sie da gut hinhören, was aus dem Volke kommt, sofern es keine Trottel sind, die sich da äußern.
Ich betrachte diesen Ausdruck, auf alle die hier diskutieren, als von Ihnen mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückgenommen. Immerhin habe ich Sie als Mensch von guten Manieren und feinem Geiste kennengelernt, und bei diesem Bild möchte ich auch bleiben.



Walter Lachenmann

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Walter Lachenmann
14.04.2001 22.00
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Richtig lesen

Nein, Herr Wrase, Ihre Meinung, »daß Sie« – also ich – »die Neuregelung lächerlich machen wollten,« ist auch falsch. Sie haben nicht ordentlich gelesen. Ich wollte – und das habe ich jetzt fast schon so oft gesagt, wie Sie es erklärt haben, daß Icklers Wörterbuch deskriptiv gedacht ist – darauf hinweisen, wie man in journalistischen Texten jetzt immer wieder Schreibweisen begegnet, die mit großer Wahrscheinlichkeit so gewählt worden sind, weil der Schreiber (oder Korrektor, was weiß ich, wie diese Texte schließlich zustande kommen) meinte, nach den neuen Regeln sei das nun so geboten, selbst wenn der neue Duden das gar nicht vorgibt. Dafür gibt es unendlich viele Beispiele. Das ist ein ganz anderes Thema als das des deskriptiven Ansatzes bei Ickler und wie man zu dem steht. Ich behaupte immer noch, daß dieser Ansatz zwar etwas Faszinierendes und Überzeugendes hat, aber mit Sicherheit auch viele Probleme mit sich bringt. Und die Diskussion ist der Beweis dafür. Und konstruktiv könnte es sein, diese Diskussion konstruktiv und mit Bereitschaft, auf die Bedenken einzugehen, die vorgetragen werden, zu führen. Nicht alle Diskutanten hier haben Ihr differenziertes Expertenwissen, da aber die Sprache dem Volk gehört, sollte man von Experten erwarten, daß sie da gut hinhören, was aus dem Volke kommt, sofern es keine Trottel sind, die sich da äußern.
Ich betrachte diesen Ausdruck, auf alle die hier diskutieren, als von Ihnen mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückgenommen. Immerhin habe ich Sie als Mensch von guten Manieren und feinem Geiste kennengelernt, und bei diesem Bild möchte ich auch bleiben.



Walter Lachenmann

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Wolfgang Wrase
14.04.2001 22.00
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Lieber Herr Lachenmann,

ich habe nicht behauptet, daß Sie Professor Ickler (sein Wörterbuch, das deskriptive Prinzip) lächerlich machen wollten, sondern ich habe gesagt, daß Sie die Neuregelung lächerlich machen wollten, daß Ihr Spott sich aber im Effekt nur auf Professor Icklers Wörterbuch und letztlich auf den deskriptiven Ansatz bezieht    (wobei Sie das eben nicht wollten). Ist doch klar; wieso drehen Sie mir das im Mund herum? Und woher wollen Sie denn wissen, wie die Getrenntschreibung von „für etwas gerade stehen“ zustande kam? Das ist Spekulation – dazu habe ich ebenfalls schon Stellung bezogen –, denn es könnte doch sehr gut sein, daß der Redakteur einfach nach seinem Gefühl geschrieben hat, daß er nicht versucht hat, nach der präskriptiven Norm zu schreiben. Wenn es das nicht gäbe, würde Professor Ickler bei seiner Auswertung der SZ und der FAZ nur die (vielleicht nicht ganz perfekte) Anwendung des Duden finden! Statt dessen findet er teilweise mit über zehnfacher Häufigkeit Schreibweisen, die der angeblich befolgten Norm widersprechen!

Wenn Sie sich jedenfalls über eine Schreibweise lustig machen oder sie einfach „kritisieren“, die Professor Ickler empirisch als vorkommend registriert und daher in sein Wörterbuch aufnimmt – wozu soll denn das gut sein? Sie sagen ja nicht einmal, was er konkret ändern soll. Soll er anmerken: „Die Zusammenschreibung wird von einigen Mitgliedern der Sprachgemeinschaft als häßlich empfunden“? Sie sparen doch nicht mit Verachtung für die sprachliche Degeneration der Journalisten! Also wenn das Ihr Anliegen ist, muß man doch wieder fragen: Was hat eine solches Bedürfnis mit Professor Icklers Wörterbuch zu tun? Was soll Ihre zwar nicht hier, aber doch an anderen Stellen ausführlichst vorgebrachte Kritik dieser Art an dem Wörterbuch eigentlich bewirken? Professor Ickler hat doch oft genug gesagt, daß er ein deskriptives Wörterbuch machen will, sogar ein „rein deskriptives“ – was hat also der Geschmack einiger sehr, sehr sensibler Schreiber da zu suchen? Er hat doch geschrieben, daß solche Fragen in eine Lehre zur Stilistik hineingehören und nicht in sein empirisches Wörterbuch.

Und belanglos ist die Frage keineswegs, ob man das Vorgehen des Duden schätzt oder nicht – wegen der fundamentalen Unterschiede, die es in der Methode, in den Ergebnissen und in den damit verbundenen Konsequenzen (Vorteilen und Nachteilen) gibt. Wo steht im Duden ein Bogen oder etwas Vergleichbares? Sind nicht unzählige Beispiele, zuletzt auch wieder von mir, für die vielfältigen Probleme des „alten Duden“ hier erörtert worden, die der Anlaß für die Neuregelung waren? Hat nicht Professor Ickler Herrn Riebe und Herrn Peil dafür gedankt, sich wenigstens konsequent für den Duden entschieden zu haben, anstatt immer wieder von ihm zu verlangen, daß er sich an Methode und Inhalt des Duden halten solle? Wenn Sie es als unverschämt empfinden, wie ich hier die Fronten zu klären versuche oder mit welchen Worten, so entgegne ich nochmals, daß ich es meinerseits für eine gewisse Unverschämtheit halte, zum x-ten Mal etwas von Professor Ickler zu erwarten, wozu er schon zum x-ten Mal erklärt hat, daß es nicht seine Sache und sein Anliegen ist. Oder etwas an seinen Ergebnissen zu kritisieren, was gar nicht anders aussehen kann, wenn man das deskriptive Programm als seine Methode zur Kenntnis nimmt.

Ich schreibe doch niemandem vor, ob er Dudenianer sein soll oder nicht, wie gut oder teilweise gut er den Duden findet – wo soll ich denn das geäußert haben? Ich habe nur gesagt, dieses dauernde Kritisieren an „zu beliebigen“ oder „unschönen“ Ergebnissen der empirischen, deskriptiven Arbeit ist doch völlig sinnlos, wenn man nach zehn oder fünfzig oder hundert Klarstellungen vielleicht einmal erkannt hat, daß Professor Ickler nun eben grundsätzlich empirisch vorgeht! Ist es nicht irgendwo wirklich entweder dumm oder aber ziemlich unhöflich, wenn man einfach nicht anerkennt, was ein Wörterbuchmacher tun will, auch wenn man das mit kaum zu übertreffender Geduld immer wieder erläutert bekommen hat? Ich sage doch nur, es wäre besser, anstatt sinnlos zu kritisieren, daß man sich überlegen möge, ob man mit dem deskriptiven Ansatz, den Professor Ickler nun einmal gewählt hat und von dem er nicht abweichen wird, eigentlich einverstanden ist oder nicht. Wenn man damit einverstanden ist, so verstehe ich nicht, wie man „für etwas gerade stehen“ als lächerliche Schreibweise einstufen kann bzw. was das Ernstnehmen dieser Kritik eigentlich bringen soll. Schließlich hüten Sie sich davor, dies auszuführen. Da hatte Herr Riebe mehr Mut bzw. Konsequenz als Sie. (Ich sage es noch einmal: Ich weiß, daß Sie die diskutierte Schreibweise aufs Korn genommen haben, ohne an unser Wörterbuch zu denken. Drum sagte ich ja: „Erst denken, dann schreiben.“ War unhöflich, aber immerhin deutlich.) Vielleicht versteht wenigstens Herr Illauer meine Frage an ihn, was seine Liste wünschenswerter Schreibungen, die dem Duden entspricht, aber nicht dem Wörterbuch von Professor Ickler, eigentlich für seine Entscheidung zwischen Ickler und Duden bedeutet. Als salomonische Lösung schlage ich vor: Vielleicht würde Professor Ickler in einer Stilkunde teilweise zu ähnlichen Vorschlägen kommen. Sind Sie damit einverstanden?



Wolfgang Wrase
München

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Reinhard Markner
14.04.2001 22.00
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Ad Lachenmann :
Das »marodieren«-Beispiel ist hübsch, aber es steht nicht zu befürchten, daß in absehbarer Zeit alle Welt »marodieren« im Sinne von »krank durch die Gegend reisen« verwenden wird. Die Sache mit dem »ficken« ist hingegen echter Sprachwandel. Im Englischen scheuen sich die Leute immer mehr, von »cock« (Gockel) zu reden. Das hat ähnliche Gründe.
Übrigens erfaßt Google nicht hauptsächlich journalistische Texte. Insofern können die Ergebnisse der Suchmaschine auch dazu dienen, die der von Herrn Ickler herangezogenen Zeitungs-CD-Roms zu überprüfen.

Ad Riebe :
Die Duden-Redaktion hat nie einen konsequent deskriptivistischen Ansatz verfolgt. Der hätte nämlich den Status des Dudens als einzig maßgebliches orthographisches Werk untergraben.

Ad Upmeyer :
Das »Suchen nach den dahinterliegenden Gesetzmäßigkeiten« bringt auch in der Sprache so etwas wie eine »Logik« hervor, diese geht aber selten völlig auf, weil Sprache zwar eine Kulturtechnik, aber eben doch nicht das Ergebnis von Ingenieurskunst ist.

Ad Wrase :
Der Unterschied zwischen unseren Auffassungen ist sehr geringfügig, aber das scheint Ihnen irgendwie nicht zu gefallen (?).
Was mir wiederum absolut nicht gefällt, sind Ihre Unterstellungen. Herr Lachenmann hat längst klar_gestellt, daß er nicht den »Ickler« aufs Korn nehmen wollte. Es spricht viel für die auch von Ihnen angestellte Vermutung, daß der betreffende Journalist zu der Getrenntschreibung »gerade stehen« durch sein sprachliches Umfeld angestiftet worden ist. Wir konnten schon viele derartige Fälle beobachten, und es ist gelegentlich sinnvoll, darauf hinzuweisen. (S. dazu auch Herrn Lachenmanns jüngsten Beitrag.)
Völlig grundlos ist auch Ihre Unterstellung, ich könne mir die Zusammenschreibung von »geradestehen« im Sinne von »aufrecht stehen« nicht »vorstellen«. Ich kann mir sehr vieles vorstellen, aber um meine Einbildungskraft geht es nicht. Ich behaupte, daß Herrn Lachenmanns Sprachgefühl nicht trügt und die Zusammenschreibung nur beim Gebrauch der Wendung in übertragener Bedeutung gängig ist. Sie könnten versuchen, den Gegenbeweis anzutreten, aber soviel ich sehe, wollen Sie das gar nicht, weil Sie nämlich wissen, daß meine Behauptung richtig ist.
Der Unterschied zwischen Ihrer und meiner Auffassung besteht also lediglich darin, daß Sie keine genauere Beschreibung des Usus in diesem Falle wünschen. Weil ich diesen Unterschied mittels meiner überdurchschnittlichen Auffassungsgabe rasch erkannt habe, verwies ich kurzerhand auf das Lemma »bekannt_machen«. Wollen Sie bei nächster Gelegenheit Herrn Ickler dazu auffordern, die dort gegebene Explikation wieder zu streichen, weil sie zu genau ist ?

NB :
Aus urheberrechtlichen Erwägungen weise ich abschließend noch darauf hin, daß ich an dieser Stelle als erster auf die Bedeutung von Substantivierungen auf die GKS hingewiesen habe. Ich tat dies seinerzeit, weil immer nur von Betonungen und Bedeutungen die Rede war. Der Zusammenhang ist belangreich, aber nicht regelhaft.

Nachtrag :
»Eine Differenzierung mit „überwiegend“ oder „meist“ wäre wohl möglich, je nach Statistik, und dann angebracht, wenn in einem Fall die Waagschale sehr eindeutig in eine Richtung geht.« (W. Wrase) So ist es (im Falle von »gerade_stehen«).



Reinhard Markner

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Wolfgang Wrase
14.04.2001 22.00
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Lieber Herr Markner,

hier meine Antwort.

-> Der Unterschied zwischen unseren Auffassungen ist sehr geringfügig, aber das scheint Ihnen irgendwie nicht zu gefallen (?).

Das trifft nicht zu; im Gegenteil.

-> Was mir wiederum absolut nicht gefällt, sind Ihre Unterstellungen. Herr Lachenmann hat längst klar_gestellt, daß er nicht den »Ickler« aufs Korn nehmen wollte.

Ich habe das inzwischen ebenfalls klar_gestellt, daß ich das nicht behauptet habe. Was mich im Prinzip geärgert hat, war, daß Herrn Lachenmanns Beitrag eine überlegene Entgegnung zu Herrn Jansen sein sollte, aber in Wirklichkeit dessen Äußerungen bestätigte: unter anderem daß viele Einträge in unserem Wörterbuch aus verschiedenen Gründen zurückzuweisen seien, daß Professor Ickler und seine Mitstreiter sich alles andere als einig seien und daß Professor Ickler hinter den Stand von 1996 (= Duden von 1991) „zurückfalle“ (der von denen verteidigt wird, die gewisse Entscheidungen des Duden für besser halten als die Angaben bei Professor Ickler). Ich möchte das aber hier der Übersichtlichkeit halber nicht auch noch ausführen.

-> Völlig grundlos ist auch Ihre Unterstellung, ich könne mir die Zusammenschreibung von »geradestehen« im Sinne von »aufrecht stehen« nicht »vorstellen«. Ich kann mir sehr vieles vorstellen, aber um meine Einbildungskraft geht es nicht. Ich behaupte, daß Herrn Lachenmanns Sprachgefühl nicht trügt und die Zusammenschreibung nur beim Gebrauch der Wendung in übertragener Bedeutung gängig ist. Sie könnten versuchen, den Gegenbeweis anzutreten, aber soviel ich sehe, wollen Sie das gar nicht, weil Sie nämlich wissen, daß meine Behauptung richtig ist.

Ich wäre sehr dankbar, wenn wir diesen Fall statistisch klären könnten. Ich habe versucht, fast eine Stunde lang, mir beim Überfliegen der Ergebnisse von google einen Überblick zu verschaffen, aber es gelang mir nicht, weil die Listen mit dem häufigsten Fall „gerade = soeben“ überschwemmt waren. Ich habe Ihre Formulierung wohl falsch verstanden, das wollte ich natürlich nicht. Im Gegensatz zu Ihnen vermute ich, daß „geradestehen“ für „aufrecht stehen“ einigermaßen gleichberechtigt mit der Getrenntschreibung vorkommt, eben weil „gerade = soeben“ (und ähnliches) unglaublich häufig ist, so daß es Fälle geben muß, wo der Schreiber „geradestehen = aufrecht stehen“ schon der Betonung halber abgrenzen wird. So ganz daneben kann die Duden-Norm meiner Meinung nach nicht gewesen sein. Das müßte man klären. Jedenfalls ist es hier ganz und gar nicht so, daß ich grundsätzlich anderer Meinung sein wollte als Sie oder an einer Überprüfung nicht interessiert wäre. Mir ging es darum, die verschiedenen, komplexen Motive der GZS bei gerade_stehen zu erläutern, die eine realistische Differenzierung der Einträge schwierig und kompliziert machen. Insoweit trifft Ihre Fortsetzung nicht zu:

-> Der Unterschied zwischen Ihrer und meiner Auffassung besteht also lediglich darin, daß Sie keine genauere Beschreibung des Usus in diesem Falle wünschen. Weil ich diesen Unterschied mittels meiner überdurchschnittlichen Auffassungsgabe rasch erkannt habe, verwies ich kurzerhand auf das Lemma »bekannt_machen«. Wollen Sie bei nächster Gelegenheit Herrn Ickler dazu auffordern, die dort gegebene Explikation wieder zu streichen, weil sie zu genau ist ?

Natürlich nicht. Wenn Sie darauf hinweisen, ist der Unterschied zu meinen Ausführungen, daß ich mich beispielhaft dagegen gewandt habe, bestimmte Schreibweisen im Icklerschen Wörterbuch als häßlich, unlogisch, lächerlich oder ähnliches zu kritisieren. (Das hat zwar Herr Lachenmann im aktuellen Fall nicht absichtlich getan, aber im Effekt schon, und vor allem gab und gibt es ja jede Menge vergleichbare Kritik, gerade von Herrn Lachenmann, an der „Offenheit“ oder Liberalität des Wörterbuchs, so daß es kaum eine Rolle spielt, daß ich hier einen Aufhänger verwendet habe, der zufällig nicht als solche Kritik intendiert war.) Diese Frage – „Ist die Schreibweise abzulehnen?“ – stellt sich ja gar nicht bei dem ähnlichen Fall „bekannt_machen“, auf den Sie verwiesen haben. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß die Schreibung „bekanntmachen“ so und nicht anders in demselben amtlichen Kontext vorgesehen ist (bzw. war), auf den sie sich bezieht, also gewissermaßen tatsächlich normiert ist (bzw. so normiert war), auch wenn anderere Schreiber das teilweise nicht nachvollzogen haben. Das muß natürlich berücksichtigt werden, ebenso wie typische fachsprachliche „Normen“, so daß wir nicht ganz so frei sind, nur nach der Statistik zu entscheiden. Wenn Professor Ickler dennoch vorsichtig nur von „üblich“ spricht, so ist das gewissermaßen eine ähnliche Zurückhaltung wie bei einem schlicht als fakultativ verzeichneten „für etwas gerade_stehen“. Finde ich jedenfalls. Ich habe ja auch gar nichts gegen eine statistische Erläuterung von „für etwas gerade_stehen“, das habe ich doch mehrfach deutlich gemacht.



Wolfgang Wrase

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Walter Lachenmann
14.04.2001 22.00
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Muß das wirklich sein?

Herr Wrase schreibt an Herrn Markner: »Was mich im Prinzip geärgert hat, war, daß Herrn Lachenmanns Beitrag eine überlegene Entgegnung zu Herrn Jansen sein sollte..«
Nein, Herr Wrase!!! Ich habe an Herrn Jansen so wenig gedacht wie an Ickler, Duden, Wrase oder wras auch immer, sondern nur an das, was ich geschrieben habe! Ist das so schwierig?
Es gibt auch Gedanken ohne Hintergedanken.



Walter Lachenmann, leicht entnervt...

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Wolfgang Wrase
14.04.2001 22.00
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Sehr geehrter Herr Dörner,

vielen Dank für Ihren Hinweis zu „partei-ische“! Da haben Sie mich erwischt, ich bin richtig erschrocken. Komisch, daß mich Professor Ickler nicht gleich korrigiert hat; ich nehme an, er wollte sich nicht als Oberlehrer betätigen. Ich habe mich seit etwa 1996 kaum noch mit dem alten Duden beschäftigt, weil ich mich fast nur noch mit der Neuregelung auseinanderzusetzen hatte; danach brauchte ich den alten Duden kaum noch, und schon vergesse ich Details aus dem Regelwerk. Merkwürdig ist auch, daß Professor Ickler diese bereits bestehende Ausnahme nicht für die Rechtfertigung seiner Verallgemeinerung herangezogen hat, sondern nur die „Freiheit“ in R 180 erwähnt hat (das betrifft wohl das „besser“ im Punkt darüber: „... bleiben, wenn das möglich ist, besser ungetrennt“).

Zu Ihrer Frage fällt mir nur das Ende von R 209 als einschlägig auf: „Getrennt schreibt man dagegen, wenn eine nähere Bestimmung hinzutritt“, sowie der Punkt darüber, der („in bestimmten Fällen“, die also nicht definiert, sondern nur durch Beispiele konkretisiert werden) Freiheiten einräumt, wobei die Betonung als Unterscheidungsmerkmal erwähnt wird, zum Beispiel leíchtverdaulich/leícht verdaúlich.

Das ergibt wohl einen Ansatzpunkt für den folgenden Abschnitt: Bei diesem letzten Punkt von R 209 müßte es eigentlich heißen „eine nähere Bestimmung zum ersten Glied hinzutritt“, wie die Beispiele zeigen, etwa „die besonders schwer verständliche Sprache“. Denn natürlich kann man auch „die besonders schwerverständliche Sprache“ schreiben, wenn man den Gesamtbegriff „schwerverständlich“ durch „besonders“ näher bestimmen will. Das verschweigt der Duden an dieser Stelle – meiner Ansicht nach ein glattes Versäumnis, genau wie schon das Fehlen der Angabe: „zum ersten Glied“.

Wenn man diese doppelten Möglichkeiten hat, wäre es natürlich sehr unübersichtlich, sie jedesmal im Wörterverzeichnis durchzuspielen, zumal es da eben nichts festzulegen gibt und der Benutzer sowieso nichts falsch machen kann. (Vielleicht hat der Duden auch sein Versäumnis in R 209 nicht im Wörterverzeichnis zum Vorschein bringen wollen? Man weiß es nicht.) Jedenfalls ist das Schweigen im Wörterverzeichnis meiner Meinung nach in Ordnung – wer sucht schon, wenn man problemlos schreiben kann? Die vereinzelten differenzierenden Angaben zu „schwerfallen“ und „leichtfallen“ erkläre ich mir mit zwei Motiven: Erstens ist die Zusammenschreibung hier ziemlich locker – tatsächlich kommt auch Getrenntschreibung sehr häufig vor (Vorteil Ickler). Zweitens bezieht man ein „sehr“ wohl eher auf „schwer“ bzw. „leicht“ als auf den Gesamtbegriff „schwerfallen“ bzw. „leichtfallen“; vgl. zum Beispiel das Zusammenbleiben der Gruppe in „Es fällt mir sehr schwer“, „Sehr schwer fällt ihm das“. (Eine schwache Tendenz, aber immerhin.) Beides zusammen ergibt vermutlich weit überwiegend die Getrenntschreibung, so daß der normierende Duden sie hier normiert hat – was aber grammatisch gesehen einfach nicht berechtigt ist. Ich vermute, daß es hierzu auch mehr Anfragen gegeben hat, schon zum einfachen „schwer_fallen“ bzw. „leicht_fallen“, so daß der Duden sich hier eher zu einer – normierenden – Auskunft verpflichtet fühlte als zum Beispiel bei (sehr) übel_nehmen.


Die gänzlich unrealistische Festlegung „bessergehen“ ist einfach ein Pendant zur gänzlich unrealistischen Festlegung „gutgehen“. Ein schönes Beispiel für die Methode von Herrn Illauer/Duden:
Ich kann in den Schuhen gut gehen.
Ich wünsche, daß es Ihnen gutgehen möge.
Ich hoffe, daß das Experiment gutgeht.
Sieht so ganz plausibel aus und befriedigt den Normierer, hat aber mit der Schreibwirklichkeit nichts zu tun (außer natürlich „gut gehen können in den Schuhen“ und auch nichts mit Logik, wenn man über den Tellerrand der Wortkombination ein wenig hinausblickt:

Ich wünsche, daß es Ihnen hervorragend geht.
Ich wünsche, daß es Ihnen gutgeht.
Ich hoffe, daß das Experiment gut ausgeht.
Ich hoffe, daß das Experiment gut verläuft.
Ich hoffe, daß das Experiment gutgeht.

Ist das logisch? Ist das realistisch? Es spricht schon einiges für Zusammenschreibung im letzten Fall; noch sehr viel mehr spricht jedoch dafür, die Getrenntschreibung auch hier nicht als falsch anzusehen, sondern allenfalls die Zusammenschreibung als „oft eine Spur besser“. Die denkbar einfachste Lösung hat demnach Professor Ickler: gut_gehen. Eine Differenzierung mit „überwiegend“ oder „meist“ wäre wohl möglich, je nach Statistik, und dann angebracht, wenn in einem Fall die Waagschale sehr eindeutig in eine Richtung geht. Ob das so ist, weiß ich nicht.



Wolfgang Wrase

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Christian Dörner
14.04.2001 22.00
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Festlegungen des Duden (1991)

Lieber Herr Wrase,

da ich gerade Ihre Gegenüberstellung der GZS-Festlegungen des Duden bei Steigerungen von Verbzusatzkonstruktionen durch Gradadverbien lese, möchte ich Ihnen eine Frage stellen, die mich schon länger beschäftigt.
Der Duden legt z. B. „schwerfallen“, aber „sehr schwer fallen“ fest. Das steht ausdrücklich so im Wörterverzeichnis. Auch bei Konstruktionen mit „leicht“ ist der Hinweis zu finden, daß bei Steigerung getrennt zu schreiben sei. Sonst findet man zu diesem Thema aber wenige Hinweise im alten Duden.
Schreibt der Duden (1991) nun „sehr übelnehmen“ oder „sehr übel nehmen“, „sehr liebhaben“ oder „sehr lieb haben“, „es ist mir so gutgegangen“ oder „es ist mir so gut gegangen“ vor? Selbst bei „bessergehen“ schreibt er ja die Zusammenschreibung vor. Leider konnte ich die Antwort auf meine Frage nicht aus dem Duden entnehmen. Können Sie hier weiterhelfen?

Ach ja, vorhin habe ich noch Ihre Ausführungen zu den Trennungen bei Vokalen gelesen. Daß der alte Duden „parteii-sche“ und „breii-ge“ vorschrieb, stimmt so nicht. In R 180 heißt es ausdrücklich, daß „brei-ige“ und „partei-ische“ getrennt werden muß, da i und i zusammentreffen.



Christian Dörner
91058 Erlangen

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Wolfgang Wrase
14.04.2001 22.00
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dahin gehend?

Zunächst eine Korrektur. In meiner Gegenüberstellung hätte es statt
-> Er hat den Stab wieder gerade gebogen.
-> Er hat den Stabe wieder ganz gerade gebogen.
natürlich heißen müssen:
-> Er hat den Stab wieder geradegebogen.
-> Er hat den Stab wieder ganz gerade gebogen.

Damit sich der Beitrag lohnt, noch ein warnendes Exempel für das Prinzip Illauer/Duden. Wenn man sich die Duden-Einträge (1991) für die Verbzusatzkonstruktionen mit „dahin...“ ansieht – nämlich:

dahindämmern, dahineilen, dahinfahren, dahinfallen (schweiz.), dahinfliegen, dahingehen, dahingestellt, dahinleben, dahinplätschern, dahinraffen, dahinschleppen, dahinschwinden, dahinsegeln, dahinsiechen, dahinstehen, dahinsterben –,

so fällt auf, daß alle diese regelmäßig auf der zweiten Silbe von „dahin“ betont werden. Das scheint diese Gruppe sehr schön von den adverbialen Konstruktionen mit „dahin = dorthin“ abzugrenzen, die normalerweise auf der ersten Silbe von „dahin“ betont werden, und/oder, je nach Geschmack und Kontext, eventuell auf der Stammsilbe des Verbs bzw. Partizips: dáhin (ge)fahren oder dahin (ge)fáhren oder dáhin (ge)fáhren. Als Kompromiß wählt Duden zwei Betonungen: dáhin fáhren.

So, und nun stellt Duden fest, daß „dáhin géhend“ auf zwei Silben betont wird; jedenfalls wird es auf der ersten Silbe betont – dáhin gehend – und nicht wie dahíndämmern usw. auf der zweiten. Nach dem Muster der Illauerschen Parallelisierung bzw. Unterscheidungsschreibung gehört also dáhin géhend (oder dáhin gehend) in die getrennt zu schreibende Sippe.

Ich zitiere, die Besucher des Forums wissen es, diese Entdeckung von Professor Ickler, um zu zeigen, wohin diese Zuordnungen nach vermeintlich treffsicheren Unterscheidungskriterien führen können. Hier führt die Zuordnung völlig stimmig zur Getrenntschreibung, also war die Duden-Angabe „logisch“ und „sinnvoll“. In Wirklichkeit wird „dahin_gehend“ sowohl getrennt als auch zusammengeschrieben, und zwar (laut vielen tausend Belegen bei google) ungefähr zwanzigmal öfter zusammen als getrennt.

Welcher Zugang ist nun sinnvoll, Herr Illauer, Ihrer oder der von Professor Ickler? Bei einem Zahlenverhältnis von eins zu zwanzig könnte man doch ruhigen Gewissens die seltene Variante ganz streichen, wenn einem an Eindeutigkeit gelegen ist – und das wäre die getrennt geschriebene Variante. Aber gerade diese wäre nach Ihrer Systematik die einzig zulässige! Dieses Beispiel untermauert noch einmal eindrucksvoll, daß allein das Herausgreifen eines plausiblen Kriteriums noch nicht zu realistischen Ergebnissen führt, sondern daß es nur die Erfinder der Regelung befriedigen kann.

Damit bewegt man sich auf genau derselben Ebene wie Michael Jansen, der ausschließlich auf Regelebene arguementiert. Und zwar so unübertrefflich stur, daß er bei jeder Entgegnung wieder Rechtschreibung und Regelwerk gleichsetzt, auch wenn man hundertmal klargestellt hat, daß man unter Rechtschreibung die üblichen Schreibweisen (und deren inhärente Systematik) versteht und nicht irgendwelche staatlichen oder sonstigen präskriptiven Regeln. Das führt natürlich zu Diskussionen von kafkaesker oder Ionesco-artiger Sinnlosigkeit, wobei dies nicht das einzige Übel an Herrn Jansens krankhaften Pseudoargumentationen darstellt.

Deshalb sollten sich diejenigen, die Professor Icklers Bogen-Einträge zugunsten eindeutiger Kriterien beseitigt sehen wollen, noch einmal fragen, was ihre Vorschläge überhaupt mit Deskription, also mit dem Vorhaben von Professor Ickler zu tun haben sollen. So hatte Herr Riebe mit mehr als zäher Ausdauer versucht, die Getrennt-/Zusammenschreibung soweit wie möglich (oder so weit wie möglich) mit Hilfe des Betonungskriteriums zu regeln, was sich als undurchführbar bzw. als Irrweg erwies, zum Beispiel anhand von „zusammen_schreiben“. (Hierher, zur Betonung als Kriterium, gehört auch das obige Beispiel: dahin_gehend). Was soll eine solche willkürliche Selektion der Schreibweisen noch mit Deskription, mit Professor Ickler zu tun haben?

Herr Beck (wenn ich mich nicht täusche) wiederum schlug wiederholt eine grammatische Substantivierungsprobe vor, die bei gerade_biegen zu folgenden Ergebnissen führen würde:

gerade_stehen (momentan stehen), das Geradestehen: geht nicht/geht schlecht, also getrennt: gerade stehen
gerade_stehen (aufrecht stehen), das Geradestehen: geht, also zusammen: geradestehen
für etwas gerade_stehen, das Geradestehen für etwas: geht, also zusammen: für etwas geradestehen

Man sieht, daß man mit dieser Probe zwar auch Kopfzerbrechen bekommt, aber sie scheint immerhin zu einigermaßen plausiblen Ergebnissen zu führen. Die Frage ist aber nicht nur, ob das nicht eine ganz unnötige Erschwernis für alle Schreiber wäre, die sie sich kaum zumuten würden (wozu eigentlich?), sondern auch, ob die Ergebnisse wirklich sinnvoll und realistisch sind. Es würde zum Beispiel zwar nichts schaden, „geradestehen = aufrecht stehen“ immer zusammenzuschreiben, aber was haben wir von dieser Regel, wenn die Schreiber sich nicht danach richten und in diesem Fall, oft ohne jeden Nachteil für den Leser, auch getrennt schreiben können? Wir bekommen also unter anderem viel mehr Fehler, genau wie bei der Reform mit ihrer unglaublich mühsamen Steigerbarkeit/Erweiterbarkeit-Regel.

Die entscheidende Schlußfolgerung ist hier aber: Wenn sich Professor Ickler aus vielen guten Gründen für das deskriptive Prinzip entschieden hat, dann ist er ganz einfach nicht der richtige Adressat für solche Normierungsvorschläge, denn er versteht Norm als das, was üblich ist, auch wenn er im Textfundus mehrere Schreibweisen für denselben Begriff vorfindet. Mit diesem Ergebnis der empirischen Arbeit muß man sich also von vornherein abfinden (wenn man nicht anders kann, als dies als Nachteil zu verstehen), anstatt immer wieder über das Wörterbuch zu urteilen, daß die Vielzahl der als fakultativ festgestellten und deshalb als fakultativ angebotenen Schreibungen nicht hinnehmbar sei.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß eine durchgehende Differenzierung der Varianten nach anderen Gesichtspunkten als nach der Häufigkeit – also im weitesten Sinn nach systematischen Kriterien oder nach subjektiv empfundener „Qualität“, so wie bei „für etwas gerade stehen = unmöglich/häßlich/unsystematisch – im Prinzip zu derselben tausendfältigen Inkonsequenz im Wörterverzeichnis und zu allen Nachteilen führen würde, die wir im Duden von 1991 hatten. (Herr Riebe kennt natürlich nur „wenige“ Probleme.) Als einzige Möglichkeit, die Getrenntschreibung bei unserem Beispiel herunterzustufen, erscheint mir, ich bleibe dabei, eine Kommentierung des diskutierten Falls mit maximal „meist zusammengeschrieben“. Daß dies höchstens psychologisch einen gewissen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Eintrag darstellt, nicht aber inhaltlich, habe ich bereits zu zeigen versucht.



Wolfgang Wrase
München

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