Wieder ein Volksentscheid in Berlin
Anders als die seinerzeitige Kultusministerin Behler behauptete, ist das Volk sehr wohl berechtigt, darüber abzustimmen, ob „Thron“ mit oder ohne „h“ geschrieben werden soll.
Über die Todesstrafe jedoch macht man keinen Volksentscheid, obwohl über lange Zeit die Mehrheit der Bürger dafür gestimmt hätte, obwohl der katholische Katechismus diese Strafe ausdrücklich zuläßt und hochrangige christliche Politker dafür eingetreten sind („Kopf-ab“-Jäger).
Bei dem heutigen Berliner Volksentscheid geht es, anders als die Befürworter von „pro Reli“ glauben machen wollen, nicht um die Erlangung von Religionsfreiheit, – der christliche Religionsunterricht steht allen frei – sondern es geht darum, das für alle gleichermaßen eingeführte Fach Ethik zu verdrängen und durch Religionsunterricht ersetzbar zu machen.
Es wäre so, als wenn durch Volksentscheid das Fach Mathematik verzichtbar gemacht würde, um dafür ein Fach „Kabbalistik, Numerologie und Astrologie“ wählen zu dürfen. Ethik ist ein wissenschaftliches Fach, das sich mit den allgemein anerkannten Grundlagen des Zusammenlebens beschäftigt. Es geht also nicht um „Wahlfreiheit“, sondern um Verbesserung des religiösen Zugriffs auf die Schulkinder und ihre Isolierung von Andersdenkenden. –
Als ich für meine Kinder die Freiheit forderte, keine Nachteile durch den Verzicht auf Religionsunterricht zu erfahren, verweigerte dies die religiös grundierte Kultusministerin Erdsiek-Rave. Meine Kinder wurden weiterhin zwangweise in einen beliebigen Aufbewahrunterricht anderer Klasse eingewiesen, nur damit sie gegenüber den anderen Schülern keinen Vorteil durch Freistunden oder früheren Schulschluß hätten. Allein aus diesem Grund sind die „Ethik“- und „Philosophie“-Unterrichte ursprünglich eingeführt worden. Deswegen gab es diese auch nicht in Berlin und Bremen, die keinen Staatsreligionsunterricht kannten.
Fünf Jahre lang habe ich gegen die Zwangseinweisung meiner Kinder in beliebige Unterrichte gekämpft – eine Regelung, die nur der Diszplinierung der Schüler mit Taufschein diente –, ohne daß ich Unterstützung von den Kräften, die jetzt für „Religionfreiheit“ eintreten, erfahren hätte. Erst als die heute wieder in gleicher Richtung tätige Ministerin Schavan durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.6.1998 gezwungen wurde, den Ethikunterricht ihres Landes gleichwertig zum Religionsunterricht auszugestalten, hatte ich Erfolg. Am 7.12.2001 schloß sich das Oberverwaltungsgericht Schleswig als zweite Instanz „vollinhaltlich“ diesem Urteil an.
Einen gleichen Erfolg hatte ich mit meiner Klage gegen die „Rechtschreibreform“ erwartet. Aus durchsichtigem Eigeninteresse folgte das Gericht hier jedoch nicht dem vorausgegangenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg.
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Sigmar Salzburg
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