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Reinhard Markner
25.03.2002 13.40
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Sprachpolitik

http://www.bundesregierung.de

Unter dieser Adresse sind Informationen in folgenden Sprachen aufzurufen :
Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch --
nicht hingegen in
Türkisch, Polnisch, Russisch.
Vorbildliche Bürgernähe !

***

„Schwarz“

Wer eine hübsche Mulattin, deren Hautfarbe exakt dem Schönheitsideal „weißer“ Solariumsbesucher entspricht, als „schwarz“ bezeichnet, hat ein Problem mit der Farbwahrnehmung. Vielleicht liegt es am Kunstlicht der Filmscheinwerfer ?

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Reinhard Markner
20.03.2002 22.16
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Re: Re: Rezensionsunwesen

Zitat:
Das FAZ-Feuilleton will von Frankfurt nach Berlin ziehen und wird sich dort mit dem FAS-Feuilleton wohl wiedervereinigen.
Das kann man verstehen. Aus einer Stadt, wo die einzigen wirklich denkwürdigen kulturellen Veranstaltungen im Diakonissenheim stattfinden, muß man einfach fliehen.

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Jörg Metes
20.03.2002 21.24
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Re: Rezensionsunwesen

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Richtig wohltuend, wenn jemand, wie heute in der FAZ, auf die Verluderung der Literaturkritik hinweist. Zuvor hatte die FAZ-Sonntagszeitung 25 deutsche Genies vorgestellt, deren Bücher man gelesen haben muß, von denen ich aber kein einziges gelesen habe oder lesen werde.
Das Feuilleton der FAS vom 17.3. – auf allen zehn Seiten ausschließlich dem Kanon der wichtigsten Bücher der Gegenwart, der wichtigsten Bücher der vergangenen zwanzig Jahre gewidmet – ist in der Tat ein Beispiel für eben jene Verluderung, die drei Tage später im Feuilleton der FAZ beschrieben wurde (ein paar der Autoren, die in diesem Kanon als Die neuen Klassiker vorgestellt wurden, gehören zum Beispiel zum Kreis der Freunde, mit denen FAS-Feuilletonchef Florian Illies vor sechs Monaten in einem Berliner Restaurant das Erscheinen seines Buches „Anleitung zum Unschuldigsein“ gefeiert hat). Es fällt mir schwer zu sagen, welchen der hier kanonisierten Autoren ich für den läppischsten halte. Besonders indiskutabel sind wohl die Werke von Maxim Biller, Rainald Goetz, Christian Kracht, Joachim Lottmann und Benjamin von Stuckrad-Barre. Andererseits werden auch Autoren aufgeführt, die ich schätze: Wilhelm Genazino, Gabriele Goettle und – ganz besonders – Max Goldt. Es geht widersprüchlich zu im Frankfurter Allgemeinen Feuilleton. Michael Kumpfmüller, ein Autor, den Florian Illies vor nicht allzu langer Zeit noch aufs höchste gepriesen hat (...hat den ersehnten deutschen Roman geschrieben, FAZ vom 19.8.00), kommt anderthalb Jahre später im Illies'schen Kanon schon nicht mehr vor.
Das FAZ-Feuilleton will von Frankfurt nach Berlin ziehen und wird sich dort mit dem FAS-Feuilleton wohl wiedervereinigen. Man kann nur hoffen, daß die Fraktion, die sich der Verluderung widersetzt, die Oberhand behält.
__________________
Jörg Metes

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Reinhard Markner
20.03.2002 14.17
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Merci bien

»Wo der Himmel am schönsten ist«
Air France

„There is no better way to fly“
Lufthansa. Der Aviation Konzern

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Theodor Ickler
19.03.2002 16.48
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Rezensionsunwesen

In den letzten Tagen habe ich, zum Teil auf Reisen, eine große Zahl von Buchbesprechungen in Zeitungen gelesen und mich wieder einmal darüber gewundert, daß es nur noch gute Bücher zu geben scheint. Anders gesagt: diese sogenannten Rezensionen unterscheiden sich überhaupt nicht mehr von jenen, die man in den kostenlos verteilten „Buch-Journals“ usw. der Buchhändler findet.
Jeder kennt jeden, und allzu viele leben von dem, was sie eben deshalb preisen und wichtig nennen müssen. Das wird's wohl sein.
Richtig wohltuend, wenn jemand, wie heute in der FAZ, auf die Verluderung der Literaturkritik hinweist. Zuvor hatte die FAZ-Sonntagszeitung 25 deutsche Genies vorgestellt, deren Bücher man gelesen haben muß, von denen ich aber kein einziges gelesen habe oder lesen werde. Ich verspreche mir einfach nichts davon, und außerdem gelange ich nie über die ersten Sätze hinaus, ohne mir ziemlich bescheuert vorzukommen, weil ich meine Zeit mit so was verplempere.
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Th. Ickler

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Theodor Ickler
19.03.2002 16.38
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Gadamer

Wenn sich der Weihrauch verzogen hat, wird man auch einmal darüber reden müssen, welchen Schaden dieser Philosoph angerichtet hat, auch sprachlich.
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Th. Ickler

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Reinhard Markner
19.02.2002 02.11
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Gegenläufige Schwingungen

Die Vorstellung, Nietzsche sei frommer gewesen als der Papst oder Zoroaster ist eine Projektion derer, die sich seinen Atheismus wegwünschen (verwünschen) wollen. Man sollte aber mit ihm anders umgehen. Es ist ehrlicher und gerechter, zu der Einschätzung zu kommen, daß Nietzsche um eine Handvoll Ideen, die gewiß nicht alle richtig waren, ein mächtiges Geschrei veranstaltet hat.

Die Vorstellung, man müsse in der Öffentlichkeit auf die Anwendung des rhetorischen Mittels der Ironie verzichten, weil man ja Gefahr laufe, mißverstanden zu werden, ist ebenso abwegig, und auch hinter ihr steckt ein allzu frommer Wunsch. Sloterdijk sagte heute abend ganz richtig, gerade im Falle öffentlicher Erregung gebe es keine Mißverständnisse, sondern Zurichtungen von Zitaten. Genau dies ist mit dem Icklerschen Textfragment geschehen, allerdings nicht in übler Absicht, wie es scheint.

Die Vorstellung schließlich, in der Reduktion sprachlicher Komplexität durch Heranwachsende liege etwas Neues, den Zustand unserer Gesellschaft Charakterisierendes, kann ich auch nicht teilen. Dazu erinnere ich mich zu gut daran, noch als 14jähriger mit Genuß grundsätzlich alles Negative als „grauenhaft“ bezeichnet zu haben, um einige Zeit später dann alles in die gleiche Kategorie Fallende für "öde“ zu erklären. Ein strikt dualistisches Weltbild hat eben seine Reize. Das Schöne an der Geschichte ist, daß nicht nur der Erzähler sie ironisiert, sondern schon seine Zeugin.

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Walter Lachenmann
18.02.2002 23.02
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Icklers darken vibes

Das Zitat, auf das sich der ZEIT-Journalist beruft, stammt ursprünglich aus der »Weimarer Rede« Theodor Icklers und ist tatsächlich geeignet, seinen Autor als sarkastisch-freudigen Voyeur der Zerstörung unserer deutschen Sprache zu diskriminieren (im ursprünglichen Wortsinn, also: seine »eigentliche Substanz« herauszustellen). Theodor Ickler ist in solchen Aussagen immer wieder zweideutig. Man muß seine Äußerungen schon längere Zeit verfolgt, aus diesen auch seine Geisteshaltung herausgelesen haben, um nicht auch selbst manchmal zu dem Verdacht zu kommen, ob vielleicht nicht doch in den finstersten Abgründen dieser Linguistenseele ganz übles Zeug brodelt.
Wenn er die sicherlich nicht wortwörtlich zu nehmende Auskunft, die Umgangssprache Achtjähriger sei auf die Begriffe cool und schwul zu reduzieren, als »Zeichen von Gesundheit« bezeichnet, weil »so viele junge Menschen sich aus natürlicher Schamhaftigkeit weigern, sprachlich über ihre Verhältnisse zu leben«, so muß man ihn schon ein bißchen kennen, um zu wissen, daß er das nicht wirklich meint. Ickler setzt – leichtsinnigerweise – voraus, daß ja sowieso jedermann weiß, daß er so schlicht und absurd zu denken nicht imstande ist, und daß er solche Aussagen nur macht, um einen Denkschwenk in die dahintrottenden Argumentationskolonnen hineinzupusten, allenfalls ergötzt er sich möglichweise kurzfristig an der pittoresken Schieflage seiner Argumentation und hält sie insofern zumindest für gelungen.
Es ist also überflüssig, sich darüber zu empören, daß ein prominenter Linguistikprofessor den kommenden Schülergenerationen die Segnungen der in langen Jahren mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen von verantwortungsbewußten Pädagogen erarbeiteten Rechtschreibreform vorenthalten, ihnen also den kinderleichten Zugang zu Lesen und Schreiben verwehren und damit praktisch ihre Zukunft verderben will, ja ein neues, diesmal apokalyptisches PISA heraufzubeschwören sich anschickt. Oder daß dieser sogenannte Sprachwissenschaftler auch noch so entmenscht ist, seine eigene Tochter, als Feldversuch im Privatbereich sozusagen, daraufhin zu drillen, mit nicht mehr als zwei Wörtern, und zwar ausgerechnet englischen und solchen aus der Gossensprache, auszukommen. Das sei in Wahrheit schamhaft, tugendhaft, meint er. Das klingt quietistisch, pietistisch, sadistisch, welt- und genußfeindlich. Weg mit allem Tand, two little words ...!
Und da sagt dieser Sprachsatanas auch noch: »Aber ich muß gestehen, daß mir die Beobachtung der sogenannten Verfallserscheinungen viel Freude bereitet, ebenso wie die Kritik daran.« Skandal! Ein Glück, daß diesen kruzialen Satz kein Lehrer oder gar Berufsschullehrer wirklich zur Kenntnis genommen hat. Ickler stünde längst an sämtlichen Forumsprangern. Den Sprachwahrer-Orden mit Eichenlaub und Schwertern, den er sich schon so lange gewünscht und auf den er sich riesig gefreut hatte, würde man ihm noch vor der Verleihung mit reichsdeutschen Grüßen vom Revers reißen. Das ist ja übelster Alt-68er-Anarchismus plus bakuninscher, vorbolschewistischer Nihilismus, exponenziell potenziert! Nietzsche wirft Schatten: Gott ist todt!

Worauf ich hinauswill: Nietzsche war ein ungewöhnlich, ja leidenschaftlich frommer Mann, ihm war es mit Gott ernster als vielen professionellen Gottesmännern. Das haben – bis heute – nur sehr wenige Menschen begriffen. Er hat geglaubt, seinen Lesern ebensoviel zumuten zu können, wie er sich selbst zumutete (oder sein unruhiger Geist ihm zugemutet hat). Und das war natürlich für fast alle zuviel, er hat sich massiver Kritik von Christen, Humanisten (Aufklärern etwa, die ihn als einen Wegbereiter des nationalsozialistischen Herrenmenschentums völlig fehlinterpretierten) ausgesetzt, diese Kritik war verfehlt, aber sie war leichter zu begreifen als die Gedanken Nietzsches. So kann es hier natürlich auch passieren, und es passiert auch. Die wissenschaftlichen Antagonisten Icklers, die sich ihm in jeglicher Hinsicht unterlegen fühlen müssen, werden wie nach einem Strohhalm nach jeglicher Aussage greifen, mit der sie meinen gegen seine Theorien argumentieren, deren »Fragwürdigkeit«, »Unseriosität« ja »sittliche Verwerflichkeit« nachweisen zu können.

Da ist Ickler bei diesem ZEIT-Genossen ja noch einigermaßen glimpflich davongekommen, aber ich rate, solche Gedankenflüge für die späteren Semester zurückzustellen, wenn die Grundlagen erst einmal einigermaßen begriffen worden sind.
__________________
Walter Lachenmann

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Theodor Ickler
18.02.2002 04.42
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Credibility: meine darken vibes

Mit Vergnügen sehe ich, daß in der ZEIT vom 16. Februar 2002 mein Töchterchen und ich verewigt werden.

(...)

„Aus den meisten neueren Shakespeare-Aufführungen, die ich sah, spricht zweierlei: Angst vor der Komplexität des Textes und Misstrauen gegen den Text.

Zum Ersten: die Angst. Der Respekt vor Shakespeare ist gewaltig; der Dramatiker gilt vielen als Schöpfer einer Parallelwelt, die sich nicht der Realwelt anpasste, sondern die es schaffte, die Realwelt zu formen. Der Literaturwissenschaftler Harold Bloom findet, dass Psyche, Denken und Sprache des modernen Menschen Shakespeare mehr verdanken als jedem anderen Künstler: „Shakespeare wird immerfort uns erklären, schließlich ist er es auch, der uns erfunden hat.“ Shakespeare werde uns auf ewig besser „lesen“, als wir jemals ihn lesen könnten. Shakespeare als der Gottähnlichste, den es in unseren Reihen je gab, als the next mind to God – erstaunlich oft stoßen die Interpreten in religiöse Höhen vor, wenn sie über den rätselhaften Mann nachdenken. Geht es um konkrete Bühnenpraxis, schlägt Ehrfurcht gern in Beliebigkeit um. Da wir von Shakespeare „erfunden“ wurden, können wir ihn eh nicht inszenieren. Wir werden ihn nie verstehen, das macht uns frei, mit ihm zu verfahren, wie wir wollen.

Zum Zweiten: das Misstrauen. Der Germanist Theodor Ickler hat in der Süddeutschen Zeitung konstatiert, dass die deutsche Sprache gegenwärtig einer „brutalen Schlankheitskur“ unterzogen werde. „Eine Achtklässlerin versichert“, so Ickler, „dass sie unter ihren Klassenkameradinnen mit zwei Adjektiven auskomme: cool (,gut') und schwul (,schlecht').“ Man könne es als Zeichen von „Gesundheit ansehen, dass so viele junge Menschen sich aus natürlicher Schamhaftigkeit weigern, sprachlich über ihre Verhältnisse zu leben“. Die Sprache diene im Alltag immer mehr als Instrument nüchterner Verständigung, sie werde rationalisiert und entzaubert. Andere Funktionen der Sprache, so Ickler, wanderten in andere Bereiche ab, beispielsweise in die Welt der Musik und der Bilder.

Icklers Bemerkungen erklären, warum viele neuere Inszenierungen von Shakespeares Komödien an Filme des finnischen Lakonikers Aki Kaurismäki erinnern. Aus Sprache „erklärt“, mit Rede skizziert sich kein Mensch mehr. Aus einem Satz folgt keine Tat mehr. Welterschaffung aus dem Wort war Shakespeares Programm; Selbstbewahrung durch Schweigen ist das Programm der Zukunft. Es ist eine Sache der Würde, die eigene Rede nicht zu schmücken. Dem Rhetoriker wird misstraut: Texte mich nicht zu! Credibility stellt sich anders her, durch Präsenz, Undurchdringlichkeit, Körperlichkeit, durch das, was Rainald Goetz die darken vibes nennen würde.

Und während so aus der (Theater-)Sprache die überschüssigen Schönheiten, Reichtümer, Vieldeutigkeiten in andere Felder – Film, Musikclip, Werbung, Mode, Tanz, Sport – abwandern, sehen wir, wie von dort im Tausch Kräfte zum Theater hinüberwandern. Das Theater als Modenschau & Rockkonzert & Werbespot & Turnier & Comic, als Rundumbewirtung für alle Sinne unter abendeweise wechselnden Motti, zum Beispiel mit Shakespeare. Deshalb muss ein guter Shakespeare-Spieler heute fast alles können, sprechen aber nicht.“

(...)

(Peter Kümmel)
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Th. Ickler

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Theodor Ickler
14.02.2002 14.04
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Zwei Probleme

Hier geht es eigentlich um zwei Erscheinungen. Einmal um die Kasusrektion von unter und über. Vor Mengenangaben verliert sich hier die präpositionale Funktion in gewissen Fällen (die Band 9 des Großen Duden ganz treffend darstellt), so daß die Kasusmarkierung dann wegfällt. Zum andern geht es darum, daß bei Zusammensetzungen wie sechzehnjährig gewissermaßen regelwidrig der erste Teil durch jenes unter modifiziert zu werden scheint, obwohl doch der erste Teil eines Kompositums für solche Operationen nicht zur Verfügung steht. Das ist ähnlich beim Komparativ: längerdauernd als drei Tage usw. Was soll man dazu sagen? Übergangserscheinungen ... Die konsequente Bindestrichschreibung wäre pedantisch und kann auch nicht alle Probleme lösen.
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Th. Ickler

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J.-M. Wagner
14.02.2002 13.42
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Re: Sprach-Weiterberatung

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theo Grunden
Am 14.2.02 in „meiner“ Tageszeitung: »... , denn die Alkoholabgabe an unter 16-Jährige bleibt ja verboten.«

Hier geht es um »Personen unter 16 Jahre(n)« (wer hilft mir mit dem »n«?), also müßte (im Prinzip) die Kurzform »Untersechzehnjährige« korrekt sein, und reformgemäß wäre »Unter-16-Jährige« zu schreiben – stimmt's?
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Jan-Martin Wagner

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Theo Grunden
14.02.2002 12.09
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Sprach-Weiterberatung

Am 14.2.02 in „meiner“ Tageszeitung: „ ... , denn die Alkoholabgabe an unter 16-Jährige bleibt ja verboten.“

Trotz mir hierzu vorliegender „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ einer bekannten Sprachberatung komme ich mit der Formulierung „an unter 16-Jährige“ nicht klar. Wenn das – abgesehen von der reformierten Schreibung – so richtig wäre, dann müßte doch auch „an unter Sechzehnjährige“ stimmen, oder?

Dann aber könnte die Personalabteilung einer Weltfirma auch nach über Zweisprachigen suchen, könnten Limerickfreunde sich für unter Sechszeiler, Zupfmusiker für über Dreisaiter, Autofreunde für über Zweizylinder, und Biologen für unter Tausendfüßler (und Neugierige wie ich sich für eine weitere Sprachberatung) interessieren.

P.S.: Unabhängig davon sollte man unter über Sechzehnjährigen öfter mal über unter Sechzehnjährige nachdenken.

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Theodor Ickler
06.02.2002 04.27
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Zum P.S.

Ich hoffe sehr, daß der ausgezeichnete Leserbrief von Herrn Lachenmann veröffentlicht wird.

Was sein Postskript betrifft, so war die Sache die: Ein Hörfunkinterview des Bayerischen Rundfunks mit mir, das ich selbst nicht gehört habe, ist – vielleicht aufgrund von Verkürzungen – von einem Nachrichtenagenten so mißverstanden worden, als hätte ich besagte Forderung aufgestellt: die Reform gelten lassen und nach zehn Jahren zurücknehmen, statt: die Reform zurücknehmen und die Neuschreibungen (in den Schulen) noch zehn Jahre gelten lassen. So hat es dann falsch in vielen Zeitungen gestanden, und das hat der Briefpartner dann als meine Meinung zitiert.
__________________
Th. Ickler

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Walter Lachenmann
05.02.2002 22.04
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Journalisten-Ethos

Leserbrief an die SZ
Wie sich ein Journalist das Börsenblatt vorstellt

In der Süddeutschen Zeitung vom 5. Februar 2002, Berliner Seite, schreibt der Journalist Eberhard Schade einen Artikel über den Schriftsteller Rudolf Lorenzen, der – so der Beitrag – bisher zu Unrecht weniger Erfolg hatte als der gleichaltrige Günter Grass und nun im Alter von 80 Jahren wiederentdeckt wird. Man mag Herrn Schade gerne glauben, daß Lorenzen das verdienen würde und daß die Chancen dafür nicht schlecht stehen. Aber die Anzeichen, die Schade für diese Prognose erkannt zu haben glaubt, sind seltsam. Mit seinem neu aufgelegten Roman gehe Lorenzen »im März auf Lesereise«. Das allein verbürgt bekanntlich noch gar nichts. Aber Schade hat noch einen Hinweis auf den späten Erfolg ausgemacht: »Noch nicht mal im Handel, steht er (der neu aufgelegte Erstlingsroman) im Börsenblatt weit oben.«
Wie darf man sich das vorstellen? Herr Schade hat wohl irgendwie einmal etwas davon gehört, daß es im Buchhandel ein »Börsenblatt« gibt. Er weiß eindeutig überhaupt nicht, was das ist. Aus der Vermutung, die er sich nun halt mal so zusammenreimt, macht er mit dem Gestus des wohlinformierten Journalisten eine Nachricht für seine Leser. Diese wissen vermutlich ja auch nicht so genau, was es mit dem »Börsenblatt«, das immer wieder im Zusammenhang mit dem Buchhandel genannt wird, auf sich hat.
Er stellt sich offenbar vor, daß es da so eine Art Börse gibt, in der auf noch nicht erschienene Bücher gewettet wird, wie etwa an der richtigen Börse bei Termingeschäften der Wert der nächsten Kaffee- oder Bananen-Ernte im voraus gehandelt wird. Und im Börsenblatt reißen sich in seiner Vorstellung die Buchhändler im vorhinein um die noch nicht erschienenen Bücher, so entsteht eine Art Börsenkurs für jedes Buch, sozusagen eine Beststellerliste im voraus.
Nichts von alledem. Das Börsenblatt heißt aus alten Zeiten einfach noch so, als es tatsächlich Bücherbörsen in Frankfurt und Leipzig gegeben hat. Heute ist es ein zweimal pro Woche erscheinendes Branchenblatt mit fachbezogenen Nachrichten und einem ausführlichen Anzeigenteil.
»Im Börsenblatt weit oben...« ist schlicht und einfach eine Erfindung und inhaltsloses Geschwafel, es gibt dort noch nicht einmal für lieferbare Bücher eine Bestsellerliste, schon gar nicht für noch nicht erschienene, wie sollte das auch möglich sein.
Interessant ist bei dieser Geschichte, wieder einmal zu beobachten, wie oft man bei solchen Zeitungsberichten, wo man über das Berichtete selbst einigermaßen informiert ist, die Erfahrung macht, daß sich die Journalisten ihre Weisheiten einfach so aus den Fingern saugen und dies mit der Pose des »Informierten« den Lesern vorsetzen, in der Hoffnung, die wüßten es ja doch auch nicht besser.
Wer diese Erfahrung oft genug gemacht hat, weiß schließlich, welchen Wahrheitsgehalt er der durchschnittlichen Zeitungsnachricht füglich unterstellen darf: Vielleicht ist sie wahr, vielleicht auch nicht. Wir sind eine Informationsgesellschaft, die in Wahrheit im Nebel stochert.

P.S.: Insofern gehört die Geschichte doch hierher, als man bei den Berichten der SZ über die Rechtschreibreform in ähnlicher Weise völlig falsche Informationen zu lesen bekam, zuletzt in einem Beitrag Ende 2001. In einer privaten Korrespondenz meinte der Autor, der »kluge Mann« Theodor Ickler habe doch selbst vorgeschlagen, die Reform zehn Jahre beizubehalten und danach zur alten Rechtschreibreform zurückzukehren [womit sein Kompliment doch ziemlich relativiert wird!]. Mit solcher »Sachkenntnis« setzen sich diese Leute dann hin und produzieren Meinung. Da die SZ als »seriös« gilt, glauben es die Leser.

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Walter Lachenmann

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Theodor Ickler
25.01.2002 04.43
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Anglizismus

Das ist einer der bekanntesten Anglizismen, unter denen die Sprachwissenschaft leidet, und zwar seit den schlampigen Chomsky-Übersetzungen der sechziger Jahre. Damals konnte es auch geschehen, daß verhältnismäßig alltagssprachliche Ausdrücke wie „competence“ und „performance“ ins Deutsche entlehnt wurden und dort als vielbestaunte Termini Karriere machten. Die unterliegende Banalität vieler Chomskyscher Sätze wurde dadurch lange Zeit verschleiert.
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Th. Ickler

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