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ss/ß-Schreibung und die Problematik der Vokallänge in regionalen Varianten
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Gerd Weder
27.04.2002 07.23
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> und sch ist sowieso keine Ligatur sondern wird
> zusammengesetzt aus s + ch

In den meisten Schriften ist das richtig.

Die Eckmann-Schrift verwendet (jedenfalls im ursprünglichen Bleisatz, nicht mehr in den meisten jetzt erhältlichen Computerfassungen) eine eigene sch-Ligatur, bei der die „Fahne“ des s nach rechts etwas länger in den Raum über dem c hinübergezogen ist als beim einzeln stehenden s oder etwa bei der st-Ligatur. Ob das auch bei anderen Schriften vorkommt, weiß ich allerdings nicht – gut wirken dürfte es nur bei eher flächigen Entwürfen.

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Walter Lachenmann
26.04.2002 23.04
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Theorien zum ß und andere Weisheiten

Es steht ja jedem frei, wie er die Dinge bezeichnen will, mit denen er sich beschäftigt. Die Frage ist nur, ob er sich unter seinen Mitmenschen verständlich macht mit den von ihm erdachten Begriffen. Meckern tu ich deswegen nicht.

»Verbund« – dieser unverwechselbare Begriff ist in der Tat wunderbar für die ehrwürdige Ligatur, »Spitzschrift-Verbünde« – geradezu genial für Frakturligaturen, und auch »Rundschrift« für Antiqua ist eine Sprachschöpfung von erlesener Schönheit, die unser Vokabular einerseits um originelles deutsches Wortgut bereichert, andererseits die häßlichen Fremdwörter, die seit Jahrhunderten unsere Sprachkultur verunzieren, entbehrlich werden läßt. Marotten können etwas Liebenswürdiges sein.

Ansonsten ist das Feld hier ein weites. Ich habe wieder gelernt, daß es tatsächlich die Ligaturen ll und tt gibt bzw. gab, als ein Qualitätsmerkmal von Frakturschriften. In Antiquaschriften kenne ich diese Ligaturen nicht, im jetzigen Stand der elektronischen Satztechnik kommen sie meines Wissens nicht vor, man kann sie aber durch Unterschneiden manuell herbeiführen, wenn man diesen Aufwand für berechtigt hält.

Vor Einführung des Schreibsatzes konnte der Schriftsetzer natürlich nur die Lettern setzen, die sein Setzkasten enthielt. Und da gab es Unterschiede von Schrift zu Schrift. Die hochwertigeren enthielten ein großes Sortiment an Ligaturen, so die Zentenar-Fraktur (1837, Handsatz) ch, ck, ll, ff, fi, fl, ft, ss, si, st, (jeweils langes s) tt, tz, und die Schriften für den weniger anspruchsvollen Gebrauch hatten weniger. Ein mir vorliegendes in Fraktur (vermutlich Maschinensatz) gesetztes Buch aus dem Insel-Verlag von 1922 hat zum Beispiel die Ligaturen ch, ck, ll, ss, si, st, tz, nicht aber ff, fi fl, ft, tt – und sch ist sowieso keine Ligatur sondern wird zusammengesetzt aus s + ch.

Über die Geschichte des Zeichens ß kann man viele sehr unterschiedliche Theorien lesen. Sie sind alle ebenso plausibel wie höchstwahrscheinlich falsch. In einem der letzten Gutenberg-Jahrbücher stellte der Stuttgarter Typograph Bollwage fest, daß es sich aus einem Schnörkel entwickelt hat, der schon in der Ära der Handschriften üblich war, um ein längeres Wort, dessen Buchstabenfolge als bekannt vorausgesetzt werden konnte beim Leser, nicht in Gänze ausschreiben zu müssen, also ein Kürzel oder, wie Herr Lindenthal sagen würde, ein Joker. In abgewandelter Form wurde dieser Schnörkel dann für alle möglichen kalli- oder typographischen Situationen eingesetzt. Die Tschichold'sche These mit den verschmolzenen Buchstaben s+z ist sicherlich nur eine nachgeschobene Konstruktion, plausibler ist die Herkunft aus langem s + kurzem s, aber da das Zeichen auch in italienischen, französischen und englischen Drucksachen in der Renaissance erscheint und zwar ohne erkennbare orthographische Regelhaftigkeit, eher in einer Art »Beliebigkeitsschreibung«, ist anzunehmen, daß es mit den Eigentümlichkeiten der deutschen Orthographie ursprünglich nichts zu tun hat und es eine einzige Wahrheit bei diesem Thema nicht gibt.




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Walter Lachenmann

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Karl Eichholz
26.04.2002 21.11
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nochmals zum ss / ß

Herr Wagner sprach das Thema an, deswegen hier nochmals etwas Erklärung dazu:

http://www.rechtschreibreform.com/Perlen/Forum/Forum.pl?f&Tue+Nov++9+12:59:25+PST+1999

und

http://www.rechtschreibreform.com/Perlen/Forum/Forum.pl?a&Tue+Aug++1+15:40:46+PDT+2000

Noch nie hatte das ß eine Funktion, den Vokal davor zu formen Richtung lang oder kurz, sondern es wurde als Verbund von Lang-s (hier mit ƒ dargestellt, obwohl nicht ganz korrekt) und Rund-s (= Schluß-s) dazu verwendet, das Silben- oder Wortstammende zu kennzeichnen.

Nochmals sei betont, daß früher das Lang-s der gewöhnlichere Fall war; das Rund-s nur der Sonderfall. Das Lang-s harmonierte dabei besonders mit den oft sehr schmal laufenden Frakturschriften.

Der Vergleich des Platzbedarfs von Fraktur und Rundschrift fällt bei gleicher Lesbarkeit (für den Geübten!) deutlich zugunsten der Fraktur aus, erstrecht heute, wo die vielen ss und auch die Dreikonsonanten (Teeei oder gar Tee – Ei) nochmals mehr Platz beanspruchen.

Die Fraktur gab dem Auge durch deutlicher hervortretende unter- und Oberlängen viel mehr Halt, so daß die grobe Umrißform schon sehr viel mehr über den Wortinhalt verriet als es bei den heutig meist verwendeten Schriften der Fall wäre. Diese Leuchtturmfunktion war im wesentlichen das Verdienst des Lang-s, aber auch des nach unten geschwungenen z.

Man kann sagen, daß durch Lang-s/Kurz-s eine sehr viel genauere Unterscheidung der vielen unterschiedlichen Funktionen des s-Buchstabens stattfand, so daß Zweifelsfälle beim Lesen nur selten möglich waren.

Minuszeichen / Minuszeichen / Minuszeichen
Schusszone / Schußzone / Schußzone / Schuƒszone
Schussszene / Schußszene / Schu߃zene / Schuƒsƒzene
Schlusssatz / Schlußsatz / Schlu߃atz / Schluƒsƒatz
Gussstopfen / Gußstopfen / Gu߃topfen / Guƒsƒtopfen
Rußsack / Rußsack / Ruƒsƒack

Die Unterscheidung Lang-s zu Schluß-s fand ja nur bei den Kleinbuchstaben statt, deswegen eben auch das ß nur bei Kleinschrift.
Man kann sagen, daß das Lang-s „ƒ“ die etwas nach links gestürzte „hochkant“gestellte schmale Form des s war, während man am Ende des Wortes zu einem schönen Schwung in die Breite Platz hatte und es eben auch am Wortstammende benutzt wurde, um den Beginn des neuen Wortteils hervorzuheben.

Und heute sind wir fast schon wieder soweit, daß wir WortTeile durch UnterScheidung herVorheben.

KunstStoffFlasche / KunstStoffLasche


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mit herzlichen Grüßen
Karl Eichholz

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Detlef Lindenthal
26.04.2002 15.35
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Fachleute verwenden Verbünde

Herr Lachenmann schrieb:
>>„Die gängigen Ligaturen sind bei guten elektronischen Schriften auch so programmiert, daß sich eine ligaturähnliche Verbindung zwischen den betreffenden Buchstaben von alleine ergibt durch entsprechendes »Kernel«“ <<

Für Njudeutsch Körnel (geschrieben: kernel oder colonel, letzteres bedeutet allerdings etwas anderes :-) ) kann man auch „Unterschneidung“ sagen.
Daran, ob bei Spitzschriften (Gotisch, Schwabacher, Fraktur) die Verbünde (Ligaturen) – mindestens ch, ck und tz – sowie Lang-s und Rund-s richtig verwendet werden, kann ein Leser erkennen, ob das Werk von einer Fachkraft gesetzt wurde oder von einer Nichtfachkraft (Sekretärin, Deutschlehrer, „Sprachwissenschaftler“ usw.).
Hierfür ist übrigens auch die Verwendung von Bindestrich „-“ und Gedankenstrich „ – “ bei lateinischen Schriften ein überwiegend zutreffendes Unterscheidungsmerkmal.

tt kommt als Verbund in vielen Schriften vor und ist auch deutlich am durchgehenden Strich zu erkennen.

Getrennt werden die folgenden Spitzschrift-Verbünde, wenn sie im Wortgelenk stehen:
(Anmerkung: Sämtliche nachfolgenden s sind Lang-s.)
ck (Sok- ke; Hack- ordnung)
ll (Bäl- le; Ball- spiel)
ff (hof- fen; Hoff- nung)
ft (luf- tig; Luft- schleuse)
ss (Was- ser)
tt (But- ter; Schutt- halde)
tz (Kat- ze; Netz- werker)

Nicht getrennt hingegen werden:
ch (Ku- chen)
sch (wa- schen)
si (lau- sig)
fi (häu- fig)
fl (Stuben- fliege)
st (pu- sten)


Ach ja, mal sehen, ob ich nun wieder von Herrn Lachenmann für die Verwendung von „Verbund“ statt „Ligatur“ genausoviel Mecker bekomme wie bei „prüflesen“ statt „[K|k]orrektur[ ]lesen“.
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Detlef Lindenthal

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Detlef Lindenthal
26.04.2002 15.30
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18, 20 ... 112, 212, 495 ... passe

Der – übrigens recht gute – DDR-Duden (Der Große DUDEN, Leipzig 1975) verzeichnet 495 Sprachregeln.
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Detlef Lindenthal

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Christian Dörner
26.04.2002 14.11
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Numerierungstricks

Von den 212 Regeln im Duden von 1991 kommt man auf 171 orthographische Vorschriften, wenn man die Regeln, die sich mit grammatischen Fragen beschäftigen, sowie bloße Doppelanführungen beim Komma bei und und oder abzieht.
Im neuesten Duden finden sich 169 Regeln, aber keine einzige Regel zur Grammatik, und auch die Zusammenfassungen der Kommaregeln sind entfallen.
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Christian Dörner

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Reinhard Markner
26.04.2002 14.03
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Re: Konsequenzen

Zitat:
Herr Ickler, wie kommen Sie eigentlich auf weniger als 212 Regeln bei der alten Dudenrechtschreibung? In meinem 1986er Exemplar geht es von R 1 bis R 212, jede in ihrem eigenen Kasten.
Viele Fragen, aber ich will, obwohl ich nicht Ickler heiße, mal nur auf folgenden bemerkenswerten Umstand hinweisen, der sich auch gut publizistisch ausschlachten ließe : Der Mannheimer Duden in der 17. Aufl. von 1973 hatte noch 341 Regeln ! Obwohl sich bis 1986 nichts änderte, war die »Einsparung an Regeln« vergleichbar mit der durch die RR angeblich erzielten.

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Walter Lachenmann
26.04.2002 12.57
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Ligaturen

Ligaturen ll und tt habe ich noch nie gesehen.

»Neben den Buchstaben als einzelne Figur gibt es Buchstaben-Verbindungen, sogenannte Ligaturen. Diese Verbindungen können eine sprachliche oder eine technische Ursache haben. Sprachliche Ligaturen sind Buchstaben, die durch ihre Verbindung den Lautwert ändern:
Antiqua: ch, ck, sch, ß tz
Fraktur: ch, ck, sch, ß, tz

Technische Ligaturen existieren, weil diese Buchstaben einzeln versetzt sich gegenseitig behindern würden, oder aber einen zu großen Abstand ergäben.
Antiqua: ff, fi, fl, ft
Fraktur: ff, fi, fl, ft, ll, si, ss, st [mit langem s, WL]«

Aus: Stiebner, Erhardt D., und Walter Leonhard: Bruckmann's (sic!) Handbuch der Schrift. Unter Mitarbeit von Johannes Determann, Philipp Luidl, Alfons Huber, München 1977.

(Es gibt tatsächlich noch einige technische Ligaturen mehr als in diesem Buch angegeben, etwa ffi, ffl, und je nach Schriftschnitt Verbindungen von Versal mit folgendem Kleinbuchstaben: Qu, Re, Ta, Te usw.)

Und es scheint doch ll in der Fraktur als Ligatur zu geben, das habe ich aber noch nie bewußt gesehen. Bei den elektronischen Schriften des Computersatzes sind zwar Ligaturen vorhanden, aber ziemlich kompliziert anzuwenden (Wechsel des Schriftschnittes, sie können nicht auf den Tastaturen mitgeschrieben werden usw., vielleicht wendet sie ein besonders gewissenhafter Ästhet in Ausnahmefällen an, es sollte mich wundern). Die gängigen Ligaturen sind bei guten elektronischen Schriften auch so programmiert, daß sich eine ligaturähnliche Verbindung zwischen den betreffenden Buchstaben von alleine ergibt durch entsprechendes »Kernel«, das ist die Definition der Abstände der Buchstaben zueinander, die für jede Buchstabenverbindung individuell in einer sogenannten Kerneltabelle festgehalten ist (und nach Belieben abgewandelt werden kann), also f + i = x, f + l = y usw., x und y stehen für definierte Abstände.
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Walter Lachenmann

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Theodor Ickler
26.04.2002 12.28
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Auslautverhärtung

Im Standarddeutschen klingen die Wörter gleich, im Schweizerdeutschen – vor allem im Textzusammenhang – nicht (vgl. Gallmann in Augst et al.: Zur Neuregelung ...; auch auf Gallmanns Internetseite).
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Th. Ickler

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J.-M. Wagner
26.04.2002 11.22
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Re: Wie klingt das End-d?

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Detlef Lindenthal
Da habe ich einmal eine Frage:
Klingen nach Meinung der hiesigen Foristen die Wörter Bund und bunt genau gleich? (...)
Meiner Meinung nach klingen zwar Bund und bunt nicht ganz genau gleich, was aber mehr an der „Härte“ des n liegt: Bei Bund tendiere ich dazu, es etwas weicher, fast ein wenig nasal auszusprechen, bei bunt dagegen etwas härter. Der abschließende Laut ist aber immer /t/.
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Jan-Martin Wagner

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Detlef Lindenthal
26.04.2002 10.42
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Wie klingt das End-d?

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Reinhard Markner
Das Phänomen der Auslautverhärtung ist den meisten Sprechern des Deutschen nicht bewußt, sie neigen generell zu der Auffassung, man müsse (idealerweise) so sprechen, wie die Schreibung es vorzugeben scheint. Wenn nun manche Experten neuerdings zu dem Schluß kommen, daß zwar eine Auslautverhärtung stattfinde, diese aber nicht zur vollständigen Neutralisierung führe, so liegt darin eine Annäherung an den Laienverstand, der ja stets von einem fortdauernden Unterschied zwischen /d/ und /t/ ausgegangen ist.

Die zugrundeliegende Wertung favorisiert offenbar eine möglichst große Übereinstimmung von Schreibung und Lautung (Formulierung 1). Das Phänomen der Auslautverhärtung steht dem entgegen, man geht also von der Frage aus, warum das /d/ zum /t/ werde (Formulierung 2). Es ist wohl sprachhistorisch naheliegend und auch insgesamt ökonomischer, die Frage so zu stellen und zu einer Regel zu gelangen, aber wäre es wirklich unmöglich, sich dem Phänomen aus der anderen Richtung zu nähern, also zu fragen, unter welchen Bedingungen das /t/ in »Bund« usw. zu /d/ wird?


Da habe ich einmal eine Frage:
Klingen nach Meinung der hiesigen Foristen die Wörter Bund und bunt genau gleich? (Gibt es einen eigenen Endlaut d gar nicht?)
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Detlef Lindenthal

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J.-M. Wagner
26.04.2002 10.39
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Ups!

Vielen Dank für diese Berichtigung!
Ich habe das mit den Ligaturen so geschrieben, weil sie mir beim Lesen meistens an solchen Stellen („fi“, „fl“) aufgefallen sind. Kann das daran liegen, daß die „ll“- oder „tt“-Ligatur im Druckbild kaum auffällt und ich sie deshalb meist "überlesen“ habe (was m. E. wiederum sehr für ihre Qualität spräche, daß sie unscheinbar bleibt und trotzdem – oder gerade deswegen – ihren Zweck erfüllt), oder kommt sie nur in besonders hochwertig gesetzten Texten vor? (Daß ich nicht an die „ff“-Ligatur gedacht habe, ist mir durchaus ein wenig peinlich.)

Ich habe gerade eine Stichprobe gemacht (in einem 1963 in den USA gedruckten Physikbuch, gesetzt vermutlich in „Baskerville“; United Kingdom Edition), und dabei sind mir im wesentlichen „fi“-, aber auch „ff“- und „ffi“-Ligaturen aufgefallen; letztere sind natütlich trennbar (dif-fer-ent, suf-fi-cient). Tja, da habe ich das Buch wohl noch nicht gründlich genug gelesen ... – Dagegen habe ich keine „ll“- oder „tt“-Ligaturen gefunden. Kann das daran liegen, daß diese in englischsprachigen Texten nicht üblich sind?
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Jan-Martin Wagner

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Norbert Lindenthal
26.04.2002 09.36
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Ligaturen untrennbar? Oder nur bei ß?

Ball mit ll-Ligatur, Bälle mit ll-Ligatur. Und doch ist das Wort Bäl-le trennbar, wobei die Ligatur im alten Bleisatz wie im modernen elektronischen Satz herausgenommen und durch zwei einzelne Buchstaben ersetzt wird. Oder das Schiff. Moderne Zeichensätze haben Verbundbuchstaben für ch und ff, wenn sie für hochwertigen Satz zum Einsatz kommen.
Es gibt aber offensichtlich nicht nur die Silbe, sondern auch die Wortendigkeit, die darüber entscheidet, ob ein Buchstabenverbund doch getrennt werden darf oder ob er sinnstärkend nicht getrennt wird. Schlottern, schlotterig, schlottrig. Im Bleissatz jedesmal mit tt-Verbund, Trennung aber bei den ersten beiden Formen mitten durch den Verbund. Texttafel. Bettuch nicht mit Ligatur, wenn es mit beten zu tun hat.
Ganz anders sieht es wohl bei der ß-Ligatur aus. Hier ist wirklich die Konsequenz so, wie sie Herr Wagner darstellt. Wasser, wässerig, wäßrig. In Fraktur gibt es auch einen (trennbaren) ss-Buchstabenverbund. Wo aber ß geschrieben wird, wird nie getrennt.
Mir stellte sich auch früher schon einmal die Frage, ob die gute Lesbarkeit der ß-Ligatur sich in die Antiquaschriften gerettet hat, weil ohne sie so viele schlechtlesbare Wortbilder entstünden. Das wiederum hat damit zu tun, daß das Aufeinandertreffen von mehreren s mit Abstand die häufigste Buchstabenfolge an Trennstellen ist. Wegen Sonderfunktionen in st, sch, sp und als Binde-s ist das s nun einmal ganz besonders häufig. Genau das möchte ich einmal mit Zahlen belegen und suche nach geeigneten größeren Textmengen. Ich würde mit einem Trennprogramm (RagTime 3) alle Trennstellen einfügen, dann auf Richtigkeit prüf(les)en und dann die Buchstabenfolgen an den Trennstellen nach Häufigkeit bewerten. Ich würde Wortendigkeit und Dreibuchstaben beachten.
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Norbert Lindenthal

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J.-M. Wagner
25.04.2002 22.32
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Konsequenzen

Fast wäre es konsequent, in den neuen Rechtschreibregeln das "ß" auch bei den Dehnungszeichen mit anzugeben; schließlich ist es ja darauf beschränkt, nach einem langen Vokal (oder einem Diphthong) in Erscheinung zu treten. Dies wird bei der Motivation der Heyseschen s-Regel bzw. der Begründung, warum diese sinnvoll ist, unter dem Stichwort „Lautprinzip“ vermerkt. (Hier habe ich absichtlich die Feinheiten weggelassen, um etwas „rhetorischen Spielraum“ zu gewinnen; es geht ja wohl genau genommen um eine Schemenkonstanz bei der Verwendung des "ß" – oder so ähnlich, ich habe das gerade nicht im Kopf.)

Das bedeutet doch aber, daß es bei dem „Lautprinzip der 'ß'-Schreibung“ gar nicht um den durch das "ß" ausgedrückten scharfen (stimmlosen) s-Laut geht, sondern um den ihm vorhergehenden Laut – wie eben bei den Dehnungszeichen (e, h, eh), bloß daß danach sofort der s-Laut kommt. (Deswegen wäre diese Einordnung nicht ganz konsequent. – Warum sie eigentlich sogar irreführend wäre, will ich weiter unten zeigen.) Das finde ich eigenartig; eher würde ich bei "ß-Lautprinzip“ (absichtlich noch stärker verkürzte Bezeichnung) an den s-Laut des "ß" denken.

Auch hat Herr Markner im Strang »Reformen von 1880« darauf hingeweisen, daß es [die Auffassung gab (und vielleicht gibt es sie auch noch), daß es] Fälle gibt, in denen ein „h“ wie ein Dehnungszeichen plaziert ist, es diese Funktion jedoch nicht hat (die von ihm zitierten Beispiele sind bähen, blähen, rauher). Genauso hat das "ß" vordringlich die Funktion, einen stimmlosen s-Laut zu bezeichnen; der wird gewöhnlich als Doppel-s notiert, an anderen Stellen aber durch "ß" wiedergegeben, in manchen Fällen (wenn unmittelbar darauf ein zum Wortstamm gehörender Konsonant folgt) aber auch durch „s“ (Pfosten, Rispe, Auster, Schuster).

(Kann es übrigens sein, daß der letzte Fall – Konsonant im Wortstamm – von den alten Dudenregeln (hier: R 183-188) nicht erfaßt wurde? Welche der alten Dudenregeln spricht gegen die Schreibung der *Hußten? – Und, Herr Ickler, wie kommen Sie eigentlich auf weniger als 212 Regeln bei der alten Dudenrechtschreibung? In meinem 1986er Exemplar geht es von R 1 bis R 212, jede in ihrem eigenen Kasten.)

Für mich ist der entscheidende Punkt dabei, woran sich diese Notationsfrage („ss“ oder "ß"; zu „s“ s. o.) entscheiden läßt – genauer: worauf diese Entscheidung im Kern zurückgeht. Ich denke, daß der Schlüssel dazu im "ß" selber liegt – denn es ist kein Zeichen für eine Ligatur aus „s“ und „z“, sondern aus dem Lang-s und dem Schluß-s der Frakturschrift. Mithin ist es eine typographische Variante von „ss“ (diese Wahl der Bezeichnung habe ich von Herrn Ickler übernommen).

Das Besondere an einer Ligatur ist der eindeutige Zusammenhang mit der Untrennbarkeit des Wortes an der Stelle ihres Auftretens: Nur dort, wo die Trennung eines Wortes nicht möglich ist, kann eine Ligatur auftreten, und umgekehrt zeigt eine Ligatur an, daß an dieser Stelle keine Trennung möglich ist.
[Nachtrag: Das stimmt nicht!! Siehe dazu den unmittelbar folgenden Beitrag von N. Lindenthal. Im Falle des "ß" trifft es jedoch zu.]
Das hat interessante Konsequenzen:
a) Ein Wort, welches einen stimmlosen s-Laut enthält, der sich bei der Trennung ambisyllabisch verhält (d. h. er tritt an den beiden entstehenden Silbenrändern auf), muß mit „ss“ geschrieben werden, ansonsten aber, wenn keine Aufteilung des stimmlosen s-Lautes erfolgt oder eine Trennung an der Stelle sowieso nicht möglich ist, mit "ß" (ggf. mit „s“, s. o.).
b) Der Wechsel von „ss“ zu "ß" bei manchen Wörtern (wissen – er weiß) ist kein Verstoß gegen die Stammschreibung, denn in Form des "ß" bleibt das Doppel-s erhalten – es erscheint lediglich in einer anderen typographischen Form (vgl. auch hier).
c) Als Konsequenz aus a) ergibt sich die Verwendung des "ß" an Stelle von „ss“ in Fällen, bei denen der stimmlose s-Laut auf einen langen Vokal folgt, weil letzterer bei der Silbentrennung das Ende einer Silbe bildet. Das bedeutet aber auch, daß der an dieser Stelle zwangsläufig auftretende Widerspruch zu dem Prinzip, daß ein Doppelkonsonant die Kürze des vorangehenden Vokals anzeigt, durch das "ß" lediglich verdeckt, aber nicht beseitigt wird. – Damit muß man leben; zum Glück macht einem das "ß" das leicht.

Mithin braucht man keine Extraregel für die Verwendung des "ß" nach einem langen Vokal oder einem Doppellaut – dieser Fall folgt bereits aus der Ligatureigenschaft des "ß" –, sondern nur für den zuvor beschriebenen dritten Fall, daß ein stimmloser s-Laut allein durch „s“ notiert wird (vgl. dazu § 25 der amtlichen Neuregelung und § 4 im Icklerschen Rechtschreibwörterbuch).

Vor allem aber ist das Auftreten eines "ß" an sich kein Zeichen für die Länge eines davorstehenden Vokals – im Gegenteil: Wenn es irgend etwas mit der Länge des davorstehenden Vokals zu tun hätte, zeigte es als typographische Variante eines Doppelkonsonanten seine Kürze an. Das "ß" als eine Art Dehnungszeichen anzusehen ist irreführend! – Dieses Problem löst man m. E. am besten dadurch auf, daß man dem "ß" genau gar keine Funktion bezüglich der Länge oder Kürze seines linken Nachbarn zuspricht.
Und es ist auch umgekehrt die Länge des vorausgehenden Vokals nicht unmittelbar das entscheidende Kriterium für die Verwendung des "ß", sondern dies folgt mittelbar über das allgemeinere Prinzip des Verhaltens bei einer (evtl.) Trennung an dieser Stelle.

Wenn man meiner naiven Herangehensweise folgte und die Bezeichnung „Lautprinzip“ in dem Zusammenhang mit der ss/ß-Schreibung umdeutete (so daß sie sich auf die Qualität des stimmlosen s-Lautes und sein Verhalten bei Worttrennungen bezöge), so käme man zu einigen klaren Konsequenzen (die im wesentlichen die Entstehung des "ß" widerspiegeln, s. o. – Inwieweit ist eigentlich die Heysesche s-Schreibung mit den beiden s-Typen der Frakturschriften kompatibel; setzt die Heysesche s-Schreibung Antiqua voraus?), und mir scheint, daß man dann unmittelbar bei der oben beschriebenen Verwendungsregel für das "ß" ankäme, welche ja nichts anderes ist als die altbekannte Adelungsche Regel (warum heißt die eigentlich so, da doch nach http://staff-www.uni-marburg.de/~schneid9/geschich.pdf diese Schreibweise auf J. Ch. Gottsched zurückgeht?). Diese Regel hat den großen Vorteil, daß sie sich sowohl in klarer Weise an den vorhandenen Lauten orientiert, als auch, daß die Variation der Vokallänge bei regionalen Aussprachevarianten kein Problem für ihre Anwendung darstellt.

– geändert durch J.-M. Wagner am 27.04.2002, 12.43 –
__________________
Jan-Martin Wagner

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Thomas Paulwitz
18.02.2002 15.22
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Re: Re: Re: Fränkisch

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Jörg Metes
Zitat:
Ursprünglich eingetragen von J.-M. Wagner
Und wie wird dies(es) ausgesprochen?
Das Problem wurde per Email an den Kulmbacher Gewährsmann weitergereicht. Ich lege es hiermit aber auch anderen Kennern des Fränkischen vor (Kennern z.B. in Erlangen. So weit weg von Kulmbach kann Erlangen doch nicht liegen?).


Kulmbach liegt in Oberfranken, Erlangen in Mittelfranken. Es gibt Unterschiede, auch wenn Spardorf (bei Erlangen) hart an der Grenze zu Oberfranken liegt. Ich dachte bisher, daß in Erlangen eigentlich nur die zugereisten Bayern „dös“ sagen.
__________________
Thomas Paulwitz
http://www.deutsche-sprachwelt.de

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