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Kette weiterer Verunsicherungen
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J.-M. Wagner
30.08.2004 18.12
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Aktualisierungen

Die in dieſem Strang vorkommenden Verweiſe auf externe Internetſeiten haben ſich geändert, daher möchte ich die aktuellen Adreſſen angeben.

Das Urteil des Bundesverfaſſungsgerichtes findet ſich unter dieſer Adreſſe; von beſonderem Intereſſe ſind die Abſätze 79–83, 83 ſowie 167 und 168. Die in der Extraausgabe des Sprachreports vom Juli 1996 publizierte Zuſammenfaſſung von Klaus Heller iſt hier, der Abſchnitt zur Laut-Buchſtaben-Beziehung hier zu finden.
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Jan-Martin Wagner

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J.-M. Wagner
31.01.2002 21.55
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"Stille Post"-Effekt?

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn
Uns wurde seinerzeit durch die Goethe-Institute die zusammengefaßte Version von Klaus Heller an die Hand gegeben, die natürlich nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Regelwerk wiedergibt und damit ein geschöntes Bild der Reform erzeugt. Vollständiges Neuschreib wird man damit kaum erzeugen können.
So schlecht scheint mir diese Zusammenfassung von Herrn Dr. Heller auf den ersten Blick gar nicht zu sein. Wenn ich mir dort die Beschreibung zu dem in der Prxis hervorstechendsten Element des »Neuschreib«, der vermehrten „ss“-Schreibung, anschaue, so ist seine Kurzfassung recht präzise: »ss für ß nach kurzem Vokal« lautet die Abschnittsüberschrift, die als Merkregel die bekannten Falschschreibungen (vgl. "Sammlung: Probleme der ss/ß-Schreibung") vermeiden würde. Auch die Erläuterungen zur jeweiligen Verwendung von „ss“ oder "ß" sind korrekt und durch einfache Beispiele gut illustriert. Eigentlich müßte damit eine fehlerfreie reformierte s-Schreibung gelingen. Woher also kommt die falsche Merkregel „nach Kurzvokal 'ss', nach Langvokal 'ß'", auf die so viele Fehler zurückzuführen sein dürften; warum und wie ist die entstanden? Liegt das eventuell an einer Art „Stille Post“-Effekt, was die Verbreitung der Reformschreibungsregeln betrifft?

Hellers Erläuterungen haben allerdings einen großen Nachteil: Sie beruhen darauf, daß man weiß, wie das Wort vor der Reform geschrieben wurde, taugen also nur etwas für die Umstellung/Umgewöhnung derjenigen, die mit der alten Schreibung (notwendigerweise bestens?) vertraut sind. Denn es heißt bei Heller ja z. B. »ss für ß [...]« – also muß man wissen, wo ein "ß" stand, denn nur ein solches soll ggfs. durch „ss“ ersetzt werden. Deshalb ist diese Kurzfassung für den Lernenden nicht brauchbar, und damit besteht weiterhin Bedarf an einer Merkregel.

Oder es heißt, es »wird auch der Wechsel von ss zu ß nach kurzem Vokal aufgehoben [...]« – wieder muß man etwas davon wissen, „wie es früher war“; hier allerdings keine konkrete Schreibung eines Wortes, sondern eine „alte“ Regel, und das stellt eine höhere Schwierigkeit dar als das Wissen um eine Schreibung. Wenn man diesen „anspruchsvollen“ Teil der Erläuterung überliest, weil man ihn nicht versteht, bleibt als Fazit, grob gesprochen, „nach kurzem Vokal kommt 'ss'". – Ich will damit nicht gesagt haben, daß sich diese Schlußfolgerung zwangsläufig ergibt, ich wollte nur zeigen, warum sie nicht allzu fern liegt und zu einem gewissen Teil durch die Darstellung der Reformschreibungsregeln bedingt sein kann. Das gilt auch für die folgende Passage:

Wenn man in der Erläuterung zum "ß" den Anfang des Satzes mit den bekannten Wörtern Maß, Muße und Straße etwas oberflächlich liest und das Ende wegen der Beschreibung »Doppellaut vor stimmlosem s-Laut« gedanklich fallenläßt, bleibt als Information »die Länge des vorausgehenden Vokals« hängen, mit der man das "ß" in Verbindung bringt. Aha, dann ist die gesuchte Merkregel wohl: „nach Kurzvokal 'ss', nach Langvokal 'ß'". Noch Fragen? Nein, jetzt ist es ja klar. Ach so, und wer's immer noch nicht ganz begriffen hat, der bekommt in einer Extrawurst noch den Hinweis auf „dass“ statt „daß" geliefert – und dies mit der Begründung, dies geschehe »entsprechend der allgemeinen Regel, dass nach kurzem Vokal ss steht«. Prima! Das heißt ja, daß die Merkregel genau richtig ist!!

Also: Man muß in der didaktischen Herangehensweise bei der Vermittlung der Reformschreibung unterscheiden zwischen denen, die schon wissen, wie es vor der Reform geschrieben wurde, und denen, die es neu lernen und das Vorwissen nicht haben. In die zweite Gruppe gehören auch viele von denen, die heute nicht mehr zur Schule gehen, denn nicht alle, die die „alte“ Schreibung gelernt haben, beherrschen diese auch. Vereinfachte Darstellungen der Reformschreibungsregeln, die im wesentlichen auf die Erleichterung der Umstellung der Schreibung abzielen, sind daher für viele Menschen unbrauchbar.

Benötigt werden Merkregeln, welche die Schreibung – egal, ob »Neuschreib«, die Icklersche Variante oder das alte Dudendeutsch – möglichst direkt vermitteln, d. h. ohne sich dabei auf detaillierte Vorkenntnisse zu beziehen. Merkregeln, die etwas taugen, müssen außerdem „narrensicher“ sein, d. h. sie dürfen nicht zu neuen Fehlern verleiten. Der Hellersche Einschub »entsprechend der allgemeinen Regel, dass nach kurzem Vokal ss steht« – bei welchem der notwendige Zusatz „wo vorher ß stand“ fehlt – erfüllt diese Kriterien nicht: Es wird sowohl Vorwissen vorausgesetzt, als auch ist diese Kurzfassung nicht narrensicher, wie die vielen Fehler (z. B. "-niss“) belegen.

Fazit: Keine „Stille Post“-Effekte, sondern hausgemachte Schwierigkeiten sind die Ursache der häufigen „ss“-Fehler.

Jetzt wird es spannend: Wie ist diese Situation zu korrigieren, und ist das überhaupt möglich? Existiert eine narrensichere Faustregel, welche die Reformschreibung ohne Vorwissen (über das alte Dudendeutsch) vermittelt? UND: Kann diese Regel die entsprechende Faustregel der bisherigen s-Schreibung, »Schreibe nur dann 'ss', wenn das Wort an der Stelle (zwischen den 's') getrennt werden kann, sonst 'ß'« an Einfachheit unterbieten?

Dieses halte ich für ein wichtiges Kriterium bezüglich der Akzeptanz einer neuen Regel im Sinne des BVerfG-Urteils! Meine bisherige Erörterung lief ja auf eine Einordnung des Problems der Fehleranfälligkeit der reformierten s-Schreibung in die „a)-Kategorie“ (behebbarer Schaden) meines Eröffnungsbeitrags in diesem Strang hinaus. Hier aber kann sich zeigen, ob es nicht doch in die „b)-Kategorie“ („unheilbar“) gehört, je nachdem, wie die neue Merkregel ausfällt. UND: Wenn es allerdings gar keinen Versuch gibt, die Fehleranfälligkeit zu mindern (egal ob mit einer neuen Merkregel oder auf andere Weise), halte ich jede Diskussion für überflüssig, weil dann die neuen Regeln offensichtlich nicht die notwendige Akzeptanz im Sinne des BVerfG-Urteils gefunden haben.

Die letztere Regel (der unreformierten s- Schreibung) erfüllt das Kriterium der Narrensicherheit, denn als implizite Voraussetzung hat man bei jeder Form einer "ß-Regel“, daß es um ein Wort geht, welches nicht mit „s“ geschrieben wird. Man kann zwar den „sonst“-Teil der Regel für den Schwachpunkt bezüglich der Narrensicherheit halten, allein das würde implizieren, daß man fast überall "ß" schreibt – was offensichtlich nicht der Fall ist. „Offensichtlich“ ist das allerdings nur für jemanden, der viel (und sinnvolles) gelesen hat – wer aber macht das heutzutage noch, insbesondere von den Kindern??!! Deshalb muß der Rechtschreibunterricht mit dem Training der Lesefähigkeit anfangen – PISA läßt grüßen...

Natürlich gilt diese Voraussetzung (daß es um Wörter geht, die nicht mit „s“ geschrieben werden) auch bei der Hellerschen Regel, und sie würde auch für die noch zu konstruierende verbesserte reformschreibliche Faustregel gelten. Dann muß man abwägen, welche der Merkregeln quasi „mehr oder weniger von dieser Voraussetzung implizit Gebrauch macht“ bzw. mehr oder weniger dazu verleitet, diese Bedingung außer acht zu lassen. Aber ich will mir nicht weiter die Köpfe der Reformer zerbrechen...

Für die letztere Regel ist außerdem als Vorwissen erforderlich, der Silbentrennung eines Wortes auf die Schliche kommen zu können; dies kann und muß in jedem Fall als elementar vorausgesetzt werden, egal, nach welchem Regelwerk man schreibt. Diese Voraussetzung halte ich daher für unproblematisch.

Fazit: Solange es nichts besseres gibt, kann jedem nur empfohlen werden, sich an die genannte Merkregel der Adelungschen s-Schreibung zu halten.
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Jan-Martin Wagner

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Elke Philburn
28.01.2002 18.32
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Zitat:
Die reformierten Regeln sind nicht von Anfang an präzise, d. h. in ihrer eigentlichen Fassung bekanntgemacht worden, sondern durch die Art der Einführung ist die Verwendung der (zu Fehlern verleitenden) Faustregeln begünstigt worden.

Das kann ich bestätigen. Uns wurde seinerzeit durch die Goethe-Institute die zusammengefaßte Version von Klaus Heller an die Hand gegeben, die natürlich nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Regelwerk wiedergibt und damit ein geschöntes Bild der Reform erzeugt. Vollständiges Neuschreib wird man damit kaum erzeugen können.

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J.-M. Wagner
28.01.2002 17.41
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Wie kann man angesichts der vielen neuen Falschschreibungen (oder sind's eventuell falsche Neuschreibungen?) beurteilen, ob die Reformschreibung die notwendige Akzeptanz (im Sinne des BVerfG-Urteils; mehr dazu weiter unten) gefunden hat? Welche Konsequenzen hat eine solche Beurteilung (sofern sie sinnvoll möglich ist) möglicherweise für das BVerfG-Urteil (und was, wenn sich herausstellt, daß so eine Beurteilung gar nicht möglich ist)? Das sollen die Leitfragen für diesen neuen Diskussionsstrang sein. Das Motto stammt aus folgendem Zitat:

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Elke Philburn (im Strang "Komisch")
Das erstmalig bewußte Umstellen der eigenen Rechtschreibung scheint mit einigen Schwierigkeiten verbunden zu sein. [...] Zum anderen scheint es schwierig zu sein, Neuschreibungen zu erwerben, ohne daß sich Analogien aufdrängen, die eine ganze Kette weiterer Verunsicherungen nach sich ziehen. Das sieht man an den z. T. abstrusen Auseinanderschreibungen, die von Reformwilligen begangen werden. Wo regelhafte Veränderungen vorgenommen wurden, hätten die Regeln viel klarer ausfallen und eine konsequente Anwendung erlauben müssen.
Mich interessiert dabei, ob es möglich ist, die Ursache der „falschen Neuschreibungen“ näher zu bestimmen. Sind es (immer noch) Probleme, die durch die Umstellung bedingt sind, oder liegt es an den reformierten Regeln selbst?

Wenn ich mir beispielsweise vorstelle, man hätte nur wenige Neuerungen eingeführt, die sich leicht überblicken lassen (etwa die Drei-Konsonanten-Regel u. ä.), würde ich zwar erwarten, daß anfangs mehr Fehler gemacht werden, einfach aus Eingewöhnungsschwierigkeiten. Zusätzliche Fehler würde ich aber nicht erwarten.
Bei den Reformschreibungsregeln gibt es nun aber einige, die zwar systematisch begründet sind (wie die Heysesche s-Schreibung), aber von vielen Leuten rein äußerlich wahrgenommen und angewendet werden (d. h. ohne daß das zugrundeliegende Prinzip wirklich erfaßt wird). Das kann zwei Ursachen haben, die m. E. auch verschiedene Konsequenzen haben können:

a) Die reformierten Regeln sind nicht von Anfang an präzise, d. h. in ihrer eigentlichen Fassung bekanntgemacht worden, sondern durch die Art der Einführung ist die Verwendung der (zu Fehlern verleitenden) Faustregeln begünstigt worden. Dann sind es umstellungsbedingte Fehler, aber nicht aufgrund von Eingewöhnungsschwierigkeiten, sondern sie sind systematisch bedingt.
Diese Probleme sind beseitigbar, wenn es gelingt, die Fehler der Faustregeln allgemeinen bekannt zu machen und nach und nach (modulo Ein- und Umgewöhnungsschwierigkeiten) die richtigen Regeln zur Anwendung zu bringen. Solche Probleme stehen m. E. einer allgemeinen Akzeptanz (im Sinne des BVerfG-Urteils) nicht entgegen.

b) Die reformierten Regeln sind immer präzise bekanntgemacht worden, werden aber nicht richtig oder nicht völlig verstanden und deshalb nicht richtig oder nicht völlig umgesetzt. Dann handelt es sich bei den „falschen Neuschreibungen“ um Fehler, die aufgrund von Problemen entsehen, die den Regeln inhärent sind.
Solche Probleme sind allein durch vermehrte Hinweise auf die Regeln nicht zu beseitigen, sondern m. E. nur durch eine Änderung der Regeln. Diese Probleme stehen einer generellen Akzeptanz entgegen.

{Anmerkung: Der Fall b) kann prinzipiell auch auf die nichtreformierten Regeln bzw. auf die Situation vor der Reform zutreffen. Das ist jedoch nicht ganz vergleichbar, denn damals gab es noch das DUDEN-Privileg, so daß man (meistens) in Zweifelsfällen nicht darauf angewiesen war, die Regeln an sich völlig zu verstehen und sie richtig anzuwenden, um zu richtigen Ergebnissen zu kommen, sofern das Wörterverzeichnis die gewünschte Information lieferte. Und es wurden damals weniger Fehler gemacht, so daß sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Regeländerung nicht (bzw. anders – die Reform wurde ja nicht grundlos durchgeführt!?) stellte.}

Was kann der Fall b) für Konsequenzen für das BVerfG-Urteil haben? Dazu Passagen aus dem Urteil vom 14. Juli 1998 (und weitere Anmerkungen aus meinem Eintrag „Volksetymologie vs. angelehnte Schreibung; Verfassungsgerichtsfestigkeit“ im Strang "Komisch"):
Zitat:
(Abs. 79 bis 83)
2. Gegen die Erteilung des Unterrichts nach den neuen Regeln haben die Beschwerdeführer Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ihr Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat ihre Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags durch das Verwaltungsgericht aus den folgenden Gründen zurückgewiesen (vgl. NJW 1997, S. 2536): [...] Die Rechtschreibung beruhe im deutschen Sprachraum nicht auf Rechtsnormen, sondern auf sprachlichen und damit außerrechtlichen Regeln, die auf Akzeptanz angewiesen seien. [...] Bei der Konkretisierung des gesetzlichen Schulauftrags habe das zuständige Ministerium sinngemäß die Prognose gestellt, daß die Rechtschreibreform die notwendige allgemeine Akzeptanz finden werde. Nach derzeitigem Kenntnisstand sei diese Prognose nicht zu beanstanden.
In den unmittelbar darauffolgenden Sätzen heißt es aber:
Zitat:
(aus Abs. 83)
Da die außerrechtlich normierten Regeln der Reform auch durch staatlichen Einfluß, insbesondere den der Kultusministerkonferenz, geprägt seien, hänge die Akzeptanz maßgebend von der innerstaatlichen und fachlichen Kompetenz dieses Normgebers ab. Rechtschreibreformen würden in Deutschland seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts als letztlich staatliche Aufgabe verstanden. [...]
Diese Passagen gehen auf das Oberverwaltungsgericht zurück; das BVerfG selbst hat festgestellt:
Zitat:
(Abs. 167 und 168; Hervorhebung: J.-M. W.)
2. Nach diesen Maßstäben ist der angegriffene Beschluß des Oberverwaltungsgerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Oberverwaltungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung die Bedeutung der Rechtschreibreform für die Spracherziehung in der Schule gewürdigt. Es hat die künftige Rechtschreibung in Beziehung gesetzt zum Schulauftrag nach den §§ 4 und 11 SchulG und für die Unbedenklichkeit der schulischen Einführung „einer künftig geltenden Schreibweise der deutschen Sprache“ im Erlaßwege darauf abgestellt, daß sich die Schule lediglich allgemein zu erwartenden Rechtschreibänderungen anpasse. Dazu hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, daß es der Rechtschreibreform nicht nur um eine Änderung der Schreibweise im Unterricht und in der Amtssprache, sondern um eine Reform der Schreibweise der deutschen Sprache im deutschen Sprachraum überhaupt gehe und daß nach der nicht zu beanstandenden Prognose der Kultusverwaltung die Rechtschreibreform die für eine Sprachgeltung notwendige allgemeine Akzeptanz finden werde. Das Oberverwaltungsgericht hat die Bedeutung dieser Reform für den Schulunterricht also darin gesehen, daß sich an dessen Ziel, Schülern die allgemein üblichen Rechtschreibkenntnisse zu vermitteln, nichts ändern werde. Diese Auffassung liegt nicht so fern, daß es die Beteiligten vor dem Erlaß der angegriffenen Entscheidung darauf hätte hinweisen müssen.
Auch hier wird wieder das OVG zitiert; der letzte Satz gibt zu erkennen, daß das BVerfG inhaltlich mit dem OVG übereinstimmt.

Mein Eindruck: Solange die »fachliche Kompetenz des Normgebers« als Maßstab für die Akzeptanz der Rechtschreibreform gesehen wird, spielt die tatsächliche Umsetzung der Reform (d. h. in der alltäglichen Praxis) keine Rolle – selbst wenn dies mittels unbrauchbarer Faustregeln geschieht und selbst wenn die verschiedenen Zeitungsverlage ihre unterschiedlichen Hausorthographien pflegen. Gestützt wird dies durch eine fatale „Selbstkonsistenz“ – besser: selbsterfüllende Prophezeihung -: In der Erwartung, daß sich der allgemeine Schreibgebrauch an die Reformschreibung anpassen wird, wird diese an den Schulen unterrichtet – aber letztlich ändert sich ja ersterer erst aufgrund der Unterrichtspraxis, und zwar mit dem Hinweis, daß die Reformschreibung die den Schülern vertrautere sei. Auf diese Weise kann man allerdings jede Reform „begründen“, denn dieser Zirkelschluß funktioniert auch, wenn man irgend etwas anderes an Stelle der „Reformschreibung“ einsetzt; der Inhalt spielt hierbei keine Rolle.

Vielleicht hat aber das BVerfG bezüglich der »für eine Sprachgeltung notwendige[n] allgemeine[n] Akzeptanz« eine andere Auffassung als das OVG. Ob man es dazu bringen kann, die Gleichsetzung von Akzeptanz und Normgeberkompetenz zu hinterfragen? Welche Chancen hätte ein neuer Volksentscheid?

Es bleibt für mich außerdem die Frage, ob nicht in der Darstellung des OVG ein Widerspruch deutlich wird, wenn einerseits darauf hingewiesen wird, daß die Rechtschreibung »nicht auf Rechtsnormen, sondern auf sprachlichen und damit außerrechtlichen Regeln«, andererseits aber Änderungen dieser außerrechtlichen Regeln (= Rechtschreibreformen) »als letztlich staatliche Aufgabe verstanden« werden. Damit ist keine Widersprüchlichkeit der Ausführungen des OVG gemeint, sondern ein Widerspruch eben in dem Verständnis, was eine staatliche Aufgabe sei.

Meine Meinung: Was außerrechtlich ist, bleibt es nur, wenn der Staat „die Finger davon läßt“ und also keine Verordnungen dazu erläßt. Ich stimme Herrn Icklers Forderungen in dieser Richtung nachdrücklich zu (vgl. den Strang "Der Fetisch Norm"). Die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bestehende Rechtspraxis, die zu dem beschriebenen Verständnis geführt hat, sollte dringend überprüft und geändert werden.
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Jan-Martin Wagner

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