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Forum > Beispielsammlung über Sinn und Unsinn
Kieler Nachrichten
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Sigmar Salzburg
11.10.2007 13.41
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Kieler Nachrichten v. 09.10.07

Das hört sich etwas fremd an?

Teil 5 – Heute: Foreign Word –
Mot Étranger – Parola Straniera – Fremdwort

Die deutsche Sprache lebt. Das wird nirgends deutlicher als bei unseren Fremd- und Lehnwörtern. Vital und temperamentvoll okkupieren sie mit den Römern den germanischen Sprachraum, treffen sich während der Büropause im Cafe auf eine Tasse Kakao mit Sahne und entwenden mit ihren Tricks nicht nur Computer aus dem Safe, sondern auch so manches deutsche Wort aus dem Wortschatz. Doch manchmal geht es gar nicht ohne sie. Oder würden Sie statt von einer Mauer umständlich immer von einer „aus Steinen und Mörtel errichteten Wand“

Gewusst wie!
Eine Serie zur neuen Rechtschreibung


sprechen wollen? So hätten es vielleicht die alten Germanen gesagt, aber zum Glück brachten die Römer mit ihrer neuen Steinbautechnik auch das entsprechende Vokabular mit. So also wurden „murus“ zur Mauer, „fenestra“ zum Fenster und „ cucina " zur Küche. Solche Wörter mit „Migrationshintergrund " kennen wir aber auch aus wesentlich jüngerer Zeit. Oben genanntes Büro stammt vom französischen „bureau“ und wird erst seit knapp hundert Jahren so geschrieben. Die Tasse und die Sahne stammen ebenfalls aus dem Französischen („la tasse“ und „la sai-me“). Dem Trick sieht man seine englische Herkunft vielleicht gerade noch an, aber dass der „Kakao“ auch sprachlich eine der wenigen aztekischen Überlieferungen ist, weiß wohl kaum noch jemand.

Was klar wird bei der Betrachtung solcher Lehn- und Fremdwörter: Das Deutsche absorbiert eine Menge fremder Kultur und fremden Lebens über die Sprache. Es gab Zeiten, da dominierte das Lateinische, während des Barocks galt das Französische als schick und gerade haben wir es mit einer Flut von Wörtern aus dem Englischen zu tun. Immer wird etwas in der Sprache zurückbleiben. Aber immer auch werden sperrige, nicht allgemein verständliche Begriffe den Fachsprachen vorbehalten bleiben oder wieder ganz aus dem Wortschatz verschwinden.

Was hat das alles nun mit der neuen Rechtschreibung zu tun? Die Reformer haben in Bezug auf die Schreibung der Fremdwörter zweierlei Ziele verfolgt. Sie wollten bereits bestehende Trends der Eindeutschung verstärken, andererseits der Entwicklung solcher Trends aber auch großen Spielraum lassen. Daher fällt die Zahl der betroffenen Fremdwörter recht bescheiden aus. Zunächst sollen zwei Gruppen von Fremdwörtern vorgestellt werden, bei denen eine gewisse Regelmäßigkeit vorhanden ist. Wichtig: Auch die jeweils alte Schreibung bleibt weiterhin richtig. Sie haben jetzt also die Qual der Wahl und die Chance, den Trend mitzubestimmen.

Erstens: Häufig werden die Fremdwortbestandteile „phon“, „phot“ oder „graph“ bereits als „fon“, „fot“ oder „graf“ geschrieben, z. B. in Mikrofon, Fotografie oder Grafiker. Diese Entwicklung wird durch die neuen Regeln unterstützt. Also trauen Sie sich in Zukunft ruhig auch an Megafon, Geografie, Grafologe oder Fotosynthese. Die deutschen Nachrichtenagenturen schränken diese Regelung insofern ein, als dass sie Wörter aus den Fachsprachen in der bisherigen Schreibung erhalten, also z.B. Photosynthese, Graphologe oder Phonologie.

Zweitens: Die aus dem Lateinischen stammenden Substantive, die auf die Silben ,,-anz“ bzw. ,,-enz“ enden, werden in ihren Ableitungen meist mit „ti“ geschrieben, obwohl deutlich ein „zi“ zu hören ist. Beispiele dafür sind: Differenz – differential, Potenz – potentiell, Substanz – substantiell. Hier ist in Zukunft also auch die Schreibung mit „zi“ erlaubt: differenzial, potenziell, substanziell.

Bei allen anderen Änderungen, die die Fremdwörter betreffen, handelt es sich eher um Einzelfälle, die in der nächsten Folge vorgestellt werden. Überlegen Sie doch schon mal jetzt, ob und wie Sie zum Beispiel Joghurt, Portemonnaie, Delphin, Katarrh oder Boucle lieber schreiben würden.

Sabine Hilliger

Auflösung Teil 4: Behände klettert die Gämse den Felsen entlang. Überschwänglich nähert sie sich einem gräulichen Abgrund. Doch durch ein Quäntchen Glück verheddert sich ihr Bändel an einem hervorstehenden Stängel. Sie kann ihre Rettung kaum fassen und schnäuzt sich gerührt das Näschen.

Bei Fragen erreichen Sie die Autorin über http://www.ductus-comm.de/sos

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Sigmar Salzburg
11.10.2007 10.39
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Anmerkungen zu den Hilligerschen Belämmerungen in KN v. 8.10.07

Dieses Kapitel könnte unter der Überschrift stehen
„Hurra, wir verblöden euch!“

In der alten Rechtschreibung gab es einige Ausreißer, die dem Stammprinzip nicht folgten. Diese Ausnahmen hat die Neuregelung auf der Basis des heutigen Sprachgebrauchs beseitigt. Das heißt, dass einem Wort ursprünglich eine vom jetzigen Verständnis abweichende Schreibung oder Bedeutung zugrunde gelegen haben kann. Gesprochene Sprache, Bedeutungen verändern sich. Da ist es nur legitim, dass auch die Schreibung dem zeitgemäßen Gebrauch und Verständnis folgt.

„Quentchen“ gehört zum Bildungswortschatz. Ein interessanter Hinweis auf das alte „Quent“ hilft auch dem schlichtesten Schüler. Dagegen ist „Quant“ ein abstrakter Begriff der Quantenphysik, das kleinste, unteilbare Objekt. Seine Verkleinerung ist Unsinn.

Prof. Peter Eisenberg sagte lt Nordwest-Zeitung v. 20.6.2003:

„Das Wort „Quäntchen“, das bisher mit „e“ geschrieben wurde, kommt nun mal von „Quintus“ und nicht von „Quantum“. Wenn die Reformer meinen, sie müssten es mit „ä" schreiben, treffen sie vielleicht das Sprachwissen vieler Schreiber, sie dürfen aber nicht die Schreibung mit „e“ verbieten. Man sollte diejenigen, die etwas über die Sprache wissen, nicht in dieser Form herausfordern. Das ist eine Provokation.“

Nicht „wir“ bringen das Wort mit Quantum in Verbindung, sondern Reformprofessor Augst in seiner imaginierten Inkarnation als Reformschüler Klein-Moritz. Es ist die dummdreiste Anmaßung der Kultuspolitiker, dies zwingend als allein richtig vorzuschreiben.

Das Wörtchen „behende“ wird seit 1000 Jahren nie anders geschrieben. Die genaue etymologische Herkunft ist nicht mehr aufklärbar, und die Bedeutung hat sich soweit von „Hand“ entfernt, daß eine graphische Erinnerung daran ziemlich unerwünscht ist. Man müßte dann mit mehr Recht statt „fertig“ auch die Schreibung „fährtig“ fordern. Die Willkür und Lächerlichkeit der neuen, unverschämterweise auch zwingenden Vorschrift wird deutlich an Texten, die dem Unsinnsdiktat untworfen wurden:

… dies junge, reizende, übermütige Mädchen mit ihren beiden Teufelshörnchen an der Stirn, mit dem durchsichtigen Trikot, mit den allerliebsten behänden Füßchen, mit den tausend Schelmereien und Neckereien der Koketterie, wie nimmt sie sich unter den ehrwürdigen Tatsachen des gegenwärtigen Berlins aus! … (Karl Gutzkow)

... von Tabak verbreiten. Wasserfälle und Teich mit behänden Goldfischen,
die mit Weinrebe der Pergola berankt sind. Niedrige Sofas ..
.
http://www.restoran.ru/index.phtml?t=6&r=168&lng=3

Eine super Straßenlage hatte schon mein Golf aus den Neunzigern, der neue geht noch eine Spur behänder um die Kurve. Spielend leicht lenken lässt er sich ohnehin, was in engen Altstadtrevieren sehr angenehm ist.
http://www.zeit.de/2004/09/Autotest_09


Ähnliches läßt sich auch für jedes andere Wort der Augstschen Volksetymologien sagen.
Hunderte von herkömmlichen Varianten wurden im Zuge der „Reform der Reform“ wieder zugelassen. Daß in diesen genannten Fällen aber nur die Dummenvariante nach Prof. Augst die allein richtige sein soll, die historisch richtige aber mit der Fehlerkeule verfolgt wird, ist eine nicht zu überbietende Dreistigkeit der Kultusminister.

Dafür sind nun nicht mehr die Bildungsapparatschiks verantwortlich, die seinerzeit aus Inkompetenz und Volksbeglückungseifer in die erste Rechtschreibreform hineingestolpert sind. Es sind nun die noch wirkenden Kulturpolitiker, von denen nur Ute Erdsiek-Rave auch für die Zwangseinführung des ersten Reformunfugs verantwortlich war. Sie haben hier eine Rückkehr zur Vernunft untersagt – ein sinnloser Machterhaltungsreflex

Frau Hillinger setzt nun unverdrossen die Volksverdummung fort:

Und doch – keine Regel ohne Ausnahme. Vielleicht ist es der Eitelkeit der „Eltern“ zu verdanken, dass sie auch in Zukunft nicht zu Ältern* werden, …

Die wahrscheinlichste Deutung ist die, daß die Reformpolitiker den Zorn der Eltern vermeiden wollten, weil sie dann noch eher um ihre „Reform“ fürchten mußten.

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
10.10.2007 15.05
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Das neue Äländ

Dazu aus dem hervorragenden Satire-Bändchen von Werner Guth:

„Schildbürgers Rechtschreibreform oder aus tiefer Not schreib ich zu dir“ :

Briefe an die Rechtschreibkommission (1)

Ich als Deutschlehrer habe meine hälle Fräude daran, dass man nun ändlich die Schreibungen belämmert, Quäntchen, verbläuen und schnäuzen zulässt, dänken doch alle Schüler beim Schreiben sofort an Lamm, Quantum, blau und Schnauze und schreiben die Wörter dann mit ,ä'. Da hatten sie sich aber bisher geschnitten und hatten einen Fähler gemacht. Gott sei Dank haben Sie hier nun ändlich eingegriffen und der Fähler ist keiner mehr.

Durch den verstärkten Rückgriff auf die so genannte Stammschreibung haben wir es in den Schulen von nun an erhäblich einfacher. Wie mühsälig war es doch bisher, den Schülern die Schreibungen überschwänglich, aufwändig, behände, Gämse, Stängel, Schlägel und Ständelwurz auszutreiben, wo sie doch beim Schreiben immer gleich an Überschwang, Aufwand, Hand, Gams, Stange, Schlag und Stand gedacht und eigentlich doch alles richtig gemacht hatten.

Aber leider, meine Damen und Herren, sind Sie auf der halben Wegsträcke stehen geblieben und das ist ein bisschen schade.
Stäts und ständig schreiben die Schüler ja doch auch mühsälig und trübsälig, da sie diese Adjektive zu Recht von Mühsal und Trübsal ableiten und — schon haben sie wieder einen Fähler gemacht.

Warum haben Sie hier nicht konsequent reformiert? Immerzu schreiben die Schüler wänden, brännen, rännen, können und Hänne: Sie dänken ja doch ganz zu Recht an Wand, Brand, gerannt, gekannt und Hahn und wupp! haben sie schon wieder einen Fähler gemacht, wo doch eigentlich alles richtig ist. Ohne Unterlaß schreiben sie ja auch Ältern, märken, dänken, verränken, sträcken, hätzen und sätzen: Sie dänken natürlich an alt, Marke, Gedanke, Ranke, stracks, Hatz und Satz und wupp! haben sie schon wieder einen Fähler gemacht. In einem fort schreiben sie , Ädel sei der Männsch, hilfreich und so weiter“: Sie danken ja doch ganz zu Recht an Adel und Mann und wupp! ist es schon wieder in die Hose gegangen.
Ach, es ist schon ein Äländ! Und ich bin noch längst nicht fährtig. Dem Germanisten fallen nämlich noch eine riesige Mänge weiterer Wörter ein, deren Stamm-e nichts anderes als ein umgelautetes ,a' ist. Ich teile Ihnen einige Wörter mit für den zweiten Reformschritt, der hoffentlich bald kommt: Gesälle, härb, sänkrecht, Älsaß, wä-cken, Häller, Ärzängel, Frävel, Ärnte, Hämd, främd, Ärbe, stämmen, Häcke, Geschlächt, Härold, Gränze, fäst, Härberge, Ärbse, Hächt, Pfärd, Färkel und Äsel. Es gibt aber noch Hunderte.

Hier besteht Handlungsbedarf— Schluss mit den Äseleien! Ich bitte Sie inständig: Seien Sie die Häfe im Sauerteig!

Theoderich Kuchenbecker, OStR

Aus Werner Guth:
„Schildbürgers Rechtschreibreform oder aus tiefer Not schreib ich zu dir“
1998 Uta Guth Bilstein-Verlag ISBN 3-931398-06-4


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Detlef Lindenthal
10.10.2007 14.04
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Bestätigung / *Bestehtigung


Dr. Hillig,,r schri,,b:
Zum Schluss eine kleine Übung. In diesem „belämmerten“ Text fehlen alle „e“ und „ä". Setzen Sie sie einfach richtig ein.

B..h..nd.. kl..tt..rt di,, G..ms.. d..n F..ls..n ..ntlang. Überschw..nglich n..h..rt si,, sich ,,in..m gr..ulich,,n Abgrund. Doch durch ,,in Qu..ntch,,n Glück v..rh..dd,,rt sich ihr B..nd..l an ein..m h..rvorst..h..nd..n St..ng..l. Si,, kann ihr.. R..ttung kaum fass,,n und schn..uzt sich gerührt das N..sch..n.
[Ich habe mir ,,rlaubt, di,, noch v,,rbli,,b,,n,,n Buchstab,,n ä /e durch ,, zu ,,rs,,tz,,n; D.L.]
Was ich a.) bis heute an der sog. RS„R“ nicht verstanden habe (und, b.), schon in den vielen Jahrzehnten meines Genusses der deutschen Sprache auch nicht verstanden hatte):
b.) Wo kommt das sagenhafte ä in Bestätigung her; doch wohl weder von statisch noch von bestatten noch von was weiß ich.
a.) Wie kann es angehen, daß die Rechtschreib„reformer“, die doch sogar dem i-Punkt den Punkt gegeben haben (stimmt wirklich: vergleichen Sie Duden _21 und Duden _20!), es versäumt (verseumt??) haben, der Bestätigung ein e oder eh zu geben (denn was bestätigt ist, steht fest.)
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Detlef Lindenthal

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Sigmar Salzburg
10.10.2007 13.16
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Nein, ich sehe, mein PC ergänzt selbständig. Ich sehe es nochmals durch.
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Sigmar Salzburg

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glasreiniger
10.10.2007 12.59
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Scan-Fehler?

"Überschwenglich“ und „greulich“ hat die Dame stehengelassen?

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Sigmar Salzburg
10.10.2007 12.46
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Kieler Nachrichten v. 8.10.2007

Die belämmerte Gämse

Teil 4 – Heute: – Neues bei der Umlautschreibung

Die Umlaute „a“, „ö" und „ü" bzw. auch „äu“ haben eine lange Geschichte. Schon im Alt- und Mittelhochdeutschen sind Formen von Umlauten belegt, allerdings noch nicht in der heutigen Schreibweise.
Wer sich die Wörter betrachtet, deren Umlautschreibung reformiert wurde, merkt schnell, dass es sich nur

Gewusst wie!
Eine Serie zur neuen Rechtschreibung


um Wörter mit „ä/e“ bzw. „äu/eu“ handelt. Warum ist das so? Während „ö" und „ü" eindeutig von „o“ und „u“ unterscheidbare Laute bezeichnen, werden „ä" und „e“ gleich oder sehr ähnlich ausgesprochen. So taucht in alten Schriften zum Beispiel der Plural von Hand noch als Hende auf. Erst mit der Zeit wurden die Umlaute auch genutzt, um die Verwandtschaft der Wörter untereinander zu kennzeichnen. Inzwischen gilt grundsätzlich das Prinzip der Stammschreibung, wenn Wörter einer Wortfamilie voneinander abgeleitet sind. Deshalb schreiben wir Hände (wegen Hand), aber auch Fähre (wegen Fahren), Füße (wegen Fuß) oder fröhlich (wegen froh).
In der alten Rechtschreibung gab es einige Ausreißer, die dem Stammprinzip nicht folgten. Diese Ausnahmen hat die Neuregelung auf der Basis des heutigen Sprachgebrauchs beseitigt. Das heißt, dass einem Wort ursprünglich eine vom jetzigen Verständnis abweichende Schreibung oder Bedeutung zugrunde gelegen haben kann. Gesprochene Sprache, Bedeutungen verändern sich. Da ist es nur legitim, dass auch die Schreibung dem zeitgemäßen Gebrauch und Verständnis folgt.

Ein Beispiel: Das Quentchen* bringen wir aus heutiger Sicht mit dem Wort Quantum in Verbindung, deshalb schreiben wir es neu Quäntchen. Historisch gesehen leitet es sich allerdings vom Wort Quent oder Quint ab, einer Maßeinheit, wie sie noch im 15. Jahrhundert gebräuchlich war (ein viertel bzw. fünftel Lot) Diese Verbindung können wir als Sprachnutzer heute jedoch kaum noch herstellen.

In Zukunft müssen wir uns also an folgende neue Schriftbilder gewöhnen:
Bändel (wegen Band), behände (wegen Hand), belämmert (wegen Hand [sic!]), Gämse (wegen Gams), Gräuel und gräulich (wegen Grauen), Quäntchen (wegen Quantum), Stängel (wegen Stange), schnäuzen (wegen Schnauze), überschwänglich (wegen Überschwang), verbläuen (wegen blau).

Ihrer eigenen Entscheidung überlassen bleibt die Schreibung von aufwendig/aufwändig (wegen aufwenden bzw. Aufwand) und von Schenke/Schänke (wegen ausschenken bzw. Ausschank), wobei die deutschen Nachrichtenagenturen der ersten Variante den Vorzug geben, da sie die gewohnte ist.

Möglicherweise fällt es Ihnen zunächst schwer, sich an die neuen Schriftbilder zu gewöhnen. Aber fragen Sie Ihre Kinder, die das Schreiben gerade lernen – für sie ist diese Neuregelung einfach nur logisch und hilft, Fehler zu vermeiden.

Und doch – keine Regel ohne Ausnahme. Vielleicht ist es der Eitelkeit der „Eltern“ zu verdanken, dass sie auch in Zukunft nicht zu Ältern* werden, obwohl hier eindeutig eine Wortstammverwandtschaft vorliegt. Vielleicht aber hat man sich in diesem Fall der Tradition und starken emotionalen Wirkung dieses Wortes gebeugt und alles „beim Alten“ gelassen.

Zum Schluss eine kleine Übung. In diesem „belämmerten“ Text fehlen alle „e“ und „ä". Setzen Sie sie einfach richtig ein.

B..h..nd.. kl..tt..rt die G..ms.. d..n F..ls..n ..ntlang. Überschw..nglich n..h..rt sie sich ein..m gr..ulichen Abgrund. Doch durch ein Qu..ntchen Glück v..rh..ddert sich ihr B..nd..l an ein..m h..rvorst..h..nd..n St..ng..l. Sie kann ihr.. R..ttung kaum fassen und schn..uzt sich gerührt das N..sch..n.

Sabine Hilliger

Auflösung Teil 3: Kompass, Express, bloß, Amboss, blass, Gesäß, Riss, Kongress, nass, Kompromiss, Maß, Fuß, Boss, Hass, Gefäß, Koloss, Erlass, Spieß, vergesslich, süß, Schloss, er schoss, Fluss, Fleiß, Verdruss, Ruß, weiß, groß, Regress

* mit Stern gekennzeichnete Wörter entsprechen nicht der neuen Rechtschreibung

[Anmerkung: Scannerfehler möglich!]

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Sigmar Salzburg
10.10.2007 11.03
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Kommentar zu Hilliger in den KN v. 6.10.07

Über 600 Jahre lang haben die Deutschen mit ihrem Schluß-ß bestens leben können.
Ästhetik und Leserfreundlichkeit waren die Hauptvorzüge.

600 Jahre deutsche Kulturgeschichte sind damit geschrieben worden.

Jetzt ist es den Propheten des infantilen Lernens gelungen, gegen den Willen des Volkes eine würdelose Bilderstürmerei in Gang zu setzen, indem sie einen alten Einfall des Philologen Heyse (um 1800) exhumierten und zur neuen Norm erklärten. Ein ganzes Volk wurde damit zu Schreibstümpern befördert. Das Schreiben jedoch wurde nachgewiesenermaßen dadurch nicht erleichtert. Ganze Bibliotheken, vor allem Jugendbüchereien, wurden „entsorgt“, weil sie nicht die neue ss-Kontamination enthielten. Die Geiselnahme der Schüler drängte die Verlage dazu, allmählich alle unsere Klassiker bis in die Neuzeit dem ss-Diktat der Kultusminister zu unterwerfen. Das ist zugleich der Hebel, um die anderen, teilweise noch ärgeren Dummheiten der „Reform“ in die Texte einzuschleusen.

Dieser Kulturschurkenstreich war aber nicht von Anfang an geplant. Die Praxis hatte nie nach dem Heyse-System verlangt. Es war eher ein Zufallskompromiß.

Das ursprüngliche Ziel der „Reformer“ war die Abschaffung der deutschen Groß- und Kleinschreibung. Grund war vorgeblich die Fehlerträchtigkeit. In Wirklichkeit ist die Kleinschreibung jedoch eine alte Glaubensobsession bestimmter orthographischer Heilsverkünder – gegen die nachgewiesenen Vorzüge des klassischen deutschen Gebrauchs. Eine Reform der Großschreibung wurde ursprünglich von den Kultusministern wegen des zu erwartenden Widerstandes untersagt. Es ist ein Treppenwitz der Reformgeschichte, daß nun eine vermehrte, oft lächerliche Großschreibung als Ergebnis der jahrzehntelangen Kungelei hinter den Kulissen zum Standard erhoben werden soll.

An der ss-Front wollte man auf die Schweizer ß-freie Schreibung zusteuern. Die mangelnde „Einheitlichkeit“ der Rechtschreibung lieferte dazu die Rechtfertigung für den Angriff auf das „ß“ – der dann im faulen Heyse-Kompromiß endete – ohne daß die Schweizer dem folgen wollten.

Der letzte Vorsitzende der geschaßten Rechtschreibkommission, Blüml, schrieb in einem „Chat“ im Anschluß an eine Fernseh-Diskussion bei „Sabine Christiansen“ am 8.8.2004:

Natürlich wäre es möglich gewesen, auf das ß insgesamt zu verzichten. Dies wäre aber gegen den ausdrücklichen Wunsch einer großen Bevölkerungsmehrheit gewesen, weil sie diesen Buchstaben als typisch deutsches Zeichen betrachten.

Dem „ausdrücklichen Wunsch einer großen Bevölkerungsmehrheit“ hätte jedoch nur die Beibehaltung des herkömmlichen Gebrauchs entsprochen, wie im Volksentscheid dokumentiert. Die Erhaltung einiger weniger „ß“ diente also nur der Übertölpelung der Bürger. Die sporadische Präzisierung der Aussprache war danach ein Nebeneffekt, der jetzt zum Hauptvorzug der „Reform“ emporgejubelt wird – trotz der Fehlerträchtigkeit und traditionszerstörerischen Wirkung.

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Sigmar Salzburg

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Karl-Heinz Isleif
10.10.2007 10.20
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Leserbriefe

Ich kaufe nur Zeitungen in bewährter Rechtschreibung, und darunter nur die liberalen. Solche gibt es aber meines Wissens nicht mehr, weshalb ich überhaupt keine deutschen Zeitungen mehr kaufe. Ich bin darum auch kein Leser der Kieler Nachrichten und kann keine Leserbriefe schicken. Aber meine Ergüsse sind nicht mit irgendwelchen Urheberrechten versehen...

KHI

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Sigmar Salzburg
10.10.2007 09.38
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Leserbriefe an die KN

Briefe an die Redaktion

Kieler Nachrichten
Postfach 1111
24100 Kiel

oder

leserbriefe@kieler-nachrichten.de



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Karl-Heinz Isleif
10.10.2007 09.21
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Es nützt wahrscheinlich nichts, aber...

So etwa habe ich geantwortet:

Sehr geehrte Frau Dr. Hilliger,

wenn jemand einen Text liest, dann sieht er ja, wo ein Eszett steht und wo nicht. Für einen Leser können Ihre Ausführungen also nicht gedacht sein.

Wenn Sie aber an einen unsicheren Schreiber gerichtet sind, dann nützen Ihre Zeilen nur demjenigen, der bereits weiß, wo vorher ein Eszett stand. (So einer wird sich dann jedoch kaum auf eine schlechter lesbare, minderwertige Schreibweise umstellen.) Und derjenige, der nicht weiß, wo früher immer ein Eszett stand (weil er es in der Schule nicht mehr lernen durfte), der bleibt auf der unseligen Regel vom 'kurzen betonten Vokal...' sitzen. So einer muß pisste und Pisste, küsste und Küsste, fasst und fasst und dergleichen Blödsinn schreiben, er kann gar nicht anders, denn es ist ja gerade die angebliche Logik dieser Regel, die die Modernisierer dem Volk seit über zehn Jahren als das Gelbe vom Reformei verkaufen.

In dem Bundesland, in dem Sie Ihre 'Sprachnachhilfe' veröffentlichen, gab es einmal eine Volksabstimmung zum Thema Rechtschreibreform. Fast zwei Drittel der Bevölkerung war damals dagegen. Ist Ihnen das bekannt?

Wenn schon die Meinung der Mehrheit einfach ignoriert wird, dann sollten wenigstens diejenigen, die Sprache 'wissenschaftlich' betreiben, den Unfug beim Namen nennen und ihn nicht auch noch durch Pseudo-Nachhilfeunterricht in Zeitungen 'behutsam' hoffähig machen. Keine einzige der Änderungen hat zu einer Verbesserung geführt. Im besten Fall wurde nur geändert. In den meisten Fällen jedoch wurde verschlechtert, was vorher funktioniert hatte. Das Eszett zum Beispiel. Daß Germanisten und Linguisten sich nicht erhoben und protestierten, daß sie den Schwindel entweder nicht bemerkten oder er ihnen gleichgültig war, DAS ist der Skandal, (den ich in Ihren Ausführungen sehe).

Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Isleif

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Detlef Lindenthal
10.10.2007 08.40
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Börk, Böhrs, Hilliger ... und treiben mit Entsetzen Scherz?


sabine.hilliger@ductus-comm.de schrieb:
In der Folge zum Thema ss/ß geht es nicht darum[,] zu erklären, wann allgemein ein ß, wann ein s und wann ein ss im Wort verwendet wird, sondern wann nach den reformierten Regeln statt bisher ß nunmehr ss geschrieben wird.
Damit ist zugegeben, daß diese Serie (wie übrigens die gesamte RS„R“) für Schreibanfänger nichts bringt (für gute Rechtschreiber freilich auch nichts).

Ich bitte Sie herzlich, bevor Sie hier oder auch in anderen Foren zu meinen Ausführungen Stellung nehmen,[(] genau zu lesen,[)] zu berücksichtigen, dass beim Schreiben für eine Tageszeitung gewisse Grenzen in Bezug auf wissenschaftliche Ausführungen nicht überschritten werden können[,]
Nein, Frau Dr.(!) Hilliger, auch eine Tageszeitung kann und sollte genau sein! Entgegen weitverbreiteter Auffassung gibt die Eigenschaft „Tageszeitung“ keinen Freibrief, unwissenschaftlich die Wahrheit zu verkürzen und in ihr Gegenteil zu verkehren, denn das bedeutet lügen.

und zu akzeptieren, dass nicht alle Menschen, also auch nicht die gesamte Bevölkerung[,] prinzipiell gegen die Rechtschreibreform war oder ist.
– Das unwürdige Gejammere einer Apperatschika, die genau weiß, daß sie kein Recht hat, der Bevölkerungs- und Wissenschaftlermehrheit ihre kaputten Schreibeinfälle aufzudrücken. Wenn sie Demokratin wäre, würde sie die Meinung der Mehrheit berücksichtigen und hier nicht eine winzige Minderheitenmeinung als Scheinbegründung hervorholen. Frau Dr. Hilliger ist antidemokratisch und verdient ihren Doktortitel nicht.
__________________
Detlef Lindenthal

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Karl-Heinz Isleif
10.10.2007 08.16
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Die freundliche Antwort auf meine erste Reaktion

From: sabine.hilliger@ductus-comm.de
Subject: Re: SOS! ductus-web
Date: 10. Oktober 2007 09:32:47 GMT+02:00
To: isleif@gol.com


Sehr geehrter Herr Isleif,

schön, dass Sie sich überwunden haben und entgegen Ihrem erklärten Willen doch Zeitungen wie die Kieler Nachrichten im Internet lesen (obwohl sie die reformierte Rechtschreibung verwenden). In der Folge zum Thema ss/ß geht es nicht darum zu erklären, wann allgemein ein ß, wann ein s und wann ein ss im Wort verwendet wird, sondern wann nach den reformierten Regeln statt bisher ß nunmehr ss geschrieben wird.

„Für uns, die wir mit der alten Rechtschreibung vertraut sind, bedeutet das: Jedes Eszett muss überprüft werden. Und zwar dahingehend, ob sich davor ein kurzer oder langer Vokal befindet. Nach kurzem Vokal wandelt sich das bisherige Eszett in Doppel-s, nach langem Vokal bleibt es auch in Zukunft erhalten.“ (Zitat aus der Folge)

Diese Regel ist für Menschen, die mit der alten Rechtschreibung groß geworden sind, verständlich und vor allem logisch, wie ich in vielen Stunden des Unterrichts mit (gut ausgebildeten) Erwachsenen feststellen konnte.

Ich bitte Sie herzlich, bevor Sie hier oder auch in anderen Foren zu meinen Ausführungen Stellung nehmen, genau zu lesen, zu berücksichtigen, dass beim Schreiben für eine Tageszeitung gewisse Grenzen in Bezug auf wissenschaftliche Ausführungen nicht überschritten werden können und zu akzeptieren, dass nicht alle Menschen, also auch nicht die gesamte Bevölkerung prinzipiell gegen die Rechtschreibreform war oder ist. Sie haben Ihre Meinung, andere haben eine andere Meinung, die nicht weniger gut begründet sein muss.

Ziel der Serie ist es, den interessierten Lesern einige grundlegende Änderungen zu erläutern und nicht die gesamte deutsche Rechtschreibung zu vermitteln, wozu ich viel Papier und viele Jahre Zeit benötigte.

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Hilliger

--
ductus communication Dr. Sabine Hilliger (...)
http://www.ductus-comm.de

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Karl-Heinz Isleif
09.10.2007 17.28
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Also die Tante hat mir’s angetan. Ich mußte ihr heute unbedingt per E-mail in etwa folgendes mitteilen:

Sehr geehrte Frau Dr. Hilliger!

Die ob ihrer Klarheit alles in den Schatten stellende Regel, die besagt, dass nach kurzem und betontem Vokal immer ss komme, eignet sich besonders gut für ausgefeilte Prüfungen. Hier der berühmte Lackmuss- oder Fittnesstesst für promovierte Germanisstinnen im Großraum Kiel.

Finden Sie die Fehler in den Beispielsätzen, erklären Sie, was falsch isst, und warum. Zeigen Sie in jedem Fall die ungeheure Verbesserung gegenüber den Zuständen vor der Reform.

Wer küsste an der Küsste?
Er biss ihn, biss er auf die Pisste pisste.
Wer viel misst, misst viel Misst.
Der Mensch isst, wass er isst.
Der Kuss im Buss.
Dass Fass fasst fasst 100 Liter.
Die Passte passte zum Lasster des Passtors.

Erklären Sie den Unterschied zwischen

Herz-Ass und Ass-Dur
Esskultur und Ess-Dur
Fissimatenten und Fiss-Dur
Zissterne und Ciss-Dur
Gesstern und Gess-Dur

Suchen Sie weitere Beispiele in Moll.

Weitere Tests (etwa zum Stammprinzip) folgen in Kürze: (z.B. alt – meine Ältern usw.)

Freundlichst

Karl-Heinz Isleif

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Sigmar Salzburg
09.10.2007 16.33
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Kieler Nachrichten v. 06.10.07 – der neue Stuss

Straße und Maße,
Kuss und Schluss


Teil 3 – Heute: Die neue neue ss/ß-Regelung

Hat da tatsächlich jemand behauptet, es gäbe fortan kein Eszett mehr?

Das wäre schade. Dann hätten wir nämlich nicht länger die Möglichkeit, den betonten kurzen Vokal (Selbstlaut) vor dem stimmlosen S grafisch vom langen Vokal zu unterscheiden. Klar, oder? Für uns, die wir mit der alten Rechtschreibung vertraut sind, bedeutet das: Jedes Eszett muss überprüft werden. Und zwar dahingehend, ob sich davor ein kurzer oder langer Vokal befindet. Nach kurzem Vokal wandelt sich das bisherige Eszett in Doppel-s, nach langem Vokal bleibt es auch in Zukunft erhalten. Zu den langen Vokalen zählen übrigens auch das „ie“ und die sogenannten Diphthonge (Doppel-oder Zwielaute) „ei, eu, äu, au“.

Wie zeigt sich das in der Praxis? Die Masse – die Maße, er schoss – der Schoß, der Strass – die Straße: Durch die Schreibung mit

Gewusst wie!
Eine Serie zur neuen Rechtschreibung


Doppel-s bzw. Eszett wird eindeutig, wie der entsprechende Vokal auszusprechen ist, und damit auch, um welches Wort es sich handelt. Die Schweiz und Liechtenstein kennen diese Unterscheidung schon seit den 30er Jahren nicht mehr. Dort kann es einem also durchaus passieren, dass das Betreten des Rasens mit Busse belegt oder man zum Essen in Massen aufgefordert wird. Das Verschwinden des Eszett in dieser Varietät des Deutschen hat verschiedene Ursachen. Die andersartige Phonologie der schweizerdeutschen Dialekte beeinflusste die Standardsprache, aber auch die Nähe zu den Fremdsprachen wie Französisch und Italienisch.

Viel ließe sich sagen über das sonderbare Eszett. Es hat im Laufe der Zeit exotische Namen bekommen: scharfes S, Straßen-s, Bu-ckel-s, Ringel-s oder auch Rucksack-s. Entstanden ist es, wie der Name schon sagt, aus der Zusammenziehung von s und z. Allerdings müssen Sie sich die Buchstaben in der Frakturschrift vorstellen. Es entsteht also eine Verbindung, die dem heutigen ß bereits recht ähnlich sieht. Da der Laut, den das Eszett bezeichnet, nur im Wortinneren oder am Wortende vorkommt, wird es nur in der Kleinschreibung verwendet. Sollten Sie doch einmal in die Verlegenheit kommen, ein großes Eszett schreiben zu müssen, können Sie es nur in Doppel-s auflösen: STRASSE oder GROSSSCHREIBUNG. Das Eszett fügt sich nicht ins Alphabet ein. Und überhaupt gibt es das Eszett nur im Deutschen. Ein echter Außenseiter also.

Die neue ss/ß-Regelung ist eine der wenigen, bei der es tatsächlich keine Ausnahmen gibt. Deshalb muss auch daß* jetzt als dass geschrieben werden. Im ersten Reformentwurf wurde übrigens noch die Aufhebung der Unterscheidung von das und dass gefordert – leider ohne Erfolg. Diese Schwierigkeiten sind allerdings grammatischer Natur und sollen uns hier nicht weiter beschäftigen. Wem innerhalb eines Wortes zu viele S, nämlich mehr als zwei, erscheinen, der sei noch einmal an den Bindestrich erinnert (s. Teil 1 der Serie). Neben Nussschokolade und Passstelle sind also auch Nuss-Schokolade und Pass-Stelle möglich.

Zum guten Schluss ein paar Beispiele für veränderte Schreibungen: Fluss, er muss, ich wusste (aber: ich weiß), Schloss, Hass, bisschen, Nuss, Verschluss, Kuss, er riss (aber: er reißt) und viele andere mehr. Vorsicht aber bei Eigennamen! Sie sind grundsätzlich nicht von der Reform betroffen. Es bleibt also bei Darß und Litfaßsäule.

Nun sind Sie an der Reihe. Entscheiden Sie selbst -Doppel-s oder Eszett?
Kompa__, Expre__, blo_, Ambo__, bla__, Gesä__, Ri__, Kongre__, na__, Kompromi__, Ma__, Fu__, Bo__, Ha__, Gefä__, Kolo__, Erla__, Spie__, verge__lieh, sü__, Schlo__, er scho__,Flu__, Flei__, Verdru__, Ru__, wei__, gro__, Regre__

Sabine Hilliger

Auflösung Teil 2: Job, num-merierte, Säcke, Pakete,
Matratze, Sakko, Klub, Popmusik, Himbeersekt, Stuckateur, Profit


* mit Stern gekennzeichnete Wörter entsprechen nicht der neuen Rechtschreibung
Bei Fragen erreichen Sie die Autorin über http://www.ductus-comm.de/sos

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