300 Zitate

Zur „Rechtschreibreform“ sagte oder schrieb ...

gesammelt und zusammengestellt von

Gabriele Ahrens (früher Ruta)
Carsten Ahrens

Inhalt

Vorwort
Historisches
Aus berufenem Munde
Die Beschwörung der Einheitlichkeit
Das Reförmchen oder: Wie man aus einem Elefanten eine Mücke macht
Der Heiligenschein der Scheinheiligkeit: Zum Wohle des Volkes
Erhellendes Enthüllendes
Verlage, Karlsruhe & Co.
Bon(n)mots und andere politische Worte
Progaganda
Ein Kessel Buntes

Anmerkungen:
Die Zitatensammlung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Die Personenangaben erfolgen ohne Titel.
Alle Berufs- und Positionsangaben beziehen sich auf den Zeitpunkt des Zitats.
Bei nichtvorliegenden Zeitangaben (z. B. Online) mußten wir auf ein Datum verzichten.

Vorwort

Es war vorauszusehen, daß im Laufe der Zeit die Besonderheiten der Neusprache immer mehr hervortreten würden - es würde immer weniger Worte geben und deren Bedeutung immer starrer werden.

(...)

Ein großer Teil der Literatur der Vergangenheit war tatsächlich schon in dieser Weise verändert worden. (...) Hauptsächlich um Zeit zu den vorbereitenden Übersetzungsarbeiten zu gewinnen, wurde die endgültige Einführung der Neusprache auf einen so späten Zeitpunkt wie 2050 festgesetzt.“

George Orwell, „1984“

„Aber er hat ja gar nichts an!“ rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: ‚Nun muß ich aushalten.‘ Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war.“

Hans Christian Andersen, „Des Kaisers neue Kleider“

Orwell oder Andersen?

Durch die sogenannte Rechtschreibreform werden Tausende von Wörtern und Unterscheidungsschrei-bungen aus dem Verkehr gezogen. Die Reform ist aber - anders als Orwells „Neusprache“ - nicht zu dem Zwecke erdacht worden, die Ausdrucksmöglichkeit in ideologiekonformer Weise einzuschränken. Diese Verarmung ist vielmehr nur der Nebeneffekt eines handwerklichen Versagens sogenannter „Experten“. Die wirkliche Parallele zu „1984“ liegt anderswo: bei den Methoden der Durchsetzung. Darum ist, wenn man genauer hinsieht, die - ohnehin zum Scheitern verurteilte - Wortvernichtung weniger empörend als das dreiste Bestehen auf offenkundigen Unwahrheiten. Wer die neue Großschreibung anordnet (so Leid es mir tut, wie Recht du doch hast, Pleite gehen) oder die neue Getrenntschreibung (am Schwindel erregendsten), der behauptet implizit etwas objektiv Unwahres über die deutsche Sprache. Das mag zunächst ein Irrtum gewesen sein, die unbedachte Folge hastig getroffener Fehlentscheidungen an anderer Stelle. Die Reformer sind aber inzwischen aufgeklärt worden, und selbst ihre politischen Auftraggeber geben zu, daß die Reform schwerwiegende Mängel hat. Dennoch beharren sie darauf, das Falsche in den Schulen unterrichten und vom Beamtenapparat vorexerzieren zu lassen.

Wie weit diese zynische Politik getrieben werden kann, zeigte sich jüngst im nördlichsten Bundesland. Ein willfähriger Landtag definierte die „allgemein übliche Rechtschreibung“ als diejenige, die „für die Schulen verbindlich ist“. Im Klartext: Was immer die Regierung befiehlt, ist eben dadurch auch schon das allgemein Übliche. Zwar hat noch nie jemand Känguru, Spagetti oder Stängel geschrieben, aber genau dies wurde per Dekret als „allgemein üblich“ erklärt. Das Volk hat diesem wahrhaft orwellschen semantischen Manipulationsversuch eine Abfuhr erteilt, und die verantwortliche Ministerin mußte zurücktreten. (Sie war nicht die erste und wird nicht die letzte sein, die über die Rechtschreibung stolpert.) Vielleicht hätten die Politiker solche übermütigen Tricks gar nicht erst gewagt, wäre ihnen nicht das Bundesverfassungsgericht hilfreich vorangegangen. Es sprach in seinem skandalösen Rechtschreib-Urteil erstmals dem Staat das Recht zu, gestaltend in die Sprache (nicht einmal nur die Schrift!) einzugreifen, also die Sprachgewohnheiten des Volkes nach eigenem Gutdünken zu verändern. Der letzte, wenn nicht einzige Versuch dieser Art dürfte die Einführung des „Deutschen Grußes“ gewesen sein ...

Solche düsteren Aussichten hellen sich auf, sobald man an den ungebrochenen Widerstand denkt, der nach wie vor die große Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung gegen diesen Schildbürgerstreich einer maßstablosen Kultusbürokratie zusammenhält. Alle wissen, daß der Kaiser nackt ist, und der Kaiser weiß es auch. Das Ende dieser schönen Geschichte ist bekannt.

Theodor Ickler, 23.10.1998

Historisches

Ist aber ein wirkliches Bedürfnis zu einer
großen Reform in einem Volke vorhanden,
so ist Gott mit ihm, und sie gelingt.“

Johann Wolfgang von Goethe 1824

John Locke in Two Treatises of Government (Second Treatise), 1690:
„Wo immer das Gesetz endet, beginnt Tyrannis, wenn das Gesetz zum Schaden eines anderen überschritten wird. Und wer immer in Ausübung von Amtsgewalt die ihm durch das Gesetz verliehene Macht überschreitet und von der unter seinem Befehl stehenden Gewalt Gebrauch macht, um den Untertanen etwas aufzuzwingen, was das Gesetz nicht erlaubt, hört damit auf Obrigkeit zu sein. Er handelt ohne rechtliche Autorität, und man darf sich ihm widersetzen wie jedem anderen Menschen, der gewaltsam in die Rechte anderer eingreift.“

Theodor Fontane:
„Das Echte ist immer jung, das Älteste das Neueste.“

Wilhelm von Humboldt:
„Der Mensch ist nur durch die Sprache Mensch.“

Adalbert Falk, königlich-preußischer Staatsminister, in einer Stellungnahme 1876:
„Ich trage Bedenken, die Konferenzbeschlüsse zu einer Vorschrift für den Schulunterricht zu machen. Denn es würde dem Zwecke der Einigung geradezu widersprechen, wenn in den Schulunterricht eine Rechtschreibung eingeführt würde, welche (...) in dem Schreib- und Druckgebrauche außerhalb der Schule kaum oder nur beschränkte Aufnahme fände. Darum ist in diesem Falle dasjenige, was der Schule, der allein vorgeschrieben werden darf, zweckmäßig kann vorgeschrieben werden, mit bedingt durch die Bereitwilligkeit der Zustimmung, welche die fragliche Vorschrift außerhalb der Schule erwarten darf.“

der Abgeordnete Stephani im Deutschen Reichstag am 7.4.1880:
„Die Schule soll den Schülern das, was in den gebildeten Kreisen des Volkes zur festen Gewohnheit in Bezug auf Rechtschreibung geworden ist, als Regel beibringen; nicht aber soll die Schule selbst vorangehen, indem die Schulen das Volk zwingen wollen, eine neue Gewohnheit der Rechtschreibung anzunehmen.“

der Abgeordnete Stephani im Deutschen Reichstag am 7.4.1880:
„Allerdings sind zur Zeit diese Verordnungen ja beschränkt auf Anordnungen für die Schule, in der Hauptsache wenigstens. Indes wird man doch anerkennen müssen, daß es ganz unmöglich ist, so die Schule vom Leben zu trennen, daß nicht mit diesen Verfügungen, die außerhalb der Schule Stehenden ebenso stark in Mitleidenschaft gezogen werden wie die Schulen.“

Heinz-Günter Schmitz in einem unveröffentlichten Artikel zum Reformversuch 1876 (Beseitigung des Dehnungs-h [Stul, Jar, Son usw.] und Ersatz des ß nach kurzem Vokal durch ss):
„Der prominenteste Reformgegner, der berühmte Wilhelm Scherer, nannte die Konferenzbeschlüsse eine ‚orthographische Guillotine‘ und mißbilligte (und wer dächte nicht an die heutige Situation?) die ‚Ungerechtigkeit‘, daß hier versucht werde, ‚die ganz überwiegende Mehrheit aller Lesenden und Schreibenden im deutschen Volke durch die Schule, alle Erwachsenen durch die Kinder, die gegenwärtige Generation durch die zukünftige zu majorisieren‘.“

der Würzburger Schulanzeiger (1901):
„Zwei Hauptursachen sind es vorzüglich, denen die Schuld für die mangelhaften Erfolge des Rechtschreibunterrichts in die Schuhe zu schieben sind. Die in den Schulen vorgeschriebene amtliche Orthographie ist erstens fast ausschließlich eine Schulorthographie. Alle außerschulischen Schriften, die amtlichen nicht ausgenommen, halten sich immer noch an die sog. alte Rechtschreibung. Hiezu kommt noch, daß die deutsche Rechtschreibung an einem falschen Partikularismus leidet. Sie stellt keinen einheitlichen Bau dar, denn die einzelnen Staaten gestatten sich in ziemlich willkürlicher Weise Abweichungen. Ja selbst in demselben Staate ist die Schreibung keine einheitliche. So schreibt das bayerische Ministerium des Inneren ,Aichstraße‘, das bayerische Kultusministerium aber ,Eichstraße‘. Das Chaos, das unsere Rechtschreibung zur Zeit darstellt, kann nur durch eine Radikalkur beseitigt werden.“

Jacob Grimm, Jurist und Sprachwissenschaftler, Quelle: „Aus den Kleineren Schriften“ von Jacob Grimm, 1911:
„Gedanke wie Sprache sind unser Eigentum, auf beiden beruht unserer Natur sich aufwindende Freiheit.“

Dr. Dietze, Chef des Propagandastabes, in einem geheimen Schreiben an den Herrn Minister v. 4.7.44:
„Unter der Überschrift ‚der Filosof und das Plato‘ und ähnlichem veröffentlichen viele Zeitungen in der vergangenen Woche Artikel zu den neuen im Auftrage des Reichserziehungs-ministeriums bearbeiteten 96 Seiten starken ‚Regeln für die deutsche Rechtschreibung und Wörterverzeichnis“, die den Schulkindern in den kommenden Wochen in die Hand gegeben werden sollen. Schon diese Artikel hätten in der Bevölkerung, vor allen Dingen bei der Intelligenz, Verwunderung und starkes Befremden hervorgerufen. Es werde geäussert: ‚Hat das Reichserziehungsministerium im fünften Kriegsjahr keine anderen Sorgen? Es sollte sich lieber eine schnelle Lösung des Schulbuchproblems angelegen sein lassen.‘ Auch die Eindeutschung und Vereinfachung von Fremdwörtern vollzieht sich, wie jede sprachliche Entwicklung, nach einem organischen Gesetz. Man brauchte sie weder zu forcieren noch zu erleichtern. Die neuen Regeln greifen einer Entwicklung um Jahrzehnte voraus. Dieses Verfahren lasse jedes Verständnis für das Werden und Wesen einer Sprache vermissen. Von wem hat der Reichserziehungsminister sich dabei bloß beraten lassen? Bei dieser Gelegenheit seien auch witzige Äusserungen über den Reichserziehungsminister geäussert worden. Frage: ‚Was ist ein Rust?‘ - Antwort: ‚Ein Rust ist die Zeitspanne zwischen dem Erlaß einer Verordnung und ihrer Wiederzurücknahme.‘ Ein Witz, der zweifellos auch auf das Regelbuch für die deutsche Rechtschreibung gemünzt sei (Münster).“

das Verwaltungsgericht Hannover (6 A 4317/97, S. 13) am 2.3.98:
„Die Sprache ist vorstaatlich und für die Identität des Menschen von konstitutiver Bedeutung. (...) Der Mensch findet sich vor als ein sprechendes Wesen; keine Erinnerung reicht zurück in eine Zeit, da er keine Sprache gehabt hätte (...). Sprache bestand, ehe sich eine staatliche Ordnung überhaupt etabliert hatte. Der Staat findet sie als Ergebnis einer Entwicklung vor, die sich im Laufe der Menschheitsgeschichte vollzogen hat. Er hat die Sprache nicht geschaffen, und sein Wille ist nicht ihr Geltungsgrund. ‚Sprache’ im hier gebrauchten Begriff schließt sie Schreibung ein; denn sie ist Teil und Ausdruck der Sprache.“

der AOL-Verlag in einer Chronik (Online):
„2005: 14. Juli: Die internet-Adresse neue-rechtschreibung.de ist 7 Jahre alt. Altbundeskanzler Gerhard Schröder gratuliert in einem offenen Brief und bedankt sich für die unter dieser Adresse entstandene quasi ‚Zentrale Informationsstelle der deutschen Rechtschreibreform‘ bei Bettina Bauer, der jugendlichen Chefin des dynamischen Unternehmens book-byte-vision.“

Aus berufenem Munde

Die Grenzen meiner Sprache
bedeuten die Grenzen meiner Welt.“

Ludwig Wittgenstein, Philosoph

Peter Eisenberg, Mitglied der Reformkommission, im Sender Freies Berlin, 3.5.97:
„Wir haben in den jetzt vorliegenden Rechtschreibwörterbüchern mindestens eine vierstellige Zahl von unterschiedlichen Schreibungen, und dieses Problem ist nur dadurch zu bewältigen, daß wir das Regelwerk verbessern. Das Regelwerk ist sprachwissenschaftlich so schlecht, daß wir auf seiner Basis nie zu einer einheitlichen Schreibung zurückkehren können. Und hier können Sie sehen, daß das Regelwerk sprachwissenschaftlich auf den Müll gehört.“

Horst Haider Munske, Mitglied der Zwischenstaatlichen Kommission („Orthographie als Sprachkultur“, 1997):
„Es ist höchst fatal, ein Reformwerk in die Praxis umzusetzen, dessen Mängel jeder Einsichtige leicht erkennen kann.“

Rolf Seelheim, Chefredakteur (Nordwest-Zeitung, 1.8.98):
„Bis auf eine Handvoll berufener und sich berufen fühlender Experten hat die neue Rechtschreibung niemand gewollt!“

Reiner Kunze an Matthias Dräger, am 25.10.97:
„Die meisten Mitglieder der Rechtschreibkommission halten am Nivellierenden ihrer Reform fest, und die Verantwortlichen in den Landesregierungen fahren fort, diese Nivellierung staatlich zu verordnen. Dabei üben so viele Macht aus, ohne zu wissen worüber, und manche gestehen es unter vier Augen ein. Aber ihr Verhältnis zur Macht ist ausgeprägter als ihr Verhältnis zur Sprache. Andere erliegen dem Irrtum, Wirtschaftsstandort und Geistesstandort seien zweierlei.“

Hans Magnus Enzensberger, Schriftsteller (Der Spiegel 42/96):
„Die Regierungen sollten die Finger von Dingen lassen, von denen sie nichts verstehen und für die sie nicht kompetent sind. Die sogenannten Regelwerke sind Ersatzhandlungen, mit denen die kulturpolitische Impotenz kaschiert werden soll.“

etwa 600 Literatur- und Sprachwissenschaftler in einer gemeinsamen Erklärung, Mai 1998:
„Die sogenannte Rechtschreibreform ‚entspricht nicht dem Stand der sprachwissenschaftlichen Forschung‘ (so die Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft am 3. März 1998), sogar die Rechtschreibkommission der Kultusminister hat in ihrem Bericht vom Dezember 1997 wesentliche Korrekturen als ‚unumgänglich‘ bezeichnet. Eine derart fehlerhafte Regelung, die von den bedeutendsten Autoren und der großen Mehrheit der Bevölkerung mit guten Gründen abgelehnt wird und die Einheit der Schriftsprache auf Jahrzehnte zerstören würde, darf keinesfalls für Schulen und Behörden verbindlich gemacht werden.“

Horst Milde, niedersächsischer Landtagspräsident (Nordwest-Zeitung, 1.11.1996):
„Ein Musterbeispiel dafür, daß die Parlamente ihre Möglichkeiten nicht nutzen, ist die verpaßte Chance, die Rechtschreibreform zu verhindern. (...) Hier sind die Parlamente von den Kultusministern vergewaltigt worden. In meinen Augen darf so etwas nie mehr passieren, oder wir können die Kulturhoheit der Länder zu Grabe tragen.“

Alphonse Boudard, französischer Schriftsteller:
„In Sachen Sprache entscheidet das Volk.“

Michael Naumann, designierter Bundeskulturminister, z. Zt. New York, in einem Schreiben v. 3.8.98 an die Reformgegner Ahrens, Ruta, Dräger und Denk:
„Mit Ihnen teile ich heftige Bedenken gegen die Rechtschreibreform, ich fürchte freilich, daß mit dem Karlsruher Urteil das letzte Wort gesprochen ist. (...) Aber glauben Sie mir, auch aus der Ferne wirkt diese Reform überflüssig.“

Peter Eisenberg, Mitglied der Reformkommission (Mitteilungen des Deutschen Germanisten-verbandes 4/1997):
„Aus der Geschichte des Deutschen ist kein vergleichbarer Angriff auf das Sprachsystem bekannt.“

Horst Haider Munske, Mitglied der Reformkommission, in Augst et al. [Hg.] 1997:
„Die Deutschen haben sich nach der Reichsgründung einer obrigkeitlichen Regelung unterworfen, die sich mit der Begründung rechtfertigt, die gelte nur für Schulen und Behörden. Hier knüpft die Neuregelung an (...). Dennoch sollte man sich bewußt bleiben, daß Rechtschreibung auch ohne ministerielle Verordnungen funktionieren kann.“

Maria Theresia Rolland, Bonner Sprachwissenschaftlerin (General-Anzeiger, 27.7.98):
„Wenn man also an der Sprache ansetzt und diese über den Weg der Schrift nivelliert, verengt, eingrenzt, Wörter abschafft, grammatische Beziehungen verdreht und mit all diesem entscheidend in das semantische Gefüge der Sprache eingreift - dann hält man die Macht in der Hand und glaubt, auf diese Weise das Mittel zu haben, das Volk verdummen und manipulieren zu können.“

Dietrich Bode, Verleger (Der Spiegel 42/96):
„Die chaotische Situation wird vielleicht am deutlichsten bei literarischen Anthologien: Hier wird es einmal zwischen zwei Buchdeckeln ein unbegründbares orthographisches Gemisch geben, weil jeder lizenzgebende Verlag oder Rechts-Inhaber oder Autor für seinen Text seine jeweilige Orthographie gewahrt sehen will. Der Leser wird bei diesem Verwirrspiel viel Toleranz aufbringen müssen.“

Siegfried Lenz, 1996:
„Die Rechtschreibreform führt zur Verflachung der deutschen Sprache und ist ein kostspieliger Unsinn.“

Christian Meier, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, am 3.8.98:
„Alle, die nicht dazu gezwungen sind, die Reform umzusetzen, sollten bei den alten Regeln bleiben.“

Gottfried Honnefelder, Verleger (Der Spiegel 42/96):
„Ich würde mich freuen, wenn der Widerstand so deutlich würde, daß diese Reform revidiert wird. Was jetzt als Wechselbalg entstanden ist, ist absurd. Der Berg kreißt und gebiert eine Maus. Die Maus ist eine absolute Lächerlichkeit.“

Gerd Mader, Vorsitzender des Mittelfränkischen Elternverbandes, in einer Pressemitteilung v. 28.9.97:
„Es wäre ‚Wasser in den Rhein tragen‘, wollte man alle bereits bekannten Unzulänglichkeiten dieser unseligen Reform vortragen. (...) In Zeiten leerer Kassen, Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich, Millionen Arbeitsloser und Steuerbelastungen der Arbeitnehmer an der obersten Grenze, brauchen wir keine Rechtschreibreform.“

Ingo F. Walther, Schriftsteller, und Marianne Walther, Oberstudienrätin, an Matthias Dräger, am 27.10.97:
„Wir haben bis heute noch nicht ein einziges Argument vernommen, das objektiv für diese Reform spricht.“

Gerald Häfner, Bundestagsabgeordneter (Die Grünen), am 30.7.97, zum Hannoveraner Urteil:
„Blattschuß für eine von Anfang an zum Tode verurteilte absurde bis lächerliche Maßnahme.“

Walter Kempowski, Schriftsteller (Die Welt, 31.7.1997):
„Chaos und Murks auf Anordnung sogenannter Fachleute.“

Heinz G. Konsalik (Freizeit Revue, Juli 1998):
„Mich läßt der Verdacht nicht los, daß wir diese ‚Erneuerung‘ Rechtschreibbehinderten - auch akademischen - zu verdanken haben.“

Harry Rowohlt, Übersetzer und Autor (Hamburger Abendblatt, 31.7.97):
„Diese Reform ist doch subventionierte Legasthenie.“

Peter Eisenberg, Mitglied der Reformkommission (Mitteilungen des Deutschen Germanisten-verbandes 4/1997):
„Von besserer Lehrbarkeit der Neuregelung kann insgesamt keine Rede sein.“

Peter Gallmann und Horst Sitta, Schweizer Reformer (Handbuch Rechtschreiben, Zürich 1996):
„Die Zahl der Einzelfestlegungen und Ausnahmen ist mit der Neuregelung kaum kleiner geworden.“

Horst Haider Munske, Mitglied der Reformkommission (Eroms/Munske (Hg.): Die Rechtschreib-reform: Pro und Kontra, Berlin 1997):
„Diese Rechtschreibreform ist nach Art und Umfang der vorgesehenen Änderungen tatsächlich (...) ein wesentlicher Eingriff in die Struktur der Schriftnorm des Deutschen.“

Peter Gallmann, Schweizer Reformer, 1985:
„Es ist meine feste Überzeugung, daß Probleme der Einstellung gegenüber orthographischen Regeln, etwa seitens der Schule (Prüfungen, Schulübertritte), nicht gelöst werden, indem man den Inhalt der Regelwerke verändert.“

Theodor Ickler, Erlanger Sprachwissenschaftler, 1995:
„Wenn aber der Reformer Klaus Heller meint, diese kleine Reform müsse jetzt durchgeführt werden, damit später eine größere möglich wird, so verkennt er, daß eine Rechtschreibreform für 100 Millionen Muttersprachler und zahllose Ausländer immer ein ganz folgenreiches Unternehmen ist. Man kann die Rechtschreibung nicht des öfteren wechseln wie ein Paar abgetragene Schuhe.“

die Studiengruppe Geschriebene Sprache in einer öffentlichen Erklärung am 4.6.97:
„Eine Reform der Orthographie des Deutschen hat ihren Sinn darin, durch ein Regelwerk, das dem Stand der Forschung entspricht, das Rechtschreiben und sein Erlernen zu erleichtern, Rechtschreibunsicherheiten zu verringern und die Zahl der Zweifelsfälle zu minimieren. Das seit 1996 amtliche Regelwerk ist dazu aufgrund seiner Widersprüchlichkeiten ungeeignet.“

Helmut Glück, Professor, Bamberg (Die Welt, 13.12.1995):
„Einiges Unbehagen bleibt. Unter den Sprachwissenschaftlern gibt es kaum jemanden, der der Reform ohne Vorbehalte zustimmt. (..). Viele Sprachwissenschaftler haben sich mit ihrer Kritik nur deshalb zurückgehalten, weil sie eine andere Erwartung mit der Reform verbanden. Sie hofften, daß (...) Instanzen die weitere Entwicklung unserer Rechtschreibung pflegend und steuernd begleiten. (...) Ganz schlecht wäre es, wenn die ‚Kommission für Rechtschreibfragen‘ des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim, die die nun beschlossene Reform entwickelt hat, einfach weitermachen könnte, nur mit viel größeren Kompetenzen als bislang. Sie hat eher einseitig aus der Perspektive des Schreibenlernens argumentiert.“

Theodor Ickler, Erlanger Sprachwissenschaftler, in „Rechtschreibreform auf dem Prüfstand“, 1997:
„Die Vorstellung, eine Rechtschreibordnung müsse in regelmäßigen Abständen zum TÜV, entspricht dem gedankenlos-technizistischen Verständnis, das sich manche Menschen in einer Zeit immer kürzerer Modellzyklen von einem Kulturgegenstand wie der Sprache machen mögen.“

30 deutschsprachige Autoren in einer gemeinsamen Erklärung, August 98:
„Da die Neuregelung wegen ihrer offenkundigen Mängel (die selbst von der Rechtschreibkommission der Kultusminister zugegeben und zuletzt von 585 Professoren für Sprach- und Literaturwissenschaft kritisiert wurden) mit Sicherheit noch einmal überarbeitet wird (...), empfehlen wir den Medien und den Verlegern, die Mühen und Kosten einer unsinnigen Umstellung zu sparen und die Neuschreibung erst dann in Betracht zu ziehen, wenn sie soweit korrigiert ist, daß sie als echte Verbesserung allgemein akzeptiert werden kann. Aus denselben Gründen fordern wir die Politiker auf, die Schreibveränderungen in der Verwaltung, in der Justiz, in der Bundeswehr und in den Goethe-Instituten bis auf weiteres nicht einzuführen.“

der Allensbach-Bericht 23/1996:
„Wenn den Frankfurter Unterzeichnern des Aufrufs gegen die Rechtschreibreform vorgeworfen wurde, daß sie ihre Bedenken zu spät angemeldet haben, so bleibt denen, die die Reform beschlossen haben, der Vorwurf nicht erspart, daß sie sich nicht früh genug um die Einstellung der Bevölkerung gekümmert haben. Die Gegeninitiative der Intellektuellen hat die breite Front der Ablehnung in der Bevölkerung nicht geschaffen, ja sie hat diese Ablehnung bislang auch noch nicht verschärft, sondern sie hat in diesem Fall - was bei einer Protestinitiative von Intellektuellen selten genug vorkommt - nur das zum Ausdruck gebracht, was die Bevölkerung in dieser Sache denkt.“

Wolfgang Frühwald, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Forschung & Lehre, Nr. 5, Mai 1997):
„Ich bin ein Gegner der Reform der deutschen Rechtschreibung - dieser Reform, die unentschlossen, oberflächlich, verfälschend in Orthographie, Lexikon und Semantik der deutschen Sprache eingreift. Theodor Ickler hat recht (eben leider nicht ‚Recht“, wie die neue Schreibung suggeriert): Diese Reform, welche die Schwierigkeiten der deutschen Rechtschreibung durch Inkonsequenz und Variation vergrößert, welche die grammatikalische Zeichensetzung durch Rückfall in rhetorische Kommasetzung ersetzt, ist eine Reform für die Schreibenden, insbesondere für die seltsame Figur des ‚Wenigschreibers“, und stößt die Leser deshalb vor den Kopf.“

Helmut Jochems, 26.7.98:
„... ‚Akzeptanz‘. Eine ähnliche Bedeutung erlangte in den Monaten vor der Karlsruher Entscheidung der Begriff ‚Konsens‘. In beiden Fällen griff die juristische bzw. politische Diskussion auf, was in der Sprachwissenschaft als Binsenweisheit gilt: Sprachen funktionieren in ihren verschiedenen kommunikativen Verwendungen als kollektive Codes nur deshalb, weil ihre Bestände den Konsens der jeweiligen Sprachgenossenschaft reflektieren und Neuerungen erst dann aufgenommen werden, wenn sie die Akzeptanz zumindest einer breiten Mehrheit finden.“

Domingo Cesaro, Autor (Fränkischer Tag, 3.8.98):
„Ein Wort hat nicht nur einen Klang, sondern auch ein Bild.“

Yves Berger, französischer Schriftsteller und Direktor des Pariser Verlages Grasset:
„Nicht die französische Sprache bedroht die deutsche, sondern anglo-amerikanische Ausdrücke. Die sollte man eindeutschen. Wenn das nicht geschieht, haben sich die Deutschen in ihrem Feind geirrt. Armes Europa!“

Adolf Muschg, Schriftsteller (Der Spiegel 43/1996):
„Die neue Rechtschreibung ist nicht als Symptomtherapie zu tadeln - sie muß selbst als Symptom jener als Lifestyle geltenden Krankheit angesehen werden, die das Neue schon darum als respektheischend betrachtet, weil es nicht das Alte ist, wohl aber das Heutige sofort alt aussehen läßt.“

Theodor Ickler, Erlanger Sprachwissenschaftler, am 2.10.98:
„Das Wort, das Kohl nicht gesprochen hat, könnte Schröder sprechen: Schluß mit dem Unsinn!“

Die Beschwörung der Einheitlichkeit

Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern!

Friedrich Schiller, „Wilhelm Tell“

Gerhard Augst, Vorsitzender der Reformkommission, 1996:
„Es war für mich ein bewegender Augenblick, aus der zweiten Sitzreihe mitzuerleben, wie neun Beauftragte - darunter leibhaftige Ministerinnen und Minister - die ‚Gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung‘ am 1. Juli in Wien unterzeichnet haben.“

die Kultusminister Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und Vertreter anderer Nachbarländer in der Wiener Absichtserklärung v. 1. Juli 1996:
„Die Kommission wirkt auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hin.“

die Kultusministerkonferenz am 30.11.95:
„Die Neuregelung ist mit den anderen deutschsprachigen Staaten abgestimmt, um die Einheitlichkeit im deutschen Sprachraum zu wahren.“

die Kultusministerkonferenz am 27.2.97:
„Die politischen Entscheidungsträger haben durch ihren gemeinsamen Beschluss zur Einführung der Neuregelung in allen Schulen und Behörden im gesamten deutschen Sprachraum dabei auch ihre Verantwortung und Verpflichtung wahrgenommen, die notwendige Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung sicherzustellen. Die Kultusminister betonen, dass es für die Rechtschreibung nur eine gemeinsame Regelung in allen Ländern geben kann. Die Einheitlichkeit des Sprachraums in Frage zu stellen, wie es die genannten Initiativen tun, ist für die Kultusministerkonferenz inakzeptabel.“

der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (13 M 4160/97) am 17.10.97:
„Zwar haben KMK-Beschlüsse keine Gesetzeskraft. Sie sind aber auch nicht in allen Fällen nur politische Versprechen oder gar Empfehlungen (...). Nach ganz überwiegender Auffassung kann den Beschlüssen der KMK vielmehr je nach Gegenstand und Inhalt durchaus ein Rechtsfolgewille zukommen, der dem Beschluß als Koordinierungsabsprache eine rechtliche Bindung wie ein Verwaltungsabkommen (Ressortabkommen) verleiht, von dem sich die Koordinierungsabsprache nur dadurch unterscheidet, daß sie nicht ‚self-executing‘ ist, sondern noch der innerstaatlichen Umsetzung bedarf (...). Danach besteht hier kein Zweifel, daß eine auch rechtliche Bindung aller Kultusminister an den Beschluß zur Rechtschreibreform vom 1. Dezember 1995 eingetreten ist.“

das Institut für deutsche Sprache in einer Presse-Information vom 3. Juli 1996:
„Das Institut für deutsche Sprache (IDS) begrüßt, daß die langjährigen Arbeiten zu einer Neuregelung der deutschen Rechtschreibung zu einem positiven Ende geführt werden konnten. Am 1. Juli unterzeichneten politische Vertreter der deutschsprachigen Staaten und Regionen hierzu eine gemeinsame Erklärung. Artikel 3 dieser Erklärung bestätigt ausdrücklich die Einrichtung einer Kommission für die deutsche Rechtschreibung mit Sitz am Institut für deutsche Sprache in Mannheim. Aufgabe der Kommission wird es sein, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum auf der Grundlage des neuen orthographischen Regelwerks zu bewahren und die Rechtschreibung im unerläßlichen Umfang weiterzuentwickeln.“

das Institut für deutsche Sprache in einer Presse-Information vom 22. Januar 1997:
„Das Institut für deutsche Sprache teilt mit, dass in Kürze die Kommission gebildet wird, die sich im staatlichen Auftrag um die wissenschaftliche Beobachtung und Weiterentwicklung der Recht-schreibung zu kümmern hat, wie dies zwischen den deutschsprachigen Staaten am 1. Juli 1996 vereinbart wurde. Anders als in gerade verbreiteten irreführenden Meldungen behauptet wird, hat diese Kommission nicht den Auftrag das beschlossene Reformwerk zu korrigieren. Ihre Aufgabe ist es viel-mehr, auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hinzuwirken.“

Rolf Wernstedt, niedersächsischer Kultusminster und Präsident der KMK, Mannheim, 25. März 1997:
„Die Kultusministerkonferenz hat insbesondere hervorgehoben, daß ein Sonderweg einzelner Länder bei der Rechtschreibreform für sie nicht vorstellbar ist. Dies widerspräche dem Interesse einer einheitlichen Pflege der deutschen Sprache und dem Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme der deutschen Staaten und Gemeinschaften.“

Annette Schavan, Kultusministerin in Baden-Württemberg (aufgezeichnet im S3 am 3.9.97):
„Oberstes Gebot für die Rechtschreibung ist, daß die Einheitlichkeit gewahrt werden muß.“

Hans Zehetmair, bayerischer Kultusminister, 3.3.97 (Frankfurter Allgemeine Zeitung):
„Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Volksbegehren zugelassen wird, das gegen das Grundgesetz verstößt und die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung zerstört.“

Hartmut Holzapfel, hessischer Kultusminister am 6.9.97 (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung):
„Ich halte eine Volksabstimmung auf Landesebene zu dieser Frage nicht für zulässig. Die Rechtschreibung muß in ganz Deutschland einheitlich sein. Wenn man darüber in dieser Form abstimmt, könnten sich unterschiedliche Voten ergeben, die das ausschließen. Ich neige daher zu der Auffassung meines bayerischen Kollegen, daß Volksbegehren auf dieser Ebene daher nicht möglich sind. Es gibt sachgebotene Grenzen für Volksbegehren.“

Franz Müntefering, SPD-Bundesgeschäftsführer, in einem Brief an die Parteibasis 1997:
„Sollte ein Land ausscheren, wäre die Reform gescheitert. Ein Rückfall in die ‚orthographische Vielstaaterei‘, wie sie vor der Einführung der für alle verbindlichen Regeln 1901 herrschte, wäre die Folge. Das kann niemand wollen.“

das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 98 (BVerfG 1 BvR 1640/97, S. 43):
„Das Erfordernis eines hohen Maßes an einheitlicher Schreibung, ohne welches Lesbarkeit und Verständlichkeit von Texten und damit Kommunikation zwischen den Schreibenden nicht möglich sind, bedeutet nicht notwendig Übereinstimmung in allen Einzelheiten. Deshalb hat das Ausscheren eines Beteiligten aus dem Kreis derer, die sich zuvor auf gemeinsame Regeln und Schreibweisen verständigt haben, verfassungsrechtlich nicht notwendig die Unzulässigkeit der Neuregelung zur Folge, wenn Kommunikation im gemeinsamen Sprachraum trotzdem weiterhin stattfinden kann.“

Das Reförmchen, oder: Wie man aus einem Elefanten eine Mücke macht

Groß ist die Wahrheit,
größer aber, vom praktischen Gesichtspunkt,
ist das Verschweigen der Wahrheit.“

Aldous Huxley, „Schöne neue Welt“

die Kultusminister in ihrer Dresdner Erklärung vom 25.10.96:
„Kein einziges deutsches Wort geht durch die Neuregelung der Rechtschreibung verloren.“

das Verwaltungsgericht Hannover (6 B 4318/97) am 7.8.97:
„Die wesentlichkeitsrelevante Bedeutung einer Änderung der Rechtschreibregeln erhellt überdies daraus, daß in ihrer Folge alles Schreiben in Mitleidenschaft gezogen wird, sei es Literatur aller Art, sei es EDV-Software. Mag eine Anordnung der Verwaltung sich auch auf Kultus- und Innenressort beschränken, so hat sie doch über kurz oder lang Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft (...).“

Rolf Wernstedt, niedersächsischer Kultusminister, am 18.12.97:
„Die öffentliche Aufmerksamkeit und Beunruhigung, die dieses Thema gefunden hat, steht in keinem Verhältnis zu seiner Bedeutung.“

Volker Beck, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag (dpa - Dienst für Kulturpolitik 45/97):
„Es gibt keinen Tagesordnungspunkt, der uns mit so wenig Substanz so viel Zeit kostet.“

Gisela Böhrk, schleswig-holsteinische Kultusministerin, im Deutschlandfunk:
„Es ist ja nur ein Reförmchen.“

Heide Simonis, Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin, am 22.10.97 auf NDR 1:
„Für die Kinder wird es einfacher.“

Erwin Dötsch, Leserbriefschreiber (Focus Nr. 29, 14.07.97):
„Daß sich die Schüler bei Diktaten jetzt leichter tun und von den vereinfachten Kommaregeln profitieren, ist leider ein Irrtum. Die Zahl der Fehler in den von Schülern gefertigten Texten wird sich nach meiner Erfahrung im Unterricht auch nach der Reform nicht verringern. Vor allem die neue Kommaregelung enthält eine ganze Reihe von Fallstricken.“

51 Bundestagsabgeordnete in ihrem am 26.3.98 durch den Bundestag mehrheitlich beschlossenen Antrag:
„Der Antrag geht davon aus, daß die von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland beschlossene Neuregelung der deutschen Rechtschreibung von so erheblicher Bedeutung für das Zusammenleben der Menschen in Deutschland sei, daß sie nicht ohne Mitwirkung der Gesetzgeber in Bund und Ländern mit Wirkung für die Amtssprache, für Literatur, Presse, Wirtschaft und Schule, insbesondere für die Beurteilung schulischer Leistungen, eingeführt werden könne.“

die niedersächsische Staatskanzlei in einem Schreiben am 24.9.97:
„Der Protest gegen die Rechtschreibreform ist mit großer Verspätung erst im Herbst 1996 öffentlich geworden, als bei der Frankfurter Buchmesse eine Reihe von bekannten Schriftstellern eine vorbereitete Resolution unterschrieben. In dieser Resolution heißt es wörtlich, daß ‚- abgesehen von der ss-Regelung - nur etwa 0,05 % eines durchschnittlichen Textes‘ von den neuen Schreibregeln betroffen sind. Die Kritik an dieser sinnvollen und behutsamen Reform hat in Deutschland längst jedes Maß verloren; sie ist von Emotionen geleitet und selten von Sachkenntnis geprägt.“

das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 98 (BVerfG 1 BvR 1640/97, S. 48):
„Wie auch die Beschwerdeführer nicht in Abrede stellen, sind die Änderungen, die die Rechtschreibreform bewirkt, im Umfang verhältnismäßig gering; nach der Darstellung in der Stellungnahme der Kultusministerkonferenz, die in diesem Punkt in der mündlichen Verhandlung nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen worden ist, betrifft die Reform quantitativ, abgesehen von der Änderung der bisherigen ß-Schreibung, nur 0,5 vom Hundert des Wortschatzes.“

Werner H. Veith, Germanist, Deutsches Institut der Johannes-Gutenberg-Universität (Die Welt, 6.10.97):
„Es ist falsch, daß die Vielzahl der deutschen Orthographieregeln auf 112 reduziert worden ist. Die 112 amtlichen Regeln der reformierten Rechtschreibung sind nur umsetzbar, wenn man 1106 Anwendungsbestimmungen berücksichtigt, in denen 105 Wortlisten (Ausnahmen von den Regeln) enthalten sind mit zusammen 1180 zu memorierenden oder nachzuschlagenden Wörtern. Allein im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung gibt es bei sieben Regeln 253 Anwendungsbestimmungen mit 45 Unterregeln, zwei Spezifikationen, 15 Kann-Bestimmungen, 123 Bedingungen, 33 Listen und 28 Verweisen.“

das Verwaltungsgericht Hannover (6 A 4317/97, S. 29) am 2.3.98:
„Vernichtung von Wörtern ist die intensivste und unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bedenklichste Form der Einwirkung in die Sprache.“

Wolfgang Löwer, Rechtsanwalt, in seiner Revisionsbegründung in der Verwaltungsstreitsache Holstein gegen Land Berlin, S. 33:
„Für die These von der vollständigen Verfehltheit der Reform stehen im öffentlichen Diskurs nur wenige Namen (Werner H. Veith, Theodor Ickler, Friedrich Denk).“

Gerhard Augst, Vorsitzender der Kommission für die deutsche Rechtschreibung im Oktober 97 (IDS-Online):
„Die Gegner der Neuregelung behaupten: Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung kostet Milliarden. Leider hat die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) noch keine seriöse Berechnung der Kosten vorgelegt. Richtig ist: Wenn die KMK die Kosten noch nicht seriös berechnet hat, dann ist die Angabe von ‚Milliarden‘ auch nicht seriös.“

der Verband für Interne Kommunikation (VIKOM), Österreich (Die Presse, 17.7.98):
„Österreichs Wirtschaft droht durch die Umstellung auf die neue Rechtschreibung eine empfindliche Kostenbelastung in Milliardenhöhe.“

Ottfried Hennig, Kieler Oppositionsführer Hennig (Nordwest-Zeitung, 14.12.96):
„Grundsätzlich können wir uns keine zusätzlichen Belastungen unserer Wirtschaft leisten. (...) Offensichtlich ist über die Kostenfrage auch nicht ernsthaft diskutiert worden, bevor die Reform beschlossen wurde. (...) Das ist doch alles ein hanebüchener Unsinn.“

Karl-Martin Hentschel, Abgeordneter der Grünen, im Kieler Landtag am 21.2.97:
„Es wäre schön, wenn die Überbetonung der Rechtschreibung, die etwas Elitäres hat, auf angelsächsisches Niveau zurückgefahren würde.“

Der Heiligenschein der Scheinheiligkeit: Zum Wohle des Volkes

Das sind die Weisen,
die durch Irrtum zur Wahrheit reisen.
Die bei dem Irrtum verharren,
das sind die Narren

Friedrich Rückert

Rolf Wernstedt, ehem. niedersächsischer Kultusminister, am 27.6.97 zu Reformgegnern:
„Wenn man einmal einen Weg eingeschlagen hat, muß man ihn auch zuende gehen, auch wenn man zwischendurch feststellt, daß er falsch ist.“

Wolfgang Schäuble, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag, am 22.10.97:
„Ich wundere mich, daß Herr Wernstedt, nach all dem, was er gesagt hat, nicht zurückgetreten ist.“

Rolf Wernstedt, Kultusminister von Niedersachsen, über die Reformgegner am 23.2.97:
„Unkenntnis und Populismus.“

Gerhard Schröder, Ministerpräsident und Kanzlerkandidat, in einem Schreiben v. 3.8.98 an die Initiative „WIR gegen die Rechtschreibreform“:
„Sie behaupten für mehr als 80% der Bevölkerung zu sprechen. Dies trifft zumindestens für Niedersachsen nicht zu, weil noch nicht einmal die für ein entsprechendes Volksbegehren erforderliche Anzahl von Unterschriften erreicht wurde.“

Christian Wulff, Vorsitzender der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion, in einem Schreiben an einen Vertreter des Volksbegehrens vom 23.10.97:
„Erst durch Gerichtbeschlüsse ließen sie [Schröder und Wernstedt] sich zwingen, einen Kurswechsel zu vollziehen, der an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten ist. Trotz Gerichtentscheid klammert sich Herr Wernstedt am Freitag noch an seine Reformruine, am Montagmittag korrigiert ihn Herr Schröder mittels Presseerklärung in alter Rechtschreibung, am Monatagnachmittag hebelt ihn Herr Wernstedt durch eine windelweiche Presseerklärung in neuer Rechtschreibung wieder aus - die neue Rechtschreibung darf in Niedersachsen weiter Gegenstand des Unterrichts sein und gilt nicht als fehlerhaft! Hier handelt es sich nicht um ein Machtwort, sondern um das Armutszeugnis unfähigen Regierungshandelns! Die Zeche zahlen müssen wieder einmal Eltern und Schüler, die vor dem Scherbenhaufen eines dilettantischen Reformprojektes stehen.“

die Kultusministerkonferenz in einer Pressemitteilung vom 27.2.97:
„Die Kultusministerkonferenz ist davon überzeugt, dass die Irritationen, die bei den Bürgerinnen und Bürgern durch die neuerliche öffentliche Diskussion entstanden sind, nicht zuletzt durch die polemisch überspitzte Darstellung einzelner Regelungen durch die Kritiker ausgelöst wurden.“

der niedersächsische Petitionsausschuß im November 1997 an den Petenten Kolbe:
„Die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler erkennen die Vorteile der Neuregelung. Daß ein Teil der Bevölkerung diese noch nicht erkennt, liegt daran, daß viele Menschen sich bisher nicht damit auseinandergesetzt haben.“

Edmund Stoiber, bayerischer Ministerpräsident (Die Presse, 5.3.98):
„Die Reform ist sicher nicht mein Herzensanliegen. Es zeigt sich aber auch hier, daß die Leute immer weniger akzeptieren, was oben beschlossen wird. Und ich möchte vermeiden, daß genau so etwas wie mit der Rechtschreibreform auch mit dem Euro passiert!“

Gisela Böhrk, schleswig-holsteinische Kultusministerin (Die Welt, 21.8.98):
„Die Bürger stimmen beim Volksentscheid nicht darüber ab, wie sie selber schreiben, sondern darüber, was an den Schulen gelehrt wird.“

Gisela Böhrk, Kultusministerin Schleswig-Holsteins, in einem Streitgespräch in den Lübecker Nachrichten am 15.9.98 zu Matthias Dräger:
„Herr Dräger, Sie reden tatsächlich über Rechtschreibung, und Sie benutzen die Kinder. Ich rede über Schulen, weil die das Ziel Ihrer Initiative sind.“

Hans Magnus Enzensberger, Günter Grass, Ute Grass, Ulla Hahn, Walter Kempowski, Sarah Kirsch, Günter Kunert, Martin Walser in einer gemeinsamen Erklärung im Oktober 97:
„Wir unterstützen das Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein und hoffen darauf, daß die Bürger im nördlichsten Bundesland die geplante Schreibveränderung im Interesse aller verhindern.“

Heide Simonis, Ministerpräsidentin v. Schleswig-Holstein, in einem Schreiben v. 14.8.98 an die Initiative „WIR gegen die Rechtschreibreform“ in Niedersachsen:
„Meine größte Sorge gilt jedoch den schleswig-holsteinischen Schülerinnen und Schülern, deren Chancen geschmälert würden, wenn in Schleswig-Holstein eine andere Rechtschreibung als die in den übrigen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland übliche gelehrt würde. Diese Isolation kann nicht in unserem Sinne sein.“

Gisela Böhrk, schleswig-holsteinische Kultusministerin, auf die Frage eines Journalisten: „Kennen Sie selbst überhaupt die neue Rechtschreibung?“ (Pinneberger Tageblatt, 14.8.98):
„Es wird etwas dauern, bis ich sie beherrsche. Aber darum geht es nicht. Bei dem Volksentscheid dreht es sich ausschließlich um die Frage, welche Rechtschreibung die Kinder in Schleswig-Holstein erlernen sollen. Ob die Erwachsenen die neuen Regeln anwenden oder nicht, das steht überhaupt nicht zur Abstimmung. (...) Es ist jedem unbenommen, an der alten Schreibweise festzuhalten.“

Rupert Scholz, Rechtsexperte der CDU-Bundestagsfraktion (Welt am Sonntag, 20.7.98):
„Wenn in Schleswig-Holstein erstmals der Bürger das Sagen hat, wie er denn schreiben möchte, bedeutet dies nichts Geringeres als den Beginn einer sprachlichen Gegenreformation, und zwar demokratisch legitimiert.“

die Kultusministerkonferenz in einer Pressemitteilung v. 25.9.98:
„Für die Schulkinder, ihre Eltern und Lehrer wäre es deshalb pädagogisch unverantwortlich, wenn man ihnen in Schleswig-Holstein einen Rückschritt zu den alten Regeln zumuten und sie damit von der Entwicklung im gesamten deutschen Sprachraum abkoppeln würde. Dies sollten die Bürgerinnen und Bürger bedenken, wenn sie sich am Sonntag am Volksentscheid beteiligen.“

Heide Simonis, Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein (Focus, Juli 97):
„Dann könnten wir das per Volksentscheid zustande gekommene Gesetz durch ein neues korrigieren.“

Edzart Schmidt-Jorzig, Bundesjustizminister (Süddeutsche Zeitung, 11.7.98):
„Gegen das Entstehen einer solchen Sprachinsel gibt es viele Szenarien. Möglicherweise muß wiederum Karlsruhe entscheiden. Die schleswig-holsteinische Landesverfassung läßt das zu.“

Heide Simonis, Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein (Die Welt, 22.7.98):
„Die Rechtschreibreform ist kein isoliertes norddeutsches Thema, sondern ein gemeinsames Projekt aller Kultusminister, und ich hoffe sehr, daß der Volksentscheid vom 27. September Schleswig-Holstein eben nicht zu einer ,Insel der Rechtschreibung‘ werden läßt. Gesetzgeberische Maßnahmen gegen ein so zustande gekommenes Gesetz behält sich die Landesregierung vor.“

Claudia Jacob, Pressesprecherin des schleswig-holsteinischen Landesverbandes der Grünen, in einer Pressemeldung v. 20.7.98:
„Mit ihrer Drohung, das Ergebnis des Volksentscheides bei Nichtgefallen gesetzlich korrigieren zu wollen, hat Heide Simonis der direkten Demokratie einen Bärendienst erwiesen. Hier denkt - und spricht leider auch - jemand getreu dem Motto ‚Will das Volk nicht so wie die Regierung, dann suche ich mir ein neues!‘“

Matthias Rößler, Sachsens Kultusminister (Süddeutsche Zeitung, 20.7.98):
„Ein Nein bei einem Volksentscheid würde nur den Schülern in Schleswig-Holstein Probleme bringen, Deutschland würde davon nicht untergehen.“

Rupert Scholz, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in einer Pressemitteilung am 13.7.98:
„Es sind letztendlich die Bürger von Schleswig-Holstein, die in einer Volksabstimmung über die Einführung der Reform entscheiden. Votieren sie dagegen, ist die Reform tot.“

Gisela Böhrk, Kultusministerin Schleswig-Holsteins, in einem Schreiben vom 24.9.98 an Matthias Dräger:
„Es wäre eine Katastrophe, wenn das Kulturgut einheitliche Schriftsprache durch einen Volksentscheid in Schleswig-Holstein verlorengeht. (...) Sollte es tatsächlich zu einem solchen Chaos kommen, tragen Sie und Ihre politischen Freunde dafür die Verantwortung.“

Gisela Böhrk, schleswig-holsteinische Kultusministerin (Kieler Nachrichten, 21.10.98):
„Die Rechtschreibreform ist nicht wichtig genug, um andere wesentliche bildungspolitische Beschlüsse zu boykottieren.“

der Moderator des ARD-Morgenmagazins vom 28.9.98:
„Die armen Kinder tun mir leid. Jetzt müssen sie wieder lernen, wie man im Altertum geschrieben hat.“

Sabine Schröder, SPD-Landesvorstand in Schleswig-Holstein, am 30.9.98:
„Das jetzt beschlossene Gesetz bezieht sich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt. Es schreibt zwingend und ohne jede Interpretationsmöglichkeit vor, dass auch die Schulen Schleswig-Holsteins wieder auf die neue Schreibung umstellen müssen, sobald 50,1 % der aktuell lieferbaren Bücher in neuer Schreibweise gehalten sind. Das Problem besteht darin, wie das ermittelt werden kann.“

Matthias Dräger, WIR gegen die Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein (Die Welt, 30.9.98):
„Eine Ministerin, die nicht weiß, daß in Deutschland erst ein Bruchteil der lieferbaren Bücher auf Neu-Schreibung umgestellt wurde, hat offensichtlich ihren Beruf verfehlt. Wenn sie erneut versucht, die Bevölkerung auszutricksen, sollte das ihr letzter Streich gewesen sein.“

Eva-Maria Stange, GEW-Chefin (Westfälische Nachrichten, 28.9.98):
„Weil die älteren Semester nicht mehr umdenken wollen, haben sie mit Sturheit und Rechthaberei auf dem Rücken der Kinder aus Schleswig-Holstein eine Rechtschreibinsel gemacht.“

Hans Zehetmair, bayerischer Kultusminister, nach dem Volksentscheid in Schleswig-Holstein, Sept. 98:
„Die Rücknahme der neuen Regeln ist schon aus finanziellen, organisatorischen und pädagogischen Gründen nicht möglich.“

Gisela Böhrk, Kultusministerin von Schleswig-Holstein (Dithmarscher Landeszeitung, 11.8.98):
„Wenn man es vom Ende her sieht, wäre es sinnvoll gewesen, noch häufiger und noch eindringlicher an die Medien heranzutreten. Aber wenn die Kultusminister Fehler gemacht haben, dann haben es sicher auch die Medien, indem sie die Reform erst zum Thema gemacht haben, als die Neuregelungen beschlossen waren.“

das Oberverwaltungsgericht Schleswig am 13.8.97:
„Zweifel an der vom beklagten Land erwarteten allgemeinen Akzeptanz der Rechtschreibreform werden geweckt durch die dagegen geführten Volksinitiativen in mehreren Bundesländern, durch energische Proteste von Berufsgruppen und durch politisch gegenläufige Tendenzen aus der Mitte des Bundestages. Die Vertretbarkeit der positiven Akzeptanz-Prognose des beklagten Landes wird indes durch bloße Zweifel - bei summarischer Prüfung derzeit - noch nicht erschüttert. Dazu gehört mehr. Wenn allerdings der Bundestag und/oder Landtage durch politische Beschlüsse mit parlamentarischer Autorität gegen die Rechtschreibreform Stellung bezögen, wäre wohl nicht mehr damit zu rechnen, daß sich das Reformwerk gleichwohl noch durchsetzte. Für den Fall etwa wäre es dann kein tauglicher Gegenstand eines korrekten Deutschunterrichtes mehr, wie ihn Eltern aus Schulverhältnis und Elternrecht verlangen können.“

Irmgard Vogelsang, niedersächsische Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Kulturausschusses des niedersächsischen Landtags, (Die Welt, 2.3.97):
„Lassen sich alle Länderparlamente und der Bundestag und läßt sich das ganze Volk, das diese Parlamente gewählt hat, (...) bevormunden, oder treffen endlich die zuständigen Parlamente die ihnen obliegenden Entscheidungen?(...) Es geht darum, ob die Parlamente die Kraft und den Willen haben, die Aufgaben wahrzunehmen, für die sie gewählt sind.“

Bernhard Vogel, Ministerpräsident von Thüringen (dpa - Dienst für Kulturpolitik 45/97):
„Es wäre in meinen Augen absurd, in einem Gesetz festzuhalten, ob ‚daß‘ mit ‚ß‘ oder ‚ss‘ geschrieben wird, um es möglicherweise dann zu korrigieren, wenn sich die Mehrheiten im Parlament verändern.“

Hartmut Holzapfel, hessischer Kultusminister zur Behauptung der Reformgegner, ein Nein in Schleswig-Holstein führe zum Ende der Reform (Süddeutsche Zeitung, 20.7.98):
„Ein merkwürdiges Demokratieverständnis“

Thomas Oppermann, Tübinger Staatsrechtler (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 12.7.98):
„Bejaht das Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeit der Länder, hat die Entscheidung der Bürger in Schleswig-Holstein Gesetzeswirkung. Ein solches Gesetz hätte in jedem Fall Vorrang vor den Erlassen der KMK.“

Michaela Jahnz, Mitarbeiterin des Cornelsen-Verlages für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, in einem Schreiben vom 15.10.98:
„Ich denke, diese Aufstellung unterstreicht sehr anschaulich die von uns in der Öffentlichkeit gemachte Äußerung, dass Schulbücher, die speziell für Schleswig-Holstein hergestellt werden müßten, Preise hätten, die niemandem zuzumuten wären.“

Anlage: Aufstellung:
„Beispiel: Schulbuch mit 240 Seiten, vierfarbig, Grundkosten (Satz, Grafik, Repro, Montage, Einrichten) 200.000 DM, variable Kosten pro 1.000 Ex.: 4.500 DM, nicht einkalkuliert: Honorare, Lizenzen, Verlagsgemeinkosten, Mehrwertsteuer, Buchhändlerrabatt, Zulassungsgebühren“

Matthias Dräger, Sprecher der Initiative „WIR gegen die Rechtschreibreform“ in Schleswig-Holstein, in einem Appell an das europäische Ausland v. 5.10.98:
„Die Kultusminister haben Deutschland in einen Würgegriff genommen und wollen sich unserer Sprache bemächtigen. Bitte helft uns! Die deutsche Sprache ist auch ein Stück europäischer Kultur, sie ist Teil unserer menschlichen Würde.“

Erhellendes Enthüllendes

Glaubt mir, die Herrschaft ist ein Zauber eigner Art,
und stark genug, den Stärksten zu betören.
Wer oben steht, mag keine Weisheit hören,
und würde sie von Engelschören
ihm durch ein Wunder offenbart.“

Emanuel Geibel

Hans Zehetmair, bayerischer Kultusminister (Der Spiegel, 11.9.1995):
„Die breite Öffentlichkeit ist so gut wie gar nicht informiert. Deshalb werden viele erschrecken, wenn es nun zu einer Reform kommt, und zwar auch dann, wenn noch einiges geändert wird. Viele haben gar nicht mehr an eine Reform geglaubt, nachdem seit fast hundert Jahren alle Vorschläge gescheitert sind. Man wird uns, die Kultusminister, fragen: Was habt ihr denn da angestellt? Es wird große Aufregung und viel Streit, sogar erbitterten Streit geben, und es würde mich nicht wundern, wenn er mit der Schärfe von Glaubenskämpfen ausgetragen würde.“

Rolf Wernstedt, niedersächsischer Kultusminister, zu dpa 1996:
„Ich setze mich für das neue Regelwerk ein, weil das Herrschaftsinstrument Orthographie damit abgebaut wird.“

die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), 1973 (Die Welt, 1.8.98):
„Mit dem Rohrstockersatz Rechtschreibung und speziell mit der reaktionären Großschreibung wollen die Ewiggestrigen ein Gesellschaftssystem zementieren, dessen Kennzeichen der anale Zwangscharakter ist.“

die GEW in ihrer Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht, November 1997:
„Die GEW begrüßt den frühestmöglichen Vorgriff auf die Reform. Ein Unterrichten von Regeln, die in kurzer Zeit als überholt bezeichnet werden müssten, verstößt gegen die Würde der Lehrenden und der Lernenden.“

Dieter E. Zimmer in „Beschreibung eines Kampfes“ (Die Zeit, 27.9.96):
„Denn die Deutschen lieben zwar ihre Rechtschreibung nicht, und noch weniger lieben sie irgendwelche Änderungen der gewohnten Schreibung. Aber wenn eine Neuerung nicht mehr abzuwenden ist, werden sie geradezu geil auf sie. Vielerorts stürzt man sich schon jetzt, zwei Jahre vor der offiziellen Einführung in die neue Orthographie, geradezu enttäuscht, daß die Änderungen so bescheiden ausgefallen sind.“

Theodor Ickler, Erlanger Sprachwissenschatler, in „Der Staat schreibt vor“, 1998:
„Welch wohligen Schauer muß es dem unterwerfungssüchtigen deutschen Mitläufer bereiten, wenn er zum erstenmal dass schreibt oder so genannt spaltet und sich damit demonstrativ auf die richtige Seite, die Seite der Staatsmacht schlägt!“

Horst Sitta, Schweizer Mitglied der Reformkommission (Salzburger Nachrichten, 2.7.98):
„Der Alltagsschreiber soll angstfrei schreiben können.“

Gerhard Augst, Vorsitzender der Rechtschreibkommission, 1982:
„Eine Änderung geltender Konventionen und Normen über die Schüler zu erreichen, ist zwar verlockend und wäre, wenn es gelänge, auch am erfolgversprechendsten, aber sie setzt an am schwächsten Glied in der Kette.“

Gerhard Augst, Vorsitzender der Rechtschreibkommission, bei einer Pressekonferenz am 12.9.97:
„Die Schule macht den Vorreiter.“

das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 98 (BVerfG 1 BvR 1640/97, S. 55)

„Das gibt der Rechtschreibreform jedoch keinen berufsregelnden Charakter. Diese bleibt vielmehr auf den Unterricht in den Schulen ausgerichtet und löst kraft der ihr zugedachten Vorbildfunktion lediglich mittelbar Folgewirkungen in allen mit der Schriftsprache befaßten oder konfrontierten Bereichen aus.“

das Verwaltungsgericht Hannover (6 A 4317/97, S. 20-22) am 2.3.98:
„1.3.3 (...) Eine für Schulen geltende Normierung wird trotz ihres begrenzten Adressatenkreises zwangsläufig die künftige Schreibung der gesamten Gesellschaft bestimmen (...). Der Breitenwirkung einer Orthographieregelung ist im übrigen durch Organisation und Verfahren Rechnung zu tragen. So wird bereits bei der Auswahl der Sachverständigen eine umfassende Sachkunde (...) unter Berücksichtigung von Wissenschaft und Praxis (...) sicherzustellen sein. Darüber hinaus ist eine umfassende Anhörung der betroffenen Kreise geboten. (...) Dabei kann die Anhörung ihre Wirkung nur entfalten, wenn (...) - sie so rechtzeitig durchgeführt wird, daß ihr Ergebnis Einfluß auf die Entscheidung haben kann; - sie bei wesentlicher Änderung der Grundlagen wiederholt wird (...). 1.4.1 Angesichts der oben (zu 1.3.3) erörterten ‚Breitenwirkung’ der neuen Orthographieregelung war es unerläßlich, die zu ihrer Vorbereitung eingesetzten Gremien so zu besetzen, daß schon bei der Erarbeitung von Vorschlägen eine gewisse Pluralität und die ‚Offenheit’ des Verfahrens sichergestellt waren (...). Davon kann im Streitfall keine Rede sein.“

Anke Brunn, Kultusminsterin von Nordrhein-Westfalen und Vorsitzende der KMK, am 26. März 1998 im Bundestag:
„Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages schlägt nun ebenso wie die Amtschefs der KMK vor - das halte ich für einen sehr wichtigen Schritt -, bei der weiteren Entwicklung der deutschen Rechtschreibung Schriftsteller, Journalisten, wissenschaftliche Institute und sonstige mit der Sprache und über die Sprache Arbeitende kontinuierlicher in die weitere Diskussion mit einzubeziehen. Ich finde, das sollte geschehen. Das ist ein entscheidender positiver Beitrag. Die Arbeit der internationalen Kommission sollte damit nicht ersetzt, sondern konstruktiv begleitet werden. (...) Wir wollen keine Regeln hinter verschlossenen Türen. Das kann ich für alle Kultusminister sagen. Wir haben sie übrigens nie gewollt. Wir wollen die Erfahrungen mit der neuen Rechtschreibung offen austauschen und breit diskutieren, damit am Ende der Einführungsphase Regeln stehen, die eine breite Akzeptanz finden.“

die Dudenredaktion in der Broschüre „Informationen zur neuen deutschen Rechtschreibung“ zur Frage „Wen bindet die neue Rechtschreibregelung?“ (Mannheim 1994):
„Der Text der Neuregelung ist als amtliches Regelwerk konzipiert. Das bedeutet: Er ist als Grundlage für die Rechtschreibung innerhalb derjenigen staatlichen Institutionen (Schule, Verwaltung) gedacht, für die der Staat Regelungsgewalt beanspruchen darf. Darüber hinaus wird sich natürlich die große Mehrheit der Schreibenden nach der neuen Rechtschreibung richten.“

der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (13 M 4160/97) am 17.10.97:
„Kinder lernen die kulturellen Grundfertigkeiten auf die Integration in jene Gesellschaft hin, zu der sie gehören sollen also auch jene Sprache schreiben lernen, die diese Gesellschaft sich gibt (...). Die staatliche Normierung darf deshalb auch in diesem Bereich grundsätzlich nur Nachvollzug eines gesellschaftlichen Status quo in einem bestimmten Zeitpunkt sein, also Revision i. S. der Anpassung an eingetretene Wandlungen und nicht eigentlich Reform i. S. des Motors der Änderung (...). Diese Grenze dürfte indessen von der vorliegenden Reform überschritten sein (...).“

Hans Zehetmair, bayerischer Kultusminister, auf die Frage „Wollen Sie sich noch in den Regelvorschlag vertiefen, ein Buch mit 270 Seiten, 112 Regeln und einem Verzeichnis von 12.000 Wörtern?“ (Der Spiegel Nr. 31, 11.9.1995):
„Man kann von den Kultusministern nicht verlangen, daß sie dieses Verzeichnis Wort für Wort durchgehen. Ich habe mir einen Überblick über den Reformvorschlag verschafft, aber ich kenne die Regeln noch nicht gut genug. Meinen Kollegen in den anderen Ländern wird es kaum anders gehen.“

Günther Drosdowski, Mitglied der Dudenredaktion und der Reformkommission (Der Spiegel 25/1995):
„Wenn die Reformer ratlos und uneinig sind - eine für sie ziemlich typische Situation - und sich nicht für die eine oder andere Regelung entscheiden können, meldet sich immer irgend jemand zu Wort und ruft: Liberalisieren! Das ist Gift für die Rechtschreibung. Wir brauchen Klarheit.“

Günther Drosdowski, Mitglied der Dudenredaktion und der Reformkommission, auf die Frage, warum so viele „Schönheitsfehler“ im Jahrhundertwerk enthalten seien (Der Spiegel 25/1995):
„Diesen hochgestochenen Begriff hat meines Wissens noch niemand gebraucht, er wäre auch unangemessen. Diese Reform ist kein großer Wurf aus einem Guß, sondern es ist eine kleine Reform der Vernunft, wie ich gern sage. Es gab zu viele widerstreitende Meinungen und Interessen, deshalb müssen wir mit diesem Kompromiß zufrieden sein. Mehr war nicht möglich. Keiner der an dieser Reform Beteiligten ist mit allem einverstanden, jeder hätte gern irgend etwas anders gemacht.“

ein Mitglied der Reformkommission (Ickler, „Rechtschreibreform auf dem Prüfstand“, 1997):
„Daß bei der integrierten Schreibung von Hämorrhoiden das zweite r mit fallen sollte, war auch meine - allerdings seinerzeit nicht durchsetzbare - Auffassung. Vergessen Sie bitte nicht, daß wir mit dem Vorschlag (und das gilt für alle seine Teile) einen - wohl nur auf solche Weise zustande zu bringenden - Kompromiß vorliegen haben.“

Hans Zehetmair, CSU, bayerischer Kultusminister (dpa 12.9.97):
„Wo noch Unklarheiten bestehen, können Korrekturen gemacht werden.“

Rolf Wernstedt, Präsident der KMK, in den Stuttgarter Nachrichten v. 26.6.97:
„Die eine oder andere Regel kann man ändern. (...) In einem Vierteljahr ist das nicht möglich. Vielleicht hätten wir die Kommission früher einsetzen sollen.“

Günther Drosdowski, Mitglied der Dudenredaktion und der Reformkommission, auf die Frage, ob noch etwas geändert werden kann (Der Spiegel 25/1995):
„Dafür ist es nun zu spät. Die Fachleute und die Verbände, übrigens auch die Lehrerverbände, haben sich geäußert. Ihre Anregungen sind entweder berücksichtigt oder verworfen worden. Nun geht nichts mehr. Aus. Vorbei. Erst wieder beim nächsten Mal, in 30 oder 60 oder 90 Jahren. (...) Was auch immer geändert werden müßte, ob ein Detail oder ein ganzer Komplex, das Ganze ginge wieder von vorne los. Mit den Österreichern und Schweizern müßte neu verhandelt werden, die Wissenschaftler müßten wieder unter einen Hut gebracht werden. Das halte ich für schier unmöglich.“

Horst Haider Munske, Mitglied der Reformkommission auf den Vorschlag, der Unterricht in der neuen Orthographie solle für einen Zeitraum einer „Denkpause“ und bis zur Fertigstellung zuverlässiger Listen ausgesetzt werden (DIE WELT 12.06.97):
„Darüber haben wir in der Kommission einen ganzen Nachmittag diskutiert. Aber die Kollegen befürchteten, daß dann die ganze Reform baden geht.“

Klaus Heller, Geschäftsführer der Rechtschreibkommission, und Peter Gallmann, Vizevorsitzender, auf die Forderung der Reformgegner, die Liste mit Problemfällen zu veröffentlichen (dpa 12.9.97):
„Unkommentierte Problem-Listen führen nur zu neuen Irritationen.“

Peter Gallmann und Horst Sitta, Schweizer Mitglieder der Reformkommission, zum Erscheinen des ersten Neuschreib-Duden 1996:
„Wir halten es für ein Unglück, dass nun in allen Rechtschreibwörterbüchern das amtliche Regelwerk abgedruckt wird. (...) Wir waren im Internationalen Arbeitkreis nie der Meinung, wir formulierten Regeln für den Alltagsschreiber. (...) Das Regelwerk ist weder für den Laienleser geschrieben noch für ihn lesbar.“

die Reformer Peter Gallmann und Horst Sitta in einer Erklärung vom 30.9.96:
„Noch gar nicht gesprochen worden ist über die Möglichkeit, dass bei der Arbeit am Regelwerk auch Regeln formuliert worden sein können, die fragwürdig sind, was sich womöglich erst bei der konfreten lexikographischen Arbeit herausstellt. All diese Probleme waren natürlich weder dem Internationalen Arbeitskreis noch den Behörden unbekannt.“

der Duden (Online):
„Manchmal wird ein Bereich nicht von einer einzigen Regel abgedeckt, sondern von einer Gruppe von Regeln und Unterregeln, die zusammengehören. Solche Bereiche der Rechtschreibung sind etwas schwerer zu überblicken. Immerhin gilt auch hier: Wer die einzelnen Regeln und ihre Beziehungen zueinander kennt, kann ohne Hinzuziehung von Hilfsmitteln korrekt schreiben (...) Zwar ist sie auch in solchen Bereichen keineswegs völlig willkürlich, es können aber jedenfalls keine Regeln im Sinne von verbindlichen Handlungsanweisungen angegeben werden. Das bedeutet, dass der Schreibende bei Unsicherheit nachschlagen muss – zum Beispiel in einem Wörterbuch. (...) Wo auf Einzelfestlegungen nicht verzichtet werden konnte, wurde versucht, wenigstens die vorhandenen Regularitäten übersichtlich darzustellen.“

das Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung in: Handreichungen zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung, München 1996:
„Die Neuregelung der Rechtschreibung bedingt, dass für jeden - Lehrer und Schüler - der Umgang mit einem Rechtschreiblexikon selbstverständlicher sein muss denn je.“

das Institut für Deutsche Sprache in seiner Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht v. 10.11.97:
„Die ‚Richtigkeit‘ von bestimmten Schreibweisen ist allenfalls der von Postleitzahlen vergleichbar.“

der Duden in einer internen Anweisung:
„Neuregelung: Das amtliche Regelwerk ist in 112 Hauptregeln gegliedert. Umsetzung: Die Dudenrichtlinien werden auch künftig Hinweise enthalten, die über den rein orthographischen Bereich hinausgehen. Durch Neustrukturierung und vor allem durch Zusammenfassung einzelner Regeln und Regelbereiche wird die Zahl der Richtlinien von 212 auf 136 gesenkt. Begründung: Die inhaltlich falsche, aber politisch wirksame Formel ‚aus 212 mach 112‘ muß auch im Duden ihren angemessenen Ausdruck finden.“

die Kultusministerkonferenz in einer Pressemitteilung vom 30.11.95:
„Die Schreibregeln werden von 212 auf 112 reduziert. Von 52 Kommaregeln bleiben nur 9 übrig.“

das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, Wien (Online):
„Die Neuregelung stellt zwar keine tiefgreifenden Veränderungen der deutschen Rechtschreibung dar (sie wären politisch nicht durchzusetzen gewesen), bringt aber doch so viele Vereinfachungen und Verbesserungen - insbesondere in den so fehleranfälligen Bereichen Groß- und Kleinschreibung, s-Schreibung sowie Getrennt- und Zusammenschreibung -, dass sie sich im Unterricht deutlich auswirken werden. Es ist daher zu erwarten, dass die Rechtschreibung mit geringerem pädagogischen Aufwand als bisher lernbar wird und dadurch den Schulunterricht entlastet, für den durchschnittlichen Schreiber leichter handhabbar wird, ohne die Schreibung für den Leser zu erschweren, und insgesamt den Zugang zur geschriebenen Sprache erleichtert.“

Rolf Wernstedt, niedersächsischer Kultusminister und Vorsitzender der KMK, zum Komplex der neuen Getrennt- und Zusammenschreibung, Quelle: Die Welt, 13.6.97:
„Hier sind möglicherweise richtige Strukturfehler drin.“

Matthias Wermke, Leiter der Dudenredaktion (Duden Online):
„Wer nach dem DUDEN schreibt, schreibt selbstverständlich korrekt und in völliger Übereinstimmung mit den amtlichen Regeln.“

Hartmut Holzapfel, hessischer Kultusminister, auf die Frage, welches Regelwerk er den Lehrern empfiehlt (Der Spiegel 41/1996):
„Jedenfalls nicht den Duden in seiner neuesten Fassung. Der vermischt die neuen amtlichen Regeln mit eigenen Empfehlungen in einer Weise, die für den Benutzer schwer durchschaubar ist. (...) Der Redaktion fällt es wohl schwer, Abschied zu nehmen von der Zeit, in der sie die oberste Instanz für die Rechtschreibung war. Deswegen setzt sie die Neuregelung teilweise nach Belieben, teilweise sogar falsch um.“

und auf die Frage, welchen Kauftip er ratlosen Lehrern und Schülern jetzt gibt:
„Es gibt ja eine Alternative aus einem Gütersloher Verlag, die diese gravierenden Mängel nicht aufweist. Dem Duden empfehle ich, seine Auflage zurückzurufen und allen Käufern eine korrekte Neuauflage im Austausch anzubieten. Nach diesen Erfahrungen plädiere ich auch dafür, daß die Kultusminister die Wörterbücher bewerten müssen. Bei den Schulbüchern gibt es das ja bereits.“

Bertelsmann, Gütersloher Wörterbuch-Verlag (Online):
„Der große Erfolg geht weiter. Die neue deutsche Rechtschreibung wurde zum ‚Shootingstart‘ des vergangenen Jahres. Schnell hat sie sich einen Platz unter den Bestsellern erobert, natürlich auch dank der hohen Akzeptanz im Handel und bei den Verbrauchern. Besonders gelobt von den Rezensenten wurde die Benutzerfreundlichkeit, der günstige Preis und die Zuverlässigkeit des Buches. Letzteres vor allem, weil sich die ‚Bertelsmann-Rechtschreibung‘ konsequent an den neuen amtlichen Rechtschreibregeln orientiert. Sie ist umfassend, klar gegliedert und einfach in der Nutzung, zeigt alle Neuregelungen farbig und bietet verlässliche Auskunft, wenn es um das korrekte Schreiben von Texten jedweder Art geht, sei es in der Schule und im Studium, sei es im amtlichen, im professionellen oder sonstigen geschäftlichen Bereich. Die neue deutsche Rechtschreibung - die müssen jetzt alle kennen!“

Lutz Götze im Bertelsmann-Wörterbuch „Die neue deutsche Rechtschreibung“, Gütersloh 1996:
„... wird die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung zum 1. August 1998 in Kraft gesetzt.“

Lutz Götze im Bertelsmann-Wörterbuch „Die neue deutsche Rechtschreibung“, Gütersloh 1996:
„... ist die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung am 1. Juli 1996 in Kraft getreten.“
(nicht gekennzeichneter veränderter Nachdruck)

Günther Drosdowski, Mitglied der Dudenredaktion und der Reformkommission, auf die Frage, ob der Duden nur noch verwirklichen muß, was die Kommission beschließt (Der Spiegel 25/1995):
„Ich kann verstehen, daß einige Reformer sich das so vorstellen, aber so wird es nicht kommen. Der Duden ist dafür bekannt, daß er zügig und aktuell arbeitet. Jedes neue Wort steht in der nächsten Auflage. Auf die Entscheidungen der Kommission müßten wir viel länger warten, wenn sie denn überhaupt gebildet werden sollte. Ich halte sie für so überflüssig wie einen Kropf.“

das Sprach-Kontor Hamburg (Online):
„Die Rechtschreibreform ist - wenngleich mit Mängeln behaftet - nach vielen Jahren Diskussion soweit, dass sie umgesetzt werden kann.“

die Gesellschaft für Deutsche Sprache in „So schreibe ich richtig“ 1996, zur Re-Etymologisierung:
„Das Stammprinzip soll jetzt noch mehr beachtet werden, auch wenn die vermutete Verwandtschaft einzelner Wörter sprachgeschichtlich nicht immer ganz richtig ist.“

ein großer Verlag an seine Autoren Anfang 1998:
„Sehr geehrter Herr ..., im Sommer 1996 teilten wir Ihnen mit, dass wir das Erscheinen der geplanten sechsbändigen Reihe XYZ um etwa zwei Jahre verschieben wollten. Die Gründe haben wir Ihnen genannt. Leider haben sich unsere Erwartungen nicht erfüllt: Weder die neue Rechtschreibung hat sich bisher etablieren können, noch haben sich die daraus resultierenden Unsicherheiten auf dem Markt der Nachschlagewerke geglättet. Wir haben deshalb den für die Autoren wie für die Redaktion sicherlich schmerzlichen, verlagspolitisch jedoch zwingenden Beschluss gefasst, von der Realisierung des Vorhabens XYZ in der geplanten Form gänzlich abzusehen. Mit freundlichen Grüßen ...“

das Sprach-Kontor Hamburg (Online):
„Dass die Annahme einer völlig natürlich gewachsenen Sprache so nicht stimmen kann, zeigt ein einfacher Blick auf die sprachlichen Verhältnisse in der BRD: Wie soll eine gemeinsame Rechtschreibung sich ‚natürlich‘ entwickeln, wenn sich z.B. BayerInnen und MecklenburgerInnen schon mündlich nicht oder nur schlecht verstehen? (...) Von ‚natürlich gewachsener‘ Rechtschreibung kann keine Rede sein. Sprache und Schrift als Naturprodukt zu betrachten ist schlicht falsch.“

„Mit der Reform wird versucht, eine systematische und an formaleren Kriterien orientierte Regelung zu finden. Dass dieses Ziel nur eingeschränkt erreicht wurde, liegt zum einen in der Natur der Sache - eine natürliche Sprache ist nicht völlig systematisch und logisch, sondern dient den verschiedenen, nicht immer konsistenten Bedürfnissen der Menschen, sie trägt immer auch historische, gesellschaftliche, etymologische Informationen mit sich -, zum anderen liegt es nicht zuletzt an der massiven Kritik, die seit jeher an jeder Reformbemühung geübt wird. Eine solche Reform hat notwendigerweise Kompromiss-Charakter.“

der Duden (Informationen zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung, 1994):
„Zum einen geht es um die Rechtschreibung selbst, um das System der orthographischen Normen, zum anderen um den Umgang mit der Rechtschreibung (in Schule und Öffentlichkeit). Das sind zwei sehr verschiedene Dinge - und Lösungen für die unterschiedlichen Probleme ergeben sich nicht aus der gleichen Quelle. Die Rechtschreibreform kann nur den ersten Problembereich angehen.“

das Oberverwaltungsgericht Schleswig am 13.8.97:
„Die Rechtschreibreform zielt nämlich nicht nur auf eine Änderung der Schreibweise im Unterricht und in der Amtssprache. Reformiert wird zum 01.08.1998 die Schreibweise der deutschen Sprache im deutschen Sprachraum überhaupt.“

Hans Zehetmair, bayerischer Kultusminister (Rheinische Post, 29.11.95):
„Es gibt auch die Diskussion darüber, ob die Landtage in die Entscheidung mit einbezogen werden müssen. Wenn das der Fall ist, wird die Reform - da bin ich mir sicher - nicht stattfinden.“

das Oberverwaltungsgericht Schleswig (Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.6.98):
„Wenn der Bundestag und/oder Landtage durch politische Beschlüsse mit parlamentarischer Autorität gegen die Rechtschreibreform Stellung bezögen, wäre wohl nicht mehr damit zu rechnen, daß sich das Reformwerk gleichwohl noch durchsetzte. Für den Fall wäre es dann kein tauglicher Gegenstand eines korrekten Deutschunterrichts mehr, wie ihn Eltern aus Sachverhältnis und Elternrecht verlangen können.“

Bernhard Weisgerber in einer Empfehlung an Lehrer, wenn beispielsweise ein Schüler das Wort Eltern mit Ä geschrieben hat (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.7.98):
„Du hast Eltern mit Ä geschrieben. Sicher hast du gedacht: Das sind die Älteren, Eltern gehört also zu alt. Und damit hast du recht. Aber nach der heute geltenden Rechtschreibregelung wird das Wort Eltern mit E geschrieben. Wenn du in unserer Gesellschaft Ärger vermeiden willst, mußt du dich zunächst an diese Regelung halten. Wenn aber viele Leute darüber nachdenken wie du, wird die Schreibung vielleicht später einmal geändert.“

Theodor Ickler, Erlanger Sprachwissenschaftler (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.1996):
„Und doch war alles so gut eingefädelt. Die rechtzeitige Einbeziehung der Kultusbürokratien nahm der stets zu befürchtenden Kritik von politischer Seite den Wind aus den Segeln: Wer kollaboriert, kann hinterher nicht gut protestieren. Da die Kultusminister selbst sich für den Inhalt der Reform nicht interessieren, bestand allerdings die Gefahr, daß sie sich später blamieren würden. Und sie taten es. (...) Nur wenigen Zeitgenossen fiel der Widerspruch auf, der zwischen der groß herausgestellten Geringfügigkeit der Änderungen und der Behauptung bestand, die Reform sei längst überfällig und dürfe keineswegs scheitern. Sehr geschickt wurde auch die Vorstellung von einem Zeitdruck suggeriert, unter dem man stehe. Inhaltlich, so hieß es nach der Wiener Konferenz, solle nun nicht mehr diskutiert werden, nur noch die Formalitäten und Termine der ‚Durchsetzung‘ stünden zur Debatte. In Deutschland wurde verbreitet, wenn wir noch lange diskutierten, würden die Nachbarstaaten Schweiz und Österreich nicht mitmachen. Das war gelogen, aber es wirkte. Nach der ‚Frankfurter Erklärung‘ vom Oktober 1996 hieß es: ‚Zu spät!‘ (...) Zu keinem Zeitpuntk war die Öffentlichkeit über den vollen Umfang der Reform unterrichtet, bevor die jeweiligen Beschlüsse gefaßt wurden. Das für die Beurteilung unentbehrliche Wörterverzeichnis war noch längere Zeit in Arbeit, und auch das Regelwerk befand sich in ständiger Umarbeitung. Den Kritikern der bekanntgewordenen Neuerungen wurde die Reform übergestülpt. (...) Natürlich spielte, wie überall, auch das Geld eine wichtige Rolle. Einige Reformer vermarkteten ihr Insiderwissen sehr fix auf eigene Rechnung. (...) Die staatlichen Stellen sollten von Kosten nichts wissen. Und doch liefen in diesem Punkt alle Fäden zusammen. Paradox genug: Die Reform sollte ‚kostenneutral‘ sein, aber am Ende erwiesen sich die bereits verursachten Kosten als letztes Argument dafür, die Reform doch noch durchzusetzen. ‚Nicht mehr zu stoppen!‘ hieß es mit gespielter Schicksalsergebenheit aus den verantwortlichen Kultusbürokratien. Aber das kannte man schon vom schnellen Brüter, von Wackersdorf und anderen Investitionsruinen, die nicht mehr gestoppt werden konnten, bevor sie gestoppt wurden.“

Verlage, Karlsruhe & Co.

Cui bono?
(Wem zum Vorteil?)

Cicero

Siegfried Lenz, Schriftsteller (Der Spiegel 42/96):
„Erstens: Welch eine Notwendigkeit besteht zu solchen Veränderungen? Zweitens: Wer hat ein Interesse daran? Drittens: Wer besitzt die Legitimation, diese Veränderungen als Regel einzuführen?“

Karl Blüml, Vertreter Österreichs in der Zwischenstaatlichen Kommission, Anfang 1998:
„Das Ziel der Reform waren gar nicht die Neuerungen. Das Ziel war, die Rechtschreibregelung aus der Kompetenz eines deutschen Privatverlages in die staatliche Kompetenz zurückzuholen.“

Rolf Wernstedt, Präsident der KMK, in einem Schreiben v. 31.1.96 an Matthias Dräger:
„Der von der KMK beschlossene Zeitplan - Einführung der neuen Schreibung vom 01.08.1997 an mit einer Übergangsfrist bis 2005 - ist im Einvernehmen mit den Schulbuchverlagen erarbeitet worden, die ihrerseits auf eine positive Entscheidung gedrängt haben.“

der AOL-Verlag in einer Chronik (Online):
„1996: April: Die beiden Verlage AOL und Rowohlt schicken an alle 40.000 allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen das Taschenbuch: Die neue deutsche Rechtschreibung. Wörter und Regeln leicht gelernt (Rowohlt Sachbuch 60171, 9,90 DM). Durch diese Privatinitiative werden alle Schulen rechtzeitig über die neuen Schreibweisen und das geänderte Regelwerk informiert.“

„1997: September: In einer gemeinsamen Aktion überreichen die Verlage Shaker (Aachen) und AOL (Lichtenau.Baden) allen 672 Bundestagsabgeordneten die Chronik der Rechtschreibreform (Widerworte. ‚Lieber Herr Grass, Ihre Aufregung ist unbegründet!‘ Antworten an Gegner und Kritik der der Rechtschreibreform). Die Chronik wird eingeleitet durch den offenen Brief von Dr. Gerhard Schoebe an die Mitglieder des Deutschen Bundestages. September: In einer gemeinsamen Aktion von bbv und Bertelsmann werden 19.000 Exemplare des neuen Schüler-Bertelsmann an alle weiterführenden Schulen geschickt.“

Gerald Häfner, Bundestagsabgeordneter der GRÜNEN und Unterzeichner des Antrages gegen die Rechtschreibreform, am 26. März 1998 im Bundestag:
„Auch ich bin von den Schulbuchverlegern und anderen Verlegern angerufen worden.“

Theodor Ickler, Erlanger Sprachwissenschaftler (General-Anzeiger v. 18.8.98):
„Die Rechtschreibreform kostet Milliarden, und in irgendwelche Taschen muß das Geld doch fließen, so daß dem finanziellen Verlust vieler Bürger ein gleich großer Gewinn weniger Rechtschreibunternehmer gegenübersteht.“

Hermann Zabel, Mitglied der Reformkommission (Focus, 25.11.96):
„Auch die Gesundheitsreform kostet die Menschen viel Geld. Warum sollte es eine Rechtschreibreform zum Nulltarif geben?“

das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 98 (BVerfG 1 BvR 1640/97, S. 36):
„Notwendigkeit und Inhalt, Güte und Nutzen der Rechtschreibreform, die Gegenstand der Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit und der Fachwelt sind, können nicht nach verfassungsrechtlichen Maßstäben beurteilt werden.“

Theodor Ickler, Erlanger Sprachwissenschaftler (General-Anzeiger v. 28.8.98):
„In Wirklichkeit ist es aber so: Ein winziger Freundeskreis von Reformwilligen hat es fertiggebracht, den Kultusministern eine unausgegorene Reform aufzuschwatzen, die sie selbst schon längst am liebsten zurücknehmen würden, und nun beharren die Kultusminister in kindischem Trotz darauf, gegen einen überwältigenden Mehrheitswillen, gegen das fast einstimmige Verdikt der Sprach- und Literaturwissenschaft, gegen jede Vernunft - außer der ökonomischen Vernunft einer Gruppe von Spezialverlagen.“

Rolf Steuwe (Bildung aktuell 6/97):
„Der Deutsche Philologenverband (DPhV) hat sich frühzeitig in die Diskussion um die Rechtschreibreform eingemischt und viel weitergehende und völlig unsinnige Regelungen verhindert. Das kann angesichts der erkannten Schwächen der Reform aber nicht Anlaß zu euphorischem Jubel sein. Gemeinsame Erklärungen des DPhV zur Reform mit den Schulbuchverlagen, noch dazu mit der GEW, die eine viel weitergehende Reform wünscht, verbinden in wenig glücklicher Weise pädagogische Gedanken mit kommerziellen Interessen und geben möglichen Mißdeutungen Raum.“

das Verwaltungsgericht Hannover (6 B 4318/97) am 7.8.97:
„An ihrer Entscheidung, die Einführung der neuen Rechtschreibung in den niedersächsischen Schulen vorläufig zu untersagen, sieht sich die Kammer nicht dadurch gehindert, daß - wie aus Presseberichten hervorgeht - insbesondere Schulbuchverlage bereits ganz beträchtliche Investitionen getätigt haben. Die Kompetenzverfehlung darf nicht deshalb gebilligt werden, weil Dritte im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Reform finanzielle Aufwendungen erbracht haben.“

Gerhard Augst, Vorsitzender der Kommission für die deutsche Rechtschreibung im Oktober 97 (IDS-Online):
„Die jetzt gekauften Rechtschreibwörterbücher betreffen also im Wesentlichen den Ergänzungs- und normalen Erneuerungsbedarf, wenngleich für manche Kunden die Anschaffung eines neuen Wörterbuches auch durch die Neuregelung motiviert gewesen sein mag.“

Fritz von Bernuth, Geschäftsführer des Berliner Cornelsen-Verlages und Vorsitzender des Verbandes der deutschen Schulbuchverleger (Die Welt, 23.6.97):
„Es erscheinen bis Ende des Jahres zwischen 8000 und 10 000 Schulbücher, in denen die neuen Kriterien berücksichtigt sind. Das bedeutet Kosten zwischen 80 und 100 Millionen Mark.“

Ein Sprecher des Stuttgarter Ernst Klett Schulbuchverlags (Die Welt, 23.6.97):
„Aber wenn an der Reform jetzt noch mal etwas geändert wird, ist das schlicht eine wirtschaftliche Katastrophe.“

Fritz von Bernuth, Geschäftsführer des Cornelsen Verlages und Vorsitzender des Verbandes der deutschen Schulbuchverleger (Die Welt, 30.6.1998):
„300 Millionen Mark steckte die Schulbuchbranche in die Umstellung. Millionen Schüler lernen heute danach. Daher bewerten wir die Diskussion darüber, sie eventuell wieder zu kippen, als unverantwortlich. Wir haben die Bundesländer wiederholt angemahnt, in dieser Frage eine verläßliche Politik zu betreiben. Übrigens machten wir keine Mark mehr Umsatz mit der Rechtschreibreform.“

das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 98 (BVerfG 1 BvR 1640/97, S. 56):
„Die Einführung der Rechtschreibreform im Schulunterricht läßt die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der Unternehmen, auf deren wirtschaftliche Betätigung sie zurückwirkt, unberührt. Diese sind nicht gehindert, sich unter Abwägung der damit jeweils verbundenen wirtschaftlichen Chancen und Risiken für oder gegen eine Umstellung ihrer Produkte und Unternehmensabläufe auf die neue Rechtschreibung zu entscheiden. Soweit sich dies bei Schulbuchverlagen aufgrund deren besonderer Marktstellung anders verhält, ist zu berücksichtigen, daß Art. 2 Abs. 1 GG dem Grundrechtsträger keinen Anspruch darauf verleiht, für das Ergebnis wirtschaftlicher Betätigung einen Abnehmer zu finden.“

Fritz von Bernuth, Geschäftsführer des Berliner Cornelsen-Verlages und Vorsitzender des Verbandes der deutschen Schulbuchverleger (Die Welt, 5.8.97):
„Wir verkaufen wegen der Reform kein einziges Buch mehr. (...) Die Korrekturen könnten dann nach und nach eingearbeitet werden. Ich befüchte nur, daß die Kläger sich nicht darauf einlassen werden.“

das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 98 (BVerfG 1 BvR 1640/97, S. 32):
„Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels weist in seiner Stellungnahme darauf hin, daß bei den Kinder- und Jugendbuchverlagen alle Neuerscheinungen und die meisten Neuauflagen älterer Titel in reformierter Schreibung erschienen seien. Wenn man von dem Mehraufwand an Arbeit für das Lektorat durch die Einarbeitung in die neue Rechtschreibung absehe, seien es vor allem die Neuauflagen, die den Verlagen zusätzliche Kosten verursachten. Bei etwa 7.500 Neuauflagen und durchschnittlich 4.000 DM Kosten pro Band sei von Mehrkosten für die Umstellung in Höhe von rund 30 Mio. DM auszugehen. Ein Reformstopp würde den Verlust dieser Investitionen bedeuten.“

die Kultusministerkonferenz am 30.11.95:
„Die Kultusministerkonferenz geht davon aus, daß besondere Kosten bei der Umsetzung der Neuregelung nicht entstehen werden, da die Schulbücher mit Ausnahme der Rechtschreiblernmittel angesichts der gewählten Fristen und Termine im normalen Erneuerungsturnus ersetzt werden können.“

die Kultusministerkonferenz in einer Pressemitteilung zu ihrer Dresdner Erklärung am 25.10.1996:
„Der Austausch von Schulbüchern außerhalb des einschlägigen Sprachbuchbereichs der Grundschule und der Anfangsklassen der weiterführenden Schulen (das sind etwa 5% aller zugelassenen Lernmittel) allein wegen der Neuregelung ist nicht beabsichtigt. Schulbücher, die das neue Regelwerk beachten, können grundsätzlich bereits vor dem Termin des Inkrafttretens der Neuregelung am 01.08.1998 genehmigt werden. Das bedeutet, daß in Fällen turnusmäßiger Erneuerung aus sachlichen Gründen auch die Neuregelung der Rechtschreibung bereits vor 1998 eingearbeitet werden kann.“

die Sprecherin des Verlages Brockhaus (Mannheimer Morgen, 27.5.98):
„Wir sind jetzt aber sehr optimistisch, daß das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli grünes Licht für die Rechtschreibreform geben wird.“

der DUDEN-Verlag am 1.7.98 (14 Tage vor der Karlsruher Entscheidung) an die „lieben Kolleginnen und Kollegen“:
„Wir gehen davon aus, dass dieses Urteil zugunsten der Kultusminister, also pro Reform, ausfallen wird. Einer amtlichen Einführung der neuen Rechtschreibung zum 1. August 1998 steht dann nichts mehr im Wege. Bei einem positiven Urteil werden wir natürlich sofort (ab dem 15.07.98) mit unserer Werbekampagne beginnen. Nutzen Sie zum einen die Medienberichte, die diese Urteilsverkündung auslösen werden, und zum anderen unsere Anzeigenkampagne. (...) Dekorieren Sie Ihre Schaufenster entsprechend. Wir stellen Ihnen hierzu gerne attraktives Dekomaterial lt. Anlage zur Verfügung. (...) Ihre Kunden, die bei Ihnen bereits die 21. Auflage gekauft haben, hatten sich richtig entschieden, denn es gilt: DUDEN. Auf ihn können Sie sich verlassen. (...) Wir sind sicher, dass bei einem positiven Urteil trotz Sommerferien der Abverkauf ein Erfolg werden wird.“

Dr. Karl-Josef Schmidt, Finanzvorstand des Duden-Verlages (Mannheimer Morgen, 3.7.98):
„Wir gehen davon aus, daß Karlsruhe die Ampel auf Grün stellen wird.“

die Frankfurter Rundschau am 30.6.98:
„In der Bundesregierung wird fest damit gerechnet, daß die Rechtschreibreform planmäßig in Kraft treten kann. Wie die Frankfurter Rundschau am Dienstag in Bonn erfuhr, bereiten sich die Bundesbehörden darauf vor, daß die neuen Schreibregeln wie schon an den Schulen vom 1. August an auch in der Amtssprache gelten. Das Bundesverfassungsgericht, das am 14. Juli seine Entscheidung bekanntgeben will, werde keine Einwände dagegen erheben und das Zustandekommen der Reform nicht beanstanden, sagen maßgebliche Bonner Politiker voraus. Eltern hatten nach widersprüchlichen Gerichtsentscheidungen zur Anwendung der Rechtschreibreform im Schulunterricht das Bundesverfassungsgericht angerufen. Knapp zwei Wochen vor der Entscheidung des höchsten Gerichts sickerte in Bonn die Erwartung durch, daß wohl im Sinne der Kultusministerkonferenz (KMK) geurteilt werde. Als Hinweis auf diese Tendenz wurde auch gewertet, daß während des FDP-Parteitags in Leipzig am vergangenen Wochenende kein erheblicher Widerstand gegen das neue Regelwerk mehr zu spüren war, obwohl sich die Freien Demokraten an die Spitze der Reformgegener gesetzt hatten.“

die TAZ am 6.7.98:
„Das Bundesverfassungsgericht wird laut Focus die Beschwerde eines Lübecker Ehepaares gegen die Rechtschreibreform zurückweisen. Damit könne das umstrittene Reformwerk wie geplant zum 1. August eingeführt werden. Der Meinung der Richter zufolge könnten sich die Eltern nicht dagegen wehren, daß seit einem Erlaß an den Schulen Schleswig-Holsteins die neuen Schreibregeln gelten und ihre beiden Söhne danach unterrichtet werden. Das Grundrecht der Eltern auf eigenverantwortliche Kindererziehung werde nicht verletzt, berichtete das Magazin unter Berufung auf das Urteil, das am 14. Juli verkündet werden soll. Außerdem hielten es die Richter nicht für erforderlich, daß die Rechtschreibreform statt durch Erlaß per Gesetz eingeführt werde. Die Reform halte sich im Rahmen der bisherigen langjährigen Entwicklung der Schreibweise und beschränke sich darauf, widersprüchliche Regelungen zu beseitigen.“

das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 98 (BVerfG 1 BvR 1640/97):
S. 35: „(...) Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen das Grundrecht der Beschwerdeführer nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.“

S. 36: „(...) Gemessen daran wird das elterliche Erziehungsrecht der Beschwerdeführer nicht verletzt.“

S. 46: „(...) Nach diesen Maßstäben ist für die Einführung der neuen Rechtschreibregeln im Schulunterricht der Länder eine besondere gesetzliche Grundlage nicht erforderlich.“

Die Presse, Wien, am 16.7.98:
„Die Karlsruher Richter ließen durchblicken, die ‚Reform‘ verlange nicht nach einem Gesetzesbeschluß, weil ihr Ausmaß gering sei. Das hieße aber, andersherum gesagt, daß man sie ohnehin nicht wirklich braucht. Außer man hätte ganz spezielle Erwerbsinteressen daran. Schämt sich wer?“

das Ehepaar Elsner, Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht (Focus Online, 7.7.98):
„Mit Empörung nehmen die Beschwerdeführer zur Kenntnis, daß gut informierten politischen Kreisen die für den 14. Juli 1998 angekündigte Entscheidung (...) bereits vollständig bekanntgegeben wurde, nicht jedoch den Beschwerdeführern selbst.“

Uta Fölster, Sprecherin des Bundesverfassunsgerichts, am 8.7.98:
„Die Verdächtigungen und Unterstellungen sind aus der Luft gegriffen und entbehren jeder Grundlage. Absprachen mit anderen Staatsorganen oder interessierten Kreisen gibt es nicht und hat es nie gegeben.“

Matthias Dräger, WIR gegen die Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein (Die Welt, 9.7.98):
„Wer garantiert den Bürgern, daß das Karlsruher Urteil in gut unterrichteten Bonner Kreisen vorab nur gelesen, nicht aber auch korrekturgelesen wird?“

Hans-Jürgen Papier, Bundesverfassungsgerichts-Vizepräsident, in einem unter anderem an die Chefredaktionen des „Focus“ und der „Frankfurter Rundschau“ gerichteten Brief (Berliner Zeitung, 10.07.1998):
„Der Respekt vor Verfahrensbeteiligten und vor Gerichten gebietet es, auch anscheinend verläßlich zutreffende Informationen über den Ausgang eines Verfahrens nicht ohne Not vor dem festgelegten Verkündungszeitpunkt in den Medien zu verbreiten.“

Edzart Schmidt-Jorzig, Bundesjustizminister (Süddeutsche Zeitung, 11.7.98):
„Ich bin mir sicher, daß es im Gericht keine undichte Stelle gegeben hat und daß da in keiner Weise gegen die guten Sitten verstoßen wurde. Davon bin ich nach Gesprächen und Versicherungen überzeugt.“

Edzart Schmidt-Jorzig, Bundesjustizminister (Süddeutsche Zeitung 11.7.98):
„Es geht darum, daß wir das hohe Ansehen des Bundesverfassungsgerichts im In- und Ausland nicht beschädigen. Es gehört zu unseren drei rechtlichen ‚Exportschlagern“, gemeinsam mit dem deutschen Föderalismus und den Grundrechten. Es ist die Krone unseres Rechtsstaates und Vorbild für viele andere Länder. Mir liegt deshalb besonders daran, auch nur scheinbare Beschädigungen abzuwenden. Die Beteiligten sollten dieses Gericht nicht instrumentalisieren und ihre Interessen nicht auf dem Rücken des Gerichts austragen.“

das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 98 (BVerfG 1 BvR 1640/97, S. 59):
„Soweit dieser Regelung rechtliche Verbindlichkeit zukommt, ist diese auf den Bereich der Schulen beschränkt. Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben.“

Hans Zehetmair, bayerischer Kultusminister (Die Welt, 15.7.98):
„Nun gibt es eindeutige Rechtssichertheit. Die Verunsicherung in Schulen und Verlagen haben endlich ein Ende.“

Theodor Ickler, Erlanger Sprachwissenschaftler, 1998 („Der Staat schreibt vor“):
„Das Urteil von Karlsruhe - dessen wesentlicher Inhalt schon einige Zeit vor der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai bekannt wurde - ist zu begrüßen. Die Betreiber und Nutznießer der Reform hätten, wie bei früheren Gelegenheiten, im Falle eines gerichtlich erzwungenen Reformstopps sagen können, eine an sich gute und fortschrittliche Reform sei durch reaktionäre Kreise zu Fall gebracht worden, bevor die ganze Bevölkerung in den Genuß der neuen orthographischen Segnungen kommen konnte. Hinter Schulmauern kann der Staat bekanntlich ungestraft Allotria treiben. Erst wenn die Reform über die Schule hinausdringt in die Amtssprache, in Zeitungen und Bücher, läßt sich erkennen, was für ein gigantischer Humbug sie ist.“

die niedersächsische Staatskanzlei in einem Schreiben am 24.9.97:
„Es macht überhaupt keine Probleme, Schulbücher mit alter und neuer Schreibung nebeneinander zu verwenden. Jeder, der eine Wochenzeitung, die seit Januar 1997 auf die neue Schreibung umgestellt hat, liest, kann sich selbst davon überzeugen. (...) Die Behauptung, die Kultusminister hätten im Schulalltag eine Situation des Durcheinanders angerichtet, ist nicht zutreffend. Das Gegenteil ist der Fall. (...) Die Schulbuchverlage haben bereits zahlreiche Schulbücher mit neuer Rechtschreibung herausgebracht.“

Christian Meier, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.08.97):
„Was spricht dagegen, daß Schüler und Lehrer die vorliegenden Bücher, solange sie noch aufzubrauchen sind, gemeinsam korrigieren?“

Gerhard Schröder, niedersächsischer Ministerpräsident (Die Welt, 21.10.97):
„Die neuen Lehrbücher könnten weiterverwendet werden - mit der Maßgabe, daß die dort verwendete neue Schreibweise nicht gilt.“

das Institut für deutsche Sprache in einer Presse-Information vom 9.11.95:
„Es ist nicht richtig, daß die Einführung der neuen Rechtschreibung horrende Summen kosten wird. Die in Umlauf gesetzten Zahlen werden ständig weiter nach unten korrigiert. Längere Übergangsfristen sollen es gestatten, vorhandene Schulbücher, Formulare usw. ganz normal aufzubrauchen. Von Sprachlehrbüchern abgesehen, soll die neue Rechtschreibung erst bei Neudruck berücksichtigt werden.“

Michael Klett, Verleger (Der Spiegel 42/96):
„Verheerend wären die Folgen für den Schulbuchverlag. Die Reform ist bewußt oder unbewußt so subversiv angelegt worden, daß wir aus heutiger Sicht nicht eine komfortable Übergangszeit von fünf bis sieben Jahren haben, sondern die Masse unserer Produktion schon vom 1. Januar 1997 an - nach jetzigen Berechnungen - in zwei bis vier Jahren umgestellt haben müssen. Es sieht so aus, daß wir auch Physik- und Erdkundebücher mit einbeziehen müssen. Unsere Verlustrechnungen wegen der wegzuwerfenden Lagerbestände belaufen sich auf Größenordnungen zwischen 25 und 40 Millionen Mark- unglaublich, wie verantwortungslos hier mit uns umgesprungen wird (...).“

Gerhard Augst, Vorsitzender der Kommission für die deutsche Rechtschreibung im Oktober 97 (IDS-Online):
„Die meisten Schulbücher werden nach fünf bis sechs Jahren ohnehin durch neue ersetzt. Sie [die KMK] hat den Einführungstermin von 1997 auf 1998 verschoben, um den Verlagen eine Vorlaufzeit zu geben und den Schulen eine sinnvolle Kalkulation zu ermöglichen. Die Schulen haben nachweislich 1995 und 1996 mehr Physik- und Erdkundebücher, 1997 aber mehr Deutschbücher gekauft. Sie konnten also kostenbewusst verfahren. Sie hat neue Schulbücher ab 1997 nur noch in neuer Rechtschreibung zugelassen. Die Kosten für Schulbücher liegen in Hessen 1997 um 3 % bis 5 % höher als im Vorjahr. Diese jährliche Preissteigerungsrate ist seit 1990 festzustellen. Den Schulen sind also keine besonderen Kosten durch die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung entstanden. (...) Im Übrigen ist festzuhalten: Die Ausgaben für die Schulbücher und die Rechtschreibwörterbücher sind gemacht. Eine Rücknahme der beschlossenen Neuregelung lässt diese Kosten nicht nur unsinnig werden, sondern erfordert darüber hinaus neue Mittel für die Rückumstellung. Die Schulbuchverlage würden zumindest für die Neuzulassung vom Staat Ersatzansprüche stellen. Ebenso könnten Österreich und die Schweiz ihre Kosten für die Umstellung von Deutschland einfordern.“

der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. am 8.4.98:
„Gleichwohl liegt uns daran zu betonen, daß den Zeitungsverlegern in ihrer Gesamtheit in keiner Weise an einer Umsetzung der Rechtschreibreform gelegen ist.“

Dietmar Wottawa in einem Leserbrief (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.9.98):
„Fälle, die das Verfassungsgericht, wenn Machtausübung und Autorität staatlicher Institutionen in besonderem Maße auf dem Spiel standen, ungeachtet der eigentlich zugrunde liegenden Sachprobleme als als Stützungsorgan derartiger institutionen zeigten, gab es in der Tat nicht selten. In neuester Zeit sind es die gegen die Einführung des Euro und der Rechtschreibreform angestrengten Verfahren, deren politische Handhabung durch das Bundesverfassungsgericht unverkennbar ist. Im Falle der Rechtschreibreform etwa muß man diese Offensichtlichkeit geradezu erschreckend nennen: die vollkommen einseitige Gewichtung bei der Anhörung, die uneingeschränkte Übernahme der Kultusminister-Thesen, das Ignorieren der fundierten Einwände der Reformkritiker - Einwände, die sehrt leicht die Behauptungen der Minister widerlegt hätten, was nicht sein durfte -, das Ignorieren der für die Qualität der Reform aufschlußreichen Tatsache, daß die Reformkommission selbst große Teile ihres eigenen Regelwerkes als korrekturbedürftig erkannt hatte (ohne daß ihr von den Kultusministern die Korrektur erlaubt wurde), das vorzeitige Bekanntwerden des Urteils, die Verkündung trotz Rücknahme der Verfassungsbeschwerde (bestens geeignet, die Landesregierungen zu stärken, die Reformgegner zu schwächen und das Volk, das ebenfalls überwiegend die Reform ablehnt, ‚im Namen des Volkes‘ zu entmutigen, nicht zuletzt mit Blick auf den Volksentscheid in Schleswig-Holstein) - es ist unmöglich, zu einer anderen Erkenntnis als zu der zu kommen, daß hier ein rein politisch-opportunistischer Maßanzug geschneidert und alles Maßgefährdende weggeschnitten wurde.“

das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 98 (BVerfG 1 BvR 1640/97, S. 36/37):
„Auch aus der Eigenart der Sprache folgt kein absolutes Regelungsverbot. Die Annahme, die Sprache ‚gehöre‘ dem Volk, kann ein solches Verbot nicht begründen; denn weder bringt das ‚Gehören‘ eine Zuordnung im Rechtssinn zum Ausdruck noch könnte die der Annahme zugrunde liegende These, falls ihr rechtlicher Gehalt zukäme, eine staatliche Befassung verhindern. Daß ein Gegenstand dem Staat nicht ‚gehört‘, hindert diesen nicht daran, seinen Gebrauch bestimmten Regeln zu unterwerfen.“

der deutsche Bundestag am 26. März 1998:
„Die Sprache gehört dem Volk.“

Bon(n)mots und andere politische Worte

Mit einem Herren steht es gut,
Der, was er befohlen, selber tut.“

Johann Wolfgang von Goethe

Anke Brunn, Kultusminsterin von Nordrhein-Westfalen und Vorsitzende der KMK, am 26. März 1998 im Bundestag:
„Ich mache von der Möglichkeit Gebrauch, ganz in meiner traditionellen Rechtschreibung zu schreiben. Ich habe vor, das auch in Zukunft so zu machen.“

Detlef Kleinert, Bundestagsabgeordneter der FDP, am 26. März 98 im Bundestag, dazu:
„Das ist erhellend!“

Heide Simonis, Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins, am 27.9.98 zu ihrer Stimmabgabe:
„Ich bleibe selbstverständlich bei meiner alten Rechtschreibung.“

Heide Simonis, Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins, am 28.9.98 nach dem Volksentscheid:
„Die Schüler müssen jetzt etwas lernen, was in der Welt nicht mehr vorkommt.“

Ingrid Stahmer, Schulsenatorin von Berlin, in einem NTV-Interview:
„Von den Älteren kann ja weiterhin jeder schreiben, wie er will. Die Schriftsteller können schreiben, wie sie wollen, Sie können schreiben, wie Sie wollen, und ich kann schreiben, wie ich will!“

Franz-Peter Basten, CDU-Bundestags-Abgeordneter, am 18.4.97 im Bundestag:
„Der Geist Gottes weht, wo er will. Nicht aber bei den deutschen Kultusministern.“

Roman Herzog, Bundespräsident (Nürnberger Nachrichten, 23.11.96):
„Kultusminister sind aufgrund ihres geistigen Zuschnitts nicht in der Lage, über die Grenzen ihres Bundeslandes hinaus zu denken.“

Helmut Kohl, Bundeskanzler (Die Welt, 22.4.97):
„Die reaktionärste Einrichtung der Bundesrepublik ist die Kultusministerkonferenz. Im Vergleich dazu ist der Vatikan noch weltoffen.“

der Pressedienst der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 4.11.97:
„Die Kultusminister der Länder haben ein Rechtschreibchaos sondergleichen angerichtet. Die Verunsicherung von Schüler, Eltern und Lehrern hat einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Statt Durchhalteparolen auszugeben, müssen die Kultusminister - auch aus Achtung vor unabhängigen Gerichten - die sofortige Konsequenz aus der Serie negativer Gerichtsentscheidungen ziehen und die Rechtschreibreform bis zur Klärung aller juristischen und sprachlichen Zweifelsfälle aussetzen.“

Liesel Hartenstein, Abgeordnete des Deutschen Bundestages (SPD), am 27.10.97:
„Es ist geradezu unbegreiflich, mit welcher Hartnäckigkeit die Kultusminister der Länder und ebenso die Ministerpräsidenten, mit Ausnahme des Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Gerhard Schröder, an der Rechtschreibreform festhalten.“

Joachim Gres, Bundestagsabgeordneter der CDU, am 26. März 1998 im Bundestag:
„Die Kultusminister haben in einer kaum nachvollziehbaren Beharrlichkeit an der ihnen letztlich von den eigenen Bürokraten als Kuckucksei untergeschobenen Rechtschreibreform festgehalten.“

Hans-Ulrich Klose, Bundestags-Vizepräsident, am 4.6.97:
„Jeder, der mit Sprache umgeht, ist todunglücklich über diese Neuregelung.“

Detlef Kleinert, Bundestagsabgeordneter der FDP, am 26. März 98 im Bundestag zu den beiden anwesenden Kultusministern:
„Sie haben insbesondere auf Punkt und Komma obsternatsch darauf beharrt, (...) daß an dieser von Ihnen bzw. Ihren Mitarbeitern ersonnenen, Ihnen dann untergeschobenen Reform nichts mehr geändert werden darf, weil Sie ansonsten einen Gesichtsverlust befürchten und weil Sie befürchten, daß die staatsrechtlich nun wirklich ein Nullum darstellende Konferenz der Kultusminister bei dieser Gelegenheit etwas von der Macht verliert, die ihr im Laufe der letzten 50 Jahre - das ist ja kürzlich anekdotisch gefeiert worden, weil die Inhalte nicht so viel hergegeben haben - zugekommen ist und die möglichst erhalten werden soll.“

Liesel Hartenstein, Bundestagsabgeordnete der SPD, am 26. März 1998 im Bundestag:
„Jede Reform braucht Akzeptanz in der Gesellschaft.“

Hans J. Meyer, sächsischer Kultusminister und stellvertr. KMK-Vorsitzender, am 26.3.98 im Bundestag:
„Nicht um die Neuregelung der Rechtschreibung geht es in Wahrheit. Es geht um die Frage, ob diese Gesellschaft veränderungsfähig und veränderungswillig ist. Wenn es schon bei einem Reförmchen wie diesem zu solchen Reaktionen kommt, was soll dann erst geschehen, wenn es wirklich ernst wird mit Veränderungen in Deutschland?“

Horst Eylmann, Bundestagsabgeordneter (CDU) und Vorsitzender des Rechtsausschusses (Die Welt, 4.6.97):
„Die Reform hat Auswirkungen in das ganze Leben hinein. Es kann doch nicht sein, daß der Bundestag hier keine Kompetenzen hat. (...) Das Grundgesetz gibt uns die Kompetenz, Maße und Gewichte zu ändern, aber nicht die Sprache. Sie reformiert sich selbst.“

Gerald Häfner, Bundestagsabgeordneter (Die Grünen) (Die Welt, 4.6.97):
„Ich möchte überhaupt nicht, daß Sprache gesetzlich geregelt wird. Sie soll sich frei entwickeln wie bisher.“

Guido Westerwelle, FDP-Generalsekretär (Die Welt, 9.8.97):
„Die Tatsache, daß die Kultusministerkonferenz in der Lage ist, eine Rechtschreibreform zu beschließen, die keinen Sinn macht, aber sich nicht auf die Abschaffung des 13. Schuljahrs einigen kann, zeigt, daß sie sich in ein akademisches Wolkenkuckucksheim zurückgezogen hat.“

Jürgen Rüttgers, Bundesbildungsminister (dpa - Dienst für Kulturpolitik 45/97):
„Es ist ein Kardinalfehler gewesen, daß hinter verschlossenen Türen eine die Menschen zutiefst betreffende Reform verabredet wurde.“

Klaus Kinkel, Bundesaußenminister (dpa - Dienst für Kulturpolitik 45/97):
„... typisches Fossil des technokratischen Machbarkeitswahns der 70er Jahre. Damit muß Schluß sein!“

Detlef Kleinert (FDP), Bundestagsabgeordneter, im Deutschen Bundestag am 17.4.97:
„Es offenbart schon einen erheblichen Mangel an wünschenswerter Aufrichtigkeit, wenn die gleichen Kultusminister, die genau wissen, was sie hier anrichten, und deshalb möglichst schnell vollendete Tatsachen schaffen möchten, sagen: Wir sind nur für die Schule zuständig, und woanders können die Schüler schreiben, wie sie wollen. - Das ist doch nicht die Lebenswirklichkeit.“

Anton Pfeifer, Staatsminister beim Bundeskanzler, in einem Schreiben an eine Lehrerin vom 17.10.97:
„Wie Ihnen sicher bekannt ist, hat der Bundeskanzler wiederholt darauf hingewiesen, daß er den jetzigen Zustand mit den - zumindest in erster Instanz - einander widersprechenden Gerichtsentscheidungen als unhaltbar empfindet.. Er tritt deshalb dafür ein, daß sich die Länder auf eine vernünftige Lösung einigen, die einen Ausweg aus der Sackgasse weist. An einer solchen Lösung würde sich dann auch der Bund beteiligen.“

die Bundesregierung durch ihr Presse- und Informationsamt am 28.10.97:
„Sobald die Länder sich auf eine einheitliche Linie für das weitere Vorgehen verständigt haben, ist die Bundesregierung zu Gesprächen mit den Ländern bereit. Diese Bereitschaft hat die Bundesregierung bereits mehrfach bekundet.“

Anton Pfeifer, Staatsminister beim Bundeskanzler, in einer Pressemitteilung vom 28.10.97:
„Der Entscheidung der Ministerpräsidenten, im Streit um die Rechtschreibreform eine politische Lösung anzustreben und die Entscheidung hierüber nicht dem Bundesverfassungsgericht zu überantworten, ist nachdrücklich zu begrüßen. Nach dem Ergebnis der Ministerpräsidentenkonferenz ist es nun Aufgabe der Kultusminsterkonferenz , dafür zu sorgen, daß die eingesetzte Expertenkommission sich mit den wichtigsten Einwendungen gegen die vorliegenden Vorschläge befaßt und ihre Arbeit schnellstmöglich abschließt.“

Kurt Biedenkopf, sächsischer Ministerpräsident, während einer Ministerpräsidentenkonferenz am 28.10.95:
„Muß es überhaupt eine hoheitliche Aufgabe sein festzustellen,wie man Kuß schreibt?“

Christian Wulff, Vorsitzender der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion, in einer Pressemitteilung vom 20.10.97:
„Statt politische Entscheidungen zu treffen, läßt sich Herr Schröder erst durch Gerichte zwingen, sich an Recht und Gesetz zu halten.“

Gerhard Schröder, Ministerpräsident von Niedersachsen:
„Die Argumente für die Reform kann ich im Kopf nachvollziehen,aber nicht im Bauch.“

Christian Wulff, Vorsitzender der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion, in einer Pressemitteilung vom 17.10.97:
„Es fördert die Politik- und Staatsverdrossenheit, wenn Parlamente sich entmündigen lassen und Bürger ihr gutes Recht über Gerichte und Volksinitiativen suchen müssen.“

Hans-Joachim Meyer, Kultusminister in Sachsen, am 26. März 98 im Bundestag:
„Die weitverbreitete Übellaunigkeit, weil dieses Land unübersehbar vor großen Veränderungen steht, der generelle Mißmut, weil Besitzstände auf den Prüfstand gehören, die Verdrossenheit über Politik und Politiker, das allgemeine Nörgeln gegen ‚die da oben‘, dazu noch die nie ausgelüfteten Ressentiments gegen Schule und Lehrer, das alles ließe sich - ohne Gefahr, dafür geradestehen zu müssen - bequem bündeln und als Wurfgeschoß verwenden. Sie wissen doch ganz genau, daß die meisten, die sich an Unterschriftenaktionen beteiligen, nicht wissen, was der Inhalt dieser Neuregelung der Rechtschreibung ist, sondern schlicht und ergreifend gegen Veränderungen sind.“

Erika Steinbach, Bundestagsabgeordnete der CDU, am 26. März 1998 im Bundestag dazu:
„Bitte überprüfen Sie im Zuge Ihrer Vereinfachung, ob man nicht alle Meyers gleich schreiben sollte.“

Wolfgang Gerhardt, FDP-Vorsitzender, am 13.7.98 (ap):
„Wie viele Arbeitsstunden, wieviel Energie wurde in dieses Chaos gesteckt?“

Erika Steinbach, Kulturbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion des Bundestages, in einer Pressemeldung v. 10.10.97:
„Die renommierten Sprachwissenschaftler in Deutschland, Österreich und der Schweiz lehnen die vorliegende Rechtschreibreform in seltener Eindeutigkeit ab und fordern die sofortige Rücknahme, zumindest das Aussetzen der Reformen. Leider scheitert ihre Forderung an der starren Haltung der Kultusminister. Diese lassen in aller Stille an einer Reform der Reform arbeiten, um sie gegen den erklärten Sachverstand doch noch durchzusetzen. Lehrerinnen und Lehrer sind gehalten, nach einem flaschen Regelwerk zu lehren, Schülerinnen und Schüler müssen falsche Schreibweisen erlernen. (...) Dies ist keine lebendige Kultursprache mehr, sondern entspricht ministerialbürokratischer Denkweise. Nach dieser ist Sprache beliebig änderbar, sobald sich Schreibschwierigkeiten in der Schule einstellen.“

Hans-Joachim Meyer, Kultusminister in Sachsen, am 26. März 98 im Bundestag:
„Wie immer, wenn Reformnotwendigkeit besteht, sind Revoluzzer und Radikalinskis zur Stelle.“

Volker Beck, Grünen-Abgeordneter, im Deutschen Bundestag am 26.3.98:
„Es darf nicht sein, daß der Bund eine andere Sprache als Amtssprache haben will als die, die wir an den Schulen haben. Deshalb muß das, was an den Schulen gilt, auch in die Amtssprache des Bundes umgesetzt werden.“

Franz-Karl Basten (CDU), Bundestagsabgeordneter (ARD „Fakt“, 18.8.97):
„Wenn wir bei vorsichtiger Schätzung des Aufwandes bereits bei mehreren Milliarden DM gelandet sind, und die Aufwendungen der Wirtschaft nicht berücksichtigt haben, dann muß ich mich fragen, ob wir bei den Problemen, die wir in Deutschland wirklich haben, eine Sache machen müssen, die mit so viel Aufwand verbunden ist, und von der der Bundespräsident sagt, sie sei so überflüssig wie ein Kropf.“

Roman Herzog, Bundespräsident, am 15.7.98 zur Volksabstimmung in Schleswig-Holstein:
„Da warten wir jetzt, bis das Kind im Brunnen liegt. Vorher sollte man den Sarg nicht bestellen.“

Jürgen Rüttgers, Bundesbildungsminister (CDU) (Die Welt, 30.7.97):
„Was die Rechtschreibreform angeht, so ist das Kind nun endgültig in den Brunnen gefallen. Ohne ausreichende öffentliche Debatte kann man eine Reform dieser Reichweite nicht verordnen.“

Propaganda

Und lobt man sie nicht anderweitig,
dann loben sie sich gegenseitig!

Sprichwort

der Duden (Online):
„Der 1986 eingeschlagene Weg wurde von der 2. internationalen Konferenz (1990) bestätigt, die geleistete Arbeit der Arbeitsgruppen positiv gewürdigt. So heißt es unter anderem in der Abschlusserklärung: Die Teilnehmer der diesjährigen Konferenz stellten einvernehmlich fest, dass es sich bei den inzwischen vorliegenden bzw. sich abzeichnenden wissenschaftlichen Arbeiten zur Rechtschreibreform um den am besten durchdachten Neuregelungsvorschlag zur deutschen Rechtschreibung handelt, der seit der Orthographischen Konferenz von 1901 erarbeitet wurde.“

die Kultusministerkonferenz in der Abschlußerklärung zu den „3. Wiener Gesprächen“ am 24.11.94:
„Die Konferenz würdigte die sorgfältigen und umfangreichen wissenschaftlichen Arbeiten.“

Jürgen Zöllner, Kultusminister von Rheinland-Pfalz (aus Progagandamaterial des AOL-Verlages):
„Am meisten profitieren werden die, die das Schreiben neu lernen - also die Schulanfänger. Die Abschaffung von Sonderregeln und wahlfreie Schreibung in einzelnen Bereichen und die zusätzliche Möglichkeit, die bisherige Schreibung für eine lange Übergangsfrist ohne Sanktionen noch weiter benutzen zu können, bringen aber auch allen anderen Schülerinnen und Schülern Erleichterungen.“

Gisela Böhrk, schleswig-holsteinische Kultusministerin (aus Progagandamaterial des AOL-Verlages):
„Die neuen Regeln erleichtern das Erlernen der Sprache. Erste Tests haben gezeigt, dass die Fehlerquote sinkt. Endlich wird in allen deutschsprachigen Ländern nach denselben Regeln geschrieben. Was soll daran schlecht sein?“

der Duden in seiner Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht 1997:
„Die Neuregelung der Interpunktion zwingt die Schule geradezu - aber frei vom Zensurzwang, das ist das eigentlich Neue -, die Schüler zu einem bewussten Umgang mit der Zeichensetzung anzuleiten.“

Bertelsmann (Online):
„Die folgende Aufstellung bietet eine repräsentative Übersicht über die - im Zuge der Liberalisierungen der Rechtschreibreform vermehrt möglichen - orthographischen Varianten des deutschen Gebrauchswortschatzes sowie verschiedener Fachbegriffe. Damit wird dem Benutzer ein Fundus an nebeneinander stehenden Schreibungen bereitgestellt, der ihm bei seiner Entscheidung für eine der Möglichkeiten eine Orientierung bietet. Sowohl bei der Festlegung von Hausorthographien in Unternehmen und Redaktionen als auch bei der Abfassung umfangreicher Texte mit einheitlichen orthographischen Konventionen kann dieses Verzeichnis als Leitfaden dienen.“

Annette Schavan, Kultusministerin in Baden-Württemberg (aus Progagandamaterial des AOL-Verlages):
„Die Rechtschreibreform wird die Beliebtheit von Rechtschreibregeln nicht erhöhen, sie wird aber die Beherrschung der Regeln erleichtern.“

Ingrid Stahmer, Kultursenatorin von Berlin (aus Progagandamaterial des AOL-Verlages):
„An der Rechtschreibreform schätze ich besonders, dass sie für Schülerinnen und Schüler eine Erleichterung im Umgang mit der geschriebenen Sprache. (...) Die neuen Schreibweisen sind logisch und systematisch.“

Hartmut Holzapfel, hessischer Kultusminister (aus Progagandamaterial des AOL-Verlages):
„Die Rechtschreibreform bringt eine Reihe von Neuerungen, die allesamt überschaubar sind und insgesamt das Schreiben erleichtert.“

Rolf Wernstedt, niedersächsischer Kultusminister (aus Progagandamaterial des AOL-Verlages):
„Eine maßvolle Vereinfachung der Regeln, die vor allem den Schülern zugute kommt.“

Gabriele Behler, Kultusministerin von Nordrhein-Westfalen (aus Progagandamaterial des AOL-Verlages):
„Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung ist beschlossene Sache, eine Erleichterung für die Lernenden, keinerlei Grund für Aufgeregtheiten.“

Henner Wittling, saarländischer Kultusminister (aus Progagandamaterial des AOL-Verlages):
„Nach meiner Auffassung überwiegen die Vorteile der Rechtschreibreform. Viele Ausnahmen und Sonderregelungen, die das Schreiben und Schreibenlernen erschwerten, sind verschwunden. Schülerinnen und Schüler machen außerdem die spannende Erfahrung, daß ihre Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam mit ihnen lernen.“

Ein Kessel Buntes

Die falsche Rechtschreibung des einen,
ist die rechte Falschschreibung des anderen.“

Georg Christoph Lichtenberg, Philosoph, vor rd. 200 Jahren

Vicco von Bülow alias Loriot, am 11.10.97 anläßlich einer Dichterlesung in Weilheim:
„Die Rechtschreibreform ist vollkommen in Ordnung ... wenn man weder lesen noch schreiben kann.“

Gerhard Augst, Vorsitzender der Kommission für die deutsche Rechtschreibung, im September 97 auf den Einwand der Reformgegner, die Reform sei nicht notwendig (IDS Online):
„Aber viele Menschen können nicht r i c h t i g schreiben. Man schätzt ihre Zahl im deutschen Sprachraum auf ca. 60 % der Bevölkerung.“

Gerhild Böhrs, Referentin im Evangelischen Pressedienst (edp):
„Wer das Schamgefühl, aber auch die Hilflosigkeit von Analphabetinnen und Analphabeten erlebt hat, wird jede noch so kleine Erleichterung begrüßen.“

Günter Remmel, Personalleiter der Thyssen Umformtechnik GmbH (Remscheider General-anzeiger, 16.7.98):
„Wenn ich einen hocherfahrenen Mann habe, der im technischen Bereich und der Produktion topfit ist, dann kann er Schiffahrt auch mit fünf F schreiben.“

eines von 2.151 Schulkindern an Helmut Kohl (Schweriner Volkszeitung, 21.5.98):
„Du mußt sofort die Rechtschreibreform stoppen, sonst streiken wir Schüler und schreiben grundsätzlich, wie es uns gerade einfällt. Zum Beispiel: Liper dikker Kannstler Koool. Du müssteßt direckt ferhienderen, daßß wier fallch schreipen.“

die Moderatorin von Pro und Contra, ARD am 28.8.97, zur Trennung von „st“:
„Im 19. Jahrhundert ging das nicht wegen dem Blocksatz.“

die Nordrhein-Westfälische Landesregierung im Verfassungsschutzbericht 1997:
„Die Kampagne gegen die Rechtschreibreform fügt sich im Kontext rechtsextremistischer Agitation in die Islamismus- und Eurokampagne insofern ein, als auch hier ein Angriff auf die kulturelle Eigenheit des deutschen Volkes gesehen wird.“

das Sprach-Kontor Hamburg (Online):
„Zu Kriterien wurden, wegen empörter Aufschreie, dass zum Beispiel ‚der Keiser sein a‘ verlöre, neben allen linguistischen Argumenten die politische Vertretbarkeit und die praktische Durchsetzbarkeit. Zuerst waren noch die Vermeidung von üblichen Fehlerquellen und die Erzielung einer gewissen Einheitlichkeit Ziele der Reform. Doch in der öffentlichen Diskussion gerieten immer mehr Fragen nach dem Verfall typisch deutscher Kultur und ähnliche Argumente in den Vordergrund. Die Reform wurde dadurch zunehmend verwässert.“

Theodor Ickler, Erlanger Sprachwissenschaftler, in „Rechtschreibreform auf dem Prüfstand“, 1997:
„Ein Klavier ohne schwarze Tasten oder eine Flöte mit nur zwei Löchern sind leichter zu spielen als die heute üblichen Instrumente, aber die Musik ist auch danach.“

Rolf Wernstedt, Kultusminister von Niedersachsen, über die Rechtschreibreform (Hannoversche Allgemeine Zeitung, 24.3.98):
„Das ist eine der verrücktesten Erfahrungen in meinem Politikerleben.“

Karl Blüml, Vertreter Österreichs in der Zwischenstaatlichen Kommission (Reuter, 12.9.97):
„Wir haben doch nicht mit einer Bananenrepublik verhandelt!“

Waldemar Ritter, Ministerialbeamte im Bundesinnenministerium (Bild, 21.7.98):
„Die Gegner der Rechtschreibreform sind wie Berti Vogts: Sie können nicht verlieren.“

das Sprach-Kontor Hamburg (Online) bei der Suche nach Argumenten für die Reform:
„Die sehr rigide Regelung zur Verwendung von Fremdwörtern in Frankreich ist auch hier zu Lande durch die Presse gegangen.“

der Mathematiklehrer Jan Donhauser, stellvertretender Leiter der 140. Grundschule im Dresdner Neubaugebiet Gorbitz (Die Zeit, 12.9.97):
„Ja, die Eltern machen die meisten Probleme.“

Toni Schmidt, Sprecher des bayerischen Kultusministeriums (dpa - Dienst für Kulturpolitik 45/97):
„Die Lehrer lesen in den Zeitungen soviel falsche Argumente, daß sie zum Teil völlig verunsichert sind.“

H. Glinz (zit. bei K. Blüml, 1991):
„Rechtschreibung ist nicht wichtig - aber man muss sie beherrschen!“

Heide Simonis, Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin (Die Welt, 25.10.97):
„Die alte Rechtschreibung gibt nicht viel logischen Sinn, die neue gibt auch nicht viel logischen Sinn. Was zählt, ist allein die Sprache.“

Joachim Neander (Die Welt, 28.10.95):
„Die Rechtschreibung als Staatsangelegenheit, sagte mir einmal ein amerikanischer Literaturprofessor, sei eines jener Probleme, die die Deutschen sich von Zeit zu Zeit selbst erfinden, um sich von Wichtigerem oder Schlimmeren abzulenken.“

ein unbekannter Reformbefürworter (Deutsches Schulnetz Online):
„Ich bin sehr enttäuscht, daß die Nomina weiterhin groß geschrieben werden müssen. Schon weil das Drücken der Shifttaste beim Zweifingersystemschreiben nervt.“

Bernd Jedamzik, Physik-Autor, über sein Buch „Walz Blickpunkt Physik 10 - Lösungen“, erschienen im Schroedel Verlag GmbH, Hannover, 1997, ISBN 3-507-76153-X, am 9.7.97:
„Kaufen Sie dieses Buch nicht! Als einer der beiden Autoren möchte ich mich öffentlich für dieses Werk entschuldigen, und ich distanziere mich ausdrücklich von der in ihm verwendeten reformierten Rechtschreibung und Zeichensetzung, für die der Verlag und die jeweiligen Kultusminister die Verantwortung tragen. Für stilistische Mängel sind die Bearbeiter verantwortlich, die nachträglich extrem herumgeändert haben. Orthographische Fehler gehen auf den Verlag zurück.“

Bernard Lotholary, französischer Übersetzer:
„Die Deutschen versäumen keine Gelegenheit, uns Jakobinismus vorzuwerfen. Aber mit der Rechtschreibreform zeigen sie sich zumindest zentralistischer als wir.“

Eckhard Fäsold, schulpolitischer Sprecher der SPD, in einem Schreiben v. 29.11.96:
„Im Übrigen gilt die neue Rechtschreibregelung verbindlich nur für den Bereich der Schule und der Behördensprache, so dass jeder privat sich von den Rechtschreibvereinbarungen lösen kann. Niemand macht davon so selbstverständlich Gebrauch wie diejenigen, die mit der ‚Frankfurter Erklärung‘ Furore machten, nachdem sie die ihnen eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme nicht genutzt hatten.“

Christian Wulff, Vorsitzender der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion, in einer Pressemitteilung vom 20.10.97:
„Wie kann Herr Wernstedt eigentlich noch morgens in den Spiegel sehen, wenn er drei Tage nach der Gerichtentscheidung krampfhaft an der Rechtschreibreform festgehalten hat und nun den ungeordneten Rückzug verkünden muß.“

Hartmut Holzapfel, hessischer Kultusminister (dpa - Dienst für Kulturpolitik 45/97):
„In diesem Fall sind es die Besitzstandswahrer von Kommaregeln.“

Klaus Heller, Geschäftsführer der Rechtschreibkommission (Reuter, 12.9.97):
„Der Vorwurf, zwischen den verschiedenen Wörterbüchern auf der Grundlage der neuen Regeln gebe es bis zu 8.000 Abweichungen, ist falsch. Die Zahl ist wesentlich geringer. Der weitaus überwiegende Teil davon geht lediglich auf eine unterschiedliche Darstellung zurück.“

Valentin Fabrega, spanischer Wissenschaftler, in einem Leserbrief (Bildung aktuell 6/97):
„Vorschläge zu einer begrenzten Rechtschreibreform zur Erleichterung des Schüler-Lebens tauchen auch in spanisch sprechenden Ländern gelegentlich auf (...), wurden aber sehr entschieden zurückgewiesen in dem Bewußtsein, daß die zu erhaltende Einheit einer Weltsprache ein äußerst behutsames Vorgehen gebietet, wo verordnete Innovationen anstehen, die zudem mit dem Anspruch allgemeiner Verbindlichkeit verbunden sind. (...) Und schließlich würde kein Madrider Erziehungs-minister wegen der Änderung des Schriftbildes einer überschaubaren Liste einzelner Wörter (...) den gesamten Schulbuchbestand drastisch zu erneuern versuchen.“

Heinrich Schönemann in einem Leserbrief (Bildung aktuell 6/97):
„Die sogenannte Rechtschreibreform ist eine vollkommen überflüssige, unsinnige und schädliche Bürgerbelästigung, die zurückgenommen werden sollte.“

Jörg Berkemann, Bundesverwaltungsrichter (Main-Echo, 31.07.97):
„Wenn erst einmal die gesamte Journaille auf die neue Rechtschreibung umgestellt hat, ist der Wiesbadener Beschluß kaum noch zu halten.“

Gerhard Augst, Vorsitzender der Zwischenstaatlichen Kommission, am 12.12.97 im Haus der Geschichte:
„Das letzte Jahr war eine Tortur!“

Hans Schafgans in einem Leserbrief (General-Anzeiger, 27.7.98):
„Es wäre ein wunderschöner Traum, wenn das deutsche Volk sagte: ‚Wir haben Rechtschreibreform, und keiner schreibt mit.‘“