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Hessen
Karin Wolff tritt als Kultusministerin ab
Von Thomas Holl, Wiesbaden
Seit 1999 hessische Kultusministerin und in letzter Zeit umstritten: Karin Wolff (CDU)
13. Februar 2008 Die hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) zieht sich nach der andauernden Kritik an ihrer Schulpolitik aus der Landesregierung zurück. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Koch (CDU) teilte die seit 1999 amtierende Ministerin am Mittwoch mit, dass sie für eine neue Wahlperiode nicht mehr zur Verfügung stehe.
Diese „seit einiger Zeit“ mit „Rücksicht auf die eigene Person“ gereifte Entscheidung gelte auch für eine geschäftsführende Landesregierung, die wegen der unklaren Mehrheitsverhältnisse nach der Landtagswahl am 27. Januar nötig werden könnte. Der neue Landtag konstituiert sich am 5. April und wählt dann im Falle einer regierungsfähigen Koalition eine neue Landesregierung. Nur noch bis zu diesem Termin will die Ministerin im Amt bleiben.
Kritik am „Turbo-Abitur“
Der Unmut vieler Eltern und Lehrer an der von Karin Wolff durchgesetzten Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahren, der sogenannten G8-Reform, gilt als einer der Hauptgründe für die massiven Stimmenverluste der hessischen CDU von mehr als zwölf Prozent.
Das Tempo der Reform in Hessen sei hoch gewesen, verteidigte Frau Wolff diese Reform. „Im Sinne der Kinder und Jugendlichen, die nur diese eine Schulzeit haben, war das notwendig, ist aber in Kombination mit anderen Maßnahmen als Belastung empfunden worden.“
„Ungerechte Vorwürfe“
In ihrem Brief, in der sie noch einmal ihre Leistungen als Kultusministerin aufzählte, beklagte sich Frau Wolff bei Koch über die öffentliche Kritik an ihr. „Bei aller Selbstdisziplin“ betrachte sie manche der Vorwürfe als „ungerecht“. Ihre Entscheidung eröffne auch eine Chance, mit einem „neuen Kopf“ in der Bildungspolitik wieder stärker „auf die Sache bezogen agieren zu können.“ Koch, der mit Frau Wolff vorher gesprochen hatte, dankte ihr für ihre „erfolgreiche, neunjährige Arbeit“ und äußerte Respekt für ihre Entscheidung. „Dass hessische Schulabschlüsse im Ländervergleich im Gegensatz zu den neunziger Jahren heute einen guten Ruf haben, hängt unmittelbar mit der Arbeit der Kultusministerin zusammen.“
Wer das Kultusressort im Falle einer geschäftsführenden Landesregierung mitverwaltet, wollte Koch nicht sagen, da er davon ausgehe, dass nach dem 5. April eine neue Landesregierung ins Amt komme.
Sollte das nicht gelingen, werde er sicherstellen, dass „die Menschen sich auch über den 5. April hinaus auf eine gute Führung des Kultusministeriums verlassen könnten“. Als verwandtes Ressort für eine Mitverwaltung käme das von Corts (CDU) geführte Wissenschaftsministerium in Frage. Allerdings will auch Corts nach dem 5. April aus der Regierung ausscheiden, weil er in die Wirtschaft zu wechseln beabsichtigt. Für diesen Fall könnte dann Koch als geschäftsführender Ministerpräsident selbst das Kultusressort kommissarisch führen.
Ypsilanti: Rückzug „überfällig“
Die SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Andrea Ypsilanti nannte den Rückzug von Frau Wolff „überfällig“. Mit ihrem Scheitern auf ganzer Linie habe sie maßgeblich zur Wahlniederlage der CDU beigetragen. Die „falsche Politik“ der Kultusministerin sei aber „immer zu 100 Prozent“ von Koch und der CDU-Landtagsfraktion mitgetragen worden. Deshalb löse der Rücktritt von Frau Wolff allein keine Probleme. Hessen brauche einen „grundlegenden Wechsel in der Bildungspolitik, der nur unter einer sozialdemokratisch geführten Landesregierung stattfinden wird“.
Der FDP-Landes- und Fraktionsvorsitzende Hahn nannte die Entscheidung von Frau Wolff „nicht überraschend“. Sie habe 1999 in der gemeinsamen Regierung mit der FDP „einen guten Start gehabt“. In der Zeit der CDU-Alleinregierung habe sie seit 2003 aber „viele handwerkliche Fehler gemacht“. Ihr Rücktritt sei „nur eine Konsequenz daraus und das Eingeständnis ihrer Fehler“. Hahn forderte Koch auf, „unverzüglich Reparaturmaßnahmen an den Schwachstellen der hessischen Bildungspolitik vorzunehmen“.
Wolff hatte in der Vorwahlkampfzeit mit dem Bekenntnis, mit einer Frau zusammen zu leben, für Aufsehen gesorgt. Ihr Outing in der „Bild“-Zeitung („Ja, ich liebe eine Frau“) habe der Partei zwar nicht im liberalen Rhein-Main-Raum, aber in ländlichen Gebieten wie rund um Fulda geschadet, hieß es nach dem Wahldebakel in der hessischen Union. Es sei falsch gewesen, Wolff nicht schon vor fünf Jahren abgelöst zu haben, hieß es sogar.
Auszüge aus dem Rücktrittsschreiben von Wolff:
„Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, nach neun Jahren harter Arbeit für eine bundesweit vergleichbare und hochwertige Schulbildung ist es sicher erlaubt, im Abstand nur weniger Tage nach der Wahl eine persönliche erste Bilanz zu ziehen.
Ich bin mir sicher, dass im zeitlichen Abstand auch öffentlich angemessen gewürdigt wird, dass hessische Abschlüsse mittlerweile nicht mehr Gegenstand des Spotts, sondern der Anerkennung sind hessische Schülerinnen und Schüler heute wesentlich bessere Chancen auf einen Abschluss und offene Türen zu weiteren Anschlüssen haben eine volle Unterrichtsversorgung und verlässliche Vertretung mittlerweile Standard sind (...)
Die bildungspolitische Debatte des vergangenen Jahres ist auf wenige Themen verengt worden, in denen wie in anderen Bundesländern auch Nachsteuerungsbedarf besteht. Sie werden verstehen, dass ich bei aller Selbstdisziplin manche der vorgebrachten Vorwürfe in diesem und anderen Zusammenhängen als ungerecht betrachte.
Am Ende einer solchen Wahlauseinandersetzung muss es mir aber auch erlaubt sein, in Rücksicht auf die eigene Person selbst Entscheidungen zu treffen, gleichzeitig aber damit auch eine Chance zu eröffnen, mit einem neuen „Kopf“ im Bildungsbereich wieder stärker auf die Sache bezogen agieren zu können. Meine Entscheidung, nicht mehr für eine neue Legislaturperiode für das Kultusressort zur Verfügung zu stehen, ist seit einiger Zeit gereift.
Nunmehr scheint sich allerdings als eine Möglichkeit anzudeuten, dass die derzeitige Regierung aufgrund der schwierigen Wahlergebnisse einige Zeit länger geschäftsführend im Amt sein könnte. Ich möchte Sie bitten zu respektieren, dass ich mit dieser Entscheidung auch in einer möglichen geschäftsführenden Landesregierung nicht Kultusministerin bleiben möchte.
Mit dem Dank für eine großartige Zusammenarbeit und stets wunderbare Unterstützung durch Sie verbleibe ich mit besten Grüßen Karin Wolff“.
Lesermeinungen zum Beitrag [12]
· Karin Wolff bloß gestellt 14. Februar 2008, 16:37
· Abi-Hecheln? 14. Februar 2008, 08:41
· Gott sei Dank... 13. Februar 2008, 18:09 .....
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Detlef Lindenthal
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