Mannheimer Morgen
Mannheimer Morgen (Morgenweb, Rhein-Neckar) 18.6.2009
Sprache: Institut für Deutsche Sprache und Universität Mannheim präsentieren Studie über Einstellungen zur Sprache
Man spricht deutsch und das gerne
Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Groß
Die große Mehrheit der Deutschen schätzt die deutsche Sprache. Dieses Ergebnis einer repräsentativen Umfrage lässt sich klar benennen auch wenn der die Studie zusammenfassende Papierberg laut Untertitel nur erste Ergebnisse enthält. 2000 in Deutschland lebende Menschen, darunter auch Nicht-Muttersprachler, hat die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen zu ihren Spracheinstellungen befragt. 87 Prozent davon sagten, ihnen gefalle die deutsche Sprache gut oder sehr gut. Die Initiatoren halten die (vorläufigen) Ergebnisse aber nicht nur dieses positiven Gesamtabschneidens wegen für aussagekräftig. Die Befragung und ihre Auswertung gibt ihnen noch viele weitere interessante Informationen an die Hand.
Initiiert wurde sie, weil die deutsche Sprache zwar gut erforscht ist, aber nur wenige Daten darüber vorliegen, wie hier lebende Menschen über sie denken. Das Projekt knüpft an Befragungen an, die das Mannheimer Institut für Deutsche Sprache (IDS) Ende der 90er Jahre veranstaltet hat, denen wiederum auch durch diese Tageszeitung verbreitete Umfragen vorausgingen. Die aktuelle Befragung hat das IDS gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Sozialpsychologie der Uni Mannheim und unter Beteiligung des Deutschen Sprachrats veranstaltet; die Volkswagen-Stiftung hat sie finanziell gefördert.
Steigendes Interesse
Ein signifikant gestiegenes Interesse an Fragen der Sprache ist zu registrieren. Sagten vor zehn Jahren nur 13 Prozent der Befragten, sie interessierten sich stark oder sehr stark für Fragen der Sprache, so sind es jetzt 35 Prozent. IDS-Direktor Ludwig Eichinger erklärt den Zuwachs mit den öffentlichen Diskussionen über Rechtschreibreform und zunehmende fremdsprachige Einflüsse, vor allem in Form von Anglizismen. Relativiert wird der Wert freilich dadurch, dass sich an der Telefonumfrage vor allem solche Menschen beteiligt haben dürften, denen sprachliche Fragen jedenfalls nicht gleichgültig sind.
Bemerkenswert hoch ist auch die Zahl der Befragten, die sagen, sie seien stolz (56) auf die deutsche Sprache oder empfänden gar Liebe (47 Prozent) zu ihr. Die Sozialpsychologin Dagmar Stahlberg erklärt das mit dem entspannteren Verhältnis zur Nation, das die Deutschen in den letzten Jahren ausgeprägt haben.
Eine dialektal oder regionalsprachlich gefärbte Hochsprache wird in Deutschland, anders als etwa in Frankreich oder Großbritannien, geschätzt und wird nicht etwa mit niedrigem sozialen Status oder mangelnder Bildung assoziiert. Zudem hat die Befragung bestätigt, dass das Sächsische die geringste Sympathie unter den Dialekten genießt. Norddeutsche Lautungen sind dagegen sehr angesehen. Ob die Hochschätzung dialektaler Sprachfärbung sich auch dann noch bewahrheitet, wenn ein Bewerber um eine Arbeitsstelle sich entsprechend artikuliert, wollen die beteiligten Sozialpsychologen jetzt näher untersuchen.
Von politischer Brisanz
Fremdländische Akzente können sympathisch wirken, so die Studie. Ältere mögen besonders den französischen und italienischen Akzent, Jüngere bevorzugen den englischen und spanischen. Den türkischen Akzent finden zumal Jüngere vielfach unsympathisch sie vor allem bekommen ihn, schon durch die Schule, auch häufiger zu hören. Wer dabei gleich an Integrationspolitik und deren Defizite denkt, liegt womöglich nicht verkehrt. Entsprechend betonen die Initiatoren der Umfrage deren politische, vor allem kultur- und sprachpolitische, Brisanz.
Gerhard Stickel, ehemaliger Leiter des IDS und Mitglied des Europäischen Sprachrats, denkt dabei auch an die Frage, ob Deutsch als eine Amts- und Arbeitssprache der EU erhalten bleiben soll und an den schulischen Umgang mit Fremdsprachen. Von sprach- und schulpolitischer Relevanz dürfte nicht zuletzt der Umstand sein, dass 90 Prozent der Befragten Sorgfalt beim Sprechen und Schreiben für wichtig halten. Gut drei Viertel der Befragten meinen, es sollte mehr für die deutsche Sprache getan werden und sehen besonders die Schulen in der Pflicht. Ein Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache lehnt indessen mehr als die Hälfte der Befragten ab.
Bis die endgültigen Ergebnisse des Projekts Ende kommenden Jahres vorgestellt werden, ist vor allem noch die Feinanalyse voranzutreiben und die eine oder andere Frage experimentell zu vertiefen. Einig sind sich schon jetzt alle Beteiligten, dass es sinnvoll wäre, solche Befragungen regelmäßig zu veranstalten.
Mannheimer Morgen
18. Juni 2009
|