Kultur
Bei der gestrigen Veranstaltung Forum des Monats: Zukünftige Perspektiven der Kulturpolitik in Bayern in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste mit dem bayerischen Kulturminister Dr. Thomas Goppel kam die Sprache nicht, wie ursprünglich vorgesehen, auf die Rechtschreibreform.
Die drastischen Sparmaßnahmen der bayerischen Regierung beunruhigen die Gemüter derzeit so stark, daß die Probleme der Finanzierung bayerischer Kultureinrichtungen alles Inhaltliche in den Hintergrund gedrängt haben. Die Journalisten fragten freundlich, der Minister antwortete redselig, geschickt und schlagfertig, und die Versammelten verließen die Veranstaltung innerlich gestärkt wie eine verschworene Pfadfindergemeinschaft, die unter dem Eindruck der ernsten aber zuversichtlichen Worte ihres Anführers gewillt ist, den Gürtel enger zu schnallen nach dem Motto: Zähne hoch Kopf zusammenbeißen.
Zu welchen nicht immer genießbaren Früchten Goppels flinkes Denken führen kann, zeigte sich bei einem Abstecher ins Allgemeine: Angesichts der Problematik der kopfstehenden Alterspyramide sprach er eine geradezu menetekelhafte Warnung aus. Es sei zu befürchten, daß eine Gesellschaft, in der Abtreibung erlaubt sei, bei der Lösung des Problems der Überalterung auch vor Euthanasie nicht zurückschrecken würde. Er mußte das zweimal sagen, weil erst keiner glauben wollte, daß er das wirklich gesagt hatte. Im Publikum gab es vereinzelten Beifall, die freundlichen Journalisten blickten verlegen vor sich hin.
Da Goppel zuvor so viel Schönes und Kluges gesagt hatte, ist einigen Zuhörern die Abgeschmacktheit dieser Äußerung offenbar gar nicht bewußt geworden.
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Walter Lachenmann
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