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Forum > Beispielsammlung über Sinn und Unsinn
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Sigmar Salzburg
07.03.2008 20.40
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Selbstbewahrheitendes

‘Schwer wiegende’ Einsichten

Editiert von Oliver Schulz unter Lesertagebuch

Beim Korrekturlesen fallen mir immer mehr Abgründe auf, welche die Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 in die deutsche Sprache gerissen hat. “Schwer wiegend” war die heutige Hürde, über die meine Augen stolperten, als ich die fertige Seite eines Kollegen gegenlas. Der Blick in den Duden verriet mir dann, dass hier alles mit rechten Dingen zuging.
Heute abend gehts nach Essen. Am Wochenende spielt die Fortuna bei den Hamburger Amateuren, das ist ein bißchen weit für einen Kurztripp.
[…]
Schönes Wochenende.

Westfälischer/Soester Anzeiger u.a. 7.3.08
http://blog.come-on.de/?p=5805

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Fritz Koch
07.01.2005 16.26
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Mathematiker würden das "Unstetigkeiten" nennen:

Ein Unstetigkeitspunkt liegt vor, wenn eine Funktion hier sprunghaft ihren Wert ändert. Solche Funktionen sind nur innerhalb bestimmter Intervalle stetig, z.B. die gebrochenen Funktionen und irrationale Funktionen.
Allerdings gibt es auch „hebbare“ Unstetigkeiten, die mit der „Krankenhausregel“ von L'Hospital einen endlichen Grenzwert liefern. Alles klar?

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margel
07.01.2005 08.32
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Mal was für Logiker

In der „Welt“ von heute nennt K.Rutschky die nach wiederholten Scheidungen erneut eingegangenen Ehen „sequentielle Monogamie“. Bei einem anderen Autor las ich hingegen von zeitlich versetzter Polygamie (oder so ähnlich). Ja was denn nun?

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margel
07.01.2005 08.11
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´s Genuusch

Die kleine Celia schaut noch etwas mißmutig drein. Sie wurde mit nur 1210 Gramm Gewicht entbunden. Und die Mutter hat dann wohl entbunden. Der richtige Gebrauch des geburtshilflichen „entbinden“ stellt Zeitungsschreiber sehr häufig vor unüberwindliche Schwierigkeiten. – Man könnte eine Sammlung schiefer, mißglückter, nicht (mehr) recht verstandener Bilder und Redensarten anlegen. Ein paar Bespiele: Mit heißer Nadel gestrickt (genäht) – aufs Tempo drücken (im Sinne von Tempo machen) – unter den Nägeln brennen (auf) – einer wirft das Handtuch (das wirft bekanntlich der Trainer, nicht der Boxer). Aber auch auf der gelehrten Ebene gibt es Merkwürdigkeiten. Im „Stechlin“ sagt der alte Dubslav zu Czako, er bevorzuge „Hydropsie“ anstelle von „Wassersucht“, weil letzteres so „was kolossal Anschauliches“ habe. H.-M. Gauger (in „Der Autor und sein Stil“) meint, Dubslav denke dabei an „Sucht nach Wasser“. Aber hier ist „Sucht“, wie ursprünglich überhaupt, einfach „Krankheit“. Dubslav sieht das Wasser (als Folge einer Herzinsuffizienz)von seinem Körper Besitz ergreifen in Form von Ödemen.

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Fritz Koch
06.01.2005 18.33
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Ich wette, daß den Vorlesern Betonungszeichen in den Text geschrieben werden.

Ich würde mich auch so vorbereiten. Was die deutsche Schriftsprache nicht hat, aber braucht, muß man selbst ergänzen, um korrekt vorzulesen. Es sollte ein einheitliches System geben, das auch andere Vorleser benutzen können.

(Ein ähnlich chaotisches Betonungssystem hat das Ukrainische, dort werden in die Sprachlehrbücher für Ausländer Betonungszeichen hineingeschrieben, weil es so gut wie keine Betonungsregeln gibt und die Wortbedeutung bei gleicher Schreibweise je nach Betonung anders sein kann.)

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Bernhard Schühly
06.01.2005 18.24
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Vortragen deckt die Haken auf!

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
Man muß nur noch Satzgefüge gut formulieren können, schreiben wird der Computer. Mei, würde meine vierjährige Enkelin sich freuen! Mündlich ist sie schon Spitze in Deutsch, aber leider lernt sie im Kindergarten noch nicht lesen und schreiben. (Neulich wollte sie absolut nicht glauben, daß am "[Restorong]" „Restaurant“ steht, das muß ein Schreibfehler sein.) Sein Geschriebenes selbst wieder vorlesen muß der Schreibcomputer natürlich können.
Dazu fällt mir eine Frage ein, die mir eigentlich schon lange durch den Kopf geht:
Da es nun mal erwiesen ist, daß die reformierte Schreibung dem flüssigen Lesen und Vortragen nicht gerade förderlich ist, würde ich gerne wissen, wie bei deren „quasi amtlicher“ Einführung 1996 und danach jene damit umgegangen sind, die in ausgesprochenen Leseberufen arbeiten. Hat man z.B. jemals einen Nachrichtensprecher gefragt, ob er seither seine Konzepte nur noch in Refomschreibung verfaßt hat? Hätte man da nicht einige Versprecher oder Fehlbetonungen mehr hören müssen, falls sie in der Tagesschau- und der Heuteredaktion allesammt umgestellt hätten? Gerade beim Vorlesen von Texten – nicht beim stillen "Überfliegen“ offenbaren sich nämlich die wirklichen Tücken der RSR. Das ist mit ein Grund, weshalb manche vielleicht sagen: „Ist doch halb so schlimm, man versteht es doch gut genug.“ – Man ergänzt im Kopf schon eine Menge selber bzw. übersieht vieles was erst beim lauten Vortragen zu richtigen Stolpersteinen wird. Deshalb würde ich gerne mal wissen, wie so ein Berufstand, der auf das gute Vorlesen angewiesen ist, sich dazu äußert.
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Bernhard Schühly

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Heinz Erich Stiene
06.01.2005 14.58
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Bussgeld beim Öko-Test

Die jüngste Ausgabe der Zeitschrift Öko-Test enthält eine Beilage, in der die Leser über Gesetzesänderungen für das Jahr 2005 unterrichtet und nach ihrer Einstellung dazu befragt werden. Natürlich findet sich auch darin das übliche dummtapfere Bemühen um die Reformschreibung: so genannt, im Wesentlichen, des Weiteren usw. Besonders bemerkenswert sind aber die Strassensperrungen und das Bussgeld.
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Heinz Erich Stiene

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Fritz Koch
06.01.2005 12.42
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Die allgemeine Einstellung ist anders als "früher"

1945 und in den Anfangsjahren der BRD herrschte ein allgemeines tiefes (und begründetes) Mißtrauen gegen die sogenannten „Autoritäten“ und die Obrigkeit. Die Erfahrungen und die Tatsache, daß sehr viele der vorherigen „Autoritäten“ wieder in Amt und Würden waren, z.B. in der Rechtsprechung, oder trotz Verurteilung in Nürnberg schon nach kurzer Zeit freigelassen wurden, bewirkte ein gesundes Mißtrauen gegen alle Anordnungen „von oben“. Respektspersonen waren nur noch Leute wie Pastor Martin Niemöller. Nach (gottseidank) 60 Jahren Frieden in Westdeutschland fehlen diese Erfahrungen bei denen, die „das Sagen haben“. Es scheint nicht einmal ein ganz normales „gesundes Mißtrauen“ mehr vorhanden zu sein. Das ist mir und vielen meines Alters unverständlich, und deshalb gelten wir als „unbelehrbare Alte“.

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Karin Pfeiffer-Stolz
06.01.2005 11.34
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Damals wie heute ...

„Steinfeld kann ja gehen, wenn er will. Aber zu welchem Preis heutzutage!“

Lieber Herr Bolz,
es sind gewiß die täglichen Sachzwänge, die den Menschen dazu bringen, ein falsches System zu unterstützen, wenn auch „zähneknirschend“. Man macht mit, weil die anderen auch mitmachen. Man steigt nicht aus, weil man Angst hat. Das Problem ist, daß ein Einzelner, der gegen den Strom schwimmt, den persönlichen Schaden hat, wobei der Nutzen unter Umständen völlig ausbleiben kann.
Auch ich bin Teil dieses Systems, auch ich beuge mich (zwar unter Protest, und auch nur in Maßen). Auch ich habe Angst und weiß, daß mein Einzelopfer wahrscheinlich umsonst ist, wenn daraus keine allgemeine Bewegung wird.

Bedrückend dabei ist die Erkenntnis, daß der Mechanismus schon wieder greift. Jedermann kommt ja nur brav den von oben verkündeten Anordnungen nach, erfüllt nichts als seine „Pflicht“. Die Ursache für die unglaubliche Tatsache, daß ein Volk seine eigene Sprache willfährig beschädigt, stammt aus einer einzigen, immergleichen Wurzel – damals wie heute.
Um nicht mißverstanden zu werden: ich selbst nehme mich davon ebenfalls nicht aus.

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Karin Pfeiffer-Stolz

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Karsten Bolz
05.01.2005 17.04
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Re: Was ich konkret meine

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Karin Pfeiffer-Stolz
Lieber Herr Bolz, Sie meinen, es sei „kaum anzunehmen, daß diese Leute nicht wissen, welchen Schwachsinn sie teilweise produzieren müssen ...“ Wollen Sie damit sagen, die schreiben ganz bewußt Schwachsinn? Oder es ist ihnen egal, wenn sie Schwachsinn schreiben? Wenn Sie damit recht hätten: wie groß ist die Gleichgültigkeit der Berufsausübenden gegenüber ihrem Tun?
Liebe Frau Pfeiffer-Stolz, wie andere Leute an anderer Stelle auch schon ausgeführt haben, sind die meisten Menschen der schreibenden Zunft heutzutage Angestelle. Ihnen wird von den Vorgesetzten vorgeschrieben, welcher Arbeitsmittel sie sich zu bedienen haben. Selbst ein Thomas Steinfeld muß in seinen Artikeln in der Süddeutschen sich derer Hausorthographie unterwerfen, dabei ist er wahrlich kein Freund derselben, wie seinen Artikeln deutlich zu entnehmen ist. Thomas Steinfeld schreibt möglicherweise „daß", „muß", „sogenannt“, „schwerwiegend“, danach geht das Zeug durch einen Konverter (Neudeutsch „hochintelligentes Korrekturprogramm“) und was hinten rauskommt ist par ordre de mufti „richtig“. Wenn es ein Artikel zur Orthographie ist, kann er dann vielleicht drauf bestehen, daß gerade hier und jetzt und in diesem Artikel „so genannt“ doch „sogenannt“ sein muß, weil sonst der Sinn absolut verlorengeht. Ansonsten gilt die Hausorthographie der SZ. Punkt. Von oben verordnet. Steinfeld kann ja gehen, wenn er will. Aber zu welchem Preis heutzutage!

Die Redakteure von Spiegel und SZ (um mal bei den beiden zu bleiben) haben es ja gar nicht in der Hand, wie ihre Rechtschreibung auszusehen hat. Das geben ja andere vor.

Ein ähnliches Problem habe ich natürlich auch selbst, wenn ich einen Artikel für die Fachpresse schreibe. Meistens wird man aufgefordert, die „neue“ Rechtschreibung zu benutzen. Dann schreibe ich zähneknirschend „dass“ und „muss“. Solche Artikel werden dann zwischen mir und der Redaktion korrekturgelesen, so daß ich weitere „Verschönerungen“ größtenteils vermeiden kann. Da haben die Redakteure von SZ und Spiegel es im Tagesgeschäft schon schwerer.

In den anderen Punkten gebe ich Ihnen natürlich Recht.
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Karsten Bolz

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Fritz Koch
05.01.2005 16.55
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Bei "Schreibcomputer mit akustischer Eingabe"

hat bei mir eine Leuchtrakete für die Zukunft der Geräteentwicklung gezündet. Das kann der Elektronikmarkt der Zukunft sein, und viel Arbeit für Ingenieure und Facharbeiter.
Man muß nur noch Satzgefüge gut formulieren können, schreiben wird der Computer. Mei, würde meine vierjährige Enkelin sich freuen! Mündlich ist sie schon Spitze in Deutsch, aber leider lernt sie im Kindergarten noch nicht lesen und schreiben. (Neulich wollte sie absolut nicht glauben, daß am "[Restorong]" „Restaurant“ steht, das muß ein Schreibfehler sein.) Sein Geschriebenes selbst wieder vorlesen muß der Schreibcomputer natürlich können.
Man kann dann sicher auch Schreibcomputer entwickeln, die deutsch Gesprochenes gleich in anderen Sprachen niederschreiben.

Ich frage mir dann aber erst recht, warum jetzt extra eine Primitiv-Rechtschreibung erfunden wurde, wenn Schreibschwache bald nicht mehr selbst schreiben brauchen. Die sitzen dann mit „Headset“ in der Schulaufgabe, und das amtliche Schreibprogramm bedient 30 Schüler gleichzeitig (oder es laufen 30 Schreibprogramme gleichzeitig).

Gerade die Selberschreiber, die besser sein wollen als eine Maschine, brauchen eine hochqualifizierte Ausdrucksweise und dazu die entsprechende hochqualifizierte Grammatik und Rechtschreibung.

Dieses Problem hatten doch schon die Hethiter gelöst: Keilschrift für die Gebildeten und die amtlichen Schreiber und Hieroglyphen-Bilderschrift für die Anderen. Alles vorhanden und ausgegraben.

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Karin Pfeiffer-Stolz
05.01.2005 16.04
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Was ich konkret meine

Lieber Herr Bolz, ich stemme mich überhaupt nicht gegen die Entwicklung! Der Computer ist beim Schreiben eine große Hilfe – nur darf man dabei das eigene Gehirn nicht ausschalten. Ich bin der Auffassung, daß es äußerst wichtig ist, Kinder v o r dem Schreiben auf dem Computer eine vernünftige Handschrift einüben zu lassen – wie es nötig ist, Kindern zuerst das selbständige Rechnen mit dem eigenen Kopf beizubringen, ehe sie den Taschenrechner in die Hand bekommen.
Jede technische Errungenschaft bringt neben Bequemlichkeiten und Vorteilen auch Nachteile, dessen ist sich jeder bewußt. Mit den vorhergehenden Gedanken versuche ich mir vorzustellen, was das Schreiben per Computer für die Schrift bedeuten könnte. Möglicherweise bahnt sich keine negative, sondern eine positive Entwicklung an, wer will das schon wissen.

An den „Otto Normalschreiber“ muß man dennoch denken. Auch er erreicht mit seinen „Word-Neuschreib-Texten“ die Öffentlichkeit – mag es auch nur seine unmittelbare Umgebung sein, so prägt auch das. Außerdem möchte ich unseren „Otto N“ als Begriff etwas weiter fassen – anders wären die zahllosen Unsinnschreibungen in Zeitungen, Zeitschriften, Prospekten usw. nicht zu erklären. Unter die Kategorie „Otto N“ fallen offensichtlich – und bedauerlicherweise – auch viele professionellen und semiprofessionellen Schreiber.
Lieber Herr Bolz, Sie meinen, es sei „kaum anzunehmen, daß diese Leute nicht wissen, welchen Schwachsinn sie teilweise produzieren müssen ...“ Wollen Sie damit sagen, die schreiben ganz bewußt Schwachsinn? Oder es ist ihnen egal, wenn sie Schwachsinn schreiben? Wenn Sie damit recht hätten: wie groß ist die Gleichgültigkeit der Berufsausübenden gegenüber ihrem Tun? Oder wissen sie tatsächlich nicht, was sie tun, und der Herr wird ihnen schon verzeihen?

Man kann eine Weile mit diesem Schwachsinn aushalten, weil der Weg zur Erkenntnis nicht für jeden Menschen gleichlang ist. Bei mir hat es auch einige Jahre gedauert, ehe ich das begriffen habe. Auch ich habe damals gelächelt und gedacht, na, wenn die das so wollen ... Deshalb tendiere ich zur Meinung, die meisten Schreiber sind tatsächlich immer noch zu gutgläubig, und außerdem fehlt ihnen auch das Gespür für das Korrekte. Dieses Gespür geht übrigens durch Word & Co. täglich ein Stückchen mehr verloren.

Ich möchte weder die Technik aufhalten noch apokalyptische Bilder an die Wand werfen. Die Technik ermöglicht es uns zum Beispiel, hier in diesem Forum so erkenntnisreich miteinander zu kommunizieren. Das möchte ich nicht missen. Doch wir haben auch noch ein anderes Kommunizieren kennengelernt, in uns atmet eine Sprache, die einmal gemächlich über unsere Hand, die Finger und den Stift auf Papier gebracht wurde. Meine Sorge gilt den Kindern, die, umgeben von Maschinen und Hektik, den unmittelbaren Kontakt mit der anfaßbaren Welt zu verlieren drohen – nicht nur in bezug auf die Schrift. Die Technik wird für Veränderungen sorgen, sie wird auch die Einstellung zum Schreiben und zur Schrift verändern, soviel ist gewiß. Was dabei herauskommt, darüber kann man nur spekulieren. Und jedes kritische Nachdenken darüber sollte nicht unterdrückt werden.

Vielleicht habe ich mich jetzt verständlicher gemacht. Wenn wir uns keine Sorgen darüber machten, würde die Bewegung nicht geben, für die wir uns hier engagieren.
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Karin Pfeiffer-Stolz

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Karsten Bolz
05.01.2005 12.55
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Schreibautomaten

Ganz so uneingeschränkt möchte ich Frau Pfeiffer-Stolz nun doch nicht beipflichten. Es geht sicherlich einiges auf das Konto der automatischen Korrektur in Word. Erschwerend trägt dazu bei, daß die Voreinstellung in Word „Neue Rechtschreibung“ ist und viele das Häkchen zum Ausschalten gar nicht finden oder aus verschiedenen Gründen nicht finden wollen. (Auch die Korrektur für die bewährte Rechtschreibung ist in Word nicht perfekt und hat mir schon so manchen Lapsus durchgehen lassen.)

Aber: Unsere eigentliche Kritik geht ja gar nicht in Richtung von Otto Normalschreiber, der es nicht besser weiß oder vielleicht auch nicht besser wissen kann. (Otto Normalschreiber nutzt zum Verfassen von E-Mails oder SMS oder zum „Chatten“ in irgendwelchen Internet-Foren kaum eine Rechtschreibprüfung.) Sie geht vielmehr in die Richtung von professionellen Schreibern, Herausgebern von Zeitungen und Magazinen, Journalisten und Redakteuren, Leuten also, die halbwegs wissen sollten, wie Sprache funktioniert und wie man sie einsetzt. Es ist kaum anzunehmen, daß diese Leute nicht wissen, welchen Schwachsinn sie teilweise produzieren müssen, weil das Management beschlossen hat, das Korrekturprogramm (manchmal heißt so ein Ding auch ganz offen „Konverterprogramm“) des Herstellers ABC in der Version XYZ mit der gewählten Einstellung von „konservativ“ bis „progressiv“ einzusetzen. Daß z. B. der SPIEGEL heute noch „so genannt“ oder „schwer wiegend“ schreibt, wo „sogenannt“ bzw. „schwerwiegend“ am Platze wären, kann man kaum der Nachlässigkeit eines Redakteurs anlasten, sondern liegt einzig und allein an der (inzwischen gegenüber dem neuesten „amtlichen Regelwerk“ veralteten) Version des Korrektur-/Konverterprogramms. Dasselbe gilt in Fällen, wo Automaten zwangsweise ein „des weiteren“ oder „im folgenden“ in ein „des Weiteren“ bzw. „im Folgenden“ umsetzen.

Die Tatsache, daß heutzutage Korrektoren aus Kostengründen eingespart werden, hat sicherlich zu einer Vermehrung von Fehlern in Zeitungen und Zeitschriften geführt. (Zumindest mir geht es so, daß ich einen Fehler in einem Text aus eigener Feder eher überlese, als in einem Text eines anderen Schreibers.) Allerdings lassen sich damit wohl kaum die neuesten Blüten in den Zeitungen begründen.

Der technische Fortschritt wird sich heute so wenig aufhalten lassen wie Anno dunnemals, als erstmals ein schnaufendes Stahlroß auf Schienen Ärzte dazu veranlaßte, Menschen davor zu warnen, sich der erschreckend hohen Geschwindigkeit von 20 km/h auszusetzen. Daß Menschen in E-Mails und SMS eine andere Schriftsprache pflegen, als sie in der deutschen Hochsprache festgeschrieben ist, ist eine Tatsache. Sie ist allerdings genauso schlimm oder nicht schlimm, wie dieselbe Tatsache, daß auch Klosprüche seit Generationen selten bezogen auf Rechtschreibung und Grammatik Ansprüchen an eine höhere Literatur genügen. (Allerdings besitzen sogar Klosprüche eine höhere Halbwertszeit als die erwähnten flüchtigen E-Mails bzw. SMS.)

Mögen irgendwann zuverlässige Spracherkennungssysteme uns das physische Schreiben per Hand abnehmen, liegt es in der Verantwortung des Verfassers, sein Produkt auf Sinnhaltigkeit zu prüfen. Die alleinige Forderung meinerseits besteht darin, daß er dabei die größtmögliche Freiheit zur schärfstmöglichen und leserfreundlichsten Formulierung seiner Gedanken haben muß, ohne daß sein Schriftprodukt durch ein sinnentstellendes Konverterprogramm zwangsweise verbogen wird.
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Karsten Bolz

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Karin Pfeiffer-Stolz
05.01.2005 12.41
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Noch einmal zu Word

Weitere Gedanken zur Tatsache, daß sich zwischen Schreiber und Schrift eine Maschine stellt:

In der bisherigen Entwicklung der Sprachgeschichte war stets das allgemeine Erkennen und Verstehen von Wortbildern der Antrieb für die Ausbildung der Rechtschreibung. Der Leser selbst war damit maßgeblich an der orthographischen Entwicklung beteiligt. Seine Bedürfnisse bestimmten die Entwicklung unserer Schrift mit dem Ziel verbesserter Lesbarkeit. Icklers Beitrag im Südwestfunk erinnert daran: Wer schreibt und auch gelesen werden will, wird sich schon aus eigenem Interesse an den Bedürfnissen des Lesers orientieren, sonst läuft die Kommunikation ins Leere.

Heute verlassen sich die meisten Schreiber darauf, daß die Maschine statt ihrer an den Leser „denkt“. Der Bediener von Word übergibt die Verantwortung für das Verstandenwerden also der Maschine. Doch die Maschine kennt keine Verantwortung. Sie entscheidet stur nach einem Schema, das entweder ja oder nein heißt. Eine Maschine und ihr Programm kennt keine Schattierungen. Sprache aber ist etwas Lebendiges, deshalb kann die Maschine ihr auch nicht gerecht werden.

Kommt es hiermit zu einem Stillstand der Entwicklung der Schrift in Richtung Lesbarkeit? Wenn der Leser durch sein Verstehenwollen keinen Einfluß mehr auf den Schreiber ausüben kann, auf daß dieser sich selbst ums Verstanden-werden-wollen müht, also lesegerecht schreibt – was wird geschehen?

Der Maschine selbst ist es gleichgültig, ob jemand ihre getrennten, verstümmelten oder großgeschriebenen Wörter in einen vernünftigen Sinnzusammenhang stellt, so daß der Text vom Leser verstanden wird. Wie in anderen Lebensbereichen auch, kann man heute eine Entkoppelung von Ursache und Wirkung des menschlichen Handelns feststellen. Der Sinn für sein eigenes Tun kommt dem Menschen zusehends abhanden.
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Karin Pfeiffer-Stolz

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Ruth Salber-Buchmüller
05.01.2005 12.28
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Schreibroboter

Ja, aber wie gehen das Ausland und
die Übersetzer damit um?
Die Übersetzer müssen sich doch zumindest weiterhin
des Textes annehmen.
__________________
Ruth Salber-Buchmueller

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