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Forum > Schule
Frage nach dem eigentlichen Zweck von Rechtschreibung
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Christian F. Langewische
11.10.2004 02.58
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Dumm und dümmer...

Meinen Sie damit zufällig Anna Kyrieleis vom RBB, die in den Tagesthemen in ihrem Lobgesang auf die Rechtschreibreform nicht nur die üblichen Standardargumente für das Festhalten an diesem Unsinn herunterleierte, sondern noch ihre eigenen seltsamen Ideen (z.B. hinsichtlich Kleinschreibung) einstreute?

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Klaus Eicheler
All das spielt sich auf der Oberfläche ab, mit Blitzlicht und lächelnden Politikern, und sogar einer Tagesschaukommentatorin, die mühelos den Sprung von dümmlich zu dumm schafft. Herr, erbarme Dich ...


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Christian F. Langewische

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Klaus Eicheler
08.10.2004 23.50
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Worum geht es jetzt eigentlich?

Wir sehen verhärtete Fronten in der Rechtschreibreformdebatte zwischen Gut und Böse; und, als Vermittlung irgendwo dazwischen, ein „guser“ Kompromiß. All das spielt sich auf der Oberfläche ab, mit Blitzlicht und lächelnden Politikern, und sogar einer Tagesschaukommentatorin, die mühelos den Sprung von dümmlich zu dumm schafft. Herr, erbarme Dich ...

Das Problem liegt tiefer.

Die Rechtschreibung ist ein äußerlich sichtbares Zeichen, ein Banner. Früher war es das Banner der Bildung; wer es hochhielt, konnte bei den Beobachtern zumindest den Eindruck erwecken, er gehöre zu der Gruppe, für die das Banner steht. Natürlich gab es einige Fahnenschwenker, die sich in diese Gruppe eingeschlichen hatten: Außer Bannertragen nichts dahinter. Aber das hat man schnell gemerkt.

Nun ist es ein durchaus ehrenwertes Anliegen, daß jeder die Möglichkeit bekommen sollte, das Bildungs-Banner zu tragen. Leider hat sich herausgestellt, daß das Banner für manche zu schwer ist, vor allem dann, wenn der solide Untergrund fehlt. Sei's drum, könnte man pragmatisch feststellen, das Banner ist ja nur ein Zeichen, und das, wofür es steht, ist viel wichtiger. Aber eine andere Bewegung gewann Oberhand: Leichtere Fähnchen für alle („Winkelemente“, für die entsprechenden Mitglieder der Zwischenstaatlichen Kommission).

Wir haben keine Rechtschreibreformkrise. Wir haben eine Bildungsmisere. Nicht die falschen Banner werden geschwungen, sondern die meisten wissen nicht mehr, wofür sie ihr Banner schwenken.

Bildung besteht aus einer breiten Wissensbasis, die auf eine aktuelle Situation angewendet werden kann; die Kommunikation ist das Mittel, sich das Wissen anzueignen und dessen Anwendungsmöglichkeit fortzuentwickeln. Die Kommunikation beruht dabei auf Sprache, in geschriebener und gesprochener Form. Eine exakte Sprache, auch und vor allem in geschriebener Form, ist also Voraussetzung. Exakt heißt: Schreiber und Leser erreichen einen größtmöglichen Konsens bei effizienter und effektiver Aufnahme des Inhalts.

Hier sind wir bei der Rechtschreibung.

Solange die Rechtschreibung das Mittel zum Bildungszweck war, benötigte sie keine Bannerträger. Sie hat sich, dem Zweck entsprechend, laufend angepaßt und war ein erprobtes Mittel. Vielleicht haben viele, die sich auf den Zweck konzentrierten, einfach zu spät bemerkt, daß – ohne Bezug dazu – ein neues Fähnchen gehißt wurde.

Erst mit der Wahrnehmung dieses Fähnchens kam es zur Irritation. Erfüllte es wirklich die Ansprüche, die das Bildungsgebäude stellt, um darauf zu wehen? Aber die Diskussion befaßte sich daraufhin nur mit dem Preis des Wimpels und mit der Leichtigkeit, die es selbst Kindern aus „bildungsfernen Schichten“ ermöglichen sollte, damit zu winken.

Wir wissen aber, nicht zuletzt durch PISA und OECD-Studie, daß das Problem innerhalb des Bildungsgebäudes liegt, vor allem an dessen Eingang – nicht am Banner auf dem Dach.

Wie geht es weiter?

Menschen, die sich nicht bevormunden lassen wollen, die auf präzise Sprache angewiesen sind oder sie nur einfach lieben, werden Reform Reform sein lassen. Sie verwenden weiterhin die Orthographie, mit der sie sich in gewohnt hoher Qualität verständigen können, und wählen beim Kauf von Büchern und beim Bezug von Zeitungen und Zeitschriften entsprechend aus. Zwei Drittel neigen dieser Gruppe zu.

Sie werden sich von jenen zehn Prozent abgrenzen, die lauthals jede Reform als scheinbares Zeichen von Fortschrittlichkeit begrüßen. Lauthals – einfach deshalb, weil tragfähige Gründe für die Reform fehlen, abgesehen von persönlichen Vorteilsnahmen, die kaum als Argumente öffentlich angeführt werden können. Es ist ein beredtes Zeichen, daß nunmehr nicht über die vermuteten Vorteile der Reform diskutiert wird (die allesamt widerlegt wurden), sondern ausschließlich über die angebliche Unmöglichkeit der Rücknahme der Reform.

Die große Mehrheit wird irgendwelche Buchstaben aneinanderreihen, in der Hoffnung, das Geschriebene werde der Leser schon entziffern können. Für die meisten Alltagstexte mag das ja durchaus genügen. Diejenigen, denen Orthographie gleichgültig ist – wohlgemerkt, eine durchaus vertretbare Meinung – können bei der weiteren Betrachtung ignoriert werden. Die Diskussion um die Rechtschreibung ist nicht ihr Thema, und ihre Meinung hierzu ist irrelevant. Das mag hart klingen, aber wem die Schreibweise egal ist, dem soll sie wirklich egal sein. Wer mitdiskutieren will, muß Stellung beziehen.

Die Reformschreibung, die Kinder in der Schule lernen, ist an diesen niedrigen Qualitätsanspruch angepaßt. Alles, was darüber hinausgeht, ist nun Sache der Eltern und engagierter Lehrer, die ihre Einsicht im regulären Unterricht weisungsgemäß unterdrücken müssen. Nun, die Schule leistet ohnehin und bestenfalls einen Beitrag zur Bildung – da kommt es auf das bißchen zusätzliche Philologie, die nun zu Hause vermittelt werden muß, nicht mehr an. Nur: Es war wohl nicht geplant, die Bildung der Kinder noch enger an das Bildungsniveau der Eltern zu koppeln.

Und dann gibt es noch die, die glauben, sich anpassen zu müssen – um mit der Herde zu laufen, in vorauseilendem Gehorsam oder um vermutlich Wohlgefallen zu ernten, indem sie ihr Fähnchen nach dem Wind hängen. Oft ist es auch einfach Unkenntnis der Zusammenhänge. Viele Menschen aus dieser Gruppe sind sehr erstaunt, wenn man auf die lapidare Tatsache hinweist, daß sich die Reformschreibung ausschließlich auf Schulen und – teilweise – Verwaltungen bezieht, mitnichten auch nur annähernd Gesetzesrang hat und Vokabeln wie „Verbindlichkeit“, „endgültige Einführung“ oder „Beschluß der Kultusminister“ in diesem Zusammenhang schlicht falsch sind, aber oft in propagandistischer Weise mißbraucht werden.

Selbst das Bundesverfassungsgericht stellt fest, daß es jedem freigestellt ist, in der bewährten Rechtschreibung zu schreiben. Und zu diesem Zeitpunkt glaubte es sogar – reichlich naiv – noch, die Neuschreibung würde sich bis 2005 allgemein verbreiten.

Hier sehe ich ein weites Feld für notwendige Aufklärung:

1. Die heute allgemein gültige Rechtschreibung ist nach wie vor die, die bis 1996 für alle galt („Duden 20. Auflage“).

2. Die Reformschreibung ist eine Vorgabe der Verwaltung für Schüler und Lehrer innerhalb der Schule.

3. Die angeblichen Vorteile der Reform beziehen sich nicht auf sprachwissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auf die vorgebliche Erleichterung des Lernens und Lehrens. Dieses Argument ist empirisch und linguistisch widerlegt.

4. Die Reformschreibung ist nicht fortschrittlich, sondern exhumiert gescheiterte Veränderungsversuche von 1879 bis 1944.

5. Wer auf qualitativ hochwertige schriftliche Äußerung Wert legt, wird und kann sich der bewährten Rechtschreibung bedienen. Die Aufgabe, diese Kindern zu vermitteln, scheint nunmehr von der Schule auf die Eltern überzugehen.



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Klaus Eicheler

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Detlef Lindenthal
13.07.2004 06.55
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Professor Naumann erkennt einige Muster des Wandels, verkennt aber die Lage insgesamt.
Er wünscht sich lesestarke Schulkinder, erwähnt aber nicht, daß die Kinder die Sprache im Elternhaus lernen (und nicht erst ab 6 in der Schule, denn das wäre reichlich spät).
Wenn Ingenieure, Rechtsanwälte und akademisches Proletariat wegen sonst drohendem sozialem Abstieg keine Kinder mehr haben wollen, fehlen ebendiese sprachstarken Kinder in der Schule und werden mühsam von im Durchschnitt sprachschwachen Migrantenkindern ersetzt. (Wer den rasanten demographischen Wandel vorantreibt oder duldet, sollte aufrichtigerweise auch zu seinen Folgen stehen.)

Naumann möchte zwar die lesefreundliche Großschreibung, mag aber deren Grenzbereiche nicht und verkennt die Erfordernisse für ihre Lernbarkeit. Er äußert sich zu Dingen, für die er als Nicht-Lektor und nach zu flüchtiger Befassung noch kein Fachmann ist.
Und mit den von ihm erwünschten Verbesserungen ist es ja auch nicht so einfach: Die deutsche Rechtschreibung ist durch Jahrhunderte optimiert worden, jede Abweichung vom erreichten Optimum wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verschlechterung sein.

Daß die Rechtschreibung dem leichten Lesen diene und daß Lesen von großer Wichtigkeit sei, darin ist Naumann unbedingt recht zu geben. Aber mit seinem Vorschlag, den Schreibunterricht zurückzufahren, weil die „Kraft ... nicht in die Rechtschreibung gehen [müßte]“, drückt er eine falsche Taste. Denn es ist unter Pädagogen anerkannt, daß Schreiben und Lesen einander ergänzen und daß Kindern das Schreiben viel Spaß macht. Jedenfalls ist das Schreibenlernen kein Grund, der die Kinder vom Lesen fernhielte.
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Detlef Lindenthal

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Detlef Lindenthal
13.07.2004 05.11
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Frage nach dem eigentlichen Zweck von Rechtschreibung

Yahoo (ddp-nrd)
Donnerstag 1. Juli 2004, 07:28 Uhr

Germanist: Rechtschreibung soll dem schnellen Lesen dienen

Hannover (ddp-nrd). Der Germanist und Erziehungswissenschaftler Carl Ludwig Naumann vermisst in der öffentlichen Pro-und Kontra-Debatte um die Rechtschreibreform die Frage nach dem eigentlichen Zweck von Rechtschreibung. Es gehe letztlich darum, Geschriebenes schnell lesen zu können, sagte der Professor vom Institut für Deutsche Sprache und ihre Didaktik an der Universität Hannover in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp. Er fügte hinzu: «Die Schrift ist keine Rechtschreibung, sondern eine Schnelllese-Unterstützungs-Schrift.» Aus dieser Erkenntnis müssten die entsprechenden Konsequenzen abgeleitet werden.

Naumann nannte es gut, dass anders als in anderen Sprachbereichen bei der Rechtsschreibung «sehr vieles geregelt ist». Die Regelungen sollten aber unter dem Gesichtspunkt bewertet werden, «was wirklich lesenützlich ist». Hier stelle sich die Frage, ob die Groß- und Kleinschreibung in Randbereichen – nicht im Zentralbereich – wirklich lesenützlich sei. Naumann zufolge ist es «eigentlich egal», ob man beispielsweise in der Wortfügung «bis auf weiteres» groß oder klein schreibt. Dagegen sei die Großschreibung beispielsweise eines Wortes wie «Auto» gut, um den Kern eines Satzes schnell zu erfassen.

Der Wissenschaftler stellte in Frage, ob in diesem Sinne bei der Groß- und Kleinschreibung alles bis in die letzte Ecke geregelt werden müsse. Die gleiche Überlegung gelte für die Getrennt- und Zusammenschreibung. Es habe sich vieles von allein geregelt und das sei gut. Es gehe ihm keinesfalls um eine grenzenlose Liberalisierung der Rechtschreibung, betonte Naumann. Es sollte aber immer gesehen werden, was von den Regeln «lesenützlich» sei und was «leseunnötig».

Da Rechtschreibung «eigentlich eine Schnelllesung» sei, müsste das auch für die Schule Konsequenzen haben. Aus dieser Sicht wäre es nicht so wichtig, die Kinder ganz schnell zum richtigen Schreiben zu führen. Immerhin widerlegten alle Statistiken, dass dieses Ziel bereits in der Grundschule erreicht werde.

Vielmehr könnte doch umgekehrt gesagt werden: «Wenn die Rechtschreibung vor allem zum Lesen da ist, dann sollen die Kinder erst mal in Ruhe sinnverstehend und genau Lesen lernen und die Kraft müsste nicht in die Rechtschreibung gehen.» Einen Grund für die Bevorzugung der Rechtschreibung sieht Naumann darin, dass sie sich anders als beispielsweise das Lesen «prima zum Benoten eignet».

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