Brief an die KMK - Teil 2
Jetzt also die Antwort, die ich gestern noch an den guten Herrn Dr. Funk schickte.
Leider sind mir zwei kleine Schnitzer meinerseits erst heute aufgefallen. (Ich gehe aber davon aus, daß der Empfänger sie sowieso nicht bemerkt... )
Sehr geehrter Herr Dr. Funk,
ich bedanke mich zunächst einmal herzlich für Ihre Antwort.
Was eine wie immer geartete Fristsetzung angeht, die ich vorgenommen hätte, und die nicht den Regeln der „geltenden Geschäftsordnung“ des Sekretariates der Kultusministerkonferenz entspräche, so kann ich dazu nur fragen: Was hat eine Geschäftsordnung, die ich überdies nicht einmal einsehen kann, mit meiner Absichtserklärung zu tun, daß ich mein Anliegen als offenen Brief an die Presse geben werde, falls ich in einer mir für einen Antwortzeitraum (auch aus Gründen der Höflichkeit!) angemessen erscheinenden Zeitspanne keinerlei Antwort Ihrerseits erhalten sollte?
Kurz: Wenn Sie mir nicht geantwortet hätten, dann hätte ich davon ausgehen müssen, daß Sie meine Frage nicht beachtet, verstanden oder überhaupt gar nicht erst erhalten hätten. Da ich aber – salopp formuliert – eine Antwort gerne bekäme, hätte ich zu eben einem anderen Mittel greifen müssen, um Ihnen meine Frage zu stellen. Sie verstehen?
Der Ausdruck „Fristsetzung“ erscheint mir in diesem Zusammenhang als ein wenig unpassend.
Werter Herr Dr. Funk, daß die sogenannte reformierte Rechtschreibung (sie als „neu“ zu bezeichnen entspricht nicht der Sache – darüber können wir uns gerne weiterführend austauschen, falls ich diesbezüglich auf Unverständnis Ihrerseits stoßen sollte) auf staatlichem Wege diktiert und unter Umgehung sämtlicher demokratischen Prinzipien „verbindlich gemacht worden“ ist, entspricht der Realität; hierfür in erster Linie von Bedeutung ist die Tatsache, daß die Ausarbeitung der sogenannten reformierten Rechtschreibung in keiner Phase öffentlich gewesen ist. Sogar ehemalige Mitglieder der „Zwischenstaatlichen Kommission“ haben sich unmittelbar nach ihrem Austritt von dem Konstrukt „Rechtschreibreform“ distanziert. Dies alles ist im übrigen nachweisbar, ich kann Ihnen auf Anfrage gerne den ein oder anderen die Sache behandelnden Titel nennen.
Sprache kann nicht diktiert bzw. am Tisch erfunden werden, wie es bei der sogenannten Rechtschreibreform allerdings der Fall war. Ebenso kann ich Evolution nicht am Reißbrett planen. Sprache ist etwas Gewachsenes, sie entwickelt sich nicht nach linearen, vorhersehbaren Regeln. Insofern ist schon einmal die Tatsache, daß eine Ortographie als verbindlich verodnet wird, höchst fragwürdig, was die Beachtung demokratischer Prinzipien betrifft.
Wie sie sicherlich wissen, gab es am 27. September des Jahres 1998 im Bundesland Schleswig-Holstein einen Volksentscheid, mit dem die Bevölkerung dieses Bundeslandes die sogenannte Rechtschreibreform ablehnte.
Knapp ein Jahr später, am 17. September 1999, wurde dieser Volksentscheid vom schleswig-holsteinischen Landtag gekippt. Die Umstände, die dazu führten, sind ebenso hinsichtlich der Beachtung demokratischer Prinzipien zum mindesten als fragwürdig zu bezeichnen.
Einzelheiten hierüber sind auch öffentlich zugänglich. Ich möchte Ihnen empfehlen, sich damit einmal auseinanderzusetzen.
Des weiteren haben sämtliche repräsentativen Umfragen seit „Inkrafttreten“ der sogenannten Rechtschreibreform bestätigen können, daß die Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung sie ablehnt.
Behauptungen seitens der sogenannten Reformer selbst bzw. der Verteidiger der sogenannten Rechtschreibreform über die ihr zugrundeliegende [ich stellte zu spät fest, daß dieser Satz eigentlich verkehrt formuliert ist – Denkfehler meinerseits] angebliche positive Entwicklung an Schulen im Bundesgebiet, was die Schreib- und Leseleistungen bzw. die Fehlerzahlen von Schülerinnen und Schülern angeht, ließen und lassen sich allesamt entkräften. Sie können somit als Propaganda gewertet werden.
Die Aussage, an den Schulen sei es hinsichtlich der Akzeptanz zu keinerlei Schwierigkeiten gekommen, bewegt sich ebenso in den Gefilden der Propaganda, wenn auch ein wenig ungeschickt, da es dem Sachverhalt vollkommen fremde Kriterien zugrundelegt, bezüglich einer Verodnung von Akzeptanz zu sprechen.
Die offensichtlichen wirtschaftlichen Interessen vieler Wörterbuchverlage erhärten gerade hinsichtlich der Tatsache, daß Mitglieder der „Zwischenstaatlichen Kommission“ im Namen und Auftrag von Verlagen tätig sind, den Verdacht, es ginge bei dem gesamten Konstrukt „Rechtschreibreform“ nur um Profilierung bzw. Bereicherung einiger weniger.
Ferner kann spätestens seit Anfang dieser Woche eine allgemeine Akzeptanz der sogenannten Rechtschreibreform auch in der Presse nicht mehr nachgewiesen werden.
Und dies alles sind nur einige Argumente, die eindeutig belegen können, wie sehr eine Durchsetzung der sogenannten [„reformierten“ fehlt hier – leider wieder ein kleiner Schnitzer meinerseits] Rechtschreibung im höchsten Grade unter Umgehung demokratischer Prinzipien stattgefunden hat bzw. stattfinden soll.
(Das von mir in diesem Zusammenhang gebrauchte Attribut „sämtlich“ schenke ich Ihnen hiermit, daran möchte ich mich nicht aufhalten – entscheiden Sie selbst, inwieweit es gerechtfertigt ist, es im angesprochenen Zusammenhang zu verwenden oder nicht.)
Verehrter Herr Dr. Funk, Sie schreiben in Ihrer Antwort, daß „das Sekretariat der Kultusministerkonferenz keine Beurteilung abgeben“ könne, was das von mir angesprochene „Gewissensproblem“ anbelangt.
Nun nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich Ihnen hiermit mitteile, daß mich eine diesbezügliche Beurteilung Ihrerseits überhaupt nicht interessiert. Vielmehr empfände ich es als Beleidigung, wenn Sie überhaupt eine formulierten, da eine solche doch nur Aussagen über mein eigenes, persönliches Gerechtigkeitsempfinden zu treffen versuchte. Und das möchte ich mir doch ausdrücklich verbitten!
Was ich mir hingegen erhofft hatte, als ich den Brief und zuvor die Email an Sie (i.w.S. an Sie) schickte war, daß Sie mir eventuell die Frage beantworten könnten, wie ich Ihrer Ansicht nach von nun an überhaupt meinem Auftrag als Lehrer nachkommen kann, wenn ich mit solch widersprüchlichen und im Grunde genommen zutiefst respektlosen Sachverhalten konfrontiert werde, wie ich sie ausgeführt habe.
Ich bin mir durchaus darüber im klaren, daß diese Frage zu beantworten für Sie wohl nicht ganz leicht ist. Seien Sie versichtert: für mich auch nicht. Und eben deswegen wende ich mich ja an Sie, weil Sie ja quasi wenigstens in Teilen als ein Auftraggeber zu betrachten sind, da sie nun einmal dafür zustädnig sind, Form und Inhalte der Lehre an Schulen in doch eher großem Rahmen festzulegen.
Sollte das allerdings nicht zutreffen, sollte ich mich also hierin irren, so bitte ich Sie, wie ich es schon brieflich und per Email tat, mich weiterzuleiten bzw. mir Stellen zu nennen, an die ich mich mit meinem Anliegen wenden kann.
Abschließend möchte ich allerdings noch bemerken, daß Ihr Schlußsatz mich dann doch ein wenig verstimmt, denn er zeigt mir, daß Sie mein Anliegen dann so ernst nicht genommen haben können.
Gerade weil ich selbst nicht weiß, was ich nun tun soll, wende ich mich ja an Sie – das sollte nun deutlich geworden sein.
Diesbezüglich möchte ich das ganze Problem noch ein wenig ausführen, damit Sie es wirklich verstehen:
Als einen Schluß aus der ganzen Problematik kann natürlich der folgende betrachtet werden: Ich werde das tun, was verlangt wird, obwohl ich weiß, daß es falsch und verantwortungslos ist.
Um damit ohne Gewissensbisse umzugehen, müßte ich allerdings mir selbst Scheuklappen aufsetzen, was im Klatext bedeutete, daß ich mir eine Mentalität zu eigen machen müßte, die sich mit dem Satz „Was der Führer sagt, ist immer richtig“ umschreiben läßt.
Das jedoch kann nicht in Ihrem und der der Sache eigenen Sinne sein – oder etwa doch?
Ich möchte Sie also wiederholt bitten, diesbezüglich ein wenig Aufklärungsarbeit zu leisten, die sich doch zumindest in einer Weiterleitung an entsprechende Stellen zeigen sollte!
Mit freundlichem Gruß
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