Kieler Nachrichten v. 31.01.2007
Als erstes verraten wir die Lösung des Literaturrätsels:
Wer schrieb was?
„Vielleicht liebten sie sich umso mehr, weil die damaligen Verhältnisse Glaukus kein anderes Ziel seines höheren Strebens gestatteten als die Liebe. In dem despotischen Rom jener Zeit fand der A thener keinen Wirkungskreis. Das politische Leben seines Vaterlands war erloschen. Und weil der Ehrgeiz kein Gegengewicht gegen die Liebe bilden konnte, war es die Liebe allein, welche den Geist und das Herz ausfüllen musste. Ihnen erschien das eiserne Zeitalter, in dem sie lebten, wie das goldene, und der Zweck ihres Daseins war jetzt einzig und allein ihre Liebe.“
Die hier schwülstig gefeierte Liebe zwischen dem reichen Athener Glaukus und seiner schönen Landsmännin ist wie geschaffen für einen Hollywood-Historienschinken. Zumal Vertreter aller Stände, dazu Ägypter, Nubier und Angehörige anderer Völker des römischen Weltreichs dem Bild der umtriebigen Handelsstadt effektvolle Farben verleihen, das der Autor von ihren letzten Tagen von ihr malt. Doch der Leser kann beruhigt sein, die sich so innig Liebenden entkommen der Katastrophe. Der Autor, der auch als Politiker eine steile politische Karriere machte und sogar einmal Kolonialminister Großbritanniens war, wurde mit diesem Werk berühmt. Seine anderen Romane sind vergessen. Nur dass Richard Wagner einen von ihnen als Grundlage für eine Oper nahm, mag bekannt sein.
„Die letzten Tage von Pompeji“ von Edward Bulwer-Lytton (1834). Da sich der Rätselmacher im allgemeinen an die originale Rechtschreibung hält, muß es sich entweder um eine alte Übersetzung in der (seltenen) ß-losen Schreibung oder um eine auf neue Rechtschreibung umgeferkelte Neuausgabe handeln. Die genannte Oper Wagners war natürlich sein erster Opernerfolg „Rienzi“.
Nun in die Niederungen der Tagespolitik:
Zum Schulgesetz für Schleswig-Holstein gibt es Leserbriefe, die wieder zeigen, wie die „Volksvertreter“ über das Volk hinweg entscheiden, wie vorgeübt bei der „Rechtschreibreform“:
Arrogant und ignorant
Schulgesetz unter Dach und Fach
Selten haben Regierung und Parlament ein Gesetz von so großer Tragweite in einer solchen Blitzaktion „durchgepeitscht wie das neue Schulgesetz. Sobald die Bürger merkten, was hier gespielt wird, haben sie auf breiter Front ihre Ablehnung bekundet. Doch statt den Fuß vom Gas zu nehmen, um Zeit für einen fairen Dialog mit den Betroffenen zu haben, tritt die Regierung das Gaspedal bis zum Boden durch. Protest ist nicht erwünscht, und wenn die Argumente ausgehen, tun's auch Schläge unter die Gürtellinie […]
Matthias Schwertmann
Reformen ja, aber nicht diese
Die flächendeckende Einführung von Regionalschulen ist nun also beschlossen.
Der beeindruckende Widerstand von Eltern und Schülern wird von der großen Koalition und Presse als eine unwillige Schar von Reformgegnern abgetan . […]
Silke Jürgensen
… und in der Bundespolitik:
Die Mehrheit für die Gesundheitsreform steht … Die Fraktionsführung hatte nach der Abstimmung durch Handaufheben 30 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen gezählt, Reformgegner wie der Flensburger Arzt Wolfgang Wodarg sprachen von einem Drittel der Abgeordneten. … „Ich habe noch nie gesehen, dass Parlamentarier so belogen, getäuscht und so ausgetrickst wurden wie bei diesem Gesetz“, hatte sich der Flensburger Arzt beschwert.
Ob sich Herr Dr. Wodarg erinnert, daß mit der „Rechtschreibreform“ die Bürger auf die gleiche Weise behandelt wurden. – Auch für ihn schrieb sein Fraktionskollege Rossmann als Vertreter der Landesgruppe Schleswig-Holstein der SPD an die Bürgerinitiative am 26.04.2006:
Auch wenn die neuen Rechtschreibregeln nicht bei allen Teilen der Bevölkerung auf Gegenliebe stoßen, sollte unserer Meinung nach die Diskussion um die Reform der deutschen Rechtschreibung mit dem neusten Kompromiss beendet werden.
Es ist die Sprache der Tatsachenverdreher, denn diese Worte sollen den Anschein erwecken, als ob nur eine Minderheit Unbelehrbarer gegen die neue Schreibung sei. Tatsächlich haben 1998 fast 71 Prozent der Wähler dagegen gestimmt, ein Ergebnis, an das die Herren Wodarg und Rossmann selbst mit ihren guten ca. 45 Prozent bei der Bundestagswahl nie herankommen werden.
„Sowohl bei der ersten Rechtschreibreform als auch jetzt ist eine großzügige Übergangsregelung (bis zum 31.07.07) vorgesehen … zu gütig, die „so genannten“ Volksvertreter.
Jetzt wird nicht nur als fehlerhaft gebrandmarkt, wenn Schüler schreiben, wie sie es bei Thomas Mann, Siegfried Lenz, Hermann Hesse … gelesen haben, sondern auch, wie es verständige Türken auf deutsch haben erscheinen lassen, z.B. Orhan Pamuks vielgelobtes Buch „Istanbul Erinnerungen an eine Stadt“, im November bei Hanser in klassischer deutscher Rechtschreibung erschienen.
Umso mehr muß man es bedauern, daß die Bundesrepublik dem Nobelpreisträger nicht die Sicherheit bieten kann, die er für eine Lesereise benötigt:
Köln (dpa) Unter dem Eindruck massiver Drohungen hat der türkische Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk (54) eine Reise nach Deutschland nach Angaben des Kölner Stadt-Anzeiger. abgesagt.
Das Interesse an authentischer fremder Kultur bleibt aber nach wie vor gering, es sei denn, sie wird durch jazzige Ketchup-Sauce dem eingeübten Geschmack angenähert:
Cyminologiy verbanden im KulturForum persische Musik mit modernem Jazz …
Der Bass von Ralf Schwarz konnte singen, brummen, mit spitzig-spritzigen Querschlägern die Musik aufrauen.
Auch hier wäre das gestohlene h von „rauh“ hilfreich zur Untermalung des Timbres der Stimme.
Das verbotene kleine „leid“ haben wir nach zehnjährem Kampf wieder, von der verordneten Großschreibkrankheit wird man sich aber noch in Jahren nicht erholt haben:
Peking findet viele offene Arme, nicht nur, weil es in kurzer Zeit viele Menschen aus der Armut befreit hat. Zudem ist Afrika es Leid, sich von Europäern und Amerikanern wegen korrupter Machenschafter und fehlender Demokratie kritisieren zu lassen.
* * *
Helmut Krausser (Jg. 1964) hat sein neues Buch Eros genannt, … Dem Schriftsteller [Romanfigur], der von Brüggens Erinnerungen notiert, ist es freigestellt, fragwürdige Elemente zu streichen und durch eigene Darstellungen zu ersetzen. Gerade diese Doppelbödigkeit ist es, die dem Roman das entscheidende Quäntchen Glaubwürdigkeit und Ironie verleiht.
Das erinnert an die Doppelzüngigkeit der Schreibdiktatoren, die die (unfreiwillige) Zulassung herkömmlicher Schreibweisen als neue Freiheit preisen, aber nicht die Freiheit gewähren, Wörter der gebildeten Welt, wie „Quentchen“, zu verwenden.
Mahner und Sprachskeptiker
Vor 100 Jahren wurde Günter Eich geboren
… Eich, der mit der österreichischen Autorin Ilse Aichinger verheiratet war, erhielt 1959 den Büchnerpreis. Schon damals warnte er eine selbstzufriedene Öffentlichkeit vor der Kumpanei der Dichter mit der Macht und dem Missbrauch der Sprache.
Mit der vorliegenden Rechtschreib-Kumpanei der Journalisten halten wir uns nicht weiter auf, sondern erwähnen nur noch eine Mißfigur der Missschreibung:
KIELER KÖPFE
Für Susanne Bock (Foto), mehrfache deutsche Meisterin im Bodybuilding, geht ein Traum in Erfüllung. Die 36-Jährige, die 2005 in die Figur-und Fitnessklasse wechselte, hat sich durch ihren zweiten Platz bei dem Amsterdam Grand Prix für die Miss-Figur-Olympia-Show Ende September in Las Vegas qualifiziert, ….
__________________
Sigmar Salzburg
|