Spektrum der Wissenschaft Mai 2014
Wohlmeinende haben mir ein Exemplar des „Spektrum der Wissenschaft“ vom letzten Monat überlassen. Ich hatte die Zeitschrift ja vor 14 Jahren wegen der Umstellung auf die „Rechtschreibreform“ abbestellt.
Anscheinend benutzt der Verlag auch heute noch die Software der unverbesserten Urreform. Schon auf der Titelseite prangt dem Leser das Schlüsselwort der Reform entgegen: „Missstände in der biomedizinischen Forschung“. Das Hauptthema soll sein: „Ist die menschliche Sprache einzigartig? Der Blick ins Gehirn führt Linguisten zu einem neuen Bild unserer Kommunikation.“ Außer vagen Mutmaßungen bringt der Text aber nichts wirklich Neues. „Neutrinos. Die Geisterteilchen weisen auf eine neue Physik.“ Das gleiche auch hier.
So geht es das ganze Heft hindurch, immer begleitet von dem stotternd belehrenden
„so genannt“.
In diesem Spektrum-Heft wird es dem Leser 30mal untergeschoben. Schon um 2000 war klar, daß diese Ausgeburt der Trennschreib-Ideologie keinen Bestand haben kann. Medien, die etwas auf sich halten, wie der „Spiegel“ oder die „Zeit“, verwenden sie schon lange nicht mehr. Ansonsten gibt es außer den alles „versiffenden neuen ss noch eine Vielfalt von Reformmist unterschiedlicher Konsistenz:
im Wesentlichen, das 39-Fache, he-rausgefunden, als Nächstes, aufwändiger, ein viel versprechender Weg, diese Ergebnisse waren derart viel versprechend, Potenzial, rekons-truiert, geheim hält, hi-naus, aufs Neue, im Großen und Ganzen, als Erstes, eine Hand voll, im Allgemeinen, der ers-te, zu Stande, vo-rübergehen, bei Weitem, Letztere, Messergebnisse, seit Langem, seit Längerem, des Weiteren, zu Grunde, des Gleichen, schlu-cken, res-pektieren, das Kons-tanzer Konzil, von den 100.000 hergestellten Chemikalien seien maximal einige hundert Besorgnis erregend.
Nur die Seite 103 bringt historische Notizen der Jahre 1914 und 1964 – in der damaligen anständigen Rechtschreibung, z.B.:
Wissenschaftler wandern aus
»›Seit 1945 sind 4000 deutsche Wissenschaftler nach Amerika ausgewandert, 3000 davon allein seit 1952.‹ Diese Zahlen nennt der deutsche Physiker Dr. Herbert W. Franke. Die europäischen Nachbarländer wüßten ebenfalls von der Abwanderung der Wissenschaftler nach den Vereinigten Staaten zu berichten. Setze man die Ausbildungskosten für einen Naturwissenschaftler mit 40.000 DM an, dann ergebe sich bei nur 150 Auswanderern pro Jahr ein Verlust von jährlich 6 Millionen DM für die deutsche Wirtschaft.« Elektronik, 5/1964, S. A 33
Aber die deutsche Politik war da schon um einen Ausgleich bemüht, indem sie Fachkräfte aus Anatolien anwerben ließ.
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