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meckes
11.02.2004 21.18
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Utz Maas: daß, Orthographie

Gehört Utz Maas zu den „konstruktiven Kritikern“ der Reform, oder weshalb wird sein Abstract in Traditionsschreibung geduldet?

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Reinhard Markner
11.02.2004 15.32
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Das römische Alphabet und andere Gegenstände der Forschung

Tagung der DGfS, Univ. Mainz, 24. bis 27. Februar 2004

Gerhard Augst
Die orthographischen Regeln zur Bezeichnung der Vokalquantität – geprüft an Laien-Dialektverschriftungen
Donnerstag 10:00

Der Streit um die angemessene Beschreibung der Geminate ist nach wie vor unentschieden.
Beide Theorien – der Silben- und der Quantitätsansatz – sind durch die Komplementarität von Regeln und Ausnahmen beschreibungsangemessen. Beweisstücke für eine explanative Adäquatheit müssen daher von außen kommen. Bisher wurden vor allem die Fremdwortintegration und der kindliche Erwerb ins Feld geführt. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf Laien-Dialektverschriftungen lenken: Laien verschriften ihren Dialekt nach der hochdeutschen Rechtschreibung. Bei allen dialektalen Wörtern, die keine hochdeutsche Entsprechung haben, können sie sich dabei nicht auf Schreibschemata stützen, sondern nur Rechtschreibregeln anwenden. Ich möchte diese Regeln rekonstruieren für die Geminate und (komplementär) für -ie / Doppelvokal / -h. Mit welchem Beschreibungsmodell kann man die Schreibungen am besten erklären? Was folgt daraus für den Rechtschreibunterricht?

Nanna Fuhrhop & Inga Isele
Schreibungen mit Partizip I: Wissenschaftliche Fundierung und didaktische Umsetzung
Freitag 12:30

Die Schreibung von Verbindungen mit dem Partizip I wirft schon immer Probleme auf, seit der Rechtschreibreform verstärkt. So fragen sich viele, wie die teetrinkenden Frauen geschrieben wird oder die arbeitsuchenden Schüler, die ausbildungsplatzsuchenden Schüler, das ernstzunehmende Problem usw.

Viele der Probleme haben eindeutig grammatische Ursachen. Eine wesentliche Ursache liegt in dem Zwittercharakter der Partizipien I. Diese verhalten sich zum Teil wie Verbformen, zum Teil wie Adjektive. Selbst in der attributiven Funktion bewahren sie sich zum Teil ihren verbalen Charakter, indem sie verbale Ergänzungen nehmen. Andererseits können sie auch wie Adjektive Komposita bilden. Das führte systematisch zu einem Nebeneinander von Schreibungen wie die teetrinkenden Frauen – die Tee trinkenden Frauen. Die Reform verbietet bekanntermaßen die erste Schreibung. Aber damit hat die Unsicherheit bei der Schreibung von Verbindungen mit Partizip I extrem zugenommen. Die Neuregelung führt im allgemeinen Sprachgebrauch zu einer Übergeneralisierung der Getrenntschreibung (z.B. Freude strahlend). Es ist nicht weiter überraschend, dass nun auch die Existenz von Wörtern wie arbeitssuchend angezweifelt wird.

In dem Vortrag möchten wir einerseits die Partizip-I-Verbindungen systematisch untersuchen. Offenbar ist die Komposition hier nicht so frei, wie es für wirklich adjektivische Zweitglieder zu erwarten wäre, die meisten sind Rektionskomposita. Andererseits geht es um die konkreten Probleme der Schüler. Diese machen sich die Probleme bewusst, indem sie als sogenannte Sprachdetektive problematische Fälle in Texten suchen, und selbst eine Lösung versuchen.

Die Schüler einer 8. Klasse einer integrierten Gesamtschule sind bereits als Sprachdetektive aktiv; das genannte Problem wird für diesen Vortrag erforscht werden. Anhand der genannten Beispiele möchten wir die Probleme und Lösungsansätze skizzieren und beispielhaft überlegen, wie grammatisches Wissen für den Deutschunterricht genutzt werden kann.

Jochen Geilfuß-Wolfgang
Über den Erwerb der Worttrennung am Zeilenende
Mittwoch 17:30

Zu den Bereichen der deutschen Orthographie, deren Erwerb bisher in nur sehr wenigen Arbeiten genauer untersucht worden ist, gehört neben anderen die Worttrennung am Zeilenende, auch Silbentrennung genannt. So, wie die Worttrennung am Zeilenende geregelt ist, müssen Schreiberinnen und Schreiber, um eine Wortform am Zeilenende richtig zu trennen, diese Wortform in Silben segmentieren können. Sie müssen also nicht nur wissen, aus wie vielen Silben die Wortform besteht, sondern auch die Grenzen dieser Silben erkennen. Dass darin ein großes Problem für Kinder besteht, die die Worttrennung am Zeilenende erlernen, hat unter anderem Hartmut Günther angemerkt: „Während das
mündliche Syllabieren eine durchaus natürliche Fähigkeit ist, die Kinder schon lange vor dem Schuleintritt beherrschen, ist das Bestimmen von Silbengrenzen eine Fähigkeit, die schriftinduziert ist. Die silbische Gliederung des Gesprochenen lässt sich ohne Probleme nichtsegmental kennzeichnen – es ist die Schrift, die Segmente und damit Grenzen fordert.“

Auch empirische Arbeiten zeigen, dass Kinder zwar zu Beginn des Schriftspracherwerbs Wortformen zum Beispiel in Kinderspielen und Liedern unbewusst in Silben gliedern können und auch die Anzahl der Silben angeben können, aber große Unterschiede beim bewussten Silbifizieren dieser Wortformen zu beobachten sind. Da gegenwärtig in den Grundschulen durch mehr oder weniger geeignete Unterrichtsformen zwar das Bestimmen der Silbenanzahl
geübt wird, aber nicht das Bestimmen der Silbengrenzen, ist vor diesem Hintergrund zweierlei zu erwarten: Zum einen sollten Grundschulkinder, wenn sie die Anzahl der Silben einer bestimmten Wortform ohne größere Schwierigkeiten angeben können, auch mehr oder weniger problemlos angeben können, in wie viele Teile diese Wortform getrennt werden kann. Und zum anderen sollten Grundschulkinder, wenn die Silbengrenzen in einer bestimmten Wortform schwerer zu bestimmen sind als in anderen Wortformen, auch größere
Schwierigkeiten haben, diese Wortform orthographisch zu trennen. Um zu überprüfen, ob diese Erwartungen auch erfüllt werden, habe ich im letzten Jahr in zwei Grundschulen in Niedersachsen und Baden-Württemberg 55 Schülerinnen und Schüler aus 3. Klassen und 82 Schülerinnen und Schüler aus 4. Klassen insgesamt 50 Wortformen trennen lassen; zu diesen Wortformen zählten neben anderen Fenster, Wüste, plantschen und Peitsche, die auch Erwachsenen bei der Trennung Schwierigkeiten bereiten. Die Ergebnisse werden der Gegenstand meines Vortrags sein.

Robert Kemp
Unsere Buchstaben. Zur mnemonischen Funktion ihrer Namen und ihrer Ordnung im Alphabet
Mittwoch 16:30

Die Namen bzw. Nennformen der Buchstaben unseres Alphabets enthalten alle einen Lautwert, der für ihre jeweils primäre Verschriftungsfunktion charakteristisch ist. Das darin bestehende mnemonische Potential der Buchstabennamen nutzen wir mit großer Selbstverständlichkeit, und es erscheint uns als angemessen, dass etwa der Name des Buchstaben A nicht [?i:] oder [pi:] oder [töf] lautet, sondern eben [?a:].

Obschon es für Namen generell als überaus ungewöhnlich gelten muss, wenn sie in einer solchen Weise motiviert sind, ist das mnemonische Potential von Buchstabennamen damit aber noch keineswegs erschöpft. Insbesondere korrelieren auch einige Formklassen bei den Buchstabennamen mit lautlichen Klassen der Sprache. So beginnen ausschließlich die Namen solcher Buchstaben mit dem glottalen Verschluss [?], die zur Verschriftung von Dauerlauten dienen: (F, (L, (M; N), R), S); (A, E, I, O, U; Ä, Ö, Ü) X, Y). Schließlich erscheint es sogar möglich, dem Namen einiger Buchstaben Informationen über ihre Kombinatorik zu entnehmen. Dem Buchstaben C etwa muss bei der Schreibung nativer Wörter stets ein weiterer Buchstabe folgen, nämlich entweder K oder H. Unter den Konsonantenbuchstaben sind das wiederum die einzigen, deren Name den Vokal [a:] enthält. Den Buchstaben C könnte man somit als „transitiv“ klassifizieren, und die Tauglichkeit von K und H für eine „Selektion“ durch C wäre dann durch ein charakteristisches Merkzeichen der Buchstabennamen reflektiert.

Der Vortrag soll Phänomene dieser Art vorstellen und sie in Beziehung zur kanonischen Serialisierung der Buchstaben im Alphabet setzen. Eine Systematik mnemonischer Funktionen, kann nicht nur die Forschung zum Verhältnis von Sprache und Schrift um eine ungewöhnliche Perspektive bereichern, sondern damit auch der Didaktik des Lesens und Schreibens ein bislang unbekanntes Instrumentarium zur Verfügung stellen.

Martin Neef
Ein zweistufiges Modell des Schriftsystems: Graphematik und Orthographie
Donnerstag 9:00

Unter didaktischer Perspektive stellt sich die Orthographie zumeist als das Problem dar, wie lautliche Strukturen in geschriebene Strukturen überführt werden können. Zu dieser Sicht liefert die Linguistik theoretische Rechtfertigungen, die als ‘Abhängigkeitsmodelle’ klassifiziert werden können. Ich möchte demgegenüber ein theoretisches Modell formulieren
und auf seine didaktische Anwendbarkeit hin abklopfen, das die Beziehung zwischen Lautung und orthographischer Schreibung vermittelt sieht über die unabhängige Komponente der Graphematik. Dabei nehme ich an, dass ein Schriftsystem funktional dadurch ausgezeichnet ist, einem Leser das Erlesen fremder Texte zu ermöglichen. Da die gesprochene Sprache so funktioniert, dass lautliche Strukturen ausgetauscht werden, sollte eine schriftliche Repräsentation in der Lage sein, eine solche lautliche Repräsentation aus einer Schreibung erkennbar zu machen. Dadurch definiert sich die graphematische Komponente eines alphabetischen Sprachsystems derart, dass sie einen Mechanismus enthält, mittels dessen Schreibungen in Lautungen überführt werden können. Eine graphematisch lizensierte Schreibung ist folglich eine solche, die geeignet ist, die intendierte Lautung rekodierbar zu machen. Auf diese Weise ist es aber möglich, dass es für eine bestimmte Lautung mehr als eine graphematisch mögliche Schreibung gibt. So kann eine Lautung wie [rait] durch eine Vielzahl von Schreibungen rekodierbar gemacht werden wie z.B. durch , ,
oder < Rheydt>. Die orthographische Komponente des Schriftsystems verfolgt nun das Ziel, dass eine morphologische Einheit nach Möglichkeit immer gleich geschrieben werden soll. Aus dem skizzierten graphematischen Lösungsraum einer morphologischen Einheit mit der Lautung [rait] wählt die Orthographie infolgedessen eine bestimmte Schreibung als konventionell bindend aus. Eine theoretische Erfassung der Orthographie hat danach die Prinzipien zu bestimmen, nach denen auf der graphematischen Basis Schreibungen ausgewählt werden.

Für die didaktische Umsetzung hat diese theoretische Konzeption die Konsequenz, dass der Schrifterwerb in zwei Stufen verlaufen sollte. Dabei ist die graphematische Stufe eng an das Lesen und die orthographische Stufe eng an das Schreiben gekoppelt zu sehen. Für die Vermittlung der Graphematik geht es also darum, diejenigen Regeln zu präsentieren, mittels derer Schreibungen gelesen werden können. Anlauttabellen genügen hierbei freilich nicht, da Buchstaben typischerweise über mehr als eine lautliche Entsprechung verfügen. So wird der Buchstabe s regelgeleitet als [z] rekodiert in der Schreibung des Worts See, als [s] bei bis, als [.] bei Spaß und als Null beim zweiten Vorkommen in Biss. Da hierbei in hohem Maß die phonologische Komponente der Grammatik steuernd eingreift, muss die didaktische Umsetzung auf phonologisches (nicht phonetisches) Wissen der Lerner rekurrieren, das aber zumindest bei Muttersprachlern implizit gegeben ist. Die Vermittlung der Orthographie muss dann auf dieser Basis die Prinzipien bereitstellen, mittels derer orthographisch richtige Schreibungen ausgewählt werden. Dabei ist durchaus auch mit Unregelmäßigkeiten zu rechnen dergestalt, dass eine orthographisch richtige Schreibung gar nicht graphematisch verankert ist wie im Fall von doofe, das graphematisch fundiert nicht mit , sondern nur mit oder mit geschrieben werden dürfte. Orthographische Fehler sind danach von zweierlei Qualität: Wenn das Wort Hase orthographisch fälschlicherweise geschrieben wird, ist dies immerhin graphematisch korrekt, während die Schreibung auch graphematisch ausgeschlossen ist.

Literatur:
Neef, Martin, 2003. Unterdeterminiertheit in der Graphematik des Deutschen. Habilitationsschrift, Universität zu Köln.

Christina Noack
Die Bedeutung phonologischer Dekodierfähigkeit für die Lesekompetenz
Freitag 11:30

In dem gegenwärtig verbreiteten Literacy-Modell, das auch der PISA-Studie zugrundeliegt, wird davon ausgegangen, dass der Leseprozess auf mehreren Ebenen stattfindet (PISA 2000, S. 71ff). Dabei bleibt die basale Ebene, das Dekodieren der Schriftzeichen, gegenüber anderen Modulen in der Studie – wie auch größtenteils in der internationalen Forschungsliteratur, auf die sie sich beruft – eindeutig unterbewertet. Ihre Wichtigkeit für den Leseprozess wird zwar thematisiert, mögliche Folgen einer Störung der Dekodierfähigkeit jedoch ebensowenig erörtert, wie die Möglichkeiten, sie nach der Schrifterwerbsphase zu
beheben.

In meinem Beitrag möchte ich anhand von Leseprotokollen sog. „schwacher Leser“ mithilfe eines phonologischen Analyserasters darstellen, dass die Schwierigkeiten dieser Leser in den Dekodierungsleistungen auf Wort- und Satzebene bestehen. So sind sie nicht in der Lage, • die in der Schrift kodierten Information für Wortbetonung zu entschlüsseln, • eindeutige phonologische Markierungen wie etwa die für den Silbenschnittkontrast (Dehnung, Schärfung) zu erkennen, • Takte und Intonationseinheiten zu artikulieren und damit eine syntaktische (Verbal-/Nominalphrasen) bzw. semantische Analyse (Thema vs. Rhema) vorzunehmen.

Es ist davon auszugehen, dass dieses unzureichend aufgebaute Wissen für die phonologische Dekodierung eine zentrale Ursache der in PISA beschriebenen Defizite deutscher Schüler beim „verstehenden Umgang mit Texten“ (PISA 2000, S. 79) darstellt. Dies wird anhand von Ergebnissen aus einem aktuellen Foschungsprojekt belegt. Abschließend wird ein Konzept für einen stärker linguistisch fundierten Orthographieunterricht in den Grundschulen vorgestellt.

Literatur:
Deutsches PISA-Konsortium (Hg.): PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülern und Schülerinnen im internationalen Vergleich. Opladen: Leske + Budrich 2001

Beatrice Primus
Eine merkmalsbasierte Analyse der Buchstaben unseres Alphabets
Mittwoch 15:00

In den bisherigen graphematischen Analysen von Schriftsystemen, die auf dem modernen römischen Alphabet beruhen, geht man davon aus, dass der Buchstabe die kleinste Beschreibungseinheit darstellt. Arbeiten, die die Buchstaben unseres Alphabets in kleinere Segmente zerlegen und diesen ggf. Merkmale zuordnen, findet man nur außerhalb der Graphematik, etwa im Bereich der maschinellen oder perzeptiven Buchstabenerkennung. Einige Arbeiten sind insofern graphematisch fruchtbringend, als sie merkmalsbezogene Prinzipien oder Beschränkungen formulieren, die die Klasse der Buchstaben charakterisieren (Brekle 1994, 999, Watt 1983) und dazu beitragen, Buchstaben von anderen Einheiten unseres Alphabets, z. B. Ziffern, abzugrenzen (Watt 1983). Eine weiterführende graphematische Analyse, die Buchstabenmerkmale und phonologische Merkmale systematisch in Beziehung setzt, gibt es nicht (wenn man von vereinzelten Beobachtungen wie z. B. in Naumann (1989: 194-195) absieht). M. a. W. wurde noch nie der Versuch unternommen vorherzusagen, welche Buchstabenmerkmale von u, beispielsweise, mit den phonologischen Merkmalen [vokalisch], [hoch] und [hinten], die den Laut /u/ charakterisieren, korrespondieren.

Der Vortrag präsentiert eine systematische merkmalsbasierte graphematische Analyse der Buchstaben unseres Alphabets, die sowohl graphematikinterne Beschränkungen als auch Korrespondenzen zu phonologischen Merkmalen umfasst. Buchstabenvarianten (z. B. Majuskeln) werden durch einige wenige Beschränkungen abgeleitet. Die empirische Basis bilden phonologisch transparente, schriftsystemübergreifend konsistente Buchstabenverwendungen, wobei sich diese Pilotstudie auf das Schriftsystem des Deutschen konzentriert. Das allgemeine theoretische Modell ist der Optimalitätstheorie verpflichtet.

Die Ergebnisse dieser theoretischen Untersuchung sind für die Sprachdidaktik wichtig. Aus der Fülle der gedruckten und handschriftlichen Buchstabenvarianten helfen sie diejenigen Varianten und Merkmale im Unterricht zu fokussieren, die dazu dienen, einzelne Buchstaben systematisch voneinander zu unterscheiden und, was wichtiger ist, Buchstaben nach phonologischen Gesichtspunkten zu klassifizieren.

Literatur:
Brekle, Herbert E. 1994. Die Buchstabenformen westlicher Alphabetschriften in ihrer historischen Entwicklung.
Hartmut Günther & Otto Ludwig (Hgg.) Schrift und Schriftlichkeit. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung. Bd. 1. Berlin: de Gruyter, 171-204.
Brekle, Herbert E. 1999. Die Antiqualinie von ca. -1500 bis ca. +1500. Untersuchungen zur Morphogenese des westlichen Alphabets auf kognitivistischer Basis. Münster: Nodus.
Watt, William C. 1983. Grade der Systemhaftigkeit. Zur Homogenität der Alphabetschrift. Zeitschrift für Semiotik 5: 371-399.
Naumann, Carl Ludwig. 1989. Gesprochenes Deutsch und Orthographie. Frankfurt am Main: Peter Lang.

Karl Heinz Ramers
Funktionen der Kommatierung
Freitag/ 13:30

Die neue amtliche Regelung der Orthographie enthält insgesamt neun Paragraphen zur Kommasetzung (§71 – §79), die auf nur zwei Grundprinzipien zurückführbar sind:
1. Abgrenzung gleichrangiger Teilsätze, Wortgruppen oder Wörter (Koordinationsfunktion)
2. Markierung einer Satzgrenze innerhalb eines übergeordneten Satzes (Demarkationsfunktion).
Das erste Prinzip wird in §71 und §72 des orthographischen Regelwerks klar zum Ausdruck gebracht, das zweite dagegen wird nicht expliziert, sondern durch die Nennung verschiedener Beispielgruppen (Nebensätze; Infinitiv, Partizip- oder Adjektivgruppen; Zusätze oder Nachträge; Anreden, Ausrufe oder Ausdrücke einer Stellungnahme) regelrecht verdeckt.

Im Vortrag wird – in Anlehnung an Überlegungen von Primus (1997) – die Demarkationsfunktion näher beleuchtet. Im Mittelpunkt stehen dabei die folgenden Fragen:
• Welche Wörter und Wortgruppen konstituieren zusammen einen Satz bzw. eine satzwertige Konstituente im syntaktischen und/oder semantischen Sinne?
• Welche Wörter und Wortgruppen stehen außerhalb des Kernsatzes und werden deshalb mit Komma(s) abgegrenzt?
• Unter welchen Bedingungen bilden Sätze selbst Konstituenten eines übergeordneten komplexen Satzes und nicht unabhängige Teile eines Textes?

Auf der Grundlage der genannten theoretischen Überlegungen zu syntaktischen Funktionen der Kommatierung soll zusätzlich geprüft werden, inwieweit eine Explikation des Satzbegriffs im Rechtschreibunterricht das Erlernen der Kommaregeln unterstützen kann.

Christa Röber-Siekmeyer
Auffälligkeiten in frühen Kinderschreibungen als Indikatoren für phonetische Wahrnehmungsmuster und orthographische Regelbildung der Kinder
Donnerstag 11:30

Seit Jahren ist es üblich, Kinder schon früh, oft schon zu Beginn der 1. Klasse, aufzufordern, eigene Texte zu schreiben. Die unterrichtlichen Hilfen, die sie für diese Aufgabe in den Lehrgängen erhalten, bestehen in der Darbietung der Schrift in einem 1:1-Verhältnis zwischen Laut und Buchstabe. Da diese Lehre unzureichend ist, geben die Versuche der Kinder, ihr Gesprochenes graphisch zu repräsentieren, Aufschluss • über ihre analysierende Wahrnehmung des Gesprochenen. Deren ´Materialisierung´ in den Schreibungen ist gleichzeitig für eine empirische Kontrolle der Validität von linguistischen Segmentierungsmodellen nutzbar • über ihre sich langsam entwickelnde orthographische Kompetenz als Resultat ihrer Beobachtungen an geschriebenen Texten. Sie ist gleichzeitig als Beleg für die Funktionalität der Systematik in der deutschen Orthographie zu sehen.

Diese beiden sowohl linguistisch als auch didaktisch relevanten Möglichkeiten, Kinderschreibungen zu interpretieren, werden mit mehreren Beispielen belegt. Gleichzeitig werden Methoden zur Analyse und Interpretation der Kinderschreibungen dargestellt, die einen Nutzen vor allem als didaktisches Instrumentarium haben.

Utz Maas
Sprachwissenschaftliches know-how und Lehrerausbildung: Schrift, Schriftsprache, Orthographie
Mittwoch 10:30

Das Verhältnis zwischen professioneller Sprachwissenschaft und der Schule ist traditionell prekär: Es konstituiert eine endemische Konfliktkonstellation, bei der sich Vertreter einer Position, die „akademische“ Konzepte in die Schule bringen wollen, und Didaktiker, die alle systematische Reflexion als nicht schulpraxisadäquat ablehnen, wechselseitig bestätigen. Vor dem Hintergrund der wieder einmal in das öffentliche Blickfeld geratenen „Krise der Schule“ muß die universitäre Sprachwissenschaft ihr Aufgabenfeld neu justieren, zu dem vorrangig auch die Lehrerausbildung gehört, d. h. der Aufbau von Qualifikationen künftiger Lehrer, die ihren Schülern im sprachlichen Bereich Hilfestellung leisten sollen, insbesondere beim Erwerb der Voraussetzungen für den kompetenten Umgang mit der Schriftsprache. Der Erwerb dieser Kompetenzen nutzt das in der gesprochenen Sprache aufgebaute sprachliche Wissen für ein anderes Praxisfeld, das der Schriftsprache. Während die Erweiterung der mündlichen Kompetenz in der Regel „spontan“ über die Partizipation an zunehmend komplexeren Formen der Sprachpraxis erfolgt, erfordert der Aufbau schriftsprachlicher Kompetenz eine explizite Unterstützung, die sprachwissenschaftliche Qualifikationsanforderungen hat. Dazu gehört es, die Besonderheiten der Schriftsprache bestimmen zu können, von denen die orthographischen Regularitäten nur der sichtbarste Teil sind.

Obwohl in diesem Bereich die Forschung seit einiger Zeit erhebliche Fortschritte gemacht hat, spiegelt sich das noch kaum in der Lehrerausbildung. Als zusätzliche Schwierigkeit kommt hinzu, daß die Sprachwissenschaft hier mit anderen Disziplinen konkurriert, deren Forschungen in diesem Feld ebenfalls einen Schwerpunkt haben, wie es insbesondere bei der Psychologie der Fall ist. Insofern geht es auch darum, den spezifischen Ort der Sprachwissenschaft in diesem Gesamtfeld zu bestimmen. Dieser ist insbesondere dadurch definiert, daß in der sprachwissenschaftlichen Forschung die sprachspezifischen strukturellen Voraussetzung in den Blick genommen werden, die bei disziplinär anders orientierten Forschungen ausgeblendet bleiben. Im Vortrag sollen daher Beispiele zur Verdeutlichung dienen, die typologische Besonderheiten des Deutschen bei der Fundierung der Orthographie aufgreifen. Dem Bau einer akzentdominierten Sprache, deren Silbenstruktur akzentgesteuert ist, entspricht im Deutschen eine Orthographie, deren Sondergraphien in diesen prosodischen Verhältnissen fundiert ist – im Gegensatz zu silbenhomogenen Sprachen, deren entsprechend anders gebaute Orthographie fälschlich (aber gerne) als Reformmodell gehandelt wird (was den Blick auf die Verhältnisse im Deutschen versperrt). Die Möglichkeiten zur didaktischen Umsetzung solcher struktureller Anlysen sollen im Vortrag angesprochen werden.

Auf einer theoretischen Ebene sind die erforderlichen Systematisierungen solcher praktisch nutzbarer Wissensbestände mit den leitenden Konzepten der Modellierung sprachlichen Wissens in der derzeitigen Sprachwissenschaft abzugleichen. Das gilt insbesondere für die in der generativistischen Tradition gerne benutzten Vorstellungen von der „orthographischen Tiefe“ (bzw. der für jede Orthographie zu bestimmenden Relevanzebene der orthographischen Verankerung) gegenüber beobachtungsnäheren („oberflächenorientierten“ Konzepten, die es erlauben, widersprüchlichen Faktoren der Sprachpraxis Rechnung zu tragen. Hier geht es insbesondere um die Ausbalancierung von Fundierungen der orthographischen Schreibungen in phonologischen (prosodischen) Strukturen auf der einen Seite, der Repräsentation grammatischer Strukturen auf der anderen Seite, und schließlich auch traditionellen „ästhetischen“ Anforderungen im konnotativ besetzten Feld der Schriftkultur.

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Theodor Ickler
25.01.2004 06.20
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Schande

Aus einer Tagung, an der ich teilgenommen habe, ist eine Broschüre hervorgegangen: „Germanistische Kompetenzen on Studium und Referendariat“ (Bayreuth 2003). Herausgeber Peter Klotz schreibt in fehlerhafter Reformorthographie, Professor Jan Dirk Müller in bewährter Orthographie und Duden-Preisträger Eroms in korrekter Reformschreibweise, die er eigentlich ablehnt und die schon seine Deutsche Syntax verdorben hat. Eroms schreibt also: Für die Sprachwissenschaft in der Germanistik gilt im Besonderen Folgendes ... Eigentlich kann er dafür nur Verachtung übrig haben, aber er fügt sich, ja, er schreibt sogar: „Gerade für zukünftige Lehrer und Lehrerinnen ist es wichtig, die generellen graphematischen Prinzipien und die aus der Geschichte der deutschen Sprache zu verstehenden idiosynkratischen Entscheidungen des deutschen orthographischen Systems kennen zu lernen.“ Natürlich würde er lieber kennenzulernen schreiben, wie es den idiosynkratischen Entscheidungen des deutschen Systems entspricht, aber er traut sich nicht. Und man würde auch erwarten, daß nicht nur die idiosynkratischen, sondern auch die idiotischen orthographischen Entscheidungen für Lehrer und Lehrerinnen wichtig sind. Aber auf der ganzen Tagung wurde dieser Punkt, der doch für die Deutschlehrer tagtäglich zum Problem geworden ist, mit keiner Silbe erwähnt. Ministerialrat Krimm war nämlich auch anwesend. Damit ist die Lage der Germanistik in Deutschland hinreichend gekennzeichnet. Man könnte den ganzen Laden dichtmachen, und das kommt ja auch bald. Ich werde es nicht bedauern, das Fach ist überflüssig.
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Th. Ickler

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Reinhard Markner
05.01.2004 15.51
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Hirngerecht

Ernst Horat rühmt sich, die neuen Regeln »hirngerecht« unterrichten zu können und wirbt dafür sogar in der NZZ (Ausgabe vom 3./4. 1. 2004).
http://www.rechtschreibung.ch

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Theodor Ickler
03.01.2004 13.43
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Vorerst nicht

Zum Schutz meines Informanten möchte ich das Land und das GI nicht näher bezeichnen. Ich habe aber keine Zweifel an der Richtigkeit der Nachricht und bitte um Verständnis.
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Th. Ickler

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Theo Grunden
03.01.2004 11.09
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Re: Goethe-Barbaren

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Aus einem anderen europäischen Land wird berichtet, daß die Leiterin des dortigen Goethe-Instituts darauf drängt, möglichst rasch alle Bücher in „alter“ Rechtschreibung aus der Institutsbibliothek zu entfernen.

Unglaublich.
Aus welchem Land wird solches berichtet?
Woher stammt diese Information?

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Matthias Dräger
02.01.2004 14.45
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Bücherverbrennung - etwa so?

Damit die Verbrennung des sicher umfangreichen Buchbestandes des Goethe-Instituts nicht ohne pädagogischen Nutzen bleibt, möchte ich der Leiterin des Institutes einen passablen Vorschlag für das Abfackeln der Bücher in alter Rechtschreibung geben:

Der Tag sollte mit Bedacht gewählt werden. Erste Wahl wäre der 22. März, Goethes Todestag.

Die Schüler versammeln sich auf dem Markplatz der Stadt, Beginn der Aktion: 22.00 Uhr. Im Schein der Fakeln hält die Institutsleiterin eine Ansprache, in der noch einmal alle Widerwärtigkeiten und Unsäglichkeiten der alten Rechtschreibung pointiert zusammengetragen werden.

Sodann dürfen die Schüler die bereits am Markplatz aufgestapelten Bücher des Instituts auf einen bereits entzündeten Scheiterhaufen werfen. Hierbei sollte aber eine gewisse Form gewahrt werden.

Der Schüler nimmt z. B. eine Werkausgabe Thomas Manns mit beiden Händen, tritt an das Feuer und ruft: Ich übergebe den Flammen die Werke in alter Rechtschreibung von (Sprechpause!) -Thomas Mann!

Der nächste:
Ich übergebe den Flammen die Werke in alter Rechtschreibung von – Hermann Hesse!

Der nächste:
Ich übergebe den Flammen die Werke in alter Rechtschreibung von – Günter Grass!

....

Der letzte:
Ich übergebe den Flammen die Werke in alter Rechtschreibung von – Goethe!

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Theodor Ickler
02.01.2004 06.02
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Goethe-Barbaren

Aus einem anderen europäischen Land wird berichtet, daß die Leiterin des dortigen Goethe-Instituts darauf drängt, möglichst rasch alle Bücher in „alter“ Rechtschreibung aus der Institutsbibliothek zu entfernen. Sie soll die Verbrennung vorgeschlagen haben.
Mich überrascht das nicht, denn ich habe in der Münchner Zentrale schon vor 25 Jahren erlebt, daß regelmäßig Tausende von Büchern aussortiert und dann nicht etwa dem Antiquariatshandel angeboten oder wenigstens verschenkt, sondern gleich in große Müllcontainer geworfen wurden. Wer zufällig davon wußte, konnte sich zum Teil sehr wertvolle Bände herausfischen.
Es ist ökonomisch verantwortungslos und kulturell barbarisch, aber solche Leute werden dafür bezahlt, die deutsche Kultur im Ausland zu verbreiten.
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Th. Ickler

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Martin Reimers
05.08.2003 11.56
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Fußnote fünf minus!

Bliebe noch zu ergänzen, daß die „Fußoten“ aus der „Welt“ vom 2. August auf S. 8 das Thema streifen. Ein Tiefpunkt der ganzen Diskussion – derart wirres Zeug hätte ich von dieser Zeitung dann doch nicht erwartet.
Wenn erfahrene Sprachpraktiker wie die Korrektoren, denen der „Tagesspiegel“ eine Seite „frei geräumt“ hat, vier Jahre nach der Umstellung davon berichten, „wie oft sie selbst noch nachschlagen müssen“, dann ist das für mka vor allem ein Zeichen von „sympathischer Ehrlichkeit“, nicht für das Scheitern der Reform. Daß im Kulturressort des „Tagesspiegel“ weit mehr Fehler gemacht werden als im Sport, findet er „interessant“, ohne das näher zu erläutern – oder am Ende danach zu fragen, ob die Schieflage nicht damit zusammenhängt, daß das Chaos dort am größten ist, wo man immer noch die Möglichkeiten einer entwickelten Wortbildung schätzt. Am schönsten die Forderung, „dass wir uns viel mehr über Schwächen bei Grammatik und Ausdrucksfähigkeit unterhalten sollten als über die Feinheiten der Getrennt- und Zusammenschreibung.“ Von welcher Sprache ist hier die Rede? In der deutschen jedenfalls hängt beides sehr eng miteinander zusammen.

Wie mka bemerkt, wird in dem FAZ-Artikel „zum Jubiläum der Rechtschreibreform (...) deren angebliche Unsinnigkeit“ an der reformierten Steigerung von „Besorgnis erregend“ illustriert. Gefallen tut die ihm auch nicht: „Mag ja sein, dass das widersinnig ist.“ Widersinnig kann es also durchaus sein, die Unsinnigkeit der Rechtschreibreform ist für mka dagegen nur eine angebliche. Andererseits errege es am meisten Besorgnis „dass die FAZ überhaupt meint, solche monströsen und semantisch hanebüchenen Wörter schreiben zu müssen – und dann nach Regeln dafür verlangt.“ Da bleibt einem die Spucke weg – im Gegensatz zu anderen Zeitungen glaubt die FAZ ja wohl eben nicht, so schreiben zu müssen (ebenso wie auf derselben Seite der „Welt“ die wackere Kolumnistin Iris Hanika) und wird daher von Leuten als „exotisch“ hingestellt, die wahrscheinlich nur zweimal im Jahr eine Buchhandlung aufsuchen.



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Martin Reimers

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Heinz Erich Stiene
05.08.2003 11.12
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Glänzend!

Eine glänzende Analyse über das Phänomen niedlicher Selbstgleichschaltung und ein vernichtendes Urteil über die Erbärmlichkeit der Journaille. Schon Edgar Allan Poe wußte: „Wir müssen uns vor Augen halten, daß es im allgemeinen mehr die Absicht unserer Zeitungen ist, Aufsehen zu erregen und Eindruck zu machen als die Sache der Wahrheit zu fördern.“ Mag es im vorliegenden Fall auch weniger um das Erregen von Aufsehen gehen, die Sache der Wahrheit betreiben die Zeitungsleute zum allerwenigsten. Übrigens: Gestern übersandte ein Kollege mir den Sonderdruck eines soeben erschienenen Artikels – in herkömmlicher Rechtschreibung. Vor drei Wochen erhielt ich ein Ende Juni auf den Markt gekommenes Buch als Besprechungsexemplar – in herkömmlicher Rechtschreibung.
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Heinz Erich Stiene

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Theodor Ickler
05.08.2003 06.39
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Umgestellte Journalisten

Umgestellte Journalisten

Zum Jubiläum der Rechtschreibreform

von Theodor Ickler


Die Beiträge der Zeitungen zum fünften Jahrestag der Rechtschreibreform veranlaßten einen Beobachter zu der Bemerkung: „Psychologisch interessant ist, daß kaum ein Journalist die Reform gut findet und trotzdem alle so tun, als sei etwas Wünschenswertes und Überfälliges gegen mancherlei Widerstand zum guten Ende gebracht worden.“ Mit wenigen Ausnahmen trifft das zu. Wahrscheinlich ist es kaum erträglich, jahrelang etwas tun zu müssen, was man für falsch hält. Allmählich wird man finden, daß es so schlimm gar nicht ist, zumindest erträglich, vielleicht sogar ganz gut, jedenfalls besser als das Alte. Leider gibt es dann immer noch einige Starrköpfe, die den lieben Frieden stören und einem das eigene Nachgeben gegenüber der Macht unangenehm gegenwärtig halten. Das verlangt Gegenmaßnahmen. Eine Handvoll Argumente wiederholt sich auffallend beständig, nicht erst seit gestern. Hier sind sie:

Die Sache ist gelaufen
Viele Journalisten stellen fest, die Reform habe „sich durchgesetzt“ – was insofern nicht zutrifft, als ihre Einführung, soweit bekannt, von keiner Redaktion aus freien Stücken beschlossen, sondern „von oben“ angeordnet worden ist. Die Nachrichtenagenturen und Zeitungsverleger hatten dafür einen Termin vereinbart, den 1. August 1999, der von den meisten auch eingehalten wurde. Die Rückkehr der FAZ zur bewährten Orthographie gilt als ärgerlich und wird regelmäßig bespöttelt: „Nur die Frankfurter Allgemeine (FAZ) tanzt einsam aus der Reihe.“ Die Journalisten schlagen hier denselben Ton an wie die Rechtschreibkommission, zu deren Sprachrohr sie sich geradezu machen. Kein Journalist allerdings, sondern ein Germanistikprofessor höhnt in der Nordwest-Zeitung: „Ein paar beharrliche Altschreiber wirken bereits exotisch. Das Satiremagazin 'titanic' Seit' an Seit' mit der 'FAZ' und der 'DBZ' (Deutsche Briefmarken Zeitung) als Hort der guten alten Rechtschreibzeit, das wirkt erheiternd.“ „Die FAZ an der Spitze einer revolutionären Bewegung! Die Macher gefielen sich in der Rolle, auch wenn es sich um eine Konterrevolution handelte.“ (Berliner Zeitung) Die FAZ war immerhin großzügig genug, in ihren Spalten den bayerischen Kultusminister und Reformdurchsetzer Hans Zehetmair als „fremde Feder“ raunen zu lassen: „Ganz deutlich muß gesagt werden, daß die 'Verwirrung' welche die Reformgegner immer wieder bei Alt und Jung ausmachen, unter anderem darauf zurückzuführen ist, daß auch eine renommierte Tageszeitung sich der neuen Rechtschreibung noch nicht angeschlossen hat.“ (Man beachte die kapriziöse Logik: Wenn die Verwirrung nur von den Reformgegnern ausgemacht wird, dann existiert sie vielleicht gar nicht – in welchem Falle auch die Schuld der FAZ sich in Grenzen hielte ...) Eine Horrorvorstellung scheint es für die Journalisten zu sein, daß die Reform zurückgenommen werden könnte: Man fürchtet offenbar, wie der nackte Kaiser dazustehen, nachdem das Kind die simple Wahrheit ausgesprochen hat. Das darf nicht sein, und darum beteuern auch kritische Beobachter wieder und wieder: „Ein Zurück wird es nicht geben.“ (Nürnberger Nachrichten u. a.) Die Einführung ist „endgültig“, „unumkehrbar“ (Hamburger Abendblatt).

„Experten“
„Am fünften Jahrestag der Einführung der Rechtschreibreform haben Experten eine überwiegend positive Bilanz gezogen.“ So die Deutsche Presse-Agentur, die bekanntlich federführend bei der Umstellung der Presse-Orthographie war. Als ersten dieser „Experten“ zitiert sie Klaus Heller, den Geschäftsführer der Rechtschreibkommission und Mitverfasser der Neuregelung. Daß er sein eigenes Werk "überwiegend positiv“ beurteilt, sollte niemanden überraschen. Auch Rudolf Hoberg wird in diesem Sinne zitiert, ein weiteres Mitglied der Kommission. Der österreichische Reformer Franz V. Spechtler ist ebenfalls hoch zufrieden (die Tiroler Tageszeitung gibt ungeprüft seine unwahre Behauptung weiter, aus 52 Kommaregeln seien fünf oder sechs geworden; Spechtler weiß natürlich, daß die Kommaregeln – bei gleichem Umfang – nur anders numeriert wurden). Solche „Experten“ wie die Vertreter des Bundeselternrates und des Deutschen Philologenverbandes, die sich weniger den Verbandsmitgliedern als den Kultusministerien verbunden fühlen, werden auch völlig kritiklos mit der Behauptung zitiert, an den Schulen gebe es mit der Neuregelung keinerlei Probleme. Die Spatzen pfeifen unterdes von den Dächern, daß dem nicht so ist. Man könnte es wissen, will aber nicht.

Schulbücher
Als Beleg für den Erfolg der Reform wird angeführt, daß „Schulbücher zu 100 Prozent in der neuen Rechtschreibung“ erscheinen. Das ist allerdings kein Wunder, denn die Kultusminister haben schon 1996, zwei Jahre vor dem Inkrafttreten der Reform, bekanntgegeben, daß sie ab sofort nur noch Schulbücher in Reformorthographie zulassen würden. Welcher Schulbuchverleger würde unter diesen Umständen nichtumgestellte Bücher herausbringen? Es wäre glatter Selbstmord.

Jogurt, Karamell, Schiffahrt
Wie kann man sich über Vereinfachungen wie das weggefallene h in „Jogurt“ oder das doch recht logische dritte f in „Schifffahrt“ aufregen? In Wirklichkeit regen sich die Kritiker darüber auch gar nicht so sehr auf; die ernsthafte Kritik gilt den willkürlichen, zum Teil grammatisch falschen Getrennt- und Großschreibungen und der rücksichtslosen Einebnung von Bedeutungsunterschieden einerseits (bis hin zur Beseitigung von Wörtern aus den Wörterbüchern), den unnötigen Komplizierungen andererseits. Die sind aber meist zu schwer zu verstehen, als daß Journalisten, die sich ja auch meist um das Studium des amtlichen Regeltextes drücken und lieber im Duden nachschlagen, sie zu durchschauen vermöchten.

Zauberwort „Reform“
Reformen abzulehnen scheint von vornherein eine reaktionäre Haltung zu sein. Reform – oder was sich so nennt – ist an sich gut. Mit diesem naiven Sprachzauber wuchern die Veränderungswilligen; schon in den siebziger Jahren sollte an der Veränderung der Rechtschreibung die Veränderbarkeit der Gesellschaft demonstriert werden. Politiker haben manchmal die Rechtschreibreform als Testfall für die Reformfähigkeit des wiedervereinigten Deutschland bezeichnet (so Kultusminister Hans-Joachim Meyer vor dem Bundestag). „Mit Reformen tun wir uns alleweil schwer hier zu Lande.“ (Nordwest-Zeitung) Nach Peter Schmachthagen (Hamburger Abendblatt) „ist es fast ein Wunder, dass es in unserem reformscheuen Deutschland eine Rechtschreibreform gegeben hat.“ Gern verschweigen die Zeitungen auch, daß die „Verbindlichkeit“ der neuen Schreibweisen nur für die Schule gilt; dadurch scheint die Verantwortung der Presse geringer.

„Glaubenskrieger“ gegen „Reförmchen“
Wer auf etwas so Lächerliches wie die Grammatik Wert legt, muß ein Fanatiker, Fundamentalist, Glaubenskrieger, Eiferer, Korinthenzähler, Streber usw. sein. Dabei ist die Reform doch nur ein Reförmchen. Das von den Kritiker (wann und wo eigentlich?) vorausgesagte „Chaos“, der „Untergang des Abendlandes“, die „Apokalypse“ (Die Welt) sei nicht eingetreten. Dem dpa-Redakteur Karl-Heinz Reith springt etwas so Unwichtiges wie „der Erhalt von Konsonanten bei Wort-Zusammensetzungen wie 'Pappplakat' oder 'Sauerstoffflasche' in die Augen“ (Heilbronner Stimme), sicher kein Grund zur Aufregung, denn just diese Wörter wurden schon vor der Reform so geschrieben.

Die armen Schüler
Schon die dreiste Annullierung des schleswig-holsteinischen Volksentscheids durch eine Allfraktionen-Koalition des Landtags wurde von einer gefügigen Presse mit dem Argument entschuldigt, damit seien die Schüler dieses Bundeslandes von einer „Rechtschreibinsel“ heruntergeholt worden (während man sie in Wirklichkeit gemeinsam mit allen deutschen Schülern auf eine solche Insel deportierte; denn außerhalb der Schule wird die amtliche Regelung nirgendwo angewendet). Noch immer zieht das Argument, man müsse auf die Schüler Rücksicht nehmen:
„Das Abendblatt hat die Rechtschreibreform nicht mitgemacht, weil es von einem Änderungswahn befallen gewesen wäre, sondern weil es die Schreibweise bieten wollte, wie sie in den Schulen gelehrt wird.“ So verteidigt Peter Schmachthagen sein Hamburger Abendblatt. Dann müßte allerdings in der Zeitung die amtliche Regelung und nicht die in wesentlichen Punkten abweichende, die Schüler daher irreführende Agenturschreibung verwendet werden.

Alte Knacker
Wer noch „Handkuß" schreibt, pflegt auch den Handkuß noch: „ein paar Konservative“ im Umkreis der FAZ. Das hat Brenda Strohmaier erkannt (Berliner Zeitung). Ihre Ausführungen über die angeblich so reaktionäre Zeitung aus Frankfurt schließt sie mit den selbstentlarvenden Worten: „Heute sehen 'Fluß', 'Prozeß' und 'Biß' nur noch altmodisch aus. Wie ein Handkuß eben.“ Man fragt sich, was die Verfasserin eigentlich liest. Gregor Dotzauer hat im „Tagesspiegel“ herausgefunden: „Reformgegner sind nicht automatisch von gestern. Die Frage der Lernfähigkeit stellt sich für sie aber in besonderem Maß. Dass es zwischen ihnen und dem nichtdigitalisierten Teil der deutschen Bevölkerung frappierende Überschneidungen gibt, ist dafür ein wichtiges Indiz.“ (Kurioserweise stellt dpa-Redakteur Reith gerade umgekehrt fest, daß die Reformgegner ihren Kampf „vorwiegend im Internet“ führen.) Ein Trost: die Unbelehrbaren sterben aus. „Es ist verständlich, dass Leute wie Giordano, Reich-Ranicki, Grass, Kempowski oder Gertrud Höhler nichts Neues mehr lernen wollen, aber die Reform hat sich dennoch weitgehend durchgesetzt – wenn auch nicht in verträumten Dichterstuben, sondern vor allem bei denjenigen, die das Lesen und Schreiben neu lernen. Und davon gibt es immer mehr. Diese Schülerjahrgänge wachsen nach.“ (Peter Schmachthagen im Hamburger Abendblatt) Noch brutaler sagt es Matthias Heine in der „Welt“: „Die Tatsache, dass so viele noch an der alten Rechtschreibung festhalten, beweist nur den menschlichen Unwillen, einmal Gelerntes infrage zu stellen. Dass Marcel Reich-Ranicki und Walter Kempowski mit 80 nichts Neues mehr lernen wollen, ist sehr verständlich. Viele sehr alte Leute schreiben bis heute noch Sütterlinschrift. So wie diese wird vermutlich auch die alte Orthographie verschwinden, spätestens wenn das FAZ-Herausgebergremium nur noch aus Leuten besteht, die in der Schule die neuen Regeln gelernt haben.“ Was dieses „Neue“ taugt, scheint gar keine Rolle mehr zu spielen.

Doofe Schriftsteller
Was von den berühmten deutschen Schriftstellern zu halten ist, hat der damalige Direktor des Instituts für deutsche Sprache, einer selbsternannten Propagandazentrale für die Rechtschreibreform, schon vor sechs Jahren vorgegeben. Im gleichen Ton sagt heute der Geschäftsführer der Rechtschreibkommission, Klaus Heller: "'Was viel gelesen wird, erscheint in neuer Rechtschreibung'. Anders sei es mit der, nun, 'Höhenliteratur'. Autoren wie Grass, Lenz, Kunze 'fühlen sich als Wahrer der deutschen Sprache, verstehen auch die Unterscheidung von Sprache und Schreibung nicht', sagt er kämpferisch.“ (Berliner Zeitung) Daß Reiner Kunze nicht zwischen Scrift und Sprache zu unterscheiden wüßte, ist eine wahrhaft bodenlose Unterstellung, aber es wird kommentarlos weitergereicht.

Friedhofsruhe
Nicht ohne Zufriedenheit stellen manche Zeitungsschreiber fest, daß es um das Thema Rechtschreibreform still geworden sei. Sie wissen genau, daß die Zeitungen selbst es sind, die darüber bestimmen, was diskutiert wird und was nicht. Das reicht von redaktionellen Beiträgen bis zur Auswahl der Leserbriefe. Anhand von Jahrgangs-CD-ROMs läßt sich nachweisen, daß zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung nach dem 1. August 1999 das Thema Rechtschreibreform regelrecht unterdrückt hat. In manchen Zeitungen werden sogar die Todesanzeigen zwangsweise auf die neue Schreibung umgestellt, damit jede Erinnerung an die „alte“ möglichst rasch verlorengeht (schriftlich bestätigt von der Nordbayerischen Anzeigenverwaltung). Außerdem ist es angenehm, daß man sich mit einem peinlichen Gegenstand, der „kein Thema“ mehr ist, auch nicht länger zu beschäftigen braucht.

„Es gibt Wichtigeres“ oder: Reden wir von was anderem!
Rechtschreibreform? Gibt es nichts Wichtigeres? Zum Beispiel die Fremdwörter („Anglizismen“), das Schwinden des Sprachgefühls... „Können wir jetzt bitte wieder über die Gesundheits- und die Rentenreform reden?“ Auch diese Rhetorik trägt zur Themenvernichtung bei, und wieder übernehmen die Zeitungen wortgetreu die Taktik der Reformer selbst: Jahrzehntelang hatte sie die überragende Wichtigkeit einer Rechtschreibreform behauptet; sobald die Sache unter Dach und Fach war, schnitten sie jede Diskussion mit dem Hinweis ab, es gebe Wichtigeres.

Schlußbetrachung
Der Verleger Walter Lachenmann kommt nach Lektüre zahlreicher „Jubiläums“-Artikel zu folgendem Schluß: „Die Quintessenz der Betrachtungen zum 5. Jahrestag der Reformeinführung scheint zu sein: Die Reform ist zwar ohne jeden Zweifel ziemlich mißraten, hat sich aber dennoch durchgesetzt, was mit einiger Genüßlichkeit festgestellt wird. Weshalb das ganze Experiment veranstaltet wurde und welche Folgen es in den verschiedensten Bereichen hat (die Schule ist davon ja nur ein sehr vordergründiger und eher nebensächlicher), scheint kaum einen dieser Kommentatoren zu interessieren. Dabei hat man den Journalisten ihr ureigenstes Handwerkszeug so verdorben, daß sie tagtäglich Absonderlichkeiten schreiben, für die man sie vor fünf Jahren ausgelacht hätte. Ähnliches gilt für ihren Umgang mit Wahrheit und Vernunft, als deren Wächter sie sich ansonsten gerne betrachten.“

(Alle Zitate stammen aus Zeitungen um den 1. August 2003 herum; einige sind grammatisch an den Kontext angepaßt, im Wortlaut aber unverändert. Es gibt natürlich – das sei ausdrücklich festgehalten – auch weiterhin gute, kenntnisreiche Beiträge, auf die hier nicht eingegangen wurde, zum Beispiel von Dankwart Guratzsch, Heike Schmoll, Burkhard Müller-Ullrich und Michael Wittler.)
– geändert durch Theodor Ickler am 06.08.2003, 19.16 –
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Th. Ickler

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margel
04.08.2003 13.22
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Recht so!

Heute im Wirtschaftsteil der FAZ: Rolf Müller (Langenscheidt-Verlagsleiter) und Philipp Haußmann(Geschäftsführer der Klett Sprachen GmbH) sind beide der Meinung, daß „die Deutschen viel zu selten ein neues Wörterbuch kaufen“. Ja, ja – die sind schlau, die Deutschen...

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Theodor Ickler
30.07.2003 12.29
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Otuspokus

Rechtschreibung. Orthographie und Interpunktion. Otus Verlag S. Gallen 2003. Herstellung und Organisation: Dr. Christian Zentner. Mitarbeiter: Daniela Kronseder, Dr. Nora Wiedenmann.

Das Buch enthält auf 470 Seiten eine reine Wortliste in neuer Rechtschreibung; bei Substantiven sind der Artikel und Angaben zum Genitiv und Plural zu finden. Außerdem ist das amtliche Regelwerk abgedruckt. Es gibt aber weder ein Vorwort noch sonstige Hinweise zu Anlage und Zweck des Buches. Nur auf dem hinteren Einbanddeckel kann man etwas lesen:

„Schreibweise, Silbentrennung, Artikel, Pluralbildung und Beugung sind die elementaren Kennzeichen der Orthographie. Alphabetisch geordnet und übersichtlich dargestellt, konzentriert sich das vorliegende Nachschlagewerk auf über 100.000 Begriffe, so dass die richtige Orthographie bei strittigen Fragen in umfassender Weise zur Selbstverständlichkeit wird.
Darüber hinaus lassen die amtlichen Regeln der heutigen Rechtschreibung keinen Zweifel über die korrekte Interpunktion in all ihren Varianten aufkommen, die für ein gutes Deutsch unerlässlich sind.“

Das ist alles, aber man muß sich diesen Galimathias Wort für Wort auf der Zunge zergehen lassen, um ihn recht zu genießen.
Werfen wir einen Blick in das Wörterverzeichnis! Auf den ersten Blick fällt auf, daß Allerweltswörter wie ab, an, bei, er, du, ich, es, so einfach fehlen! Es fehlen natürlich auch Wörter wie wiedersehen, wohltun, so daß man die richtige Schreibweise nicht erschließen kann (unter wieder steht auch nichts weiter). Manchmal ist die alte Schreibweise eingetragen: Stengel > neu: Stängel, manchmal stehen beide Schreibweisen einfach an verschiedenen Stellen ohne jeden verbindenden Hinweis: Stendelwurz, Ständelwurz, hartgesotten, hart gesotten. Aus getrennten Einträgen wie leid und Leid, das kann man nicht entnehmen, wie leid tun jetzt geschrieben werden soll.
Ein geradezu unheimliches Eigenleben entwickelt der lebende Seitentitel. Über der Seite „Gasel bis gebietend“ lautet er plötzlich „Brot – Brunnen“, und über der Seite „synodisch bis Tafelberg“ wiederum „Brot – Brunnen“! Auch auf der Seite Zerevis ff. ist der lebende Titel verrutscht.

Manche Wortgruppen sind alphabetisch dort eingetragen, wo vor der Rechtschreibreform die unzerteilten Wörter hätten stehen müssen: Blut bildend (aber blutstillend, während blutsaugend ganz fehlt), Besorgnis erregend, gleich lautend, nichts sagend (vielsagend fehlt ganz), nicht leitend, Hand voll (dagegen fehlt Mundvoll in jeder Gestalt). Varianten sind ohne Verweis auf einander als verschiedene Stichwörter eingeordnet: Bofist, Bovist usw. Der Plural von Säulenfuß soll Säulenfüsse sein, der Plural von Advocatus Dei ist als Advocati Die verdruckt. Die Zisterzenserin ist falsch geschrieben und dann „richtig“ eingeordnet, also vor Zisterzienser. Graphologe steht vor Grafologie. Der Eintrag Halo beginnt mit einem Punkt. Was bedeuten die auf einanderfolgenden Einträge anordnen [.] und anordnen [.]?
Die Silbentrennung ist nur sehr rudimentär angegeben, und die Trennungen sind sehr ungleich behandelt: A-narchie, An-alphabet usw. Tee-na-ger soll nur so getrennt werden. Bei etlichen Einträgen sind die Trennungen schlicht vergessen: Westnordwest, Colloquium, Communiqué, Tiebreak . Fremdworttrennungen sind grundsätzlich immer in der dümmsten Variante und nur so angegeben: Hendi-adyoin, Herost-rat usw.
Das Wort Belustigen kommt nur in Großschreibung vor, halogen nur als Adjektiv.
Die grammatischen Angaben sind zum Teil nicht nachvollziehbar. Hinter Zugpersonal steht „nur Mehrz.“.

Man könnte noch lange fortfahren, um dieses Machwerk zu charakterisieren, aber das mag genügen. Bisher habe ich Götzes Bertelsmann von 1996 für das schlechteste deutsche Wörterbuch gehalten, aber jetzt werde ich schwankend.
– geändert durch Theodor Ickler am 03.08.2003, 10.40 –
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Th. Ickler

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Theodor Ickler
15.06.2003 16.59
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Schicksal?

Der Kölner Stadt-Anzeiger gab im August 1999 einen Sonderdruck „Die neue Rechtschreibung“ heraus. Durchaus nicht unkritisch, aber:

„Wehren gegen die Rechtschreibreform kann sich niemand, der am öffentlichen Leben teilhaben will.“
„Die Presseagenturen halten sich ans neue System der Rechtschreibung seit dem 1. August. Den Zeitungen bleibt keine andere Wahl, als mit den Wölfen zu heulen.“

Während also die Agenturen behaupten, die Reform auf Wunsch der Zeitungen eingeführt zu haben, berufen sich die Zeitungen auf das Vorangehen der Agenturen. Unterm Strich bleibt, daß alle kuschen. Der Vorgang ist denkwürdig.
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Th. Ickler

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Theodor Ickler
28.05.2003 03.12
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FAZ, IDS, GfdS

Als sei es eine Neuerscheinung, stellt W. P. Klein in der heutigen FAZ („Geisteswissenschaften“) das 1999 erschienene Machwerk „Förderung der Sprachkultur in Deutschland“ vor. Wie die Besucher dieses Forums wissen, ist der Band von GfdS (Frank-Cyrus) und IDS (Annette Trabold) herausgegeben. Darin werden obskurste Vereine (Deutscher Verein zur Rettung des Konjunktivs) ausführlich dargestellt, aber keine der Vereinigungen gegen die Rechtschreibreform. Natürlilch werden Bertelsmannstiftung und Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung gefeiert. Eine der Mitarbeiterinnen hat das später durch einen Aufsatz wiedergutzumachen versucht, aber Tatsache bleibt, daß ein staatlich finanziertes Herausgebergespann die Wirklichkeit und Wahrheit in dieser ideologischen Weise verzerrt hat. Gehört ins „Schwarzbuch“.
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Th. Ickler

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